Lade Inhalt...

Arbeitsplatznahe Kinderbetreuung im Industriegebiet - eine Bedarfsanalyse

©2008 Magisterarbeit 116 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Diese Arbeit hat die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum Thema. Die Struktur der Arbeit teilt sich grob in zwei Abschnitte. Ersterer stellt die aktuellen Zusammenhänge ausgehend von der Vereinbarkeitsproblematik bis hin zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der Kinderbetreuung dar. Im zweiten Teil wird die Mitarbeiterbefragung „Arbeitsplatznahe Kinderbetreuung“, die in einem Industriegebiet durchgeführt wurde, vorgestellt. An dieser Stelle werden die erzielten qualitativen und quantitativen Ergebnisse aufgezeigt, erörtert und analysiert.
Während des Studiums der Sozialwissenschaften habe ich mich in unterschiedlichen Seminaren mit der gesellschaftlichen Unterscheidung von Frauen- und Männerrollen beschäftigt. Stets hatte ich ein besonderes Interesse für dieses Themenfeld. Vor allem mögliche Maßnahmen, die zu einer verbesserten Vereinbarung von Familie und Beruf führen könnten, weckten meine Neugier. Im Zuge einiger Seminare las ich viel über die Vereinbarkeitsproblematik für Akademikerinnen.
Die Beschäftigung mit diesem Thema hat mich allerdings dahin geführt, dass ich mich auch und vor allem für die Vereinbarkeitsprobleme derjenigen zu interessieren begann, die auf eine Erwerbsarbeit angewiesen sind. Dies betrifft Alleinerziehende und Personen, die über ein niedriges Einkommen verfügen. Denn eine Erwerbsunterbrechung während der Familiengründung ist auch für diesen Personenkreis häufig nicht oder nur in Verbindung mit großen Nachteilen möglich.
Während der Recherchen für andere Seminararbeiten stieß ich auf das Buch „Bedarfsgerechte Kinderbetreuung“. In diesem wird in einem Abschnitt auf das Engagement von Unternehmen im Bereich der Kinderbetreuung eingegangen. In diesem Engagement steckt aus meiner Sicht ein großes Potenzial für die Gesellschaft und im Besonderen für Familien.
Diese Informationen brachten mich auf die Idee, eine Mitarbeiterbefragung mit dem Thema „Arbeitsplatznahe Kinderbetreuung“ durchzuführen, um Erkenntnisse über den vorhandenen Bedarf und die Einstellung der Mitarbeiter zu erlangen. Durch die Unterstützung von Herrn Professor Brandenburg bekam ich die Möglichkeit diese Befragung im Rahmen meiner Abschlussarbeit durchzuführen. Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
AbbildungsverzeichnisI
Teil I:Familie und Beruf - Aktuelle Rahmenbedingungen1
1.Einleitung1
1.1Vorwort1
2.Forschungsstand2
3.Familie und Beruf heute3
3.1Begriffsdefinitionen4
3.2Wandel der Familienstruktur4
3.3Alltag […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Sandra Hecker
Arbeitsplatznahe Kinderbetreuung im Industriegebiet - eine Bedarfsanalyse
ISBN: 978-3-8366-2994-2
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009
Zugl. Universität Duisburg-Essen, Standort Duisburg, Duisburg, Deutschland,
Magisterarbeit, 2008
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder
Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl.
verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2009

1
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ...I
Teil I: Familie und Beruf ­ Aktuelle Rahmenbedingungen
1. Einleitung ...1
1.1 Vorwort ...1
2. Forschungsstand ...2
3. Familie und Beruf heute...3
3.1 Begriffsdefinitionen ...4
3.2 Wandel der Familienstruktur ...4
3.3 Alltag zwischen Familie und Beruf ...9
3.3.1 Erwerbstätigkeit von Müttern...10
3.4 Kinderbetreuung ...14
3.4.1 Einstellung zur berufstätigen Mutter...15
3.5 Familienfreundliche Unternehmenspolitik ...17
3.5.1 Mögliche Formen eines betrieblichen Engagements ...20
3.6 Studien zum betrieblichen Engagement ...23
3.7 Sozialpolitik und Kinderbetreuung...27
3.7.1 Rechtliche Rahmenbedingungen für Kinderbetreuung ...29
3.7.2 Landesrecht ...31
3.6.3 Stand des Ausbaus der Betreuungsplätze...32
4. Theoretische Bedarfsanalyse der Stadt Velbert ...33
4.1 Betreuungssituation der Kinder in Velbert ...34
Teil II: Mitarbeiterbedarfsbefragung
,,Arbeitsplatznahe Kinderbetreuung im Industriegebiet"
1. Methode und Vorgehensweise des Projektes
,,Arbeitsplatznahe Kinderbetreuung" ...36
2. Recherche...37
2.1 Adressensuche ...37
3. Kontaktaufnahme...38
3.1 Schriftliche Kontaktaufnahme ...38

2
3.2 Telefonische Kontaktaufnahme ...38
4. Gespräche ...42
4.1 Gespräche vor und während der Kontaktaufnahme ...42
4.2 Persönliche Gespräche...44
5. Fragebogenkonstruktion ...49
6. Mitarbeiterfragebogen...51
7. Durchführung der Befragung ...53
7.1 Pretest...53
7.2 Onlinebefragung ...54
7.2.1 Besonderheiten der Onlinebefragung ...54
7.2.2 Umsetzung der Onlinebefragung ...56
7.3 Stichprobe und Teilnehmer...58
8. Statistische Ergebnisse...59
8.1 Inhaltliche Analyse ...62
8.2 Detaillierte Bedarfsanalyse ...68
8.3 Weiterführende Ergebnisse ...76
9. Zusammenfassende Ergebnisse ...83
10. Abschluss des Projektes...84
11. Fazit ...85
11.1 Weiterführende Ergebnisse des Projektes...85
11.2 Folgen des Projektes ...87
11.3 Persönliches Fazit...89
12. Literaturverzeichnis...91
Anhang ...95
Anhang A: Auszug Tagesbetreuungsausbaugesetz...96
Anhang B: Brief Erstkontakt Unternehmen ...98
Anhang C: Screenshots Online-Umfrage Projektbeschreibung...99
Anhang D: Onlinefragebogen ...101
Anhang E: Präsentation Umfrageergebnisse
des Unternehmens XYZ GmbH ...110

3
Abbildungsverzeichnis
I
Abbildung 1: Reaktionen der Geschäftsführer ... 39
Abbildung 2: Teilnehmeranzahl nach Onlinefragebogenseite ... 58
Abbildung 3: Geschlechterverteilung ... 59
Abbildung 4: Altersverteilung... 59
Abbildung 5: Beschäftigungsumfang... 60
Abbildung 6: Arbeitsplatzentfernung ... 61
Abbildung 7: Einstellung Vereinbarkeit von Familie und Beruf ... 62
Abbildung 8: Einstellung Vereinbarkeit von Familie und Beruf
-Geschlechtsspezifisch... 63
Abbildung 9: Einstellung zu arbeitsplatznaher Kinderbetreuung ... 64
Abbildung 10: Einstellung zur Betreuung in Arbeitsplatznähe
­ Geschlechtsspezifisch... 64
Abbildung 11: Einstellung zu arbeitsplatznaher Kinderbetreuung
­ Nach Arbeitsplatzentfernung ... 65
Abbildung 12: Einstellungsfragen... 66
Abbildung 13: Rückkehr aus Elternzeit ... 68
Abbildung 14: Interesse an Kinderbetreuung in Arbeitsplatznähe
­ Nach Arbeitsplatzentfernung weniger als 5 km... 69
Abbildung 15: Interesse an Kinderbetreuung in Arbeitsplatznähe
­ Nach Arbeitsplatzentfernung von 6-15 km ... 70
Abbildung 16: Interesse an Kinderbetreuung in Arbeitsplatznähe
­ Nach Arbeitsplatzentfernung mehr als 15 km ... 70
Abbildung 17: Aktueller Betreuungsbedarf... 71
Abbildung 18: Betreuungsbedarf nach Alter der Kinder... 72
Abbildung 19: Gelegentliche Zusatzbetreuung ... 73
Abbildung 20: Ehrenamtliche Mithilfe... 74

