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Flächenversiegelung im Emscherraum

Auswirkungen auf den Gewässerhaushalt und mögliche Steuerungsmaßnahmen

©2008 Bachelorarbeit 66 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Der Grundlegende Gedanke, meine Bachelorarbeit „Flächenversiegelung im Emscherraum - Auswirkungen auf den Gewässerhaushalt und möglichen Steuerungsmaßnahmen“ zu schreiben, entstand im Rahmen der Teilnahme zum Seminar „Umgang von Kommunen mit natürlichen Ressourcen mit besonderer Berücksichtigung von Boden und Regenwasser.“ Für die Bearbeitung des Themas hat mir freundlicherweise die Emschergenossenschaft eine kleine Auswahl an Materialien bereit gestellt und darüber hinaus einen Zugang zum Bewirtschaftungsinformationssystem (BIS/RW) ermöglicht. Des weiteren durfte ich auf dem Gelände der Ardey-Qulle GmbH und Co. KG, in Dortmund Derne, einige Fotos von der Regenwasserbewirtschaftungsanlage machen und erhielt darüber hinaus Informationen und Materialien zu diesem Projekt. Mit der folgenden Einleitung sollen erste Wechselwirkungen der stetig voranschreitenden Flächeninanspruchnahme mit dem Gewässerhaushalt veranschaulicht werden.
Am 29.07.2008 wurden die Dortmunder Stadtteile Dorstfeld und Marten von einem Starkregenereignis getroffen, welches an der Niederschlagsmessstation in Dortmund Marten mit 102 mm, in zwei Stunden (!), gemessen wurde (normal sind 80 mm für den ganzen Juli). Dieser Wert entspricht der höchsten jemals registrierten Messung eines Starkregenereignisses der erwähnten Messstation. Das lokale Niederschlagsereignis lag sogar über dem, was theoretisch alle 100 Jahre einmal zu erwarten ist. Aus der Abbildung 1 geht hervor das zwei angelegte Rückstaubecken, seitlich des Rossbaches, voll gelaufen sind und das Wasser seinen Weg in die angrenzende Siedlungsfläche fortgesetzt hat. Die lokalen Pumpwerke förderten rd. 6.000 l/s, wurden jedoch teilweise ebenfalls vom Hochwasser (bis zu 1.50 m über Geländeniveau) erfasst. Nach Aussagen der Emschergenossenschaft konnte im weiteren Verlauf der Emscherregion diese Hochwasserwelle, trotz teilweise bis zur Krone gefüllter Deiche, schadlos abgeführt werden. Innerhalb weniger Stunden erreichte das Hochwasser das Emscherklärwerk in Dinslaken und wurde in den Rhein abgeführt. Laut Raimund Echterhoff, Vorstandsmitglied der Emschergenossenschaft, werden sich „olche lokalen Starkregenereignisse aufgrund des Klimawandels häufen. Umso wichtiger sind Programme wie eine sinnvolle Regenwasserbewirtschaftung und der Ausbau von Hochwasserrückhalteflächen, wie z.B. der Bau des Hochwasserrückhaltebeckens in Dortmund-Mengede / […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Vorwort

1 Einführung

2 Kennzeichnung des Arbeitsgebiets der Emscher
2.1 Geographische Lage, Größe und Gestalt
2.2 Klima und Gewässer
2.3 Mensch, Siedlung und Wirtschaft

3 Entwicklung der Flächenversiegelung7
3.1 Grundlegende Definition
3.1.1 Flächenversiegelung
3.1.2 Siedlungs- und Verkehrsfläche
3.2 Probleme im Zusammenhang mit der Flächenerhebung
3.3 Angaben zur Nutzung der Bodenoberfläche in der BRD und NRW
3.3.1 Einführung
3.3.2 Siedlungs- und Verkehrsfläche in der BRD und NRW
3.3.3 Daten zur täglichen Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche
3.3.4 Daten zur Flächenversiegelung innerhalb der Siedlungs- und Verkehrsfläche

4 Technische Infrastruktur
4.1 Konventionelle Stadtentwässerung
4.2 Entwässerungskomfort versus Kriterien der Nachhaltigkeit
4.2.1 Entwässerungskomfort der konventionellen Entwässerung
4.2.2 Verschärfung der Niedrig- und Hochwasserproblematik
4.2.3 Zustand der Kanalisation in Deutschland
4.2.4 Steigende Abwassergebühren und wasserwirtschaftliche Ziele
4.3 Hochwasser-Aktionsplan Emscher (HWAP)

5 Gewässerhaushalt im Emscherraum
5.1 Einleitung
5.2 Unterschiede zwischen einem natürlichen und städtischen Wasserkreislauf
5.2.1 Natürlicher Wasserkreislauf
5.2.1.1 Niederschlagskomponente
5.2.1.2 Verdunstungskomponente
5.2.1.3 Abflusskomponente
5.2.2 Städtischer Wasserkreislauf
5.3 Gewässerhaushalt der Emscher sowie der Nebenflüsse
5.3.1 Einheitliche Ziele zum Gewässerschutz im Rahmen der
5.3.2 Gewässergüte
5.3.3 Gewässerstrukturgüte
5.3.4 Abwassereinleitungsquellen des Emscher-Systems
5.3.4.1 Details zur Abwassersituation
5.3.4.2 Regenwassereinleitungen
5.3.4.3 Gruben- und Sümpfungswassereinleitungsmengen
5.4 Grundwassersituation im Emscherraum
5.4.1 Definition Grundwasser
5.4.2 Einführung
5.4.3 Wechselwirkung der SuV mit dem Grundwasser
5.4.3.1 Art der Nutzung und mögliche Auswirkungen anhand eines aktuellen Beispiels
5.4.3.2 Störungen im Grundwasserhaushalt

