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Die globale Nahrungsmittelkrise - eine Folge der Agrarsubventionen in Europa und den USA?

©2008 Bachelorarbeit 55 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Das Stillen der Grundbedürfnisse eines Menschen, wie sie die Ernährung darstellt, ist als Menschenrecht völkerrechtlich verankert. So heißt es in Artikel 11, Satz 2, Absatz b.) des UN-Sozialpakts von 1966:
„In Anerkennung des grundlegenden Rechts (…) vor Hunger geschützt zu sein, werden die Vertragsstaaten (…) Maßnahmen, einschließlich besonderer Programme, durchführen, zur Sicherung einer dem Bedarf entsprechenden gerechten Verteilung der Nahrungsmittelvorräte der Welt.“
Auch heute, über 40 Jahre nach der Unterzeichnung des Pakts, scheint die Welt von einer gerechten Verteilung der Nahrungsmittelvorräte weit entfernt zu sein. Studien zeigen, dass zwischen den Jahren 2001 und 2003 ca. 854 Mio. Menschen an Unterernährung litten. Demgegenüber sind laut der Weltgesundheitsorganisation WHO ca. 1 Mrd. Menschen übergewichtig. Davon leiden ca. 300 Millionen an krankhafter Fettleibigkeit, Tendenz steigend. Diese prekäre Situation spitzte sich Anfang 2008 zu. In einer globalen Nahrungsmittelkrise kam es zu einem rasanten Preisanstieg von Grundnahrungsmitteln, der teilweise in gewaltsamen Unruhen mündete.
Diese bis dato einmalige weltweite Erscheinung soll in der vorliegenden Arbeit untersucht werden. Faktoren, die möglicherweise zu dieser Krise führten, stellen dabei zentrale Aspekte der Ausarbeitung dar. Zunächst wird auf die Nahrungsmittelkrise eingegangen. Ihre Entstehung, sowie mögliche Ursachen werden thematisiert. Anschließend rücken die Agrarsubventionen der USA und der EU, welche in den Augen einiger Beobachter als Kernproblem der derzeitigen Krise ausgemacht werden, in den Mittelpunkt der Untersuchung. Nach einer theoretischen Analyse der Subventionen, sowie einer Bewertung ihrer Folgen, stehen weitere mögliche Ursachen der Nahrungsmittelkrise zur Diskussion. In einer abschließenden Zusammenfassung wird eine Prognose über die zukünftige Entwicklung abgegeben. Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
AbkürzungsverzeichnisIII
AbbildungsverzeichnisIV
TabellenverzeichnisIV
1.Einleitung1
2.Die Nahrungsmittelkrise2
2.1Getreide: Angebot und Nachfrage2
2.2Entstehung der Krise6
2.3Mögliche Ursachen8
3.Agrarpolitik und Subventionen in EU und USA10
3.1Theoretischer Hintergrund10
3.2Agrarpolitik und Agrarsubventionen14
3.3Bewertung der Agrarsubventionen19
4.Analyse möglicher Ursachen der Nahrungsmittelkrise22
4.1Agrarsubventionen22
4.2Zunehmender Wohlstand25
4.3Spekulationen31
4.4Biokraftstoffe36
4.5Bewertung […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Nahrungsmittelkrise
2.1 Getreide: Angebot und Nachfrage
2.2 Entstehung der Krise
2.3 Mögliche Ursachen

3. Agrarpolitik und Subventionen in EU und USA
3.1 Theoretischer Hintergrund
3.2 Agrarpolitik und Agrarsubventionen
3.3 Bewertung der Agrarsubventionen

4. Analyse möglicher Ursachen der Nahrungsmittelkrise
4.1 Agrarsubventionen
4.2 Zunehmender Wohlstand
4.3 Spekulationen
4.4 Biokraftstoffe
4.5 Bewertung möglicher Ursachen

5. Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Getreideexport 2007 (in 1000 Tonnen)

Abb. 2: Getreideimport 2007 (in 1000 Tonnen)

Abb. 3: Produktion/Verbrauch: Mais, Reis und Weizen (in Mio. Tonnen)

Abb. 4: Preise: Mais, Reis und Weizen (USD/Tonne)