1
Teil I: Familie und Beruf ­ Aktuelle Rahmenbedingungen
1. Einleitung
,,Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf besteht in Deutschland noch immer die
zentrale Herausforderung darin, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, damit
Männer und Frauen Erwerbsarbeit und Familienleben gemäß ihren Lebensvorstel-
lungen miteinander verbinden können. [...] Internationale Vergleiche zeigen erneut,
dass eine vollwertige Erwerbsintegration von Frauen mit einer höheren Geburtenra-
te durchaus vereinbar ist und dass Kinderfreundlichkeit nicht mit einem Verzicht auf
die Arbeitsmarktintegration von Frauen bzw. Männern ,,erkauft" werden muss ­ oder
umgekehrt. Deutschland schneidet aber sowohl bei der Fertilität als auch bei der
Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt noch immer unbefriedigend ab."
1
Diese Arbeit hat die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum Thema. Die Struktur
der Arbeit teilt sich grob in zwei Abschnitte. Ersterer stellt die aktuellen Zusammen-
hänge ausgehend von der Vereinbarkeitsproblematik bis hin zu den rechtlichen
Rahmenbedingungen der Kinderbetreuung dar. Im zweiten Teil wird die Mitarbeiter-
befragung
2
,,Arbeitsplatznahe Kinderbetreuung
3
", die in einem Industriegebiet
durchgeführt wurde, vorgestellt. An dieser Stelle werden die erzielten qualitativen
und quantitativen Ergebnisse aufgezeigt, erörtert und analysiert.
1.1 Vorwort
Während des Studiums der Sozialwissenschaften habe ich mich in unterschiedli-
chen Seminaren mit der gesellschaftlichen Unterscheidung von Frauen- und Män-
nerrollen beschäftigt. Stets hatte ich ein besonderes Interesse für dieses Themen-
1
Büchel, Felix; Spieß, Katharina: Form der Kinderbetreuung und Arbeitsmarktverhalten.
2002 S.1 (Zusammenfassung von Ufaflex.de Stand: 12.02.2007)
2
Es wird in dieser Arbeit auf eine geschlechtsspezifische Formulierung (Mitarbeiter und Mit-
arbeiterinnen) zu Gunsten der Lesbarkeit verzichtet.
3
Kinderbetreuung beinhaltete im Kontext der Arbeit keine spezifische Ausprägung, da das
Konzept gerade die Offenheit einer möglichen Umsetzungsform beinhaltet. Kindertagesein-
richtung, Kindertagesstätte und Kindergarten werden im Folgenden synonym verwendet.

2
feld. Vor allem mögliche Maßnahmen, die zu einer verbesserten Vereinbarung von
Familie und Beruf führen könnten, weckten meine Neugier. Im Zuge einiger Semina-
re las ich viel über die Vereinbarkeitsproblematik für Akademikerinnen.
Die Beschäftigung mit diesem Thema hat mich allerdings dahin geführt, dass ich
mich auch und vor allem für die Vereinbarkeitsprobleme derjenigen zu interessieren
begann, die auf eine Erwerbsarbeit angewiesen sind. Dies betrifft Alleinerziehende
und Personen, die über ein niedriges Einkommen verfügen. Denn eine Erwerbsun-
terbrechung während der Familiengründung ist auch für diesen Personenkreis häu-
fig nicht oder nur in Verbindung mit großen Nachteilen möglich.
Während der Recherchen für andere Seminararbeiten stieß ich auf das Buch ,,Be-
darfsgerechte Kinderbetreuung". In diesem wird in einem Abschnitt auf das Enga-
gement von Unternehmen im Bereich der Kinderbetreuung eingegangen. In diesem
Engagement steckt aus meiner Sicht ein großes Potenzial für die Gesellschaft und
im Besonderen für Familien.
Diese Informationen brachten mich auf die Idee, eine Mitarbeiterbefragung mit dem
Thema ,,Arbeitsplatznahe Kinderbetreuung" durchzuführen, um Erkenntnisse über
den vorhandenen Bedarf und die Einstellung der Mitarbeiter zu erlangen. Durch die
Unterstützung von Herrn Professor Brandenburg bekam ich die Möglichkeit diese
Befragung im Rahmen meiner Abschlussarbeit durchzuführen.
2. Forschungsstand
Der Forschungsgegenstand ,,Familie" ist umfangreich von Soziologen untersucht
worden. Seit den 70er Jahren ist auch die Geschlechterforschung ein zentrales
Thema in der sozialwissenschaftlichen Literatur. Viele Forscher haben dazu beige-
tragen, dass heute ein hoher Erkenntnisstand zu diesen beiden Bereichen vorliegt.
Dennoch ist an ein Ende der Forschung zu Familie und Geschlecht nicht zu denken,
denn durch den anhaltenden gesellschaftlichen Wandel sind aktuelle Studien un-
umgänglich.
Im Sektor der Kinderbetreuung und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf hinkt
die wissenschaftliche Forschung sehr hinterher. Dieses Thema wird meist nur mit
dem Schwerpunkt der weiblichen Erwerbsbeteiligung und den damit verbundenen
Benachteiligungen beschrieben. Während der Literaturrecherche wurde deutlich,
dass die Forcierung dieses Wissenschaftsbereiches vor allem von staatlichen Insti-
tutionen vorangetrieben wird. Die meisten der Texte und Studien zum Thema Kin-

3
derbetreuung in Verbindung mit der Vereinbarung von Familie und Beruf wurden
von Ministerien in Auftrag gegeben. Eigenständige Untersuchungen von Wissen-
schaftlern sind kaum zu finden. Besonders hervorzuheben sind in dem Wissen-
schaftssektor die Autorinnen des Werks ,,Bedarfsgerechte Kinderbetreuung"
4
, hier
wurde grundlegend das Thema erarbeitet und in einen gesellschaftlichen Zusam-
menhang gestellt. Wie erwähnt sind einige Studien, auch zum Thema Unternehmen
und Kinderbetreuung vorhanden, allerdings beinhalten diese weniger theoretische
Hintergrundinformationen als eher umsetzungsorientierte Handlungskonzepte. Der
Bereich der Kinderbetreuung wird von den meisten Autoren die im Bereich der Fa-
milienforschung arbeiten außer Acht gelassen, lediglich einige Pädagogen haben
sich diesem Thema verschrieben.
Insgesamt ist die ,,Vereinbarkeit von Familie und Beruf", ebenso wie in der vorlie-
genden Arbeit, ein empirisch orientierter Sektor der Sozialwissenschaften. Mögli-
cherweise deutet auch dies darauf hin, dass das Feld relativ neu ins Blickfeld ge-
rückt ist und zunächst die Fakten und Zusammenhänge eruiert werden, um Theo-
rien und Muster abzuleiten.
3.
Familie und Beruf heute
Der Wandel der Familienformen wird im Arbeitsfeld der Familien- und Geschlechter-
soziologie ausführlich untersucht und beschrieben. In diesem Kapitel werden Beg-
riffsdefinitionen von ,,Familie" angeführt, um im Folgenden genauer auf den Wandel
der Familienstrukturen und dessen Auswirkungen auf die Vereinbarkeit von Familie
und Beruf einzugehen. Anschließend werden die zentralen Ergebnisse der aktuellen
Forschungen im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeführt. Die
Darstellung der politischen Rahmenbedingungen, die die äußere Struktur der institu-
tionellen Kinderbetreuung vorschreiben, schließen dieses Kapitel ab.
4
Esch, Karin; Klaudy, Elke; Stöbe-Blossey, Sybille: Bedarforientierte Kinderbetreuung. Ges-
taltungsfelder für die Kinder- und Jugendpolitik. Wiesbaden 2005