6 Naturnahe Regenwasserbewirtschaftung im Bearbeitungsgebiet
6.1 Einleitung
6.2 Was bedeutet Naturnahe Regenwasserversickerung?
6.3 Grundlegende Planungsvoraussetzungen
6.3.1 Niederschlags
6.3.2 Bodeneigenschaften
6.3.3 Hydrogeologische Eigenschaften
6.3.4 Flächen mit Bodenbelastungen
6.4 Rechtliche Grundlagen
6.4.1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG)
6.4.2 Landeswassergesetz (LWG) NRW sowie das Baugesetzbuch (BauGB)
6.5 Ausgewählte Beispiele für Versickerungsanlagen
6.5.1 Versickerung ohne Speicherung -Flächenversickerung-
6.5.2 Versickerung mit oberirdischer Speicherung -Muldenversickerung-
6.5.3 Versickerung mit unterirdischer Speicherung -Rigolenversickerung-
6.6 Fallbeispiel Gewerbegebiet Flautweg in Dortmund-Derne (Ardey-Quelle)
6.6.1 Einleitung
6.6.2 Ziele
6.6.3 Versickerungskonzept
6.6.4 Überwachung des Projektes
6.6.5 Wasserbilanz
6.6.6 Fazit
6.7 Ausgewählte Projekte in der Emscherregion
6.7.1 Zukunftsvereinbarung Regenwasser
6.7.2 Das Bewirtschaftungsinformationssystem (BIS/RW)
6.7.3 Route des Regenwassers

7 Ausblick

8 Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Luftbild vom Hochwasser am 29.7.2008 in Dortmund Marten

Abbildung 2: Übersichtskarte zum Arbeitsgebiet der Emschergenossenschaft

Abbildung 3: Bevölkerungsentwicklung im Ruhrgebiet von 1871 bis 2005

Abbildung 4: Flächeninanspruchnahme in Deutschland von 1993 bis 2006

Abbildung 5: Versiegelungsgrad unterschiedlicher Bebauungstypen nach Autoren

Abbildung 6: Entwicklung der Versiegelung im Emschergebiet von 1950 bis 1990er

Abbildung 7: Befestigungsgrade einzelner Städte der Emscherregion

Abbildung 8: Abflussspenden [l/(s km²)] für Hoch- und Niedrigwasser bei unterschiedlicher Bebauung

Abbildung 9: Hochwasserabflüsse der Emscher am Pegel Königsstraße

(bereinigt um den Schmutzwasseranteil) von 1950 bis 2000

Abbildung 10: Hochwasserschutzgrade an der Emscher

Abbildung 11: Hochwasserereignis HW100 mit ausgewählten Deichversagen

Abbildung 12: Transportkomponenten des natürlichen Wasserkreislaufs

Abbildung 13: Wasserhaushaltscharakteristik befestigter und unbefestigter Flächen

Abbildung 14: Auswirkungen der Versiegelung auf den Wasserhaushalt

Abbildung 15: Gewässergüteklassen der Emscher und der Nebengewässer

Abbildung 16: Gewässerstrukturgüteklassen der Emscher und der Nebenläufe

Abbildung 17: TOC-Frachten aus kommunalen und industriellen Einleitungen in NRW

Abbildung 18: Gestörte Vorflut am Groppenbach

Abbildung 19: Simulation „Abgedichtete Kanäle“ auf Bottroper Stadtgebiet

Abbildung 20: Qualitätsbewertung von Niederschlagsabflüssen

Abbildung 21: Verfahren der Regenentwässerung, Anwendungs- möglichkeiten und -grenzen

Abbildung 22: Schema einer Flächenversickerungsanlage

Abbildung 23: Schematischer Aufbau einer Muldenversickerung

Abbildung 24: Bau einer Rigolenversickerung

Abbildung 25: Dezentrale Regenwasserbewirtschaftung im Gewerbegebiet Flautweg

Abbildung 26: Anordnung der Muldenkaskaden in der Ausgleichsfläche

Abbildung 27: Beispielhafte Ansicht des Bewirtschaftungs- Informationssystems

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Siedlungs- und Verkehrsfläche der BRD nach Nutzungsarten 2004

Tabelle 2: Vergleich der SuV 2005 von Deutschland und NRW

Tabelle 3: Gesplittete Abwassergebührensätze in EURO für Privathaushalte

Tabelle 4: Abwassergebühren im Jahr in EURO bei 200 m³ Frischwasser verbrauch und 130 m² vollversiegelte Fläche

Tabelle 5: Anlagen der Emschergenossenschaft (Stand 30.06.2005)

Tabelle 6: Statistische Abflusswerte der Emscher

Tabelle 7: Grubenwasser- und Chlorid Einleitungsmengen im Jahr 2001

Tabelle 8: Wasserbilanz der Bewirtschaftungsmaßnahme am Flautweg

Anlage

Anlage 1: Trinkwasser- und Heilquellenschutzgebiete

Quelle: http://www.staedteregion-ruhr-2030.de/cms/shared/datei_download.php?uid=83d3530ce80130d17ba97295e2d55ea1

Anlage 2: Flächen mit Bodenbelastungen oder Bodenbelastungsverdacht

Quelle: http://www.staedteregion-ruhr-2030.de/cms/shared/datei_download.php?uid=9e089b348556f104b8e9eec775d1ab41

