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Erziehung zu Eigenverantwortlichkeit und Gemeinschaftsfähigkeit

Was macht stationäre Jugendhilfe erfolgreich?

©2008 Bachelorarbeit 79 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Anna: Die 9jährige Anna fällt in der Schule durch ihr Verhalten auf, vor allem durch Aggressivität, Wutausbrüche und Stören des Unterrichts. Das benachrichtigte Jugendamt stellt eine Vernachlässigung und Verwahrlosung des Kindes fest. Die mit dem Fall beauftragte Jugendamtsmitarbeiterin spricht mit der Mutter, um Möglichkeiten der Unterstützung zu klären. Der Vater ist unbekannt verzogen. Eine Kooperation der Mutter mit den JugendamtsmitarbeiterInnen ist schwierig, da sie weitere Gespräche oft verweigert und außerdem durch ihren Job als Fernfahrerin häufig nicht erreichbar ist. Anna wird zunächst in einer Pflegefamilie untergebracht, in der sie, wie sich nachträglich herausstellt, vermutlich missbraucht wird. Sie kommt dann in ein Heim, wo sie heute, mit 17 Jahren, noch lebt. Anna zeigt Auffälligkeiten vor allem im Bindungs- und Sozialverhalten, was häufig in grenzüberschreitendem Verhalten gegenüber anderen eskaliert. Die Situation zwischen der Mutter und dem Jugendamt wird im Verlauf der Hilfe angespannter, da die Mutter sich durch die zuständige Mitarbeiterin bevormundet fühlt. Sie meldet sich nur sehr selten bei ihrer Tochter. Schließlich werden der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Personensorgerecht für das Kind entzogen. Anna leidet sehr unter dem unregelmäßigen Kontakt mit ihrer Mutter. Diese ist oft viele Wochen lang für ihre Tochter nicht erreichbar, selten kommt ein Besuch zustande, der aber meist problematisch verläuft. Kontakt der Mutter mit Jugendamts- und HeimmitarbeiterInnen findet kaum mehr statt, da sie sagt, das Jugendamt habe ihr ihre Tochter weggenommen.
Anna habe ich im Rahmen meines Praxissemesters in einer Jugendhilfeeinrichtung kennen gelernt. Durch gute pädagogische und therapeutische Unterstützung ist sie heute soweit, dass für sie ein eigenverantwortliches Leben vorstellbar wird, jedoch wird Anna in jedem Fall noch viel Unterstützung für den Schritt in die Selbständigkeit brauchen. Besonders Annas Schwierigkeit im Umgang mit Beziehungen wirft einige Fragen auf, sowohl im Blick auf die Vergangenheit als auch im Blick auf Annas Zukunft. So kann hier fachliches Handeln von Seiten der Jugendhilfe im Hilfezuweisungsprozess und später während der Unterbringung in der Pflegefamilie kritisch hinterfragt werden, weiter ist zu fragen, inwieweit die Entwicklung Annas nach der Hilfe stabil bleiben kann ohne ausreichende soziale und familiäre Einbindung und welche Schritte notwendig sind, eine […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Sabine Hutter
Erziehung zu Eigenverantwortlichkeit und Gemeinschaftsfähigkeit
Was macht stationäre Jugendhilfe erfolgreich?
ISBN: 978-3-8366-2860-0
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009
Zugl. Fachhochschule Ravensburg-Weingarten, Weingarten, Deutschland, Bachelorarbeit,
2008
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2009

INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
... 1
2
.
Qualität in der stationären Kinder- und Jugendhilfe
... 3
2.1 Erziehungshilfe aus unterschiedlichen Perspektiven ... 5
2.2 Überprüfen von Wirkungen ... 7
3
.
Untersuchung ausgewählter Studien
... 9
3.1 Baur et al. 2002: Leistungen und Grenzen von Heimerziehung ... 11
3.1.1 Ergebnisse der Studie ... 13
3.1.2 Kriterien für gelingende Hilfen ... 14
3.2 Schmidt et al. 2002: Effekte erzieherischer Hilfen und ihre Hintergründe
...
14
3.2.1 Ergebnisse der Studie ... 15
3.2.2 Kriterien für gelingende Hilfen ... 15
3.3 Klein et al. 2003: Die Kinderdorf-Effekte-Studie ... 16
3.3.1 Ergebnisse der Studie ... 17
3.3.2 Kriterien für gelingende Hilfen ... 18
3.4 Kufeldt; Simard; Vachon 2000: Looking after Children in Canada ... 19
3.4.1 Ergebnisse der Studie ... 20
3.4.2
Kriterien für gelingende Hilfen ... 22
3.5 Barber; Delfabbro 2004: Children in Foster Care
...
22
3.5.1 Ergebnisse der Studie ... 23
3.5.2 Kriterien für gelingende Hilfen ... 24
3.6 Hartnett; Bruhn 2006: The Illinois Children Well-Being Study ... 25
3.6.1 Ergebnisse der Studie ... 26
3.6.2 Kriterien für gelingende Hilfen ... 26
3.7 Kurz-Adam 2001: Umbau statt Ausbau ... 27
3.7.1 Ergebnisse der Studie ... 28
3.7.2 Kriterien für gelingende Hilfen ... 29
3.8 ÜBBZ 2000: Würzburger Jugendhilfe-Evaluationsstudie ... 30
3.8.1 Ergebnisse der Studie ... 31
3.8.2 Kriterien für gelingende Hilfen ... 31
3.9 Macsenaere; Hermann 2004: Evaluationsstudie
erzieherischer Hilfen (EVAS) ... 32

