Wie die Nachfrageschwankungen durch das SCM aufgefangen werden können anhand eines Beispiels aus der Luftfahrtbranche
Zusammenfassung
Die Rahmenbedingungen für Industrieunternehmen haben sich in den vergangenen Jahren extrem gewandelt. Der Trend zur Globalisierung, der Perspektivenwechsel von der Funktions- zur Prozessorientierung und der Fortschritt der Informations- und Kommunikationstechnologien sind die wichtigsten unter vielen Veränderungen, die sich direkt auf die Bedingungen des Wirtschaftens für Unternehmen auswirken. Eine große Bedeutung kommt der Geschwindigkeit zu, der die meisten Unternehmen nicht gewachsen sind. Eine der wichtigsten Paradigmenwechsel ist jedoch der Wandel des Verkäufermarktes zum Käufermarkt, was die Festlegung des Kundenwunsches zur obersten Priorität macht. Hier kommt es besonders auf die Schnelligkeit und vor allem auf die Verlässlichkeit gegenüber dem Kunden an. Darunter darf gleichzeitig die Vielfalt der dem Kunden angebotenen Produkte nicht leiden. Die Produkte mit hohem Servicegrad: das bedeutet hohe Liefertreue, Lieferschnelligkeit und Lieferänderungsflexibilität. Dafür sind Produktionsnetze mit kurzen Reaktionszeiten notwendig, sowie Methoden zur effizienten Planung und zum Betrieb der verteilten Produktions- und Transportressourcen.
Die Globalisierung und die steigende Zahl von Unternehmensfusionen führen dazu, dass immer mehr auf dem internationalen Markt eingekauft, produziert und verkauft wird. Diese Entwicklung hat zur Folge, dass sich eine zunehmende Komplexität logistischer Strukturen entwickelt. Innerhalb dieser komplexen Prozesse hat sich herausgestellt, dass Teiloptimierungen einzelner Funktionsbereiche zwar zu einer partiellen Optimierung führen, aber nie zu einem Gesamtoptimum beitragen. Aus diesem Grunde ist die Erreichung einer gesamtoptimalen Lösung, die zeitgleich auch den Kundenwünschen entspricht, notwendig. Unternehmen müssen über alle Bereichs- und Unternehmensgrenzen hinweg Prozessketten definieren, um diese dann gesamtheitlich zu steuern und zu optimieren. In der Zusammenschau all dieser Momente zeichnet sich somit eine Kernaussage ab: Um sich zukünftig in dynamischen Wertschöpfungskooperationen gegenüber weltweiten Wettbewerbern behaupten zu können, müssen die Unternehmen ihre Logistiksysteme netzwerkfähig gestalten. Um langfristig dem Wettbewerb standhalten zu können, müssen die Unternehmen einsehen, dass der moderne Wettbewerb nicht mehr Unternehmen gegen Unternehmen, sondern Wertschöpfungskette gegen Wertschöpfungskette bedeutet. Angesichts dieser Erkenntnisse bietet das Supply Chain […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Ausgangslage und Ziel der Arbeit
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Supply Chain Management (SCM)
2.1 Definition Supply Chain und Supply Chain Management
2.1.1 Ziele des SCM
2.1.2 SCM-Potenziale
2.1.3 Grundprinzipien
2.2 Kooperationen als Grundlage eines erfolgreichen SCM
2.3 SCM-Systeme (Software)
2.3.1 Bestandteile von E-SCM-Systemen
2.3.2 Aufgabenbereiche von E-SCM-Systemen
3 Bullwhip-Effekt
3.1 Ursachen des Bullwhip-Effekts
3.1.1 Lokale Verarbeitung der Nachfrageinformationen
3.1.2 Auftragsbündelung als Ursache
3.1.3 Preisschwankungen als Ursache
3.1.4 Mengenkontingentierung als Ursache
3.2 Maßnahmen zur Vermeidung des Bullwhip-Effekts
3.2.1 Ansätze zur Vermeidung von lokaler Verarbeitung von Informationen
3.2.2 Ansätze zur Vermeidung von Auftragsbündelung
3.2.3 Ansätze zur Vermeidung von Preisschwankungen
3.2.4 Ansätze zur Vermeidung von Mengenkontingentierung
4 Die Luftfahrtindustrie und die Bedeutung des SCM
4.1 Triebwerkshersteller MTU Aero Engines in München und das SCM
4.2 Formulierung der Untersuchungsthesen
5 Empirische Untersuchung
5.1 Untersuchungsdesign
5.2 Durchführung
5.3 Auswertung
6 Schlussbetrachtung
6.1 Zusammenfassung
6.2 Managementempfehlung
Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungen
Abb. 1: Beispielhafte Darstellung einer Supply Chain
Abb. 2: Bullwhip-Effekt bei einem Produkt aus dem Konsumgüterbereich
1 Einleitung
1.1 Ausgangslage und Ziel der Arbeit
Die Rahmenbedingungen für Industrieunternehmen haben sich in den vergangenen Jahren extrem gewandelt. Der Trend zur Globalisierung, der Perspektivenwechsel von der Funktions- zur Prozessorientierung und der Fortschritt der Informations- und Kommunikationstechnologien sind die wichtigsten unter vielen Veränderungen, die sich direkt auf die Bedingungen des Wirtschaftens für Unternehmen auswirken. Eine große Bedeutung kommt der Geschwindigkeit zu, der die meisten Unternehmen nicht gewachsen sind. Eine der wichtigsten Paradigmenwechsel ist jedoch der Wandel des Verkäufermarktes zum Käufermarkt, was die Festlegung des Kundenwunsches zur obersten Priorität macht. Hier kommt es besonders auf die Schnelligkeit und vor allem auf die Verlässlichkeit gegenüber dem Kunden an. Darunter darf gleichzeitig die Vielfalt der dem Kunden angebotenen Produkte nicht leiden. Die Produkte mit hohem Servicegrad: das bedeutet hohe Liefertreue, Lieferschnelligkeit und Lieferänderungsflexibilität. Dafür sind Produktionsnetze mit kurzen Reaktionszeiten notwendig, sowie Methoden zur effizienten Planung und zum Betrieb der verteilten Produktions- und Transportressourcen.
Die Globalisierung und die steigende Zahl von Unternehmensfusionen führen dazu, dass immer mehr auf dem internationalen Markt eingekauft, produziert und verkauft wird. Diese Entwicklung hat zur Folge, dass sich eine zunehmende Komplexität logistischer Strukturen entwickelt. Innerhalb dieser komplexen Prozesse hat sich herausgestellt, dass Teiloptimierungen einzelner Funktionsbereiche zwar zu einer partiellen Optimierung führen, aber nie zu einem Gesamtoptimum beitragen. Aus diesem Grunde ist die Erreichung einer gesamtoptimalen Lösung, die zeitgleich auch den Kundenwünschen entspricht, notwendig. Unternehmen müssen über alle Bereichs- und Unternehmensgrenzen hinweg Prozessketten definieren, um diese dann gesamtheitlich zu steuern und zu optimieren. In der Zusammenschau all dieser Momente zeichnet sich somit eine Kernaussage ab: Um sich zukünftig in dynamischen Wertschöpfungskooperationen gegenüber weltweiten Wettbewerbern behaupten zu können, müssen die Unternehmen ihre Logistiksysteme netzwerkfähig gestalten. Um langfristig dem Wettbewerb standhalten zu können, müssen die Unternehmen einsehen, dass der moderne Wettbewerb nicht mehr Unternehmen gegen Unternehmen, sondern Wertschöpfungskette gegen Wertschöpfungskette bedeutet. Angesichts dieser Erkenntnisse bietet das Supply Chain Management, als ein organisatorisch- und informationstechnologisch geprägter Ansatz zur Gestaltung und Koordination logistischer Netzwerke, den Unternehmen die Möglichkeit, neue Potenziale zu erschließen und für die Zukunft gerüstet zu sein.[1] Dabei wird das Supply Chain Management mit einem zentralen Phänomen konfrontiert, welches Unsicherheiten und Kosten erzeugt. Dieses Phänomen wird „Bullwhip-Effekt“ genannt und äußert sich in der Zunahme der Varianz der Bestellmengen in Form eines Überschwingens in Richtung der Zulieferer. Unternehmen sichern sich gegen diese Nachfrageschwankungen mit Überkapazitäten oder Überbeständen ab. Jedoch widersprechen diese Maßnahmen den Anforderungen an die Supply Chains.[2] Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist eine möglichst genaue Untersuchung darüber, wie die Nachfrageschwankungen, die den Bullwhip-Effekt auslösen, durch eine im Supply Chain Management vorhandene Transparenz in der Wertschöpfungskette aufgefangen bzw. flexibilisiert werden können. Anhand eines Praxisbeispiels aus der Luftfahrtbranche sollen Maßnahmen zur Vermeidung des Bullwhip-Effektes aufgezeigt werden.