4
3.1 Begriffsdefinitionen
,,"Familie" umfasst allgemein eine Lebensform. Die mindestens ein Kind und ein
Elternteil umfasst und einen dauerhaften und im Inneren durch Solidarität und per-
sönliche Verbundenheit charakterisierten Zusammenhang aufweist."
5
Dadurch, wie Rüdiger Peukert
6
Familie definiert, wird deutlich, dass viele öffentlich
als üblich geltende Merkmale nicht mehr definitiv vorausgesetzt werden können, da
sie in der heutigen Zeit als variabel gelten müssen. Die Kleinfamilie, die gemeinsam
in einem Haushalt lebt und direkte Verwandtschaftsbeziehungen hat, ist nur noch
eine Form der vielfältigen Ausprägungen der Lebensform Familie.
Eine zweite Definition lautet:
,,Die Familie ist eine soziale Gruppe, die zumindest zwei Generationen umfasst. Sie
zählt zu den verbreitetsten und grundlegendsten Institutionen in allen Gesellschaf-
ten, weil sie fundamentale individuelle und kollektive Bedürfnisse zu befriedigenden
hat."
7
Allerdings weisen die Autoren im Verlauf des zitierten Textes darauf hin, dass
sich durch die funktionale Integration der Familie in die moderne Gesellschaft Ände-
rungen vollziehen und auch schon vollzogen haben. Viele ehemals zentrale Aufga-
ben der Familie werden bereits von öffentlichen Einrichtungen übernommen. Denn
Familie stellt heute weder, die grundlegende Pflege und Betreuung der Kinder, noch
deren medizinische und erzieherische Versorgung bereit.
8
Der folgende Abschnitt
beleuchtet die durch den Wandel der Familie hervorgerufenen Veränderungen.
3.2 Wandel der Familienstruktur
Ein ausschlaggebender Punkt, der zur zwangsläufigen Veränderung der Familien-
struktur führte, ist die Stagnation der Geburtenzahlen auf sehr niedrigem Niveau.
Seit dreißig Jahren nimmt die Geburtenrate in Deutschland ab. Zwar sind die Gebur-
tenzahlen zwischen 1980 und 1990 leicht angestiegen, seither sinkt die Anzahl al-
5
Ecarius, Jutta (Hg.): Handbuch Familie. Wiesbaden 2007 S.38
6
Rüdiger Peukert forscht im Bereich Familiensoziologie und ist Autor des Werks ,,Familien-
formen im sozialen Wandel". Im ,,Handbuch Familie" ist ein von ihm verfasster Artikel er-
schienen, der sich ebenfalls mit dem gesellschaftlichen Wandel der Familie beschäftigt.
7
Joas, Hans (Hg.): Handbuch der Soziologie. 2. Auflage Frankfurt 2003 S.291
8
Ebd. S.291f.

5
lerdings kontinuierlich. Im Jahr 2000 wurden pro 100 Einwohner/innen in Deutsch-
land nur 9,2 Kinder geboren. Von 82.300.000 Personen wurden in jenem Jahr
767.000 Kinder auf die Welt gebracht. Dies lässt sich auf den wachsenden Anteil
der Frauen ohne Kinder und auf den ebenfalls wachsenden Anteil von Paaren mit
einem oder höchstens zwei Kindern zurückführen.
9
Nicht nur die Geburtenzahl ist seit den 90er Jahren erheblich zurückgegangen, auch
die Zahl der Eheschließungen ist seither rückläufig. Die Institution Ehe, die öffentlich
in engem Zusammenhang mit der klassischen Familienform steht, hat einen erhebli-
chen Attraktivitätsverlust erlitten. Bleibt diese Tendenz bestehen, werden in West-
deutschland 30 ­ 40 % der jungen Menschen ledig bleiben. Dieser Einstellungs-
wandel resultiert unter anderem aus verlängerten Ausbildungszeiten sowie einer
veränderten Sexualmoral, die zu einer breiten Akzeptanz des Singledaseins geführt
haben.
10
Heirat als selbstverständlicher Schritt einer Biografie, besteht lediglich in
wenigen ländlichen Regionen der Bundesrepublik.
11
Nicht nur die Anzahl der Eheschließungen nimmt ab, sondern zeitgleich steigt auch
die Scheidungsrate. Als Ursache dieser als legitime Form der ehelichen Konfliktlö-
sung angesehenen Trennung werden die gestiegenen Ansprüche an die Qualität
der Beziehung genannt. Außerdem entspringt der Scheidung der Eltern ein Kreis-
lauf, der von Peukert als ,,intergenerationale Scheidungstradierung"
12
bezeichnet
wird. Scheidungskinder haben ein erhöhtes Risiko ebenfalls eine Scheidung zu
durchleben. Ein zweiter Grund, der zur Erhöhung der Scheidungszahlen geführt
haben könnte und für den gesamten Wandel der Familienstrukturen ein entschiede-
ner Ausgangspunkt ist, ist der Anstieg der Menschen, die als ,,individualisierte
Selbstverwirklicher"
13
bezeichnet werden. Personen, die einen gesteigerten Wert auf
ihre persönliche Lebensführung legen, sind schneller dazu bereit, Altes hinter sich
zu lassen und einen neuen Weg einzuschlagen, der besser zum aktuellen Lebens-
9
Kühn, Thomas: Berufsbiografie und Familiengründung. Biografiegestaltung junger Erwach-
sener nach Abschluss der Berufsausbildung. Wiesbaden 2004. S.22f.
10
Handbuch Familie S.39
11
Peukert: Familienformen im sozialen Wandel. Vgl.: Kühn: Berufsbiografie und Familien-
gründung S.23f.
12
Handbuch Familie S.39
13
Ebd. S.39

6
plan passt.
14
Diese Personen führen einen Lebensstil, der sich durch vorüberge-
hende Beständigkeit auszeichnet.
Der letzte von mir als zentral angesehener Änderungsprozess, der der klassischen
Familie ihre Grundlage ,,entzogen" hat, ist der Anstieg der Erwerbsbeteiligung der
Frauen und besondere der Mütter. Diese beteiligen sich heute wesentlich häufig an
der Erwerbsarbeit und verdienen so einen Teil des Familieneinkommens. Die dar-
aus resultierende Doppelorientierung der Mutter führt dazu, dass Kinder zu einem
Großteil nicht mehr innerhalb der Familie betreut werden, sondern häufig, bei vor-
handenen Betreuungsplätzen frühzeitig in außerhäusliche Betreuungsformen integ-
riert werden, denn aus der gestiegenen Erwerbsbeteiligung von Müttern ist nicht der
Rückschluss zu ziehen, dass Väter ihre Arbeitszeiten reduzieren. Beide Elternteile
richten heute häufig ihre Lebensform auf den Arbeitsmarkt aus. Für die Betreuung
der Kinder müssen deshalb neue Wege gefunden werden, um die Familiengrün-
dung unter diesen Vorzeichen überhaupt noch möglich zu machen.
Die genannten Faktoren, die in den letzten 30 Jahren das Bild der klassischen, bür-
gerlichen Kleinfamilie ins Wanken gebracht haben, eröffneten neue Familien- und
Lebensformen. Im Folgenden werden einige ,,moderne" Alternativen vorgestellt,
denn die gesellschaftlichen Entwicklungen haben mannigfaltige Entwurfsmuster von
gemeinschaftlichem Zusammenleben eröffnet.
Kinderlose Ehen
Die Zunahme der Ehen, aus denen keine Kinder hervorgehen, weist laut Peukert
auf Auflösungstendenzen hin. Denn was ehemals fest verbunden schien, nament-
lich Ehe und Elternschaft, scheint entkoppelt.
15
Von den Frauen des Geburtsjahr-
gangs 1940 sind 10 Prozent kinderlos geblieben. Die Frauen des Jahrgangs 1960
blieben zu 22 Prozent ohne Kinder.
16
Insgesamt wurde für die Ehen, die in den 80er
Jahren geschlossen wurden, ein Anteil von dauerhaft Kinderlosen von 14 % errech-
net.
17
Doch hierbei muss man zwischen den Ehepaaren unterscheiden, die sich
gegen Kinder entschlossen haben und jene, die unfreiwillig kinderlos blieben. Durch
umfangreiche Erhebungen konnte aufgedeckt werden, dass ca. 65 % der Frauen,
die keine Kinder bekommen haben, lange Zeit einen Kinderwunsch hegten, ihn al-
14
Handbuch Familie S.39
15
Handbuch Familie S.41
16
Kühn: Berufsbiografie und Familiengründung S.18
17
Handbuch Familie S.41

