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Mindfulness, Akzeptanz und Meta-Emotionen im Zusammenhang mit Wohlbefinden

©2008 Diplomarbeit 123 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Schon seit einigen Jahren lässt sich allgemein ein regelrechter Boom beobachten in Richtung Wellness und Wohlbefinden. Ob es sich nun um Freizeitgestaltung, Marketing, Forschungen aller Art, Therapieansätze oder Lebenshaltung handelt, überall findet der WohlfühlFaktor Einzug. Eng in Verbindung damit stehen oft östliche Traditionen und Weisheitslehren, die man teilweise schon in medizinischen Bereichen beobachten kann. Aber was ist verantwortlich für unser Wohlbefinden, welche Faktoren wirken hier tatsächlich?
Gewöhnlich sind wir in Gedanken verwickelt oder verloren, die uns von der Gegenwart ablenken, oder in Meinungen darüber, was gerade in diesem Moment passiert. Oder aber wir verlieren uns in Gedanken über die Vergangenheit bzw. auch zukünftiger Ereignisse. In jedem Fall ist es ein kontinuierlicher Strom von Gedanken. Es ist, als hauste in unserem Geist ein Wesen, das Tag und Nacht an der Strickleiter unserer Gedanken auf und abklettert.. Dieser Zustand, genannt Unachtsamkeit, kennt jeder von uns. Schwieriger wird es da schon beim Begriff Achtsamkeit im (zen)buddhistischen Sinn. Hier bedarf es genauerer Betrachtung um hinter die wahre Bedeutung von Achtsamkeit zu kommen. Die kurzen Momente der Achtsamkeit, die zwar jeder hat, sind meist so kurz, dass sie nicht ins Bewusstsein gelangen, sondern sofort wieder von Gedanken überlagert werden. Diese Unachtsamkeit führt wiederum zu gewohnheitsmäßigen automatischen Reaktionsmustern, die nicht nur zu mangelndem Wohlbefinden beitragen, sondern unter anderem auch im Rückfallgeschehen von Depressionen eine zentrale Rolle spielen.
In Bezug auf Achtsamkeit (engl. mindfulness) lässt sich in den letzten Jahren sowohl in der Forschung, vor allem in der Emotionsforschung, und in der Anwendung (traditionelle Psychotherapie und neue Konzeptionen, wie beispielsweise MindfulnessBased Stress Reduction (MBSR) nach KabatZinn) als auch in spirituellen und esoterischen Bereichen ein steigendes Interesse feststellen. Und obwohl es umfangreiche empirische Forschungen zur Effektivität dazu gibt, ist die genaue Wirkungsweise von Achtsamkeit (naturwissenschaftlich) bislang nicht eindeutig klar. Ebenso besteht Uneinigkeit bezüglich eventueller Komponenten. In der aktuellen Literatur lassen sich bei unterschiedlichen Autoren mehrere verschiedene Komponenten finden. Jedoch lassen sich in den zahlreichen Ansätzen Gemeinsamkeiten entdecken. Eine davon ist Akzeptanz (engl. acceptance). Diese […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Monika Summer, geb. Resinger
Mindfulness, Akzeptanz und Meta-Emotionen im Zusammenhang mit Wohlbefinden
ISBN: 978-3-8366-2486-2
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009
Zugl. Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Innsbruck, Österreich, Diplomarbeit, 2008
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2009

1
DANKE
Anstatt eines Vorworts möchte ich mich an dieser Stelle bei den
verschiedenen Menschen bedanken, die in der einen oder anderen Weise
dazu beigetragen haben, dass diese Arbeit zustande gekommen ist.
Ich möchte mich bei Herrn Prof. Dr. Gerhard Schüßler dafür bedanken,
dass er die Untersuchung ermöglichte.
Dank gebührt ebenfalls Herrn Dr.
Horst Mitmansgruber für die Zeit, die er sich genommen hat und für die
kompetente Betreuung, die über die reine Erörterung von Fachfragen weit
hinausgegangen ist.
Mein Dank gilt auch den zahlreichen Personen, die sich bereit erklärten,
die Fragebögen auszufüllen. Ohne sie wäre die Untersuchung nicht möglich
gewesen.
Nicht zuletzt möchte ich mich bei meinem Partner, meinen Eltern und
meinen Freunden bedanken, die mich nicht nur in der Zeit des Verfassens
meiner Diplomarbeit sondern auch während meines ganzen Studiums
unterstützten.

2
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung... 8
2 Mindfulness ... 11
2.1 Ursprünge ...11
2.2 Theoretischer Hintergrund und Definitionen ...15
2.2.1 Ansätze über zentrale Prozesse von Mindfulness... 18
2.2.1.1 Intention­Attention­Attitude-Modell (IAA) von Shapiro, Carlson,
Astin und Freedman, (2006)... 18
2.2.1.2 Faktoren von Mindfulness nach Kabat-Zinn (1990, dt.: 2006) ... 20
2.2.1.3 Qualitäten von Mindfulness nach Germer (2004)... 22
2.2.1.4 Drei Faktoren von Mindfulness nach Baer, Smith, Hopkins,
Krietemeyer und Toney, (2006)... 23
3 Acceptance versus Experiential Avoidance ... 25
3.1 Acceptance ...25
3.2 Experiential Avoidance ...27
4 Meta-Emotionen ... 34
4.1 Wohlbefinden und die Zweidimensionalität von Affektivität...36
5 Fragestellung ... 39
5.1 Studie I: Auswirkungen von Mindfulness, Akzeptanz und Meta-
Emotionen auf Wohlbefinden ...39
5.2 Studie II: Überprüfung der Faktorenstruktur der Meta-
Emotions-Skala (MES) in einer unabhängigen Stichprobe ...41
6 Empirischer Teil ... 42

