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Reintegration von Mitarbeitern nach Auslandsentsendungen

©2008 Diplomarbeit 134 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In der heutigen Zeit nimmt die Verflechtung wirtschaftlicher Prozesse rapide zu. Dabei überschreiten nicht nur Waren und Güter Landesgrenzen, sondern auch immer mehr Menschen bewegen sich aus den unterschiedlichsten Gründen über Landes- und Kulturgrenzen hinweg. Moderne Transportmittel ermöglichen dies in einer noch nie da gewesenen Dimension. Ein Urlaub in der Ferne, Dienstreisen ins Ausland oder längere Auslandsaufenthalte sind heutzutage keine Seltenheit mehr. Das Überschreiten der Ländergrenzen und der Kontakt mit anderen Kulturen ist jedoch keine moderne Erscheinung, sondern wird schon seit mehreren Jahrtausenden praktiziert. Dokumente belegen, dass bereits im 4. Jahrtausend v.Chr. sumerische Delegationen entsendet wurden um im Ausland Handel zu betreiben und somit der Rohstoffarmut im eigenen Land entgegenzuwirken. In den nachfolgenden Jahrtausenden wurden immer wieder aus den verschiedensten Gründen Landesgrenzen überschritten, sei es um im Ausland Handel zu betreiben, Kriege zu führen oder um neue Länder ‚zu entdecken’ und kennenzulernen. Doch der Gang ins Ausland war oft beschwerlich und langwierig, eine Reise in die ‚Neue Welt’ dauerte per Schiff gut einige Monate. Die Erfindung von Flugzeugen zu Beginn des 20. Jahrhunderts und deren Nutzung als Massentransportmittel erleichterten die Reise in andere Länder und Kulturen erheblich. Heute Griechenland, morgen Australien und übermorgen die ganze Welt. Kurze Aufenthalte in einem fremden Land und in einer fremden Kultur hinterlassen meist bleibende Eindrücke, rufen Staunen und Ehrfurcht, aber manchmal auch nur ein ‚Kopfschütteln’ hervor. Längere Auslandsaufenthalte jedoch prägen die Menschen und verändern sie. Längere Kontakte mit anderen Kulturen führen meist dazu, dass sich die betreffenden Personen nicht nur der Kultur anpassen, sondern auch ein besseres Verständnis, sowohl für die fremde, als auch für die eigene Kultur entwickeln. Im Austausch mit anderen Kulturen beginnen sie oftmals bestimmte eigene kulturelle Werte und Normen zu überdenken, mit denen der Gastkultur zu vergleichen, und sie auch in Frage zu stellen. Eine veränderte Haltung gegenüber Werten und Normen der Heimatkultur und andere Verhaltensmuster können bei Heimkehr in das eigene Land bzw. in den eigenen Kulturkreis durchaus zu Problemen führen, zumal die Veränderungen meist unbewusst geschehen.
Die zunehmende Mobilität der Menschen, auch über Landes- und Kulturgrenzen hinweg, stellt auch an die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Franziska Schmidt
Reintegration von Mitarbeitern nach Auslandsentsendungen
ISBN: 978-3-8366-2349-0
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009
Zugl. Westsächsische Hochschule Zwickau, Zwickau, Deutschland, Diplomarbeit, 2008
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2009

III
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mit bei all denen bedanken, ohne deren Hilfe und Unter-
stützung diese Diplomarbeit in der hier vorliegenden Form nicht möglich gewesen wäre.
Mein größter Dank gebührt den Interviewpartnern, die sich die Zeit genommen haben,
mir von ihren persönlichen Erfahrungen zum Thema Reintegration und den Erlebnissen
ihrer Auslandsentsendungen zu berichten. Ohne ihre Kooperationsbereitschaft und ihrer
Offenheit während des Gespräches wäre die Arbeit in dieser Form nicht möglich gewe-
sen.
Des Weiteren möchte ich mich auch bei meiner Betreuerin Prof. Dr. Weidemann für die
stets freundliche Unterstützung und für ihre zahlreichen Anregungen zu dem Thema
ganz herzlich bedanken.
Mein Dank gilt auch Frau Lindner vom Organisationsteam des Institutes für Interkultu-
relles Management, die mich mit Informationen zum Thema Reintegration und zu den
Rückkehrerseminaren des Institutes versorgt hat. Mein Dank geht ebenfalls an Prof.
Brandt, der sein Bestes getan hat, um mir Kontakte zu Unternehmen mit Auslandsmit-
arbeitern zu vermitteln.
Ganz besonders gilt mein Dank meiner Mutter, ohne deren moralische Unterstützung
und Kenntnisse der deutschen Sprache die Erstellung der Arbeit wesentlich schwerer
geworden wäre.
Franziska Schmidt
Zwickau,
05.08.2008

IV
Inhaltsverzeichnis
Danksagung...
III
Inhaltsverzeichnis...
IV
Abkürzungsverzeichnis
...VII
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis...
VIII
1. Einleitung
...9
1.1 Einführende Gedanken...9
1.2
Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Diplomarbeit...11
2.
Kleine und Mittlere mittelständische Unternehmen in Deutschland
...13
2.1
Definitionen KMU & Mittelstand...13
2.2
Bedeutung der KMU in Deutschland und Europa...15
2.3
Auslandsengagement der mittelständischen KMU...16
2.3.1 Motive für das Auslandsengagement und Ziele der
Auslandinvestitionen...16
2.3.2
Formen
des
Auslandsengagements...18
3.
Kultur als zentraler Faktor der Reintegration
...20
3.1
Was ist Kultur?...20
3.2
Worin unterscheiden sich die Kulturen?...21
3.3
Kultur
und
Reintegration...23
4. Interkulturelle
Reintegration nach Auslandsaufenthalten
...25
4.1
Interkultureller
Reintegration in der Wissenschaft...25
4.1.1 Definition ,Interkulturelle Reintegration'...25
4.1.2 Reintegrationsforschung im Wandel der Zeit...26
4.1.3 Der Rückkehrer als Gegenstand der Reintegrationsforschung...27
4.2
Die Situation des Rückkehrers...28
4.3
Theoretische Modelle zur Interkulturellen Reintegration...29
4.3.1 Verlaufsmodelle der Reintegration...29
4.3.2 Erwartungen und Erwartungstheorien...32
4.3.3 Theorie des Culture Learning...33
4.3.4 Modell der kulturellen Identität...34
4.3.5 Integrativer Ansatz der Reintegration...36
4.4
Formen und Ergebnis der interkulturellen Anpassung...38

V
4.5 Interkulturelles Reentry-Training als Maßnahme zur Erleichterung
der Interkulturellen Reintegration...39
5.
Reintegration von Mitarbeitern nach Auslandsaufenthalten
...41
5.1
Reintegration als integraler Bestandteil des Entsendungsprozesses...41
5.1.1 Formen und Ziele des Auslandseinsatzes...41
5.1.2
Der
Entsendungsprozess...43
5.2
Bedeutung des Reintegrationsprozesses...44
5.2.1 Bedeutung des Reintegrationsprozesses für das Unternehmen...44
5.2.2
Probleme,
mit
denen
sich
Repatriates konfrontiert sehen...46
5.3
Maßnahmen zur Erleichterung der beruflichen Reintegration...48
5.3.1 Maßnahmen zur Vermeidung von Reintegrationsproblemen
vor der Rückkehr ins Unternehmen...48
5.3.2 Maßnahmen zur Erleichterung der Reintegration bei der
Rückkehr
ins
Stammhaus...52
5.3.3 Unterstützende Maßnahmen zur Erleichterung der
Reintegration im privaten Umfeld...54
5.4
Umgehung
der
Reintegrationsproblematik...55
6.
Das Reintegrationsprogramm des Institutes für Interkulturelles
Management...
57
7. Empirische
Studie
...60
7.1
Qualitative
Forschung...60
7.2
Datenerhebung...61
7.2.1 Problem- bzw. Gegenstandsanalyse...62
7.2.2 Interviewleitfaden & Interview...63
7.2.3 Aufzeichnung der Interviews und Transkription...64
7.3
Auswertung der erhobenen Daten...67
8.
Ergebnisse der Interviews
...69
8.1
Die Interviewpartner und deren Unternehmen...69
8.2. Themenkomplex 1: Zeit vor dem Auslandsaufenthalt...70
8.2.1 Allgemeine Fakten zu den Befragten und deren Auslandserfahrungen...70
8.2.2 Motive für den Auslandsaufenthalt...71
8.2.3 Vorbereitung auf den Auslandsaufenthalt...73