7
lerdings nicht realisieren konnten.
18
Diese Aussage lässt den Rückschluss zu, dass
die oben genannten Faktoren in Kombination mit den gesellschaftlichen und wirt-
schaftlichen Rahmenbedingungen die Realisierung des Kinderwunsches maßgeb-
lich erschweren.
Nichteheliche Lebensgemeinschaften
Diese Form des Zusammenlebens ist nicht durch den Wandel der Familienformen
hervorgerufen, sondern existiert schon seit mehreren Jahrhunderten. Dennoch ha-
ben die Zuschreibungsmuster sich gewandelt. War die nichteheliche Lebensge-
meinschaft früher eine Form, die von den unteren Schichten aus verschiedenen
Gründen gewählt werden musste, so ist sie heute weitestgehend gesellschaftlich
akzeptiert und wird von einer stetig steigenden Anzahl von Paaren gelebt. Von 1972
bis 2000 hat sich die Zahl der Paare, die unverheiratet zusammenleben verzehn-
facht. Im Jahr 2000 wurde vom Mikrozensus ausgewiesen, dass 1,6 Millionen Paare
diese Lebensform gewählt haben, aber in nur 23 % dieser Paargemeinschaften le-
ben Kinder unter 18 Jahren. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft ist somit vor-
zugsweise eine Haushaltsform Unverheirateter, in der häufig keine oder zumindest
keine jüngeren Kinder leben.
19
Ein-Eltern-Familien
Der Begriff ,,Ein-Eltern-Familie" löste den älteren Begriff ,,unvollständige Familie" ab.
In einer Ein-Eltern-Familie lebt ein Elternteil mit mindestens einem Kind in einem
gemeinsamen Haushalt. Diese Situation wird meist durch Verwitwung oder Schei-
dung hervorgerufen. Einer der oben genannten Faktoren war der, der stetig stei-
genden Scheidungsrate. Durch diesen Faktor werden die Ein-Eltern-Familien wei-
terhin in ihrer Anzahl zunehmen und sind schon heute für einen Großteil der unter
18-Jährigen die alltägliche Realität.
,,Als allein erziehende Elternteile zählen im Mikrozensus Mütter und Väter, die ohne
Ehe- oder Lebenspartner(in) mit ihren minder- oder volljährigen ledigen Kindern in
einem Haushalt zusammenleben. Insgesamt gab es in Deutschland im März 2004
rund 2,5 Mill. allein erziehende Elternteile, darunter deutlich über Vierfünftel (85 %)
allein erziehende Mütter. Seit April 1996 ist die Zahl der Alleinerziehenden in
Deutschland um 12 % (+ 266 000) gestiegen. Im Jahr 2004 machte der Anteil der
18
Handbuch Familie S.41; Kühn S.18
19
Peukert, Rüdiger: Familienformen im sozialen Wandel. 4.Auflage, Opladen 2002 S.70f.

8
Alleinerziehenden an allen Familien deutschlandweit ein Fünftel (20 %) aus. Nur bei
einer Minderheit der Alleinerziehenden wachsen jüngere Kinder auf: Während 15 %
aller Familien ­ dazu zählen Ehepaare, Lebensgemeinschaften und Alleinerziehen-
de ­ im März 2004 Kinder im Krippenalter (unter drei Jahren) betreuten, galt dies
lediglich für 8 % der Alleinerziehenden. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass
das Alleinerziehen in erster Linie eine (ungeplante) Lebensform von Müttern oder
Vätern ist und durch Trennung, Scheidung oder Verlust des Partners ,,mitten" in der
Familienphase einsetzt."
20
Diese als ungeplant beschriebene Lebensform resultiert auch aus dem allgemeinen
sozialen Wandel unserer Gesellschaft und den Einstellungen und Werten ihrer Mit-
glieder.
Stieffamilien
In der Stieffamilie ist die biologische und soziale Elternschaft getrennt. Durch den
Anstieg der Scheidungszahlen steigt auch die Form dieses Zusammenlebens konti-
nuierlich an. Immer mehr Kinder erleben den Weggang eines Elternteils. Ehepaare
lassen sich heute häufig sehr früh wieder scheiden, dadurch ist der Anteil derjeni-
gen, die erneut heiraten hoch.
Zwei-Karrieren-Ehen
Die Zwei-Karrieren-Ehe ist nicht mit der Doppelverdiener-Ehe zu verwechseln, denn
in jener Ehe, sind beide Lebensstile auf die berufliche Laufbahn ausgerichtet, wo
hingegen bei einer Doppelverdiener-Ehe die Frau meist nur in geringerem Umfang
erwerbstätig ist, um das Haushaltseinkommen zu erhöhen.
21
Leider sind keine
quantitativen Daten zu Zwei-Karrieren-Ehe zu finden, doch bei Betrachtung des An-
stiegs der weiblichen Hochschulabsolventinnen wird diese Form der Eheführung mit
großer Wahrscheinlichkeit extrem ansteigen. Zum jetzigen Zeitpunkt spielt dies al-
lerdings noch keine tragende Rolle, da Frauen in den Führungsetagen immer noch
sehr unterrepräsentiert sind. Bei einem Anstieg der Zwei-Karrieren-Ehen und einer
gleich bleibenden Betreuungsinfrastruktur für Kinder kann davon ausgegangen wer-
den, dass der Anteil der kinderlosen Akademikerehen ansteigt.
20
Statistisches Bundesamt: Leben und Arbeiten in Deutschland, Sonderheft 1: Familien und
Lebensformen ­ Ergebnisse des Mikrozensus 1996-2004, Wiesbaden 2006 S.26f.
21
Peukert, Rüdiger: Familienformen im sozialen Wandel. S:255f.

9
Wie oben erwähnt sind die genannten Familienformen lediglich ein Ausschnitt der
unzähligen individuellen Lösungsmuster, mit dem die einzelnen Personen versu-
chen Gemeinschaft in einer individualisierten Gesellschaft zu leben.
3.3 Alltag zwischen Familie und Beruf
Die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsbeteiligung erfordert vor allem von Frau-
en, aber auch ihren Partnern erhöhte Flexibilität. Es stellt sich die Frage, ob die
strukturellen Bedingungen in Deutschland eine optimale Vereinbarkeit im Alltag
überhaupt möglich machen? Die Geschlechterverhältnisse haben sich in großem
Ausmaß seit den siebziger Jahren angenähert, allerdings besteht immer noch eine
Geschlechterungleichheit vor allem in den gesellschaftlichen Bereichen der Erzie-
hung und Pflege sowie dem Arbeitsmarkt. Eben jene beiden Sphären, die für eine
gelungene Vereinbarkeit den neuen Herausforderungen anpasst werden müssten.
Da dies noch nicht der Fall ist, wird die Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit
weiterhin ein alltäglicher Verhandlungsprozess bleiben.
Die moderne Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft ist und bleibt einer der wich-
tigsten Taktgeber für die Lebensführung von Familien. Ihre Rahmenbedingungen
(Dauer und Lage) sind die zentralen Eckpunkte, die die Gestaltung der gemeinsa-
men Familienzeit fixieren. Obwohl das ,,Zwei-Verdiener-Modell" gesellschaftlich
ebenso wie die Erwerbstätigkeit von Müttern anerkannt ist, bilden die als ,,Normal-
verhältnisse" bezeichneten Strukturen der Haupterwerbsarbeit des Mannes die
Grundlage für betriebliches Denken. Solange Familien ihre Vereinbarkeitsproblema-
tik nicht in die öffentliche und betriebliche Diskussion einbringen, bleibt dieses Prob-
lem ein Familieninternes und wird für Außenstehende weitestgehend unsichtbar.
Vor allem für Mütter ist dieser tägliche Wechsel zwischen den beiden eigenlogi-
schen Bereichen Beruf und Familie konfliktbehaftet und anstrengend. Neue Wege,
die von Betrieben als ,,familienfreundlich" bezeichnet werden, können die Vereinbar-
keitsproblematik sogar noch verschärfen. So wurden in den letzten Jahren in vielen
Firmen flexible Arbeitszeiten eingeführt. Doch diese Destandardisierung erfordert
individuelle Abstimmungsprozesse und kann die Herstellung von gemeinsamer Zeit
aller Familienmitglieder zusätzlich erschweren.
22
22
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Siebter Familienbericht.
Familie zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit. 2005 S.101f.

