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Rechtmäßigkeit und Praktikabilität der Verkürzung des deutschen Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens

©2008 Bachelorarbeit 56 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Entschuldung von überschuldeten Verbrauchern ist in Deutschland nach einer 6jährigen Wohlverhaltensphase des Verbrauchers möglich. Ein Blick über die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der EU zeigt, dass in den meisten Mitgliedstaaten Regelungen zur Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung existieren. Es herrscht in den europäischen Rechtsordnungen die Vorstellung vor, dass es volkswirtschaftlich sinnvoll ist, Verbrauchern die Möglichkeit der Restschuldbefreiung zu geben. In einigen europäischen Ländern wie z.B. Frankreich und England ist die Restschuldbefreiung sehr viel schneller zu erreichen als in Deutschland. Um diesen möglicherweise als Vorteil empfundenen Umstand zu nutzen, muss der überschuldete Verbraucher seinen Lebensmittelpunkt (COMI) in den europäischen Mitgliedstaat verlagern, welcher durch die anderen Rechtsvorschriften im Vergleich zur deutschen Rechtsordnung die Verkürzung des Entschuldungszeitraums möglich macht.
Im Folgenden soll vor diesem Hintergrund zunächst das Verbraucher-insolvenzverfahren in Deutschland dargestellt und im Anschluss daran die europäische Gesetzgebung zur Verbraucherinsolvenz sowie ein kursorischer Überblick über die Rechtsordnungen in England und Frankreich aufgezeigt werden. Die Hypothese, dass die Restschuldbefreiung von Verbrauchern durch eine einfache Wohnsitzverlagerung in das gewünschte europäische Nachbarland in kurzer Zeit und ganz unproblematisch erreicht werden kann, soll untersucht und gezeigt werden, was hierzu ggf. notwendig ist und wo die Gefahren eines solchen Unterfangens liegen.
Die Möglichkeit einer kurzen Restschuldbefreiungsdauer erscheint verlockend. Im Ergebnis soll sich zeigen, ob dieser Möglichkeit ohne Schaden für die wirtschaftliche Existenz gefolgt werden kann oder ob es vielleicht doch besser ist, als deutscher Schuldner auf die deutsche Gesetzgebung zu vertrauen. Wie ergeht es dem unredlich handelnden Schuldner? Ist der Versuch, die Restschuldbefreiung in einem anderen europäischen Mitgliedstaat schneller als in Deutschland zu erreichen ggf. einfach nur fehlgeschlagen und kann in Deutschland dann nach deutschem Recht wiederholt werden oder tritt ein dauerhafter Schaden ein? Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
AbkürzungsverzeichnisII
EinleitungIII
1.Deutsches Insolvenzrecht1
1.1Entwicklung und Ziele1
1.2Insolvenzverfahren2
1.2.1Beteiligte2
1.2.2Insolvenzeröffnungsverfahren3
1.2.3Insolvenzverfahren5
1.2.4Besondere […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Claudia Jörn
Rechtmäßigkeit und Praktikabilität der Verkürzung des deutschen
Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens
ISBN: 978-3-8366-2394-0
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009
Zugl. Hochschule Magdeburg-Stendal (FH), Magdeburg, Deutschland, Bachelorarbeit,
2008
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2009

I
Inhaltsverzeichnis:
Seite
Abkürzungsverzeichnis...
II
Einleitung...
III
1. Deutsches Insolvenzrecht...
1
1.1. Entwicklung und Ziele...
1
1.2. Insolvenzverfahren...
2
1.2.1. Beteiligte...
2
1.2.2. Insolvenzeröffnungsverfahren...
3
1.2.3. Insolvenzverfahren...
5
1.2.4. Besondere Verfahrensarten...
6
2. Verfahrensart Verbraucherinsolvenz...
7
2.1. Anwendungsbereich/Allgemeines...
7
2.2. Verfahrensablauf...
7
2.2.1 Außergerichtlicher Einigungsversuch...
8
2.2.2. Gerichtliches Eröffnungs- und Schuldenbereinigungsverfahren...
10
2.2.3. Insolvenzverfahren im engeren Sinn ­ vereinfachtes Verfahren...
12
2.3. Restschuldbefreiungsverfahren...
14
2.3.1.
Zulassungsverfahren...
15
2.3.2.
Hauptverfahren/ Wohlverhaltensperiode...
16
3. Europäisches Insolvenzrecht...
18
3.1. Entwicklung...
18
3.2. Grundlegende Prinzipien des IIR...
19
3.3. Insolvenzverfahren in der EU...
20
3.3.1. Zuständigkeit...
20
3.3.2. Begrifflichkeiten in der EU...
22
3.4. Anerkennungsfähigkeit ausländischer Verfahren...
23
3.4.1. Prinzipielle Anerkennungsfähigkeit...
23
3.4.2. Englisches Verbraucherinsolvenzrecht...
25
3.4.3. Französiches Verbraucherinsolvenzrecht...
26