1.2 Aufbau der Arbeit
Die Arbeit ist in sechs Kapitel gegliedert. Nach einer einleitenden Betrachtung beginnt die Untersuchung mit der Klärung der Begriffe Supply Chain und Supply Chain Management (SCM). Im weiteren Verlauf dient Kapitel zwei der inhaltlichen Annäherung an das Thema, in dem die Ziele, Potenziale und Grundprinzipien des SCM erörtert werden. Außerdem werden in diesem Kapitel dem Leser die wichtigen Erfolgsfaktoren des Kooperationsmanagements sowie die Softwaresysteme des SCM ausführlich vorgestellt. Im Mittelpunkt des Kapitels drei steht die Betrachtung des Bullwhip-Effekts, der ein wesentlicher Bestandteil der Problemstellung ist. Es folgt, bezogen auf den Bullwhip-Effekt, eine ausführliche Erläuterung der Ursachen sowie Gegenmaßnahmen. Das Kapitel vier gewährt zunächst einen Einblick in die Entwicklung als auch die Bedeutung des SCM in der Luftfahrtindustrie. Ferner wird der Triebwerkshersteller MTU aus München vorgestellt, der im weiteren Verlauf der Arbeit als Praxisbeispiel dienen soll. Anhand der im Rahmen dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse werden Thesen aufgestellt, die nachweisen sollen, wie die Nachfragschwankungen durch die Transparenz entlang der Supply Chain aufgefangen werden und somit der Bullwhip-Effekt vermieden werden kann. Im fünften Kapitel wird versucht die Richtigkeit der in Kapitel vier aufgestellten Thesen zu überprüfen. Im Rahmen dieser empirischen Untersuchung soll geprüft werden, ob die Beschreibung zur Vermeidung des Bullwhip-Effektes in der Literatur der Realität entspricht.
Im letzten Kapitel sechs soll ein Fazit gezogen werden, um die Bedeutung des Supply Chain Managements und den Umfang der angewandten Instrumente, die zur Hemmung des Bullwhip-Effekts beitragen, noch einmal zu verdeutlichen.
2 Supply Chain Management
Die hohe Flexibilität gegenüber Kundenbedürfnissen und Kostenschwankungen sowie eine zeitgenaue Lieferfähigkeit sind im globalen Wettbewerb entscheidende Erfolgsfaktoren. Gelingt es den Unternehmen nicht, sich rechtzeitig den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, müssen sie mit gravierenden Nachteilen für die Profitabilität und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit ihrer Produkte rechnen. Vor diesem Hintergrund gewann in den letzten Jahren das Management von logistischen Ketten bzw. Netzen, das so genannte Supply Chain Management, an Bedeutung. Damit verbunden ist die Erkenntnis, dass es zur Erfüllung der veränderten Marktanforderungen zunehmend nicht mehr ausreicht, die unternehmensinternen Abläufe zu optimieren, sondern eine Verlagerung des Blickwinkels auf die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit notwendig wird.[3] Der grundlegende Ansatz ist die Schaffung einer partnerschaftlich-kooperativen Organisation über mehrere Stufen der Supply Chain hinweg, um Transparenz über Bestände, Kapazitäten und Nachfrage zu erzeugen.[4] Ziel ist es, durch eine effektive Integration und Koordination von Zulieferern, Produzenten, Handel und Logistikdienstleistern ein hoch effizientes, auf den Bedarf des Endkunden ausgerichtetes Handeln zu ermöglichen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Supply Chain als Ganzes soll auf diese Weise permanent gestärkt und weiterentwickelt werden.[5]
2.1 Definition „Supply Chain“ und „Supply Chain Management“
