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Das Konzept des Workout Loss Given Default

©2008 Diplomarbeit 80 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Seit August 2007 ist mit dem Platzen der Immobilienblase in den USA die Diskussion über die ‘Sub-prime Krise’ entbrannt. Aufgrund der wirtschaftlichen Lage ist es vielen Kreditnehmern nicht mehr möglich, ihre Kredite zu bedienen. Die Banken können den entstandenen Verlust nach dem Ausfall ihrer Kreditnehmer selbst ein Jahr später teilweise immer noch nicht beziffern. In den Medien werden allgemeine Schätzungen für die gesamte Bankenlandschaft abgegeben. Das Thema ‘Loss Given Default’ setzt genau an diesem Punkt an. Dieser Kreditrisikoparameter dient zur Bestimmung des Verlustes nach Ausfall eines Schuldners. In der aktuellen Forschung gibt es mittlerweile zahlreiche Untersuchungen zur Messung des LGDs, allerdings sind diese nicht hinreichend ausgereift. Die größten Herausforderungen liegen in der Ermittlung der Einflussfaktoren sowie des ‘angemessenen’ Diskontierungsfaktors. Abgesehen von der Forschung bietet das Rahmenwerk des Baseler Ausschusses den Banken die Möglichkeit, eigene Schätzung des LGDs vorzunehmen. Diese Möglichkeit wird allerdings an Bedingungen geknüpft, die zu erfüllen sind. Um das Konzept des Workout-LGDs darzustellen, wird im zweiten Kapitel mit einem umfassenden Überblick über die Stellung des LGDs im Gesamtkonzept begonnen.
Zunächst werden die Definitionen der wichtigsten Begriffe dargelegt, um anschließend die drei Methoden der LGD-Ermittlung zu erläutern sowie auf ihre Vor- und Nachteile einzugehen. Im Anschluss wird das aufsichtsrechliche Rahmenwerk mit seiner historischen Entwicklung, seiner Zielsetzung und den regulatorischen Mitteln zur Erreichung dieser Ziele betrachtet. Weiterhin wird ein Überblick über die Quantifizierung des Kreditrisikos gegeben, bei dem das Augemerk auf dem Expected Loss (EL) und der Rolle des LGDs, neben den beiden Kreditrisikoparametern Probability of Default (PD) und Exposure at Defalut (EAD), liegt. Anschließend wird die Ermittlung des ökonomischen Verlustes betrachtet. Nachdem die Aspekte des LGDs erläutert wurden, folgt im dritten Kapitel eine ausführliche Betrachtung des Workout-LGDs. Bei der Workout-Methode ist der Workout-Prozess sehr wichtig, denn hier wird von der Bank als Gläubiger entschieden, was nach dem Eintritt eines Ausfalls weiter folgt. Hier werden die Handlungsalternativen, Entscheidungsfindungen sowie die Abwicklung präzise dargestellt. Dabei wird auf die Intention der Bank bei ihren Aktivitäten eingegangen. Nachfolgend werden die wichtigsten […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Das Konzept des Loss Given Default
2.1 Methoden der LGD-Ermittlung
2.2 Aufsichtsrechtlicher Rahmen des LGD
2.3 Ermittlung des Expected Loss
2.4 Ermittlung des Economic Loss

3 Die Workout-LGD-Methode
3.1 Der Workout-Prozess
3.2 Einflussfaktoren des Workout-LGD

4 Empirische Untersuchung des Workout-LGD
4.1 Ansatz von Asarnow und Edwards
4.2 Ansatz von Eales und Bosworth
4.3 Ansatz von Araten, Jacobs und Varshney
4.4 Ansatz von Schmit und Stuyck
4.5 Ansatz von De Laurentis und Riani

5 Bestimmung des „angemessenen“ Diskontierungsfaktors

6 Schlussbemerkung

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die Kapitalstruktur eines Unternehmens nach Seniorität

Abbildung 2: Recovery nach Senioritätsklassen

Abbildung 3: Einfluss der Branche auf durchschnittliche Recovery

Abbildung 4: Durchschnittliche LIED für C&I Ausfälle nach Jahren

Abbildung 5: Verlustverteilung für besicherte und unbesicherte Kredite

Abbildung 6: Verlauf der Unsecured LGD und Default Rate

Abbildung 7: Recovery Rate Konzepte

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Recovery Rates nach Sicherheitenart

Tabelle 2: Recovery Rates nach Konjunkturphasen

Tabelle 3: Einflussfaktoren der Recovery Rate

Tabelle 4: Sensitivitätsanalyse der allgemeinen LGDs

Tabelle 5: Durchschnittliche RR und Standardabweichungen für ausgefallene Leasingverträge in sechs europäischen Ländern