3
6.1 Studie I ­ Skalenentwicklung Meta-Emotions-Skala (MES) und
Prädiktion von Wohlbefinden ...42
6.1.1 Stichprobe... 42
6.1.2 Messinstrumente ... 42
6.1.2.1 Acceptance and Action Questionnaire (AAQ) ... 43
6.1.2.2 Mindfulness Attention Awareness Scale (MAAS) ... 43
6.1.2.3 Emotional Approach Coping Scale (EACS)... 44
6.1.2.4 Meta-Emotions-Skala (MES) ... 44
6.1.2.5 Positive and Negative Affectivity Scale (PANAS) ... 45
6.1.2.6 Scales of Psychological Well-Being (PWB)... 45
6.1.2.7 Satisfaction with Life Scale (SWLS) ... 46
6.1.2.8 Visuelle Analogskala (VAS) ... 46
6.1.3 Beschreibung der Stichprobe ... 47
6.1.3.1 Deskriptive Statistik der abhängigen Variablen ... 48
6.1.3.2 Deskriptive Statistik der unabhängigen Variablen ... 49
6.1.4 Explorative Faktorenanalyse der Meta-Emotions-Skala (MES).. 50
6.1.5 Konstruktvalidität: Konvergente Korrelationen und Divergente
Korrelationen ... 56
6.1.6
Rolle der Experiential Avoidance (AAQ), der Aufmerksamkeit im
Alltag (MAAS), des Umgangs mit den eigenen Gefühlen (EACS)
und der Meta-Emotionen (MES) in Bezug auf das
Wohlbefinden... 60
6.1.7
Korrelationen MES-gesamt ... 64
6.1.8
Korrelationen MES-Affektbilanz ... 68

4
6.2 Studie II: Überprüfung der Faktorenstruktur der Meta-
Emotions-Skala (MES) mit einer zweiten unabhängigen
Stichprobe ...72
6.2.1 Stichprobe ... 72
6.2.2 Messinstrumente ... 72
6.2.2.1
NEO-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI)... 72
6.2.2.2
Allgemeine Depressions-Skala (ADS-L) ... 73
6.2.2.3
Meta-Emotions-Skala (MES) ... 73
6.2.2.4
Meta-Cognitions Questionnaire (MCQ-30) ... 74
6.2.3 Deskriptive Statistik ... 75
6.2.4 Konfirmatorische Faktorenanalyse ... 79
7 Diskussion ... 81
7.1 Kritik und Ausblick ...84
8 Literaturverzeichnis ... 87
9 Anhang ... 97
9.1 Messinstrumente ...97
9.2 Lebenslauf...119

5
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung
Abbildung 1: Zentrale Prozesse von Mindfulness im IAA-Modell von Shapiro et al.
(2006), p. 375 ... 19
Tabellen
Tabelle 1: Soziodemographische Daten der Studie I (n = 334)... 47
Tabelle 2: Deskriptive Statistik der abhängigen Variablen für die gesamte Stichprobe
(Geschlechtervergleich mittels T-Test für unabhängige Stichproben) ... 48
Tabelle 3: Deskriptive Statistik der unabhängigen Variablen für die gesamte Stichprobe
(Geschlechtervergleich mittels T-Test für unabhängige Stichproben) ... 49
Tabelle 4: Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation von den 40 Items aus der
Meta-Emotions-Skala (n=334) ... 50
Tabelle 5: Hauptkomponentenfaktorenanalyse höherer Ordnung mit Varimax-Rotation
... 53
Tabelle 6: Interne Konsistenz (Cronbach's Alpha) für die einzelnen Skalen und die zwei
übergeordneten Faktoren der Meta-Emotions-Skala... 54
Tabelle 7: Deskriptive Statistik der Daten bei den zwei Dimensionen und den einzelnen
Skalen der MES (Geschlechtervergleich mittels T-Test für unabhängige Stichproben) 55
Tabelle 8: Bivariate Korrelationen nach Pearson der Meta-Emotions-Skala mit den
abhängigen Variablen zur Überprüfung der konvergenten bzw. divergenten Validität 57
Tabelle 9: Bivariate Korrelationen nach Pearson der Meta-Emotions-Skala mit den
unabhängigen Variablen zur Überprüfung der konvergenten bzw. divergenten Validität
... 59
Tabelle 10: Multiple Regressionen (Einschluss) mit den Prädiktoren (AAQ, MAAS, EACS
und Dimensionen MES) und den Wohlbefinden-Skalen (VAS, SWLS, PWB) als
abhängige Variablen ... 61
Tabelle 11: Multiple Regressionen (Einschluss) mit den Prädiktoren (AAQ, MAAS, EACS,
MES) und den Wohlbefinden-Skalen (VAS, SWLS, PWB) als abhängige Variablen ... 63
Tabelle 12: Bivariate Korrelationen nach Pearson des Mittelwertes über alle Subskalen
des MES mit den Werten des AAQ, MAAS und EACS... 65

6
Tabelle 13: Bivariate Korrelationen nach Pearson des Summenwertes über alle
Subskalen des MES mit den Werten der VAS, SWLS, PWB und PANAS ... 67
Tabelle 14: Bivariate Korrelationen nach Pearson der Affektbilanz aus den Subskalen
des MES mit den Werten des AAQ, MAAS und EACS... 69
Tabelle 15: Bivariate Korrelationen nach Pearson der Affektbilanz aus den Subskalen
des MES mit den Werten der VAS, SWLS, PWB und PANAS... 70
Tabelle 16: Soziodemographische Daten der Studie II (n = 222)... 75
Tabelle 17: Deskriptive Statistik für die gesamte Stichprobe (Geschlechtervergleich
mittels T-Test für unabhängige Stichproben) ... 76
Tabelle 18: Bivariate Korrelationen nach Pearson der Meta-Emotions-Skala mit dem
Meta-Cognitions Questionnaire, der Allgemeinen Depressions Skala und dem NEO-
Fünf-Faktoren-Inventar... 78

7
,,O ja, ich hatte meine Augenblicke, und wenn ich noch einmal von
vorne anfangen könnte, würde ich dafür sorgen, daß ich noch mehr
davon hätte. Wenn Sie's genau wissen wollen: Ich würde
versuchen, nichts anderes zu haben. Einfach nur Augenblicke,
einen nach dem anderen, anstatt ein Leben lang immer auf die
Zukunft zu warten."
Nadine Stair, 85 Jahre, Louisville/Kentucky
1
1
Quelle: Kabat-Zinn (2006)