VI
8.3 Themenkomplex 2: Der Auslandsaufenthalt...75
8.3.1 Die ersten Monate im Ausland...75
8.3.2 Leben im Ausland...76
8.3.3
Arbeiten
im
Ausland...80
8.4
Themenkomplex 3:Rückkehr und Wiederanpassung in Deutschland...86
8.4.1 Erwartungen bezüglich der Rückkehr...86
8.4.2 Die ersten Monate zurück zu Hause: Wiederanpassung an
deutsche
Verhältnisse...87
8.4.3 Schwierigkeiten bei der Rückkehr nach Deutschland...90
8.4.4 Veränderte Sicht auf Deutschland...93
8.4.5
Übernahme
ausländischer
Gewohnheiten in den deutschen Alltag...94
8.4.6 Fähigkeiten, die im Ausland erworben wurden...95
8.5 Themenkomplex 4: Berufliche Reintegration...97
8.5.1 Rückkehr ins heimische Unternehmen...97
8.5.2 Wiederanpassung an die Verhältnisse im Stammhaus...98
8.5.3 Unterstützung der Mitarbeiter durch das Unternehmen...102
8.5.4 Im Ausland gewonnene Fähigkeiten und deren Nutzung
im
Stammhaus...103
8.5.5 Fazit zum Thema ,Reintegration'...105
9.
Aussagekraft und Bedeutung der Interviewergebnisse im Rahmen
der Diplomarbeit...
106
9.1
Zur
Stichprobe...106
9.2 Der Themenkomplex 1...107
9.3 Der Themenkomplex 2...110
9.4 Der Themenkomplex 3...112
9.5 Der Themenkomplex 4...116
9.6 Einschränkungen der vorliegenden Arbeit...122
10.
Abschließende Gedanken
...124
Literaturverzeichnis...
CXXV
Anhang...
CXXXI
A
Interviewleitfaden...CXXXI
B
Fragebogen...CXXXII

VII
Abkürzungsverzeichnis
BMWI
Bundesministerium für Wirtschaft und Technik
DIHK Deutscher
Industrie- und Handelskammertag
EG
Europäische
Gemeinschaften
EU
Europäische
Union
FB
Fragebogen
IfIM
Institut für Interkulturelles Management
IfM
Institut für Mittelstandsforschung
KMU
Kleine und Mittlere Unternehmen
MOE
Mittel- und Osteuropa

VIII
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abb.1:
Bedeutung der KMU für die deutsche Wirtschaft (2006)...15
Abb.2:
Strategische Ziele der Auslandsaktivitäten...16
Abb.3:
Zielregionen der deutschen KMU 2006 geordnet nach Größenklassen...17
Abb.4:
Stufenmodell des Internationalisierungsprozesses...18
Abb.5:
Kulturelle Dimensionen nach Hofstede...22
Abb.6:
Das W-Kurven-Modell nach Gullahorn & Gullahorn...30
Abb.7:
Allgemeiner Ablauf des Problemzentrierten Interviews...61
Tab.1:
Definition der KMU laut IfM Bonn...13
Tab.2:
KMU Definition der EU...14
Tab.3:
Bedeutung des Exports für die deutsche Wirtschaft...19
Tab.4:
Drei-Phasen-Modell der Reintegration nach Hirsch...31
Tab.5:
Zielsetzungen
deutscher Unternehmen bei einer Auslandsentsendung
von
Mitarbeitern...42
Tab.6:
Gründe der Mitarbeiter für Auslandseinsätze...42

Einleitung
9
1. Einleitung
1.1 Einleitende
Gedanken
In der heutigen Zeit nimmt die Verflechtung wirtschaftlicher Prozesse rapide zu. Dabei
überschreiten nicht nur Waren und Güter Landesgrenzen, sondern auch immer mehr
Menschen bewegen sich aus den unterschiedlichsten Gründen über Landes- und Kultur-
grenzen hinweg. Moderne Transportmittel ermöglichen dies in einer noch nie da gewe-
senen Dimension. Ein Urlaub in der Ferne, Dienstreisen ins Ausland oder längere Aus-
landsaufenthalte sind heutzutage keine Seltenheit mehr.
Das Überschreiten der Ländergrenzen und der Kontakt mit anderen Kulturen ist jedoch
keine moderne Erscheinung, sondern wird schon seit mehreren Jahrtausenden praktiziert.
Dokumente belegen, dass bereits im 4. Jahrtausend v.Chr. sumerische Delegationen
entsendet wurden um im Ausland Handel zu betreiben und somit der Rohstoffarmut im
eigenen Land entgegenzuwirken (vgl. Kühlmann1995, V). In den nachfolgenden Jahr-
tausenden wurden immer wieder aus den verschiedensten Gründen Landesgrenzen ü-
berschritten, sei es um im Ausland Handel zu betreiben, Kriege zu führen oder um neue
Länder ,zu entdecken' und kennenzulernen. Doch der Gang ins Ausland war oft be-
schwerlich und langwierig, eine Reise in die ,Neue Welt' dauerte per Schiff gut einige
Monate.
Die Erfindung von Flugzeugen zu Beginn des 20. Jahrhunderts und deren Nutzung als
Massentransportmittel erleichterten die Reise in andere Länder und Kulturen erheblich.
Heute Griechenland, morgen Australien und übermorgen die ganze Welt. Kurze Auf-
enthalte in einem fremden Land und in einer fremden Kultur hinterlassen meist bleiben-
de Eindrücke, rufen Staunen und Ehrfurcht, aber manchmal auch nur ein ,Kopfschüt-
teln' hervor. Längere Auslandsaufenthalte jedoch prägen die Menschen und verändern
sie. Längere Kontakte mit anderen Kulturen führen meist dazu, dass sich die betreffen-
den Personen nicht nur der Kultur anpassen, sondern auch ein besseres Verständnis,
sowohl für die fremde, als auch für die eigene Kultur entwickeln. Im Austausch mit
anderen Kulturen beginnen sie oftmals bestimmte eigene kulturelle Werte und Normen
zu überdenken, mit denen der Gastkultur zu vergleichen, und sie auch in Frage zu stel-
len. Eine veränderte Haltung gegenüber Werten und Normen der Heimatkultur und an-

