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Die Besteuerung von Unternehmen in der EU - eine Auseinandersetzung mit dem Steuerwettbewerb

©2008 Diplomarbeit 65 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Diskussion über den internationalen Steuerwettbewerb hat im Zuge der Globalisierung vor allem in den letzen Jahren auf fiskalpolitischer Ebene zugenommen. Betrachtet man die Steuerpolitik der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, so ist diese vor allem von Reformen in Bezug auf die Unternehmensbesteuerung geprägt. Von besonderer Brisanz ist hierbei der in der wissenschaftlichen Literatur bezeichnete ‘Steuersenkungswettlauf’, der als Auswirkung eines ungeregelten Wettbewerbs der Systeme gesehen wird. Die durch die Globalisierung veränderten Rahmenbedingungen stellen die Steuersysteme vor neue Schwierigkeiten und Anforderungen, die vor diesem Hintergrund einem Anpassungsdruck zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsposition ausgesetzt sind. Um die Ursachen und Auswirkungen dieses Themenkreises zu analysieren, setzten sich Ökonomen seit den achtziger Jahren intensiv mit den Effizienzwirkungen des Kapitalsteuerwettbewerbs auseinander. Im Hinblick auf differierenden Steuerbelastungen, die aus Unterschieden in den Bemessungsgrundlagen und den nominalen Steuersätzen der 27 Mitgliedsstaaten entstehen, kann diese Problematik verdeutlicht werden.
Die gestiegene Mobilität des Faktors Kapital hat dazu geführt, dass Regierungen versuchen, durch den Einsatz von Steuervergünstigungen multinationale Unternehmen anzuwerben. Da die Kapitalbesteuerung in Europa noch immer unkoordiniert erfolgt und die Gewinne multinationaler Unternehmen innerhalb der Europäischen Union in jedem Land separat besteuert werden, ergeben sich für diese Unternehmen Steuerarbitragemöglichkeiten. Multinationale Unternehmen sind in der Lage, ihre Gesamtsteuerbelastung zu senken, indem Gewinne, mittels Tochtergesellschaften durch gezielte Manipulation von Verrechnungspreisen oder durch konzerninterne Kredite, in Länder verschoben werden, in denen sie geringer besteuert werden. Nach Ansicht eines Teils der finanzwissenschaftlichen Literatur führen die grenzüberschreitenden Unternehmensverflechtungen und die damit zusammenhängende Gewinnverlagerung von multinationalen Unternehmen zu Wohlfahrtsverlusten für die Europäische Union als Ganzes. Aus diesem Grund besteht ein Konsens über eine Koordination der Steuerpolitik. In der aktuellen Debatte wird eine gemeinsam konsolidierte Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage als adäquates Mittel zur Lösung der beschriebenen Probleme von der Europäischen Union favorisiert. Die Tatsache, dass ein Übergang zu diesem […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

1. Motivation

2. Ökonomische Theorie des Kapitalsteuerwettbewerbs
2.1 Definition und Ursachen des Steuerwettbewerbs
2.2 Einführender Literaturüberblick
2.3 Kapitalsteuerwettbewerbsmodelle
2.3.1 Steuerwettbewerb zwischen benevolenten Regierungen
2.3.2 Steuerwettbewerb und eigennützige Regierungen
2.3.2.1 Der modifizierte Leviathan
2.3.2.2 Nicht-kooperatives Verhalten eigennütziger Politiker
2.3.2.3 Koordination durch kooperatives Verhalten
2.3.3 Grundlegende Erweiterungen in der Steuerwettbewerbsliteratur
2.4 Empirische Analysen zum Kapitalsteuerwettbewerb

3. Die Unternehmensbesteuerung in der EU
3.1 Maxime der europäischen Steuerpolitik
3.2 Die Körperschaftssteuersysteme in der EU
3.3 Die Körperschaftssteuersätze in der EU
3.4 Methoden zur Messung der effektiven Steuerbelastung
3.5 Prinzipien bei der Besteuerung internationaler Kapitaleinkommen
3.6. Das Problemfeld der Gewinnverschiebung multinationaler Unternehmen
3.6.1 Die Gewinnverlagerung mittels konzerninterner Kredite
3.6.2 Die Gewinnverlagerung mittels interner Verrechnungspreise
3.6.3 Optimale Besteuerung von Körperschaften bei Gewinnverlagerung

