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Der Turnaround-Prozess

Die Rolle der Finanzpartner und Investoren

©2007 Diplomarbeit 82 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Unternehmenskrisen sind ein Thema von herausragender Bedeutung. Zum einen wird dies deutlich an der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Situation in Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten, die auch derzeit unter anderem durch eine Vielzahl von Unternehmensinsolvenzen gekennzeichnet ist. Von diesen Entwicklungen waren neben zahlreichen ehemals erfolgreichen Großunternehmen, wie z.B. Kirch Media und Phillip Holzmann, ebenso kleine und mittlere Unternehmen (KMU) betroffen. Zum anderen kann vor dem Hintergrund einer anhaltenden Globalisierung sowie technologischer Veränderungen und einem daraus resultierenden, wachsenden Anpassungsdruck für Unternehmen davon ausgegangen werden, dass die Anzahl wirtschaftlicher Krisen auch in Zukunft konstant hoch bleibt bzw. tendenziell noch steigen wird.
Den Ausgangspunkt von Unternehmenskrisen bilden veränderte Umweltbedingungen, auf die Unternehmen reagieren müssen. Dazu zählen Veränderungen der politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen sowie das Verhalten externer Anspruchsgruppen, wie beispielsweise Wettbewerber und Kapitalgeber, und die damit verbundenen Beziehungen. Anpassungsschwierigkeiten eines Unternehmens an eine veränderte Umwelt können Unternehmenskrisen hervorrufen und bei unzureichender Reaktion bis hin zur Insolvenz führen. In engem kausalem Zusammenhang mit Unternehmenskrisen steht der Begriff des Turnaround (TA), welcher als Prozess der Krisenbewältigung zu verstehen ist. Der aus dem Englischen stammende Begriff Turnaround bedeutet übersetzt „Trendwende, Kehrtwendung, Richtungsänderung, Umschwung“. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht geht es im Rahmen eines Turnaround um eine drastische, positive Kursänderung des Unternehmens. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht die dargestellten Zusammenhänge (siehe Abbildung 1, Seite 2).
Krisenunternehmen sehen sich während eines Turnaround-Prozesses einer Reihe von großen Herausforderungen gegenüber. Mitunter führen die notwendigen Anpassungen an die veränderte Unternehmensumwelt zu einem erhöhten Kapitalbedarf. Die zur Deckung dieses Bedarfs erforderlichen finanziellen Ressourcen können die betroffenen Unternehmen allerdings nicht aus eigener Kraft aufbringen. Denn deutsche Unternehmen, insbesondere KMU, verfügen traditionell über eine nur geringe Eigenkapitalausstattung.
Ziel dieser Arbeit ist es, die Rolle der Finanzpartner und Investoren in einem Turnaround-Prozess darzustellen und deren Möglichkeiten zu analysieren, […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Kausale Zusammenhänge im Turnaround-Prozess
2.1 Die Krise als Voraussetzung eines Turnaround-Prozesses
2.1.1 Definition und Begriffsabgrenzung der Unternehmenskrise
2.1.2 Der Krisenprozess
2.1.3 Krisensymptome
2.1.4 Krisenursachen
2.2 Der Turnaround-Prozess als Krisenbewältigung
2.2.1 Definition und Begriffsabgrenzung des Turnaround
2.2.2 Die Phasen des Turnaround-Prozesses
2.2.3 Die Turnaround-Arten
2.3 Die wesentlichen Anspruchsgruppen im Turnaround-Prozess
2.4 Finanztheoretische Betrachtung von Beziehungen im Turnaround-Prozess
2.4.1 Die Agency Theorie
2.4.2 Implikationen aus der Agency Theorie für den Turnaround
2.5 Herausforderungen im Turnaround-Prozess und daraus abgeleitete
Erfolgsfaktoren

3 Kreditinstitute und Beteiligungsgesellschaften als wesentliche Finanzpartner eines Turnaround
3.1 Die Rolle von Kreditinstituten
3.1.1 Strukturveränderungen der Kreditwirtschaft in Deutschland
3.1.2 Besonderheiten und Risiken von Krediten im Turnaround-Prozess
3.1.2.1 Finanzwirtschaftliche Risiken
3.1.2.2 Informationsasymmetrien im Kreditvergabeprozess
3.1.2.3 Haftungsrechtliche Risiken
3.1.2.4 Abschließende Bemerkungen zu Besonderheiten und Risiken
3.1.3 Die Handlungsalternativen der Kreditinstitute im Turnaround-Prozess
3.1.4 Die Verhaltensmotive von Kreditinstituten im Turnaround-Prozess
3.1.4.1 Die Motive der Bank für eine Unterstützung
3.1.4.2 Die Motive der Banken für einen Konfrontationskurs
3.1.5 Finanzinstrumente von Kreditinstituten im Turnaround-Prozess
3.1.6 Kritische Würdigung
3.2 Die Rolle von Beteiligungsgesellschaften
3.2.1 Die Bedeutung von Turnaround-Investitionen auf dem deutschen Beteiligungsmarkt
3.2.2 Besonderheiten von Turnaround-Investitionen sowie Motive der Beteiligungsgesellschaften am Beispiel der USA
3.2.3 Die Strategien der Beteiligungsgesellschaften
3.2.4 Der Selektionsprozess von Beteiligungen
3.2.5 Finanzierungsinstrumente von Beteiligungsgesellschaften im
Turnaround-Prozess
3.2.6 Kritische Würdigung

4 Lösungsansätze

5 Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Kausale Zusammenhänge bei der Entstehung von Unternehmenskrisen

Abbildung 2: Phasen eines Turnaround-Prozesses

Abbildung 3: Instrumente zur Optimierung der Vermögens- und Kapitalstruktur.

