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Der Wahrscheinlichkeitsbegriff zur Rückstellungsbilanzierung des ED IAS 37

Eine systematische Darstellung und Beurteilung

©2008 Diplomarbeit 76 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Der im Juni 2005 der Öffentlichkeit vorgelegte Exposure Draft Amendments to IAS 37 Provisions, Contingent Liabilities (fortan ED IAS 37 genannt) stellt eine grundlegende Überarbeitung von IAS 37 dar. Die enthaltenen Änderungen ergeben sich vor allem aus zwei Projekten des IASB, die dieses zusammen mit dem US-amerikanischen Standardsetter (FASB) durchführt. Zum einen ist dies die zweite Phase des „business combinations project“, welche zu einer übereinstimmenden Behandlung von Eventualschuldungen und – vermögenswerten innerhalb und außerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen führen soll. Zum anderen erfolgen die Änderungen aus dem „short-term convergence project“, das eine Annäherung von IFRS und US-GAAP zum Ziel hat. Im Rahmen dieser Projekte kommt es zu einer Umbenennung des IAS 37 in „Non-Financial Liabilities“ sowie zu weiteren terminologischen Neuerungen. So werden die Begriffe „Rückstellung“ und „Eventualschuld“ aus dem Standard gestrichen und fortan, sofern sie die Definition einer liability erfüllen, unter „non-financial liabilities“ subsumiert. Eventualforderungen werden bis auf die in Verbindung mit non-financial liabilities stehenden Erstattungsansprüche aus dem Standard ausgelagert. Zudem erfolgt eine starke Modifizierung der Ansatz- und Bewertungsregeln.
Nachfolgend werden die in ED IAS 37 beschriebenen Regelungen zu Ansatz und Bewertung von non-financial liabilities und Erstattungsansprüchen dahingehend untersucht, inwieweit sie, womöglich auch implizite, Wahrscheinlichkeitsüberlegungen beinhalten und inwieweit diese im Sinne der Entscheidungsnützlichkeit zu relevanten und verlässlichen Abschlussinformationen führen.
Es wird dabei auf folgenden Definitionen aus dem IASB Framework aufgebaut: Eine liability ist eine gegenwärtige Verpflichtung aus einem vergangenen Ereignis, deren Begleichung zu einem erwarteten Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen führ. Sie wird angesetzt, wenn der Ressourcenabfluss wahrscheinlich ist und verlässlich bewertet werden kann.
Ein asset ist eine Ressource, die auf Grund von Ereignissen der Vergangenheit in der Verfügungsmacht des Unternehmens steht und von der ein zukünftiger Nutzenzufluss erwartet wird. Es wird angesetzt, wenn ein Nutzenzufluss wahrscheinlich und eine verlässliche Bewertung möglich ist.
Die einzelnen Aspekte des Ansatzes werden abwechselnd, zunächst für eine non-financial liability, dann für ein asset, dargestellt und auf […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Wahrscheinlichkeitsüberlegungen im Rahmen des Ansatzes einer Non-Financial Liability
2.1. Bestimmung einer unbedingten Verpflichtung
2.2. Bestimmung eines unbedingten Rechts
2.3. Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen bei unbedingten Verpflichtungen

2.4. Zufluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen bei unbedingten Rechten

2.5. Diskussion möglicher Wahrscheinlichkeitsbegriffe im Rahmen des Ansatzes

3. Wahrscheinlichkeitsüberlegungen im Rahmen der Bewertung einer Non-Financial Liability
3.1. Bewertung von Einzelverpflichtungen
3.1.1. Beurteilung der Kritik des IASB am Ansatz des wahrscheinlichsten Wertes für Einzelverpflichtungen
3.1.2. Diskussion möglicher Wahrscheinlichkeitsbegriffe im Rahmen der Bewertung von Einzelverpflichtungen
3.1.3. Beurteilung des Erwartungswertansatzes im Rahmen der Bewertung von Einzelverpflichtungen
3.1.4. Zwingende Anwendung der Erwartungswertmethode?
3.2. Beurteilung der Eignung der Erwartungswertmethode im Rahmen der Bewertung von Gruppenverpflichtungen bei gleichzeitiger Diskussion möglicher Wahrscheinlich- keitsbegriffe
3.3. Einbeziehung von Risiken und Unsicherheiten
3.4. Einbeziehung zukünftiger Ereignisse
3.5. Berücksichtigung des Timings der erwarteten Ressourcen- abflüsse

3.6. Einbeziehung des Ressourcenabflusses der unbedingten Verpflichtung

4. Auswirkungen der geänderten Wahrscheinlichkeitsbetrachtung auf die Anzahl rein angabepflichtiger Sachverhalte

5. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Ehrenwörtliche Erklärung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abb. 1: Wahrscheinlichkeitsbetrachtung im Rahmen des Ansatzes von Non-Financial Liabilities

Abb. 2: Gewichtung von Argumenten im Rahmen der Bestimmung einer gegenwärtigen Verpflichtung

Abb. 3: Behandlung unwesentlicher anderer Ergebnisse

Abb. 4: Mittelpunkt vs. Erwartungswert

Abb. 5: Einbeziehung von Risiken (1)

Abb. 6: Einbeziehung von Risiken (2)

Abb. 7: Nichtbeachtung möglicher zukünftiger Ereignisse auf Grund mangelnder objektiver Hinweise

Abb. 8: Einbeziehung zukünftiger Ereignisse (1)

Abb. 9: Einbeziehung zukünftiger Ereignisse (2)

Abb. 10: Einbeziehung zukünftiger Ereignisse (3)