4. Ansätze zur Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in der EU
4.1 Steuerharmonisierung als Konsequenz des Steuerwettbewerbs
4.2 Lösungsansätze zur Beseitigung der steuerlichen Hindernisse
4.3 Zur Ausgestaltung einer gemeinsam konsolidierten Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage
4.4 Das System der Formelzerlegung
4.5 Beurteilung der Harmonisierungsbemühungen

5. Schlussfolgerung

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Tarifliche Körperschaftssteuersätze in der EU

Abbildung 2: Tarifliche und effektive Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften 2007

Abbildung 3: Besteuerung grenzüberschreitender Einkommen

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Motivation

Die Diskussion über den internationalen Steuerwettbewerb hat im Zuge der Globalisierung vor allem in den letzen Jahren auf fiskalpolitischer Ebene zugenommen. Betrachtet man die Steuerpolitik der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, so ist diese vor allem von Reformen in Bezug auf die Unternehmensbesteuerung geprägt. Von besonderer Brisanz ist hierbei der in der wissenschaftlichen Literatur bezeichnete „Steuersenkungswettlauf“, der als Auswirkung eines ungeregelten Wettbewerbs der Systeme gesehen wird. Die durch die Globalisierung veränderten Rahmenbedingungen stellen die Steuersysteme vor neue Schwierigkeiten und Anforderungen, die vor diesem Hintergrund einem Anpassungsdruck zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsposition ausgesetzt sind. Um die Ursachen und Auswirkungen dieses Themenkreises zu analysieren, setzten sich Ökonomen seit den achtziger Jahren intensiv mit den Effizienzwirkungen des Kapitalsteuerwettbewerbs auseinander. Im Hinblick auf differierenden Steuerbelastungen, die aus Unterschieden in den Bemessungsgrundlagen und den nominalen Steuersätzen der 27 Mitgliedsstaaten entstehen, kann diese Problematik verdeutlicht werden. Die gestiegene Mobilität des Faktors Kapital hat dazu geführt, dass Regierungen versuchen, durch den Einsatz von Steuervergünstigungen multinationale Unternehmen anzuwerben. Da die Kapitalbesteuerung in Europa noch immer unkoordiniert erfolgt und die Gewinne multinationaler Unternehmen innerhalb der Europäischen Union in jedem Land separat besteuert werden, ergeben sich für diese Unternehmen Steuerarbitragemöglichkeiten. Multinationale Unternehmen sind in der Lage, ihre Gesamtsteuerbelastung zu senken, indem Gewinne, mittels Tochtergesellschaften durch gezielte Manipulation von Verrechnungspreisen oder durch konzerninterne Kredite, in Länder verschoben werden, in denen sie geringer besteuert werden. Nach Ansicht eines Teils der finanzwissenschaftlichen Literatur führen die grenzüberschreitenden Unternehmensverflechtungen und die damit zusammenhängende Gewinnverlagerung von multinationalen Unternehmen zu Wohlfahrtsverlusten für die Europäische Union als Ganzes. Aus diesem Grund besteht ein Konsens über eine Koordination der Steuerpolitik. In der aktuellen Debatte wird eine gemeinsam konsolidierte Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage als adäquates Mittel zur Lösung der beschriebenen Probleme von der Europäischen Union favorisiert. Die Tatsache, dass ein Übergang zu diesem System positive, aber auch negative Auswirkungen auf alle beteiligten Akteure mit sich bringen kann, erfordert eine genaue Betrachtung dieses Sachverhalts. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Ausgestaltung und Umsetzung dieses Harmonisierungsvorschlags von zentraler Bedeutung.