Abbildung 4: Turnaround-Arten im Krisenverlauf

Abbildung 5: Der Selektionsprozess von Beteiligungen

Abbildung 6: Funktionsweise eines datenbankbasierten Informationssystems

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Typische Krisensymptome

Tabelle 2: Häufige Ursachen von Unternehmenskrisen

Tabelle 3: Überblick über die Anspruchsgruppen und deren Interessen

Tabelle 4: Überblick zu den Formen asymmetrischer Informationsverteilung

Tabelle 5: Bewertung der finanziellen Maßnahmen von Kreditinstituten

Tabelle 6: Auswahlkriterien von Turnaround-Investoren

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

„… ca. ein Viertel aller Unternehmen[muss] innerhalb von zehn Jahren eine existenzgefährdende Unternehmenskrise bewältigen ... [1]

Unternehmenskrisen sind ein Thema von herausragender Bedeutung. Zum einen wird dies deutlich an der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Situation in Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten, die auch derzeit unter anderem durch eine Vielzahl von Unternehmens­insolvenzen gekennzeichnet ist.[2] Von diesen Entwicklungen waren neben zahlreichen ehemals erfolgreichen Großunternehmen, wie z.B. Kirch Media und Phillip Holzmann, ebenso kleine und mittlere Unternehmen (KMU) betroffen. Zum anderen kann vor dem Hintergrund einer anhaltenden Globalisierung sowie technologischer Veränderungen und einem daraus resultierenden, wachsenden Anpassungs­druck für Unternehmen davon ausgegangen werden, dass die Anzahl wirtschaftlicher Krisen auch in Zukunft konstant hoch bleibt bzw. tendenziell noch steigen wird.

Den Ausgangspunkt von Unternehmenskrisen bilden veränderte Umweltbedingungen, auf die Unternehmen reagieren müssen. Dazu zählen Veränderungen der politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen sowie das Verhalten externer Anspruchsgruppen, wie beispielsweise Wettbewerber und Kapitalgeber, und die damit verbundenen Beziehungen. Anpassungsschwierigkeiten eines Unternehmens an eine veränderte Umwelt können Unternehmenskrisen hervorrufen und bei unzureichender Reaktion bis hin zur Insolvenz führen. In engem kausalem Zusammenhang mit Unternehmenskrisen steht der Begriff des Turnaround (TA), welcher als Prozess der Krisenbewältigung zu verstehen ist.[3] Der aus dem Englischen stammende Begriff Turnaround bedeutet übersetzt „Trendwende, Kehrtwendung, Richtungsänderung, Umschwung“. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht geht es im Rahmen eines Turnaround um eine drastische, positive Kursänderung des Unternehmens. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht die dargestellten Zusammenhänge (siehe Abbildung 1, Seite 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Kausale Zusammenhänge bei der Entstehung von Unternehmenskrisen

Krisenunternehmen sehen sich während eines Turnaround-Prozesses einer Reihe von großen Herausforderungen gegenüber. Mitunter führen die notwendigen Anpassungen an die veränderte Unternehmensumwelt zu einem erhöhten Kapitalbedarf. Die zur Deckung dieses Bedarfs erforderlichen finanziellen Ressourcen können die betroffenen Unternehmen allerdings nicht aus eigener Kraft aufbringen. Denn deutsche Unternehmen, insbesondere KMU, verfügen traditionell über eine nur geringe Eigenkapitalausstattung.[4]

Ziel dieser Arbeit ist es, die Rolle der Finanzpartner und Investoren in einem Turnaround-Prozess darzustellen und deren Möglichkeiten zu analysieren, diesen günstig zu beeinflussen. Dabei beziehen sich die Ausführungen grundsätzlich sowohl auf Großunternehmen als auch auf KMU in Deutschland, sofern nicht anders erwähnt. Auf Seiten der Finanzpartner und Investoren stellen Kreditinstitute[5] und Beteiligungsgesellschaften den Schwerpunkt der Betrachtungen dar. Zum einen bestehen aufgrund des traditionell bankbasierten Finanzsystems in Deutschland eine besonders ausgeprägte Abhängigkeit deutscher Unternehmen von der Bank- bzw. Kreditfinanzierung[6], zum anderen werden auf Unternehmenskrisen spezialisierte Beteiligungs­gesellschaften aufgrund ihrer Kapitalkraft und ihrer umfangreichen Fachkenntnis als optimale Finanzpartner in einem Turnaround angesehen.[7]

Im zweiten Kapitel werden zunächst die kausalen Zusammenhänge in einem Turnaround-Prozess beschrieben. Die Abbildung (Abb. 1, S. 2) macht deutlich, dass Unternehmenskrisen einem Turnaround zeitlich vorausgehen. Deshalb wird zuerst erläutert, was unter einer Unternehmenskrise zu verstehen ist, wie diese ablaufen kann, woran sie zu erkennen ist und welche Faktoren zu ihrer Entstehung führen. Danach wird der Terminus Turnaround unter Abgrenzung synonym gebrauchter Begriffe definiert sowie der Prozess und Arten eines Turnaround vorgestellt. Es wird ein Einblick in die Interessen und die Bedeutung einzelner Anspruchsgruppen sowie deren Beziehungen zu Krisenunternehmen im Turnaround gegeben und im Anschluss unter finanztheoretischen Aspekten beleuchtet, welche hauptsächlichen Problemfelder diese Beziehungen im Turnaround belasten. Schließlich werden die für einen Turnaround-Prozess wesentlichen Herausforderungen zusammengefasst und daraus Erfolgsfaktoren abgeleitet, die zugleich der Beurteilung der Rolle von Banken und Beteiligungsgesellschaften dienen.

Im anschließenden dritten Kapitel wird die Rolle von Kreditinstituten und Beteiligungsgesellschaften dargestellt sowie anhand der in Kapitel zwei gewonnenen Erkenntnisse untersucht, in welchem Maße diese zum Erfolg eines Turnaround beitragen können. Zur Beurteilung dieser Fragestellung wird zunächst ein Einblick in die Marktsituation von Kreditinstituten und Beteiligungsgesellschaften gegeben, um daraufhin Besonderheiten bzw. Herausforderungen bezüglich ihres Handelns im Turnaround-Prozess zu identifizieren. Daraus wird abgleitet, wie diese beiden Gruppen einer Unterstützung von Krisenunternehmen grundsätzlich gegenüberstehen und ob bzw. welche Verhaltensalternativen für sie im Rahmen dessen bestehen. In diesem Zusammenhang werden daraufhin ihre jeweiligen Handlungsmotive begründet. Darauf folgend werden die jeweils verschiedenen Möglichkeiten der Unterstützung aufgezeigt und bewertet. Das Instrument der Kreditfinanzierung von Bankenseite sowie die Bereitstellung von Eigenkapital von Seiten der Beteiligungsgesellschaften finden dabei besondere Berücksichtigung, da dies der jeweiligen Kernkompetenz der beiden Kapitalgeber entspricht. Anschließend werden die Herausforderungen, die sich für Banken und Beteiligungsgesellschaften bei einer Unterstützung von Turnaround-Unternehmen ergeben, jeweils kritisch gewürdigt sowie mögliche Lösungsansätze aufgezeigt.