3.9.1 Ergebnisse der Studie
...
33
3.9.2 Kriterien für gelingende Hilfen
...
34
3.10 Hansen 1994: Die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern
in Erziehungsheimen
...
34
3.10.1 Ergebnisse der Studie
...
35
3.10.2 Kriterien für gelingende Hilfen
...
36
3.11 Lambers 1996: Heimerziehung als kritisches Lebensereignis
...
37
3.11.1 Ergebnisse der Studie
...
38
3.11.2 Kriterien für gelingende Hilfen
...
38
3.12 Walter Gehres 1997:
Das zweite Zuhause
...
39
3.12.1 Ergebnisse der Studie
...
40
3.12.2 Kriterien für gelingende Hilfen
...
41
3.13 Normann 2003: Erfahrungsprozesse in institutioneller Erziehung
... 42
3.13.1
Ergebnisse der Studie
...
43
3.13.2 Kriterien für gelingende Hilfen
...
44
3.14 Osborn; Delfabbro 2006: National Comparative Study for Children and
Young People with High Support Needs in Australian Out-of-Home Care
...
45
3.14.1
Ergebnisse der Studie
...
46
3.14.2 Kriterien für gelingende Hilfen
...
47
3.15 IFCO; FICE; SOS-Kinderdorf 2007: Quality4Children
...
48
3.15.1 Ergebnisse der Studie
...
48
3.14.2 Kriterien für gelingende Hilfen
...
49
4. Aspekte gelingender Hilfen
...
50
4.1
Beteiligung
...
51
4.2 Elternarbeit
...
53
4.2
Hilfebeendigung und Vorbereitung auf Selbständigkeit
...
56
4.4 Prozessqualität in der Jugendhilfeeinrichtung
...
58
5. Schlussfolgerung
...
61
ANHANG: Tabellarische Zusammenfassung
...
65
LITERATURVERZEICHNIS
...
70

1
1. Einleitung
Anna
Die 9jährige Anna fällt in der Schule durch ihr Verhalten auf, vor allem durch Aggressivität,
Wutausbrüche und Stören des Unterrichts. Das benachrichtigte Jugendamt stellt eine
Vernachlässigung und Verwahrlosung des Kindes fest. Die mit dem Fall beauftragte
Jugendamtsmitarbeiterin spricht mit der Mutter, um Möglichkeiten der Unterstützung zu klären.
Der Vater ist unbekannt verzogen. Eine Kooperation der Mutter mit den
JugendamtsmitarbeiterInnen ist schwierig, da sie weitere Gespräche oft verweigert und
außerdem durch ihren Job als Fernfahrerin häufig nicht erreichbar ist. Anna wird zunächst in
einer Pflegefamilie untergebracht, in der sie, wie sich nachträglich herausstellt, vermutlich
missbraucht wird. Sie kommt dann in ein Heim, wo sie heute, mit 17 Jahren, noch lebt. Anna
zeigt Auffälligkeiten vor allem im Bindungs- und Sozialverhalten, was häufig in
grenzüberschreitendem Verhalten gegenüber anderen eskaliert. Die Situation zwischen der
Mutter und dem Jugendamt wird im Verlauf der Hilfe angespannter, da die Mutter sich durch
die zuständige Mitarbeiterin bevormundet fühlt. Sie meldet sich nur sehr selten bei ihrer Tochter.
Schließlich werden der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Personensorgerecht
für das Kind entzogen. Anna leidet sehr unter dem unregelmäßigen Kontakt mit ihrer Mutter.
Diese ist oft viele Wochen lang für ihre Tochter nicht erreichbar, selten kommt ein Besuch
zustande, der aber meist problematisch verläuft. Kontakt der Mutter mit Jugendamts- und
HeimmitarbeiterInnen findet kaum mehr statt, da sie sagt, das Jugendamt habe ihr ihre Tochter
weggenommen.
Anna habe ich im Rahmen meines Praxissemesters in einer Jugendhilfeeinrichtung
kennengelernt. Durch gute pädagogische und therapeutische Unterstützung ist sie heute
soweit, dass für sie ein eigenverantwortliches Leben vorstellbar wird, jedoch wird Anna
in jedem Fall noch viel Unterstützung für den Schritt in die Selbständigkeit brauchen.
Besonders Annas Schwierigkeit im Umgang mit Beziehungen wirft einige Fragen auf,
sowohl im Blick auf die Vergangenheit als auch im Blick auf Annas Zukunft. So kann
hier fachliches Handeln von Seiten der Jugendhilfe im Hilfezuweisungsprozess und
später während der Unterbringung in der Pflegefamilie kritisch hinterfragt werden,
weiter ist zu fragen, inwieweit die Entwicklung Annas nach der Hilfe stabil bleiben
kann ohne ausreichende soziale und familiäre Einbindung und welche Schritte
notwendig sind, eine Stabilität nach der Hilfe zu gewährleisten.
Die zum Teil äußerst schwierigen Lebenssituationen von Jugendlichen wie Anna in
einer Heimsituation machen die Notwendigkeit deutlich, Wirkungen von
Jugendhilfemaßnahmen zu überprüfen, um sie optimieren zu können.
,,Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf
Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit"
(§1 Abs.1 SGB VIII). Sobald die Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie eines
jungen Menschen dieses im Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) bestimmte Recht