Der Begriff „Supply Chain“ wird im engeren Sinne als eine „Lieferkette“, „Versorgungskette“ oder „unternehmensübergreifende Wertschöpfungskette“ verstanden. Die meisten Unternehmen arbeiten mit mehreren Organisationen zusammen. Somit stellt sich die Supply Chain in der Praxis gewöhnlich als Netzwerk (Supply Net, Unternehmensnetzwerk oder Produktionsnetzwerk), bestehend aus verschiedenen Organisationen, dar, die ein Produkt erstellen und es zum Endkunden transportieren. Trotz der begrifflichen Nahelegung beschränkt sich die Supply Chain nicht nur auf die Interaktionen mit Lieferanten, sondern umfasst auch die erforderlichen Koordinationsaufgaben in Bezug auf die Kunden. Da sich die begriffliche Differenzierung in eine Supply Chain (die Interaktion mit Lieferanten) und eine „Demand-Chain“ (die Interaktion mit Kunden) eines Unternehmens nicht durchgesetzt hat, wird hier die Supply Chain als Oberbegriff verwendet.[6] Bisher gibt es keine einheitliche Definition des Begriffes Supply Chain Management (SCM). Ein Grund dafür sind die von den Akteuren in diesem Bereich verfolgten unterschiedlichen Ziele; der andere Grund besteht in den unterschiedlichen Auffassungen und Abgrenzungen der Begriffe „unternehmensübergreifende Logistik“, „Logistikmanagement“ und „Produktionsmanagement“. Supply Chain Management ließe sich mit „Versorgungsketten-Management“ übersetzten.[7] Die Versorgungskette wird durch den Bedarf ausgelöst, den der Endverbraucher gegenüber einem am Ende der Wertschöpfungskette agierenden Unternehmen artikuliert. Von hier aus erfolgt die Weiterleitung der Bedarfsinformationen an alle an der Leistungserstellung beteiligten Unternehmen, um den erforderlichen Material- und Warenfluss, beginnend bei der Rohstoffgewinnung bis hin zu dem fertigen Produkt und den Serviceleistungen, für den Endverbraucher in Gang zu setzen. Das verbindende Element in der unternehmensübergreifenden (interorganisationalen) Wertschöpfungskette bildet der Güter-, Informations- und Geldfluss. Erst durch einen funktionierenden Informationsfluss entstehen Leistungsbeziehungen zwischen Unternehmen.[8]
Für das Verständnis des Begriffes im weiteren Verlauf der vorliegenden Untersuchung wird die Verwendung der nachfolgende Definition für das Supply Chain Management vorgeschlagen: „Supply Chain Management ist die unternehmensübergreifende Koordination und Optimierung der Material-, Informations- und Wertflüsse über den gesamten Wertschöpfungsprozess von der Rohstoffgewinnung über die einzelnen Veredelungsstufen bis hin zum Endkunden mit dem Ziel, den Gesamtprozess unter Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse sowohl zeit- als auch kostenoptimal zu gestalten.“[9] (Vgl. Abbildung 1)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Beispielhafte Darstellung einer Supply Chain
Quelle (modifiziert): www.owl-supplychain.de/SupplyChain-Management.30.0.html
(Stand : 3.12.2008)
2.1.1 Ziele des SCM
Aus den vorangegangenen Definitionen wird deutlich, dass SCM als Oberbegriff für die Optimierung der Abläufe bei einer Supply Chain steht. Um die unternehmensinternen und -übergreifenden Ziele zu erreichen, sind geeignete SCM-Konzepte notwendig. Bei dem Versuch, nicht kennzahlenbasierte Zielsetzungen des SCM zu formulieren, ergeben sich in Anlehnung an die oben angeführte Definition Hauptziele des SCM, wie z. B. die Schaffung von Transparenz, die ganzheitliche Wertschöpfungskettenorientierung sowie die Verbesserung des Material-, Informations- und Geldflusses. Derart allgemeine Ziele lassen zwar die grundsätzliche Richtung erkennen, allerdings bedarf es der Differenzierung der SCM-Ziele, die direkt über Kennzahlen messbar sind. Hier strebt das SCM besonders die Realisierung von Kostenvorteilen, Zeitvorteilen und Qualitätsvorteilen an. Kostenvorteile können beim SCM durch die Reduzierung der Bestandskosten erreicht werden. Die Transparenz über die Endkundennachfrage hilft den Bullwhip-Effekt, der das stufenweise Aufschaukeln der Aufträge über die einzelnen Stufen einer Supply Chain beschreibt, zu reduzieren. Auf der Grundlage einer transparenten Endkundennachfrage ergibt sich eine verbesserte Koordination von Angebot und Bedarf. Zusätzlich können mit einem