Abb. 11: Einbeziehung des Timings (1)

Abb. 12: Einbeziehung des Timings (2)

Abb. 13: Einbeziehung einer unsicheren unbedingten Verpflichtung (1)

Abb. 14: Einbeziehung einer unsicheren unbedingten Verpflichtung (2)

Abb. 15: Einbeziehung einer unsicheren unbedingten Verpflichtung (3)

1. Einleitung

Der im Juni 2005 der Öffentlichkeit vorgelegte Exposure Draft Amendments to IAS 37 Provisions, Contingent Liabilities (fortan ED IAS 37 genannt) stellt eine grundlegende Überarbeitung von IAS 37 dar. Die enthaltenen Änderungen ergeben sich vor allem aus zwei Projekten des IASB, die dieses zusammen mit dem US-amerikanischen Standardsetter (FASB) durchführt. Zum einen ist dies die zweite Phase des „business combinations project“, welche zu einer übereinstimmenden Behandlung von Eventualschuldungen und – vermögenswerten innerhalb und außerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen führen soll.[1] Zum anderen erfolgen die Änderungen aus dem „short-term convergence project“, das eine Annäherung von IFRS und US-GAAP zum Ziel hat. Im Rahmen dieser Projekte kommt es zu einer Umbenennung des IAS 37 in „Non-Financial Liabilities“ sowie zu weiteren terminologischen Neuerungen. So werden die Begriffe „Rückstellung“ und „Eventualschuld“ aus dem Standard gestrichen und fortan, sofern sie die Definition einer liability erfüllen, unter „non-financial liabilities“ subsumiert. Eventualforderungen werden bis auf die in Verbindung mit non-financial liabilities stehenden Erstattungsansprüche aus dem Standard ausgelagert. Zudem erfolgt eine starke Modifizierung der Ansatz- und Bewertungsregeln.[2]

Nachfolgend werden die in ED IAS 37 beschriebenen Regelungen zu Ansatz und Bewertung von non-financial liabilities und Erstattungsansprüchen dahingehend untersucht, inwieweit sie, womöglich auch implizite, Wahrscheinlichkeitsüberlegungen beinhalten und inwieweit diese im Sinne der Entscheidungsnützlichkeit zu relevanten und verlässlichen Abschlussinformationen führen.

Es wird dabei auf folgenden Definitionen aus dem IASB Framework aufgebaut: Eine liability ist eine gegenwärtige Verpflichtung aus einem vergangenen Ereignis, deren Begleichung zu einem erwarteten Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen führt (Framework.49b). Sie wird angesetzt, wenn der Ressourcenabfluss wahrscheinlich ist und verlässlich bewertet werden kann (Framework.91).

Ein asset ist eine Ressource, die auf Grund von Ereignissen der Vergangenheit in der Verfügungsmacht des Unternehmens steht und von der ein zukünftiger Nutzenzufluss erwartet wird (Framework.49a). Es wird angesetzt, wenn ein Nutzenzufluss wahrscheinlich und eine verlässliche Bewertung möglich ist (Framework.89).

Die einzelnen Aspekte des Ansatzes werden abwechselnd, zunächst für eine non-financial liability, dann für ein asset, dargestellt und auf Wahrscheinlichkeitserwägungen hin untersucht. Es findet ein permanenter Vergleich zwischen den Regelungen in ED IAS 37 und IAS 37 statt. Dabei wird zudem die Frage diskutiert, wie der Wahrscheinlichkeitsbegriff ausgelegt werden kann.

In der Bewertung werden die teilweise unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsberücksichtigungen des Entwurfs und des aktuellen Standards dargestellt und u.a. auf die Frage eingegangen, ob die Bewertung einer Einzelverpflichtung mit ihrem Erwartungswert sinnvoller ist als mit dem in IAS 37 geforderten „wahrscheinlichsten Wert“. Außerdem wird dargestellt, wie Wahrscheinlichkeiten bei der Einbeziehung von Risiken und zukünftigen Ereignissen berücksichtigt werden können.

Ebenso kommt es zu einer Untersuchung wie der Wahrscheinlichkeitsbegriff im Rahmen der Bewertung auszulegen ist.

2. Wahrscheinlichkeitsüberlegungen im Rahmen des Ansatzes einer Non-Financial Liability

2.1. Bestimmung einer unbedingten Verpflichtung

Für ein Unternehmen existiert eine gegenwärtige Verpflichtung aus einem vergangenen Ereignis („obligating event“), wenn es keine Möglichkeit hat, sich der Erfüllung dieser Verpflichtung zu entziehen (ED IAS 37.13). Es kann sich hierbei ausschließlich um unbedingte Verpflichtungen („unconditional obligations“) handeln (ED IAS 37.BC11). Unsicherheiten bezüglich zukünftiger Ereignisse spielen keine Rolle für das Bestehen oder Nichtbestehen einer solchen Verpflichtung (ED IAS 37.23).[3] Derartige künftige Risiken erwachsen aus der Existenz einer bedingten Verpflichtung („conditional obligation“), die nicht zur Bestimmung des Ansatzes einer liability im Sinne des IASB Framework herangezogen wird.[4] Bedingte Verpflichtungen stehen nicht unter der Kontrolle des Unternehmens und können daher auch nicht bilanzierungsfähig sein.[5] Eine Verpflichtung muss somit eindeutig identifizierbar sein, ohne dabei auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zurückgreifen zu müssen, um die Frage zu klären, ob sie existiert oder nicht. Demnach besteht sie theoretisch entweder zu 100% oder zu 0%, das Unternehmen kontrolliert sie also vollständig oder gar nicht. Zur weiteren Definition einer unbedingten Verpflichtung gehört die Tatsache, dass einzig und allein das Verstreichen von Zeit zu einer Leistungspflicht führt (ED IAS 37.BC11)[6], was wiederum die Eindeutigkeit bestätigen soll, da die Zeit an sich keinen Unsicherheitsfaktor darstellt. Diese Einschätzung wird auch dadurch unterstrichen, dass der Standardsetter den Begriff „Eventualschuld“ („contingent liability“) aus ED IAS 37 entfernt hat, wodurch bestätig wird, dass eine bestehende Schuld nicht unsicher („contingent“) in Bezug auf Ihre gegenwärtige Verpflichtung sein kann (ED IAS 37.BC23). Zudem findet sich im Entwurf keine allgemeine Regelung, ab wann eine gegenwärtige Verpflichtung besteht.