Einleitung
10
dere Verhaltensmuster können bei Heimkehr in das eigene Land bzw. in den eigenen
Kulturkreis durchaus zu Problemen führen, zumal die Veränderungen meist unbewusst
geschehen.
Die zunehmende Mobilität der Menschen, auch über Landes- und Kulturgrenzen hin-
weg, stellt auch an die Unternehmen viele Anforderungen. In der Berufswelt führten die
zunehmenden politischen und ökonomischen Verflechtungen der Staaten in der Nach-
kriegszeit zu einer ,,starken Ausweitung des befristeten Transfers von Fach- und Füh-
rungskräften ins Ausland" (ebd.). Während Auslandsentsendungen bis Mitte des 20.
Jahrhunderts eher eine Ausnahme bildeten, nahmen sie in der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts rapide zu und heutzutage zählte die Entsendung von Mitarbeitern fast
schon zum Alltagsgeschäft international tätiger Unternehmen und Institutionen (vgl.
ebd.). Allein in Deutschland entschieden sich im Jahr 2007 mehr als 150.000 Menschen
für einen längerfristigen Auslandsaufenthalt (vgl. NA (Hg.) 2008, 1). Dies jedoch stellt
die Unternehmen vor völlig neue Herausforderungen. Managementmethoden, die sich
im eigenen Land bewährt haben, können im Ausland völlig andere Reaktionen hervor-
rufen und dem Unternehmen mehr schaden als nutzen. Mitarbeiter, die ins Ausland ent-
sendet werden, bedürfen spezieller Behandlung. Sie müssen auf ihren Auslandsaufent-
halt vorbereitet, während der Zeit im Ausland betreut und bei Heimkehr wieder ins Un-
ternehmen integriert werden.
In der vorliegenden Arbeit soll die Reintegration von Entsendeten, die nach einem län-
geren Auslandsaufenthalt in ihr Unternehmen zurückkehren näher betrachtet werden. Es
soll aufgezeigt werden, welchen Problemen sie im beruflichen und privaten Bereich
gegenüberstehen und wie Unternehmen mit gezielten Maßnahmen die Eingliederung
ihrer Mitarbeiter erleichtern können. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen dabei die Mitar-
beiter deutscher mittelständischer KMU. Während große Konzerne meist Hunderte Mit-
arbeiter pro Jahr entsenden und im Bereich Auslandsentsendung schon viele Erfahrun-
gen sammeln konnten, haben mittelständische KMU meist weniger Erfahrungen, da sie
erstens wesentlich weniger Mitarbeiter ins Ausland entsenden und zweitens das Aus-
landsengagement vieler KMU sich bis vor wenigen Jahren noch auf den Export be-
schränkte. Oftmals erforderte erst die Ausweitung der Auslandstätigkeiten die Entsen-
dung von Mitarbeitern ins Ausland. Die vorliegende Arbeit soll Aufschluss darüber ge-

Einleitung
11
ben, inwieweit in den deutschen mittelständischen KMU ein Bewusstsein für die Frage
der Wiedereingliederung ihrer Entsendeten in das Unternehmen, besteht.
1.2 Problemstellung,
Zielsetzung
und Aufbau der Diplomarbeit
In der vorliegenden Diplomarbeit wird die Reintegration von Auslandsmitarbeitern
deutscher KMU in die Heimat und in das heimische Unternehmen untersucht. Dabei
stehen folgende zwei Fragen im Mittelpunkt der Untersuchung:
Wie verlief die Reintegration bei den Mitarbeitern?
Besteht in den deutschen KMU ein Bewusstsein für die Reintegrations-
problematik und wenn ja, wie wird diese von den Unternehmen gelöst?
Mit Hilfe der Durchführung qualitativer Interviews mit Mitarbeitern deutscher KMU die
bereits für ihre Firma im Ausland tätig waren, soll eine Beantwortung beider Fragen
ermöglicht werden.
Die Arbeit setzt sich aus zwei Teilen zusammen: einem theoretischen Teil, der die Kapi-
tel 2 bis 6 umfasst, und einem empirischen Teil, den Kapiteln 7 bis 9.
Im ersten Kapitel wird neben den Definitionen für KMU und Mittelstand zunächst ein
Überblick über die Bedeutung dieser für die deutsche Wirtschaft gegeben. Anschließend
erfolgt eine Darstellung des Auslandsengagements der deutschen mittelständischen KMU.
Im zweiten Kapitel erfolgt eine Auseinandersetzung mit dem Begriff ,Kultur'. Dies ist
notwendig, da Menschen bei mehrjährigen Auslandsaufenthalten oft stark von der Kul-
tur ihres Gastlandes geprägt werden. Dieser Teil enthält neben einem Erklärungsversuch
für den Begriff ,Kultur', auch ein Modell zur Beschreibung und Analyse von Unter-
schieden in den Kulturen, sowie eine kurze Erklärung zum Zusammenhang von Kultur
und Reintegration.
In den Kapitel 4 bis 6 erfolgt die theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema
,Reintegration'. In Kapitel 4 steht dabei die Interkulturelle Reintegration im Vorder-
grund. Nach der Definition des Begriffes ,,Interkulturelle Reintegration" erfolgt zu-
nächst ein kurzer Überblick über die Probleme, denen Menschen gegenüber stehen, die

Einleitung
12
nach einem längeren Aufenthalt in einem anderen Land in ihre Heimat zurückkehren.
Anschließend werden diese Probleme mit Hilfe der wissenschaftlichen Modelle der
Reintegration näher beleuchtet. Den Abschluss des Kapitels bildet ein Überblick über
den Sinn und Nutzen eines interkulturellen Reintegrationsseminars
.
Das Kapitel 5 schließlich beschäftigt sich mit der beruflichen Rückkehr der Auslands-
mitarbeiter. Zunächst wird die Bedeutung der beruflichen Reintegration als Teil des
gesamten Entsendeprozesses dargestellt. Anschließend wird aufgezeigt, welchen Prob-
lemen Rückkehrer im beruflichen Bereich gegenüberstehen und mit welchen Maßnah-
men die Unternehmen sowohl die berufliche, als auch die private Reintegration ihrer
Mitarbeiter zu den verschiedenen Zeitpunkten der Reintegration unterstützen können.
Im 6. Kapitel wird das zweitägige Reintegrationsseminar des Institutes für Interkulturelles
Management vorgestellt. Dabei wird erneut verdeutlicht, welche Maßnahmen getroffen
werden können um Reintegrationsprobleme im Beruf nicht erst entstehen zu lassen und
wie die Erfahrungen der Mitarbeiter im Unternehmen optimal genutzt werden können.
Das Kapitel 7, der Beginn des empirischen Teiles der Arbeit, beschäftigt sich zunächst
ebenfalls mit den theoretischen Grundlagen der qualitativen Forschung. Es erfolgt eine
kurze Beschreibung des Prozesses der Datenerhebung dieser Arbeit, wobei auch auf die
in der Arbeit verwendeten Erhebungs- und Auswertungstechniken eingegangen wird.
In Kapitel 8 werden die Ergebnisse der durchgeführten Interviews, die mit Hilfe der
Bildung von Auswertungs- und Subkategorien gewonnen wurden, aufgelistet.
Die Auswertung der Interviewergebnisse erfolgt in Kapitel 9. Dabei werden die Er-
kenntnisse aus Kapitel 8 und deren Relevanz für die Problemstellung der Arbeit disku-
tiert und anschließend mit den theoretischen Vorannahmen aus dem ersten Teil der Ar-
beit verglichen.
In Kapitel 10 werden die Ergebnisse nochmals in einem kleinen Schlusswort zusam-
mengefasst und die Bedeutung der Reintegration für die Betroffenen und das Unter-
nehmen betont.

Kleine und Mittlere mittelständische Unternehmen in Deutschland
13
2
Kleine und Mittlere mittelständische Unternehmen in Deutschland
2.1
Definitionen
KMU & Mittelstand
In der Literatur existieren verschiedene Definitionen von KMU. Die Definition des In-
stitutes für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn ist seit dem 01.01.2002 gültig und de-
finiert die KMU über rein quantitative Merkmale (vgl. BMWI 2007, 9).
Demnach gelten Unternehmen mit bis zu neun Mitarbeitern und bis zu 1 Millionen Euro
Jahresumsatz als kleine Unternehmen. Mittlere Unternehmen beschäftigen bis zu 499
Mitarbeiter und haben einen jährlichen Umsatz von bis zu 50 Millionen Euro. Unter-
nehmen mit 500 und mehr Mitarbeitern und einem jährlichen Umsatz von mehr als 50
Millionen Euro werden zu den großen Unternehmen gezählt (vgl. ebd.). Zu den KMU
werden folglich alle Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern und mit bis zu 50
Millionen Euro Jahresumsatz gezählt (vgl. ebd.).
Tab. 1: Definition der KMU laut IfM Bonn
Größe des Unternehmens
Anzahl der Mitarbeiter Jahresumsatz
in
Euro
Kleines Unternehmen
Bis 9
Weniger als 1 Million
Mittleres Unternehmen
10 bis 499
1 bis unter 50 Millionen
Großes Unternehmen
Ab 500
Ab 50 Millionen
Mittelstand (KMU)
Bis 499
Weniger als 50 Millionen
Quelle: in Anlehnung an BMWI 2007, 9
Neben dieser Definition der KMU des IfM traten am 01.01.2005 die Richtlinien zur
Definition der KMU der EU in Kraft.
,,In einem Gemeinsamen Markt ohne Binnengrenzen kommt es darauf an, dass Maßnahmen
zugunsten von KMU im Interesse einer höheren Kohärenz und Effizienz und zum Abbau
von Wettbewerbsverzerrungen auf einer gemeinsamen Definition basieren. Diese Aufgabe
stellt sich um so dringlicher, als die einzelstaatlichen und die EU-Fördermaßnahmen für
KMU auf vielfältige Weise miteinander verknüpft sind [...]" Günter Verheugen (EG (Hg.)
2006, 6)
Laut Definition der EU ist jede Einheit, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht,
ein Unternehmen. Die jeweilige Rechtsform der Einheit ist dabei nicht von Bedeutung.
Jedes Unternehmen muss folgende Kennzahlen ermitteln: Mitarbeiterzahl, Jahresumsatz