verbesserten Bestandsmonitoring Sicherheitsbestände reduziert, gebundenes Kapital verringert und die Transaktionskosten gesenkt werden. Im Transportbereich können Wege und Auslastungen der Transportfahrzeuge verbessert und somit weitere Transportkosten gesenkt werden. Zeitvorteile lassen sich in fasst allen Grundfunktionsbereichen erzielen. Zum einen lassen sich durch Kooperation mit Lieferanten und Kunden die Entwicklungszeiten von Neuprodukten drastisch verkürzen. Zum anderen sinken die Durchlaufzeiten durch verbesserte Planungen im Bereich der Produktion und des Transports sowie durch ein effizientes Bestandsmanagement. Auf Änderungen kann schneller und flexibler reagiert werden. Ein weiteres bedeutendes SCM-Ziel sind die Qualitätsvorteile. Gerade das Vertrauen zwischen den Unternehmen einer Supply Chain ermöglicht eine intensivere Zusammenarbeit. Gemeinschaftliche Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten und der offene Informationsaustausch bilden die Grundlage für ein abgestimmtes und durchgängiges Vorgehen im Bereich der Qualitätsplanung, -lenkung und -prüfung.[10]
Das Ziel des SCM-Konzeptes ist, die größte Effektivität für das gesamte Wertschöpfungsnetzwerk, das auch den Endkunden umfasst, zu erreichen. Es wird die Optimierung der Interessen aller Beteiligten angestrebt. Die Wettbewerbsfähigkeit der Supply Chain soll permanent gesichert und weiterentwickelt werden, auf der Grundlage des Zielsystems, auf der einen Seite die Maximierung des Kundennutzens und auf der anderen Seite die Minimierung der Kosten zu erreichen.[11]
Heutzutage wird es immer schwieriger, sich dauerhaft nur über Produkte zu unterscheiden. Die Konkurrenz zieht oft sehr schnell mit einem gleichwertigen Produkt nach.[12] Der Endkunde bewertet nicht die Leistungen Einzelner in einer Supply Chain agierender Unternehmen, sondern die Leistung, die sich als Resultat aller in einer Supply Chain vollzogenen Wertschöpfungsprozesse ergibt. Aus dieser Sichtweise wird deutlich, dass das Erreichen von Wettbewerbsvorteilen eine Koordination aller Wertschöpfungsprozesse in der gesamten Supply Chain erfordert. Die im Rahmen des SCM verfolgten Ziele werden nicht als individuelle Ziele einzelner Unternehmen betrachtet, sondern als gemeinsame Ziele aller an der Supply Chain beteiligten Akteure.[13]
Die Gestaltung der Supply Chain findet im „normativen Management“ statt, welches die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit der Supply Chain insgesamt sicherstellen soll. Gleichzeitig wird der Wettbewerb innerhalb der Wertschöpfungsketten sichergestellt und die Voraussetzungen für die Fähigkeit zur Entwicklung bei den beteiligten Unternehmen sowie der Supply Chain geschaffen. Das normative Management zielt auf die Entwicklung von Nutzenpotenzialen für Anspruchsgruppen. Vision, Kultur und Politik des Netzwerkes werden auf dieser Ebene formuliert. Von den Missionen des normativen Managements, das Aktivitäten begründet, wird das Handeln des strategischen Managements abgeleitet, welches die Aktivitäten ausrichten muss und die Ziele der Schaffung und Erhaltung der Supply Chains verfolgt.[14] Der Aufbau, die Pflege und die Nutzung von Erfolgspotenzialen sind weitere Ausrichtungen des strategischen Managements. Die operative Sicht des Managements beschäftigt sich mit der Umsetzung der normativen und strategischen Vorgaben, die auf die Sichterstellung der Wertschöpfungsprozesse ausgelegt sind. Diese aufgezeigten Ziele müssen für eine Bewertung sowie eine in die Zukunft gerichtete Zieldefinition in messbare Leistungskennzahlen überführt werden. Wesentliche Ansätze dazu liefert das SCOR-Modell. Auf das SCOR-Modell wird in dieser Arbeit nicht näher eingegangen, da es kein wesentlicher Bestandteil zur Klärung des Problems ist.