Tabelle 6: Recovery Rates nach Marktsegmenten

Tabelle 7: Prognostizierten und tatsächlichen RR für unterschiedliche Intervalle

Tabelle 8: Übersicht über die Einflussfaktoren zu den Ansätzen

Tabelle 9: „Angemessener“ Diskontierungsfaktor verschiedener Autoren

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Seit August 2007 ist mit dem Platzen der Immobilienblase in den USA die Diskussion über die „Sub-prime Krise“ entbrannt. Aufgrund der wirtschaftlichen Lage ist es vielen Kreditnehmern nicht mehr möglich, ihre Kredite zu bedienen. Die Banken können den entstandenen Verlust nach dem Ausfall ihrer Kreditnehmer selbst ein Jahr später teilweise immer noch nicht beziffern. In den Medien werden allgemeine Schätzungen für die gesamte Bankenlandschaft abgegeben. Das Thema „Loss Given Default“ setzt genau an diesem Punkt an. Dieser Kreditrisikoparameter dient zur Bestimmung des Verlustes nach Ausfall eines Schuldners. In der aktuellen Forschung gibt es mittlerweile zahlreiche Untersuchungen zur Messung des LGDs, allerdings sind diese nicht hinreichend ausgereift. Die größten Herausforderungen liegen in der Ermittlung der Einflussfaktoren sowie des „angemessenen“ Diskontierungsfaktors. Abgesehen von der Forschung bietet das Rahmenwerk des Baseler Ausschusses den Banken die Möglichkeit, eigene Schätzung des LGDs vorzunehmen. Diese Möglichkeit wird allerdings an Bedingungen geknüpft, die zu erfüllen sind. Um das Konzept des Workout-LGDs darzustellen, wird im zweiten Kapitel mit einem umfassenden Überblick über die Stellung des LGDs im Gesamtkonzept begonnen. Zunächst werden die Definitionen der wichtigsten Begriffe dargelegt, um anschließend die drei Methoden der LGD-Ermittlung zu erläutern sowie auf ihre Vor- und Nachteile einzugehen. Im Anschluss wird das aufsichtsrechliche Rahmenwerk mit seiner historischen Entwicklung, seiner Zielsetzung und den regulatorischen Mitteln zur Erreichung dieser Ziele betrachtet. Weiterhin wird ein Überblick über die Quantifizierung des Kreditrisikos gegeben, bei dem das Augemerk auf dem Expected Loss (EL) und der Rolle des LGDs, neben den beiden Kreditrisikoparametern Probability of Default (PD) und Exposure at Defalut (EAD), liegt. Anschließend wird die Ermittlung des ökonomischen Verlustes betrachtet. Nachdem die Aspekte des LGDs erläutert wurden, folgt im dritten Kapitel eine ausführliche Betrachtung des Workout-LGDs. Bei der Workout-Methode ist der Workout-Prozess sehr wichtig, denn hier wird von der Bank als Gläubiger entschieden, was nach dem Eintritt eines Ausfalls weiter folgt. Hier werden die Handlungsalternativen, Entscheidungsfindungen sowie die Abwicklung präzise dargestellt. Dabei wird auf die Intention der Bank bei ihren Aktivitäten eingegangen. Nachfolgend werden die wichtigsten Einflussfaktoren bei der LGD-Ermittlung und deren Wirkung erörtert. Im vierten Kapitel werden empirische Studien zu ausgefallenen Krediten und Leasingverträgen analysiert und kritisch diskutiert. Zum Abschluss des Kapitels werden in einer tabellarischen Übersicht die wichtigsten Ergebnisse präsentiert. Das fünfte Kapitel geht auf eine der größten Herausforderungen in der LGD-Ermittlung ein. Hier werden die Ansätze bzw. Modelle zur Bestimmung des „angemessenen“ Diskontierungsfaktors analysiert. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Modellen von Maclachlan und Brady et al., die bis heute die fortgeschrittenste Modellierung präsentieren. Die Erkenntnisse aus dieser Arbeit zeigen, dass Seniorität, Sicherheiten und Konjunktur die wichtigsten Einflussfaktoren bei der Workout-LGD-Bestimmung sind. Darüber hinaus ist eine disziplinierte Durchführung des Workout-Prozesses inklusive der Beachtung der Abwicklungsdauer besonders wichtig. In Bezug auf den „angemessenen“ Diskontierungsfaktor herrscht zurzeit Uneinigkeit.

2 Das Konzept des Loss Given Default

Im zweiten Kapitel werden drei Konzepte zur Ermittlung des Loss Given Defaults (LGD) präsentiert. Zunächst wird jedes der drei Konzepte kurz vorgestellt und es wird auf die Methodik der Ermittlung des LGDs eingegangen. Danach werden die Vor- und Nachteile der einzelnen Methoden erörtert. Die Methoden werden jeweils nur grob geschildert und im Falle des Workout-LGDs findet eine intensivere Darstellung im Kapitel 3 statt.

2.1 Methoden der LGD-Ermittlung

Die Ermittlung des LGDs kann unter Anwendung mehrerer alternativer Methoden erfolgen. Dabei gilt: Je komplexer die Methode und die Anforderungen an die jeweilige Methode, desto genauer sind die bestimmten Ergebnisse. Bevor die Methoden nun dargestellt werden, wird kurz erläutert, was sich hinter dem Begriff „LGD“ verbirgt. Der Loss Given Default ist der entstehende Verlust bedingt durch einen Ausfall. Der Kreditausfall tritt ein, wenn es unwahrscheinlich ist, dass der Schuldner seinen

Verpflichtungen gegenüber dem Gläubiger nachkommen wird, und er um 90 Tage in Zahlungsverzug ist.

Der Verlust kann auch als Recovery Rate (RR) dargestellt werden.[1] Die Beziehung zwischen LGD und RR kann wie folgt dargestellt werden: LGD = 1 – RR.

Die Methoden werden zuerst in zwei unterschiedliche Ansätze unterteilt und danach einzeln betrachtet. Es gibt den Top-down- und den Bottom-up-Ansatz. Zum erstgenannten Ansatz gehören die Methoden Market-LGD sowie Implied Market-LGD und zum Bottom-up-Ansatz gehört der Workout-LGD.

Zunächst werden die Methoden im Top-down-Ansatz dargestellt.

Market-LGD: Bei dieser Methode wird der LGD kurz nach dem Ausfall durch den Preis der am Markt gehandelten Werte bestimmt. Kurz nach dem Ausfall bedeutet, dass es hierbei zwischen den Wissenschaftlern unterschiedliche Meinungen gibt, wann die Preise am besten zur Bestimmung des LGDs geeignet seien. Es kann in diesem Fall ein Tag nach dem Ausfall sein, jedoch vertritt die vermehrte Anzahl der Wissenschaftler die Meinung, dass 30 Tage nach dem Ausfall den Wert besser widerspiegeln. Der Grund für diese Meinung besteht darin, dass die Preise nicht mehr durch Angst und Panik der Marktteilnehmer getrieben sind, sondern durch fundamentale Kreditdaten der ausgefallenen Werte.[2] Die Preise spiegeln den Barwert der erwarteten Recovery der Marktteilnehmer wider. Darin sind das Kapital, die entfallenen Zinsen sowie Restrukturierungskosten und die Unsicherheit über die Restrukturierung des Unternehmens enthalten, welche angemessen diskontiert wurden.[3] Hier wurde bewusst das Wort „Werte“ eingesetzt, da es sich hierbei um Wertpapiere handelt, wobei es sich entweder um Bonds oder um verbriefte/handelbare Kredite handeln kann, sofern diese am Markt gehandelt werden. Ein großer Vorteil dieser Methode ist die einfache Ermittlung des LGDs, denn dazu muss lediglich der gehandelte Preis am Markt beobachtet werden. Eine aufwändige Datensammlung wird hier nicht benötigt. Die Möglichkeit des Handelns mit den ausgefallenen Krediten birgt den Vorteil einer schnellen Abwicklung.[4] Die ermittelten Preise bei der Transaktion der ausgefallenen Kredite stellen die realisierte Recovery Rate der Investoren dar.[5] Der Vorteil des Handelns von ausgefallenen Krediten birgt aber auch den Nachteil, dass nur bestimmte Kreditarten gehandelt werden. Wenn ein Handel am Markt gegeben ist, muss dieser auch liquide genug sein, um einen Preis zu ermitteln. Der Zeitpunkt der Preisbestimmung des ausgefallenen Kredites ist ein weiteres Problem, denn wie bereits oben beschrieben gibt es diesbezüglich unterschiedliche Meinungen, wann der Preis den „richtigen“ Wert widerspiegelt.[6]