2
nicht ausreichend ermöglichen können, ist es Aufgabe des Staates, in Form von
erzieherischen Hilfen hier unterstützend zu wirken.
Den umfassendsten Eingriff in die Lebenssituation von Eltern und Kindern stellen die
stationären Hilfen zur Erziehung nach Paragraf 34 des KJHG dar. Diese Hilfen sind sehr
kostenintensiv, auch im Vergleich mit ambulanten Angeboten der Kinder- und
Jugendhilfe. Gleichzeitig werden laut Jugendhilfe-Effekte-Studie (SCHMIDT et al.
2002) mehr als ein Viertel dieser Hilfen vorzeitig abgebrochen. Hier stellt sich die Frage
sowohl nach der Effektivität stationärer Erziehungshilfe als auch nach passgenauen
Hilfezuweisungen und somit auch die Frage nach einer wirkungsorientierten und
evaluationsbasierten Gestaltung von Hilfen. ,,Denn eine Maßnahme, die nicht wirksam
ist, ist ­ unabhängig davon, wie viel sie kostet ­ eine teure Maßnahme. Dabei geht es
(. . .) auch um die Zeit, die Arbeitskraft und das Engagement in der Regel gut
ausgebildeter, kompetenter Professioneller" (SCHRÖDTER; ZIEGLER 2007: 5).
Die Erziehung eines jungen Menschen zielt auf die Entwicklung einer individuellen
Persönlichkeit, sichtbar werden dabei Entwicklungsmerkmale, die in gewisser Weise
subjektiv beobachtet und wahrgenommen werden. Ist es somit überhaupt möglich,
allgemeingültige Kriterien für Effektivität und Erfolg von Erziehung durch die
Jugendhilfe aufzustellen?
Wenn man als übergreifendes Ziel der Jugendhilfe benennt die
,,Eigenverantwortlichkeit und Gemeinschaftsfähigkeit" eines jungen Menschen, so lässt
dies immer noch - je nach Perspektive - unterschiedliche Auffassungen von Erfolg einer
Maßnahme zu. Für die Gesellschaft etwa stehen im Vordergrund normative
Gesichtspunkte, Fachkräfte der Jugendhilfe orientieren sich an Zielen wie der
Reduzierung von Verhaltensauffälligkeiten der jungen Menschen und dem Ausgleich
von Defiziten, betroffene Eltern können sich wünschen eine Entlastung ihrer eigenen
Situation sowie neue Möglichkeiten des Umgangs mit ihrem Kind. Die Kinder und
Jugendlichen selber messen den Nutzen einer Hilfe eher am individuellen Erleben ihrer
Lebenssituation und der unterstützenden Wertschätzung durch Beziehungen. Jede dieser
Sichtweisen hat ihre Berechtigung, der Versuch also, stationäre Erziehungshilfen auf
Wirksamkeit zu überprüfen, kann erst ein ganzheitliches Bild ergeben unter
Einbeziehung der unterschiedlichen Erwartungen an eine Hilfe.
Mehrere Studien mit unterschiedlichen Ansatzpunkten und Zielsetzungen haben
Wirkungen erzieherischer Hilfen untersucht, indem der Entwicklungsverlauf eines

3
jungen Menschen während einer Jugendhilfemaßnahme in Zusammenhang mit
bestimmten Einflussfaktoren sichtbar gemacht wurde.
Ziel meiner Arbeit ist es, durch Analyse dieser Wirksamkeitsstudien aufzuzeigen,
welche Bedingungen für das Gelingen einer stationären Erziehungshilfe förderlich sind
mit Blick auf die Indikation der Hilfezuweisung und die Gestaltung einer
Hilfemaßnahme.
Hintergrund dieser Zielsetzung ist das Anliegen des Jugendamtes Ravensburg,
Hilfezuweisungen und ­prozesse zu optimieren, indem auf der Grundlage bisheriger
Erhebungen eine langfristig angelegte eigene Studie Aufschluss geben soll über
Faktoren gelingender und nicht gelingender Hilfen. Geplant ist eine
Längsschnittuntersuchung unter Einbeziehung der AdressatInnenperspektive, die
sowohl zu Beginn und während der Hilfe im Zusammenhang mit Hilfeplangesprächen
als auch nach Hilfebeendigung durchgeführt werden soll.
Die vorliegende Arbeit will somit relevante Wirkfaktoren in der stationären
Erziehungshilfe anhand ausgewählter Studien identifizieren als Grundlage für die
Erstellung von Fragebögen durch das Jugendamt Ravensburg, die in überschaubarer
Weise Erfolgs- oder Misserfolgsaspekte einer Hilfe beleuchten können.
2.
Qualität in der stationären Kinder- und Jugendhilfe
,,Mit dem Begriff der Lebensqualität werden zwei Interessenfelder verknüpft ­ der Wunsch der
jungen Menschen nach erfülltem Leben und der Anspruch der Organisation, dies auf einem
gesellschaftlichen, in die Zukunft gerichteten Niveau zu fördern und abzusichern"
(MÜNSTERMANN 1999: 26).
Stationäre Erziehungshilfe nach Paragraf 34 des KJHG umfasst unterschiedliche
Betreuungsformen wie Wohngruppen in Heimen, professionelle Erziehungsstellen in
Familien, Betreutes Wohnen oder Kinderdorffamilien. So liegen allein durch die
verschiedenen strukturellen Ausgangsbedingungen verschiedene Einflussfaktoren einer
Hilfe vor, die es schwierig und umfangreich machen, Qualität der Maßnahmen in
vergleichender Weise zu betrachten. Die vorliegende Arbeit wird sich darum
schwerpunktmäßig mit Heimerziehung befassen, mit Ausnahme einiger vor allem
englischsprachiger Studien, die auch auf Erziehungsstellen und Pflegefamilien
fokussieren.

4
Die Durchführung stationärer Erziehungshilfen wird finanziell ermöglicht durch die
Entgelte der öffentlichen Träger. Voraussetzung hierfür sind nach §78b SGB VIII drei
Vereinbarungen, die zwischen der leistungserbringenden Einrichtung und dem
Jugendamt als öffentlichem Träger geschlossen werden: Leistungsvereinbarungen, die
Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen beinhalten, Entgeltvereinbarungen sowie
Qualitätsentwicklungsvereinbarungen über die ,,Grundsätze und Maßstäbe für die
Qualität der Leistungsangebote sowie über geeignete Maßnahmen zu ihrer
Gewährleistung" (§78b Abs.1 Nr.3 SGB VIII). Dies beinhaltet eine gegenseitige
Verpflichtung von Leistungserbringer und Leistungsträger, Qualität der
Erziehungshilfen zu entwickeln und sicher zu stellen. Hierbei ist es nicht ausreichend,
Aufwand und Leistungsumfang einer Maßnahme in den Blick zu nehmen, Qualität zeigt
sich vielmehr in den Wirkungen stationärer Erziehungshilfe, das heißt im positiven
Sinne im intendierten Ergebnis (STRUZYNA 2007: 7).
Qualität ist zu verstehen als ,,das Ergebnis eines Prozesses, nämlich der
Übereinstimmung zwischen Erwartungen hinsichtlich der Leistungen und der
tatsächlich erbrachten Dienstleistung" (MÜNSTERMANN 1999: 23). Um zu einer
Definition von Qualität stationärer Erziehungshilfen zu gelangen, bedeutet dies also,
dass zunächst Erwartungen an die Hilfe geklärt und somit Ziele bestimmt werden
müssen, um diese im Blick auf ihre Erreichbarkeit während einer Hilfemaßnahme zu
betrachten. Hier wird schon die Schwierigkeit der Komplexität sichtbar: so etwa sind es
auf unterschiedliche Weise Betroffene, die ihre Erwartungen an eine Hilfe formulieren,
ebenso hat man es mit unterschiedlichen strukturellen Bedingungen der Einrichtungen
zu tun sowie mit sich verändernden Problemlagen.
Im Folgenden soll versucht werden, einige Aspekte von Qualität und Wirkungen der
Erziehungshilfen näher anzuschauen.