Im abschließenden fünften Kapitel werden die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst und ein kurzer Ausblick auf weitere Entwicklungen gegeben.

2 Kausale Zusammenhänge im Turnaround-Prozess

2.1 Die Krise als Voraussetzung eines Turnaround-Prozesses

2.1.1 Definition und Begriffsabgrenzung der Unternehmenskrise

In der Betriebswirtschaftslehre existiert bisher keine einheitliche Definition des Begriffs der Unternehmenskrise. Der Begriff der Krise an sich hat seinen Ursprung im altgriechischen „Krisis“ und bedeutet „Entscheidung“. Umgangssprachlich beschreibt der Begriff „eine Situation, die Handlungsbedarf hervorruft bzw. notwendig macht“[8]. Eine besonders umfassende und weit verbreitete Definition der Unternehmenskrise stammt von Krystek:

Unternehmenskrisen sind ungeplante und ungewollte Prozesse von begrenzter Dauer und Beeinflussbarkeit sowie mit ambivalentem Ausgang. Sie sind in der Lage, den Fortbestand der gesamten Unternehmung substanziell und nachhaltig zu gefährden oder sogar unmöglich zu machen. Dies geschieht durch die Beeinträchtigung bestimmter Ziele (dominanter Ziele), deren Gefährdung oder gar Nichterreichung gleichbedeutend ist mit einer nachhaltigen Existenzgefährdung oder Existenzvernichtung der Unternehmung als selbstständig und aktiv am Wirtschaftsprozess teilnehmender Einheit mit ihren bis dahin gültigen Zweck- und Zielsetzungen .“[9]

Unter dominanten Zielen versteht Krystek die ständige Aufrechterhaltung der Zahlungs­fähigkeit, die Erwirtschaftung eines Mindestgewinns sowie den Aufbau und die Sicherung minimaler Erfolgspotenziale. Damit lassen sich Krisen qualitativ von Alltags­situationen wie Störungen, Unfällen oder Konflikten abgrenzen. Ein Maschinenausfall oder eine verspätete Lieferung verursachen zwar ebenfalls ungewollte Prozesse, im Unterschied zu Krisen gefährden diese aber das Unternehmen nicht nachhaltig.[10] Auf Grundlage dieser Definition werden im nachfolgenden Abschnitt die Phasen einer Krise dargestellt.

2.1.2 Der Krisenprozess

Die Definition von Krystek macht deutlich, dass Unternehmenskrisen als Prozesse zu verstehen sind. Diesem Verständnis folgend ist der Ansatz von Müller in der Literatur am weitesten verbreitet. Danach lassen sich Unternehmenskrisen in Abhängigkeit vom Grad der Existenzbedrohung und der Reaktionszeit auf die jeweilige Situation in vier Phasen einteilen:[11]

Strategiekrise à Erfolgskrise à Liquiditätskrise à Insolvenz.

Den Ausgangspunkt des Krisenprozesses bildet die Strategiekrise, die beispielsweise durch eine fehlende bzw. unzureichende strategische Ausrichtung eines Unternehmens hervorgerufen werden kann.[12] Aufgrund fehlender Anzeichen in den Finanzdaten eines Unternehmens ist die Wahr­nehmung von Krisen erschwert und der Handlungsdruck durch externe Anspruchs­gruppen[13] kaum spürbar.

Werden in der Phase der Strategiekrise keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen, schließt sich die Erfolgskrise an, in der das betroffene Unternehmen finanzielle Unternehmens­ziele, wie z.B. Gewinn, Umsatz oder Rentabilität unterschreitet und im schlimmsten Fall bereits operative Verluste erzielt. Die Unternehmensleitung versucht in dieser Phase oftmals die Verluste aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit durch Ausnutzung von Bilanz­wahlrechten, die Auflösung stiller Reserven oder durch außerordentliche Einnahmen zu kompensieren. Diese Maßnahmen dienen nicht zuletzt auch der Verschleierung einer Krise vor Anspruchsgruppen.[14]

Wenn die Erfolgsziele dauerhaft verfehlt werden, mündet die Erfolgskrise in die Liquiditäts­krise. In dieser Phase sind die finanziellen Probleme deutlich ausgeprägt. Neben einem über­mäßigen Anstieg des Verschuldungsgrades besteht häufig das Problem, dass das Eigen­kapital nahezu vollständig aufgebraucht ist. Das primäre Ziel eines Unternehmens in dieser Phase liegt daher in der Abwendung der Zahlungsunfähigkeit bzw. der (drohenden) Über­schuldung. In den seltensten Fällen kann das Unternehmen diese Situation noch aus eigener Kraft bewältigen. Erschwert wird diese Lage zusätzlich durch einen drohenden Vertrauens­verlust auf Seiten der Kreditinstitute, Lieferanten und teilweise auch der eigenen Belegschaft. So wird beispielsweise die ohnehin nahezu erdrückende Zins- und Tilgungslast durch die Forderung der Banken nach zusätzlichen Sicherheiten, externer Beratung und der bonitätsmäßigen Herabstufung des Unternehmens weiter erhöht.[15]

Eine unzureichende Reaktion auf die genannten Phasen von Seiten der Unternehmens­führung hat schließlich die Insolvenz zur Folge. Der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenz­verfahrens darf erst dann erfolgen, wenn die Insolvenzgründe[16] und somit die Antragspflicht eingetreten sind.