Es ist kein Wahrscheinlichkeitsniveau in dieser Frage vorgesehen, wie dies noch in IAS 37 für die Passivierungsfähigkeit von Rückstellungen gefordert wird, bei denen unklar sein kann, ob eine Verpflichtung überhaupt existiert. Dort müssen mehr Gründe für die Existenz als dagegen sprechen (IAS 37.15), die Verpflichtung also zumindest wahrscheinlich sein, was einem numerischen Wert von mindestens 51% entspricht.[7] Ob die Angabe einer solch exakten Zahlenangabe sinnvoll ist, sei dahingestellt, in der Literatur ist man sich jedoch einig, dass eine gegenwärtige Verpflichtung besteht, wenn die Wahrscheinlichkeit 50% übersteigt.[8] An einem solchen numerischen Wert ist kritisch anzumerken, dass der aktuelle Standard keine Hilfestellung dahingehend gibt, wie Wahrscheinlichkeiten quantifiziert werden können[9] bzw. ob überhaupt in der Ansatzfrage mit solchen Werten hantiert werden kann. Dabei muss grds. unterschieden werden zwischen Prozentzahlen, die auf Grund mathematisch-statistischer Methoden gewonnen werden und solchen, die aus subjektiven Einschätzungen hervorgehen. Erstgenannte basieren auf dem Gesetz der großen Zahlen und können bspw. bei der Beurteilung der Existenz von Gewährleistungsverpflichtungen zum Einsatz kommen.[10] Subjektive Wahrscheinlichkeiten hingegen sind vielmehr „Glaubensaussage[n]“[11], wodurch eine Scheinquantifizierung zum Ausdruck kommen kann. Letztgenannte sind es jedoch, an denen sich das IASB primär orientiert. Es wird vom Unternehmen keine explizite mathematisch-statistische Herangehensweise gefordert, sondern lediglich eine Heranziehung aller verfügbaren substanziellen Hinweise (IAS 37.15). Sollten statistisch gewonnene, objektivierbare Wahrscheinlichkeitswerte, etwa aus der Analyse vergangener Daten, vorhanden sein, sind diese sicherlich unter die substanziellen Hinweise zu subsumieren und daher zu berücksichtigen. Gibt es dagegen keine Vergangenheitswerte, basieren die Einschätzungen des Managements zwangsläufig auf rein subjektiver Beurteilung. In ED IAS 37 sollen solche Überlegungen zur Wahrscheinlichkeit in der Ansatzfrage ausgeblendet werden.

Laut dem Entwurf können zukünftige Unsicherheiten, die mit einem möglichen Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen in Verbindung stehen, lediglich auf eine gegenwärtige Verpflichtung hinweisen (ED IAS 37.BC26), deren Vorhandensein dann separat zu prüfen ist.

Zur Bestimmung der Existenz einer solchen unbedingten Verpflichtung zieht das Unternehmen alle möglichen Informationen heran, inklusive Expertenmeinungen und wertaufhellender Ereignisse (ED IAS 37.16)[12].

Hierbei stellt sich die Frage, ob ein derartiger Informationsfindungsprozess tatsächlich notwendig ist, um eine Tatsache zu klären, die laut dem Standard eindeutig ist und keinen auf Wahrscheinlichkeitserwägungen zurückzuführenden Ermessensspielraum beinhaltet.

Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird gezeigt, dass die Existenz unbedingter Verpflichtungen nicht zwingend sicher ist und teilweise ähnliche Wahrscheinlichkeitsüberlegungen wie in IAS 37 stattfinden müssen.

Als Beispiele für unbedingte Verpflichtungen werden sog. „stand ready obligations“ definiert (ED IAS 37.24). Die Verpflichtung wird hier darin gesehen, dass sich das Unternehmen bereithalten muss, um mögliche künftige Leistungen zu erbringen, wie etwa Garantieleistungen (ED IAS 37.25), in einem Gerichtsverfahren auferlegte Strafzahlungen (ED IAS 37.26) oder mögliche Leistungen im Zusammenhang mit Bürgschaften oder Rückerstattungen an Kunden (ED IAS 37.BC45). Wohlgemerkt bezieht sich die „stand ready obligation“ nur auf die gegenwärtige Verpflichtung, sich für die genannten unsicheren zukünftigen Ereignisse bereitzuhalten. Diese Verpflichtung besteht sicher[13] und erscheint daher zu 100% gegeben. Das Unternehmen kann sich ihr nicht entziehen, da Ereignisse der Vergangenheit, wie etwa der Verkauf von Waren mit Garantieanspruch, zu einer vertraglich festgesetzten Pflicht geführt haben. Bei einem Gerichtsverfahren steht an der Stelle eines Vertrages die Möglichkeit des Gerichts, dem Unternehmen Strafen aufzuerlegen (ED IAS 37.BC46). Als verpflichtendes Ereignis der Vergangenheit ist hier der Beginn der gerichtlichen Auseinandersetzung bzw. der Zeitpunkt der Klageeinreichung zu sehen (ED IAS 37.IE1).