8
,,Es befindet sich mehr Weisheit in den
"Dingen wie sie sind" als in allen Worten,
die der Mensch gebrauchen kann."
A
NTOINE DE
S
AINT
-E
XUPÉRY
1 Einführung
Schon seit einigen Jahren lässt sich allgemein ein regelrechter Boom
beobachten in Richtung Wellness und Wohlbefinden. Ob es sich nun um
Freizeitgestaltung, Marketing, Forschungen aller Art, Therapieansätze oder
Lebenshaltung handelt, überall findet der Wohlfühl-Faktor Einzug. Eng in
Verbindung damit stehen oft östliche Traditionen und Weisheitslehren, die
man teilweise schon in medizinischen Bereichen beobachten kann (Walach,
Buchheld, Buttenmüller, Kleinknecht, Grossmann & Schmidt, 2004). Aber
was ist verantwortlich für unser Wohlbefinden, welche Faktoren wirken hier
tatsächlich?
Gewöhnlich sind wir in Gedanken verwickelt oder verloren, die uns von der
Gegenwart ablenken (Michalak & Heidenreich, 2004), oder in Meinungen
darüber, was gerade in diesem Moment passiert. Oder aber wir verlieren
uns in Gedanken über die Vergangenheit bzw. auch zukünftiger Ereignisse.
In jedem Fall ist es ein kontinuierlicher Strom von Gedanken. ,,Es ist, als
hauste in unserem Geist ein Wesen, das Tag und Nacht an der Strickleiter
unserer Gedanken auf- und abklettert." (Kabat-Zinn, 2006, S. 40). Dieser
Zustand, genannt Unachtsamkeit, kennt jeder von uns. Schwieriger wird es
da schon beim Begriff Achtsamkeit im (zen-)buddhistischen Sinn. Hier
bedarf es genauerer Betrachtung um hinter die wahre Bedeutung von
Achtsamkeit zu kommen. Die kurzen Momente der Achtsamkeit, die zwar
jeder hat, sind meist so kurz, dass sie nicht ins Bewusstsein gelangen,
sondern
sofort
wieder
von
Gedanken
überlagert
werden.
Diese

9
Unachtsamkeit führt wiederum zu gewohnheitsmäßigen automatischen
Reaktionsmustern, die nicht nur zu mangelndem Wohlbefinden beitragen,
sondern unter anderem auch im Rückfallgeschehen von Depressionen eine
zentrale Rolle spielen (Michalak & Heidenreich, 2004).
In Bezug auf Achtsamkeit (engl. mindfulness) lässt sich in den letzten
Jahren sowohl in der Forschung, vor allem in der Emotionsforschung, und
in der Anwendung (traditionelle Psychotherapie und neue Konzeptionen,
wie beispielsweise Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR) nach
Kabat-Zinn) als auch in spirituellen und esoterischen Bereichen ein
steigendes Interesse feststellen. Und obwohl es umfangreiche empirische
Forschungen zur Effektivität dazu gibt, ist die genaue Wirkungsweise von
Achtsamkeit (naturwissenschaftlich) bislang nicht eindeutig klar.
Ebenso besteht Uneinigkeit bezüglich eventueller Komponenten. In der
aktuellen Literatur lassen sich bei unterschiedlichen Autoren mehrere
verschiedene Komponenten finden. Jedoch lassen sich in den zahlreichen
Ansätzen Gemeinsamkeiten entdecken. Eine davon ist Akzeptanz (engl.
acceptance). Diese urteilsfreie Haltung scheint als eine der grundlegenden
Mechanismen enorme Bedeutung zu haben. Akzeptanz lässt sich aus
mehreren Blickwinkeln betrachten bzw. untersuchen. Neben dem direkten
Zugang bietet sich auch das Gegenteil von Akzeptanz an, nämlich jegliche
Art von Unterdrückung. Diese Arbeit beleuchtet diesbezüglich vor allem
Vermeidung, explizit Experiential Avoidance im Sinne Hayes (2004). (Für
eine genauere Erläuterung siehe Kapitel 3.2). Aber auch eine Be- oder
Verurteilung kann schon Ausdruck von Nicht-Akzeptanz sein. Eine
Darstellung theoretischer Überlegungen dazu findet sich, nach einer
Einführung in die Ursprünge von Mindfulness, in den Kapiteln 2 und 3.
Dass Menschen bestimmte Emotionen und/oder Situationen meiden bzw.
nicht akzeptieren, ist hinlänglich bekannt. Es steht jedoch nicht fest, wie
und warum sie dies tun. Eine Möglichkeit um zu vermeiden ist es, ein
anderes Gefühl über die eigenen Gefühle zu stülpen. So kann

10
beispielsweise ,,Ärger" ein Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit überdecken.
Diese zweite Emotion (im Beispiel: Ärger) wird als Meta-Emotion
bezeichnet und soll dazu dienen, die darunter liegende Emotion (im
Beispiel: Gefühl der Unzulänglichkeit) nicht spüren zu müssen. Ausgehend
vom "Self-Regulatory Executive Function Modell" (S-REF) von Wells und
Matthews (1994) und den darin eine zentrale Rolle spielenden Meta-
Kognitionen, wie in Kapitel 4 beschrieben, wurde eine neue Skala, die
Meta-Emotions-Skala (MES), entwickelt, die genaueren Aufschluss darüber
geben soll. Im Anschluss an die Fragestellung im Kapitel 5 wird im Kapitel
6, nach einer Einführung in die Stichprobe der Studie I und den
verwendeten Messinstrumenten, anschließend die Entwicklung der Meta-
Emotions-Skala dargestellt. In weiterer Folge dieses Kapitels wird
versucht, valide Prädiktoren für Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit
sowie Lebensqualität zu finden.
Die zur Überprüfung der, in der Studie I ermittelten Faktorenstruktur der
Meta-Emotions-Skala, erhobenen Stichprobe (Studie II) wird samt
verwendeter Messinstrumente unter 6.2 dargestellt. Da die MES neu
entwickelt
wurde,
erfolgte
anschließend
eine
Konfirmatorische
Faktorenanalyse (6.2.4), die zur Überprüfung der in Studie I ermittelten
Faktorenstruktur dient.
Den Abschluss bildet die Diskussion einschließlich der Kritik im Kapitel 7,
wo nochmals zusammenfassend auf die wichtigsten Ergebnisse der beiden
Studien eingegangen wird.