I
4. Praktikabilität der Restschuldbefreiung in Europa...
34
4.1. Rechtliche Voraussetzungen...
34
4.2. Praktische Umsetzung...
35
4.2.1. Begriff "COMI " - Center of main interests...
35
4.2.2. Wohnsitzbegründung und Wohnungsnahme...
37
4.2.3. Medienversorgung (Strom, Telefon, Tageszeitung, Geld)...
37
4.2.4. Redlicher Schuldner...
38
4.3. Kooperation von Insolvenzgerichten in Europa...
38
5. Zusammenfassung der Ergebnisse/ Fazit...
41
5.1 Rechtmäßigkeit der Verfahrensverkürzung ...
41
5.1.1. Darf ein Schuldner seinen Lebensmittelpunkt einfach verlagern?..
41
5.1.2. Darf ein Schuldner sein InsV in einem anderen Land anstrengen?.
42
5.1.3. Redlichkeitsgesichtspunkt...
42
5.2 Praktikabilität der Verfahrensverkürzung...
43
5.2.1. Wohnsitzverlagerung...
43
5.2.2. Arbeitsplatzverlagerung?...
43
5.2.3. Soziale Einbindung...
44
Schlussbemerkungen...
44
Literaturverzeichnis...
IV
3.4.4. Verlagerung des Lebensmittelpunktes (COMI) für Verbraucher...
27
3.4.4.1. Intention für eine Verlagerung...
27
3.4.4.2. Zeitpunkt einer Verlagerung ...
28
3.4.4.3. Kosten/Nutzenverhältnis einer Verlagerung...
30
3.4.4.4. Kostenerstattung durch Wen?...
31
3.4.4.5. Risiko einer Verlagerung...
32

II
Abkürzungsverzeichnis
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BerHG
Beratungshilfegesetz
COMI
center of main interests = Mittelpunkt der hauptsächlichen
Interessen des Schuldners
(Lebensmittelpunkt)
EGInsO
Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung
EGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
EUInsVO
Europäische Insolvenzverordnung
EUGH
Europäischer Gerichtshof
IIR
Internationales Insolvenzrecht
InsG
Insolvenzgericht
InsGl
Insolvenzgläubiger
InsR
Insolvenzrecht
InsO
Insolvenzordnung
InsV
Insolvenzverfahren
KO
Konkursordnung
RSB
Restschuldbefreiung
RSB-Verf.
Restschuldbefreiungsverfahren
StGB
Strafgesetzbuch
VerbrIns
Verbraucherinsolvenz
VerbrInsV
Verbraucherinsolvenzverfahren
ZPO
Zivilprozessordnung