Kleine und Mittlere mittelständische Unternehmen in Deutschland
14
und Jahresbilanzsumme (vgl. EG (Hg.) 2006, 12). Die in der Tabelle aufgelisteten
Schwellenwerte für die Anzahl der Mitarbeiter müssen eingehalten werden. Den Unter-
nehmen steht es aber frei, entweder den Schwellenwerten für den Jahresumsatz oder den
Schwellenwert für die Jahresbilanz einzuhalten (vgl. ebd.). Sollte einer der beiden Wer-
te überschritten werden, verliert das Unternehmen seinen Status als KMU aber nicht.
Diese Wahlmöglichkeit war notwendig, da Unternehmen, die in Vertrieb und Handel
tätig sind, höhere Umsatzzahlen haben, als Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes.
Die Auswahlmöglichkeit zwischen Umsatz und Bilanzsumme soll eine faire Behand-
lung der KMU aus unterschiedlichen Wirtschaftszweigen garantieren (vgl. ebd., 13).
Zusätzlich zu den Schwellenwerten für Mitarbeiterzahl, Jahresbilanz und Jahresum-satz
muss außerdem die ,,Eigenständigkeit des Unternehmens" (ebd.) gegeben sein. Ein Un-
ternehmen gilt dann als eigenständig, wenn es entweder völlig unabhängig ist oder
wenn maximal 25 % des Kapitals oder der Stimmrechte von Außenstehenden gehalten
werden (ebd.). Demnach unterscheidet man zusätzlich zwischen eigenständigen Unter-
nehmen, Partnerunternehmen und verbundenen Unternehmen (vgl. EG (Hg.) 2006).
Tab. 2: KMU Definition der EU
Größe des Unterneh-
mens
Anzahl der
Mitarbeiter
Jahresumsatz in
Euro
Jahresbilanzsumme
in Euro
Kleinstunternehmen Unter
10 Bis 2 Millionen
Bis 2 Millionen
Kleines Unternehmen
Unter 50
Bis 10 Millionen
Bis 10 Millionen
Mittleres Unternehmen
Unter 250
Bis 50 Millionen
Bis 43 Millionen
Großes Unternehmen
Ab 250
Über 50 Millionen
Über 43 Millionen
Quelle: in Anlehnung an EG (Hg.) 2006, 14
Der Mittelstand hingegen wird nicht nach Größenklassen abgegrenzt, sondern definiert
sich über die ,,Einheit von Eigentum und Leitung" (BMWI 2007, 10). Ein Unternehmen
gehört dann zum Mittelstand, wenn der Eigentümer des Unternehmens die Leitung des
Unternehmens übernimmt. Es besteht auch die Möglichkeit das Unternehmen von ei-
nem Außenstehenden führen zu lassen, dann allerdings müssen alle wichtigen strategi-
schen Entscheidungen in der Hand des Eigentümers liegen (vgl. ebd.). Je nach Größe
des Unternehmens wird dann zwischen Kleinen mittelständischen Unternehmen, Mittle-
ren mittelständischen Unternehmen und Großen mittelständischen Unternehmen unter-
schieden.

Kleine und Mittlere mittelständische Unternehmen in Deutschland
15
2.2
Bedeutung der KMU in Deutschland und Europa
,,Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind der Motor der
europäischen Wirtschaft. Sie tragen wesentlich zur Entstehung von Arbeitsplätzen bei, för-
dern den Unternehmergeist und die Innovationstätigkeit in der EU und spielen deshalb eine
entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit und der Beschäfti-
gung." Günther Verheugen (EG (Hg.) 2006, 3)
Die KMU spielen in der deutschen und europäischen Wirtschaft eine entscheidende
Rolle. 2006 gab es in der EU-25 etwa 23 Millionen KMU, was rund 99% aller Unter-
nehmen in Europa ausmacht. Diese 23 Millionen KMU beschäftigen mehr als 75 Milli-
onen Menschen (vgl. EG (Hg.) 2006, 52).
In Deutschland zählen rund 99,7% aller Unternehmen zu den KMU
1
(vgl. BMWI 2007,
16). 2006 beschäftigten sie mehr als 20 Millionen Mitarbeiter, was rund 71 % aller Be-
schäftigten in Deutschland ausmacht und bildeten knapp 83% aller Auszubildenden aus
(vgl. ebd.). 2006 betrug der Umsatz der KMU rund 1,9 Milliarden Euro, was rund 40%
des Umsatzes aller Unternehmen in Deutschland entspricht (vgl. ebd.).
Abb. 1 Bedeutung der KMU für die deutsche Wirtschaft (2006)
Quelle: BMWI 2007, 16
1
Nach der Definition des IfM Bonn. Nach der Definition der EU vom 01.01.2005 zählen immerhin noch
99% aller Unternehmen in Deutschland zu den KMU (BMWI 2007, 16)
.

Kleine und Mittlere mittelständische Unternehmen in Deutschland
16
2.3
Auslandsengagement
der mittelständischen KMU
2.3.1 Motive für das Auslandsengagement und Ziele der Auslandsinvestitionen
,,Die Öffnung der Märkte innerhalb wie auch außerhalb Europas bieten Unternehmen im-
mer weitreichendere Handlungsspielräume für internationale Aktivitäten. Auch die Unter-
nehmen in Deutschland nutzen die Chance und engagieren sich in zunehmendem Maße auf
ausländischen Märkten. Die daraus resultierende fortschreitende Vernetzung der Volkswirt-
schaften zeigt sich u.a. in der Intensivierung des Handels, der steigenden internationalen
Faktormobilität und auch in der Zahl grenzüberschreitenden Kooperation zwischen Unter-
nehmen." Hartmund Schauerte (BMWI 2007, 27)
Die zwei wichtigsten Motive für Investitionen im Ausland für deutsche mittelständische
KMU sind Kostenreduzierung und marktstrategische Motive. Laut Frühjahrsumfrage
der DIHK
2
planen 35% der mittelständischen Unternehmen 2008 im Ausland in eigene
Produktionsstätten oder in Vertrieb- und Kundendienst im Ausland zu investieren (vgl.
DIHK 2008, 12). 35% der Industrieunternehmen die im Ausland investieren tun dies um
Kosten zu reduzieren (vgl. ebd.). 65% der Unternehmen werden im Ausland investieren
um neue Absatzmärkte zu erschließen bzw. um den Vertrieb und Kundendienst aus- und
aufzubauen (vgl. ebd.).
Abbildung 2 zeigt weitere strategische Motive der KMU für Auslandsinvestitionen im
Vergleich zu Großunternehmen.
Abb. 2: Strategische Ziele der Auslandsaktivitäten
65,2
55,1
46,2
44,9
36,1
22,2
67,0
43,3
22,7
81,4
59,2
54,6
Erschließung neuer Absatzmärkte
Sicherung bestehender Absatzmärkte
Nutzung von Arbeitskostenvorteilen
Erhalt der Betriebsstätten in Deutschland
Nutzung von Standortvorteilen im Ausland
Erschließung neuer Beschaffungsmärkte
KMU
Großunternehmen
Quelle: in Anlehnung an Wallau 2007a, 28
2
repräsentative Umfrage, unter mehr als 8000 Mitgliedsunternehmen der IHKs in Deutschland
in %
n=495, Mehrfachnennung möglich