Implied Market-LGD: Diese Methode entspricht in den Grundzügen der Methode des Market-LGDs, denn hier sind die Preise ebenfalls an den Märkte zu beobachten. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass bei dieser Methode der Kreditausfall keine Bedingung ist, d. h., die LGD-Bestimmung muss nicht ex post durchgeführt, sondern kann ex ante bestimmt werden. Hierfür werden die Credit-Spreads der aktuell gehandelten Anleihen beobachtet, welche als die geforderte Risikoprämie der Marktteilnehmer gesehen werden. Der Bestimmung des Implied Market-LGDs liegt die Annahme zugrunde, dass der LGD im Credit-Spread der Anleihen enthalten ist. Der LGD wird mit einem theoretischen Asset Pricing Modell von risikobehafteten Anleihen abgeleitet, die nicht ausgefallen sind. Der von den Investoren über der risikolosen Anleihe geforderte Zinsaufschlag reflektiert den erwarteten Verlust (Expectet Loss [EL]) und somit den LGD, die Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Default [PD]) und eine Prämie für das Liquiditätsrisiko.[7] Es wurden in den letzten Jahren Modelle entwickelt, mit denen eine getrennte Ermittlung des LGDs und PDs aus dem Credit-Spread möglich ist.[8] Der Vorteil der Methode zur LGD-Bestimmung mittels Implied Market-LGD ist, dass nicht ausgefallene Kredite bei der Ermittlung betrachtet werden. Das bringt den Vorteil mit sich, da der LGD auch bei noch bestehenden Kreditverträgen zur Risikoermittlung benötigt wird.[9] Der Nachteil liegt wie beim Market-LGD darin, dass nicht jedes Unternehmen am Markt gehandelt wird.[10]

Im Bottom-up-Ansatz gibt es die Methode Workout-LGD.

Bei der Workout-LGD-Methode kann der Preis nicht an den Märkten beobachtet werden. Bei dieser Methode muss der Workout-Prozess durchlaufen werden, um den LGD zu ermitteln. Der Workout-Prozess beginnt erst, nachdem ein Ausfall eingetreten ist, hierbei werden alle Zahlungsströme, d. h. alle Cashflow-Zuflüsse und die anfallenden direkten und indirekten Kosten nach dem Ausfall, auf einen bestimmten Zeitpunkt abdiskontiert. Die Diskontierung erfolgt in der Regel auf den Tag des Ausfalls, wobei der Diskontierungsfaktor eine wichtige Rolle spielt. Hierauf wird später intensiv im Kapitel 5 eingegangen.

Allgemein gibt es für Portfolios drei Ansätze zur Betrachtung von durchschnittlichen LGDs.

Dollar-weighting: Bei diesem Ansatz wird für eine gegebene Zeitperiode (bspw. 1 Jahr) der gesamte absolute Verlust (in $) ins Verhältnis zum gesamten absoluten Exposure der ausgefallenen Kredite (in $) gesetzt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (1)

Default-weighting: Bei diesem Ansatz wird von der Annahme ausgegangen, dass die LGDs der Kredite im Portfolio bekannt sind. Hier wird die Summe der LGDs im Portfolio ins Verhältnis zur Anzahl der LGDs gesetzt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (2)

Time-weighting: Bei dieser Methode wird der Durchschnitt der Dollar-weighting- oder der Default-weighting-LGDs von Krediten in einem Portfolio über die Zeit betrachtet.[11]

Die Workout-LGD-Methode stellt für die Banken die beste Alternative dar, da es sich hierbei um eigene Schätzungen handelt. Es ist von großem Vorteil, wenn Daten vorhanden sind. Dies kann jedoch auch zum Nachteil werden, da relativ wenige Daten vorhanden sind und sich die Workout-LGD-Methode relativ aufwändig und langwierig gestaltet. Es kann im Vorhinein auch keine Beurteilung über die eigene interne Methode erfolgen.

2.2 Aufsichtsrechtlicher Rahmen des LGD

In diesem Kapitel werden zuerst der historische Hintergrund und die Entwicklung des Baseler Akkords aufgezeigt, anschließend wird die Umsetzung dieses Rahmenwerkes in der nationalen Gesetzgebung erklärt. Die inhaltlichen Ziele der Baseler Eigenkapitalvereinbarungen werden genannt und es wird erläutert, mit welchen regulatorischen Mitteln diese erreicht werden. Daher wird ein grober Überblick über den Aufbau des Rahmenwerkes mit den drei sich gegenseitig unterstützenden Säulen gegeben und anschließend wird eine konzentrierte Betrachtung der ersten Säule und der sich darin befindlichen Ansätze zur Kreditrisikomessung vorgenommen.