Auch Sach- und Formalziele eines einzelnen Unternehmens sind mit dem Zielsystem von Supply Chains verbunden. Die Gestaltung und Lenkung der Wertschöpfungsprozesse in den Supply Chains müssen sowohl auf die Sachziele als auch auf die Formalziele ausgerichtet werden. Die Sachziele beziehen sich auf das Handlungsprogramm: mit welchen Produkten oder Dienstleistungen will die Supply Chain welche aktuellen sowie zukünftigen Probleme lösen. Die Formalziele dagegen liefern konkrete Handlungskriterien, wie die Supply-Chain-Aktivitäten zu planen, steuern und zu realisieren sind. Die Bestimmung des Sachzieles der Supply Chain erfolgt durch das festgelegte Produktprogramm und dessen Absatzplan. Um einen langfristigen Wettbewerbsvorteil zu konkurrierenden Supply Chains zu schaffen und zu erhalten, wird das Sachziel der Supply Chain konkretisiert und ein bestimmter, kundenorientierter Lieferservice bzw. ein solches Serviceniveau festgelegt. Auf der Prozess- und Ressourcenebene der Supply Chain impliziert dieses die Sicherung der bedarfsgerechten Verfügbarkeit der zur Durchführung der Wertschöpfungsprozesse benötigten Objekte an allen Knotenpunkten. Ebenso kann eine bestimmte, festgelegte Produktqualität als Sachziel konkretisiert werden. Dies impliziert wiederum die Sicherstellung des angestrebten Qualitätsniveaus an allen Transaktionspunkten der Supply Chain. Somit zeigt sich die Qualität der Leistungen der Supply Chain in der Produktqualität und der Verfügbarkeit der Produkte beim Nachfrager. Formalziele der Supply Chain sind Gewinn- und Kostenziele, was unter Beachtung der Sachziele die Maximierung des gesamten Supply-Chain-Gewinns bzw. die Minimierung der Gesamtkosten eines gegebenen Leistungsprogramms der Supply Chain bedeutet. Diese Formalziele wirken positiv auf die Bestände in der gesamten Supply Chain.[15]
2.1.2 SCM-Potenziale
Dass die Potenziale, die durch ein erfolgreich umgesetztes Supply Chain Management realisiert werden können, erheblich sind, zeigen die folgenden Beispiele aus der Praxis:
- eine Verbesserung der Prognosegenauigkeit um 25 bis 80 Prozent,
- eine Bestandsverringerung durch reduzierte Sicherheitsbestände, virtuelle Bestände und Bestands-Sharing in einer Größenordnung von bis zu 60 Prozent,
- die Senkung der Durchlaufzeiten durch abgestimmte Prozessketten in einer Größenordnung von 50 Prozent,
- die Steigerung der Kundenzufriedenheit durch größere Termintreue um 5 Prozent und mehr sowie eine verbesserte Lieferfähigkeit um 25 bis 50 Prozent,
- bezogen auf einzelne Supply Chains ein Kostensenkungspotenzial im Bereich von 3 bis 25 Prozent (Durchschnittswert ca. 10 Prozent),
- eine Gewinnsteigerung um bis zu 30 Prozent durch Optimierung der gemeinsamen Wertschöpfungskette und
- eine Steigerung der Umsätze und Marktanteile bis zu 55 Prozent durch reaktionsfähigere Systeme und eine verbesserte Kundeneinbindung („Electronic Commerce“).
Ein erster Orientierungsrahmen zur Definition der Kooperationsziele innerhalb der Supply Chain ergibt sich aus der Systematisierung der Erfolgspotenziale des SCM. Anhand der Kooperationsziele werden die Kooperationsbereiche festgelegt. Auf der normativen Ebene möchte man Kooperationspotenziale wie qualitative Höherentwicklung, Verbesserung des Leistungsniveaus, Anpassungsfähigkeit und Aufrechterhaltung der Unternehmensidentität nutzen, um die Entwicklung und Lebensfähigkeit des Unternehmens zu erhalten. Bezugsgröße der strategischen Ebene ist die Entwicklung neuer sowie die Nutzung bestehender Erfolgspotenziale. Durch Kooperationen können sich Differenzierungsvorteile ergeben, wie beispielsweise bessere Produkttechnologie und Servicefähigkeit. Des Weiteren lassen sich Eintrittsbarrieren reduzieren sowie Zeitvorteile nutzen. Die operative Managementebene beschäftigt sich mit der Erschließung eines Partners, der Kostenvorteile durch Ressourcenzugang und Produktionskapazität bietet, um das Unternehmen zum Erfolg und zur Liquidität zu führen. Die Erschließung der aufgezeigten Potenziale ist zum Teil mit sehr hohen Investitionen verbunden, insbesondere im Bereich der Software. Es müssen interne und externe Transaktionskosten berücksichtigt werden. Zu den internen Transaktionskosten zählen Koordinations- und Kontrollkosten (Informations- und Kommunikationskosten). Externe Transaktionskosten sind Anbahnungs-, Vereinbarungs-, Kontroll- und Anpassungskosten. Bei der Umsetzung sollte daher ein adäquates Kosten-Nutzen-Verhältnis als Ziel verfolgt werden.[16]