III
Einleitung
Die Entschuldung von überschuldeten Verbrauchern ist in Deutschland nach einer
6jährigen Wohlverhaltensphase des Verbrauchers möglich. Ein Blick über die
Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der EU zeigt, dass in den meisten
Mitgliedstaaten Regelungen zur Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung
existieren. Es herrscht in den europäischen Rechtsordnungen die Vorstellung vor,
dass es volkswirtschaftlich sinnvoll ist, Verbrauchern die Möglichkeit der
Restschuldbefreiung zu geben. In einigen europäischen Ländern wie z.B.
Frankreich und England ist die Restschuldbefreiung sehr viel schneller zu
erreichen als in Deutschland. Um diesen möglicherweise als Vorteil empfundenen
Umstand zu nutzen, muss der überschuldete Verbraucher seinen Lebens-
mittelpunkt (COMI) in den europäischen Mitgliedstaat verlagern, welcher durch
die anderen Rechtsvorschriften im Vergleich zur deutschen Rechtsordnung die
Verkürzung des Entschuldungszeitraums möglich macht.
Im Folgenden soll vor diesem Hintergrund zunächst das Verbraucher-
insolvenzverfahren in Deutschland dargestellt und im Anschluss daran die
europäische Gesetzgebung zur Verbraucherinsolvenz sowie ein kursorischer
Überblick über die Rechtsordnungen in England und Frankreich aufgezeigt
werden. Die Hypothese, dass die Restschuldbefreiung von Verbrauchern durch
eine einfache Wohnsitzverlagerung in das gewünschte europäische Nachbarland
in kurzer Zeit und ganz unproblematisch erreicht werden kann, soll untersucht und
gezeigt werden, was hierzu ggf. notwendig ist und wo die Gefahren eines solchen
Unterfangens liegen.
Die Möglichkeit einer kurzen Restschuldbefreiungsdauer erscheint verlockend. Im
Ergebnis soll sich zeigen, ob dieser Möglichkeit ohne Schaden für die
wirtschaftliche Existenz gefolgt werden kann oder ob es vielleicht doch besser ist,
als deutscher Schuldner auf die deutsche Gesetzgebung zu vertrauen. Wie ergeht
es dem unredlich handelnden Schuldner? Ist der Versuch, die Restschuldbefreiung
in einem anderen europäischen Mitgliedstaat schneller als in Deutschland zu
erreichen ggf. einfach nur fehlgeschlagen und kann in Deutschland dann nach
deutschem Recht wiederholt werden oder tritt ein dauerhafter Schaden ein?

- 1 -
1.
Deutsches Insolvenzrecht
1.1.
Entwicklung und Ziele
Die neue Insolvenzordnung (im Folgenden: InsO) trat am 01.01.1999 in Kraft und
ist am 21. April 1994 vom Bundestag verabschiedet worden.
1
Mit Hilfe der InsO
können überschuldete Haushalte den vorhandenen Schuldenberg abbauen und
nach einigen anstrengenden Jahren die Freistellung von den restlichen Schulden
erreichen. Das der InsO zugrunde liegende Gesetzgebungsverfahren reicht bis in
das Jahr 1978 zurück.
2
Nach einem Gutachten zur Überschuldungssituation in
Deutschland zwischen 1988 und 1999 sind schätzungsweise 6,2 % der Haushalte
in Westdeutschland und 12,5 % der Haushalte in Ostdeutschland überschuldet.
3
Die InsO löste die bisherige Konkurs- bzw. Vergleichsordnung und die in den
neuen Bundesländern geltende Gesamtvollstreckungsordnung ab.
4
Insbesondere
die wirtschaftlichen Folgen der Ölkrise von 1973 brachten die Erkenntnis, dass
mit damalig geltendem Konkurs- und Vergleichsrecht aufgrund der vorhandenen
Massearmut der Insolvenzen die gestellten Aufgaben nicht mehr erfüllt werden
konnten.
5
Unter Geltung der alten Konkursordnung (im Folgenden: KO) stellte
die Abweisung mangels Masse den Regelfall in ca. 75 % der Verfahren dar.
6
Ziel
einer Insolvenzrechtsreform war im logischen Schluss dieser Erkenntnis, eine
vertretbare Anzahl von Verfahren zum erfolgreichen Abschluss zu bringen.
7
Der
erste Bericht der vom Bundestag eingesetzten Kommission für Insolvenzrecht (im
Folgenden: InsR) liegt aus dem Jahr 1985, der zweite Bericht aus dem Jahr 1986
vor. Im Jahr 1988 wurde dann der Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform
des InsR veröffentlicht. In dieses Zeitfenster fiel die Wiedervereinigung
Deutschlands, welche eine andere Insolventsrechtslage mit sich brachte. Die im
Beitrittsgebiet gültige Gesamtvollstreckungsordnung von 1975 wurde in über-
arbeiteter Fassung übernommen. Im Jahr 1992 dann wurde das förmliche Gesetz-
gebungsverfahren zur InsO eingeleitet und das Gesetz trat am 01.01.1999 in Kraft.
1
vgl. Breuer, W. (2003): Insolvenzrecht, Rz. 1
2
vgl. ebd.
3
vgl. Korczak, D. (2001): Überschuldung in Deutschland zwischen 1988 und 1999, S. XXV
4
vgl. Messner, O./Hofmeister, K. (2008): Endlich schuldenfrei, S. 3
5
vgl. Breuer, W. (2003). Insolvenzrecht, Rz. 1
6
vgl. Wimmer, K (Hrsg.) (2006): Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, § 16, Rz. 2
7
vgl. Fenger, H. (2005): Insolvenzrecht Schnell erfasst, S. 2