Die Motivation für diese Arbeit stammt daher aus der Diskussion um die Vor- und Nachteile des internationalen Steuerwettbewerbs. Zu diesem Zweck soll das zweite Kapitel dieser Arbeit einen Überblick über die horizontale Steuerwettbewerbsliteratur geben und modelltheoretische Erklärungsansätze der Kapitalbesteuerung unter dem Aspekt des Wettbewerbs zwischen Körperschaften erläutern. Dabei sollen Auswirkungen des Steuerwettbewerbs zwischen Regierungen modelliert werden, deren Entscheidungsträger unterschiedliches politisches Verhalten aufweisen. Zur Erläuterung wird neben der Darstellung eines Modells benevolenter Regierungen, ein weiteres Modell ausführlich dargelegt, dessen politischer Entscheidungsträger, sowohl uneigennütziges als auch Leviathan-Verhalten in sich vereint. Im Folgenden sollen noch einige Arbeiten dargelegt werden, welche Modifikationen sowie weiterführende Überlegungen einbringen. Abschließend werden empirische Arbeiten vorgestellt, die reale Auswirkungen des Kapitalsteuerwettbewerbs untersuchen.

Kapitel drei befasst sich mit der Unternehmensbesteuerung innerhalb der EU. In diesem Zusammenhang werden die Grundsätze und die höchsten Ziele der europäischen Steuerpolitik kurz dargestellt. Des Weiteren werden die unterschiedlichen Körperschaftssteuersysteme, die nominellen Körperschaftssteuersätze und die effektiven Steuerbelastungen der EU-Mitgliedsstaaten verglichen. Neben den Prinzipen der Besteuerung grenzüberschreitender Einkommen soll das Problemfeld der Gewinnverschiebung von multinationalen Unternehmen beschrieben werden. Dabei wird auf die Gewinnverlagerung mittels konzerninterner Kredite und Verrechnungspreisen eingegangen. Abschließend wird ein Modell vorgestellt, das die optimale Besteuerung von Körperschaften bei vorliegen von Gewinnverlagerung mittels Verrechnungspreise analysiert.

Das vierte Kapitel stellt, vor dem Hintergrund der Vermeidung der Gewinnverschiebung, verschiedene Ansätze zur Harmonisierung der Körperschaftsbesteuerung vor. Nach der Darstellung der von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Modelle, soll vor allem auf das Instrument der gemeinsamen konsolidierten Bemessungsgrundlage eingegangen werden. Dabei werden die Herausforderungen und Probleme bei einer Ausgestaltung dieses Vorschlags erörtert. Weiterhin sollen der Übergang von der separaten zur einheitlichen Gewinnermittlung, sowie die Bestimmung des Verteilungsschlüssels betrachtet werden. Darüber hinaus sollen die Umsetzung und die Realisierungschancen der Harmonisierung beurteilt, sowie die möglichen Auswirkungen auf die Steuerbemessungsgrundlage dargelegt werden. Kapitel fünf fasst die Ergebnisse schlussfolgernd zusammen.

2. Ökonomische Theorie des Kapitalsteuerwettbewerbs

2.1 Definition und Ursachen des Steuerwettbewerbs

Das Vorhaben einer Gebietskörperschaft, die durch eine Steuersatzsenkung auf mobile Faktoren einen Steuerwettbewerb auslöst, ist plausibel: Durch Unternehmensverlagerung oder Direktinvestitionen soll Kapital an dieses Land herangezogen werden. Die politischen Entscheidungsträger rechnen damit, dass dieser Kapitalzufluss die Einnahmeverluste, die durch die Steuersenkung entstanden sind, überkompensieren. Die Motivation einer Regierung, die die Steuern auf mobile Faktoren senkt, besteht demnach darin, sich einen Vorteil gegenüber anderen Regierungen zu verschaffen. In Folge dessen werden die im Wettbewerb stehenden Regierungen gezwungen, ebenfalls ihre Steuersätze zu senken. In der nächsten Stufe wird eine weitere Gebietskörperschaft versuchen, von einer erneuten Steuersatzsenkung zu profitieren. Das Resultat dieser Abwärtsspirale, in der Literatur als „race to the bottom“ bezeichnet, ist nach Sinn ein Steuersatz von Null in jedem Land.[1] Dieses Ergebnis ist mit dem aus der Spieltheorie bekannten „Gefangenendilemma“ vergleichbar, bei dem individuelles rationales Verhalten zu einem kollektiv irrationalem Ergebnis führt.[2]