Kleine und Mittlere mittelständische Unternehmen in Deutschland
17
Bei den größeren mittelständischen Unternehmen planen immerhin 54% Auslandsinves-
titionen, wobei für sie das Motiv der Kostensenkung an erster Stelle steht (vgl. DIHK,
2008, 3). Wichtigstes Investitionsziel für diese Unternehmen sind die EU Staaten, aber
auch Nordamerika und Asien werden zunehmend interessanter (vgl. ebd.). Viele größe-
re mittelständische Unternehmen (41%), besonders aus den Bereichen Maschinenbau,
Kraftfahrzeugtechnik, Elektro- und Rundfunktechnik, werden 2008 in China investieren
und folgen damit den Investitionsströmen der Großunternehmen, denen sie als Zuliefe-
rer dienen (vgl. ebd.). Auch Russland und die Türkei werden aufgrund wachsender
Kaufkraft und günstigeren Produktionsbedingungen für deutsche KMU interessant (vgl.
ebd.).
Bei den KMU bis 199 Beschäftigten planen ein Drittel der befragten Unternehmen eine
Auslandsinvestition für 2008 (vgl. ebd.). Für 37% der Unternehmen sind die neuen EU
Länder Hauptziel, die geringeren Arbeitskosten in den MOE-Standorten ermöglichen
den Aufbau einer ,,verlängerten Werkbank" (DIHK 2008, 13). Aber auch die Nähe zum
Heimatstandort ist für die mittelständischen Unternehmen ein entscheidender Faktor
(vgl. ebd.).
Abbildung 3 zeigt die Zielregionen der deutschen Investitionen geordnet nach Größen-
klassen der KMU aus dem Jahre 2006.
Abb. 3: Zielregionen der deutschen KMU 2006 geordnet nach Größenklassen
Quelle: Hoffmann/Müller 2006, 18

Kleine und Mittlere mittelständische Unternehmen in Deutschland
18
2.3.2 Formen des Auslandsengagements
,,Die Globalisierung und Internationalisierung der Wirtschaft haben besonders im letzten
Jahrzehnt zu einer starken Ausweitung des Welthandels geführt. Mehr und mehr Erzeugnis-
se werden exportiert und importiert, und immer mehr Unternehmen werden grenzüber-
schreitend aktiv." (Strunz, 2005, 29)
Viele KMU nutzen heutzutage neben dem traditionellen Export auch andere Internatio-
nalisierungsformen, wie z.B. das Errichten von Auslandsniederlassungen und Produkti-
onsbetrieben. Abbildung 4 zeigt die schematische Darstellung des Internationalisie-
rungsprozesses.
Abb. 4: Stufenmodell des Internationalisierungsprozesses
Quelle: in Anlehnung an Strunz 2005, 38
Bei international erfolgreichen Unternehmen erfolgte die Internationalisierung meist
stufenartig, da mehrere Schritte notwendig sind ,,um sich vom exportorientierten Unter-
nehmen zum auslandsbasierten KMU zu entwickeln" (Hering et al, 2001, 47), die ,,Ex-
portaktivitäten [bilden damit] den Einstieg in die Internationalisierung" (IfM 2007, 43).
2006 waren mehr als 335.000 KMU im Exportgeschäft tätig (vgl. ebd.). Dies entspricht
einer Quote von 98% aller exportierenden Unternehmen in Deutschland. Die Zahl der
deutschen mittelständischen Unternehmen ist dabei in den letzten Jahren kontinuierlich
gestiegen, ,,der Mittelstand ist somit nicht nur das Rückgrat der deutschen Wirtschaft,
sondern auch eine wichtige Stütze der deutschen Exportwirtschaft" (Wallau 2007a, 13).
Im Stammland
Im Gastland
Im
G
as
tlan
d
Export
Lizenzverträge
Franchising
Joint Venture
Auslandsniederlassung
Produktionsbetrieb
Tochtergesellschaft
Kapitaleinsatz 100%

Kleine und Mittlere mittelständische Unternehmen in Deutschland
19
Tabelle 3 verdeutlicht nochmals die Bedeutung des Exports für die deutschen Unter-
nehmen und die deutsche Wirtschaft..
Tab.3: Bedeutung des Exports für die deutsche Wirtschaft
Quelle: Wallau 2007a, 9
Nach dem Export sind die Errichtung von Auslandsniederlassungen und Produktions-
betrieben die wichtigsten Formen des Auslandsengagements für mittelständische Unter-
nehmen. Nur wenige KMU nutzen die Möglichkeit von Franchising oder Lizenzvergabe
(vgl. ebd.).Aus amtlichen Statistiken ist nicht erkennbar, wie viele mittelständische Un-
ternehmen neben dem Export auch andere Formen der Internationalisierung wahrneh-
men (vgl. Wallau 2007a, 10). Eine Befragung des IfM aus dem Jahre 2006 ergab aller-
dings, dass von 500 bereits im Exportgeschäft tätigen Unternehmen immerhin knapp
10% eine Kooperation mit ausländischen Unternehmen eingingen und 2,6% eine eigene
Produktionsstätte im Ausland besaßen (vgl. ebd.).

Kultur als zentraler Faktor der Reintegration
20
3.
Kultur als zentraler Faktor der Reintegration
3.1
Was ist Kultur?
Im einfachsten Sinne kann man unter dem Begriff ,Kultur' die gemeinsame Lebenswei-
se einer Gruppe verstehen (vgl. Berry 2004, 166), die sowohl im Verhalten, als auch im
materiellen Schaffen einer Gruppe Ausdruck findet.
Der Kulturbegriff unterlag im Laufe der Zeit einem ständigen Wandel. Das Wort ,Kul-
tur' stammt von dem Lateinischen Wort ,colere' ab, was soviel bedeutet, wie ,eine
Gottheit verehren' bzw. ,das Feld bebauen, pflegen'. 1871 wurde der Begriff ,Kultur'
erstmals von Tylor im anthropologischem Sinne verwendet, der Kultur als ,,[the]
complex whole which includes knowledge, belief, art, morals, laws, customs and any
other capabilities and habits aquired by man as member of society" (Tylor (1871, 22) zit.
in Berry 2004, 167) definiert. Zwei, heute weit verbreitete Definitionen für den Begriff
,Kultur' stammen von Linton und Herskovits (ebd.). Linton (1936, 78) beschreibt Kul-
tur als ,,the total social heredity of mankind" (zit. in ebd.) und für Herskovits (1948, 17)
ist Kultur ,,the man-made part of the environment" (zit in ebd.).
In den 1950er Jahren untersuchten Kroeber und Kluckhohn eine Fülle von Definitionen
zum Thema ,Kultur', systematisierten diese und boten anschließend die folgende Defi-
nition an (ebd.):
Culture consists of patterns, explicit and implicit, of and for behavior aquired and transmit-
ted by symbols, constituting the distinctive achievements of human groups, including their
embodiments in artifacts; the essential core of culture consists of traditional (i.e., histori-
cally derived and selected) ideas and especially their attached values, cultural systems may
on the one hand be considered as products of action, on the other as conditioning elements
of further actions." (Kroeber, Kluckhohn 1952, zit.in Berry 2004, 168)
In den nachfolgenden Jahren wurde zunehmend die immaterielle, ideelle Bedeutung des
Kulturkonzeptes betont (Berry 2004, 168). Diese Sichtweise verstärkte sich noch in den
1970er Jahren, vertreten durch den Anthropologen Geertz, der Kultur als ,,historically
transmitted pattern of meanings embodied in symbols" (1973, zit. in Berry 2004,
169) und als ,,a conceptual structure or system of ideas" (1984, zit. in ebd.) beschreibt.