5
2.1 Erziehungshilfe aus unterschiedlichen Perspektiven
,,Die Auswahl der Wirkungskriterien und die Interpretation der Ergebnisse sind zwingend an die
Perspektive der Betrachtung gebunden" (GABRIEL 2007: 15).
,,Qualität als Maßstab für mehr oder weniger erfüllte Anforderungen" (GERULL 2007:
259) muss versuchen, den Ansprüchen von Jugendhilfe Betroffener gerecht zu werden.
Diese Erwartungen unterscheiden sich je nach Perspektive. Die Perspektiven müssen
sichtbar gemacht und reflektiert werden, um zu einer Zieldefinition gelingender
Erziehungshilfe zu gelangen.
Im weitesten Sinne von Jugendhilfe betroffen ist die Öffentlichkeit, d.h. die
Gesellschaft. Hier ist das Anliegen erfolgreicher Heimerziehung begründet durch die
Finanzierung der Jugendhilfe mit öffentlichen Geldern und durch die ,,gesellschaftliche
Funktion von Heimerziehung und ... (die) Funktionsweise sozialer Kontrolle"
(GABRIEL 2007: 15). Im Vordergrund steht dabei die Forderung nach einer Erziehung,
die junge Menschen sozusagen ,,passend macht" für die Gesellschaft, dies beinhaltet vor
allem die Einhaltung von Normen und Gesetzen, d. h. die Anpassung an aktuell
gesellschaftlich erwünschte Normalität. Dass hier von der Jugendhilfe etwa als
grundlegendes Ziel anerkannt werden muss, delinquentes Verhalten von jungen
Menschen abzubauen zum Schutz der Gesellschaft, darin herrscht Übereinstimmung.
Die Frage kann hier gestellt werden, ob gesellschaftliche Wert- und Moralvorstellungen,
die geprägt sind von Wandel und vom Einfluss beispielsweise der Medien, eine Basis
und ein Ziel für Erziehungshilfen darstellen müssen, um ein konformes Verhalten
hervorzubringen, oder ob nicht vielmehr die Entwicklung der jungen Menschen hin zu
ihren individuellen Fähigkeiten und zu seelischer Gesundheit oberstes Ziel der
Jugendhilfe sein soll und so eine Integration in die Gesellschaft in selbstbestimmter
Weise vollzogen werden kann.
Die Perspektiven öffentlicher und freier Träger haben aufgrund ihrer professionellen
Verantwortung den größten Einfluss auf die Zielrichtung der Kinder- und Jugendhilfe.
Als übergeordnete Ziele der Fremdunterbringung werden in Paragraf 34 des KJHG
formuliert die Rückführung des jungen Menschen in die Herkunftsfamilie, die
Verselbständigung oder die Schaffung eines Betreuungsverhältnisses auf Dauer. Als
Leitidee stehen hinter der Arbeit der Kinder- und Jugendhilfe die im KJHG formulierten
Grundsätze von Befähigung, Partizipation und Lebensweltorientierung (z. B. §§1, 8, 9

6
SGB VIII). Die unterschiedlichen Aufgaben von Einrichtung und Jugendamt geben
unterschiedliche Schwerpunkte in der Umsetzung dieser Ziele vor.
GERULL (2007: 266) formuliert hier ,,eine komplementäre Aufgabenverteilung
zwischen Jugendämtern und Einrichtungen (...) ­ hier Steuerung und Gewährleistung,
Fallmanagement und Controlling, da fachliche Leistungserstellung zu
wettbewerbsfähigen Preisen". Diese etwas streng formulierte Einteilung macht deutlich,
dass selbst der fachliche Blick auf unterschiedliche Ziele fokussieren kann. Die
öffentlichen Träger haben den Gesamtüberblick über einen Fall, die Verantwortung in
der Zuweisung der passenden Hilfe sowie die finanzielle Verantwortung. Die
vorrangige Erwartung, die ein Jugendamt an die Qualität der erzieherischen Hilfe stellt,
könnte man als Effizienz, das heißt als ausgeglichenes Kosten-Nutzen-Verhältnis,
bezeichnen. Nutzen einer Hilfe, aus Sicht des Jugendamtes formuliert, zeigt sich in
erster Linie an der Erreichung von Hilfeplanzielen sowie einer planmäßigen
Beendigung einer Hilfe. Fachkräfte der freien Träger bemessen ihre Ziele eher am
sichtbaren Erfolg der eigenen Arbeit. Erwartungen betreffen hier also vor allem die
Einhaltung fachlicher Standards bei der Durchführung einer Hilfe sowie die
strukturellen Bedingungen hierfür und daraus folgend die positiven Ergebnisse einer
professionellen Intervention.
Die Sicht der betroffenen Eltern und Familien auf Jugendhilfemaßnahmen ist zunächst
geprägt von unterschiedlichen Ausgangslagen. Wenn es im Hilfe(zuweisungs)prozess
gelingt, dass Eltern die Jugendhilfemaßnahme als Unterstützung anerkennen und somit
ein Veränderungsbedarf in der Situation mit dem Kind eingestanden wird, dann können
Aspekte wie Entlastung der eigenen Überforderungssituation, Verbesserung der
Beziehung zum Kind und Verbesserung von Erziehungsschwierigkeiten als Erwartung
formuliert werden. Qualität der Erziehungshilfe muss unter diesen Aspekten sich nicht
nur auf das Kind, sondern auch auf die Eltern beziehen, das heißt also, auf die
Gesamtsituation der Familie.
Die betroffenen jungen Menschen selber wollen sich vor allem in einem Heim
wohlfühlen. Ihnen ist in dieser ,,Familienersatzsituation auf Zeit" wichtig, dass sie
Bezugspersonen haben und dass sie sich wertgeschätzt und ernst genommen fühlen. Für
viele Kinder und Jugendliche hat die Unterstützung ihrer schulischen und beruflichen
Situation einen hohen Stellenwert. Dies kommt besonders im Rückblick auf die
erfahrene Hilfe zum Ausdruck, wenn junge Menschen bewerten, was die Unterstützung
der Jugendhilfe ihnen für ihre aktuelle Lebenssituation gebracht hat. Qualität der