Während sich in der ökonomischen Theorie zahlreiche Arbeiten mit den Wirkungen des Steuerwettbewerbs beschäftigen, findet sich keine genaue Antwort auf die Frage, wann der Steuerwettbewerb ausgelöst wurde. Nach Auffassung der OECD liegt der Auslöser im Prozess der globalen Entwicklungen.[3] Die Argumentation hierfür wäre, dass die heutigen offenen Volkswirtschaften ihre Ursprünge in Zeiten hatten, in denen Protektionismus auf der Tagesordnung stand. Janeba sieht dagegen den Beginn des Steuerwettbewerbs in den US-amerikanischen Steuerreformen der achtziger Jahre.[4] Eine sozio-ökonomische Begründung findet Wagschal bei Staaten, die in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit verbunden mit geringem Wirtschaftswachstum zu Steuerreformen gezwungen werden.[5] Das Argument, dass es kleineren Volkswirtschaften leichter fällt, die Steuersätze zu senken, da die eigene Bemessungsgrundlage relativ klein im Verhältnis zu der ist, die durch einen niedrigen Steuersatz importiert wird, wurde von Fuest aufgebracht.[6] Demnach setzten Staaten im wirtschaftlichen Aufholprozess, wie die osteuropäischen EU-Beitrittsstaaten, auf eine offensive Steuerpolitik.

Die Hypothesen über die Initialzündung des Steuerwettbewerbs sind demnach vielfältig und führen zu dem Schluss, dass mehrere Faktoren für die unterschiedlichen steuerpolitischen Aktionen der Regierungen abhängig waren und sind.

2.2 Einführender Literaturüberblick

Die Steuerwettbewerbsliteratur, die ihre Ursprünge im fiskalischen Föderalismus hat, setzte sich in erster Linie damit auseinander, ob die Übertragung des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs auf einen Wettbewerb zwischen regionalen Gebietskörperschaften effizient ist. Wegweisend ist hierbei das Modell von Tiebout, bei dem sich eine Vielzahl von Gebietskörperschaften, wie Unternehmen, in einem Wettbewerbsmarkt betrachten lassen.[7] Dabei kommt es nicht zum Wettbewerb zwischen den Regionen um mobile Produktionsfaktoren, sondern der Wettbewerb wird durch die Wanderung der Haushalte zwischen den Regionen angetrieben. Die vollständig mobilen Haushalte suchen sich unter einer Vielzahl von Gebietskörperschaften diejenigen aus, die ihren Präferenzen hinsichtlich der Kombination aus lokalem öffentlichem Gut und der zu dessen Finanzierung erhobenen Steuer am besten entsprechen. Da die lokalen öffentlichen Güter dezentral bereitgestellt werden, ist die zu konsumierende Gütermenge für alle Haushalte in einer Region gleich, die Menge öffentlicher Güter zwischen den Körperschaften kann jedoch unterschiedliche Niveaus annehmen. Im Gegensatz zur zentralen Bereitstellung von öffentlichen Gütern, bei dem der Staat die Gütermenge an die Präferenzen der Haushalte anzupassen hat, existieren bei Tiebout gegebene, aber gebietsweise differierende Gütermengen, aus denen die Haushalte ihrer Präferenzen entsprechend wählen können. Die konkurrierenden Regionen sind benevolent und bemüht, die optimale Anzahl ihrer Haushalte zu optimieren. Aufgrund der Tatsache, dass durch die Wahl des Wohnortes und der Gütermenge die Bereitschaft offenbart wird, die jeweilige Steuer zur Finanzierung des öffentlichen Gutes zu tragen, geben die Haushalte indirekt ihre Zahlungsbereitschaft für das öffentliche Gut preis. Für die Regionen bedeutet dies, dass sie nicht die Präferenzen der Haushalte ermitteln müssen, da die Haushalte wie auf einem Markt für private Güter, von einer Vielzahl von Angeboten, sich für diejenige Region entscheiden, die ihnen den höchsten Nutzen stiften. Dadurch kommt es zur effizienten Bereitstellung der lokalen öffentlichen Güter. Für Verfechter des Steuerwettbewerbs lässt sich dieser regionalökonomische Wettbewerb auf einen internationalen Steuerwettbewerb übertragen. Das Modell kann demnach als Wegbereiter der heutigen Steuerwettbewerbsdiskussion verstanden werden und gemäß Hemmelgarn wird das Ergebnis von Tiebout „...auch heute als Argument gegen eine Steuerkoordination auf internationaler Ebene verwendet“.[8] Allerdings basiert das Tiebout-Modell auf äußerst restriktiven Annahmen, wie vollständige Informationen und vollkommene Mobilität der Haushalte. Die sehr große Anzahl an Gebietskörperschaften, die sich im Extremfall mit der Anzahl der Haushalte deckt, führt zur Konsequenz, dass die bereitgestellten Güter die Eigenschaft eines öffentlichen Gutes verlieren. Sie sind demnach nicht mehr gemeinsam konsumierbar und werden faktisch zu privaten Gütern. Der effizienzsteigernde Wettbewerb zwischen den Körperschaften des Tiebout-Modells setzt voraus, dass durch die Wahl der Kombination aus öffentlichen Leistungen und Steuern keine externen Effekte auf benachbarte Regionen entstehen. Somit hätten Maßnahmen zur Maximierung der Wohlfahrt einer Region keine Auswirkungen auf das Budget oder die Wohlfahrt einer anderen Region. Im Zusammenhang mit dem Steuerwettbewerb sind fiskalische Externalitäten von wesentlicher Bedeutung. Werden die Annahmen des Tiebout-Modells aufgehoben und würde eine Region, um einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, die Steuern senken, würde dies in derjenigen Region, aus welcher die Haushalte abwandern, eine fiskalische Externalität verursachen. Die gestiegene Steuerbelastung in der Herkunftsregion führt dann dazu, dass die effiziente Menge an öffentlichen Gütern nicht mehr bereitgestellt werden könnte. Bereits Oates verwies auf die Problematik der ineffizienten Unterversorgung von öffentlichen Gütern. Er erklärte, dass Staaten im Steuerwettbewerb dazu tendieren, eine ineffizient geringe Menge an öffentlichen Leistungen anzubieten, um die effektive Steuerbelastung gering zu halten, so dass Kapitalabflüsse und eine damit einhergehende Verminderung der Steuerbasis vorgebeugt werde.[9] Die Ausführungen von Oates waren der Ausgangspunkt für viele weitere theoretische Arbeiten, die sich seit den achtziger Jahren intensiv mit den Konsequenzen des Kapitalsteuerwettbewerbs befassten.