- 2 -
Durch die Reform gelang eine grundsätzlich neue Strukturierung und
Anreicherung des Insolvenzrechts um zahlreiche Elemente eines modernen InsR.
8
Die letzte Änderung erfolgte durch Gesetz vom 13.04.2007 mit Wirkung vom
01.07.2007.
9
Dem Ziel, möglichst viele Verfahren zum Abschluss zu bringen und nicht
mangels Masse abbrechen zu müssen, dient auch der neu eingeführte
Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit, d.h. wenn die Zahlungs-
pflichten zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit nicht erfüllt werden können.
Das Insolvenzverfahren (im Folgenden: InsV) dient nach § 1 InsO dazu, die
Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Ver-
mögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenz-
plan eine abweichende Regelung getroffen wird. Im Gegensatz zur Einzel-
zwangvollstreckung der Zivilprozessordnung (im Folgenden: ZPO), die zur
Befriedigung eines einzelnen Gläubigers führt, werden im InsV alle Schulden
durch eine quotale Befriedigung der Gläubiger bereinigt.
10
Die Gläubiger sind in
einem Kollektiv, einer Insolvenzgläubiger-Interessengemeinschaft (im Folgenden:
InsGl) vereinigt.
11
Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von
seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Es werden alle persönlichen
Gläubiger, egal ob die Forderung tituliert ist oder nicht, oder wann sie entstanden
ist, anhand einer ermittelten Quote befriedigt.
12
1.2.
Insolvenzverfahren
1.2.1.
Beteiligte
Verfahrensbeteiligt in einem InsV sind die folgenden Parteien:
- der Schuldner,
- das Insolvenzgericht (im Folgenden: InsG),
- der Insolvenzverwalter,
- die Gläubiger,
- der Gläubigerausschuss und
8
vgl. Schulte, J. (2001): Die europäische Restschuldbefreiung, S. 9
9
vgl. BGBl. I S. 509
10
vgl. Fenger, H. (2005): Insolvenzrecht Schnell erfasst, S. 2
11
vgl. Schulz, D. (2003): Treuepflichten unter Insolvenzgläubigern, Rz. 142
12
vgl. Fenger, H. (2005): Insolvenzrecht Schnell erfasst, S. 2