Es ist festzustellen, dass Unternehmenskrisen, ohne entsprechende Gegensteuerung, durch Effekte der Selbst­verstärkung zu einem sich beschleunigenden Abwärtstrend führen können.[17] Ebenso steigt mit zunehmendem Krisenausmaß die „Gefahr der Irreparabilität“.[18] Das früh­zeitige Erkennen krisenartiger Symptome ist für den Erfolg der Krisenbewältigung somit von höchster Bedeutung und Gegenstand des nachfolgenden Abschnitts. Darüber hinaus ist die objektive Ein­schätzung des Krisenausmaßes und folglich die richtige Einschätzung der Form der Unternehmenskrise für die Wahl geeigneter Maßnahmen, die auf eine Verbesserung der Unternehmenssituation abzielen (Turnaround-Management), entscheidend.

2.1.3 Krisensymptome

Krisensymptome werden als „Erkennungsmerkmale für das Vorhandensein einer Unternehmens­krise“[19] definiert. Sie weisen häufig schon im Frühstadium auf eine Krise hin, sind aber nicht Ursache für deren Entstehung. In Anlehnung an die einzelnen Phasen des Krisen­prozesses stellt die folgende Tabelle einige typische Krisensymptome, gegliedert nach Krisen­stadien, dar (siehe Tabelle 1):[20]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Typische Krisensymptome

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Böckenförde (1996), S. 22 ff.

Da Krisensymptome nicht immer in gleichem Maße ausgeprägt sind, kann der Verlauf von Unternehmenskrisen sehr unterschiedlich sein. Als Folge können Krisen daher unerkannt bleiben.[21]

2.1.4 Krisenursachen

Im Gegensatz zu den Krisensymptomen sind Krisenursachen Faktoren, die tatsächlich zur Ent­stehung einer Krise führen und von denen es abhängt, welche Maßnahmen im Rahmen eines Tur­naround eingesetzt werden. Eine fundierte Ursachenanalyse ist somit eine bedeutende Voraus­setzung für eine erfolgreiche Krisenbewältigung. Zahlreiche Studien und empirische Er­hebungen zu diesem Thema belegen, dass es eine große Vielfalt an Ursachen gibt, weshalb ein Unter­nehmen in eine Krise geraten kann.[22] Zudem machen sie deutlich, dass Unternehmens­krisen in der Regel aus dem Zusammentreffen einer Vielzahl von Ursachen entstehen und sich als mehrstufige Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zeigen.[23]

Auf Grundlage dieser Untersuchungen unterscheidet die betriebswirtschaftliche Krisenursachenforschung zwischen externen und internen Ursachen. Während interne Ursachen inner­halb des Einfluss- und Verantwortungsbereichs des Unternehmens liegen, entziehen sich externe Ursachen der direkten Einflussnahme durch das betroffene Unternehmen, liegen aber dennoch in dessen Verantwortungsbereich.[24] Die häufigsten Krisenursachen sind nachfolgend überblicksartig aufgeführt (siehe Tabelle 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Häufige Ursachen von Unternehmenskrisen [25]

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Buschmann (2006), S. 17.

Zu den externen Krisenursachen ist zu ergänzen, dass strukturelle Veränderungen neben techno­logischen auch wirtschafts- und sozialpolitische Entwicklungen, wie beispielsweise die Zunahme von Steuerlasten oder währungspolitische Maßnahmen, umfassen. Managementfehler auf Seiten interner Krisenursachen betreffen beispielsweise Entscheidungsfehler im Rahmen einer zu schnellen Expansion, insbesondere in Bezug auf Akquisitionen und große Projekte bzw. Investitionen. Das Fehlen bzw. Vorhandensein eines nur rudimentären Controllings hat zur Folge, dass die der Unternehmensleitung zur Verfügung stehenden Daten eine nur un­zureichende Qualität hinsichtlich Früherkennung und Steuerung aufweisen. Schließlich ist eine unzureichende Eigenkapitalausstattung für ein Unternehmen mit einem Verzicht auf ein Krisen­polster verbunden und führt bei unterkapitalisierten Unternehmen zu einem erhöhten Ver­schuldungs­druck. Zudem stellt sie häufig nur ein Symptom einer tieferen Krisenursache dar und wird erst dann zu einem massiven Problem, wenn andere Krisenfaktoren hinzutreten.[26]

Externe und interne Krisenursachen sind jedoch nicht strikt voneinander zu trennen. Eine Fehleinschätzung der Unternehmensumwelt und ein daraus resultierender wirtschaftlicher Miss­erfolg müsste beispielsweise der Unternehmensführung angelastet werden, da gerade eine solche Einschätzung zu den zentralen Aufgaben des Managements gehört.[27]

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Unternehmenskrisen mit zunehmendem Verlauf neben strategischen Schwierigkeiten insbesondere zu einer Verstärkung finanzieller Defizite führen. So sind Krisenunternehmen, insbesondere solche in Liquiditätskrisen, regelmäßig durch einen stark erhöhten Liquiditäts- und Eigenkapitalbedarf gekennzeichnet. Eine ausbleibende Reaktion auf eine derartige Situation führt unweigerlich zur Insolvenz des betroffenen Unternehmens. Für Unternehmen in wirtschaftlichen Schieflagen ist es somit erforderlich, schnellstmöglich geeignete Konzepte zur Krisenbewältigung zu entwickeln und umzusetzen. Eine erfolgreiche Krisenbewältigung erfordert zunächst das Bewusstsein und die Kenntnis über wesentliche Herausforderungen eines Turnaround sowie bestimmte Methoden im Bereich der Umsetzung. Um einen Überblick über das methodische Vorgehen und hilfreiche Instrumente zu erhalten, wird nachfolgend der Turnaround-Prozess als Krisenbewältigung erläutert. Im Rahmen dessen wird der Begriff des Turnaround unter Abgrenzung synonym gebrauchter Begriffe eingehend definiert sowie Phasen und Arten eines Turnaround beschrieben.