Die ersten Arbeitspapiere, die formale Modelle zum Kapitalsteuerwettbewerb lieferten, wurden von Zodrow und Mieszkowski und Wilson formuliert.[10] Sie modellieren die Gefahr einer Unterversorgung mit öffentlichen Gütern als Folge des internationalen Steuerwettbewerbs zwischen benevolenten Regierungen. Alternativ dazu untersuchten Brennan und Buchanan den Kapitalsteuerwettbewerb in einem Leviathan-Modell, bei dem die politischen Entscheider nicht durch demokratische Mechanismen beschränkt werden können, sondern nach einer Maximierung der Steuereinnahmen streben und daher eine breite Steuerbemessungsgrundlage bevorzugen.[11] Sie demonstrieren, dass der Wettbewerb um mobiles Kapital das ausbeutende Verhalten des Leviathans begrenzen kann, da eine Überbesteuerung eine Kapitalflucht auslöst und somit zu sinkenden Staatseinnahmen führt. Brennan und Buchanan kommen in ihrem Modell zu dem Ergebnis, dass der Kapitalsteuerwettbewerb sich positiv auf die Wohlfahrt auswirken kann. Edwards und Keen entwickelten ein Modell, bei dem die politischen Akteure jegliche Ausprägungen des Politikverhaltens aufweisen können.[12] Die Modellierung des Kapitalsteuerwettbewerbs beider politischen Typen und deren Modifizierung und Erweiterung wird in den folgenden Kapiteln noch genauer dargestellt.

2.3 Kapitalsteuerwettbewerbsmodelle

2.3.1 Steuerwettbewerb zwischen benevolenten Regierungen

Die folgende Analyse basiert auf dem von Zodrow und Mieszkowski (1986) vorgestellten Papier „Pigou, Tiebout, Property Taxation, and the Underprovision of Local Public Goods”, das als Standardmodell für nahezu alle folgenden Modelle des Steuerwettbewerbs um mobiles Kapital dienen sollte. Es erfasst die Effekte der Kapitalmobilität auf das Niveau der Steuereinnahmen und auf die Bereitstellung von öffentlichen Gütern. Für die Auswertung dieser Effekte wird davon ausgegangen, dass die miteinander im Wettbewerb stehenden Gebietsköperschaften identisch hinsichtlich ihrer Größe, Bevölkerungszahl und ihrer anfänglichen Kapitalausstattung sind.