Der ursprüngliche Baseler Akkord wurde 1988 verabschiedet, mit dem heute bekannten Namen Basel I. Erstmals wurden 1996 explizit Marktpreisrisiken in die Mindestkapital-anforderungen aufgrund der steigenden Bedeutung von Handelsgeschäften mit einbezogen.[12] In den folgenden Jahren wurde der Druck auf den Baseler Ausschuss erhöht, da die Methoden zur Messung der Kreditrisiken nicht mehr ausreichend waren. Neuere Finanzinnovationen und Prozesse wurden in Basel I nicht berücksichtigt. Hier seien beispielsweise das Nettingverfahren als Prozess und Kreditderivate als Finanzinnovationen genannt. So wurde 1999 ein erstes Konsultationspapier zur Verbesserung von Basel I vorgeschlagen, welches am 26.06.2004 vom Baseler Ausschuss als Rahmenwerk verabschiedet wurde.[13]

Die Baseler Eigenkapitalvereinbarung ist ein international anerkanntes Rahmenwerk zur Bestimmung des benötigten Kapitals zur Unterlegung von Bankrisiken. Obwohl diese Vereinbarung keine gesetzliche Verpflichtung aufbringt, sondern eine reine Empfehlung ist, hat es die Europäische Union, mit kleinen Veränderungen, ins Capital Requirements Directive (CRD) übernommen. In Deutschland sind die Anforderungen an eine angemessene Kapitalausstattung in den §§ 10 und 10a im Kreditwesengesetz (KWG) mit einer weiteren Konkretisierung durch den Grundsatz I gesetzlich verankert. Des Weiteren sind in der Solvabilitätsverordnung (SolvV), in der Groß- und Millionenkredit Verordnung (GroMiKV) sowie in den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) die Anforderungen der deutschen Gesetzgebung festgeschrieben.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist in Deutschland als nationale Aufsichtsbehörde für Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute, Versicherungsunternehmen sowie den Wertpapierhandel, und somit für die Kontrolle der Einhaltung der Eigenkapitalverordnung, zuständig.

Die Wirtschaft erhöhte den Druck zur Anpassung von Basel I, weil dieser einen großen Schwachpunkt aufwies. Aufgrund starrer und undifferenzierter Einteilungen der Kreditnehmer waren die Banken gezwungen, Kredite an Unternehmen unabhängig ihres Risikos mit acht Prozent Eigenkapital zu unterlegen.[14] Das zur Eigenkapitalunterlegung benötigte Kapital wurde mit der einfachen Formel bestimmt:[15]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (3)

Die Bonitätsgewichtungstabelle für Aktivposten kann im Grundsatz I nach Basel I eingesehen werden.[16] Diese Gleichbehandlung von Kreditnehmern führt zu einer Fehlallokation von Kapital und setzt den Banken keine Anreize, ihr Kreditrisikomanagement zu entwickeln.[17]

Die neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung sollte Lösungen für diese Probleme bringen und für die Stabilität des Finanzsystems sorgen. Die Erfahrung zeigt, dass dieses Ziel nur mit einer risikoadäquaten Eigenkapitalunterlegung nicht erreicht wird, daher gliedert sich der neue Akkord jetzt in drei sich gegenseitig ergänzende Säulen auf. Die in der ersten Säule bestehenden Mindestkapitalanforderungen bestanden bereits in Basel I, hinzugekommen sind in Säule 2 das aufsichtliche Überprüfungsverfahren und in Säule 3 die Marktdisziplin.[18]

In Säule 1 werden die Mindestkapitalanforderungen geregelt, diese sind im Vergleich zu Basel I flexibler, d. h., bei der Risikoermittlung werden den Unternehmen mehrere Optionen gegeben. Die hinterlegten Eigenmittel müssen weiterhin acht Prozent der ermittelten Risiken betragen, jedoch kommt bei der Ermittlung des Kapitalquotienten im Nenner neben den in Basel I bereits bekannten Risikoarten Kreditrisiko und Marktrisiko zusätzlich das operationelle Risiko hinzu. Formal dargestellt erscheint der Kapitalquotient der gewichteten Risikoaktiva wie folgt:[19]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (4)

Die Säule 1 lässt sich in drei Risikokategorien aufteilen: das Kreditrisiko, das Marktrisiko und das operationelle Risiko. Zur Ermittlung des Kreditrisikos bietet Basel II zwei Ansätze, den sogenannten Standardansatz und den Internal Rating Based (IRB) Ansatz. Hierauf wird später noch detailliert eingegangen. Das Marktrisiko wird, wie in Basel I, mit den auch aufsichtlich anerkannten Methoden, die auf den Value at Risk-Ansatz (VaR) basieren, ermittelt. Eine wichtige Erneuerung in Basel II ist die Berücksichtigung der operationellen Risiken zur Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen. Basel II definiert das operationelle Risiko als „Gefahr von Verlusten, die in Folge der Unangemessenheit oder des Versagens von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder in der Folge externer Ereignisse eintreten“[20]. Gemäß dieser Definition sind Rechtsrisiken mit eingeschlossen, jedoch keine strategischen Risiken oder Reputationsrisiken.[21]

Die zweite Säule von Basel II beinhaltet die Richtlinien zum aufsichtlichen Überprüfungsverfahren. Die Intention der zweiten Säule ist, dass die Banken die ihnen gegebenen Freiheiten und Flexibilität dazu nutzen, ihre internen Methoden zur Beurteilung und Kontrolle ihrer Risiken kontinuierlich zu verbessern und zu erweitern. Die internen Risikomanagement- und Risikosteuerungssysteme der Banken werden durch die aufsichtlichen Überprüfungsverfahren auf ihre Eignung zur Beurteilung der Risikosituation und zur Erfüllung der Mindestanforderungen bei Anwendung der fortgeschrittenen Ansätze hin überprüft.