2.2 Der Turnaround-Prozess als Krisenbewältigung

2.2.1 Definition und Begriffsabgrenzung des Turnaround

Im Zusammenhang mit der Bewältigung von Unternehmenskrisen werden in der Betriebs­wirtschaftslehre neben dem Begriff des Turnaround häufig die Begriffe Sanierung und Restrukturierung verwendet. In der Fachliteratur finden sich vielfältige Definitionen und Abgrenzungen dieser Begriffe, die inhaltlich eine sehr ähnliche Bedeutung aufweisen.[28] Uneinigkeit besteht insbesondere bei der Abgrenzung des Krisenstadiums bzw. dem Grad der Existenz­bedrohung eines Unternehmens. Des Weiteren werden die Begriffe in der Praxis aus politischen und psychologischen Erwägungen heraus häufig ohne Rücksichtnahme auf ihre genaue Be­deutung verwendet. Vor allem der negativ behaftete Begriff der Sanierung wird oft­mals vermieden und durch Bezeichnungen wie Turnaround oder Restrukturierung ersetzt.[29]

Der Begriff Sanierung lässt sich vom lateinischen Wort „sanare“ ableiten und bedeutet Heilung. Im betriebswirtschaftlichen Kontext versteht man darunter die Wiederherstellung der dauer­­haften Überlebensfähigkeit kranker bzw. notleidender Unternehmen. In der Literatur besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass der Ausgangspunkt eine akute, existenzbedrohende Unter­nehmens­krise ist, in der die Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit bevorsteht. Nach diesem Verständnis beginnt eine Sanierung demzufolge in einer Liquiditätskrise, da diese u.a. durch das Merkmal der Zahlungsunfähigkeit gekennzeichnet ist. Es werden, je nach Art und Umfang der Aktivitäten während einer Sanierung, zwei unterschiedliche Sanierungsbegriffe unterschieden: Die Definition im engeren Sinne, die ausschließlich finanzwirtschaftliche Maß­nahmen zur Überwindung einer Unternehmenskrise umfasst, und die weite Definition, die zudem leistungswirtschaftliche und strategische Maßnahmen beinhaltet. Zur nachhaltigen Gesundung eines Unternehmens sind ganzheitlich greifende Maßnahmen erforderlich. Dem­entsprechend hat sich in der neueren Literatur das weit gefasste Begriffsverständnis durch­gesetzt.[30]

Ein Turnaround umfasst inhaltlich, wie auch die Sanierung im weiteren Sinne, sämtliche strategischen, finanz- und leistungswirtschaftlichen Maßnahmen zur Krisenbewältigung.[31] Hinsichtlich des Grades der Existenzbedrohung bestehen jedoch unterschiedliche Auf­fassungen. In der deutschsprachigen Literatur überwiegt die Meinung, dass ein Turnaround wie die Sanierung erst mit einer akuten Existenzbedrohung beginnt.[32] Andere, insbesondere angel­sächsische Autoren, gehen nicht zwingend von einer akuten Existenzgefährdung aus, sondern fassen den Turnaround-Begriff weiter. Demzufolge beginnt eine Turnaround-Situation bereits in einem Krisen­stadium, in dem die Ertragslage eines Unternehmens nachhaltig unter ein akzeptiertes Mindest­niveau sinkt. Auch in der Praxis hat sich diese weite Begriffsauslegung durchgesetzt.[33] Im Vergleich zu dem Sanierungsbegriff setzt der Turnaround also in einem früheren Krisenstadium ein. In dieser Arbeit wird ebenfalls die weite Begriffsinterpretation zugrunde gelegt und entsprechend des in Kapitel 2.1.2 dargestellten Krisenverlaufs davon ausgegangen, dass ein Turnaround bereits ab einer strategischen Krise beginnt.

Der Begriff Restrukturierung ist betriebswirtschaftlich gesehen ein Teil der Reorganisations­lehre und umfasst die Anpassung der unternehmerischen Strukturen und Aktivitäten an die sich ständig verändernden Markt- und Umweltbedingungen.[34] Betriebliche Restrukturierungen sind nicht nur einmalig durchzuführen, sondern müssen permanent vollzogen werden, um die Wettbewerbsfähigkeit und damit langfristig die Existenz eines Unternehmens sicherzustellen.[35] Der Restrukturierungsbegriff ist folglich weiter gefasst als der Turnaround und die Sanierung, da er weder das Unterschreiten festgelegter Mindestniveaus noch die Existenz einer Unternehmenskrise voraussetzt.[36]

Die Ausführungen haben gezeigt, dass unter den Begriff Turnaround auch Sanierungsfälle fallen. Restrukturierungen hingegen sind aufgrund ihrer Unabhängigkeit von krisenhaften Situationen in diesem Begriff nicht enthalten und finden in dieser Arbeit daher keine weitere Berücksichtigung. Deutlich ist, dass ein Turnaround als Prozess zu verstehen ist. Ausgehend von diesem Verständnis werden nun die verschiedenen Phasen eines Turnaround-Prozesses dargestellt.

2.2.2 Die Phasen des Turnaround-Prozesses

In der Literatur existieren verschiedene Modelle zum Turnaround-Prozess, die sich insbesondere hinsichtlich der Anzahl und der Abgrenzung der Phasen unterscheiden. Diese Arbeit folgt einem vierstufigen Phasenmodell. Der Vorteil eines solchen Modells liegt in einer logischen Abfolge der im Turnaround-Prozess durchzuführenden Aufgaben und dient somit dem Management als Orientierung.[37] Dabei verlangt die Komplexität der Thematik eine simultane Abfolge der einzelnen Phasen, da diese aufgrund von Überlappungen nur schwer abgrenzbar sind. Der Phasenverlauf ist nachfolgend dargestellt (siehe Abbildung 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Phasen eines Turnaround-Prozesses

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Buschmann (2006), S. 68; Kall (1999), S. 27.