11
2 Mindfulness
,,Sind wir wütend, sind wir die Wut. Lieben
wir, sind wir die Liebe. Betrachten wir
einen schnee-bedeckten Gipfel, sind wir
der Berg."
T
HICH
N
HAT
H
ANH
2.1 Ursprünge
Mindfulness ist eine bestimmte Art der Aufmerksamkeitslenkung. Sie hat
ihren Ursprung in den östlichen Traditionen der Meditationspraxis (z.B.
Shapiro, Carlson, Astin & Freedman, 2006; Brown & Ryan, 2003;
Heidenreich & Michalak, 2003, Heidenreich & Michalak, 2006). Genauer
gesagt stammt das Konzept der Achtsamkeit (engl. Mindfulness)
ursprünglich
aus
den
östlichen
Traditionen
des
indio-tibetischen
Buddhismus (Ekman, Davidson, Ricard und Wallace, 2005). Dort wird sie
seit 2500 Jahren tradiert. Aber auch in anderen spirituellen Lehren und
Traditionen spielt Achtsamkeit eine zentrale Rolle. So beispielsweise in den
Yoga-Sutren des Patanjali und auch in den Kontemplationstechniken des
Christentums (Buchheld & Walach, 2004).
In erster Linie wird Mindfulness jedoch den spirituellen Praktiken im
Buddhismus zugeschrieben. Die Praxis der Achtsamkeit ist im Buddhismus
der direkte oder eine Weg zur Überwindung bzw. Befreiung von
Traurigkeit, Schmerz, Angst und Leid (Gruber, 2005a). Um dies zu
erreichen sollen die vier Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit geübt
werden. Diese betreffen das Körperliche, die Empfindungen oder
Gefühlsreaktionen, die Geistesqualitäten und die natürlichen Wahrheiten
(für eine detailliertere Ausführung dieses buddhistischen Gedankenguts
siehe beispielsweise: Gruber, 2005a; Maezumi, 2002; Hanh, 1998). Die

12
Ausübung der Achtsamkeitspraxis sollte in völliger Gleichmut, also ohne
Bewertungen oder Verurteilungen erfolgen. Dies schließt automatische
Reaktionen, welche ja auf Beurteilung beruhen, mit ein. Obwohl der Impuls
zu einer bestimmten Reaktion wahrgenommen wird, soll er nicht
ausgeführt werden. ,,Es kommt also darauf an, nicht mehr in gewohnter
Weise auf die Empfindungen zu reagieren." (Gruber, 2005b, S. 6). Wenn
eine Wahrnehmung weder als gut oder schlecht, wünschenswert oder nicht
wünschenswert beurteilt wird, erfordert es auch keine Reaktion darauf. Sie
kann bei dieser wertfreien Haltung einfach so akzeptiert werden, wie sie
ist.
Diese Haltung und die daraus resultierende Akzeptanz stellen wesentliche
Mechanismen für die Wirkungsweise von Mindfulness dar, wie weiter unten
genauer beschrieben. Nebeneffekte diesbezüglicher Übungen sind, dass die
Übenden zu mehr Entspannung gelangen, Umstände klarer und neutraler
sehen und folglich zu einer Entlastung von vorher als stressreich und
belastend empfundenen Umständen und Erfahrungen gelangen. Dies wirkt
sich
dann
wiederum
unmittelbar
positiv
auf
Wohlbefinden
und
Lebenszufriedenheit aus.
Da die zugrunde liegende Haltung, wie gesagt, aus der buddhistischen
Tradition stammt, sollte auch ihr oberster Zweck nicht außer aller Acht
gelassen werden. Nämlich die Absicht Erleuchtung und Mitgefühl für alle
Wesen zu erlangen. In buddhistischer Klarheit beschreibt Würtenberger
(2007): ,,Erleuchtung ist nichts weiter, als das vollkommene Gegenwärtig-
Sein innerhalb dieses Augenblickes!" (S. 229). Er meint damit praktizierte
Achtsamkeit - nicht nur für einige Sekunden, sondern dauerhaft achtsam
zu sein. Mitgefühl bezieht sich nicht ,,nur" auf Mitgefühl für andere sondern
auch, und in erster Linie, Mitgefühl für sich selbst (z.B. Buchheld &
Walach, 2004), da im Zen-Buddhismus keine wirkliche Trennung zwischen
sich selbst und anderen besteht (Maezumi, 2002). Wenn auch eine genaue
Ausführung dieser Denkweise den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde,
soll an dieser Stelle noch der Achtsamkeitslehrer Thich Nhat Hanh (1998)

13
zitiert werden: ,,Die Vorstellung von Verstehen und Mitgefühl hat nichts zu
tun mit wirklichem Verstehen und wirklichem Mitgefühl. Verstehen und
Mitgefühl müssen zu einer Wirklichkeit in unserem Leben werden - man
muß sie sehen und fühlen können." (S. 16). Die Vorstellung darüber spielt
sich lediglich im Verstand/im Denken ab. Dabei fehlt etwas Wesentiches.
Es ist so logisch wie es klingt: ohne die Gefühlskomponente kann Mitgefühl
nicht stattfinden.
Wahres Mitgefühl schließt jede Verurteilung aus. Wie bereits angeschnitten
und unten noch genauer beschrieben, ist die urteilsfreie Wahrnehmung ein
äußerst wichtiger Bestandteil von Mindfulness. Neff (2004) verweist auf
Mitgefühl
als
sehr
bedeutsamen Aspekt
im
Zusammenhang
mit
Achtsamkeit und psychologischem Wohlbefinden. Einerseits hilft es dabei
Achtsamkeit zu erlangen und wird auch in einer Wechselwirkung durch die
Ausübung von Mindfulness erzeugt. Andererseits deuten empirische
Untersuchungen darauf hin, dass Mitgefühl einen starken Zusammenhang
mit mentaler Gesundheit und gesundem psychischen Funktionierens
aufweist. Mitgefühl ist sowohl mit Problem-fokussierten als auch mit
Emotions-fokussierten adaptiven Bewältigungsstrategien positiv korreliert,
was durch die mit Mitgefühl einhergehende größere emotionale Klarheit
möglicherweise
erklärt
wird.
Hingegen
finden
sich
negative
Zusammenhänge mit maladaptiven Coping-Strategien wie beispielsweise
Verdrängung (Neff, 2004).
Wie bereits erwähnt, finden diese buddhistischen Gedankengänge seit
einigen Jahren verstärkt Eingang in Psychologie und Psychotherapie, sowie
in den Forschungen diesbezüglich. So lässt sich zum Beispiel die Tatsache,
dass es in den traditionellen Sprachen des Buddhismus, wie Pali oder
Sanskrit, kein Wort für ,,Emotion" (als solche) gibt, sehr gut mit
neurobiologischen Untersuchungen abstimmen (vergleiche dazu auch
Greenberg, 2005), was bedeuten würde, dass emotionale Vorgänge nicht
getrennt von gedanklichen betrachtet bzw. valide untersucht werden
können. Obwohl die moderne psychologische Forschungstradition Emotion