Ergänzend zur zweiten Säule soll die in der dritten Säule enthaltene Marktdisziplin durch ihre erweiterten Offenlegungspflichten eine Regulierung durch den Markt bewirken. Dabei wird von regulierenden Kräften des Marktes ausgegangen, wobei die Marktteilnehmer ein risikobewusstes Verhalten der Banken durch Investitionen honorieren oder ein schlechtes Risikomanagement entsprechend bestrafen. Hier werden nun die vier Bereiche der Offenlegungsanforderungen genannt:[22] der Anwendungsbereich, die Eigenkapitalstruktur, die Eigenkapitalausstattung und die eingegangenen Risiken.[23]

Im weiteren Verlauf werden die Ansätze zur Ermittlung des Kreditrisikos in der ersten Säule detailliert dargestellt. Es bestehen zwei generelle Ansätze: der Standardansatz sowie der IRB-Ansatz, der sich wiederum in den IRB-Basisansatz und den fortgeschrittenen IRB-Ansatz (A-IRB) gliedert. Die Ansätze werden bezüglich ihrer Grundprinzipien und Mindestanforderungen vorgestellt.

Der Standardansatz nach Basel II stellt den einfachsten Ansatz zur Ermittlung der Eigenmittelunterlegung dar. Das risikogewichtete Aktivum (Risk Weighted Asset [RWA]) aus dem Kapitalquotienten berechnet sich aus dem noch ausstehenden Kreditbetrag (Exposure at Default [EAD]) und dem Risikogewicht (RW).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (5)

Das RW wird in Abhängigkeit der Forderungsart und der Bonitätsbeurteilung vorgeschrieben. Die Bonitätsbeurteilung beruht auf externen Ratings, welche eine Aussage über die zukünftige Fähigkeit eines Unternehmens zur vollständigen und termingerechten Rückzahlung seiner Verbindlichkeiten machen. Die RWs werden von Basel II vorgegeben.[24] Eine Anrechnung von Sicherheiten und risikomindernden Maßnahmen sind durch sogenannte Haircuts möglich.[25] Eine ausdrückliche Ermittlung des LGDs ist im Standardansatz nicht erforderlich, da er bereits in den vorgeschriebenen Risikogewichten impliziert ist.[26]

Der IRB-Ansatz nach Basel II gliedert sich in den IRB-Basisansatz und den fortgeschrittenen IRB-Ansatz (A-IRB). Im Vergleich zum Standardansatz nutzen beide IRB-Ansätze zur Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen bankinterne Ratingsysteme, dennoch ist die Bestimmung der RWA identisch. Bei den internen Ratingansätzen bestimmen die Banken die Risikogewichte der einzelnen Forderungen selbst.[27] Dabei werden fünf verschiedene Forderungsklassen unterschieden: Forderungen an Unternehmen, Staaten, Banken, Beteiligungspositionen und Retailgeschäft.[28] Für die Berechnung des RWs werden vier Risikokomponenten eingesetzt: Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Default [PD]), die Verlustquote (Loss Given Default [LGD]), die Restlaufzeit (Maturity [M]) und die Unternehmensgröße (Size [S]) zur Einbeziehung der Unternehmensgröße mittels Umsatz.

Beim IRB-Basisansatz wird nur die PD intern von der Bank ermittelt, die weiteren Komponenten werden von Basel II vorgeschrieben. Die Fälligkeit wird mit M = 2,5 und die Unternehmensgröße S wird durch den Umsatz des Unternehmens in Millionen EUR festgesetzt. Für die Bestimmung des LGDs werden entsprechend der Forderungsart und der vorhandenen Sicherheiten fixe Größen vorgegeben. Bei Forderungen ohne Sicherheiten an Unternehmen, Banken und Staaten gibt der Baseler Ausschuss für vorrangige und nachrangige Forderungen einen LGD in Höhe von 45 % bzw. 75 % vor.[29] Für Forderungen, die mit Sicherheiten hinterlegt sind, gibt der Baseler Ausschuss eine Methodik zur Berücksichtigung bei der LGD-Ermittlung vor. Es werden verschiedene Möglichkeiten zur Wahl der Anrechnung von Sicherheiten über die sogenannten Haircuts gegeben. Diese werden hier nicht weiter aufgeführt.[30]

Beim A-IRB geht es noch einen Schritt weiter, denn hier müssen alle Risikokomponenten von den Banken mit ihren internen Methoden ermittelt werden, lediglich S wird wie im Basisansatz durch den Umsatz des Unternehmens vorgegeben.

Banken genießen eine hohe Freiheit und Flexibilität bei der eigenen Schätzung des LGDs im A-IRB-Ansatz. Der Baseler Ausschuss verbindet die Nutzung des A-IRB-Ansatzes mit Mindestanforderungen an die Ermittlung des LGDs.[31] Die Bank muss für jede Kreditart getrennt eine LGD-Schätzung durchführen, die gegebenenfalls einen wirtschaftlichen Abschwung und mit ihm verbundene wesentliche Risiken reflektiert. Es wird im Baseler Ausschuss explizit darauf hingewiesen, einen ausfallgewichteten LGD-Durchschnitt, sogenannten Downturn-LGD, zu berechnen, da in neuesten Studien eine Korrelation mit der PD, die vom Konjunkturzyklus abzuleiten ist, entdeckt wurde. Bei bestehender Abhängigkeit zwischen dem Kreditnehmerrisiko und der Sicherheit bzw. den Sicherheitsgebern muss eine konservative Berücksichtigung des Kreditrisikos stattfinden. Gleiches gilt bei Währungsunsicherheiten, falls es einen Währungsunterschied zur Sicherheit gibt. Des Weiteren wird eine Schätzung auf Basis tatsächlich realisierter Recovery Rates gefordert, für die geschätzte Marktwerte der Sicherheiten verwendet werden. Zudem wird vom Baseler Ausschuss hinsichtlich der LGD-Schätzung eine Mindestbeobachtungsperiode erwartet. Diese sollte idealerweise wenigstens einen Konjunkturzyklus abbilden, mindestens aber sieben Jahre, und für Retailforderungen fünf Jahre umfassen. Zusätzlich muss für ausgefallene Kredite eine getrennte LGD-Schätzung berechnet werden, da zu berücksichtigen ist, dass die tatsächlichen Verluste die erwarteten überschreiten können.