Phase 1: Krisenerkennung

Das Erkennen einer Unternehmenskrise als erste Stufe des Turnaround-Prozesses bildet die Voraussetzung für die Einleitung von Maßnahmen des Turnaround-Managements. Häufig werden Krisensymptome durch das Management jedoch verspätet wahrgenommen oder Krisen falsch eingeschätzt, verschwiegen oder verharmlost.[38] Eine Folge dessen ist in der Regel ein drohender Vertrauensverlust auf Seiten der Stakeholder sowie eine Verschärfung der Krisensituation aufgrund verlorengegangener Reaktionszeit. Der Einsatz geeigneter Analyseinstrumente ermöglicht der Unternehmensleitung diesbezüglich eine frühzeitige Feststellung bzw. Bewertung der Krisensituation. Beispiele hierfür sind das Konzept der schwachen Signale, die SWOT- und Portfolio-Analyse sowie Kennzahlenmodelle.[39]

Phase 2: Krisendiagnose

Nachdem eine Krise erkannt wurde, erfordert der Zeitdruck eine unverzügliche Diagnose der Krisenursachen in Form einer Grobanalyse. Zudem ist es wegen der oftmals knappen finanziellen Ressourcen notwendig, Sofortmaßnahmen noch vor Erstellung des Turnaround-Konzepts einzuleiten.

Die Grobanalyse vermittelt einen ersten Eindruck über die aktuelle Unternehmenssituation bzw. das Krisenausmaß des Unternehmens. Die Ergebnisse der Grobanalyse bilden die Grundlage für die Verhandlungen mit den Gläubigern und anderen Anspruchsgruppen des Unternehmens über kurzfristige Maßnahmen, wie beispielsweise die Ausgabe eines Überbrückungskredits durch Banken. Dabei stehen zwei Aspekte im Vordergrund. Zum einen ist der Zeitraum bis zur Erstellung eines Turnaround-Konzepts zu überbrücken, zum anderen ist das Vertrauen der Stakeholder wiederzuerlangen, da der Erfolg des Turnarounds u.a. von deren Unterstützung abhängt.[40] Das Ziel der Sofortmaßnahmen liegt in der Stabilisierung und kurzfristigen Verbesserung der Liquiditätssituation. Hierbei wird die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit durch kurzfristig wirkende Maßnahmen, wie beispielsweise Investitions- und Einstellungsstopps, gewährleistet.[41]

Phase 3: Erstellung eines Turnaround-Konzepts

Auf Basis der in den ersten beiden Phasen gewonnenen Erkenntnisse und Informationen wird anschließend ein Turnaround-Konzept erarbeitet. Neben der Entwicklung strategischer und operativer Maßnahmen dient es als Entscheidungsgrundlage zur Beurteilung der Sinnigkeit und der verschiedenen Maßnahmen eines Turnaround. Die Entscheidung hängt dabei von zwei Faktoren ab, der Turnaround-Fähigkeit und der Turnaround-Würdigkeit eines Krisen­unternehmens. Stimmen die Beteiligten dem Konzept zu, dient es in der anschließenden Phase der Implementierung als Orientierung.[42]

Die Prüfung der Turnaround-Fähigkeit stellt eine umfassende Analyse der Unternehmenssubstanz dar. Ziel ist es festzustellen, ob das Unternehmen über ausreichende Erfolgs- und Nutzenpotenziale verfügt, um die Krisensituation zu überwinden und langfristig überlebens­fähig zu sein. Deshalb werden neben der Ausgangssituation des Unternehmens und den Krisen­ursachen auch die möglichen Turnaround-Maßnahmen zur Krisenbewältigung analysiert. Hinsichtlich der Ausgangslage steht die Untersuchung und die Bewertung der Stärken und Schwächen sowie der Chancen und Risiken des Unternehmens im Vordergrund. Zudem werden die Finanz-, Ertrags- und strategische Lage sowie das Management und die Unternehmens­umwelt analysiert. Die Turnaround-Maßnahmen werden hinsichtlich ihres zukünftigen Erfolgsbeitrags überprüft und bewertet. Grundsätzlich kann eine Turnaround-Fähig­keit attestiert werden, wenn nach der Umsetzung des Turnaround-Konzepts bestehende Zahlungs­schwierigkeiten nachhaltig und in absehbarer Zeit beseitigt werden können und eine angemessene Rentabilität erreichbar erscheint.[43] Des Weiteren wird anhand einer Bewertung alternativer Szenarien analysiert, welche Variante die ökonomisch überlegene Problemlösung darstellt.

Im Gegensatz zu dem objektivierenden Charakter der Turnaround-Fähigkeit ist im Rahmen der Prüfung der Turnaround-Würdigkeit zu klären, ob von Seiten der Stakeholder überhaupt das Interesse besteht, das Unternehmen weiterzuführen und entsprechende Maß­nahmen zu ergreifen. Die Anspruchsgruppen stehen also vor der Frage, ob sich abhängig von ihren eigenen Interessen und Einschätzungen ein weiteres Engagement unter Berücksichtigung möglicher Risiken lohnt oder ob eine Beendigung der Geschäftsbeziehungen die bessere Alter­native dar­stellt. Die Ausführungen zum Begriff der Turnaround-Würdigkeit machen deutlich, dass eine Krisenbewältigung trotz gegebener Turnaround-Fähigkeit an der Zustimmung und Unter­stützung der Beteiligten scheitern kann. Deshalb ist die Analyse der Interessenkonstellationen von besonderer Bedeutung, damit die Unternehmensführung über mögliche Widerstände bzw. Unterstützungen informiert ist und dementsprechend handeln kann.[44]

Phase 4: Implementierung

Schließlich werden in der Phase der Implementierung zusätzlich zu den Sofortmaßnahmen die im Turnaround-Konzept geplanten Maßnahmen umgesetzt. Beispielsweise schlagen Robins / Pearce in ihrem Modell ein zweistufiges Vorgehen zur Erreichung eines Turnaround-Erfolgs vor:[45] Die Retrenchment-Phase zur Existenzsicherung und die Recovery-Phase zur strategischen Wiederherstellung von Erfolgspotenzialen.