Anlage 3: Fliesschema der Muldenversickerung im Gewerbegebiet Flautweg

Quelle: Kaiser 1996:

Vorwort

Der Grundlegende Gedanke, meine Bachelorarbeit “Flächenversiegelung im Emscherraum - Auswirkungen auf den Gewässerhaushalt und möglichen Steuerungsmaßnahmen“ zu schreiben, entstand im Rahmen der Teilnahme zum Seminar “Umgang von Kommunen mit natürlichen Ressourcen mit besonderer Berücksichtigung von Boden und Regenwasser.“ Für die Bearbeitung des Themas hat mir freundlicherweise die Emschergenossenschaft eine kleine Auswahl an Materialien bereit gestellt und darüber hinaus einen Zugang zum Bewirtschaftungsinformationssystem (BIS/RW) ermöglicht. Des weiteren durfte ich auf dem Gelände der Ardey-Qulle GmbH und Co. KG, in Dortmund Derne, einige Fotos von der Regenwasserbewirtschaftungsanlage machen und erhielt darüber hinaus Informationen und Materialien zu diesem Projekt. Mit der folgenden Einleitung sollen erste Wechselwirkungen der stetig voranschreitenden Flächeninanspruchnahme mit dem Gewässerhaushalt veranschaulicht werden.

1. Einleitung

Am 29.07.2008 wurden die Dortmunder Stadtteile Dorstfeld und Marten von einem Starkregenereignis getroffen, welches an der Niederschlagsmessstation in Dortmund Marten mit 102 mm, in zwei Stunden (!), gemessen wurde (normal sind 80 mm für den ganzen Juli). Dieser Wert entspricht der höchsten jemals registrierten Messung eines Starkregenereignisses der erwähnten Messstation. Das lokale Niederschlagsereignis lag sogar über dem, was theoretisch alle 100 Jahre einmal zu erwarten ist. Aus der Abbildung 1 geht hervor das zwei angelegte Rückstaubecken, seitlich des Rossbaches, voll gelaufen sind und das Wasser seinen Weg in die angrenzende Siedlungsfläche fortgesetzt hat. Die lokalen Pumpwerke förderten rd. 6.000 l/s, wurden jedoch teilweise ebenfalls vom Hochwasser (bis zu 1.50 m über Geländeniveau) erfasst. Nach Aussagen der Emschergenossenschaft konnte im weiteren Verlauf der Emscherregion diese Hochwasserwelle, trotz teilweise bis zur Krone gefüllter Deiche, schadlos abgeführt werden. Innerhalb weniger Stunden erreichte das Hochwasser das Emscherklärwerk in Dinslaken und wurde in den Rhein abgeführt. Laut Raimund Echterhoff, Vorstandsmitglied der Emschergenossenschaft, werden sich „solche lokalen Starkregenereignisse aufgrund des Klimawandels häufen. Umso wichtiger sind Programme wie eine sinnvolle Regenwasserbewirtschaftung und der Ausbau von Hochwasserrückhalteflächen, wie z.B. der Bau des Hochwasserrückhaltebeckens in Dortmund-Mengede / Castrop-Rauxel-Ickern.“

Abb. 1: Luftbild vom Hochwasser am 29.7.2008 in Dortmund Marten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: www.ruhrnachrichten.de [09.08.2008]

2 Kennzeichnung des Arbeitsgebiets der Emscher

2.1 Geographisch Lage, Größe und Gestalt

Zur Kennzeichnung des Arbeitsgebiets der Emscher (siehe Abb. 2) bediene ich mich dem länderkundlichen Schema nach Hettner, ausgehend von der Geographischen Lage, Größe und Gestalt. Das Arbeitsgebiet der Emscher befindet sich im Bundesland NRW und ist ein Teil der Flussgebietseinheiten Rhein und Niederrhein, zurückzuführen auf die EU-WRRL und deren Bewirtschaftungspläne. Es erstreckt sich über die Planungsbereiche der Regierungsbezirke Münster, Arnsberg, Düsseldorf und berührt vier Flächenkreise (Kreis Recklinghausen, Kreis Wesel, Ennepe-Ruhr-Kreis und Kreis Unna) sowie 9 kreisfreie Städte (Dortmund, Herne, Bochum, Gelsenkirchen, Bottrop, Essen, Mülheim a. d. Ruhr, Oberhausen und Duisburg). Die Größe des oberirdischen Einzugsgebiets beträgt 858,3 km² (vgl. MUNLV 2005: Tab. 1.2-3)[1]. Zur Geologie und den Oberflächenformen lässt sich sagen, dass das Gebiet oberflächennah vorwiegend aus Löss- oder älteren quartären Sedimenten besteht, welche auf dem Deckgebirge der Kreide sowie den teilweise kohleführenden Karbon-Schichten lagern.