Das Unternehmen kann sich damit der „stand-ready obligation“, dem Richterspruch Folge zu leisten, nicht mehr entziehen.

Allerdings ergeben sich in Bezug auf Gerichtsprozesse auch einige Unsicherheiten bezüglich des Vorhandenseins eines verpflichtenden Ereignisses. Ist sich die Unternehmensführung bewusst, dass aller Wahrscheinlichkeit nach ein Prozess auf sie zukommt, ist bereits die Handlung, die diese Erwartung ausgelöst hat, also die Rechtsverletzung an sich, als verpflichtendes Ereignis zu werten (ED IAS 37.IE2). Dazu muss die tatsächliche Verwicklung des Unternehmens in ein zukünftiges Verfahren laut dem Beispiel als „highly likely“, also höchst wahrscheinlich, eingeschätzt werden. Ab welcher numerischen Wahrscheinlichkeitsschwelle dies der Fall ist, bleibt unklar. Setzt man „highly likely“ mit „virtually certain“ gleich, könnte von einem Wert von 95% ausgegangen werden.[14] Ob diese Gleichsetzung statthaft ist, bleibt jedoch unsicher und ist schwerlich durch einen Blick in den Standard zu verifizieren. Dort findet sich keine explizite Abstufung unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsbegriffe, wodurch eine klare Rangfolge ablesbar wäre. Einen Versuch der Schaffung einer diesbezüglichen Hierarchie unternimmt Hoffmann, der „virtually certain“ über „highly probable“ stellt.[15] Da „probable“ unzweifelhaft eine annähernd identische Definition wie „likely“ besitzt, wäre somit das im Beispiel angeführte Gerichtsverfahren schon mit einer niedrigeren numerischen Wahrscheinlichkeit als 95% ansatzfähig.

Es ist jedoch ungewiss, ob überhaupt ein konkreter, in diesem Fall subjektiv bestimmter Wahrscheinlichkeitswert zum Einsatz kommen sollte, und wenn doch, wie dieser quantifiziert werden kann. In jedem Fall wird die Eindeutigkeit der gegenwärtigen Verpflichtung in diesem Beispiel ausgehebelt und Rückriff auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen genommen. Insgesamt betrachtet gibt es keine Regelung für den Fall, wenn die Rechtsverletzung nicht eindeutig ist, es also unklar ist, ob ein Ereignis der Vergangenheit überhaupt in eine unbedingte Verpflichtung mündet.

Hier hätte man es mit einer „möglichen“ „stand-ready“-Verpflichtung zu tun, die im Standard nicht thematisiert wird.[16] Lösen ließe sich solch ein Fall, wenn überhaupt, wohl nur mit „Rückgriff auf Wahrscheinlichkeitserwägungen“[17]. Dann wäre zu fragen, wie diese Erwägungen aussehen sollen und wie das Unternehmen nachvollziehbar darlegen kann, ob eine unbedingte Verpflichtung besteht oder nicht. Letztendlich wäre dieses Problem ähnlich gelagert wie die Frage nach der Existenz einer Verpflichtung im aktuellen Standard. Allerdings gibt es keine Bestimmung, die, ähnlich wie das „more likely than not“-Kriterium aus IAS 37, dem Abschlussersteller eine Hilfestellung in dieser Hinsicht gibt. Ob eine nicht eindeutige unbedingte Verpflichtung „möglich“, „wahrscheinlich“ oder „so gut wie sicher“ sein muss, um ansatzfähig zu sein, bleibt in den meisten Fällen offen.[18]

Möglicherweise ließe sich aus ED IAS 37.IE2 ein Analogieschluss ziehen, wo, wie erwähnt, das Bestehen der unbedingten Verpflichtung „highly likely“ sein muss. Da ein generelles Wahrscheinlichkeitskriterium jedoch aus dem Standard verbannt wurde und es keine näheren Bestimmungen wie in IAS 37.15 zu der Frage gibt, ab wann eine Verpflichtung existiert, steht eine Argumentation in dieser Hinsicht auf wackligen Beinen. Außerdem bezieht sich das genannte Beispiel nur auf einen speziellen Fall, womit eine Übertragung auf andere Sachverhalte als ebenso ungesichert erscheint.

Es wird deutlich, dass das Vorhandensein einer unbedingten Verpflichtung im Standard nicht in allen Fällen sicher ist, obgleich es per Definition so sein soll.