2.1.3 Grundprinzipien
Im Management der Supply Chain basieren Spitzenleistungen auf effektiven Strategien, kontinuierlicher Leistungsverpflichtung, Kultur und Organisation im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung und Optimierung des Gesamtsystems. Als wichtige, grundsätzliche Leitlinien werden zunächst die Kunden- und Wettbewerbsorientierung herausgestellt. Zunehmend wird das Supply Chain Management als strategischer Faktor im Spannungsfeld zwischen Kundenorientierung und Wachstum erkannt. Beim Prinzip der Kundenorientierung kommt dem Kundennutzen eine zentrale strategische Bedeutung zu. Entsprechend sollten die organisatorischen Strukturen sowohl in der Supply Chain als auch innerhalb der beteiligten Unternehmen ausgerichtet werden. Dadurch entsteht ein Wertschöpfungsnetz, dessen inter- und intraorganisatorische Verbindungen durch Kunden-Lieferanten-Beziehungen geprägt sind.
Stellt man das Ziel des profitablen Wachstums dem der Kundenorientierung gegenüber, so sind folgende Kernpunkte herauszustellen: Erstens die ganzheitliche Erfassung der Supply Chain, d. h. aller involvierter Verbindungen der Flüsse von Produkten, Dienstleistungen und Informationen von dem Lieferanten des Lieferanten zu deren Kunden und deren Kunden. Zweitens verfolgt sie das Ziel des Gewinnwachstums, der Ressourcennutzung und der Kostenreduktion. Bei der Prozessorientierung basiert der Erfolg auf der Koordination über die Supply Chain hinweg, um einen Kundennutzen zu schaffen. Bei der ganzheitlichen Betrachtung der Prinzipien für ein erfolgreiches SCM hat die Segmentierung der Kunden nach ihren Service-Bedürfnissen und die richtige Ausrichtung der Supply Chain, um sie profitabel bedienen zu können, Priorität. Dem folgt die individuelle Anpassung des Wertschöpfungsnetzes in Bezug auf die Service-Anforderungen. Das dritte Prinzip ist die Bedarfsplanung, die nicht separat, sondern durch Beachtung der aktuellen Marktsignale, sichere Prognosen und optimale Ressourcenverteilung für die gesamte Supply Chain erfolgen soll. Das vierte Prinzip beschreibt den „Kundenentkopplungspunkt“. Ab diesem Punkt in der Supply Chain werden die Aufträge bestimmten Kunden zugeordnet. Durch die Verlagerung des Entkopplungspunktes in die Nähe des Marktgeschehens soll zum Zeitpunkt einer Produktdifferenzierung eine schnelle Reaktion möglich werden. Gegenstand des fünften Prinzips ist die Auswirkung einer hohen Kapitalbindung innerhalb der Kette. Der Ausdruck „Our Supplier´s costs are in effect our costs“ beschreibt, dass hohe Bestandskosten auf das nächste Glied in der Kette übertragen werden. Zur Minimierung dieser Kosten ist ein strategisches Management der Zulieferer notwendig. Die äußerst wichtige Bedeutung der Informationstechnologie wird im sechsten Prinzip erläutert. Die bereichsübergreifende Technologie soll die Unternehmensführung bei allen strategischen Fragestellungen unterstützen und die Informations- und Materialflüsse innerhalb der Supply Chain wiedergeben. Abgesehen vom Tagesgeschäft unterstützt diese den operativen und strategischen Bereich, wie Produktionsplanung oder Weiterentwicklung des Wertschöpfungsnetzes. Die Kontrolle der erbrachten Leistungen einer Supply Chain findet im letzten Prinzip ihre Berücksichtigung. Zur Beurteilung und Feststellung, ob ein gemeinsames Ziel erreicht wurde, ist der Aufbau eines einheitlichen Messinstrumentes innerhalb der Supply Chain von großer Bedeutung. Nur wenn die Kontrollfunktionen neben den Zielsetzungen innerhalb der Kette vereinheitlicht werden, kann das primäre Ziel, maximalen Kundennutzen zu schaffen, erreicht werden.