Die Retrenchment-Phase zielt unterstützend zu den Sofortmaßnahmen auf die Wiederherstellung der Liquidität und Profitabilität ab.[46] Im Rahmen dessen stehen verschiedene Instrumente zur Optimierung der Vermögens- sowie der Kapitalstruktur zur Verfügung, die nachfolgend überblicksartig dargestellt sind (siehe Abbildung 3, S. 15). Eine Erläuterung der wesentlichen Instrumente erfolgt in Kapitel drei dieser Arbeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Instrumente zur Optimierung der Vermögens- und Kapitalstruktur.

Quelle: Entnommen aus Brühl / Lerche (2004), S. 191.

Auf Basis der durch die Retrenchment-Phase geschaffenen Stabilisierung des Unternehmens zielt die Recovery-Phase darauf ab, einen Turnaround nachhaltig zu sichern. Dabei steht in Abhängig­keit von der Krisenursache die Verbesserung der Effizienz oder die strategische Neu­ausrichtung im Vordergrund. Zu den Maßnahmen der Effizienzsteigerung zählen u.a. die Optimierung der internen Geschäftsprozesse sowie organisatorische Umgestaltungen. Maß­nahmen der strategischen Neuausrichtung umfassen beispielsweise eine Optimierung des Geschäfts­portfolios, eine Konzentration auf Kernkompetenzen sowie die Entwicklung eines neuen Unternehmenskonzepts.[47]

Eine erfolgreiche Krisenbewältigung erfordert eine konsequente Umsetzung des Turnaround-Konzepts. Außerdem sind Unternehmenskrisen mit spezifischen Anforderungen an die Fähigkeiten der Unternehmensführung verbunden. Jedoch haben Unternehmen einerseits oftmals keinerlei bzw. zumindest nur geringe Erfahrung mit Krisen, weshalb dem betroffenen Management das notwendige Wissen für diese spezielle Situation fehlt. Andererseits mangelt es Unternehmen oftmals am erforderlichen Umsatzwillen, beispielsweise wenn die jeweilige Krise nicht erkannt bzw. das Krisenausmaß falsch eingeschätzt wird. Des Weiteren steht die Implementierung eines Turnaround-Konzepts erfahrungsgemäß erheblichen Umsetzungs­barrieren gegenüber. Diese Barrieren lassen sich beispielsweise auf mangelnde Akzeptanz oder Motivation der Mitarbeiter und anderer Beteiligter zurückführen. Der Erfolg eines Turnarounds hängt daher nicht zuletzt in besonderem Maße von der Beseitigung dieser Hemmnisse ab.[48]

Der Abschnitt hat gezeigt, dass es keinen einheitlichen Maßnahmenkatalog gibt, der in jeder Krisen­situation den gewünschten Turnaround erfolgreich herbeiführen kann. Vielmehr ist die Aus­wahl geeigneter Maßnahmen in Abhängigkeit von der jeweiligen Krisensituation bzw. Krisen­ursache vorzunehmen. Aufgrund dessen existiert auch keine standardisierbare Turnaround­-Strategie. Das nachfolgende Kapitel stellt zur Überwindung dieser Problematik verschiedene Arten von Turnarounds dar.

2.2.3 Die Turnaround-Arten

In der Literatur findet sich eine Vielzahl von Ansätzen, die in Abhängigkeit von bestimmten Parametern, wie beispielsweise der Krisenursache, unterschiedliche Typisierungen von Turnarounds hervorgebracht haben.[49] Ein gängiger Ansatz ist derjenige von Pinkwart / Kolb/ Heinemann, wonach vier Turnaround-Arten anhand der Krisenphase[50] sowie der noch zur Verfügung stehenden Reaktionszeit unterschieden werden (siehe Abbildung 4).[51]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Turnaround-Arten im Krisenverlauf

Quelle: Pinkwart / Kolb / Heinemann (2005), S. 55.

Strategischer Turnaround

Das Ziel eines strategischen Turnarounds liegt darin, die im Rahmen einer strategischen Krise gefährdete zukünftige Wettbewerbsposition zu sichern. In diesem Stadium erwirtschaften Unternehmen noch Gewinne und die Stakeholder haben in der Regel keinen Einblick in die Fehl­entwicklung. Daher lassen sich Maßnahmen der strategischen Neuausrichtung zu diesem Zeit­punkt ohne externen Druck durchführen. Zudem ist die zur Verfügung stehende Reaktions­zeit in dieser Phase am größten.[52]

Taktischer Turnaround

Als unmittelbare Folge einer nicht erkannten bzw. nicht bewältigten strategischen Krise werden in der Erfolgskrise vorher festgelegte Unternehmensziele bereits unterschritten. Die Trendwende lässt sich in dieser Phase mit Hilfe des taktischen Turnaround in der Regel ebenfalls noch ohne externen Druck durchführen. Das vorrangige Ziel besteht dabei in der Aus­schöpfung bestehender Erfolgspotenziale und der Stabilisierung der Ertragslage des Unter­nehmens. Hierfür ist es erforderlich, die Schwachstellen innerhalb des betroffenen Unter­nehmens zu untersuchen und entsprechende Maßnahmen wie beispielsweise Organisations- und Prozessanpassungen oder das Einführen eines Kostenmanagements einzuleiten.[53]

Operativer Turnaround

Das Abrutschen eines Unternehmens in eine durch Verschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit gekennzeichnete Liquiditätskrise lässt sich vor den Anspruchsgruppen meistens nicht verbergen. Aufgrund dessen gilt die Zusammenarbeit mit allen Betroffenen als ein wesentlicher Erfolgsfaktor des operativen Turnaround. Der hohe Zeit- und Handlungsdruck erfordert schnell wirksame Maßnahmen im Bereich der Liquiditätssicherung. Mangelndes Interesse einzelner Anspruchsgruppen an der Weiterführung der Geschäftsbeziehungen kann jedoch zu einem Marktaustritt durch Insolvenz führen.[54]

Erzwungener Turnaround

Ist der Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit bzw. der Überschuldung erfüllt, liegt die Insolvenz eines Unternehmens vor. Das jeweilige Unternehmen ist dann gesetzlich dazu verpflichtet, dies beim Amtsgericht anzuzeigen und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Die Aufgabe des gerichtlich bestellten Insolvenzverwalters besteht in der Prüfung der Gründe zur Insolvenzeröffnung und der Fortführungsaussichten des Unternehmens. Bei Bescheinigung einer Fortführungsaussicht können der Insolvenzverwalter, die Unter­nehmens­leitung, die Mitarbeiter, der Betriebsrat und die Gläubiger im Rahmen eines erzwungenen Turnaround versuchen, das Unternehmen vor der endgültigen Insolvenz zu bewahren.[55]

[...]