Eine weitere Beurteilung muss der Abschlussersteller in Bezug auf Verpflichtungen vornehmen, die auf Grund von möglichen neuen Gesetzen bestehen. Eine Verpflichtung erwächst dabei ausschließlich ab dem Zeitpunkt, ab dem das Gesetz „substantively enacted“ ist, d.h. das Ergebnis durch die weiteren Schritte im Gesetzgebungsprozess keine Änderungen mehr erfährt (ED IAS 37.21). Der Paragraph führt jedoch an, dass es kaum möglich sein wird, ein Ereignis zu definieren, ab dem dieses Kriterium tatsächlich vorliegt. Dennoch muss das Gesetz dem Wortlaut nach nicht eindeutig verabschiedet, sondern lediglich substanziell verabschiedet sein. Somit beträgt die geforderte Wahrscheinlichkeit nicht 100%. Im Vergleich zu IAS 37, der für diesen Fall ein Wahrscheinlichkeitsniveau von „virtually certain“ vorgibt (IAS 37.22), ist zunächst nicht zu sehen, ob sich das neue Kriterium vom Wert her darüber oder darunter bewegt. Es ist jedoch zu vermuten, dass das IASB eine höhere Wahrscheinlichkeitsschwelle im Auge hat, da es beim Ansatz stets auf unbedingte Verpflichtungen abstellt, deren Existenz bzw. Nicht-Existenz (theoretisch) eindeutig gegeben sein müsste. Somit müsste die geforderte Wahrscheinlichkeit, dass das neue Gesetz tatsächlich verabschiedet wird, zwischen 95% und 100% liegen, wenn „virtually certain“ mit mindestens 95%[19] gleichgesetzt wird. Ob eine Angabe des Abschlusserstellers, die bspw. eine „97%-Wahrscheinlichkeit“ erwähnt, verlässlich ist, darf allerdings stark angezweifelt werden. In diesem Bereich erscheint die Gefahr einer Scheingenauigkeit sehr hoch.

Unklarheit bezüglich der Existenz einer gegenwärtigen Verpflichtung besteht ebenfalls bei faktischen Verpflichtungen („constructive obligations“). Hier beabsichtigt das IASB durch ED IAS 37, die Kriterien für das Vorliegen einer solchen Verpflichtung zu verschärfen (ED IAS 37.BC59) und somit „die Hürde für das Vorliegen einer faktischen Verpflichtung höher“[20] zu hängen. Zu der in anderen Parteien geweckten gerechtfertigten Erwartung („valid expectation“) (IAS 37.10) kommt als weiteres Kriterium die Anforderung, dass sich Dritte vernünftigerweise darauf verlassen können müssen („can reasonably rely on“), dass das Unternehmen seinen angekündigten Verpflichtungen nachkommt (ED IAS 37.10). Diese Formulierungen lassen jedoch nicht den Schluss zu, ob eine Verpflichtung eindeutig besteht oder nicht, das Management sich ihrer also noch entziehen könnte. Streng genommen müsste das Unternehmen prüfen, welche Erwartungshaltung es bei den adressierten Dritten ausgelöst hat und wie diese die Wahrscheinlichkeit einschätzen, dass das Unternehmen seine angekündigten Verpflichtungen erfüllt. Dann kann darauf geschlossen werden, ob die Anforderungen erfüllt sind, was sich jedoch als schwierig herausstellen dürfte.

Zunächst wäre zu fragen, welche Wahrscheinlichkeitsschwelle mit „gerechtfertigte Erwartung“ und „vernünftigerweise verlassen“ angesprochen ist. Danach müssten die Aussagen und Ansichten bezüglich der Erwartungen der adressierten Dritten gesammelt und bewertet werden.

Wenn die erforderliche Wahrscheinlichkeitsschwelle quantifiziert werden kann, wäre auch die Erwartungshaltung Dritter mit einem konkreten Wert in Verbindung zu bringen, um festzustellen, ob die betrachtete Verpflichtung ansatzfähig ist.

Da das IASB die Kriterien für das Bestehen einer faktischen Verpflichtung verschärft hat, liegt der zu überschreitende numerische Wert mit Sicherheit höher als in IAS 37. Dort führt ein Ereignis der Vergangenheit zu einer gegenwärtigen Verpflichtung, wenn für das Bestehen einer Verpflichtung mehr spricht als dagegen (IAS 37.15), die Wahrscheinlichkeit also 50% überschreitet.[21] ED IAS 37.10 fordert somit eine Wahrscheinlichkeitsgrenze von (deutlich) über 50%. Wie hoch diese genau liegt, lässt sich schwer bestimmen.

Wenn für Werte zwischen 50% und 95% der Begriff „wahrscheinlich“ und für Werte über 95% „so gut wie sicher“ verwendet wird,[22] könnte argumentiert werden, dass eine faktische Verpflichtung „so gut wie sicher“ bestehen muss. In jedem Fall verbleibt ein hoher Ermessensspielraum auf Seiten des Abschlusserstellers.

Eine rein komparative, nicht auf quantitativen Wahrscheinlichkeitszahlen aufbauende Argumentation bezüglich des Bestehens einer faktischen Verpflichtung erscheint hingegen nicht sinnvoll. Wie erwähnt muss die Verpflichtung „mehr als wahrscheinlich“ bestehen, wenn auch die genaue Schwelle nicht aus dem Entwurf ablesbar ist. Argumentativ, mittels der komparativen Hypothesenwahrscheinlichkeit, lässt sich jedoch lediglich ableiten, welches Ereignis wahrscheinlicher ist.[23] Eine Aussage im Hinblick auf eine genauere Einschätzung ist nicht möglich, sodass das Management letztendlich doch eine subjektiv gewonnene Prozentzahl in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit des Bestehens der faktischen Verpflichtung angeben müsste. Eine genaue Quantifizierung erscheint jedoch vor dem Hintergrund solch großer Unsicherheiten wenig verlässlich. Doch auch das Weglassen von konkreten Wahrscheinlichkeitswerten und stattdessen die bloße Einschätzung, dass Dritte nunmehr eine „gerechtfertigte Erwartung“ haben, dass das Unternehmen seiner Verpflichtung nachkommt und sie sich darauf „vernünftigerweise verlassen können“, erscheint kaum verlässlicher. Sowohl eine in den Raum gestellte Prozentzahl als auch nicht quantifizierte Aussagen sind in diesem Rahmen gleichsam höchst risikobehaftet und wenig objektivierbar.