2.2 Kooperationen als Grundlage eines erfolgreichen SCM
Einer der wichtigsten Erfolgfaktoren für eine Supply Chain mit hoher Leistungsfähigkeit sind die richtigen Partner. Eine Möglichkeit zur Nutzung externer Ressourcen und Fähigkeiten für den Aufbau eigener Kernkompetenzen sind Kooperationen. Unternehmensübergreifend betroffene Teilbereiche oder ganze Unternehmen kooperieren bzw. fusionieren, um leistungsfähige Einheiten mit einer globalen Ausrichtung zu bilden (die wesentlichen Potenziale von Kooperationen im SCM waren Gegenstand des vorangegangenen Kapitel: „SCM-Potenziale“). Es gibt zwei Kooperationsarten zu unterscheiden: Die horizontale Kooperationsstrategie beschreibt die Integration von Unternehmungen der gleichen Wertschöpfungsstufe, wie z. B. die parallele Entwicklung von Dieselmotoren durch die Autobauer Ford und Peugeot. Diese Strategievariante verbindet Wettbewerber. Eine besondere Form davon ist die „Coopetition“ (aus Coop eration, der Zusammenarbeit, und Comp etition, dem Wettbewerb). Bosch und Siemens setzen diese Kooperationsform im Bereich der Haushaltsgeräte ein. Diese Unternehmen stehen sich auf dem Gebiet der Autoelektronik als Konkurrenten gegenüber, bilden aber strategische Allianzen, um sich so gemeinsam Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.
Bei der vertikalen Kooperation wird eine Integration von vorgelagerten Wertschöpfungsstufen (den Lieferanten) und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen (den Kunden) in die Unternehmensprozesse vorgenommen. Dieses ist die Basis für eine partnerschaftliche Beziehung, welche sich über ein hinausgehendes Netzwerk über die Unternehmensgrenzen von den Lieferanten bis zu den Endkunden erstreckt.
Untersuchungen über die Gründe für das Scheitern von Kooperationen zeigen, dass in erster Linie die persönlichen Voraussetzungen wie Vertrauen, Zuverlässigkeit und Engagement stimmen müssen. Erst in zweiter Linie sind betriebliche und vom Markt abhängige Voraussetzungen von Bedeutung. Die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Kooperation ist eine Win-win-Situation[17], von der alle Beteiligten profitieren.[18]
[...]
[1] Vgl. www.diplom.de/Diplomarbeitl4200/Supply_Chain_Management_in_kleinen_und_mittleren_ Unternehmen.html (Stand: 1.12.2008).
[2] Vgl. Alicke, K. (2005), S. 4.
[3] Vgl. Beckmann, H. (2003), S. 1.
[4] Vgl. Alicke, K. (2005), S. 4.
[5] Vgl. Beckmann, H. (2003), S. 1.
[6] Vgl. zu den Definitionen und deren Ausdifferenzierung Busch, A./Dangelmaier, W. (2004), S. 4.
[7] Vgl. Arndt, H. (2005), S. 46.
[8] Vgl. Busch, A./Dangelmaier, W. (2004), S. 29 f.
[9] Arndt, H. (2008), S. 47.
[10] Vgl. Busch, A./Dangelmaier, W. (2004), 8 f.
[11] Vgl. Beckmann, H. (2003), S. 12.
[12] Vgl. Corsten, D./Gabriel, C. (2004), S. 4.
[13] Vgl. Sucky, E. (2004), S. 22 f.
[14] Vgl. Beckmann, H. (2003), S. 12 f.
[15] Vgl. Sucky, E. (2004), S. 23.
[16] Vgl. Beckmann, H. (2003), S. 15
[17] Win-win-Situation: Zwei (oder mehr) Partner sollen/können aus einem gemeinsamen Projekt jeweils Nutzen für sich ziehen.
[18] Vgl. Beckmann, H. (2003), S. 37 f.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2008
- ISBN (eBook)
- 9783836626248
- DOI
- 10.3239/9783836626248
- Dateigröße
- 535 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Essen – BWL - Standort Hamburg
- Erscheinungsdatum
- 2009 (Februar)
- Note
- 1,7
- Schlagworte
- supply chain management bullwhip-effekt nachfrage wertschöpfungskette
- Produktsicherheit
- Diplom.de