Kultur als zentraler Faktor der Reintegration
21
Neben diesem immateriellen Kulturkonzept entwickelte sich auch eine materielle Kul-
turtheorie, die sich an der ,,Gesamtheit von Artefakten als real hervorgebrachten sinn-
repräsentierenden Leistungen einer Gesellschaft" (Bolten 1997, 472f) orientiert, d.h. bei
diesem Kulturkonzept stehen die offen wahrnehmbaren Dinge einer Kultur im Vorder-
grund (vgl. ebd.).
Trompenaars führte beide Sichtweisen zusammen und entwickelte ein Kulturmodell,
das aus drei Schichten besteht: der Außenschicht, einer Mittelschicht und einem Kern
(vgl. Trompenaars 1993, 39). Die Außenschicht einer Kultur setzt sich aus den öffent-
lich sichtbaren Komponenten wie z.B. Sprache, Nahrung, Kunst, Mode, Kleidung, Ar-
chitektur usw. zusammen (vgl. ebd.). ,,Sie sind Symbole, Ausdruck für eine tieferlie-
gende kulturelle Schicht" (ebd.). Diese tieferliegende zweite Schicht, die Mittelschicht,
besteht aus den Normen, ,,dem gemeinsamen Sinn für das, was ,richtig' und ,falsch'
ist" (ebd.) und den Werten einer Gruppe (vgl. ebd.). Den Kern einer jeden Kultur bilden
die Grundannahmen über die Existenz, d.h. dieser Teil der Kultur ist ,,die Weise, in
welcher Gruppen sich im Laufe der Zeit selber organisiert haben, um die ihnen [von der
Umwelt] gestellten Probleme und Herausforderungen zu bewältigen" (ebd., 42). Damit
lassen sich auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Kulturen erklären. Je nach
geografischer Lage mussten sich die Menschen so organisieren, dass sie ,,sich in ihrer
jeweiligen Umwelt nach besten Kräften behaupten" (ebd.) und somit überleben konnten.
Dies führte dazu, dass sich je nach Region verschiedene Grundannahmen über die Exis-
tenz ausbildeten. Unterschiedliche Grundannahmen über die Existenz führen zu unter-
schiedlichen Werten und Normen, die sich wiederum in den öffentlich sichtbaren Kom-
ponenten widerspiegeln. ,,Die verschiedenen Schichten existieren nicht unabhängig
voneinander sondern stehen in Wechselwirkung." (Trompenaars 1993, 46)
3.2
Worin unterscheiden sich die Kulturen?
,,Die Lösungswege, die eine Kultur für drei universale Probleme der Menschheit gefunden
hat, bilden ihren Unterschied zu anderen Kulturen. Die Probleme ­ die Einstellung zur Zeit,
zur Natur und zu Mitmenschen ­ sind allen Menschen gemeinsam, ihre Lösungen aber
nicht." (Trompenaars 1993, 47)
Auch auf die Frage nach den Unterschieden zwischen den einzelnen Kulturen können
zunächst die ganz offensichtlichen Dinge wie Sprache, Architektur, Kunst und Religion
genannt werden. Allgemein kann man sagen, dass sich die Kulturen bezüglich ihrer Be-

Kultur als zentraler Faktor der Reintegration
22
Kulturelle Dimensio-
nen
Individualismus vs.
Kollektivismus
Machtdistanz
Maskulinität
Vermeidung von
Unsicherheit
ziehung zu anderen Menschen, zur Umwelt, zur Zeit und zur Arbeit unterscheiden (vgl.
ebd., 46).
Um die Unterschiede in den Kulturen erklären zu können, entwickelte Hofstede ein
Modell, das es ermöglicht Kulturen anhand vier verschiedener Dimensionen zu analy-
sieren und zu unterscheiden.
Abb. 5: Kulturelle Dimensionen nach Hofstede
Quelle: Strunz, Dorsch 2001, 324
Mit der Dimension Individualismus / Kollektivismus wird beschrieben, ob und in wel-
chem Maß dem Einzelnen (Individuum) persönliche Freiheiten zugesprochen werden
oder ob die Interessen der Gemeinschaft (Kollektiv) im Mittelpunkt stehen (vgl. ebd.).
Die Dimension Machtdistanz gibt an, in wie weit Individuen mit weniger Macht eine
ungleiche Verteilung dieser akzeptieren. Menschen in Kulturen mit hoher Machtdistanz
bringen ,Autoritäten' bzw. Vorgesetzten hohen Respekt entgegen, Status und Status-
symbole wird eine besondere Bedeutung beigemessen (vgl. ebd.). In Kulturen mit ge-
ringer Machtdistanz werden Autoritäten zwar akzeptiert, aber nicht ehrfürchtig oder
ängstlich betrachtet (vgl. ebd.). Die Dimension Maskulinität gibt Auskunft darüber, ob
eine Kultur eher maskuline oder eher feminine Werte bevorzugt. Kulturen mit maskuli-
nen Werten legen laut Hofstede besonderen Wert auf materielle Dinge, während femi-
nine Kulturen vor allem Wert auf zwischenmenschliche Beziehungen legen (vgl. ebd.).
Die Dimension Vermeidung von Unsicherheit beschreibt ,,wie stark sich eine Kultur von
unvorhersehbaren Einflüssen bedroht fühlt und wie groß das Bestreben ist, unsicheren
Situationen aus dem Weg zu gehen" (ebd., 324). Kulturen mit geringem Bestreben nach
Vermeidung von Unsicherheit neigen dazu, auf von ihren Vorstellungen abweichende

Kultur als zentraler Faktor der Reintegration
23
Meinungen und Verhaltensweisen gelassen zu reagieren, da sie sich durch diese nicht
bedroht fühlen (vgl. ebd.). Kulturen mit hohem Bestreben nach Vermeidung von Unsi-
cherheit hingegen tendieren dazu ihr Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit mit mög-
lichst vielen Regeln und Vorschriften zu befriedigen (vgl. ebd.). Verhalten und Vorstel-
lungen, die von der Norm abweichen, werden als Risiko betrachtet und deshalb weniger
akzeptiert (vgl. ebd., 325).
Kulturen sind aber keine starren Konstrukte, sondern verändern und entwickeln sich im
Laufe der Zeit, was nicht nur an Veränderungen in Bezug auf Kleidungsstilen und Mu-
sikrichtungen, sondern auch anhand von Veränderungen politischer oder ökonomischer
Systeme erkennbar ist (vgl. Berry 2004, 171). Auch können Kulturen nicht strikt von-
einander abgegrenzt werden, da ,,die Welt nicht aus einem Mosaik der Kulturen [be-
steht], sondern [...] ein sich ständig wandelnder Fluss der Kulturen [ist], dessen ver-
schiedene Strömungen sich dauerhaft vermischen" (Wagner 2002 zit. nach Schönhuth
2005, 113). Zudem führen ,,mediale Vernetzung und globale Mobilität (ebd., 110) zum
Verschwinden der ,,Raumkonstanz" (ebd.), so dass ,,traditionelle Werte einem immer
rascheren Wandel" (ebd.) unterliegen. Durch den ständigen kulturellen Austausch mit
anderen Kulturen unterliegen diese damit einer ständigen Entwicklung und Verände-
rung (ebd., 113).
3.3
Kultur und Reintegration
Bei der Betrachtung des Themas ,Reintegration' muss der Begriff ,Kultur' unbedingt
mit einbezogen werden. Menschen, die ins Ausland, in einen anderen Kulturkreis gehen,
sind oftmals gezwungen sich den Bedingungen vor Ort anzupassen um zu ,funktionie-
ren'. Soziale und kulturelle Werte, Normen und Verhaltensweisen, die diese Menschen
von klein auf in ihrer eigenen Kultur erlernt haben, sind im Ausland aufgrund anderer
kultureller Werte, Normen und Verhaltensweisen nicht mehr gültig bzw. können miss-
verstanden werden (vgl. Kühlmann 1995, 13f).
Der Eintritt in einen neuen Kulturkreis verläuft selten problemlos. Nach dem Kultur-
schockmodell befinden sich diese Menschen zunächst in einer ,Honeymoon Phase', in
der die Begeisterung und die Faszination für die fremde Kultur noch überwiegen (vgl.
ebd., 6). Allerdings müssen sie nach und nach feststellen, dass die Unterschiede in