14
als eigenen mentalen Prozess, der separat untersucht werden kann,
betrachtet, entdeckten unter anderem Davidson und Irwin (1999) bei
Untersuchungen zur Anatomie des Gehirns, dass jede Gehirnregion, welche
mit Emotion in Verbindung steht, auch mit Kognitionen identifiziert werden
kann (Ekman, Davidson, Ricard & Wallace, 2005). ,,The circuitry that
supports affect and the circuitry that supports cognition are completely
intertwined..." (Ekman et al., 2005, p. 59). Dies bestätigt die buddhistische
Prämisse, dass diese Prozesse nicht getrennt voneinander betrachtet
werden können und untermauert auch das Postulat Greenbergs (2005),
dass eine optimale Adaption sowohl die Integration von Gedanken als auch
von Gefühlen beinhaltet.
Ein anderer Schluss darauf wäre die direkte Auswirkung bzw. die enge
Verknüpfung zwischen den Gedankengängen, vor allem bei Bewertungen,
und den darauf folgenden Emotionen. Demnach würde jedwede Bewertung,
ob positiv oder negativ, schlussendlich in Leid resultieren. Bei negativen
Bewertungen nahe liegend, bei positiven Bewertungen dahingehend, dass
eine gewisse Abhängigkeit von dem als positiv bewerteten Umstand oder
Zustand erzeugt würde, was bei dessen Wegfallen wiederum zu Leid in
irgendeiner
Form
führen
würde.
Es
geht
hier
um
Anhaftungen (z.B. an bestimmte Umstände, Gefühle, Situationen) und
nicht darum, sich positiven Situationen, Gefühlen usw. zu verwehren. ,,Wir
wissen, dass Glück nie von Dauer ist. Je mehr Glück wir haben, umso mehr
Schmerz empfinden wir, sobald das Glück uns verlässt." (Maezumi, 2002,
S. 91). Dieses Zitat will nicht ausdrücken, dass wir es vermeiden sollten
Glück (oder andere angenehme Zustände) zu empfinden, sondern dass wir
Schmerz erfahren, wenn wir (hier:) das Glück nicht ,,ziehen lassen" und die
neue Erfahrung des gegenwärtigen Moments erleben (vgl. 2.2.1.2). Die
Bewertung
kommt
hier
deshalb
zum
Tragen,
da
sie
Anhaftungen/Abhängigkeiten fördert. Als positiv Bewertetes will man
gewöhnlich erhalten und nicht mehr loslassen. So werden Abhängigkeiten,
beispielsweise von Stimmungslagen zu bestimmen Umständen, erzeugt.
Über Abhängigkeiten verschiedenster Art gibt es zahlreiche empirische

15
Studien und es dürfte klar sein und keiner näheren Erläuterung mehr
benötigen, dass jede Art von Abhängigkeit früher oder später immer zu
Schmerz und Leid führt (vgl. Kap. 3.1; Kabat-Zinn, 2005).
2.2 Theoretischer Hintergrund und Definitionen
,,Das Vermögen, eine wandernde Aufmerksam-
keit willentlich zurückzubringen, wieder und
immer wieder, ist die eigentliche Wurzel von
Urteilskraft, Charakter und Wille.
Niemand ist bei klarem Verstand, der dieses
Vermögen nicht besitzt. Eine Erziehung, die dieses
Vermögen ausbildet, wäre die Erziehung par
excellence.
Doch es ist leichter, dieses Ideal zu definieren, als
praktische Anleitung zu seiner Verwirklichung zu
geben."
W
ILLIAM
J
AMES
Das Konstrukt der Achtsamkeit gilt auch als ein Grundelement einiger,
überwiegend aus den USA, jedoch auch aus anderen Ländern wie
beispielsweise
England,
stammenden
bedeutsamen
therapeutischen
Neukonzeptionen (Sonnenmoser, 2005). Mindfulness wird unter anderem
als ein Set von Fähigkeiten bezeichnet, ist jedoch vielmehr als eine
bestimmte Haltung anzusehen. Diese kann erlernt werden und deren
Ausführung und Übung kann eingesetzt werden zur Reduktion von
psychologischen Symptomen und zur Verbesserung von Gesundheit und
Wohlbefinden (Baer, Smith, Hopkins, Krietemeyer und Toney, 2006). Es
wird meist in Verbindung gebracht mit formalen Übungen von
Achtsamkeits-Meditationen
und
hat
aufgrund
der
schulen-
und
störungsübergreifenden
Einsetzbarkeit
Einzug
in
verschiedene

16
Psychotherapieschulen gefunden (z.B. Baer, 2003; Heidenreich & Michalak,
2004).
Drei wesentliche Elemente, die sich in den meisten Diskussionen zu
Mindfulness sowohl in Psychotherapie als auch in buddhistischer Literatur
übereinstimmend finden lassen sind: (1) sich bewusst sein (2) über die
gegenwärtige Erfahrung (3) mit Akzeptanz (Kabat-Zinn, 1990, 2006;
Germer, 2004).
Anwendung
finden
die
Mindfulness-Praktiken
beispielsweise
bei
Schmerzpatienten, Schuppenflechte, Depressionen, Angststörungen oder
Suchterkrankungen. Jedoch haben selbst im Buddhismus unterschiedliche
Auffassungen über das Konzept zur Bildung immer neuer Strömungen
geführt (Berking & Znoj, 2006). So wird auch in den westlichen Schulen, je
nach Autor, der Begriff der Achtsamkeit unterschiedlich definiert. ,,More
troublesome, mindfulness is treated sometimes as a technique, sometimes
as a more general method or collection of technique, sometimes as a
psychological process that can produce outcomes, and sometimes as an
outcome in and of itself." (Hayes & Kelly, 2003, p. 161). Um dennoch
etwas Klarheit in die Begriffsbestimmung zu bringen, möchte ich
nachstehend folgende Definitionen zitieren:
,,... mindfulness is the nonjudgmental observation of the
ongoing stream of internal and external stimuli as they
arise." (Baer, 2003, p. 125)
"... das Bewusstsein, das entsteht, indem man der sich
entfaltenden Erfahrung von einem Moment zum anderen
bewusst seine Aufmerksamkeit widmet, und zwar im
gegenwärtigen Augenblick und ohne dabei ein Urteil zu
fällen." (Kabat-Zinn, 2003, S. 107)