Nachdem der rechtliche Rahmen abgesteckt wurde, werden nun die maßgeblichen Parameter dieser Arbeit innerhalb dieses Rahmens definiert. Der LGD bedingt einen Ausfall, bevor es zu einem Verlust kommt. Der Kreditausfall wird im Baseler Ausschuss in der Textziffer 452 sowie in der Solvabilitätsverordnung im § 125 definiert. Hier wird nun der Text aus dem BCBS angeführt: „Der Kreditausfall im Hinblick auf einen spezifischen Schuldner gilt als gegeben, wenn eines oder beide der folgenden Ereignisse eingetreten ist:

- Die Bank geht davon aus, dass der Schuldner seinen Kreditverpflichtungen gegenüber der Bankengruppe mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in voller Höhe nachkommen wird, ohne dass die Bank auf Maßnahmen wie beispielsweise die Verwertung von Sicherheiten (soweit vorhanden) zurückgreift.

- Eine wesentliche Verbindlichkeit des Schuldners gegenüber der Bankengruppe ist mehr als 90 Tage überfällig. Überziehungen werden als überfällig betrachtet, wenn der Kreditnehmer ein zugesagtes Limit überschritten hat oder ihm ein geringeres Limit als die aktuelle Inanspruchnahme mitgeteilt wurde.“

Nachdem die Definition des Kreditausfalls, welche als Bedingung für den Verlust besteht, erfolgte, wird nun der Verlust definiert. Der Verlust wird in der Solvabilitätsverordnung im § 126 wie folgt definiert: „Unter Verlust ist ökonomischer Verlust zu verstehen, einschließlich erheblicher Diskontierungseffekte sowie erheblicher direkter und indirekter Kosten, die mit der Rückerlangung außenstehender Beträge für das Geschäft verbunden sind.“ In Kapitel 2.4 wird der ökonomische Verlust aufgegriffen und näher erläutert.

2.3 Ermittlung des Expected Loss

In diesem Kapitel wird das Augenmerk auf die Quantifizierungsgrößen des Kreditrisikos gelegt. Innerhalb des modernen Kreditrisikomanagements haben sich einige Bestimmungsgrößen etabliert, wozu der Value at Risk (VaR), Expected Loss (EL) und der Unexpected Loss (UL) gehören. Nach einer kurzen Darstellung der drei Methoden wird detailliert auf die Bestimmung des Kreditrisikos mittels Expected Loss (EL) eingegangen.

Der VaR ist der maximale Verlust eines Portfolios in einem fest bestimmten Zeithorizont mit einer gegebenen Wahrscheinlichkeit in Geldeinheiten und bildet somit formal dargestellt das (1-α)-Quantil der Verlustverteilung. Der VaR ist der Wert, der mit einer Wahrscheinlichkeit von 1- α nicht überschritten wird.[32] Formal stellt sich dies wie folgt dar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (6)

Der EL gibt den erwarteten Verlust eines Portfolios wieder. Da die Verluste erwartet werden und sie demnach keine Überraschung bieten, können die dem Kreditgeschäft inhärenten Kreditrisiken mit Hilfe spezieller Verfahren ermittelt werden, so dass sie kein Risiko im eigentlichen Sinne darstellen.[33]

Der UL ist der Teil am gesamten Verlust, der vom erwarteten Verlust abweicht und somit das eigentliche Risiko darstellt. Der UL entspricht dem Risiko, das nach dem Baseler Ausschuss mit Eigenkapital unterlegt werden muss. Die formale Darstellung lautet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (7)

Der Zusammenhang der drei Größen bezüglich des Risikos kann grafisch Dargestellt werden.[34]

Im vorherigen Kapitel wurden bereits die Kreditrisikoparameter LGD, PD und EAD genannt und teilweise näher erläutert. Ausgehend von diesen drei Parametern kann das Kreditrisiko mittels EL ermittelt werden. Der EL ergibt sich aus der Multiplikation der drei Parameter.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (8)

Der EL gibt lediglich den durchschnittlichen Verlust aus einem einzelnen Kredit bzw. aus einem Kreditportfolio wieder und ist, wie bereits oben beschrieben, kein Risiko im eigentlichen Sinne.[35] Der EL stellt die Standardrisikokosten dar, die dem Kredit zuzurechnen sind.[36] Daher sollte der EL bereits über Risikoaufschläge in den Bedingungen der Kreditverträge und über Wertberichtigungen abgedeckt werden. Mit der oben genannten Formel kann der EL auf Einzelkreditnehmerebene berechnet werden. Es ist eine wichtige Eigenschaft des EL, dass Korrelationen keine Rolle spielen. Der EL des gesamten Kreditportfolios ergibt sich durch die Addition der einzelnen EL.[37] Dieser wird auch als Basisrisiko bezeichnet. Der EL kann nicht diversifiziert werden.

Die PD ist ein kundenspezifisches Phänomen, da sie von der Bonität des Kreditnehmers abhängig ist. Die beiden Parameter EAD und LGD hingegen sind produktspezifisch und werden durch das jeweilige Kreditprodukt bestimmt.[38] Bei der Betrachtung des aktiven Kreditrisikos wird deutlich, dass das Ausfall- und Liquiditätsrisiko durch die PD und den EAD determiniert wird und der LGD das Besicherungsrisiko wieder reflektiert. Im Folgenden werden die einzelnen Kreditrisikoparameter zur Bestimmung des EL näher betrachtet.[39] Die PD gibt die kreditnehmerspezifische erwartete Wahrscheinlichkeit des Ausfalls in einem festgelegten Zeitraum, welcher in der Regel 12 Monate umfasst, wieder.[40] Zur Ermittlung der PD ist es maßgeblich, die Bonität des Kreditnehmers einzuschätzen und zu bestimmen, ob dieser seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen ohne Leistungsstörungen nachkommen kann. Für die Schätzung der PD steht eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Auswahl.[41] Die verschiedenen Ansätze unterteilen sich grob in zwei Gruppen: die Kapitalstruktur- und Intensitätsmodelle. Die Kapitalstrukturmodelle basieren auf den grundlegenden Arbeiten von Merton (1974) und Black/Scholes (1973), in denen definiert wird, dass ein Ausfall eintritt, wenn der Wert des Unternehmens den Wert des Fremdkapitals unterschreitet. Bei der Methode, die in der Praxis am häufigsten eingesetzt wird, wird der Kreditnehmer entsprechend seiner Bonität in eine Ratingklasse eingeordnet und jeder Ratingklasse wird wiederum eine Ausfallwahrscheinlichkeit zugeordnet. Die Einordnung von Kreditnehmern in Ratingklassen kann entweder mit internen oder mit externen Ratings erfolgen. Im ersten Fall führt die Auswertung der Daten mit statistischen Methoden und unter Berücksichtigung von weichen Daten zu einem Ratingurteil. Bei externen Ratings erfolgt die Ratingeinschätzung durch darauf spezialisierte Agenturen.[42] Die Intensitätsmodelle nutzen Marktpreise von Anleihen oder Aktien des Unternehmens zur Bestimmung der Ausfallwahrscheinlichkeit. Bei der Bestimmung der PD mittels Preisdifferenzmodelle werden die Marktpreise von Unternehmensanleihen genutzt. Hierbei wird aus der Differenz zwischen dem internen Zinssatz einer Anleihe und dem risikolosen Zinssatz die Ausfallwahrscheinlichkeit ermittelt.[43] Bei der Bestimmung der PD mittels Aktienkurse werden diese als Informationsquelle genutzt, da Aktienkursen die zukünftige Ertragslage der Unternehmen für die Investoren reflektieren.[44] Dieser Ansatz ist auch als KMV-Modell bekannt. Zwei wichtige Voraussetzungen für diese beiden Methoden sind die Annahmen, dass Anleihen sowie Aktien als Derivate auf den Unternehmenswert interpretiert werden und dass liquide Märkte existieren.