10
Familienfreundliche Betriebe und deren genaue Maßnahmen werden im Folgenden
noch näher beleuchtet, doch an dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden,
dass nicht ausschließlich der Arbeitgeber die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
erschwert, sondern besonders dramatisch ist, dass die eigens zur Entlastung der
familiären Erziehungs- und Betreuungszeiten eingerichteten Institutionen die intra-
individuellen Rollenkonflikte von Müttern hervorrufen.
23
So gilt nicht nur in den Un-
ternehmen die männliche Erwerbsbeteiligung als die Zentrale, sondern auch die
öffentlichen Einrichtungen gehen von einer Mutter aus, die vollkommen flexibel und
zeitlich auf ihr Kind ausgerichtet ist.
,,Problem verstärkend wirkt, dass ungeachtet der Erwerbstätigkeit von Müttern die
gesamten Rahmeninstitutionen des öffentlichen Lebens wie Kindergärten bzw. Kin-
dertageseinrichtungen, Schule, Verkehrssysteme, Öffnungszeiten überwiegend
noch auf das fordistische Produktions- und Arbeitsteilungsmodell abgestimmt sind.
Sie alle setzen vollzeitverfügbare Mütter voraus."
24
Die heutige Realität und vor allem die Wünsche der Mütter und Eltern entfernen sich
immer weiter von diesem Konstrukt. Somit kann ausschließlich mit dem Wissen
über die Interessen und Bedürfnisse der Eltern ein Modell entwickelt werden, dass
die gesellschaftlichen Wandelungsprozesse und die veränderten Geschlechterrollen
mit einbezieht und dadurch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf möglich macht.
3.3.1 Erwerbstätigkeit von Müttern
Ein zentraler Anstoß für die Entscheidung zu dieser Arbeit waren die gewonnenen
Informationen aus einer Studie vom Institut für Arbeit und Technik in Kooperation
mit dem Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung e.V. Hier wur-
de eine repräsentative Telefonbefragung durchgeführt, die Mütter mit Kindern unter
14 Jahren befragte. Thema der Befragung war die Arbeitszeit, die Kinderbetreu-
ungslösungen und die damit verbundenen Wünsche der Mütter.
25
Insgesamt wurden
23
Siebter Familienbericht S. 400
24
Ebd. S. 401
25
Esch, Karin; Klaudy, Elke; Stöbe-Blossey, Sybille: Bedarfsorientierte Kinderbetreuung.
Gestaltungsfelder für die Kinder- und Jugendpolitik. Wiesbaden 2005 S.11

11
1 232 Mütter befragt, die draus resultierenden Ergebnisse sollen im Folgen-
den dargestellt werden.
26
Die zentrale Erkenntnis, die aus der Telefonbefragung hervorgeht, ist, dass sich die
Wünsche der Frauen auf die Aufnahme einer Teilzeittätigkeit zentrieren. Diese Er-
werbsform ergab bei den Befragten die höchste persönliche Zufriedenheit. Aller-
dings ist aber festgestellt worden, dass eine Teilzeittätigkeit keine Erwerbstätigkeit
am Vormittag bedeuten muss. Die Flexibilisierung der Arbeitsstrukturen wirkt sich
auch hier aus, denn ein Großteil der befragten Mütter arbeitet zwar zeitlich in Teil-
zeit, allerdings häufig in den Abendstunden oder am Wochenende.
Weiteres Ergebnis ist, dass 86 % der Befragten eine Betreuung über ein privates
Betreuungsnetzwerk benötigen, da die Betreuungsinfrastruktur der Kindertagesein-
richtungen ihren Bedarf nicht decken.
Diese ausgewählten Ergebnisse sind im Zusammenhang mit der weiblichen Er-
werbstätigkeit von Relevanz, vor allem die folgenden Zitate aus den Resultaten der
Mütter-Befragung sind für meine Arbeit besonders anregend gewesen.
"Zurzeit nicht erwerbstätige Frauen wurden nach ihren Wünschen und Problemen
im Hinblick auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit befragt. 68,7 % der Frauen, die
zurzeit in Elternzeit sind, möchten im Anschluss daran in jedem Fall wieder anfan-
gen zu arbeiten; [...] 88,4 % derjenigen, die wieder arbeiten wollen, streben eine
Teilzeittätigkeit an. Der Wunsch nach einer Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit ist
bei einer deutlichen Mehrheit vorhanden, verbunden mit einer starken Präferenz für
Teilzeitarbeit. Alle arbeitslosen Frauen, auch fast die Hälfte der Hausfrauen (45,6 %)
würden gern in der nächsten Zeit eine Arbeit aufnehmen; [...]. Aus der Sicht der
Hausfrauen liegt das Hauptproblem bei den fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkei-
ten (46,2 %), gefolgt von fehlenden Teilzeitstellen (35,8 %). [...]. Diejenigen zurzeit
nicht erwerbstätigen Frauen, die sich unsicher darüber sind, ob sie anfangen möch-
ten zu arbeiten, wurden danach gefragt, ob die Verfügbarkeit von Kinderbetreu-
ungsmöglichkeiten für ihre Entscheidung eine Rolle spielt. Zwei Drittel (65,8 %) be-
jahten dies. Auch hier zeigt sich, dass die Möglichkeiten der Kinderbetreuung das
Erwerbsverhalten der Mütter stark beeinflussen. Es lassen sich somit drei Gruppen
von nicht-erwerbstätigen Frauen identifizieren, für die die Frage der Kinderbetreu-
ung ein Hemmnis bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit darstellt:
1. Frauen, die konkret Arbeit suchen, aber Probleme aufgrund fehlender Kin-
derbetreuungsmöglichkeiten sehen
26
Ebd. S.11

12
2. Frauen, die aufgrund von fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten keine
Arbeit suchen
3. Frauen, die ihre Entscheidung, arbeiten zu wollen, als mehr oder weniger
stark von der Kinderbetreuungssituation abhängig ansehen.
Dies bedeutet, dass für immerhin knapp ein Viertel der nicht-erwerbstätigen Frauen
die Frage nach Arbeitsaufnahme und Kinderbetreuungsmöglichkeit in einem engen
Zusammenhang miteinander steht."
27
Die Wissenschaftlerinnen haben durch ihre Forschungen einen signifikanten Zu-
sammenhang zwischen vorhandener Kinderbetreuung und weiblicher Erwerbstätig-
keit aufgedeckt, dies ist unter anderem für die Gestaltung der Arbeitsmarkt- und
Familienpolitik von zentraler Bedeutung.
Hinzu kommt, dass 2002 von Felix Büchel und Katharina Spieß bestätigt wurde,
dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen weiblicher Erwerbstätigkeit
und dem regionalen Angebot von Kinderbetreuungseinrichtungen besteht. Das Er-
gebnis dieser Studie zeigte auch, dass der zeitliche Arbeitsumfang der Mutter von
der regionalen Versorgungsquote abhängig ist.
Weitere statistische Erkenntnisse sind den Auswertungen des Mikrozensus zu ent-
nehmen.
Der Mikrozensus 2005 beinhaltete eine Skala zum Thema ,,Wie vereinbaren Mütter
und Väter Familie und Beruf"? Es wurden erwerbsfähige Mütter und Väter zwischen
15 und 64 Jahren befragt. Ergebnisse der Befragung sind unter anderem, dass 15
% der Befragten nach eigenen Angaben keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, da ih-
nen keine geeignete Betreuung zur Verfügung steht. Für die Befragten stellte sich
heraus, dass vor allem die Betreuung in den Ferien, wenn die Betreuungseinrich-
tungen häufig schließen, große Vereinbarkeitsschwierigkeiten hervorbrachte. 7 %
der Befragten mussten in den vorhergehenden 12 Monaten ihre Erwerbstätigkeit
entweder teilweise oder ganz reduzieren, da sie keine Betreuungslösung hatten.
28
27
Büchel, F./ Spieß, C.K.: Form der Kinderbetreuung und Arbeitsmarktverhalten von Müttern
in West- und Ostdeutschland. Hg: BMFSFJ, Stuttgart 2002 S.57
28
Statistisches Bundesamt: Leben und Arbeiten in Deutschland. Sonderheft 2: Vereinbarkeit
von Familie und Beruf ­ Ergebnisse des Mirkozensus 2005. S.8f.