Aber selbst wenn das Unternehmen diese schwierige (wenn nicht unmögliche) Aufgabe der Bewertung der Wahrscheinlichkeitseinschätzung Dritter erfüllt hat und annahmegemäß zu dem Schluss gekommen ist, dass die betrachteten Dritten die Wahrscheinlichkeit als „so gut wie sicher“ einschätzen (oder quantifiziert mit dem Wert 95%), bestünde streng genommen keine unbedingte Verpflichtung. Diese muss eindeutig sein und wird laut dem Entwurf an kein Wahrscheinlichkeitskriterium mehr geknüpft.

Da dieses Kriterium aus dem Standard entfernt wurde und sich, wenn man es dort belassen hätte, ausschließlich auf den erwarteten Ressourcenabfluss bezogen hätte (ED IAS 37.BC47), ist eine Verpflichtung, die nicht zu 100% sicher ist, nicht als unbedingt anzusehen. Demnach sind faktische Verpflichtungen losgelöst von den unbedingten Verpflichtungen zu betrachten, die sicher, entweder auf Grund eines Vertrages oder eines Gerichtsprozesses, bestehen. Sie bleiben augenscheinlich „weiterhin Gegenstand von Wahrscheinlichkeitserwägungen“[24].

Im Ergebnis bleibt für ein Unternehmen weiterhin ein Beurteilungsspielraum, ob es mit einer faktischen Verpflichtung konfrontiert ist oder nicht.[25] Anders formuliert ist es auch denkbar, dass es durch „Äußerungen und Handlungen an der Verpflichtungserfüllung Zweifel aufkommen lässt oder nicht“[26]. Es könnte somit einerseits den Grad der Wahrscheinlichkeitsbeurteilung Dritter beeinflussen, indem es seine Ankündigungen so formuliert, dass die Erwartungen in vom Unternehmen gewünschte Bahnen gelenkt werden. Andererseits könnte es auch in der eigenen Beurteilung Maßstäbe ansetzen, die einen Ansatz der Verpflichtung zulassen oder verhindern. Bspw. könnte von Unternehmensseite aus argumentiert werden, dass ein Ansatz einer liability aus einer faktischen Verpflichtung auf Grund der verschärften Forderungen in ED IAS 37 nur zwingend ist, wenn diese Verpflichtung „so gut wie sicher“ ist. Wenn das Management selbst die Verpflichtung lediglich als „wahrscheinlich“ einschätzt und somit keine liability ansetzt, ist dies mangels Leitlinien innerhalb des Standards kaum in Frage zu stellen. Eine objektivierte Betrachtungsweise erscheint nur schwer möglich. Aus diesen Gründen kann auch von einem Ansatzwahlrecht in Bezug auf faktische Verpflichtungen gesprochen werden.[27]

Es ist dennoch davon auszugehen, dass es auf Grund der höher gelegten Wahrscheinlichkeitsschwelle tendenziell zu einer verringerten Rückstellungsbildung im Bereich der faktischen Verpflichtungen kommen wird.[28]

Trotz der Absicht des IASB, das Wahrscheinlichkeitskriterium aus dem Ansatzprozess einer liability herauszunehmen, verbleiben dennoch einige Unklarheiten, die mit einer abermaligen Wahrscheinlichkeitsbeurteilung einhergehen.

Diese scheinen jedoch auf den ersten Blick nicht so hoch zu sein wie in IAS 37. Die Frage, ob für das Bestehen einer gegenwärtige Verpflichtung mehr spricht als dagegen (IAS 37.15), ihre Existenz also „wahrscheinlich“ ist und die Schwelle von 50% überschreitet, lässt sich kaum objektiv klären.

Hieraus entsteht viel eher eine „subjektive Entscheidungssituation“[29]. Außerdem scheint die 50%-Schwelle in IAS 37 willkürlich.[30]

Mit der neuen Konzeption der unbedingten Verpflichtung als eine der Voraussetzungen für den Ansatz einer liability wird das Kriterium eindeutiger. Nunmehr ist, in vielen Fällen, wie etwa bei der Existenz eines Vertrages, keine Wahrscheinlichkeitsschwelle mehr zu berücksichtigen.

Allerdings wird in IAS 37 ausschließlich die Möglichkeit einer zukünftigen negativen Inanspruchnahme betrachtet, wie etwa der Schuldspruch in einem Gerichtsprozess oder das Auftreten eines Garantiefalls. Dies sind bedingte Verpflichtungen, die in ED IAS 37 gar nicht für Ansatzfragen in Betracht kommen. Ein Vergleich zwischen dem „mehr als 50%“-Kriterium für bedingte Verpflichtungen in IAS 37 und der (theoretisch) eindeutigen unbedingten Verpflichtung in ED IAS 37 ist daher nicht wirklich sinnvoll.

Die unterschiedliche Konzeption kann an einem Beispiel deutlich gemacht werden:

Ein Unternehmen wird von einem Konkurrenten auf Schadenersatz verklagt. Ein für das Unternehmen negativer Prozessausgang wird als „möglich“ eingestuft, wodurch die numerische Wahrscheinlichkeit bei unter 50% liegen sollte. Nach IAS 37 ist eine Inanspruchnahme somit nicht wahrscheinlich und daher keine ansatzfähige Verpflichtung vorhanden. Nach ED IAS 37 ist die Einschätzung des Unternehmens in dieser Frage irrelevant. Eine Verpflichtung besteht in jedem Fall durch die Tatsache, dass sich das Unternehmen überhaupt in einem Rechtsstreit befindet und den Anordnungen des Gerichts, wie auch immer diese aussehen mögen, Folge leisten muss.