Abb. 2 Übersichtskarte zum Arbeitsgebiet der Emschergenossenschaft

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: MUNLV 2005: Abb. 1.1-2

2.2 Klima und Gewässer

Der durchschnittliche Jahresniederschlag im Arbeitsgebiet liegt bei rd. 800 mm. Das Gewässernetz setzt sich neben der Emscher selbst, aus weiteren 27 Fließgewässern und zwei Schifffahrtskanälen (Rhein-Herne-Kanal und Dortmund-Ems-Kanal) zusammen. Bedeutende Zuläufe im Oberlauf sind der Hörder Bach und der Rüpingsbach, im Mittellauf der Hüller Bach, Schwarzbach sowie die Boye und im Unterlauf die Berne sowie der Handbach. Die Emscher hat insgesamt eine Länge von 83,179 km, wobei sich die Emscherquelle in Dortmund am Emscherquellhof bei Holzwickede auf einer Höhe von 144 m ü. NN befindet. Die heutige Mündung in den Rhein liegt, nachdem sie im 20. Jahrhundert aufgrund von Bergbauschäden des Bodenuntergrunds zweimal nördlich verlegt wurde, bei Dinslaken- Eppinghoven 20 m ü. NN (mittleres Gefälle 1,5 %). Das gesamte Emscher-System besteht aus 650 km Fließgewässern, von denen rd. 356 km zu offenen Abwasserkanälen konzipiert wurden, welche von der Emschergenossenschaft betrieben werden. Bereits um 1800, als nur etwa 100.000 Menschen in der gekennzeichneten Region lebten, kam es zu regelmäßigen Frühjahrshochwassern der Emscher, welche sich noch in einem natürlichen Flussbett befand aber aufgrund des geringen Gefälles immer wieder weitreichende Flächen überschwemmte (Emschergenossenschaft1)[2]. Dieser Sachverhalt verdeutlicht, dass die Emscher auch ohne anthropogene Beeinflussung bis zu diesem Zeitpunkt von zyklischen Hochwassersituationen heimgesucht wurde. Das bisher höchste gemessene Hochwasser (Pegel Königstraße Oberhausen) datiert aus dem Jahr 1981 mit einem Hochwasser-Scheitelabfluss von 245 m³/s (Geiger 2001: 5), wobei der mittlere Abfluss (MQ) an gleicher Stelle nur etwa 16,3 m³/s beträgt. Dem Hochwasser-Aktionsplan Emscher nach, wird ein 100-jährliches Hochwasserereignis (HW100) mit 317 m³/s und ein 200-jährliches mit 349 m³/s im Mündungsbereich bemessen.

2.3 Mensch, Siedlung und Wirtschaft

Mit der steigenden Nachfrage nach Kohle und der daraus resultierenden Industrialisierung, der Flöze in die Tiefe und nach Norden folgend, wurde die Emscherregion binnen weniger Jahrzehnte fast vollständig anthropogen überprägt. Als Folge der Industrialisierung (Montanindustrie) entwickelten sich schwerwiegende ökologische, demographische sowie (hydro-) geologische Probleme mit z.T. bis heute anhaltenden Auswirkungen. Aufgrund des Untertagebaus unterlag der Emscherraum permanenten Bergsenkungen, so dass die Entsorgung der Abwässer, der zahlreich entstandenen Industrien, über eine geschlossene unterirdische Kanalisation nicht umzusetzen war. Die Absenkungen der Bergbauaktivitäten halten bis heute an und sind im Millimeter- Bereich an entsprechenden stellen messbar. Schlussfolgernd mussten die hoch dimensionierten Abwässer über ein offenes Ableitungssystem entsorgt werden, so dass eine Vielzahl von Fließgewässern zu Schmutzwasserläufen konzipiert wurden. Bezüglich der Demographie kam es vor allem zu Beginn des 19. Jh. zu einem explosionsartigem Bevölkerungsanstieg wie die Abbildung 3 sehr anschaulich demonstriert. Gekoppelt mit den naturgemäß auftretenden Hochwassersituationen kam es mehrmals zu großen hygienischen Missständen (Cholera- und Typhusepidemien), wie z.B. 1900 in Bochum oder 1901 in Gelsenkirchen (Geiger 2001: S. 3).

Abb. 3: Bevölkerungsentwicklung im Ruhrgebiet von 1871 bis 2005

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Regionalverband Ruhr

Mit der Gründung der Emschergenossenschaft im Jahre 1899 und der Aufstellung eines Wasserplans wurden weitere Gefahren abgewährt. Ferner wurden über 20 Kläranlagen gebaut, Pumpwerke sowie Deiche errichtet und man befestigte die Emscher und die Zuläufe in Trapezförmigen Sohlschalen, um sie so auf einen größtmöglichen Abfluss hin zu optimieren. (vgl. EG²: 5). Der zeitgleich stattfindende Bau einer zusammenhängenden Mischkanalisation ermöglichte eine fortwährende Steigerung der Bevölkerungs- und Industriedichte in den großen Städten des Arbeitsgebietes der Emschergenossenschaft und erhöhte somit im gleichen Umfang die kommunalen und industriellen Einleitungen von Abwässern in die Emscher. Im Rahmen der EU-WRRL, welche am 22. Dezember 2000 in Kraft trat, wurde die Gewässergüte der Emscher als übermäßig verschmutzt und somit der niedrigsten Güteklassifizierung (IV)[3] zugeordnet (MUNLV 2005: 2.1.3.2). Von den insgesamt 341 km Wasserläufe sind 305 km als Schmutzwasserläufe und lediglich 36 km als Reinwasserläufe konzipiert (z.B. der renaturierte Oberlauf des Deininghauser Baches mit der Gewässergüte II-III). Heute leben im Bearbeitungsgebiet ca. 2,3 Millionen Einwohner, wobei die drei zentralen Kläranlagen (Dortmund- Deusen, Bottrop und Klärwerk Emschermündung) auf eine Gesamtkapazität von ca. 4,8 Mio. Einwohnerwerten (EW) ausgelegt sind (vgl. EG3). Infolge von flächendeckend hohen Bevölkerungsdichten im Emscherraum (Herne: 3276 Einwohner pro km²) (siehe LDS NRW) und des hohen Versiegelungsgrades der Region ist die Abflussdynamik bei Starkregenereignissen sehr hoch. Dr. Steffen Bold, Leiter der Hydrologie der Emschergenossenschaft, bestätigte in einem Interview der Ruhrnachrichten, dass der Anteil der durch Pumpwerke entwässerten Fläche am Verbandsgebiet 38% beträgt und diese somit als „Polder“ klassifiziert werden (Heckenkamp)[4]. Im Jahr 1991 wurde schließlich durch die Emschergenossenschaft die grundlegende Entscheidung zum Generationen-Projekt getroffen, die Emscher und ihre Nebenflüsse von den kommunalen und industriellen Abwässern zu entkoppeln. Hierzu wird beispielsweise ein etwa 400 km (EG4: S. 8) langes, unterirdisches Abwasserkanalnetz installiert, so dass die Emscher Schritt für Schritt renaturiert werden kann und darüber hinaus nur noch über Niederschlags- und Quellwasser gespeist werden soll. Dieses Vorhaben ist an einer stetigen Ausweitung dezentraler, und möglichst naturnaher, Regenwasserbewirtschaftungsanlagen gekoppelt. Im Folgenden Kapitel möchte ich den Betrachtungsschwerpunkt auf die Flächenversiegelung im Emscherraum legen.