In ihrem Modell konkurrieren Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten identische Gebietskörperschaften[13] im horizontalen Steuerwettbewerb miteinander. Diese Regionen wählen einmalig einen Steuersatz auf Kapital und werden als klein angenommen, d.h. sie können keinen Einfluss auf die Nettorendite Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten ausüben. Der weltweite fixierte Kapitalstock dient, neben einem von der Bevölkerung zur Verfügung gestellten immobilen Produktionsfaktor, von den Autoren als Land bezeichnet, der Produktion des Outputs eines Landes. Aufgrund der identischen anfänglichen Kapitalausstattung aller Gebietskörperschaften, ergibt sich der Kapitalbestand Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten einer repräsentativen Volkswirtschaft als Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Außerdem gilt, dass die Produktionsfunktionen der Unternehmen Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten positive aber abnehmender Grenzproduktivitäten aufweisen, und dass diese unter vollkommener Konkurrenz produzieren. Die Regierungen sind benevolent, d.h. sie maximieren den Nutzen ihrer Bürger. Die Bevölkerung jeder Region ist auf eins normiert und der Nutzen eines repräsentativen Haushalts Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten ist abhängig vom Konsum eines öffentlichen Gutes Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten und eines privaten Gutes Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. Das öffentliche Gut Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten wird durch eine Steuer Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, auf das in einer Gebietskörperschaft investierte Kapital und einer Kopfsteuer Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten finanziert, dessen Budgetrestriktion lautet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der private Konsum ist abhängig von folgender Budgetrestriktion:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der private Konsum entspricht der Gesamtproduktion vermindert um die dafür benötigten Kapitalkosten, hinzukommt die Rendite aus dem am Weltmarkt investierten Kapital, abzüglich der Kopfsteuer.

Ferner wird unterstellt, dass eine einzelne Regierung davon ausgeht, dass ihre steuerpolitische Aktivität die Entscheidungen der anderen Regierungen nicht beeinflusst, so dass eine benevolente Regierung die Nutzen ihrer Haushalte über den Steuersatz Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten maximiert

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Da der Faktor Kapital als vollkommen mobil angenommen wird, ist eine Verlagerung des Kapitals in andere Regionen möglich. Demnach führt eine Steuersatzsenkung zu einem Kapitalzufluss aus dem Ausland. Die dadurch ausgelöste Kapitalbewegung ist erst dann wieder im Gleichgewicht, wenn die Nettokapitalrendite in allen Gebietskörperschaften, der auf dem Weltkapitalmarkt erzielbaren Nettorendite entspricht. Daraus folgt, dass das Grenzprodukt des Kapitals Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten vermindert um den jeweiligen Steuersatz Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten überall identisch und gleich Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten ist:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

da jede einzelne Gebietskörperschaft annahmegemäß klein im Verhältnis zur Gesamtökonomie ist, wird die Nettorendite als exogen Variable betrachtet. Differenzierung der Gleichung Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten zeigt den Einfluss einer Steuersatzvariation in einer Gebietsköperschaft Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten auf den Kapitaleinsatz