Abb. 5: Subventionen: Preis- & Mengeneffekte

Abb. 6: Verlauf OECD-Beihilfe-Indikatoren: PSE, NAC und NPC

Abb. 7: Länderbezogener PSE

Abb. 8: Auswirkungen einer Exportsubvention

Abb. 9: Was sich aus 1 kg Weizen herstellen lässt

Abb. 10: Stetiges Wachstum der Weltfleischproduktion

Abb. 11: Getreideproduktion: Mais, Reis, Weizen (in 1000 Tonnen)

Abb. 12: Verfütterungsquote von Mais und Weizen

Abb. 13: Export: Mais, Weizen, Reis (in Mio. Tonnen)

Abb. 14: Produktivitätswachstum Weizen, Mais, Reis

Abb. 15: Defizite in der Getreideproduktion

Abb. 16: Zuckerrohr (Brasilien) und Mais (USA): Produktion und Anbau

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Weizenproduzierende Länder 2007

Tab. 2: Reisproduzierende Länder 2007

Tab. 3: Maisproduzierende Länder 2007

1. Einleitung

Das Stillen der Grundbedürfnisse eines Menschen, wie sie die Ernährung darstellt, ist als Menschenrecht völkerrechtlich verankert. So heißt es in Artikel 11, Satz 2, Absatz b.) des UN-Sozialpakts von 1966:

„In Anerkennung des grundlegenden Rechts […] vor Hunger geschützt zu sein, werden die Vertragsstaaten […] Maßnahmen, einschließlich besonderer Programme, durchführen, zur Sicherung einer dem Bedarf entsprechenden gerechten Verteilung der Nahrungsmittelvorräte der Welt.“[1]

Auch heute, über 40 Jahre nach der Unterzeichnung des Pakts, scheint die Welt von einer gerechten Verteilung der Nahrungsmittelvorräte weit entfernt zu sein. Studien zeigen, dass zwischen den Jahren 2001 und 2003 ca. 854 Mio. Menschen an Unterernährung litten.[2] Demgegenüber sind laut der Weltgesundheitsorganisation WHO ca. 1 Mrd. Menschen übergewichtig. Davon leiden ca. 300 Millionen an krankhafter Fettleibigkeit, Tendenz steigend.[3] Diese prekäre Situation spitzte sich Anfang 2008 zu. In einer globalen Nahrungsmittelkrise kam es zu einem rasanten Preisanstieg von Grundnahrungsmitteln, der teilweise in gewaltsamen Unruhen mündete.

Diese bis dato einmalige weltweite Erscheinung soll in der vorliegenden Arbeit untersucht werden. Faktoren, die möglicherweise zu dieser Krise führten, stellen dabei zentrale Aspekte der Ausarbeitung dar. Zunächst wird auf die Nahrungsmittelkrise eingegangen. Ihre Entstehung, sowie mögliche Ursachen werden thematisiert. Anschließend rücken die Agrarsubventionen der USA und der EU, welche in den Augen einiger Beobachter als Kernproblem der derzeitigen Krise ausgemacht werden, in den Mittelpunkt der Untersuchung. Nach einer theoretischen Analyse der Subventionen, sowie einer Bewertung ihrer Folgen, stehen weitere mögliche Ursachen der Nahrungsmittelkrise zur Diskussion. In einer abschließenden Zusammenfassung wird eine Prognose über die zukünftige Entwicklung abgegeben.

2. Die Nahrungsmittelkrise

Getreide ist im internationalen Agrarhandel von großer Bedeutung. Es dient nicht nur der Ernährung des Menschen, sondern auch der Erzeugung von veredelten Nahrungsmitteln wie Fleisch, Milch und Eiern.[4] Darüber hinaus wird es zur Herstellung von Biokraftstoffen genutzt. Weizen, Reis und Mais gehören zu den am häufigsten angebauten Getreidesorten der Welt. Im weiteren Verlauf der Arbeit sollen diese mit dem Oberbegriff „Getreide“ zusammengefasst werden. Unterschiedliche Getreidesorten werden in verschiedenen Regionen produziert und verzehrt. Als Gründe können klimatische sowie kulturelle Unterschiede ausgemacht werden. Um die in der Einleitung erwähnte Preiserhöhung einordnen zu können, ist eine Analyse der Angebots- und Nachfragesituation unumgänglich. Exemplarisch werden anhand der Ernte des Jahres 2007 die Hauptproduzenten der jeweiligen Getreidesorten identifiziert. Um die Länder im internationalen Agrarhandel einordnen zu können, wird anschließend auf die Im- und Exporte eingegangen.