7
Jugendhilfe aus Sicht der betroffenen jungen Menschen lässt sich demnach zu einem
wichtigen Teil auch an der Lebenssituation und der Lebenszufriedenheit nach
Hilfebeendigung bemessen.
In die Überlegungen, wohin Jugendhilfe führen soll, muss also eine Reflexion der
verschiedenen Perspektiven einfließen, um ,,zu einer höheren Kongruenz der
Erwartungshaltungen der Beteiligten" (GABRIEL 2007: 17) und damit zu
wirkungsorientierten Hilfeprozessen zu führen.
2.2 Überprüfen von Wirkungen
Qualität in der Jugendhilfe umfasst die ,,Angemessenheit von Strukturen und Prozessen
für die zu bewältigenden (...) pädagogischen Aufgaben" (BAG 2001: 1). Um dies
feststellbar zu machen, müssen zunächst die miteinander verflochtenen Aspekte von
Qualität voneinander unterschieden werden. Hier spricht man heute in der Regel von
Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität.
Strukturqualität als ,,Dienstleistungspotenzial" der Jugendhilfe umfasst die
Voraussetzungen, unter denen Ergebnisse in der Jugendhilfe erzielt werden. Dies
beinhaltet die materiellen, räumlichen, personellen und finanziellen
Rahmenbedingungen wie z. B. die Ausstattung der Angebote, die Kompetenz und
Qualifikation der Mitarbeiter sowie die Organisation des Hilfeprozesses.
Die Prozessqualität beinhaltet das ,,Wie" eines erreichten oder intendierten Ergebnisses.
Dies schließt die Art der Interaktionen und Methoden sowie die Zielorientierung und
Zielangemessenheit von Hilfeverläufen ein.
Als Ergebnisqualität schließlich wird bezeichnet, was sich als Wirkung und Leistung
einer Jugendhilfemaßnahme erkennen lässt. Ergebnisqualität stellt erreichte
Veränderungen fest und damit Erfolg oder Misserfolg einer Hilfe. (BAG 2001: 4).
Um Hilfen auf ihren Erfolg zu überprüfen, muss also auf jeden Fall die Ergebnisqualität
betrachtet werden. Um gleichzeitig Hilfen in ihren Wirkungen optimieren zu können, ist
es jedoch ebenso notwendig, Prozess- und Strukturqualität in diese Überprüfung mit
einzubeziehen. Um Wirkung der erzieherischen Hilfen zu erfassen als Veränderung, die
sich aufgrund von bestimmten Einflussfaktoren ergibt, muss folglich mit Blick auf ihre

8
Optimierung, d. h. mit Blick auf die Steuerung von Hilfeprozessen, nicht nur das ,,Ob"
sondern auch das ,,Wie" einer Veränderung mit einbezogen werden.
Effektivität beschreibt die positive Wirkung einer Jugendhilfemaßnahme. Gleichzeitig
können jedoch auch nicht intendierte Wirkungen festgestellt werden, so beispielsweise
wenn im Hilfeverlauf durch bestimmtes Training oder Sanktionen ein angepasstes
Verhalten des Jugendlichen erreicht wurde, dieser jedoch nach Hilfebeendigung nicht
fähig ist zu eigenverantwortlicher Lebensführung oder kriminell wird. Um Effektivität
der erzieherischen Hilfen bewerten zu können, ist es somit nicht ausreichend, auf
einzelne Wirkungen und Wirkfaktoren zu fokussieren, sondern es sollten die
unterschiedlichen Lebensbereiche eines jungen Menschen in eine Bewertung von
Wirkung mit einbezogen werden, um Zusammenhänge und Wechselwirkungen
begründet beleuchten zu können.
Wie kann Wirkung nun in den erzieherischen Hilfen messbar gemacht werden?
Einerseits muss eine Bestimmung von Indikatoren möglichst breit angelegt sein, um der
Komplexität gerecht zu werden und um Wechselwirkungen erkennen zu können,
andererseits besteht wiederum die Notwendigkeit einer Reduzierung der Komplexität,
um Untersuchungen durchführbar und überschaubar zu machen und die Ergebnisse
praxisrelevant verwerten zu können. In die Überlegungen miteinbezogen werden
müssen ebenso die Messzeitpunkte der Erhebungen und Befragungen. Hierzu muss eine
Vorstellung davon vorhanden sein, innerhalb welchen Zeitraums überhaupt
Veränderungen einer Situation erwartet werden können und wie etwa die Nachhaltigkeit
einer Maßnahme mit einbezogen werden muss.
Die untersuchten Studien weisen hier unterschiedliche Ansätze auf. Die quantitativ
ausgerichteten Erhebungen erfassen meist mehrere Zeitpunkte während und nach der
Hilfe und fokussieren in der Regel auf Verhaltensänderungen des jungen Menschen, die
in Beziehung zu bestimmten Einflussfaktoren gesetzt werden. In qualitativen Studien
wird hauptsächlich die NutzerInnenperspektive in den Blick genommen, die eher auf
das Erleben tatsächlicher Handlungsmöglichkeiten gerichtet ist.