13
Viele Untersuchungen, die vorrangig von Ministerien in Auftrag gegeben wurden,
kommen zu dem Ergebnis, dass weibliche Erwerbsbeteiligung durch ausreichende,
bedarfsgerechte Kinderbetreuungsmöglichkeiten gesteigert werden könnte.
,,Es ist eindeutig belegt, dass ein umfassendes Angebot an Kleinkinderbetreuung
durch soziale Dienste die Erwerbschancen von Müttern erhöht. [...] Es geht bei der
Frage der Kinderbetreuung nicht nur um Erwerbsbeteiligung, sondern auch um die
Vermeidung von Armut. Familien mit Kindern haben ein geringeres Armutsrisiko,
wenn beide Partner erwerbstätig sind. Wichtig dabei ist, dass mit einem zweiten
Einkommen nicht nur die aktuelle finanzielle Lage besser ist, sonder darüber hinaus
im Fall der Arbeitslosigkeit eines Elternteils mehr Handlungsoptionen offen ste-
hen."
29
Noch ist die Erwerbsbeteiligung von Müttern im europäischen Vergleich in Deutsch-
land äußerst gering. Dies kann allerdings nicht ausschließlich auf die schwere Ver-
einbarkeit von Familie und Beruf zurückgeführt werden, denn wie oben erwähnt,
befindet sich unsere Gesellschaft im Wandel und es differenzieren sich mannigfalti-
ge Lebensformen heraus. So gibt es auch eine große Anzahl von Müttern ­ vor al-
lem in Westdeutschland ­ die eine hohe Präferenz für Familienarbeit aufweisen.
Dies ist besonders bei Frauen der Fall, die verheiratet sind und deren Mann eine
hohe Bildung sowie ein hohes Einkommen hat. Jene Frauen verzichten mit höherer
Wahrscheinlichkeit auf eine bezahlte Erwerbsarbeit.
30
Der daraus abzuleitende Hin-
weis ist, das modere Familienpolitik keine Entscheidung über die zu Fördernden
fällen sollte, sondern die unterschiedlichen Einstellungen und Lebensformen respek-
tieren und berücksichtigen muss. Denn die Leistung der Familie als gesellschaftli-
ches System ist in jedem Falle, ob die Mutter parallel erwerbstätig ist oder nicht, zu
unterstützen. Familien erbringen eine Leitung für die Gesamtgesellschaft. Die Wis-
senschaftlerin Notburga Ott beschreibt dies folgendermaßen: ,,dass, die Erziehungs-
leistung von Eltern den Bestand der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie der
sozialen Kultur der Gesellschaft dienen und quasi ein öffentliches Gut darstellt."
31
In
der familiären Erziehung werden die grundlegenden sozialen und kooperativen Ver-
haltensweisen gelegt. Eltern leisten einen erheblichen Beitrag zur Bildung ihrer Kin-
29
WZB Mitteilungen: Mehr Staat, weniger Mama. Erwerbsbeteiligung von Müttern mit Klein-
kindern im Ländervergleich. Heft 116 Juni 2007. S.2
30
Ebd. S.3
31
Siebter Familienbericht S.427

14
der und bilden somit zum Teil ihr Arbeitsvermögen heraus, das dann der Gesamt-
gesellschaft zugutekommt. Somit sollte die Perspektive der Politik, aber auch der
Gesellschaft auf Familie eine sein, die anerkennt, dass dieses Subsystem die Hu-
manvermögensbildung der Gesellschaft grundlegend gestaltet. Außerdem ist das
Aufwachsen in einer Familie, die keiner starken Vereinbarkeitsproblematik ausge-
setzt ist, die Basis für Generationensolidarität und Fürsorge. Dies ist neben der zu
steigernden Erwerbsbeteiligung der Frauen auch ein Grund, warum Familien unter-
stützt werden sollten und sich die öffentlichen Institutionen unbedingt gezielter auf
die Belange der Familien ausrichten müssen.
3.4 Kinderbetreuung
Dass vorhandene Kinderbetreuungsangebote Probleme bei der Vereinbarkeit von
Familie und Beruf verringern können, ist oben dargelegt worden. Welche Muster gibt
es heute bei der Betreuung von kleinen Kindern? Und welche Voraussetzungen
muss die Struktur der Betreuung bieten, um Eltern zu entlasten? Diese Fragen wer-
den im Folgenden beleuchtet.
Studien belegen das verschiedene Faktoren die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind
eine Tagesbetreuung besucht, steigern bzw. senken können. Fast alle Kinder zwi-
schen drei und sechs Jahren besuchen mindestens ein Jahr den Kindergarten.
,,Kinder die diese Erfahrung nicht machen, zeichnen sich dadurch aus, dass sie
meist aus Haushalten mit niedrigem Einkommen des Haushaltsvorstandes stam-
men, viele Geschwister und eine nicht erwerbstätige Mutter haben. [...] Außerdem
zeigen die Analysen [...], dass die Kinder aus Familien, in denen der Partner der
Mutter ein hohes Einkommen realisiert, mit einer größeren Wahrscheinlichkeit eine
Kindertageseinrichtung besuchen."
32
Ein weiterer Faktor, der sich auf die Betreuung von Kindern auswirkt, ist das Bil-
dungsniveau der Mutter. ,,Akademikerinnen sind unter den Müttern von Kindern, die
eine Krippe, einen Kindergarten bzw. einen Hort besuchen oder von einer Tages-
mutter betreut werden, überdurchschnittlich stark vertreten. Umgekehrt haben Kin-
der im Krippenalter, die allein von den Eltern betreut werden, sowie Kinder im Kin-
dergartenalter, die nur von einer externen Betreuungsperson oder nur durch die
Eltern betreut werden überproportional häufig Mütter, die über keine abgeschlosse-
32
Form der Kinderbetreuung und Arbeitsmarktverhalten S.22 (Ufaflex)