17
,,It is most commonly defined as the state of being
attentive to and aware of what is taking place in the
present." (Brown & Ryan, 2003, p. 822)
,,... Achtsamkeit [ist] durch ein gelassenes, nicht-
wertendes
und
kontinuierliches
Gewahrsein
wahrnehmbarer geistiger Zustände und Prozesse von
Augenblick zu Augenblick gekennzeichnet. Dies bedeutet
ein anhaltendes, unmittelbares Gewahrsein körperlicher
Empfindungen,
Wahrnehmungen,
Affektzustände,
Gedanken und Vorstellungen." (Grossman, 2004, S. 73)
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Mindfulness für eine Haltung
steht, die durch bewusste Wahrnehmung des aktuellen Augenblicks, ohne
diesen zu bewerten, gekennzeichnet ist. ,,Es geht um das Gewahrwerden
des eigenen Da-Seins im gegenwärtigen Moment." (Altner, 2004, S. 594)
Umgesetzt wird dies, indem die Achtsamkeit auf den Körper als Ganzes
ausgedehnt und ein stetiges ,,in Kontakt sein mit dem Körper"
(Heidenreich, Michalak & Junghanns-Royack, 2006) aufrechterhalten wird.
Das gegenwärtige körperlich spürbare Erleben wird auch als ,,experiencing"
bezeichnet (Bundschuh-Müller, 2004). Das Ziel der Praktizierenden ist es,
diese Achtsamkeit möglichst in allen Lebenssituationen aufrecht zu
erhalten. Wesentlich dabei ist immer, dass die Wahrnehmung ohne jegliche
Bewertung erfolgt (Michal, 2004). Gelingt dieses, so stellt sich ein
Gleichgewicht bzw. sinnvolles Zusammenspiel zwischen Verstand und
Gefühl ein, was schlussendlich als das übergeordnete Ziel aller
Achtsamkeitsübungen dargestellt wird. (Lammers & Stiglmayr, 2004).
Entsprechend dazu fanden Baer et al. (2006), dass Achtsamkeit (im Alltag)
signifikant positiv mit Wohlbefinden, emotionaler Intelligenz und Offenheit
für Erfahrungen korreliert. Es erscheint nahe liegend, dass ein gewisses
Interesse für die eigenen Emotionen, Gedanken und Gemütszustände

18
sowie eine Bereitschaft bzw. Offenheit, diese zu erfahren, vorhanden sein
muss um ein bestimmtes Ausmaß an Achtsamkeit zu entwickeln.
Unterdrückung würde demnach dem entgegengesetzt sein (siehe Kap. 3).
Fehlende Achtsamkeit wird in Verbindung gebracht mit Prozessen wie
Grübeln,
Experiential
Avoidance
und
ungünstigen
metakognitiven
Prozessen (Sonnenmoser, 2005).
Hingegen berichtet Walsh (2006) aus empirischen Studien, dass mit hoher
Achtsamkeit ebenfalls die Zufriedenheit mit dem Leben steigt. Das Leben
bzw. die Aktivitäten, selbst ganz banale, werden als intensiver oder
erfüllender erlebt. Weiters zitieren beispielsweise sowohl Walsh (2006) als
auch Kabat-Zinn (1990, dt.: 2006) empirische Studien, die einen Rückgang
des Leidens, sowohl psychischen Schmerzes als auch physischen, und
einen verbesserten gesundheitlichen Zustand, speziell eine Verbesserung
des Immunsystems, in Verbindung mit einer höheren Stimmungslage,
belegen (vgl. dazu beispielsweise Davidson et al., 2003).
Im Anschluss sollen nun zentrale Modelle zu den einzelnen Wirkfaktoren
bzw. Elementen von Mindfulness kurz umrissen werden.
2.2.1 Ansätze über zentrale Prozesse von Mindfulness
2.2.1.1 Intention­Attention­Attitude-Modell (IAA) von Shapiro, Carlson,
Astin und Freedman, (2006)
Als erstes soll das Modell Intention, Attention and Attitude (IAA) von
Shapiro et al. (2006) dargestellt werden. Shapiro et al. (2006) postulieren
drei Axiome: Intention, Attention und Attitude, (IAA). Diese Aspekte
stehen miteinander in einer Wechselwirkung, treten gleichzeitig auf und
bilden einen separaten zyklischen Prozess. ,,Mindfulness is this moment-to-
moment process." (Shapiro et al., 2006, p. 375).

19
Abbildung 1: Zentrale Prozesse von Mindfulness im IAA-Modell von Shapiro et al.
(2006), p. 375
a)
Intention:
Bei der Intention geht es darum, warum eine Person sich in
Achtsamkeit übt. Der Zweck, das Ziel oder die persönliche Vision bildet
auch die Grundlage dessen, was zu erreichen möglich ist. Diese Absicht
muss jedoch nicht fixiert sein, sondern ist meist dynamisch und kann
sich im Laufe der Meditationspraktika bzw. Mindfulness-Übungen
verändern. Shapiro fand 1992 in einer Studie, dass die jeweilige
Intention mit dem tatsächlichen Ergebnis korrelierte. Diejenigen, die
sich Selbstregulation zum Ziel setzten, erlangten Selbstregulation,
diejenigen, welche Selbstbefreiung intendierten, bewegten sich auch zu
Selbstbefreiung und Mitgefühl hin. Auch Bishop et al. (2004) betonen
die Bedeutung der Absichtslegung um den Prozess als Ganzes zu
verstehen.
b)
Attention:
Die
zweite
wesentliche
Komponente
stellt
die
gerichtete
Aufmerksamkeit auf innere und äußere Erfahrungen von Moment zu
Moment dar. Gemeint ist damit, sich jeglicher (Vor-) Urteile gegenüber
den Gegenständen zu enthalten und die Aufmerksamkeit auf die
Erfahrung selbst - wie sie sich in diesem Moment präsentiert - zu
Intention
Attention
Attitude