9
3. Untersuchung ausgewählter Studien
Die Auswahl der in der vorliegenden Arbeit untersuchten Studien umfasst 15
Forschungsarbeiten, die aufgrund ihres Ansatzes geeignet erschienen, relevante Aspekte
der stationären Erziehungshilfe so zu beleuchten, dass Wirkfaktoren der
Fremdunterbringung sichtbar werden.
Die Studien sollten möglichst nicht nur die fachliche Perspektive beinhalten, wichtig
war hier vielmehr, ein umfassendes Bild der Heimunterbringung zu gewinnen durch
Einbeziehen der AdressatInnenperspektive.
Die Studien ,,Umbau statt Ausbau" (KURZ-ADAM 2001), die ,,Würzburger
Jugendhilfe-Evaluationsstudie (WJE)" (ÜBBZ 2000) sowie die ,,Evaluationsstudie
erzieherischer Hilfen (EVAS)" (MACSENAERE; HERMANN 2004) wurden in die
Auswahl aufgenommen, obwohl nur aus fachlicher Sicht erhoben wird. Die Studie
,,Umbau statt Ausbau" als Totalerhebung mit einer sehr hohen Fallzahl versteht sich als
Ergänzung und Erweiterung der beiden großen repräsentativen Studien ,,Leistungen und
Grenzen von Heimerziehung" (BAUR et al. 2002) und ,,Effekte erzieherischer Hilfen
und ihre Hintergründe" (SCHMIDT et al. 2002). Die ,,WJE" ist ebenfalls eine
Totalerhebung, darüber hinaus ist sie interessant aufgrund der nachgewiesenen Erfolge
in der Elternarbeit. Die Dokumentation von Hilfeverläufen durch EVAS stellt mit einer
Stichprobengröße von n=10.300 die größte Evaluationserhebung im Bereich der
Kinder- und Jugendhilfe dar und ist somit relevant aufgrund ihrer Repräsentativität.
Die in Deutschland im Moment am meisten diskutierten Studien zu Wirkungen in der
Jugendhilfe sind die ,,Jugendhilfe-Effekte-Studie" (SCHMIDT et al. 2002) mit einem
prospektiven Forschungsansatz sowie die Forschung zu ,,Leistungen und Grenzen von
Heimerziehung (JULE-Studie)" (BAUR et al. 2002). Beide nutzen unterschiedliche
Forschungszugänge und erschließen in ihren Ergebnissen vielfältige Zusammenhänge
der Hilfen zur Erziehung. Die JULE-Studie wird hier in der Fassung der 2. Auflage von
2002 verwendet.
Die ,,Kinderdorf-Effekte-Studie" (KLEIN et al.2003) nutzt den Forschungszugang der
Jugendhilfe-Effekte-Studie, um in vergleichbarer sowie ergänzender Weise Wirkungen
stationärer Erziehungshilfe im Bereich der Kinderdörfer zu erfassen.
Die Untersuchung von HANSEN über ,,Die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern in
Erziehungsheimen" (HANSEN 1994) gewichtet stark die Selbstwahrnehmung der

10
Kinder und Jugendlichen in schriftlichen Befragungen. Die verhältnismäßig große
Stichprobe von n=489 wird hier noch in Beziehung gesetzt zu einer befragten
Vergleichsgruppe von 384 Kindern und Jugendlichen.
Einige ausgewählte Forschungen aus Kanada, Australien und den USA (KUFELDT et
al. 2000, BARBER; DELFABBRO 2004,
HARTNETT; BRUHN 2006,
OSBORN;
DELFABBRO 2006) werden hier vorgestellt, um bestimmte Blickwinkel und Aspekte
zu vertiefen, zu differenzieren und zu ergänzen. Der Begriff der stationären
Erziehungshilfe wurde für die englischsprachige Forschung etwas weiter gefasst, da die
meisten dieser Studien sich mit Kindern und Jugendlichen in Erziehungsstellen und
Pflegefamilien befassen.
Hervorzuheben ist hier die kanadische Studie ,,Looking after Children" (KUFELDT et
al. 2000), die mit dem in England entwickelten gleichnamigen
Qualitätsentwicklungsverfahren arbeitet. Die ,,Looking after Children"-Initiative bietet
ein Instrumentarium, das unter Beteiligung der betroffenen jungen Menschen genutzt
wird für eine sorgfältige und umfassende, am Einzelfall orientierten Hilfeplanung.
Die drei Forschungsarbeiten von LAMBERS (1996), GEHRES (1997) und
NORMANN (2003) sind qualitative Studien, die die Perspektiven der jungen Menschen
in den Vordergrund der Betrachtung stellen. An vielen Stellen werden hier Aspekte
vertieft, die in den quantitativen Studien aufscheinen. Auch liefern die Perspektiven im
Rückblick der jungen Menschen ergänzende Informationen zu Wirkungen der
erfahrenen Hilfe auf den weiteren Lebensweg der Betroffenen.
Aufgenommen in diese Auswahl wurden auch die Quality4Children-Standards (IFCO;
FICE; SOS-Kinderdorf 2007), die keine Wirkungsforschung im Sinne der übrigen
Studien darstellen, jedoch als Qualitätsinstrument der Jugendhilfe entwickelt wurden,
indem die Wirkfaktoren im Unterbringungsprozess durch die Beteiligten der Hilfe
benannt und herausgearbeitet wurden.
Im Folgenden werden für jede Studie das Erkenntnisinteresse und der Forschungsansatz
kurz dargestellt, die Ergebnisse, soweit sie die stationäre Erziehungshilfe betreffen,
zusammengefasst, anschließend wird versucht, die Kriterien, die auf erfolgreiche
Erziehungshilfen verweisen, aus den Studien herauszulesen. In einer Übersicht sind die
relevanten Daten und Kriterien aus allen untersuchten Studien noch einmal tabellarisch
zusammengefasst und als Anhang dieser Arbeit beigefügt.