15
ne Berufsausbildung verfügen."
33
Dies gilt ausschließlich für Kinder, die in West-
deutschland aufwachsen. Aber die Betreuungssituation von kleinen Kindern hat
nicht ausschließlich etwas mit der vorhandenen Platzstruktur und den oben genann-
ten Zusammenhängen zu tun, sondern auch die gesellschaftliche Akzeptanz der
Betreuung von Kindern ist einer von vielen Faktoren, die in dieses komplexe Thema
mit einzubeziehen sind. Hierzu im Folgenden ein kurzer Exkurs.
3.4.1 Einstellung zur berufstätigen Mutter
,,Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie stellt für Frauen in Deutschland ein großes
und zunehmend drängendes Problem dar. Familienministerin Ursula von der Leyen
hat eine Reihe familienpolitischer Leistungen, [...], auf den Weg gebracht, um Er-
werbstätigkeit und Mutterschaft besser zu vereinbaren. Dies hat zu teilweise kontro-
versen Debatten ­ insbesondere mit Blick auf das Wohl der Kinder ­ geführt, die
zeigen, dass institutionelle Veränderungen kaum möglich sind, ohne Einstellungen
und Werthaltungen in der Bevölkerung zu berücksichtigen."
34
Aus Sicht der Autoren des Artikels ,,Berufstätigkeit von Müttern bleibt kontrovers", ist
eine faktische Verbesserung der Vereinbarung von Familie und Beruf nur möglich,
wenn dieses Konstrukt in der Gesellschaft Anerkennung und Rückhalt erfährt. Inhalt
des Artikels ist die Untersuchung der Ergebnisse einer Skala zur Einstellung gegen-
über berufstätigen Müttern mit Kindern aus dem Eurobarometer 65.1 des Jahres
2006. Die Ergebnisse für Deutschland wurden durchgehend getrennt für Ost- und
Westdeutschland dargestellt, da Ostdeutschland bzw. die Bevölkerung in Ost-
deutschland eher mit den Einstellungen der skandinavischen Länder überein zu-
bringen ist, als mit dem Rest Deutschlands. Die westdeutsche Bevölkerung spricht
sich 2006 noch zu über 50 % für die klassische, heute möglicherweise als konserva-
tiv geltende, Rollenverteilung zwischen Mann und Frau aus. Da die Skala fast wort-
gleich im ALLBUS erhoben wurde, ergibt sich die Möglichkeit den Einstellungswan-
del in den letzten 16 Jahren nachzuvollziehen. So haben 1982 88 % der Befragten
die Frage ,,Ein Kleinkind wird sicherlich darunter leiden, wenn seine Mutter berufstä-
tig ist," bejahrt, 2006 sind dies immerhin noch 62 %. Dass eine berufstätige Mutter
ein genauso herzliches Verhältnis zu ihren Kindern haben kann, wird 2006 von ei-
33
Ebd. S.43
34
Gesis: ISI 28. Berufstätigkeit von Müttern bleibt kontrovers. S.1

16
nem Viertel der Befragten bezweifelt, 1982 waren es 35 %. Augenscheinlich wird
vor allem im Bezug auf das Wohl der Kinder von den Befragten eine Erwerbstätig-
keit von Müttern kritisch gesehen. Ein Großteil der Westdeutschen ist trotz des
Wandels der Verhältnisse skeptisch gegenüber dieser Lebensweise eingestellt. Be-
sonders interessant ist, dass die Skeptiker in unserer Gesellschaft aus dem Perso-
nenkreis von Älteren (ab 65 Jahren) sowie Menschen mit niedrigem Bildungsniveau
entstammen. Deutlich unkritischer sind im Durchschnitt jüngere Menschen und
Hochgebildete, einem raschen Einstellungswandel widerspricht allerdings, dass sich
die jüngste Altersgruppe der 18 bis 30-Jährigen viel kritischer als von den Autoren
erwartet gegenüber berufstätigen Müttern mit kleinen Kindern äußern.
35
Die Einstellung der Hochgebildeten gegenüber berufstätigen Müttern ist wahrschein-
lich besonders positiv, da sie einen Großteil derer ausmachen, die ihre Kinder schon
in dem jungen Alter unter drei Jahren wesentlich häufig als alle anderen Bevölke-
rungsgruppen außerhäuslich betreuen lassen.
,,Je höher das verfügbare Nettoäquivalenzeinkommen eines Haushalts, desto eher
werden die Kinder ganztägig institutionell betreut."
36
Doch der Zusammenhang lässt sich nicht nur in die eine Richtung ausweisen, son-
dern eine vorhandene Kinderbetreuung schlägt sich auch wieder auf die Einkom-
menssituation der Mutter also auch des Haushalts nieder. ,,Die höchsten Einkom-
men erzielen Mütter derjenigen Kinder, welche die zeitlich umfangreichste institutio-
nelle Betreuung erfahren. [...] Eine wesentliche Determinante dieser relativ hohen
Arbeitseinkommen ist der zeitliche Umfang der Erwerbstätigkeit. Konsistent hierzu
lassen sich die geringsten Arbeitseinkommen in allen betrachteten Kinder-
Altersgruppen bei denjenigen Müttern beobachten, deren Kinder weder eine institu-
tionelle noch eine regelmäßige externe Betreuung ihrer Kinder beanspruchen. Diese
Mütter weisen auch die geringste Arbeitszufriedenheit auf, die sich vermutlich nicht
nur durch eine ungünstige Arbeitsplatzsituation speist, sondern auch durch die un-
günstige Form der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unter allen von uns unter-
schiedenen Kategorien."
37
Eine weitere Einflussvariable bei der Betreuung von Kindern ist die Zugehörigkeit zu
bestimmten Unternehmensformen. So werden Kinder von Eltern die im öffentlichen
35
Ebd. S.2ff.
36
Form der Kinderbetreuung und Arbeitsmarktverhalten. S.45 (Ufaflex)
37
Ebd. 46f.

17
Dienst arbeiten wesentlich häufiger und früher außerhäuslich betreut. Mütter, die in
Großbetrieben arbeiten, lassen ihre Kinder ebenfalls häufiger als der Durchschnitt
ganztags betreuen. Die ,,schlechtesten" Chancen für die Kinderbetreuung bestehen
bei Müttern, die in sehr kleinen Unternehmen arbeiten und dadurch einen schlech-
ten Zugang zu möglichen Angeboten für Kinderbetreuung haben.
Weitere zentrale Resultate der Untersuchung ,,Form der Kinderbetreuung und Ar-
beitsmarktverhalten" sind:
Kinder von hoch qualifizierten Müttern haben eine 10 % höhere Wahr-
scheinlichkeit institutionell betreut zu werden.
Kinder von Alleinerziehenden werden um 10 % häufiger außerhäuslich
betreut als Kinder, die in Paarhaushalten leben.
Kinder von Erwerbstätigen haben eine um 14 % höhere Wahrscheinlich-
keit betreut zu werden, als Kinder von nicht erwerbstätigen Müttern.
Das Bildungsniveau der Eltern schlägt sich auf die Form der Kinder-
betreuung nieder.
Finanzielle Motive spielen bei der Kinderbetreuung keine Rolle.
38
3.5 Familienfreundliche Unternehmenspolitik
Nun komme ich zu dem Absatz, der für meine Arbeit von besonderer Bedeutung ist,
denn Unternehmen können dem Staat unterstützend helfen, um ihren Mitarbeitern
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern.
Grundlegend untersuchten Miriam Belbo und Elke Wolf die Wirkung und Verbreitung
von familienfreundlichen und familienunterstützenden Maßnahmen in Unternehmen.
Unter anderem ergab die Analyse des IBA-Betriebspanels, dass lediglich 3,88 %
der deutschen Betriebe Kinderbetreuungsangebote für ihre Mitarbeiter zu Verfügung
stellen. Zu diesen Betrieben gehören vorrangig öffentliche Verwaltungen und Unter-
nehmen ohne Erwerbscharakter. Positiv beeinflusst wird die Eröffnung einer Kinder-
betreuung durch die Mitarbeiteranzahl, den Anteil von Frauen an den Beschäftigten
und das Qualifikationsniveau der Belegschaft. Außerdem ergab die multivariate Un-
38
Ebd.