[1] Vgl. Bibeault (1982); Buschmann (2006), S. 1; dort auch: Chowdhury / Lang (1996). Hambrick / Schecter (1983); Slatter (1984).

[2] Die Anzahl an Unternehmensinsolvenzen in Deutschland lag im Jahr 2006 bei 31.300. Im europäischen Vergleich verzeichnete nur Frankreich (38.369) mehr Insolvenzen. Vgl. Creditreform (2007), S. 2.

[3] Vgl. Kraft (2001), S. 65.

[4] Die Eigenkapitalquote beträgt in Deutschland zwischen 16 bis 20 Prozent des Unternehmenswertes, während sie beispielsweise in den USA bei 50 bis 60 Prozent liegt. Vgl. SZ (2006).

[5] Im Folgenden werden die Begriffe Kreditinstitut und Bank synonym verwendet.

[6] Die Future-Panel-Studie aus dem Jahr 2003 unterstreicht die besondere Stellung der Kreditfinanzierung deutscher Unternehmen im internationalen Vergleich. Vgl. Future-Panel-Studie (2003).

[7] Zur Bedeutung von Beteiligungsgesellschaften im Turnaround-Prozess vgl. Hermanns (2004), S. 432; Kraft (2001), S. 15.

[8] Vgl. Zöller (2006), S. 19.

[9] Vgl. Krystek (1987), S. 6f.

[10] Vgl. Kraft (2001), S. 57.

[11] Die Phasen sind von den dominanten Unternehmenszielen abgeleitet. Vgl. Müller (1986), S. 54 ff.

[12] Zu weiteren Krisenursachen vgl. Abschnitt. 2.1.4 dieser Arbeit.

[13] Im Folgenden werden die Begriffe Anspruchsgruppen und Stakeholder synonym verwendet.

[14] Vgl. Lützenrath / Peppmeier/ Schuppener (2006), S. 5.

[15] Vgl. Pinkwart / Kolb / Heinemann (2005), S. 37 f.

[16] Folgende Insolvenzgründe sind zu unterscheiden: Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung. Vgl. Manzel / Manzel (2003), S. 26 ff.

[17] Vgl. Bretzke (1984), S. 52.

[18] Vgl. Berg / Treffert (1979), S. 461.

[19] Vgl. Böckenförde (1996), S. 22.

[20] Die Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

[21] Vgl. Berger (1987), S. 792.

[22] Vgl. Hauschildt / Grape / Schindler (2006), S. 7 ff.

[23] Dies wird auch als Multikausalität der Krisenursachen bezeichnet. Vgl. Krystek (1987), S. 67 f.

[24] Vgl. Kihm (2006), S. 40 u S. 56.

[25] Buschmann hat die Ergebnisse mehrerer empirischer Untersuchungen zusammengefasst und auf dieser Grundlage die häufigsten Krisenursachen berechnet. Vgl. Buschmann (2006), S. 17.

[26] Vgl. Buschmann (2006), S. 16 ff.

[27] Vgl. Böckenförde (1996), S. 37.

[28] Vgl. Pinkwart / Kolb / Heinemann (2005), S. 57.

[29] Vgl. Kraft (2001), S. 62.

[30] Vgl. Bergauer (2001), S. 7; Kraft (2001), S. 63; Kudla (2005), S. 92 mit weiteren Verweisen.

[31] Vgl. Kudla (2005), S. 92.

[32] Vgl. u.a. Burtscher (1996), S. 63 f.; Coenenberg / Fischer (1993), S. 2.

[33] Vgl. Kraft (2001), S. 64.

[34] Vgl. Kudla (2005), S. 93.

[35] Vgl. Siegwart (1990), S. 320.

[36] Zu der unterschiedlichen Verwendung des Begriffs der Restrukturierung vgl. Böckenförde (1996), S. 13 f.; Burtscher (1996), S. 61; Spielberger (1996), S. 14; Kraus / Gless (1998), S. 101f.

[37] Vgl. Buschmann (2006), S. 67 ff.

[38] Vgl. Bibeault (1982), S. 61; Böckenförde (1996), S. 55.

[39] Zur ausführlichen Darstellung dieser Instrumente vgl. Benkenstein (2002), S.34 ff.

[40] Vgl. Buschmann (2006), S. 69.

[41] Vgl. Böckenförde (1986), S. 56 ff.

[42] Vgl. Buschmann (2006), S. 70.

[43] Vgl. Pinkwart / Kolb / Heinemann (2005), S. 59 f.

[44] Absatz vgl. Böckenförde (1996), S. 63 ff.

[45] Vgl. Robbins / Pearce (1992), S. 291 und S. 624.

[46] Vgl. Buschmann (2006), S. 66.

[47] Vgl. Kraft (2001), S. 68.

[48] Vgl. Böckenförde (1996), S. 93.

[49] Vgl. Kraft (2001), S. 71.

[50] Zu den einzelnen Krisenphasen siehe Abschnitt 2.1.2 dieser Arbeit.

[51] Vgl. Pinkwart / Kolb / Heinemann (2005), S. 55.

[52] Vgl. Pinkwart / Kolb / Heinemann (2005), S. 55.

[53] Vgl. Pinkwart / Kolb / Heinemann (2005), S. 56.

[54] Vgl. Böckenförde (1996), S. 40 ff.

[55] Vgl. Pinkwart / Kolb / Heinemann (2005), S. 56.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836626057
DOI
10.3239/9783836626057
Dateigröße
679 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Potsdam – Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Betriebswirtschaft
Erscheinungsdatum
2009 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
tournaround unternehmenskrise agency theorie beteiligungsgesellschaft kreditwirtschaft
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Titel: Der Turnaround-Prozess
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