11
3.1 Baur et al. 2002:
Leistungen und Grenzen von Heimerziehung
,,Die Grundannahme, die Schwierigkeiten von Kindern und ihren Familien als Ausdruck von
individuellen Lösungsversuchen, von Anstrengung und Auseinandersetzung, mit den gegebenen
Anforderungen und Lebensumständen sich arrangieren zu können, zu sehen, bildet den
Bezugspunkt einzelner Erhebungsbereiche"
(FINKL; HAMBERGER 2002: 11).
Die Untersuchung zu ,,Jugendhilfeleistungen" (Forschungsprojekt ,,JULE") hat das Ziel,
einen Überblick zu geben über Leistungen und Erfolge der drei stationären und
teilstationären Erziehungshilfen ,,Tagesgruppe", ,,Heim" und ,,Betreutes
Jugendwohnen". Durch unterschiedliche Forschungszugänge wurde versucht, Fragen
der Lebenssituation der betroffenen jungen Menschen und der Qualität pädagogischen
Handelns zu beleuchten und aufeinander zu beziehen. Dazu wurden alle 284 Akten der
im Jahr 1994 aus der Erziehungshilfe entlassenen Jugendlichen aus sechs verschiedenen
ausgewählten Jugendämtern analysiert. 197 junge Menschen waren davon stationär
untergebracht.
Die Analyse wurde nach vier Schwerpunkten durchgeführt: Situation der Kinder und
Jugendlichen sowie ihrer Familien zu Hilfebeginn, Prozess der Hilfegewährung und
­entscheidung, Hilfeverlauf und Betreuungsgestaltung sowie die Situation der jungen
Menschen am Ende der Hilfe.
Zusätzlich zur standardisierten Erfassung erfolgte eine Dokumentation der
Einzelfallverläufe in ihren individuellen Besonderheiten und Zusammenhängen.
Anhand der Kategorien ,,Schul- und Ausbildungssituation", ,,Legalverhalten", ,,soziale
Beziehungen", ,,Alltagsbewältigung", ,,Persönlichkeitsentwicklung", ,,familiärer
Hintergrund" und ,,zentrale Problemkonstellationen" wurde so die ,,positive
Gesamtentwicklung des jungen Menschen" bilanziert, ebenso anhand ausgewählter
professioneller Standards ,,das fachlich qualifizierte Handeln im Jugendamt bzw. in der
Jugendhilfeeinrichtung" (FINKEL; HAMBERGER 1998: 27 u. 29).
Als weiterer Baustein der Studie dienten 45 leitfadengestützte Interviews mit jungen
Menschen, davon 11 mit Beteiligung der Eltern(teile), aus den Abgangsjahrgängen
1993/94 der beteiligten Jugendämter. Gleichzeitig wurde für diese Befragten ebenfalls
eine Aktenanalyse durchgeführt. 27 der InterviewteilnehmerInnen waren in einer
stationären Unterbringungsform betreut worden.

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3.1.1 Ergebnisse der Studie
Das Aufnahmealter liegt bei den Fällen von Heimunterbringung deutlich höher als bei
den anderen Untersuchungsgruppen. 44,7% aller betroffenen jungen Menschen werden
erst im Alter zwischen 15 und 18 Jahren aufgenommen, das durchschnittliche
Aufnahmealter beträgt 14 Jahre. Die Geschlechterverteilung ist fast gleichmäßig, bei
einem etwas höheren Anteil an Jungen.
Die Kinder kommen meist aus schwierigen sozioökonomischen Verhältnissen mit
belasteten Beziehungen innerhalb der Familie. Unter den Einweisungsbegründungen
finden sich häufig Belastungen durch Gewalt- oder Missbrauchserfahrungen,
Vernachlässigung sowie Sucht oder psychische Auffälligkeiten der Eltern. 38% der
stationären Hilfen geht eine ambulante erzieherische Hilfe voraus. In 39,6% der Fälle
wird die Unterbringung von den Jugendlichen selbst angefragt.
Am Entscheidungsprozess zur stationären Erziehungshilfe sind 80 % der betroffenen
Kinder und Jugendlichen beteiligt, jedoch werden nur in 21,3% der Fälle Alternativen
zur gewählten Hilfeform oder Alternativen zur gewählten Einrichtung besprochen.
Eltern werden nicht ausreichend an der Entscheidung zur Hilfe beteiligt, in 20,8% der
Fälle gibt es im Vorfeld der Hilfe keinerlei Kontakte mit den Eltern.
Als übergeordnete Ziele werden zu Beginn der Hilfe in 13,2% der Fälle eine Rückkehr
in die Familie und in 35,5% der Fälle eine Verselbständigung der Jugendlichen genannt,
für 17,3% der jungen Menschen ist die Zielprognose zu Beginn noch unklar. 11,7% der
Hilfen werden als längerfristig eingestuft, 4,6% als kurzfristige Krisenintervention.
Zusätzliche Hilfen für die Familie werden in 17,8% der stationären Erziehungshilfen
angeboten. Elternarbeit ­ in Form von Gesprächen, Besuchen, Therapien oder
Hausbesuchen ­ ist in etwa der Hälfte der untersuchten Akten nicht dokumentiert, bei
den dokumentierten Fällen findet in 30% der Fälle keinerlei Elternarbeit statt. Deutlich
sichtbar ist jedoch, dass sich Elternarbeit positiv auf die Entwicklungsverläufe der
Kinder auswirkt.
Die erhobene durchschnittliche Verweildauer in Heimunterbringung beträgt 3,4 Jahre
bei einer breiten Streuung. Das Gelingen der Hilfe wird maßgeblich beeinflusst durch
die Verknüpfung tatsächlicher Hilfemöglichkeiten mit der Dauer der Hilfe. Hilfen, die
länger als ein Jahr dauern, zeigen bei geeigneter pädagogisch-therapeutischer
Unterstützung eher positive Entwicklungsverläufe, der Erfolg der Hilfe steigt dabei mit
der Aufenthaltsdauer.