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Unter der Annahme abnehmender Grenzproduktivitäten sinkt der Kapitaleinsatz mit wachsendem Steuersatz. Die Lösung des Optimierungsproblems ergibt sich aus der Bedingung erster Ordnung als:[14]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine effiziente Bereitstellung wäre gegeben, wenn als Ergebnis das Verhältnis der Grenzrate der Substitution dem der Grenzrate der Transformation entsprechen würde, und diese gleich eins wären. Im vorliegenden Fall ist die Grenzrate der Substitution zwischen privatem Gut Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten und dem öffentlichen Gut Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten größer als eins, was auf eine Unterversorgung mit öffentlichen Gütern hindeutet. Senkt eine Regierung im Falle perfekter Kapitalmobilität die Steuer auf Kapital bei gegebenen Steuersätzen der anderen Gebietskörperschaften, so wird ein Kapitalzufluss vom Rest der Modellwelt in dieses Land verursacht. Die restlichen Gebietskörperschaften werden auf diesen Effekt ebenfalls mit einer Steuerreduktion reagieren, um ihrerseits Kapital vom Ausland anzuziehen. Dadurch kommt es in diesem Modell zu einem Steuerwettbewerb zwischen identischen Gebietskörperschaften, der in einer Abwärtsspirale der Steuersätze endet. Dies bedeutet in diesem Zusammenhang jedoch nicht zwingend eine Kapitalsteuer von Null. Vielmehr bedeutet es ein Gleichgewichtsniveau des Kapitalsteuersatzes, bei dem sich die Verluste einer Steuersatzreduktion und die Gewinne durch den Kapitalzufluss ausgleichen. Bei perfekter Kapitalmobilität ist dieses Gleichgewichtsniveau zwar positiv, jedoch zu gering um die effiziente Menge an öffentlichen Gütern bereitzustellen. Aufgrund der Annahme identischer Gebietskörperschaften handelt es sich bei diesem Modell um symmetrischen Steuerwettbewerb. Daraus resultiert ein einheitlicher Kapitalstock in jeder Gebietskörperschaft. Demnach wird jede Gebietskörperschaft dieselbe Kapitalmenge in die Produktion einsetzen, allerdings mit identisch niedrigeren Steuersätzen in allen Ländern. Dabei fallen die Steuersätze umso stärker, je höher die Anzahl der Gebietskörperschaften in der Ökonomie ist.

Zodrow und Mieszkowski überprüfen in einem weiteren Schritt die Auswirkungen einer Kapitalsteuersatzvariation auf die Kopfsteuer, da eine Senkung der Kapitalsteuer durch eine höhere Kopfsteuer finanziert werden muss. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass eine Reduktion der Kapitalsteuer durch eine überproportionale Erhöhung der Kopfsteuer kompensiert werden muss. Eine erhöhte Bereitstellung an öffentlichen Gütern wird durch eine höhere Kopfsteuer zwar gewährleistet, diese kann jedoch nicht vollständig durch die Kopfsteuer finanziert werden.[15] Dafür müsst die Kopfsteuer überproportional ansteigen, sodass eine wohlfahrtsreduzierende Besteuerung resultieren würde. Aus diesem Grund kommt es zu einer Mischfinanzierung bei der in jedem Fall Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten gilt und gemäß Gleichung Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten sich eine Unterversorgung mit öffentlichen Gütern ergeben würde.[16]

[...]


[1] Vgl. Sinn (1997) S. 681.

[2] Vgl. hierzu Güth (1999).

[3] Vgl. OECD (1998), Abs. 13.

[4] Vgl. Janeba (1997), S. 1.

[5] Vgl. Wagschal (2006), S. 501.

[6] Vgl. Fuest und Fuest (2004), S. 439.

[7] Vgl. hierzu und im folgenden Tiebout (1956).

[8] Hemmelgarn (2007), S. 13.

[9] Vgl. Oates (1972), S. 37.

[10] Vgl. Zodrow und Mieszkowski (1986) und Wilson (1986).

[11] Vgl. Brennan und Buchanan (1980).

[12] Vgl. Edwards und Keen (1996).

[13] Gemäß dieses Modell können auch Regionen oder Länder im Wettbewerb stehen. Aus diesem Grund werden

für den weiteren Verlauf der Arbeit die Begriffe Gebietskörperschaften, Länder und Regionen als Synonyme

benutzt.

[14] Die formale Herleitung der Bedingung erster Ordnung ist im Anhang (A.1) wiedergegeben.

[15] Die formale Darstellung wird im Anhang (A.2) wiedergegeben.

[16] Vgl. Zodrow und Mieszkowski (1986), S. 361.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836627283
DOI
10.3239/9783836627283
Dateigröße
1.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz – Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Studiengang Volkswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2009 (März)
Note
2,3
Schlagworte
kapitalsteuer unternehmensbesteuerung kapitalsteuerwettbewerb gewinnverschiebung
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Titel: Die Besteuerung von Unternehmen in der EU - eine Auseinandersetzung mit dem Steuerwettbewerb
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