- 3 -
- die Gläubigerversammlung.
Nach § 11 I InsO kommt als Schuldner jede natürliche oder juristische Person in
Betracht. Zu den natürlichen Personen gehören alle rechtsfähigen Personen, was
auch Minderjährige oder Geschäftsunfähige einschließt.
13
Der nicht rechtsfähige
Verein steht nach § 11 I S. 2 InsO einer juristischen Person gleich. Nach § 11 II
Nr. 1 InsO kommen als Schuldner auch Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit
z.B. Kommanditgesellschaft sowie nach § 11 II Nr. 2 InsO der Nachlass über das
Gesamtgut einer (fortgesetzten) Gütergemeinschaft in Betracht.
Nach § 2 I InsO ist für das InsV als InsG zuständig das Amtsgericht, in dessen
Bezirk ein Landgericht seinen Sitz hat. Die Amtsgerichte sind somit sachlich
ausschließlich zuständig für alle Aufgaben, die dem InsG zugewiesen werden.
14
Örtlich zuständig ist nach § 3 I InsO das InsG, in dessen Bezirk der Schuldner
seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
15
Zum Insolvenzverwalter ist nach § 56 I InsO eine für den jeweiligen Einzelfall ge-
eignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem
Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen. Die Benennung wird nach
§ 27 I InsO bei Eröffnung des InsV durch das InsG vorgenommen.
Gläubiger in einem InsV sind nach § 38 I InsO die Personen, die einen zur Zeit
der Eröffnung des InsVs begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner
haben. Vor der ersten Gläubigerversammlung kann das InsG einen vorläufigen
Gläubigerausschuss (§ 67 I InsO), welcher ein fakultatives Organ ist, einsetzen.
16
Über die Einberufung der Gläubigerversammlung als oberstes Selbstverwaltungs-
organ beschließt nach §§ 74, 75 InsO das InsG auf Antrag.
1.2.2.
Insolvenzeröffnungsverfahren
Das InsV wird gem. § 13 I InsO nur auf schriftlichen Antrag des Schuldners oder
eines Gläubigers eröffnet. Der Grundsatz der Privatautonomie wonach es jedem
Einzelnen überlassen sein soll, seine Lebensverhältnisse selbstbestimmt zu
gestalten
17
, beschränkt die Entscheidungsgewalt zur Beantragung eines InsVs
13
vgl. Breuer, W. (2003). Insolvenzrecht, Rz. 53
14
vgl. Gottwald, P. (Hrsg.)/ Gerhardt, W. (2001): Insolventsrechts-Handbuch § 17 Rdn. 4
15
vgl. Breuer, W. (2003). Insolvenzrecht, Rz. 63
16
vgl. ebd. Rz. 104
17
vgl. Schade, P. (2003): Grundgesetz mit Kommentierung, Art. 2, S. 22

- 4 -
folgerichtig auf Gläubiger bzw. Schuldner und schließt eine Verfahrenseröffnung
durch fremde Dritte z.B. von Amts wegen aus.
18
Auch sichert das Antragsprinzip
durch die notwendigerweise vorzulegende Bescheinigung einer außergerichtlichen
Einigung/Sanierung, dass im Vorfeld genau von dieser Möglichkeit Gebrauch
gemacht werden konnte.
19
Der Antrag auf Eröffnung einer Insolvenz stellt mithin
die wohl letzte Möglichkeit dar, auf geordnetem Wege die Gläubiger einer
Existenz zu befriedigen. Im Fall der Antragstellung durch eine natürliche Person
über ihr Vermögen ist nach § 4 InsO i.V.m. § 51 ZPO deren uneingeschränkte
Geschäfts- und Prozessfähigkeit Voraussetzung.
20
Nach § 14 InsO ist der Antrag eines Gläubigers zulässig, wenn der Gläubiger ein
rechtliches Interesse an der Eröffnung des InsVs hat und seine Forderung und den
Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Dieses Interesse des Gläubigers ist grund-
sätzlich gegeben. Sollte jedoch der Gläubiger auf einfache und zweckmäßigere
Art und Weise die Befriedigung erreichen können, ist davon nicht auszugehen.
21
Dies dürfte immer dann zu bejahen sein, wenn die Forderung des Gläubigers z.B.
durch Bürgschaften, Pfandrechte etc. gesondert abgesichert ist.
Die Eröffnung des InsVs setzt nach § 16 InsO voraus, dass ein Eröffnungsgrund
gegeben ist. Die wesentlichen Insolvenzgründe enthalten die §§ 17 ­ 19 der InsO.
Es sind Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18
InsO) und Überschuldung (§ 19 InsO). Besondere Eröffnungsgründe finden sich
im Zehnten Buch der InsO.
22
Diese beziehen sich auf die Eröffnung des InsVs
über einen Nachlass, der fortgesetzten Gütergemeinschaft und das Gesamtgut
einer Gütergemeinschaft. Den speziellen Insolvenzgrund der Überschuldung
kennt das Verbraucherinsolvenzverfahren (im Folgenden: VerbrInsV) nicht.
23
Auf
die Verfahrensart Verbraucherinsolvenz wird im Pkt. 2 dieser Arbeit gesondert
eingegangen.
18
vgl. Gottwald, P./ Gerhardt, W. (2001): Insolvenzrechts-Handbuch § 4 Rdn. 1
19
vgl. ebd.
20
vgl. Breuer, W. (2003). Insolvenzrecht, Rz. 116
21
vgl. Fenger, H. (2005): Insolvenzrecht Schnell erfasst, S. 20
22
vgl. Wimmer, K (Hrsg.) (2006): Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, § 16, Rz. 1
23
vgl. Hoffmann, H. (2002): Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung, S. 57