Der Exposure at Default gibt die erwartete Höhe des Kreditengagements zum Zeitpunkt des Ausfalls wieder. Dieser besteht aus den aktuellen Außenständen sowie der eingeräumten Kreditlinie. Die Bank muss davon ausgehen, dass der Kreditnehmer bei einer sich abzeichnenden Zahlungsunfähigkeit die ihm eingeräumten Kreditlinien weitgehend ausschöpfen wird, um einer drohenden Insolvenz zu entgehen.[45] Die komplette Kreditlinie steht somit unter Risiko und deshalb findet sie mit dem Gesamtbetrag in der Ermittlung des erwarteten Verlustes Berücksichtigung. Die Möglichkeit einer Kürzung der Kreditlinie ist abhängig davon, wie zeitnah die Bank über die Entwicklung beim Kreditnehmer informiert ist. Die Situation einer vollständigen Ausnutzung der Kreditlinie von einem Schuldner mit einem negativen Rating im Vorfeld einer Insolvenz als die eines Schuldners mit einem besseren Rating wurde in empirischen Studien durch eine starke Korrelation zwischen dem Rating und dem EAD nachgewiesen.[46]

Der LGD gibt den prozentualen Anteil des ausstehenden Kreditvolumens, der zu Verlusten führt, an. Die Grundvoraussetzung für die Bestimmung des LGDs ist die Wahl der Definition des LGDs sowie des Ausfalls. So kann ermittelt werden, welche Kredite gemäß den Kriterien ausgefallen sind und somit in die Datenauswahl zur Historisierung der Daten aufgenommen werden. Die LGD-Ermittlung erfolgt in der Regel auf Basis historischer Daten, die mindestens eine Konjunkturphase oder sieben Jahre umfassen.[47] Der Fokus liegt in diesem Kapitel auf einer kurzen Übersicht über die Einflussfaktoren bei der Bestimmung des LGDs. Diese werden jeweils nur genannt und erläutert. Einer der bedeutendsten Einflussfaktoren ist die Rangfolge in der Kapitalstruktur, die sogenannte Seniority. Durch die Rangfolge wird bestimmt, welche Gläubiger im Falle der Insolvenz vorrangig bedient werden und welche nachrangig bedient werden. Der nächste wesentliche Faktor sind die hinterlegten Sicherheiten. Die Art und der Wert der Sicherheiten sind ausschlaggebend, denn diese werden zur Befriedigung der vorrangigen Kredite bei Ausfall genutzt. Hier wird die Verknüpfung zwischen den Sicherheiten und der Seniorität deutlich. Die Branchenzugehörigkeit hat einen signifikanten Einfluss auf den LGD. So haben Unternehmen in Branchen mit einem hohen Anlagevermögen die geringsten LGDs und Unternehmen, die nur ein geringes Anlagevermögen zum Erhalt ihres Geschäftsbetriebes benötigen, einen hohen LGD. Die Konjunktur hat mit ihren unterschiedlichen Phasen eine enorme Einwirkung auf den LGD. In konjunkturell schwachen Phasen nehmen die Ausfälle bei den Unternehmen stark zu und die Sicherheitenverwertung bringt auch keine hohen Erlöse mit sich. In konjunkturell starken Phasen ist die Entwicklung genau umgekehrt. Daher ist der Wert des LGDs entsprechend der Konjunktur unterschiedlich. Als letzter Einflussparameter sei hier noch die Größe genannt. Die Größe wird dabei in manchen Studien hinsichtlich der Größe des Unternehmens und der Größe bzw. Höhe des Kredites differenziert. Bei der Unternehmensgröße erfolgt eine weitere Unterscheidung, ob diese über den Umsatz oder die Bilanzsumme berücksichtigt wird.

2.4 Ermittlung des Economic Loss

Die Ermittlung der Verlustquote bei Ausfall basiert auf dem Konzept des ökonomischen Verlustes. „Der ökonomische Verlust lässt sich vereinfacht als die Differenz zwischen dem ausstehenden Betrag und dem wirtschaftlichen Wert des Risikoaktivums zum Ausfallszeitpunkt (abzüglich Verwertungskosten) beschreiben.“[48] Es gibt keine exakte Definition zur Berechnung des ökonomischen Verlustes durch die BCBS, sondern nur Vorgaben, welche Komponenten in ihr enthalten sein müssen.[49] Die von der FG IRBA ausgearbeiteten einzelnen Komponenten, die in die Ermittlung des ökonomischen Verlustes einzubeziehen sind, sind:[50]

- in Anspruch genommener Betrag zum Zeitpunkt des Ausfalls;
- zum Zeitpunkt des Ausfalls fällige, noch nicht zugeflossene Zinsen und Entgelte;
- Saldo aus ggf. diskontierten weiteren Zu- und Abflüssen (Inanspruchnahmen) nach Zeitpunkt des Ausfalls;
- wesentliche direkte und indirekte Workout-Kosten;
- Verwertungserlöse aus Sicherheiten und sonstigen Quellen unter Berücksichtigung wesentlicher Diskontierungseffekte (kalkulatorische Zinsverluste).