Diese Art (unbedingter) Verpflichtung wird in IAS 37 gar nicht explizit betrachtet.

Es zeigt sich, dass ein den Ansatz betreffendes Wahrscheinlichkeitskriterium für das Bestehen einer gegenwärtigen Verpflichtung, ähnlich dem in IAS 37, durchaus noch im Entwurf vorhanden sein könnte, ohne konzeptionelle Schwierigkeiten zu bereiten. Es wäre jedoch überflüssig, da sich die Definition der Verpflichtung, auf die es angewandt wird, grundlegend geändert hat. Wenn man die implizite Annahme des IASB als korrekt ansieht, nämlich dass unbedingte Verpflichtungen stets sicher sind, hätte es auf dieser Ebene keine Bedeutung mehr. Da diese Annahme jedoch, wie gezeigt, nicht immer erfüllt ist, wäre eine Hilfestellung, ähnlich der geforderten Wahrscheinlichkeit in IAS 37 („more likely than not“), notwendig. Ansonsten entstünde auf Seiten des Abschlusserstellers ein nicht zu vernachlässigender Ermessensspielraum, wodurch ein Ansatz einzig und allein der Beurteilung des Managements überlassen bliebe.[31]

2.2. Bestimmung eines unbedingten Rechts

Analog zu den gegenwärtigen Verpflichtungen kann ein gegenwärtiges Recht nur unbedingt sein. Als Beispiele werden u.a. das Recht auf Versicherungsschutz (ED IAS 37.BC12) genannt und das Recht, das aus einem Gerichtsverfahren erwächst, welches das Unternehmen selbst angestrebt hat (ED IAS 37.BC14). Nur unbedingte Rechte können vom Unternehmen kontrolliert werden und somit letztlich den Ansatz eines assets rechtfertigen (ED IAS 37.BC11). Das mit dem unbedingten Recht in Zusammenhang stehende „conditional right“, welches alle Unsicherheiten beinhalten soll, spielt in dieser Hinsicht keine Rolle. Es besteht daher, ebenso wie bei den unbedingten Verpflichtungen, grds. keine Frage, ob unbedingte Rechte existieren. Unsicherheiten sind hierfür irrelevant (IAS 37.BC13). Eine Wahrscheinlichkeitsüberlegung findet in diesem Rahmen nicht statt[32] bzw. muss auf den ersten Blick nicht stattfinden. Da das IASB die sog. Eventualforderungen aus ED IAS 37 ausgelagert hat, verbleiben auf der Aktivseite einzig und allein die Erstattungs- bzw. Rückgriffsansprüche („reimbursements“).

Diese entstehen, wenn sich das Unternehmen im Falle einer negativen Inanspruchnahme aus einer Verbindlichkeit das Recht gesichert hat, von Dritten Zahlungen zu fordern, die die Verpflichtung ganz oder teilweise begleichen (ED IAS 37.47). Dieses Recht ist laut dem Entwurf unbedingt und somit eindeutig. Es leitet sich in den meisten Fällen aus Verträgen, wie etwa Versicherungsverträgen, ab (ED IAS 37.BC90). Es kann die Frage gestellt werden, wie zu verfahren ist, wenn das betrachtete Recht nicht eindeutig, sondern eher strittig ist, was in ED IAS 37 nicht betrachtet wird. Es könnte bspw. auf Grund auslegungsbedürftiger Vertragsklauseln zwischen zwei Parteien zum Streit in der Frage kommen, ob die eine der anderen das Recht auf Versicherungsschutz und somit auf Erstattung für einen speziellen Fall gewährt hat. Aus dieser Lage heraus kann sich eine verworrene Situation ergeben:

Auf Grund der mit dem Fall verbundenen Unsicherheit setzt die Partei, die das Recht für sich beansprucht, annahmegemäß kein asset an. Zieht sie jedoch vor Gericht, um die Erstattung einzuklagen, wäre ein eindeutiges unbedingte Recht geboren, das den Ansatz eines assets rechtfertigt (ED IAS 37.BC14). Obwohl dieses nicht mehr in den Geltungsbereich des Entwurfsstandards fällt, ist es dennoch schwer nachvollziehbar, wie der Streit um ein unsicheres und daher nicht angesetztes asset wiederum ein eindeutiges asset sein kann.

Eine generelle Bestimmung, ab wann ein unbedingtes Recht existiert, findet sich im Entwurf nicht. Die diesbezügliche allgemeine Regelung zu liabilities (ED IAS 37.16) ist nicht in analoger Form übernommen worden, sodass es keine Anhaltspunkte gibt, wie mit möglichen Unsicherheiten umzugehen ist. Einer Argumentation im Hinblick auf Wahrscheinlichkeitserwägungen fehlt daher die Basis. Es ist jedoch zu vermuten, dass sich die Rückgriffsansprüche in den allermeisten Fällen eindeutig aus Verträgen ableiten lassen, die Rechte somit zu 100% sicher sind, sodass diese Art Überlegungen kaum eine Rolle spielen dürften.

In IAS 37 bezieht sich die Frage, ob ein Erstattungsanspruch angesetzt werden kann, auf die Wahrscheinlichkeit, mit der das Unternehmen im Falle einer Erfüllung seiner Verpflichtung die Erstattung erhält. Diese muss „so gut wie sicher sein“. In allen anderen Fällen ist sie lediglich im Anhang anzugeben (IAS 37.53). Allerdings wird hier die Erstattung als ein bedingtes Recht angesehen, das von einem zukünftigen Ereignis abhängt.