2.1 Getreide: Angebot und Nachfrage

Weizen rangiert mit rund 607 Millionen Tonnen an dritter Stelle der produzierten Getreidesorten. Wie Tabelle 1 verdeutlicht, produzieren die 15 größten Erzeuger ca. 80,7 % der weltweiten Weizenernte. Weizen wird vorzugsweise zur direkten Nahrungsmittelherstellung, als Viehfutter oder zur Biokraftstofferzeugung verwendet. Insgesamt war die EU mit rund 121 Mio. Tonnen Weizen der größte Weizenproduzent des Jahres 2007. Reis gehört zu den Hauptnahrungsmitteln der Menschen weltweit und ernährt rund 80 % der asiatischen Bevölkerung bzw. rund 50 % der Weltbevölkerung.[5] Mit einem Produktionsvolumen von 615 Mio. Tonnen lag Reis im Jahr 2007 an zweiter Stelle der angebauten Getreidesorten. Tabelle 2 zeigt die 15 größten Reisproduzenten der Welt, welche ca. 91,9 % der Reisernte 2007 erzeugten.

Tab. 1: Weizenproduzierende Länder 2007

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: FAOSTAT (2008)

Tab. 2: Reisproduzierende Länder 2007

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: FAOSTAT (2008)

Mit ca. 784 Mio. Tonnen steht Mais an erster Stelle der weltweit produzierten Getreidesorten. Ähnlich wie Weizen wird Mais nicht ausschließlich für die Nahrungsmittelproduktion verwendet. Er dient vor allem den Industriestaaten als Futtermittel, sowie der Erzeugung von Biokraftstoffen. Entwicklungsländer hingegen nehmen Mais als Nahrungsmittel wahr. Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die größten maisproduzierenden Länder, welche 86,6% der Ernte des Jahres 2007 erzeugten:

Tab. 3: Maisproduzierende Länder 2007

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: FAOSTAT (2008)

Es gibt noch weitere Getreidesorten, die als Nahrungsquelle genutzt werden, allerdings spielen sie im Rahmen dieser Untersuchung, aufgrund der relativ geringen Produktionsmengen, eine untergeordnete Rolle und werden daher nicht weiter behandelt.

Abbildung 1 zeigt die Hauptgetreideexporteure des Jahres 2007. Die USA sind mit 49,49% der weltweit größte Getreideexporteur der Welt. Neben Weizen wird hauptsächlich Mais exportiert. Die EU liegt mit 6,39 % an dritter Position der größten Exportländer. Sie exportieren überwiegend Weizen. Insgesamt wurde 30,94 % der Getreideernte exportiert.[6]

Abb. 1: Getreideexport 2007 (in 1000 Tonnen)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung[7]

Abb. 2: Getreideimport 2007 (in 1000 Tonnen)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung[8]

Weiterhin kann festgestellt werden, dass zu den größten Getreideexporteuren der Welt Industrie- und Schwellenländer gehören. Ihr Anteil beläuft sich auf 97,38 % aller Getreideexporte. Zu den weltweit größten Importeuren gehören laut Abbildung 2 ebenfalls Industrieländer, allerdings auch Entwicklungsländer wie Marokko oder Indonesien. Auffallend ist, dass die EU jeweils zu den größten Exporteuren und Importeuren zählt.

2.2 Entstehung der Krise

Wie Abbildung 3 zeigt, konnte von 1986 bis 2008 die Produktion von Getreide kontinuierlich gesteigert werden. Trotz der Produktionssteigerungen war ein Absinken der Lagerbestände zwischen 2007 und 2008 nicht zu verhindern. Die weltweiten Weizenvorräte waren zwischenzeitlich auf den niedrigsten Stand seit 25 Jahren gefallen. Wie Abbildung 4 darlegt, kam es schließlich im März 2008 zu einer drastischen Preiserhöhung. So stieg der Preis für Reis um ein Vielfaches, der Weizenpreis hatte sich nahezu verdreifacht. Insgesamt sind die Preise für Nahrungsmittel in den vergangenen drei Jahren um 83 % gestiegen.[9]

Abb. 3: Produktion/Verbrauch: Mais, Reis und Weizen (in Mio. Tonnen)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenQuelle: eigene Darstellung[10]

Abb. 4: Preise: Mais, Reis und Weizen (USD/Tonne)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung[11]