- 5 -
1.2.3.
Insolvenzverfahren
Nach § 80 InsO geht durch die Eröffnung des InsVs das Recht des Schuldners,
das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu
verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Hierdurch soll sichergestellt werden,
dass die Sicherung des Schuldnervermögens erfolgt und alle Gläubiger
gleichmäßig befriedigt werden.
24
Wurde nach § 22 I InsO ein vorläufiger
Insolvenzverwalter bestellt, so wird damit die o.g. Rechtsfolge des § 80 InsO auf
den Zeitpunkt der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters vorverlagert.
Der Schuldner verliert damit seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über
sein Vermögen, nicht jedoch seine Rechts- und Geschäftsfähigkeit und die
Eigentümereigenschaft über die zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstände.
25
Im Eröffnungsbeschluss sind nach § 28 InsO die Gläubiger aufzufordern, ihre
Forderungen innerhalb einer bestimmten Frist unter Beachtung des § 174 InsO
beim Insolvenzverwalter anzumelden und ihre Sicherungsrechte an beweglichen
Sachen oder an Rechten des Schuldners in Anspruch zu nehmen.
Nach § 35 InsO erfasst das InsV das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur
Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens
erlangt (= Insolvenzmasse). Im Gegensatz zur vormals geltenden KO wird damit
auch das Vermögen der Insolvenzmasse zugeordnet, welches der Schuldner im
Laufe des InsV erlangt.
26
Nicht jedoch zur Insolvenzmasse gehört die Arbeitskraft
des Schuldners, die berufliche Selbstbestimmung des Schuldners bleibt erhalten.
27
Mit dieser Regelung wird wiederum dem Grundsatz der Gleichbehandlung der
InsGl im Verlauf des InsV Rechnung getragen. Es wird ausgeschlossen, dass sich
neue Gläubiger an z.B. laufenden Gehaltszahlungen befriedigen. Der
Insolvenzverwalter hat nach § 148 InsO nach der Eröffnung des InsVs das
gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen sofort in Besitz und
Verwaltung zu nehmen. Die sofort nach Insolvenzeröffnung zu eruierende Masse
wird gemeinhin hilfreich als Ist-Masse bezeichnet. Diese Ist-Masse hat der
24
vgl. Wimmer, K (Hrsg.) (2006): Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, § 80, Rz. 2
25
vgl. Breuer, W. (2003). Insolvenzrecht, Rz. 219
26
vgl. Wimmer, K (Hrsg.) (2006): Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, § 35, Rz. 2
27
vgl. Grabau, F.R., Miehe, U. (2006): Die neue insolvenzfreie Tätigkeit einer natürlichen Person
als Chance für einen wirtschaftlichen Neuanfang?, Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-
insolvenz, Nr. 6/2006, S. 233