Kultur als zentraler Faktor der Reintegration
24
Sprache, Werten, Konzepten, Verhaltensweisen und Symbolen bei ihnen ,,Gefühle der
Unzulänglichkeit, Angst und Verärgerung" (ebd.) hervorrufen, da sie diese nicht verste-
hen bzw. falsch deuten.
,,Life in a new culture presents us with situations that do not follow our unconscious cul-
tural script. These situations generate `crises', in which our mental and behavioural habits
are brought into question." (Kim 2004, 340)
Um dieses Missverhältnis auszugleichen und um eine ,,relatively stable, reciprocal, and
functional relationship with the environment" (Kim 2004, 339) einzugehen, müssen sich
die Menschen den Verhältnissen im Ausland anpassen. Allerdings findet selten eine
sofortige Aufgabe der eigenen und Übernahme der fremden Kultur statt, sondern alte
Verhaltensweisen und Werte werden zunächst zurückgestellt, die neuen angenommen
und erst im Laufe der Zeit werden die alten ,vergessen' (vgl. ebd.). Oftmals findet aber
keine komplette Anpassung an die ausländischen Verhältnisse statt, sondern vielmehr
eine Vermischung von Elementen der Gast- und Heimatkultur (vgl. ebd.).
Kehren diese Menschen aus dem Ausland zurück, stehen sie mehr oder weniger vor
dem gleichen Problem, wie in der ersten Zeit im Ausland. Da sich ihre kulturellen
Wertvorstellungen und Verhaltensmuster im anderen Kulturkreis verändert haben, müs-
sen sie sich erst wieder an die kulturell bedingten Verhaltensweisen, Normen und Werte
in der Heimat gewöhnen. Es ist also erkennbar, dass Kultur eine wichtige Konstante bei
dem Thema ,Reintegration' darstellt.

Interkulturelle Reintegration nach Auslandsaufenthalten
25
4. Interkulturelle
Reintegration nach Auslandsaufenthalten
4.1
Interkulturelle Reintegration in der Wissenschaft
4.1.1 Definition ,Interkulturelle Reintegration'
Das Wort Reintegration setzt sich aus der lateinischen Vorsilbe ,re', die ,zurück, wie-
der' bedeutet und dem lateinischen Wort ,integratio', was so viel wie ,Wiederherstel-
lung eines Ganzen' bedeutet, zusammen (vgl. Wahrig-Burfeind 1992, 303). Der Begriff
,Integration' wird im soziologischen Kontext u.a. als Bezeichnung für ,,die Prozesse der
bewußtseinsmäßigen oder erzieherischen Eingliederung von Personen oder Gruppen in
oder ihre Anpassung an allgemein verbindliche Wert- und Handlungsmuster" (Meyers
Lexikon Online, o.J. b) verwendet. Als Reintegration wird die erneute Eingliederung
bzw. Wiederanpassung an bereits bekannte Wert- und Handlungsmuster bezeichnet.
Voraussetzung für eine Reintegration ist, dass zu einem vorhergehenden Zeitpunkt eine
Integration in ein anderes Wert- und Handlungsmuster stattgefunden hat.
Der Begriff ,interkulturelle Reintegration' beschreibt den Prozess der Rückkehr und
Wiedereingliederung eines Individuums in seine Heimatkultur nach einem längeren
Aufenthalt in einer anderen Kultur (vgl. Martin, Harrell 2004, 310). Allgemein unterlie-
gen die theoretischen und praktischen Arbeiten zum Thema Reintegration folgenden
Annahmen (vgl. ebd., 309f):
Die Reintegration ist ein Teil eines interkulturellen Phänomens und betrifft als
solches kognitive, affektive und verhaltensorientierte Prozesse.
Die Rückkehr in die Heimat ist vergleichbar mit anderen Übergängen im Leben
eines erwachsenen Menschen, da auch sie für den Rückkehrer Veränderung und
Verlust, aber auch eine Chance zur persönlichen und beruflichen Weiterentwick-
lung darstellt

Interkulturelle Reintegration nach Auslandsaufenthalten
26
4.1.2 Reintegrationsforschung im Wandel der Zeit
1963 wurde mit der Beschreibung der W-Kurve von Gullahorn und Gullahorn erstmals
das Thema ,Reintegration' in die Wissenschaft aufgenommen. In den darauffolgenden
Jahrzehnten wurden einige empirische und anekdotenhafte Studien zu dem Thema
durchgeführt, die sich darauf konzentrierten, dass bei Rückkehr in die eigene Kultur
diese oft unerwartet fremd erscheint (vgl. Martin, Harrell 2004, 309). Ende der 1990er
Jahre vollzog sich ein Paradigmenwechsel
3
in der Interkulturellen Kommunikation, der
auch Einfluss auf die Reintegrationsforschung hatte.
,,This research paradigm [...] shifts the focus from the individual to the influence of more
`macro' contexts (e.g., historical, social, and political influences). In addition, the goal [...]
is not to predict and control human behavior but rather to analyze power relations, locate
sources of oppression, and, ultimately affect sytematic change." (ebd., 309)
Während vor einigen Jahren die Wissenschaft noch davon aus ging, dass die Reintegra-
tion der Endpunkt im linearen Prozess von Auslandsaufenthalt und Rückkehr ist, so
sieht sie sich heute immer mehr Menschen gegenüber, die häufig ins Ausland, und da-
mit auch in einen anderen Kulturkreis gehen und auch wieder zurückkehren, also sich
ständig zwischen den Kulturen bewegen (vgl. ebd., 310).
Neue Erkenntnisse im Bereich ,Kulturelle Anpassung', wie z.B. die Erkenntnis, dass
Kultur nicht starr, sondern dynamisch ist, und die Tatsache, dass durch die Mobilität der
Menschen Kulturgrenzen immer mehr verschwimmen, haben dazu geführt, dass auch
bestimmte Aspekte der Reintegration neu überdacht werden mussten (vgl. ebd.). Bis vor
wenigen Jahren war die Assimilation das ultimative Ziel der kulturellen Anpassung, d. h.
die Menschen im Ausland sollten ihre eigene Kultur aufgeben und die neue Kultur voll-
ständig annehmen (vgl. ebd., 309). Heute jedoch sehen viele Wissenschafter die Ver-
schmelzung von eigener und Gastkultur als das oberste Ziel der Anpassung (vgl. ebd.).
Eine Verschmelzung von eigener und Gastkultur führt zu einem komplexeren Verständ-
nis beider Kulturen, als es die Aufgabe der eigenen Kultur und das Neuerlernen dieser
bei Rückkehr in die Heimat tun. Auch ist die Frage noch nicht geklärt, ob durch die
ständige Mobilität der Menschen eine völlig neue kulturelle Identität entsteht, die sich
deutlich von der der Heimat- und Gastkultur abzeichnet (vgl. ebd.). Ebenso stellt sich
3
,,Als Paradigmenwechsel wird eine (oft radikale) Änderung des Blickwinkels auf ein wissenschaftliches
Feld, auf dessen Paradigma, bezeichnet und dabei die Grundlage für eine Weiterentwicklung gege-
ben." (Wikipedia o.J.)