3 Entwicklung der Flächenversiegelung

3.1 Grundlegende Definitionen

3.1.1 Flächenversiegelung

Zur Flächenversiegelung zählen alle Formen einer nicht natürlichen Bodenabdeckung. Je nach Art der Bodenbedeckung sind die Auswirkungen der Versiegelung, z.B. der Durchlässigkeitsbeiwert (auch kf-Wert genannt) des durchströmenden Mediums, different (vgl. DWA 2006: 392). Asphaltierte Straßen, Gebäude-, Betriebs- oder Gewerbeflächen zeichnen sich hierbei durch eine nahezu vollständige Versiegelung aus.

3.1.2 Siedlungs- und Verkehrsfläche

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die sogenannte Siedlungs- und Verkehrsfläche (SuV) nicht mit der versiegelten Fläche gleichgesetzt werden darf. Während versiegelte Flächen i.d.R. vollständig wasserundurchlässig sind, umfassen Siedlungs-und Verkehrsflächen auch einen erheblichen Anteil unbebauter Flächen. Zu den Nutzungsarten gehören Gebäude- und Freiflächen, Betriebsflächen (ohne Abbauland), Verkehrsflächen, Erholungsflächen und Friedhöfe. Für die Bundesrepublik Deutschland wird alljährlich eine Erhebung der SuV durchgeführt, welche die vierjährliche generelle Erhebung der Bodenflächen nach Art der tatsächlichen Nutzung ergänzt (Statistisches Bundesamt). In der Folgenden Abbildung ist die Siedlungs- und Verkehrsfläche der BRD nach Nutzungsarten aus dem Jahre 2004 dargestellt.

Tab. 1: Siedlungs- und Verkehrsfläche der BRD nach Nutzungsarten 2004

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung n. Statistisches Bundesamt1 2006

3.2 Probleme im Zusammenhang mit der Flächenerhebung

Daten zur Flächenversiegelung sind, nach weitreichenden Recherchen, eher mit Vorsicht zu bewerten, da tlw. eine Verwechslung mit der Siedlungs- und Verkehrsfläche vorliegt (siehe 3.1.2). Des weiteren wird, auch aus der von mir verwendeten Literatur, nicht immer ersichtlich welcher Vorgehensweise solche Daten entspringen. Im Gegensatz zu der SuV werden versiegelte Flächen von den statistischen Ämtern nicht erhoben. Jedoch schätzen das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) und das Umweltbundesamt, dass etwa 50 % der SuV in Deutschland versiegelt sind. Speziell für diese Arbeit ist dieser Wert ebenfalls mit Vorsicht zu genießen, da der Versiegelungsgrad der Emscherregion der höchste in ganz Nordrhein-Westfalen ist und somit nicht aus den Daten der Gesamtfläche der BRD heruntergerechnet werden kann. Die in dieser Arbeit dargestellten Werte der Flächenversiegelung beziehen sich allesamt auf seriöse Quellen. Der Indikator SuV bietet sich, aufgrund der unter 3.1.2 genannten Bedingungen, sehr gut zur Darstellung der fortlaufenden Entwicklung der verschiedenen Nutzungsarten an. Lediglich Umstellungen der Computergestützten Liegenschaftsdokumentation der ehemaligen DDR, auf das in den alten Ländern gebräuchliche Automatisierte Liegenschaftsbuch, führten zu einer erheblichen Zunahme im Bereich der Erholungsflächen (Statistisches Bundesamt1).

3.3 Angaben zur Nutzung der Bodenoberfläche in der BRD und NRW

3.3.1 Einführung

Bevor ich auf die Nutzung der Bodenoberfläche in der Bundesrepublik Deutschland eingehe, möchte ich einen kurzen Verweis zur derzeitigen Entwicklung der Weltbevölkerung geben. Während im Jahre 1800 lediglich 3% der Weltbevölkerung in Städten lebte, sind es heute fast 50%. Bereits im Jahr 2025, so Prognosen, sollen rd. zweidrittel der Menschen in Städten leben (vgl. Sieker 1998: 7). Laut (Blume 2005: 170) leben in Deutschland, von den rd. 82 Mio. Menschen, bereits 80 % in Städten. Die in diesem Abschnitt dargestellte Nutzung der Bodenoberfläche ist anthropogener Natur und im Rahmen wirtschaftlicher Aktivitäten entstanden, wie z.B. dem zunehmenden Handel mit Gütern und Dienstleistungen sowie steigenden Verkehrsströmen. Eine solche Bodenüberprägung steht i.d.R. im Konflikt zwischen einer natürlichen sowie technischen Umwelt, wobei erstere den potentiell natürlichen Zustand, und letztere die mit technisch-infrastrukturellen Komponenten ausgestattete Umwelt darstellt. Im folgenden Abschnitt werde ich anhand von drei aussagekräftigen Indikatoren die Entwicklung der Flächeninanspruchnahme veranschaulichen. Die daraus abzuleitenden Wirkungen werden im weiteren Verlauf dieser Arbeit thematisiert.