20
richten. Auf diese Weise kann man lernen, seine Aufmerksamkeit auf
die momentanen Inhalte des Bewusstseins zu richten.
c)
Attitude:
Gemeint ist hier wie die Aufmerksamkeitserbringung erfolgt. Wesentlich
und grundlegend ist auch die Einstellung zur bzw. die Qualität der
Aufmerksamkeitserbringung.
Sie
bildet
die
Grundlage
für
die
Entwicklung der Fähigkeit sich zu beruhigen, zu konzentrieren und zu
entspannen, was zwar nicht Ziel der Mindfulness-Praxis ist, jedoch
Voraussetzung
und
zugleich
Nebeneffekt.
Wird
dieser
Aspekt
vernachlässigt oder gar nicht beachtet, führen Achtsamkeits-Übungen
zu einer Be- und Verurteilung von inneren Erfahrungen, was dem
eigentlichen Sinn dieser genau entgegengesetzt wäre.
Shapiro et al. (2006) postulieren die oben genannten drei Axiome, IAA, als
grundlegende Komponenten von Mindfulness. In ihrem Modell führen diese
zu einer signifikanten Veränderung der Perspektive, was als Meta-
Mechanismus ,,reperceiving" bezeichnet wird, welcher die Veränderung und
ein
positives
Ergebnis
hervorbringt.
Reperceiving
beinhaltet
vier
zusätzliche Mechanismen: Selbstregulation; Klarstellung der Werte;
kognitive,
emotionale
und
behaviorale
Flexibilität
und
sich
den
Erfahrungen bewusst aussetzen. Diese stehen in einem linearen
Zusammenhang zueinander, unterstützen und bedingen sich gegenseitig
und werden als möglicher Mechanismus für beispielsweise den Rückgang
psychologischer Symptome betrachtet.
2.2.1.2 Faktoren von Mindfulness nach Kabat-Zinn (1990, dt.: 2006)
Nach Kabat-Zinn (1990, dt.: 2006) sollen während der Meditationspraxis,
wie er in seinem Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR)-Programm
beschreibt, sieben Einstellungen bewusst entwickelt werden.

21
1.
Nicht Beurteilen: Der menschliche Geist ist ständig damit
beschäftigt Ereignisse, Gefühle, Personen, Gegenstände usw. zu
beurteilen und zu kategorisieren. Dies sind gewöhnlich unbewusste
Vorgänge und haben weitere unbewusste Prozesse zur Folge. Ein
Ziel ist jedoch, die eigenen inneren und äußeren Erfahrungen als
neutraler Beobachter wahrzunehmen. Weder zu reagieren noch zu
verurteilen, um zu lernen die eigenen Erfahrungen mit Abstand zu
betrachten.
2.
Geduld: Gemeint ist hier eine Art inneres Wissen, dass jedes Ding
auch eine bestimmte Zeit benötigt um sich zu entfalten, wie auch
eine Schmetterlingslarve mit der Zeit zum Schmetterling wird, wenn
seine Zeit gekommen ist. So erfordert es auch dem eigenen
Entwicklungsprozess gegenüber Geduld.
3.
Den Geist des Anfängers bewahren: Dies bedeutet eine
Wahrnehmung voll Offenheit und ohne den Filter von Erwartungen,
früheren Erfahrungen oder vorgefassten Meinungen zu entwickeln.
4.
Vertrauen: Anstatt sich auf äußere Autoritäten zu verlassen soll
das Vertrauen in die eigene innere Weisheit entwickelt und gestärkt
werden.
5.
Nicht-Greifen: Mindfulness-Übung im Sinne eines ,,aktiven Nicht-
Tuns". Es soll nicht versucht werden irgendwie oder wie irgendwer
zu sein, sondern einfach so zu sein, wie man ist. Ebenso verhält es
sich mit Dingen, Gefühlen, Schmerzen usw. Jede Erfahrung
unparteiisch wahrnehmen ohne sich damit zu identifizieren.
6.
Akzeptanz: Dies beinhaltet das Annehmen jeden Gefühls, jeden
Gedankens, jeder Körperwahrnehmung, jeden Umstandes und jeder
Situation. Was aber keinesfalls bedeutet, alles gut zu heißen oder
mit allem zufrieden zu sein.
7.
Loslassen: Dieses Prinzip gehört zur Grundeinstellung der
Achtsamkeits-Praxis. Es geht darum, sich in bloßer Beobachtung zu

22
üben, ohne jegliches Anhaften an bestimmte Zustände, Gefühle
oder Wahrnehmungen.
,,Der gegenwärtige Augenblick, das Jetzt, ist der einzige Augenblick, in
dem wir wirklich leben." (Kabat-Zinn, 2006, S. 43)
2.2.1.3 Qualitäten von Mindfulness nach Germer (2004)
Germer (2004) postuliert, dass in Momenten der Achtsamkeit unabhängig
vom Ausmaß des Achtsamkeits-Trainings bestimmte gemeinsame Aspekte
auftreten. Der gegenwärtige Moment von Mindfulness ist für den Anfänger,
der gerade mit seinen täglichen Achtsamkeitsübungen beginnt, derselbe,
als für den in der Achtsamkeits-Meditation bereits erfahrenen Menschen.
Wobei natürlich für letzteren diese Erfahrung deutlich länger andauert.
Gemäß Germer (2004) sind achtsame Momente:
1.
Non-conceptual: Mindfulness ist Bewusstsein ohne in den
Gedankenprozess absorbiert zu sein.
2.
Present-centred: Mindfulness findet immer im gegenwärtigen
Augenblick statt. Bereits mit Gedanken über Erfahrungen befindet
man sich nicht mehr im augenblicklichen Moment.
3.
Non-judgmental: Es kann keine freie Aufmerksamkeit auftreten,
wenn man sich wünscht, eine Erfahrung wäre anders als sie ist.
4.
Intentional: Mindfulness beinhaltet stets eine Absicht worauf die
Aufmerksamkeit gerichtet sein soll. Mit der Aufmerksamkeit immer
wieder in die Gegenwart zurückzukommen führt mit der Zeit zur
Kontinuität von Mindfulness.
5.
Participant
observation:
Mindfulness
kommt
nicht
einer
distanzierten Beobachtung gleich, sondern vielmehr einer intimen
Erfahrung von Körper und Geist.