Das Wahrscheinlichkeitskriterium wird somit im aktuellen Standard, wie bei der gegenwärtigen Verpflichtung, auf einem anderen Level angewandt und eignet sich nur bedingt zu Vergleichszwecken.

Außerdem findet es in ED IAS 37 keine Erwähnung mehr, was wiederum dafür spricht, dass mit der Frage, ob ein ansatzfähiges Recht besteht, keine Wahrscheinlichkeitserwägungen und somit keine Unsicherheiten mehr verbunden sein sollen.[33] Analog zu den unbedingten Verpflichtungen müsste ein unbedingtes Recht laut IASB somit zu 100% oder zu 0% existieren. Durch die Verschiebung der Eventualforderungen aus IAS 37 nach IAS 38 werden jedoch, entgegen der allgemeinen Analyse unbedingter Rechte, Wahrscheinlichkeitserwägungen wieder Gegenstand des Ansatzes. Gem. IAS 38.21(a) muss ein Nutzenzufluss wahrscheinlich sein. Dadurch wird die zu erreichende Ansatzschwelle von „so gut wie sicher“ aus IAS 37 herabgesetzt, liegt jedoch naturgemäß höher als das nicht mehr vorhandene Kriterium in ED IAS 37. Durch diese Ansatzhürde ergeben sich, über ED IAS 37 hinaus betrachtet, ähnliche asymmetrische Behandlungen im Vergleich zu liabilities wie dies in IAS 37 der Fall ist.[34] Zusätzlich werden nun die ehemals systematisch zusammenhängenden Erstattungsansprüche und Eventualforderungen konzeptionell unterschiedlich behandelt. Während es bei erstgenannten in Ansatzfragen auf das unbedingte Recht ankommt, hängt die Ansatzfähigkeit der Eventualforderungen wiederum von der Wahrscheinlichkeitseinschätzung in Bezug auf zukünftige (bedingte) Ereignisse ab.

2.3. Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen bei unbedingten Verpflichtungen

Ein weiteres Ansatzkriterium für eine liability ist der erwarte Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen zur Erfüllung der gegenwärtigen Verpflichtung (Framework.49(b)). Gemäß der neuen Unterteilung von Verpflichtungen in eine unbedingte und eine bedingte Komponente, kann das Wahrscheinlichkeitskriterium ausschließlich auf den Teil angewandt werden, der Grundlage für den Ansatz einer liability ist. Dies ist die unbedingte Komponente (ED IAS 37.BC26). Was unter einem Nutzenabfluss zu verstehen ist, wird in ED IAS 37.BC42 am Beispiel von Produktgarantien dargestellt. Es wird deutlich gemacht, dass ein Nutzenabfluss auch im Bereitstellen einer Dienstleistung liegen kann, was ebenfalls im Framework verankert ist (Framework.62(c)).

[...]


[1] Vgl. Andrejewski/Mielke (2005), S. 582.

[2] Vgl. Wielenberg et al. (2007), S. 453.

[3] Vgl. Heuser/Teile (2007), Rz. 2307.

[4] Vgl. Kühne/Schween (2006), S. 174; Fladt/Feige (2006), S. 276.

[5] Vgl. Küting/Wohlgemuth (2006), S. 2327.

[6] Vgl. Herzig/Gellrich (2006), S. 506.

[7] Vgl. Haaker (2005), S. 51; Hoffmann (2008), § 21, Rz. 37.

[8] Vgl. stellvertretend Ruhnke (2005), S. 561; Wagenhofer (2005), S. 253.

[9] Vgl. Hoffmann (2008), § 21, Rz. 46.

[10] Vgl. ebd., Rz. 41.

[11] Ebd.

[12] „[…]any additional information provided by events after the balance sheet date, but only to the extent that the information provides evidence of circumstances that existet at the balance sheet date.”

[13] Vgl. Kühne/Schween (2006), S. 174.

[14] zur Quantifizierung von Wahrscheinlichkeitsausdrücken vgl. Ruhnke (2005), S. 565.

[15] Vgl. Hoffmann (2008), § 21, Rz. 108.

[16] Vgl. Kühne/Schween (2006), S. 175.

[17] Ebd.

[18] Vgl. DRSC (2005), S. 8.

[19] Vgl. Ruhnke (2005), S. 565.

[20] Andrejewski/Mielke (2005), S. 587.

[21] Vgl. Ruhnke (2005), S. 561.

[22] Vgl. ebd., S. 565.

[23] Vgl. Groß/Amen (2003), S. 73.

[24] Fladt/Feige (2006), S. 278.

[25] Vgl. Herzig/Gellrich (2006), S. 511.

[26] Andrejewski/Mielke (2006), S. 588.

[27] Vgl. Andrejewski/Mielke (2006), S. 588.

[28] Vgl. ebd.; Erdmann et. al. (2007), S. 446.

[29] Haaker (2005), S. 52.

[30] Vgl. ebd., S. 57.

[31] Vgl. Hoffmann (2008), § 21, Rz. 48.

[32] Vgl. Fladt/Feige (2006), S. 277; Brücks/Duhr (2006), S. 249.

[33] Vgl. Brücks/Duhr (2006), S. 249.

[34] Vgl. Linde Group (2005), S. 5; DRSC (2005a), S. 5.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836628044
DOI
10.3239/9783836628044
Dateigröße
601 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Freie Universität Berlin – Wirtschaftswissenschaften, Allgemeine Betriebswirtschaft
Erscheinungsdatum
2009 (März)
Schlagworte
rückstellung wahrscheinlichkeit rechnungslegung accounting
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Titel: Der Wahrscheinlichkeitsbegriff zur Rückstellungsbilanzierung des ED IAS 37
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