3.3.2 Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland und NRW

Die Bundesrepublik Deutschland hat eine Bodenfläche von 357.093 km², wovon im Jahr 2005 46.050 km² oder 12,9 % auf die Verwendung von Siedlungs- und Verkehrsflächen zurückzuführen sind. Zum Vergleich, im Jahr 1992 betrug der Anteil der SuV an der Landesfläche noch 11,29 %. Von den 46.050 km² entfallen wiederum 8,0 % auf den Anteil der Siedlungsfläche und die restlichen 4,9 % auf den der Verkehrsfläche. Der Anteil der SuV ist, wenn man die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen nicht berücksichtigt, im Bundesland Nordrhein-Westfalen mit 21,8 % am höchsten. Im Jahr 1992 betrug die SuV lediglich 19,6 % (vgl. Statistisches Bundesamt1 2006). Eine detaillierte Auflistung der Siedlungs- und Verkehrsfläche der Gesamtfläche Deutschlands sowie Nordrhein-Westfalens ist in Tabelle 2 dargestellt.

Tabelle 2: Vergleich der SuV 2005 von Deutschland und NRW

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach Statistischem Bundesamt1 2006

3.3.3 Daten zur täglichen Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche

Die SuV hat in der Bundesrepublik Deutschland zwischen den Jahren 2001 bis 2006 täglich um 114 ha (rd. 150 Fußballfelder) zugenommen, wobei der Anteil der Siedlungsfläche 90,8 ha und der Anteil der Verkehrsfläche 23,2 ha einnimmt. Im Gleichen Zeitraum hat sich die SuV im Bundesland NRW um 14,8 ha pro Tag erhöht, womit hinter dem Bundesland Bayern (18,1 ha) der zweithöchste Wert erreicht wird (siehe auch UGRdL2 2006). Die Abbildung 4 zeigt die Ursprungswerte sowie den Trend der SuV seit den frühen 90er Jahren bis zum Jahr 2006. Einer zunächst sinkenden Entwicklung der SuV zwischen 2000 und 2003, folgte ein erneuter Anstieg. Der Trend dieser Abbildung (gleitender Vierjahresdurchschnitt) beträgt relativ hohe 113 ha pro Tag und konkurriert infolgedessen mit den Zielen der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. Als Antwort auf die Agenda 21 hat die Bundesregierung Nachhaltigkeits-Ziele festgehalten, wozu beispielsweise auch die Reduzierung der täglichen Flächeninanspruchnahme bis zum Jahr 2020 auf maximal 30 ha gehört (vgl. Bundesregierung 2002). Der Trend zeigt das auch in Zukunft, trotz demographischen Wandels, ein Bedarf nach Wohn-, Industrie- und Gewerbeflächen vorhanden ist. Zu den Gründen der konstant hohen Zunahme der SuV zählen u.a. eine Steigerung der Verkehrsströme sowie die Entwicklung der pro Person in Anspruch genommenen Wohnfläche.

Abb. 4: Flächeninanspruchnahme in Deutschland von 1993 bis 2006

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Statistische Bundesamt2 2007

3.3.4 Daten zur Flächenversiegelung innerhalb der Siedlungs- und Verkehrsfläche

Die statistischen Ämter der Länder geben in ihrer Umweltökonomischen Gesamtrechnung der Länder (vgl. UGRdL3) Auskunft über die Flächenversiegelung innerhalb der SuV. Während im Jahr 2000 noch 3320 km² der gesamten SuV (7471 km²) in NRW versiegelt waren, betrug der Wert im Jahr 2006 bereits 3457 km². Demnach beträgt der Versiegelungsgrad der SuV rd. 46,3 %, wobei vor allem in Ballungsgebieten mit höheren Werten zu rechnen ist. Einer anderen Quelle nach betrug der Versiegelungsgrad in NRW im Jahre 1993 rd. 58 % (Blume 2005: 177). An dieser Stelle möchte ich auf die folgende Abbildung verweisen, aus welcher eine große Variationsbreite unterschiedlicher Bebauungstypen (z.B. Blockbebauung, Industrie oder Straßen) hervor geht.