Im März 2008 machte die FAO in 37 Ländern (davon 21 aus Afrika) den Ausbruch einer Lebensmittelkrise ausfindig.[12] Der Nahrungsmittelpreisindex stieg nach Berechnungen der FAO von März 2007 bis März 2008 um 57 %.[13] Er errechnet sich aus dem Durchschnitt der Preisindizes von sechs verschiedenen Nahrungsmittelgütergruppen.[14]

Diese Entwicklung blieb nicht ohne Folgen. In fünfzehn Ländern, darunter bedeutende Agrarproduzenten, wurden Exportrestriktionen und Preiskontrollen verhängt, um die Auswirkungen der Krise im Inland abzumildern.[15] In Haiti kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, da sich Reis trotz Importvereinbarungen der örtlichen Regierung nicht verbilligt hatte.[16] Auch in Kamerun, Burkina Faso und Ägypten kam es zu Hungerunruhen. Singapur beschloss, seine Lebensmittelvorräte durch Reisimporte aufzustocken.[17] China und Indien verhängten ein Reisexportverbot, um die Versorgung der eigenen Bevölkerung zu gewährleisten. Argentinien erhöhte die Export-Steuer auf Sojabohnen, Mais, Weizen und Fleisch. Äthiopien und Tansania verhängten ein Exportverbot auf Hauptgetreidesorten.[18]

Diese Teils besorgniserregenden Ereignisse werfen die Frage auf, wie es zu dem enormen Preisanstieg mit den daraus resultierenden Konsequenzen kommen konnte. Zwar deutete die Entwicklung des Lagerbestandes für Getreide auf eine Verknappung des Angebots hin. Dennoch gab es ähnliche Vorgänge in den vergangenen Perioden. Jährliche Produktionsschwankungen aufgrund von Witterungsverhältnissen waren durchaus üblich. Des Weiteren wurde eine Unterproduktion in der Vergangenheit durch eine Produktionsanpassung in den folgenden Perioden rasch ausgeglichen, weshalb nicht von einer dauerhaften Lebensmittelknappheit auszugehen war.[19]

Die Vermutung liegt nahe, dass ein Anstieg der Nachfrage für die Krise verantwortlich ist. Dennoch findet sich in der öffentlichen Diskussion eine Vielzahl von Gründen. Einige mögliche Ursachen sollen im Folgenden kurz aufgeführt werden. Eine genauere Betrachtung findet erst in Kapitel 3 und 4 statt.

2.3 Mögliche Ursachen

Als eine mögliche Ursache werden häufig Agrarsubventionen genannt, welche vorwiegend in der Kritik der Entwicklungs- und Schwellenländer stehen. Sie bewirken, dass der Weltmarkt mit billigen Nahrungsmitteln versorgt wird. Was zunächst im Rahmen der Nahrungsmittelkrise positiv klingt, wirkt in den Augen vieler Kritiker ernüchternd. Denn durch das Angebot von Nahrungsmitteln zu Dumping-Preisen lohnt sich die Nahrungsmittelproduktion in Entwicklungsländern kaum. Ein unwirtschaftlicher Agrarsektor hat eine geringere Nahrungsmittelproduktion zur Folge. Diese Entwicklung wurde insbesondere durch die Agrarsubventionen der Industrieländer, hauptsächlich der EU und der USA, begünstigt werden.

Als weitere mögliche Ursache wird der zunehmende Wohlstand in Schwellenländern aufgeführt. Es wird argumentiert, dass durch höhere Einkommen eine Veränderung der Essgewohnheiten zu beobachten ist, welche zu mehr Konsum von veredelten Lebensmitteln wie Fleisch und Milchprodukten führt. Für die Herstellung dieser Güter wird wiederum verhältnismäßig viel Getreide benötigt.

Spekulationen an den Warenterminbörsen werden als weiterer Grund für die derzeitige Krise ausgemacht. Der steigende Wohlstand in Schwellenländern, die zunehmende Nutzung von Biokraftstoffen, das weltweite Bevölkerungswachstum, geringe Getreidelagerbestände sowie wetterbedingte Ernteausfälle – all dies sind Faktoren, die künftige Preissteigerungen vermuten lassen. Spekulanten erhofften sich aufgrund dieser Erwartungen enorme Gewinne und wetteten auf steigende Preise, wodurch die Preisvolatilität von Nahrungsmitteln verstärkt wird.