Interkulturelle Reintegration nach Auslandsaufenthalten
27
die Frage, ob im Ausland eine Anpassung bzw. später eine Rückkehr in die eigene Kul-
tur stattfindet, wenn man im Ausland in speziellen Stadtteilen, in denen die kulturellen
Bedingungen denen des Heimatlandes gleichen, gelebt hat (vgl. ebd.). Auch die Frage
nach der Integration in einem Gastland, dass sich seinen Gästen gegenüber so abwei-
send verhält, dass eine Integration gar nicht möglich ist, stellt eine besondere Situation
für die Reintegration dar (vgl. ebd.). Zusätzlich beschäftigte sich die Reintegrations-
forschung über Jahre hinweg nur mit den Menschen, die freiwillig ins Ausland gingen
(vgl. ebd.). Erst in den letzten Jahren wurden in der Forschung auch Menschen berück-
sichtigt, die z.B. durch Krieg, wirtschaftliche Missstände u.ä., dazu gezwungen wurden
ins Ausland zu gehen (vgl. ebd.). Für diese Menschen mag sich die Reintegrationssitua-
tion völlig anders darstellen, als bisher in der Literatur beschrieben. Martin und Harrell
schreiben, dass all diese neuen Blickwinkel und Konzeptionen einen Einfluss auf die
Reintegrationsforschung haben werden, aber ,,it is too early to know exactly how these
[...] will affect future cultural adaption and reentry research" (ebd., 310).
4.1.3 Der Rückkehrer als Gegenstand der Reintegrationsforschung
Menschen können aus den unterschiedlichsten Gründen ins Ausland gehen und in die
Heimat zurückkehren. In der Reintegrationsforschung wird prinzipiell zwischen zwei
Gruppen unterschieden: den Studenten und den Professionals, Menschen, die aus beruf-
lichen Gründen ins Ausland gehen. Während die Forschung davon ausgeht, dass Stu-
denten immer freiwillig ins Ausland gehen, können Professionals auch zwangsweise,
z.B. auf Grund von Katastrophen oder schlechten wirtschaftlichen Bedingungen in der
Heimat, ins Ausland gehen (vgl. ebd.).
Wie die Reintegration in die Heimat von dem Rückkehrer erlebt wird, ist auch davon
abhängig aus welchen Gründen er ins Auslandsland ging, inwieweit der Gang ins Aus-
land auf freiwilliger Basis erfolgte (vgl. ebd. 311), von den Erfahrungen, die der Rück-
kehrer im Ausland gemacht hat und von der Zufriedenheit während des Auslandsauf-
enthaltes (vgl. ebd.). Die Einstellung der Menschen in der Heimat bezüglich der Rück-
kehrer spielt ebenfalls eine bedeutende Rolle. Werden Rückkehrer eher mit Argwohn
betrachtet oder gilt die Rückkehr bereits als Routinesituation in einer globalisierten
Welt (vgl. ebd.)? All diese Faktoren haben Einfluss auf den Rückkehrer und dessen
Reintegration.

Interkulturelle Reintegration nach Auslandsaufenthalten
28
4.2
Die Situation des Rückkehrers
Menschen, die längere Zeit im Ausland gelebt und gearbeitet haben, werden von der
ausländischen Kultur geprägt und verändert (vgl. Hirsch 1996, 288). So führt die ,,Be-
gegnung und Auseinandersetzung mit anderen kulturellen Wertevorstellungen [...] zu
bewussten und unbewussten Verhaltensveränderungen" (ebd., 288), die bei Rückkehr in
die Heimat mitgenommen werden und bei Daheimgebliebenen zu Unverständnis führen
können.
Zusätzlich trifft der Rückkehrer ,,mit der Erwartung einer Anerkennung seiner Aus-
landstätigkeit auf Veränderungen, die [...] in der Zwischenzeit stattgefunden haben, und
er trifft auf Erwartungen der zu Hause Gebliebenen an den Rückkehrer" (ebd., 288).
Während die Daheimgebliebenen von dem Rückkehrer erwarten, dass er sich möglichst
schnell wieder an die heimischen Verhältnisse anpasst (ebd.) und ihn so einem gewissen
Anpassungsdruck aussetzten, erwartet der Rückkehrer die Heimat so vorzufinden, wie
er sie verlassen hat bzw. wie er sich einbildet sie verlassen zu haben (vgl. Adler 2002,
273). Diese Sichtweise ist auch bedingt durch den Fakt, dass die Sicht auf die eigene
Heimat während des Auslandsaufenthaltes oftmals verklärt wurde
4
und erst nach der
Rückkehr eine kritische Auseinandersetzung mit den Bedingungen zu Hause stattfindet.
Aber auch die Erfahrungen und Kenntnisse, die im Ausland erworben wurden, führen
dazu, dass die Heimat ,mit anderen Augen' gesehen wird (ebd.). Auch weniger akkurate
Informationen über Veränderungen im Heimatland, die z.B. über Medien verbreitet
werden, können dazu führen, dass Heimkehrer ungenaue Vorstellungen über die Heimat
aufbauen (vgl. Sussman 1986, 236). Bei Heimkehr sehen sich die Rückkehrer mit ,,the
gap between their idealized memories [and their expectations] and reality" (Adler 2002,
273.) konfrontiert, die sie so nicht erwartet haben.
Viele Rückkehrer sehen sich auch mit einem mangelnden Interesse an ihren Auslandser-
fahrungen konfrontiert (vgl. Hirsch 1996, 290).
,,I came back with so many stories to share, but my friends and family couldn't understand
them. It was as if my years overseas were unshareable. Some of my friends couln't even
imagine the foreign country. ... They asked me how it was, but they just wanted to hear
`fine'." (Erfahrungsberichte von Rückkehrern zit. in Adler 2002, 273f)
4
Während der Kulturschockphase tendieren viele Expatriats dazu, die Heimat zu idealisieren und sich
nur noch an die positiven Dinge zu erinnern. Alles Negative wird verdrängt und somit eine ,neue' Heimat
erschaffen (vgl. Adler 2002, 273).

Interkulturelle Reintegration nach Auslandsaufenthalten
29
Zudem begegnen Rückkehrer häufig vielfältigen Vorurteilen gegenüber ihrem Gastland.
So bilden sich Daheimgebliebene oftmals eine Meinung über ein Land und dessen Kul-
tur anhand von Berichten aus Zeitschriften und Fernsehen oder aus eigenen Erfahrungen,
die bei Urlaubsreisen gemacht wurden (vgl. Hirsch 1996, 290). Allerdings haben diese
selten etwas mit der Alltagsrealität in dem Land gemeinsam (vgl. ebd.).
Die Rückkehr in die Heimat stellt aber auch eine Verlustsituation für die Rückkehrer
dar. Bei einem mehrjährigen Auslandsaufenthalt entstehen neue soziale Bindungen im
Ausland, die bei Rückkehr in die Heimat abgebrochen werden. Auch der Alltag gerät
zunächst durcheinander, im Ausland lieb gewonnene Gewohnheiten müssen oftmals
aufgegeben werden. Hinzu kommen organisatorische Probleme, wie z.B. die Suche
nach einer neuen Wohnung, die Einschulung von Kindern und die Organisation des
Umzugs, die von vielen Rückkehrern als stressreich empfunden werden.
All dies kann dazu führen, dass der Rückkehrer sich unwohl fühlt und Probleme hat,
sich wieder in der Heimat einzuleben. Verstärkt wird die Rückkehrproblematik auch
dadurch, dass viele Rückkehrer Schwierigkeiten bei der Heimkehr nicht erwarten und
deshalb mit der Rückkehrsituation überfordert sein können (vgl. Sussman 1986, 236).
4.3
Theoretische Modelle zur Interkulturellen Reintegration
4.3.1 Verlaufsmodelle der Reintegration
Das W-Kurven-Modell wurde 1963 von Gullahorn und Gullahorn aus dem U-Kurven-
Modell von Lysgaard entwickelt (Kühlmann, Stahl 1995, 178) und beschreibt die Rein-
tegration als einen Prozess, in dem die Zufriedenheit und das Wohlbefinden des Rück-
kehrers sich im Laufe der Zeit verändern (Martin, Harrell 2004, 312). Auch wenn Stu-
dien
5
die Validität der W-Kurve in Frage stellen (vgl. Martin, Harrell 2004, 312), wird
der Reintegrationsprozess von vielen Rückkehrern oftmals gemäß der W-Kurve be-
schrieben.
5
z.B. die Studie von Nafziger (1995) (vgl. Martin, Harrell 2004, 313).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836623490
DOI
10.3239/9783836623490
Dateigröße
770 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Westsächsische Hochschule Zwickau, Standort Zwickau – Wirtschaftswissenschaften, Studiengang Languages and Business Administration
Erscheinungsdatum
2008 (Dezember)
Note
1,3
Schlagworte
reintegration auslandsentsendung mitarbeiter
Zurück

Titel: Reintegration von Mitarbeitern nach Auslandsentsendungen
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