Abb. 5: Versiegelungsgrad unterschiedlicher Bebauungstypen nach Autoren

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Blume 2005: 178

3.4 Angaben zur Nutzung der Bodenoberfläche im Emscherraum

Der Emscherraum weißt sehr hohe Verdichtungstendenzen auf, wobei große Teile des Gebiets von städtischer Bebauung geprägt sind. Ein prägnanter Indikator ist hier die Einwohnerzahl pro km² (E/km²). Während die Gesamtfläche Deutschlands 230 E/km² hat, leben in NRW schon 528 E/km² und im Emscherraum sogar 2.800 E/km² (siehe auch LDS NRW). Auch nach dem Ende der Montanindustrie ist die Region heute Standort zahlreicher Industrie- und Gewerbebetriebe und zählt somit zu den dicht besiedeltsten Gebieten Europas. In Abbildung 6 erkennt man das Ausmaß der Versiegelung im Emschergebiet zwischen 1950 und den frühen 90er Jahren. Die Versiegelung hat sich in innerhalb von rd. 40 Jahren von ursprünglich etwa 7 % auf 18 % erhöht und daher mehr als verdoppelt. Die Stadt Dortmund erfuhr im gleichen Zeitraum einen Anstieg des Siedlungsflächenanteils von 38 % (1950) auf 56 % (1993) (vgl. Kaiser 1997: 32). Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Bevölkerungsentwicklung (siehe Abb. 3) im gesamten Ruhrgebiet zwischen 1950 und 1990 lediglich um etwa einfünftel erhöht hat. Generell kann festgehalten werden, dass sich die SuV in der BRD seit den 1950er Jahren, gegenüber der Bevölkerung, überproportional entwickelt hat. Zu erklären ist dieser Zusammenhang u.a. durch gestiegene Ansprüche sowie veränderte Verhaltens- und Mobilitätsstrukturen der Menschen.

Abb. 6: Entwicklung der Versiegelung im Emschergebiet von 1950 bis 1990er

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Geiger 2001: 5

Aus der Abbildung 7 gehen die einzelnen Befestigungsgrade der Städte der Emscherregion hervor. Den höchsten Befestigungsgrad erreicht Essen mit 40-45 %, gefolgt von den Städten Herne, Bochum und Duisburg mit jeweils 35-40 %. Jeweils noch einen recht hohen Befestigungsgrad mit 30-35 % ist den Städten Oberhausen, Gelsenkirchen und Recklinghausen zuzuschreiben. Aus einem Datenbestand nach ATKIS geht hervor, dass etwa 67 % der Gesamtfläche des Bearbeitungsgebiets von 858,3 km² als versiegelt angesehen werden können. Die Landnutzung der Emscherzone lässt sich folgendermaßen untergliedern (MUNLV 2005: Abb. 1.5-1):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Befestigungsgrade einzelner Städte der Emscherregion

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Guido Geretshauser 2008, Emschergenossenschaft, Dortmund

4 Technische Infrastruktur

4.1 Konventionelle Stadtentwässerung

Die Kanalisation dient der Erfassung und Ableitung von Schmutzwasser aus Haushalten, Industrie- und Gewerbe sowie von Niederschlagswasser. Schmutzwasser und Niederschlagswasser werden entweder getrennt (Trennsystem) oder gemeinsam (Mischsystem) in Richtung Kläranlagen abgeleitet (vgl. DWA 2006: 395). In Deutschland waren im Jahr 2001 94,6 % der Bevölkerung an eine Abwasserentsorgung über die öffentliche Kanalisation angeschlossen (Statistisches Bundesamt3 2003). Das Mischsystem kann zur Zeit noch als Standart angesehen werden, da es in über 60 % der deutschen Städte installiert ist (Sieker 1998: 19). Das Trennsystem besteht hingegen aus zwei voneinander unabhängigen Rohrnetzen, welche Regenwasser zum Vorfluter und Schmutzwasser zur Kläranlage ableiten. Der Vorfluter stellt ein oberirdisches Gewässer dar, dass den Abfluss befestigter Flächen aufnimmt. Im Bearbeitungsgebiet dient die Emscher als Haupt-Abwassersammler. Die wesentlichen Aufgaben der Stadtentwässerung lassen sich wie folgt beschreiben:

- schadlose und überflutungsfreie Ableitung von Niederschlags- und Schmutzwasser
- Schaffung hygienisch einwandfreier Verhältnisse
- Reinigung der Abwassermengen (vgl. Niemann 1997: 23)

In diesem Kapitel werde ich u.a. die Auswirkungen der Flächenversieglung auf die Stadtentwässerung beschreiben, bevor im fünften Kapitel das Augenmerk auf dem Gewässerhaushalt der Emscherregion liegen wird.

4.2 Entwässerungskomfort versus Kriterien der Nachhaltigkeit

4.2.1 Entwässerungskomfort der konventionellen Entwässerung

Unter dem Bearbeitungspunkt 2.3 wurde bereits auf die Notwendigkeit einer flächendeckenden Stadtentwässerung, im Zuge einer anhaltenden Flächeninanspruchnahme und steigenden Bevölkerungszahlen, In der Emscherzone hingewiesen. Die Ableitung von Schmutzwasser und die geordnete Regenwasserableitung stellen eine wichtige Voraussetzung für den dicht besiedelten Emscherraum dar. In diesem Zusammenhang spricht man auch von einem sogenannten Entwässerungskomfort (Sieker 1998: 22), an welchem sich jedes andere System messen lassen muss. Die konventionelle Niederschlagswasserableitung (Mischverfahren) bietet sich letztlich dort an, wo stark verschmutze Niederschlagswässer anfallen oder schlichtweg kein Raum für dezentrale Versickerungsanlagen vorhanden ist. Bei dieser Form der Abwasserableitung ist im Grunde das Risiko von Schadstoffeinträgen in das Grundwasser als eher gering anzusehen, da der Kontakt zwischen Abwasserabfluss und Grundwasser unterbunden ist. In diesem Zusammenhang verweise ich jedoch auf den Punkt 4.2.3, wonach rd. 17 % der öffentlichen Kanalisation in Deutschland kurz- bzw. mittelfristig sanierungsbedürftig sind.