13
Für die Standards fachlichen Handelns im Jugendamt zeigt sich in 80 bis 90% der Fälle
eine positive Bewertung für ,,begründete Bedarfsfeststellung", ,,Vermittlung eines
adäquaten Hilfeangebots", ,,gezielte Auftragsformulierung an die Einrichtung" und
,,Kooperation mit allen Beteiligten im Prozess der Hilfeklärung" (FINKEL;
HAMBERGER 1998: 42-43). Verbesserungsbedarf besteht jedoch für den fachlichen
Umgang des Jugendamts mit Hilfeprozess und mit Hilfebeendigung, hier wird das
professionelle Handeln nur in 53 bis 63% der Fälle als ausreichend eingestuft. Nicht
ausreichende fachliche Standards hinsichtlich der Beendigung von Hilfen werden
ebenso für die Einrichtungen festgestellt. Bei Einhaltung der fachlichen Standards
verlaufen 90% der stationären Erziehungshilfen positiv.
Als Gesamtergebnis der Studie werden 53% der untersuchten Entwicklungsverläufe
positiv bewertet sowie 17% in Ansätzen positiv, für 12% der Fälle lässt sich keine
Veränderung feststellen, und für etwa 18% der betroffenen jungen Menschen wird eine
negative Entwicklung festgestellt.
3.1.2 Kriterien für gelingende Hilfen
Die JULE-Studie bilanziert zum einen Elternarbeit als entscheidenden Beitrag zum
Hilfeerfolg. Gleichzeitig wird jedoch festgestellt, dass qualifizierte Elternarbeit
aufgrund der komplexen Problemlagen der Familien häufig eine Überforderung der
strukturellen und personellen Bedingungen einer Einrichtung bedeutet. So stellt sich in
diesem Zusammenhang die Frage nach dem Zusammenwirken unterschiedlicher
Anbieter kind- und familienbezogener Unterstützungsmöglichkeiten, um Bedarfe der
Gesamtsituation frühzeitig zu erkennen und entsprechende Hilfen anzubieten (vgl.
HAMBERGER 1998a: 50-54)
Damit Maßnahmen der stationären Erziehungshilfe positiv wirken können, ist eine
gewisse Dauer der Unterbringung Voraussetzung. Abstand zu den belastenden
Vorerfahrungen zu gewinnen, Perspektiven für die Hilfe zu entwickeln und eine
Vertrauensbasis zwischen Kind und BetreuerIn zu schaffen, dies sind Prozesse, die eine
gewisse Zeit benötigen (vgl. HAMBERGER 2002a: 64-65 u. 90). Gleichzeitig steigt der
pädagogisch-therapeutische Nutzen mit Dauer der Intervention.
Ein weiterer Faktor, der den Hilfeverlauf positiv beeinflusst, ist das fachliche Handeln
von Jugendamt und Einrichtung. Entwicklungsverläufe der jungen Menschen werden

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positiv unterstützt durch eingehaltene fachliche Standards - ausgewiesen durch das
KJHG - bzgl. Hilfeentscheidung, -planung und -prozess sowie Kooperation aller
Beteiligten. Von Seiten des Jugendamts ist hier ein besonderes Augenmerk auf
Hilfeprozess und -beendigung zu richten. Während die fachlichen Standards zu Beginn
der Hilfe bezüglich Klärung des Hilfebedarfs, Planung und Entscheidung als
verantwortliche Aufgaben des Jugendamts positiv eingehalten werden, wird die
Begleitung des Prozesses weitgehend an die Einrichtungen delegiert. Hier wäre ein
stärkeres Präsentsein des Jugendamts insgesamt wünschenswert zur Unterstützung des
Einzelfalls. Sorgfältige Planung, Entscheidung und Begleitung sowohl des Jugendamtes
als auch der Jugendhilfeeinrichtung sind auch für die Beendigung einer Hilfe
notwendig, um hier den Kindern und Jugendlichen einen hilfreichen Übergang in die
neue Lebenssituation zu ermöglichen und um die Voraussetzung zu schaffen für die
längerfristige Stabilität des erreichten Hilfeerfolgs.
3.2 Schmidt et al. 2002:
Effekte erzieherischer Hilfen und ihre Hintergründe
Übergreifendes Ziel der ,,Jugendhilfe-Effekte-Studie" (JES-Studie) war es, die
Leistungen und Wirkungen verschiedener Angebotsformen der Jugendhilfe zu
untersuchen und zu vergleichen mit dem Blick auf Optimierung der Hilfezuweisungen.
Hierzu wurden die Effekte der fünf Angebotsformen Erziehungsberatung,
Erziehungsbeistand, Sozialpädagogische Familienhilfe, Erziehung in Tagesgruppe und
Heimerziehung beurteilt. Die vorliegende Darstellung beschränkt sich auf die
Untersuchungen zu Heimerziehung.
Die Stichprobe der Studie erfasst 233 Kinder zwischen 4,5 und 13 Jahren, davon 49
Fälle in stationärer Unterbringung. Beteiligt waren 77 Jugendhilfeeinrichtungen in
verschiedenen Bundesländern. Die Erhebung erfolgte möglichst zeitnah, d. h.
prospektiv, an 4 Erhebungszeitpunkten: zu Beginn der Hilfe, während des Hilfeverlaufs,
bei Hilfebeendigung sowie ein Jahr nach Hilfeende. In Leitfadeninterviews wurden
MitarbeiterInnen des Jugendamts und BetreuerInnen befragt, weiterhin wurden die
Perspektiven der Kinder und Eltern miteinbezogen durch Fragebögen (CBCL, KINDL,
EZE s.u.).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2008
ISBN (eBook)
9783836628600
DOI
10.3239/9783836628600
Dateigröße
612 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Ravensburg-Weingarten – Sozialwesen, Soziale Arbeit und Pädagogik
Erscheinungsdatum
2009 (April)
Note
1,1
Schlagworte
eigenverantwortlichkeit gemeinschaftsfähigkeit jugendhilfe soziale arbeit hilfe
Produktsicherheit
Diplom.de
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Titel: Erziehung zu Eigenverantwortlichkeit und Gemeinschaftsfähigkeit
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