- 6 -
Verwalter, sofern notwendig, durch Freigabe von Gegenständen bzw. Aufnahme
von neuen Gegenständen anzupassen.
28
In der Literatur finden sich gegensätzliche
Auffassungen zur Zusammensetzung der Ist- und Soll-Masse und den Rechten des
Verwalters in diesem Zusammenhang.
29
Überzeugend erscheint die Auffassung,
dass zur Wahrung der Menschenwürde und der Arbeitsmotivation des Schuldners,
die Hinzuziehung des unpfändbaren Anteils an laufendem Arbeitseinkommen
durch den Insolvenzverwalter zur Soll-Masse und eine erst nachträgliche
Auszahlung an den Schuldner nicht praktikabel und sinnvoll ist.
30
Nach § 28 III InsO sind die Personen, die Verpflichtungen gegenüber dem
Schuldner haben, aufzufordern, nicht mehr an den Schuldner zu leisten, sondern
an den Verwalter. Wird die Leistung doch an den Schuldner erbracht, so wird der
Leistende nach § 82 S. 1 InsO von seiner Verbindlichkeit nur dann befreit, wenn
er zur Zeit der Leistung die Eröffnung des Verfahrens nicht kannte oder die
Leistung in die Masse eingegangen ist.
31
1.2.4.
Besondere Verfahrensarten
Die InsO sieht in den Abschnitten 7 ­ 10 als besondere Verfahrensarten die
Eigenverwaltung, die Restschuldbefreiung (im Folgenden: RSB), das VerbrInsV
und das Insolvenzplanverfahren vor. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird
ausschließlich
auf
die
Verfahrensarten
Verbraucherinsolvenz
sowie
Restschuldbefreiungsverfahren (im Folgenden: RSB-Verf.) eingegangen (ab Pkt.
2. der vorliegenden Arbeit).
28
vgl. Gottwald, P./ Gerhardt, W. (2001): Insolvenzrechts-Handbuch § 24 Rz. 4
29
vgl. Grote, H. (2000) : Einkommensverwertung und Existenzminimum des Schuldners in der
Verbraucherinsolvenz, Rz. 119
30
vgl. ebd. Rz. 120
31
vgl. Breuer, W. (2003). Insolvenzrecht, Rz. 236

- 7 -
2.
Verfahrensart Verbraucherinsolvenz
2.1.
Anwendungsbereich/Allgemeines
Der neunte Teil der InsO enthält die Verfahrensart der Verbraucherinsolvenz.
Diese Verfahrensart, auf Vorschlag des Rechtsauschusses des Bundestages
eingeführt, unterscheidet sich vom bisherigen InsR erheblich.
32
In der
gerichtlichen Praxis spielten bis zu dem Zeitpunkt der Einführung des VerbrInsV
Privatinsolvenzen
keine
Rolle.
33
Die
gesetzlichen
Regelungen
zur
Verbraucherinsolvenz (im Folgenden: VerbrIns) enthalten die §§ 304 ff. InsO.
Nach § 304 InsO kann grundsätzlich ein Schuldner, der eine natürliche Person ist
und keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt oder ausgeübt hat, dieses
Verfahren anwenden. Nach § 304 S. 2 InsO kann auch ein Schuldner, der eine
selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat, das VerbrInsV anwenden,
wenn seine Vermögensverhältnisse überschaubar sind und gegen ihn keine
Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen. Überschaubar sind die
Vermögensverhältnisse eines Schuldners nach § 304 II InsO dann, wenn der
Schuldner zu dem Zeitpunkt, zu dem der Antrag auf Eröffnung des InsV gestellt
wird, weniger als 20 Gläubiger hat.
2.2.
Verfahrensablauf
Dieses Verfahren ist focussiert auf eine Lösung vor Eröffnung des InsVs durch
Annahme eines Schuldenbereinigungsplans und Einigung zwischen Schuldner
und Gläubiger(n).
34
Es ergibt sich aus dem Gesetz heraus der Vorrang einer
außergerichtlichen Einigung zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern.
35
Das Verfahren läuft in 3 Stufen ab:
- zuerst muss der obligatorische außergerichtliche Einigungsversuch
unternommen werden,
32
vgl. Wimmer, K (Hrsg.) (2006): Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, Vorb. § 304,
Rz. 1
33
vgl. Hoffmann, H. (2002): Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung, S. 43
34
vgl. Wimmer, K (Hrsg.) (2006): Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, § 304 Rz. 2
35
vgl. Hoffmann, H. (2002): Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung, S. 43

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2008
ISBN (eBook)
9783836623940
DOI
10.3239/9783836623940
Dateigröße
495 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Magdeburg-Stendal; Standort Magdeburg – Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2008 (Dezember)
Note
1,3
Schlagworte
verbraucherinsolvenz insolvenzrecht restschuldbefreiung insolvenzgericht comi
Produktsicherheit
Diplom.de
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Titel: Rechtmäßigkeit und Praktikabilität der Verkürzung des deutschen Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens
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