Der in den letzten Jahren extrem gestiegene Ölpreis, verursacht u.a. durch eine erhöhte Nachfrage der Schwellenländer, führte zu einer Suche nach alternativen Energieträgern. Als Alternative betrachten viele Länder die Nutzung von Biokraftstoff. Allerdings beansprucht die Produktion dieses Substitutionsgutes Getreide und Ackerland, welches der Nahrungsmittelproduktion entzogen wird. Die dadurch entstehende Verknappung des Nahrungsmittelangebots soll schlussendlich zu dieser Krise geführt haben.

Nicht alle möglichen Ursachen werden im Rahmen dieser Arbeit einer expliziten Analyse unterzogen. Der Schwerpunkt liegt in dem nun folgenden Kapitel bei den Agrarsubventionen. Dabei stehen insbesondere Unterstützungen der EU und der USA im Vordergrund der Diskussion. Dennoch sollen die darüber hinausgehenden Erklärungsansätze nicht vernachlässigt werden, weshalb sie in Kapitel 4 neben den Agrarsubventionen ebenfalls vor dem Hintergrund der Nahrungsmittelkrise bewertet werden.

3. Agrarpolitik und Subventionen in EU und USA

Der Agrarsektor wird in fast allen Ländern durch starke staatliche Eingriffe reglementiert.[20] Die Gründe werden in den nun folgenden Abschnitten erläutert. Zu Beginn werden theoretische Hintergründe behandelt. Neben Definitionen und ökonomischen Begründungen werden Wirkungen und Folgen der Agrarpolitik, insbesondere das Instrument der Subventionen, anhand der Besonderheiten des Agrarsektors vorgestellt. Das darauf folgende Unterkapitel beschäftigt sich mit der Agrarpolitik in der EU und den USA. Anhand von Kennzahlen wird ein Einblick in die Agrarsubventionen der OECD-Länder, insbesondere in den USA und der EU, gewährt. Anschließend findet eine kritische Bewertung der vorgestellten Agrarsubventionen im Bezug auf den Agrarhandel statt.

3.1 Theoretischer Hintergrund

Agrarpolitik ist „die Gesamtheit aller Bestrebungen, Handlungen und Maßnahmen, die darauf abzielen, den Ablauf des agrarmarktpolitischen Geschehens in einem Bereich zu ordnen, zu beeinflussen oder unmittelbar festzulegen.“[21] Dies geschieht durch staatliche Eingriffe in den Agrarmarkt, mit der ökonomischen Rechtfertigung, die Ressourcennutzung in einer Volkswirtschaft effizienter (im Sinne der Produktivität) zu gestalten.[22] Durch eine Stabilisierung der Preise kann das Risiko der Landwirte begrenzt werden, wodurch diese die Produktion risikobehafteter Güter ausdehnen.[23] Dazu müssen sowohl die Nachfrage- als auch die Angebotsseite betrachtet werden. Die Nachfrageseite kann durch das Engelsche Gesetz charakterisiert werden, wonach die absoluten Ausgaben für Nahrungsmittel bei steigendem Haushaltseinkommen zunehmen, die relativen Nahrungsmittelausgaben jedoch abnehmen.[24] Es handelt sich bei Nahrungsmitteln also um ein inferiores Gut.[25] Bedingt durch den Anstieg der Haushaltseinkommen in den USA sowie in der EU, ist die Einkommenselastizität der Nachfrage nach landwirtschaftlichen Gütern sehr gering, so dass die absolute Nachfrage trotz steigender Einkommen stabil geblieben ist.[26] Darüber hinaus führt der relativ geringe Bevölkerungsanstieg in den USA sowie in der EU nicht zu einem bedeutenden Anstieg des Absatzes landwirtschaftlicher Erzeugnisse.[27] Die Einkommen der Landwirte steigen im Vergleich zur restlichen Bevölkerung nur sehr langsam, was einen Markteingriff zur Einkommensunterstützung rechtfertigen kann.[28] Des Weiteren werden die Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse durch die Landwirtschaft, einkommens- und investitionshemmende klimatische Veränderungen, sowie die zentrale Bedeutung der Landwirtschaft im ländlichen Raum als weitere Markteingriffsargumente genannt.[29]