23
6.
Non-verbal: Die Erfahrung von Mindfulness kann nicht in Worte
gekleidet werden, weil die Erfahrung auftritt bevor die Worte (im
Verstand) auftauchen.
7.
Exploratory: Achtsame Aufmerksamkeit bedient sich stets feiner
oder auch subtiler Stufen der Wahrnehmung.
8.
Liberating: Jeder Moment von achtsamer Aufmerksamkeit, von
Mindfulness, bietet Freiheit von konditioniertem Leiden.
Alle diese genannten Qualitäten tauchen, gemäß Germer (2004),
gleichzeitig in jedem Moment voller Mindfulness auf. Bei der (Aus-) Übung
von Mindfulness handelt es sich um einen bewussten Versuch, mittels aller
oben genannten Qualitäten, die Wahrnehmung verstärkt in den
gegenwärtigen Moment zu bringen. ,,Mindfulness per se is not unusual;
continuity of mindfulness is rare indeed." (Germer, 2004, p. 28)
Das Vorhandensein oder die Realisierung eines Aspektes von Mindfulness
impliziert nicht automatisch die Anwesenheit der anderen Aspekte
(Germer, 2004). So könnte beispielsweise die (eben nicht-gegenwärtige)
Aufmerksamkeit in die Vergangenheit gerichtet sein, in Hinblick etwa auf
eine blinde Rage in Bezug auf eine erfahrene Ungerechtigkeit. Oder
Achtsamkeit ohne Akzeptanz zum Beispiel in Verbindung mit nicht
anerkannter Scham. Auch Akzeptanz ohne ausreichende Achtsamkeit kann
auftreten, etwa in Form einer verfrühten Vergebung. Es gibt eine Vielzahl
von Kombinationen und Möglichkeiten, wie man dem gegenwärtigen
Augenblick und dessen bewusster und wertfreier Erfahrung entgehen kann.
Es sind jedoch alle Komponenten notwendig um einen Moment voller
Achtsamkeit zu erfahren.
2.2.1.4 Drei Faktoren von Mindfulness nach Baer, Smith, Hopkins,
Krietemeyer und Toney, (2006)
Einen empirischen Zugang liefern Baer et al. (2006). Sie postulieren
ebenfalls, dass Mindfulness ein multifaktorielles Konstrukt ist. In ihrer

24
Untersuchung über mögliche Facetten von Mindfulness haben sich
ausgehend von vier Faktoren schließlich auch drei Einflussgrößen
herauskristallisiert, die als signifikante Prädiktoren für psychologische
Symptome angesehen werden können: 1. ,,Act with Awareness", 2.
,,Nonjudge" und 3. ,,Nonreact". Dieses Modell weist eine Varianzaufklärung
von 37 Prozent auf. Der vierte Faktor ,,Describe" erreichte keine
signifikanten Werte und stellte sich somit als nicht geeignet für die
Prädiktion
psychologischer
Symptome
heraus.
Auch
bei
der
Konfirmatorischen Faktorenanalyse wurde bestätigt, dass die drei
Komponenten bewusstes Handeln, Nichtbeurteilung und Nichtreaktivität
zentrale Elemente des übergeordneten Mindfulness-Konstruktes sind. Des
Weiteren ergab sich eine zunehmende Varianzaufklärung für diese drei
Facetten von Mindfulness. Die Ergebnisse aus ihren Untersuchungen legen
weiters nahe, dass Nichtreaktivität und Nichtbeurteilung von inneren
Erfahrungen eine Möglichkeit der Operationalisierung von Akzeptanz
darstellen (Baer et al., 2006).
Alle genannten Autoren heben unterschiedliche Aspekte hervor, betonen
oder benennen sie in verschiedener Form. Die Gemeinsamkeit über die
dargestellten Ansätze ist jedoch, dass alle von einer multifaktoriellen
Struktur von Mindfulness ausgehen. Alle genannten Autoren postulieren,
dass die Mindfulness-Praxis beinhaltet, sich augenblicklicher innerer und
äußerer Ereignisse gewahr zu werden bzw. sie zu beobachten. Also weg
von unbewussten Reaktionen und hin zu bewusster Wahrnehmung, mindful
awareness, des momentanen Augenblicks. Des Weiteren findet sich in allen
Ansätzen die Betonung, dass diese gegenwärtige Aufmerksamkeit ohne
jegliches Urteil, vorgefasste Meinung oder ohne jegliche Bewertung
erfolgen soll. Alle Autoren beziehen sich also auf Akzeptanz als weiteren
wesentlichen Faktor von Mindfulness.

25
3 Acceptance versus Experiential Avoidance
"If there is something bad, sick, or
unsound, let it inwardly be and breathe.
That is the only way it can evolve and
change into the form it needs."
E
UGENE
G
ENDLIN
3.1 Acceptance
Es gibt eine Vielzahl von Übungen bezüglich Mindfulness (z.B. Hanh, 1995,
1998; Kabat-Zinn, 1990, 2006; Heidenreich & Michalak, 2004). Ob nun die
Aufmerksamkeit
auf
aktuell
auftretende
innere
Erfahrungen,
wie
Körperempfindungen, Gedanken oder Gefühle gerichtet werden soll oder
auf die äußere Umwelt, was man sieht oder hört, betont wird immer wieder
eine ,,nonjudgmental acceptance" (Baer, 2003). Gemeint ist hier eine
radikale Akzeptanz. Diese spiegelt eine neutrale Haltung wieder,
gegenüber Umständen, Gefühlen, Gedanken oder Situationen, die bereits
so sind wie sie sind.
Der Widerstand dessen gegenüber, was bereits ist, beispielsweise von
Gefühlen,
Situationen,
körperlichen
Sensationen
oder
Gedanken,
verursacht Unbehagen und Leid. Ebenso erzeugen Anhaften und Festhalten
Un-Wohlsein (Kabat-Zinn, 2005). In weiterer Folge könnte sogar eine
gewisse Handlungsunfähigkeit daraus resultieren, da ein Großteil der Zeit
und damit auch Kraft in den Widerstand investiert wird. Unter anderem
würde auch das Selbstwirksamkeitsempfinden darunter leiden. Dieses
wirkt sich wiederum negativ auf Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden
aus.
Die
Wichtigkeit
der
Akzeptanz
bestätigen
viele
Therapeuten
unterschiedlichster Spezialisierungen (Roemer & Orsillo, 2002). Alles, was

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836624862
DOI
10.3239/9783836624862
Dateigröße
859 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck – Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft , Psychologie
Erscheinungsdatum
2009 (Januar)
Note
1
Schlagworte
mindfulness wohlbefinden akzeptanz meditation entspannung
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Titel: Mindfulness, Akzeptanz und Meta-Emotionen im Zusammenhang mit Wohlbefinden
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