Des Weiteren gehören auch Refinanzierungsschäden/-gewinne entsprechend ihrer Wesentlichkeit zu den Komponenten. Eine detaillierte Darstellung der wesentlichen direkten Workout-Kosten zeigt, dass die Gerichts- und Anwaltskosten sowie Kosten einer Zwangsverwaltung dazugehören. Erhaltene Erträge aus einer Zwangsverwaltung, Mieterträge u. Ä. sind mit den Kosten zu verrechnen, so dass im Sinne des ökonomischen Verlustbegriffes zu einer Nettokostenposition gelangt wird. Die detaillierte Darstellung der indirekten Workout-Kosten zeigt, dass die Personalkosten (eine eigene Workoutabteilung) und Sachkosten dazugehören. Diese Kosten werden entsprechend ihrer Wesentlichkeit im Ermessen der Einzelinstitute angesetzt, da die FG diesbezüglich keine Detailvorgaben macht. Die FG bietet eine Reihe von Vereinfachungsmöglichkeiten, so auch zu den Refinanzierungskosten und kalkulatorischen Zinsen sowie beim Erbringen des Nachweises zur Unwesentlichkeit. Es soll ein „sinnvolles Mittelmaß zwischen notwendiger Genauigkeit und vertretbarem Aufwand darstellen“[51]. Bei der Diskontierung der Zahlung bietet die FG zwei Möglichkeiten: Sofern die Zahlungsströme in sicherheitsäquivalente Zahlungsströme umgewandelt werden, können diese mit dem risikofreien Zins diskontiert werden. Andernfalls besteht die Möglichkeit, den risikofreien Zins um einen „bank- oder transaktionsabhängigen Risikospread“[52] zu erhöhen. Es wird auch die Möglichkeit einer

[...]


[1] In der deutschen Literatur auch die Recovery Rate oftmals Rückgewinnungsquote oder Wiedereinbringungsquote genannt.

[2] Vgl. Gupton & Stein (2005), S. 17.

[3] Vgl. Schuermann (2003), S. 7.

[4] Vgl. Asmus (2007), S. 24.

[5] Vgl. Renault & Scaillet (2003), S. 6.

[6] Vgl. Asmus (2007), S. 25.

[7] Vgl. Schuermann (2004), S. 8.

[8] Für weiterführende Literatur siehe Güntay et al. (2003).

[9] Vgl. Gupton & Stein (2005), S. 18 ff.

[10] Vgl. Asmus (2007), S. 25.

[11] Vgl. Schuermann (2004), S. 8.

[12] Vgl. BCBS (1996), S. 1 ff.

[13] Vgl. Asmus (2007), S. 56.

[14] Vgl. Schmeisser et al. (2005), S. 18 ff.

[15] Vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber (2007), S. 399.

[16] Vgl. Schmeisser et al. (2005), S. 19.

[17] Vgl. Schmeisser et al. (2005), S. 20.

[18] Vgl. hier und im Folgenden Deutsche Bundesbank (2004).

[19] Vgl. BCBS (2006), Tz. 40 ff.

[20] BCBS (2006), Tz. 644.

[21] Vgl. Asmus (2007), S. 58 f.

[22] Vgl. BCBS (2006), Tz. 808-826.

[23] Für weiterführende Literatur vgl. Asmus (2007), S. 62 ff.

[24] Vgl. BCBS (2006), Tz. 53-68.

[25] Vgl. BCBS (2006), Tz. 109-210, und Tabelle 1 mit Haircutfaktoren in Resti & Sironi (2005), S. 29.

[26] Vgl. Asmus (2007), S. 65 ff.

[27] Vgl. Schulte-Mattler (2003), S. 388.

[28] Vgl. BCBS (2006), Tz. 213-215.

[29] Vgl. BCBS (2006), Tz. 287-307. Die Anerkennung im IRB-Basisansatz ist in Tz. 302-305 geregelt.

[30] Weiterführende Literatur: Asmus (2007), S. 79-82, und Resti & Sironi (2005), S. 29- 31.

[31] Vgl. hier und im Folgenden BCBS (2006), Tz. 297-298 und 468-473.

[32] Vgl. Asmus (2007), S. 15.

[33] Vgl. Schmeisser et al. (2005), S. 82.

[34] Abbildung der Kreditrisikoverteilung im Anhang A.

[35] Vgl. Klement (2007), S. 105.

[36] Vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber (2007), S. 499.

[37] Vgl. Blattmann (2000), S. 275.

[38] Grafische Darstellung siehe Anhang B

[39] Vgl. Schmeisser et al. (2005), S. 86.

[40] Vgl. BCBS (2006), Tz. 447.

[41] Vgl. Altman/Saunders (1998), S. 1724.

[42] Hier seien nur die größten Ratingagenturen genannt: Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch.

[43] Vgl. Scheule (2003), S. 11.

[44] Vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber (2007), S. 443.

[45] Vgl. Colquitt (2007), S. 240 f.

[46] Vgl. Manz (1998), S. 161.

[47] Vgl. BCBS (2006), Tz. 472.

[48] Art. 4 Nr. 26 des EU-Richtlinienentwurfs, zit. bei FG IRBA, S. 1.

[49] Vgl. BCBS (2006), Tz. 460.

[50] Vgl. hier und im Folgenden FG IRBA, S. 1.

[51] FG IRBA, S. 2.

[52] FG IRBA, S. 2.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836629195
DOI
10.3239/9783836629195
Dateigröße
2.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität zu Köln – Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2009 (April)
Note
2,3
Schlagworte
workout loss given default kreditrisiko verlustquote recovery rate
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