Eine agrarökonomische Analyse findet jedoch meist auf der Angebotsseite des Marktes statt.[30] Zwischen der Produktionsentscheidung und der eigentlichen Produktion liegt ein großer zeitlicher Unterschied, was dazu führt, dass oft ein zu hohes bzw. zu niedriges Angebot herrscht, wodurch die Einkommen im Agrarsektor sehr instabil sind.[31] Aufgrund einer mangelnden intersektoralen Mobilität des Faktors Arbeit in der Landwirtschaft, blieb eine Marktbereinigung aus, wodurch ein Eingriff des Staates notwendig wurde.[32]

Subventionen sind neben Preisstützung, Mengensteuerung und Einkommensübertragungen im Bereich der landwirtschaftlichen Markt- und Preispolitik von entscheidender Bedeutung.[33] In der Literatur existiert eine Vielzahl von Definitionen des Subventionsbegriffes. Krol und Schmid differenzieren zwei Subventionsbegriffe: Sie unterscheiden zwischen einer „engen“ und einer „weiten“ Definition. Subventionen nach enger Definition sind alle Geldzahlungen der öffentlichen Hand, die ohne Gegenleistung an Unternehmen fließen. Eingriffe des Staates in die Marktwirtschaft umfassen die weite Definition.[34] Letztere soll hier bevorzugt werden, um aus den Wirkungen aller staatlichen Maßnahmen auf etwaige Subventionstatbestände zurückschließen zu können. Der Agrarsektor wird nach Koester von drei Subventionsarten dominiert: Eine produktgebundene Subvention ist eine Subvention, die an die Produktionsmenge gebunden ist. Unter einer faktorgebundenen Subvention versteht man Zahlungen, welche nicht direkt an eine Produktion gekoppelt sind. Personengebundene Subventionen spielen heute eine geringe Rolle und werden in dieser Arbeit nicht weiter betrachtet.[35]

Eingriffe des Staates in den Markt mit Hilfe von Subventionen folgen in der Regel Preis- und Mengeneffekte. Eine Subvention pro produzierte Mengeneinheit soll anhand der Abbildung 5 erläutert werden:

Abb. 5: Subventionen: Preis- & Mengeneffekte

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung[36]

Die Gerade D bezeichnet die Nachfragefunktion, S stellt die Angebotsfunktion ohne Subventionen dar. Die Subventionierung in Höhe von z führt zu einer Veränderung der Grenzkosten der Produzenten, was sich durch eine Verschiebung der Angebotskurve um den Subventionssatz z nach unten äußert.[37] Subventionen haben folglich zwei Wirkungen: eine Produktionsausdehnung inklusive Preissenkung, sowie einen Wohlfahrtsverlust.[38]

So steigt die Produktion von x1 auf x2. Der Preis sinkt von p1 auf p2. Dadurch drückt der Staat den Marktpreis und stimuliert die Produktion sowie den Verbrauch. Das Ausmaß dieser Wirkung hängt von den Angebots- und Nachfrageelastizitäten ab. Koester bemerkt: „Je nach den Preiselastizitäten von Angebot und Nachfrage wird die Subvention mehr zu einer Begünstigung der Konsumenten oder Produzenten führen.“[39] In der obigen Zeichnung liegen eine hohe Nachfrage- sowie eine geringe Angebotselastizität vor. Durch die Subventionszahlung in Höhe von z wird ersichtlich, dass diese bei gegebenen Elastizitäten zu einer großen Produktionsausdehnung und einer verhältnismäßig geringen Preissenkung führt.

Des Weiteren führt die Subvention zu einem Wohlfahrtsverlust. Im Gleichgewicht F entspricht die Konsumentenrente der Fläche p1CE. Durch die Subvention steigt die der Konsumentenrente auf die Fläche p2CF. Die Produzentenrente steigt von Ap1E auf das Dreieck ABD. Der Staat muss für die Zuwächse Ausgaben in Höhe der Fläche p2BDF entrichten. Diese übersteigen die Summe der Konsumenten- und Produzentenrente um die Fläche DEF. Die Subventionszahlungen sind somit höher als die Rentenzuwächse. Aufgrund dieser preis- und wohlfahrtstheoretischen Überlegungen kann geschlussfolgert werden, dass Subventionen per Saldo nur Nachteile haben.[40]

Trotz dieser Erkenntnis werden Subventionen gezahlt. Der Staat versucht, dadurch Mangelerscheinungen des Marktmechanismus, wie z.B. externe Effekte[41], mangelnde Bereitstellung von Kollektivgütern oder ungerechte Einkommensverteilungen zu beheben.[42] Die Agrarpolitik dient hier u.a. der Rechtfertigung staatlicher Aktivitäten.