4.2.2 Verschärfung der Niedrig- und Hochwasserproblematik

In der Abbildung 8 werden die Abflussspenden für Hoch- und Niedrigwasser bei unterschiedlicher Geländenutzung dargestellt. Man erkennt bei zunehmender Versiegelung und abnehmender Vegetation eine erhöhte Abflussspende, gekoppelt mit versiegenden Niedrigwasserabflüssen. Gründe hierfür ergeben sich dadurch, dass Niederschläge nahezu ungepuffert auf das angeschlossene Kanalisationsnetz übertragen werden.

Abb. 8: Abflussspenden [l/(s km²)] für Hoch- und Niedrigwasser bei unterschiedlicher Bebauung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Geiger 2001: 8

Als Folge dieser Problematik müssen Mischsysteme auf einen größtmöglichen Abfluss hin dimensioniert und durch zusätzliche Entlastungsbauwerke (z.B. Regenwasserüberlaufbecken) ergänzt werden, um urban geprägte Räume vor Hochwassergefahren zu schützen. Aus der Abbildung 9 geht ein eindeutiger Trend der Hochwasserabflüsse der Emscher, gemessen am Pegel Königsstraße zwischen 1950 bis 2000, hervor. Während in den 50er Jahren nur ein Hochwasserabfluss mit mehr als 100 m³/s gemessen wurde, sind es in den 80er Jahren bereits sieben und in den 90er Jahren insgesamt acht registrierte Hochwasserabflüsse. Auch die Intensität der Hochwasser hat stetig zugenommen, so dass seit den 80er Jahren vermehrt Abflüsse von über 200 m³/s auftreten. Damit einhergehend entstehen für die Kommunen hohe Investitionen im Hochwasserschutz und der Stadtentwässerung, wie z.B. dem Bau von bisher 24 Hochwasserrückhaltebecken im Emscherraum (EG3 2005). Unter dem Punkt 4.3 werde ich noch gezielt auf den Hochwasser-Aktionsplan Emscher eingehen. Die gezielte Ableitung von Regenwasser führt des weiteren zu stofflichen und hydraulischen Belastungen der an die Kanalisation angeschlossenen Gewässer, da zur Sicherstellung der Reinigungsleistung der Abwasserzufluss zur Kläranlage reduziert werden muss. Um diese Gewässerbelastung zu minimieren, wurden im Emscherraum bis dato 14 Regenrückhaltebecken, 49 Regenüberlaufbecken und 8 Regenüberläufe erstellt (EG3 2005).

Abb. 9: Hochwasserabflüsse der Emscher am Pegel Königsstraße (bereinigt um den Schmutzwasseranteil) von 1950 bis 2000

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Becker 2003: 4

4.2.3 Zustand der Kanalisation in Deutschland

Da im bisherigen Verlauf dieser Arbeit schon der immense Kostenaufwand für die technischen Infrastruktur angedeutet wurde, möchte ich in diesem Abschnitt einen kurzen Einblick bezüglich der Sanierung der öffentlichen Kanalisation geben. Seit 1984/85 werden von der ATV-DVWK Umfragen zum Zustand der öffentlichen Kanalisation in Deutschland durchgeführt. Die Ergebnisse der Umfrage aus dem Jahr 2001 zeigen einige ökonomische Probleme der bestehenden Kanalisation auf:

- Die Ausgaben für die Kanalsanierung betrugen im Jahr 2000 rd. 1,64 Mrd. €.
- Die Kanäle werden zumeist durch Erneuerung (53 %) instand gesetzt.
- Ca. 17 % der öffentlichen Kanalisation sind kurz- bzw. mittelfristig sanierungsbedürftig.
- Weitere 14 % müssen langfristig saniert werden.
- Für die Sanierung der kurz- und mittelfristig zu behebenden Schäden müssen rd. 45 Mrd. € !!! veranschlagt werden (vgl. ATV-DVWK 2001: 8).

Hierbei ist der § 18b des WHG interessant, wonach die Dichtigkeit der Kanalisation gefordert wird. Unterstützt wird dieses Gesetz durch das Strafgesetzbuch, in dem bei Verstoß entsprechende Folgen aufgezeigt werden. Vor allem aber im Bereich der privaten Grundstücksentwässerung, mit Schadensquoten gemäß ATV von 40 % bis 70 %, gibt es in Zukunft einen hohen Sanierungsbedarf (EG5 2004: 4). Neben den negativen Auswirkungen auf den natürlichen Gewässerhaushalt, welche ich noch gesondert darstellen werde, macht es allein aus ökonomischen Gründen Sinn das Konventionelle Stadtentwässerungssystem im Hinblick auf das Kriterium der Nachhaltigkeit zu hinterfragen. Dem Brundtland-Bericht (Weltkommission für Umwelt und Entwicklung) nach ist ein System nur dann nachhaltig, wenn es „den Erfordernissen der Gegenwart entspricht, ohne die Möglichkeit zukünftiger Generationen zu beeinträchtigen, ihre eigenen Anforderungen zu befriedigen.“ (Hauff 1987: 46).

[...]


[1] Tab. 1.2-3 stellt einen Gewässersteckbrief der Emscher dar.

[2] Nachfolgend werde ich die Quellen der Emschergenossenschaft mit EG abkürzen.

[3] Klassifizierung der LAWA

[4] In: Ruhrnachrichten [9.08.2008]

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836623513
Dateigröße
2.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ruhr-Universität Bochum – Fakultät für Geowissenschaften, Geographie
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
2,0
Schlagworte
infrastruktur regenwasserbewirtschaftung flächenversickerung stadtentwässerung wasserhaushalt
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Titel: Flächenversiegelung im Emscherraum
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