18
tersuchung, dass die Wahrscheinlichkeit steigt, eine Kinderbetreuung einzurichten,
wenn ein Betriebsrat vorhanden ist.
39
Mit diesem kurzen Abriss wird verdeutlicht, wie gering das Engagement der deut-
schen Unternehmen auf diesem Gebiet bisher ist. Das Allensbach-Institut hat im
Juni 2007 über den Newsletter ,,Erfolgsfaktor Familie" die Ergebnisse einer Studie
veröffentlicht, die durch eine repräsentative Befragung von 510 deutschen Unter-
nehmen zustande kamen. Unter anderem wollen fast 50 % der befragten Unter-
nehmen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. Dies ist aus Sicht der
Unternehmen ein wichtiges Instrument bei der zukünftigen Rekrutierung von Fach-
kräften, also bei der Personalakquise.
Ein weiteres Ergebnis lautet: ,,Ein Drittel der Unternehmen, die bisher keine betrieb-
liche Kinderbetreuung anbieten, ist grundsätzlich daran interessiert, ihre Beschäftig-
ten bei der Betreuung zu unterstützen. Sechs Prozent berichten sogar von ernsthaf-
ten Überlegungen. Insgesamt sind mehr als 80 Prozent der Unternehmen über-
zeugt, dass sich betriebliche Kinderbetreuung positiv auf die Motivation und das
Firmenimage auswirkt. Auch die Gewinnung von Fachkräften ist ihnen wichtig (62
Prozent)."
40
Das Zitat macht deutlich, dass Unternehmen sich eindeutige Wettbewerbsvorteile
von familienfreundlicher Firmenpolitik und vor allem von betrieblicher Kinderbetreu-
ung versprechen. Ihr Ziel ist nicht den Staat in seinen Aufgaben zu unterstützen,
aber der Staat sollte dennoch die Unternehmen anreizen und auch mit in die Pflicht
nehmen ihnen zumindest in Teilen die schwierige Aufgabe der Vereinfachung der
Vereinbarung von Familie und Beruf abzunehmen. Wie zum Beispiel durch ein für
2008 geplantes Projekt, das aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds Anreize bei
kleinen und mittleren Unternehmen zum Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen
schaffen soll.
41
39
Beblo, Miriam; Wolf, Elke: Chancengleichheit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf ­
Faktoren des betrieblichen Engagements In: WSI Mitteilungen 10/2004, S.561ff.
40
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Newsletter Erfolgsfaktor
Familie. Nummer 4 Juli 2007. S.1
41
Bundesfamilienministerium plant ab 2008 ein Programm aus Mitteln des Europäischen
Sozialfonds (ESF): Anreize für kleine und mittlere Unternehmen zusätzliche Kinderbetreu-
ungsplätze zu schaffen. www.bmfsfj.de 21.12.2007

19
Insgesamt ist am Ende des Jahres 2007 der Bestand an Kinderbetreuungsplätzen,
die durch Firmen bereitgestellt werden, vernachlässigend gering. Hier steckt aus
meiner Sicht ein großes Potenzial, das es vor allem viel eher schaffen kann, die
wirklichen Bedürfnisse der Eltern zu verstehen und diese in die Gestaltung der Be-
treuungsstruktur aufzunehmen als die Verwaltung der Kommune. Betriebliches En-
gagement im Bereich der Kinderbetreuung gibt es bereits seit dem 19.Jahrhundert.
Im Ruhrgebiet wurden in jenem Jahrhundert ca. 30 % der Kinder so betreut, diese
Betreuung fand im Rahmen der Betriebswohlfahrtspflege statt.
42
Seit dieser Zeit ist
das Engagement der Firmen wieder sehr stark zurückgegangen. Doch seit einigen
Jahren haben sich die Spitzenverbände der Wirtschaft die Förderung der familien-
orientierten Unternehmenspolitik auf die Fahnen geschrieben. Im Zuge dieses Stra-
tegiewandels wird das Thema wieder öffentlich debattiert und von den großen Ge-
werkschaften wird zur Unterstützung der Mitarbeiter im Bereich der Vereinbarkeit
aufgerufen. Auch die zuständigen Ministerien unterstützen Betriebe mit Informati-
onsmaterial, doch es muss klar herausgestellt werden, dass im Zentrum der Debatte
der Unternehmen immer der Wettbewerbsvorteil steht. Sollte es in Zukunft zu einer
Verschiebung der Interessen kommen, werden sich die gewonnen Maßnahmen
wieder zurückbilden und die Eltern können sich einer Unterstützung auf Dauer nicht
sicher sein. Dennoch ist es aus meiner Sicht, wie oben erwähnt, die nahe liegendste
Lösung zu Verbesserung der Vereinbarkeitsproblematik in Deutschland. Anders als
in Frankreich besteht in Deutschland ein großes Vertrauen in den Arbeitgeber und
eine Unterstützungsleistung hinsichtlich dieses Themas würde von den Mitarbeitern
positiv bewertet und wertgeschätzt. Unternehmen könnten die Betreuungskosten
abschreiben und ihre Mitarbeiter an sich binden, sowie vermehrt hoch qualifizierte
Frauen einstellen, ohne die Sorge zu haben, dass sie für eine lange Zeit Elternzeit
in Anspruch nehmen und das Unternehmen die Kosten für Neueinstellungen und
Ausschreibungen tragen muss. Beide Seiten würden von einem Engagement der
Firmen profitieren und wie erwähnt, könnten die Rahmenbedingungen der Betreu-
ung exakt an die Arbeitszeiten der Eltern angepasst werden und somit wird unter
anderem auch die gemeinsame Familienzeit durch das Wegfallen der Bring- und
Abholzeiten erhöht werden.
42
Robert-Bosch Stiftung: Unternehmen Familie S.25

20
3.5.1 Mögliche Formen eines betrieblichen Engagements
Im Folgenden werden die verbreitetsten Formen des betrieblichen Engagements im
Bereich der Kinderbetreuung vorgestellt.
Unternehmen können privat organisierte Tagespflege unterstützen und ihren Mitar-
beitern ergänzend zu ihren ,,normalen" Betreuungsformen anbieten. Diese Form der
Unterstützung ist für Unternehmen sehr günstig, denn es müssen lediglich die Ver-
mittlungskosten zwischen Tagesmutter und Eltern getragen werden. Positiv an die-
sem Modell ist, dass vor allem für Kinder unter drei Jahren, deren Eltern am frühen
Morgen oder am späten Abend arbeiten keine andere Betreuungsmöglichkeit vor-
handen ist. Das Unternehmen sucht sich einen Pool von Tagespflegekräften aus
und rekrutiert diese auf Stundenbasis bei Bedarf. Hierdurch sind individuelle Ab-
sprachen und flexible Betreuungszeiten möglich. Negativ ist, das Tagespflegeper-
sonal nicht auf ihre pädagogische Qualität hin geprüft werden und keine zentrale
Ausbildung haben müssen, sodass es schwer ist, qualifiziertes Personal zu finden.
Hierbei können die freien Träger der Wohlfahrtspflege unterstützend beraten.
Ein Unternehmen kann Elterninitiativen unterstützen. Dieses Modell ist besonders
interessant für Unternehmen mit vielen Mitarbeitern, die kleine Kinder haben oder
für kleine Unternehmen, die keine eigene Kinderbetreuung anbieten könnten. Eltern-
initiativen sind Vereine, deren Mitglieder zu mindestens 90 % Eltern von Kindern
die diese Betreuung besuchen sein müssen. Elterninitiativen werden mit Zuschüs-
sen von 95 % für Investitionskosten und 96 % der Betriebskosten vom Staat mitfi-
nanziert. Der restliche Teil der Kosten wird auf die Mitglieder umgelegt und monat-
lich als Mitgliedsbeiträge eingenommen. Hier könnten die Unternehmen sich ein-
schalten und die Kosten der Mitglieder durch Spenden oder einer erweiterten Mit-
gliedschaft verringern. Allerdings bietet sich für das Unternehmen hierdurch keine
Einflussmöglichkeit, da dieses Konzept ausschließlich von den Eltern geleitet und
mit Inhalt gefüllt wird. Dies bietet sehr flexible Möglichkeiten aber erfordert auch ein
sehr hohes Engagement der beteiligten Eltern, die sich allerdings auch an die ge-
setzlichen Rahmenbedingungen halten müssen.
Firmen können eine Kindertageseinrichtung im Stadtteil errichten. Hierfür muss das
Unternehmen mit einem Träger der freien Jugendhilfe kooperieren und einen Ver-
trag vereinbaren. Diese Konzeption lohnt sich vor allem für Unternehmen, die einen

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836629942
DOI
10.3239/9783836629942
Dateigröße
3.7 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Duisburg-Essen – Gesellschaftswissenschaften, Sozialwissenschaften
Erscheinungsdatum
2009 (Mai)
Note
2,0
Schlagworte
familie beruf kinderbetreuung familiensoziologie onlinebefragung
Zurück

Titel: Arbeitsplatznahe Kinderbetreuung im Industriegebiet - eine Bedarfsanalyse
Cookie-Einstellungen