3.2 Agrarpolitik und Agrarsubventionen

Die Agrarpolitik ist in den USA und in der EU von unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in geographischer, sozialer, wirtschaftlicher und historischer Hinsicht geprägt.[43]

Die Wurzeln der europäischen Agrarpolitik reichen bis in die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. Geprägt von Unterernährung und Hunger beschlossen die damaligen Regierungen 1963 im begonnenen GAP, mehr Nahrungsmittel zu produzieren, um eine Selbstversorgung zu erreichen. Ziel war es, die Produktivität der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte und Flächen zu erhöhen. Dafür wurde eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die zum Teil heute noch, in etwas abgeänderter Form, gelten. In der EU sind die für die Landwirtschaft wichtigen Ziele in Art. 33 des EG-Vertrages verankert. Nach wie vor gilt es, die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität, die Gewährleistung einer angemessenen Lebenshaltung für die landwirtschaftliche Bevölkerung, die Stabilisierung der Märkte, die Sicherstellung der Versorgung und die Sicherung angemessener Verbraucherpreise zu verwirklichen.[44]

Die Reihenfolge der Ziele lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft als oberstes Ziel gesehen wird, mittels dessen die anderen Ziele erreicht werden sollen.[45]

[...]


[1] Auswärtiges Amt (1966), S. 5.

[2] Vgl. FAO (2006), S. 8.

[3] Vgl. WHO (2003), S. 1.

[4] Vgl. Ziai (2000), S. 54.

[5] Vgl. Mai (2006).

[6] In Anlehnung an Daten der USDA (2008).

[7] In Anlehnung an Daten der USDA (2008).

[8] In Anlehnung an Daten der USDA (2008).

[9] Vgl. Kamp et al. (2008).

[10] In Anlehnung an Daten der USDA (2008), 2008/09 Prognose der USDA (2008).

[11] In Anlehnung an Daten der IMF (2008).

[12] Vgl. FAO (2008a), S. 2.

[13] Vgl. FAO (2008b).

[14] Vgl. FAO (2008a), S. 13.

[15] Vgl. von Braun (2008), S. 5.

[16] Vgl. Handelsblatt (2008).

[17] Vgl. n-tv (2008).

[18] Vgl. von Braun (2008), S. 5.

[19] Vgl. Erber/Petrick/Schlippenbach (2008), S. 359.

[20] Vgl. Koester (2005), S. 203.

[21] Koester (2005), S. 346.

[22] Vgl. Koester (2005), S. 242-243.

[23] Vgl. Koester (2005), S. 184.

[24] Vgl. Anderegg (1999), S. 109.

[25] Vgl. Ott (1992) , S. 95.

[26] Vgl. Schwarz (2004), S. 19.

[27] Vgl. Kay (1998), S. 12.

[28] Vgl. Amtsblatt der Europäischen Union (2008), Artikel 39, Absatz 1, b.).

[29] Vgl. Loseby/Piccinini (2001), S. 4.

[30] Vgl. Schwarz (2004), S. 20.

[31] Vgl. Kay (1998), S. 12.

[32] Vgl. Kay (1998), S. 13.

[33] Vgl. Koester (2005), S. 347.

[34] Vgl. Krol, Schmid (2002), S. 401.

[35] Vgl. Koester (2005), S. 347-348.

[36] In Anlehnung an Cezanne (2005), S. 180.

[37] Vgl. Heertje/Wenzel (2008), S. 461.

[38] Vgl. Cezanne (2005), S. 180.

[39] Vgl. Koester (2005), S. 363.

[40] Vgl. Cezanne (2005), S. 180-181.

[41] Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (2005), S. 120-121.

[42] Vgl. Cezanne (2005), S. 181.

[43] Vgl. Schmitt (1988), S. 256.

[44] Vgl. Amtsblatt der Europäischen Union (2008), S. 16-17.

[45] Vgl. Schwarz (2004), S. 24.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836624442
DOI
10.3239/9783836624442
Dateigröße
378 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Münster – Wirtschaftswissenschaften, Volkswirtschaft
Erscheinungsdatum
2009 (Januar)
Note
1,7
Schlagworte
nahrungsmittelkrise agrarsubventionen biokraftstoffe lebensmittel
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