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Pilgertourismus an der Via Sacra

Eine Chance für die gesamte Region?

©2008 Diplomarbeit 213 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Idee zu dieser Diplomarbeit entstammt einem Internetartikel der Onlineredaktion des ORF vom 19. März 2005, in dem über ein Projekt zur Wiederbelebung und Revitalisierung des alten Wallfahrerwegs von Wien nach Mariazell, der ‚Via Sacra’ berichtet wurde, mit dem ehrgeizigen Ziel ‘200.000 zusätzliche Pilger anzulocken’. Nachdem ich im Jahr davor zum ersten Mal in meinem Leben an einer (Jugend-)Wallfahrt auf exakt dieser Strecke teilgenommen hatte, erregte dieser Artikel sofort meine Aufmerksamkeit – und sah schließlich darin die Chance, in meiner Diplomarbeit fachliche mit persönlichen Interessen zu kombinieren. Ich kannte schon damals bestimmte Teilstrecken von zahlreichen Wanderungen als Kind und Jugendlicher mit meinen Eltern, Religion spielte darin jedoch keine Rolle. Nun, da ich trotz der anfangs großen Skepsis, auch einmal die Seiten gewechselt und die gesamte Wegstrecke als Wallfahrer begangen hatte, war auf einmal ein ganz konkreter und persönlicher Bezug zu diesem Thema gegeben, dazu noch verbunden mit meinem Studienschwerpunkt der Tourismusgeographie.
Noch wusste ich aber nicht, worauf ich mich dabei eingelassen hatte. Es ist unmöglich, eine wissenschaftliche Arbeit über die Revitalisierung eines alten Wallfahrtsweges zu schreiben, ohne ein Grundwissen über das Wesen, die Entstehung und die verschiedenen Formen der Wallfahrt und Pilgerschaft zu besitzen, auch wenn das Hauptaugenmerk im Bereich des Tourismus bzw. der Regionalentwicklung liegen sollte. Nachdem meine theoretische Vorbildung in diesem Bereich jedoch schlicht nicht vorhanden, beziehungsweise (vor meiner Teilnahme an der Perchtoldsdorfer Jugendwallfahrt 2004) stattdessen von bestimmten Stereotypen und Vorstellungen geprägt war (ich verband mit dem Thema ‘Wallfahrt’ hauptsächlich frömmelnde alte Frauen, die rosenkranzbetend nach ‘Maria Irgendwo’ gehen), musste ich mir dieses Grundwissen selbst aneignen. Der fehlende theologisch-religionswissenschaftliche Hintergrund und persönliche Umstände verzögerten mein Vorhaben erheblich, und erst mal eingelesen in eine Unzahl an theologischen, sozialwissenschaftlichen und anthropologischen Werken zum Thema Pilgern und Wallfahren, fiel es mitunter schwer, den eigentlichen Fokus der Arbeit nicht aus den Augen zu verlieren.
Zumindest eine Sache wurde mir jedoch schnell klar: ‘Pilgertourismus’ bzw. ‘Spiritueller Tourismus’ ist ein absolutes Querschnittsthema; welches noch dazu im tourismusgeografischen und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Persönlicher Zugang und Relevanz der Thematik
1.2 Methodik und Quellenkritik
1.3 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
1.4 Abgrenzung

2 Tourismus, Pilgerschaft und Gesellschaft im Wandel der Zeit
2.1 Pilgerschaft und Wallfahrt
2.1.1 Pilgern und Wallfahren – zwei Begriffe, ein Sinn?
2.1.2 Die Geschichte des christlichen Pilgerwesens in Europa
2.1.2.1 Die ersten Jahrhunderte nach Christus
2.1.2.2 Das Mittelalter
2.1.2.3 Die Zeit der Reformation, Gegenreformation und des Barock
2.1.2.4 Die Zeit der Aufklärung bis zur Moderne
2.1.3 Wallfahrts- und Pilgermotive
2.2 Der Tourismus
2.2.1 Tourismus vulgo Fremdenverkehr: Eine Definitionssache
2.2.2 Von der Grand Tour zum „multioptionalen Gast“ – über die Entstehung des Tourismus von heute in Europa
2.2.2.1 Vorphase bis 1850
2.2.2.2 Anfangsphase 1850-1914
2.2.2.3 Entwicklungsphase 1914-1945
2.2.2.4 Hochphase nach 1945
2.2.3 Touristische Reisemotive
2.3 Die Synthese: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
2.3.1 Wallfahrt als Urform des Massentourismus
2.3.2 Pilger kommen von der Venus, Touristen vom Mars?
2.3.3 Beispiele „transponierter“ Pilgerschaft
2.3.4 Pilgertourismus, Spiritueller Tourismus: Eine Spurensuche
2.4 Von der Spaß- zur Sinngesellschaft – ein gesellschaftlicher Megatrend des 21. Jahrhunderts?
2.4.1 Kinder statt Party – Abschied von der Spaßgesellschaft?
2.4.2 Weniger ist mehr? Gegentrends zur High-Speed-Konsumgesellschaft
2.4.2.1 Entschleunigung / Down-Speeding:
2.4.2.2 Downshifting – die neue Askese
2.4.2.3 Konsumverweigerung
2.4.2.4 Vom Wegfahren zum Hinfahren
2.4.2.5 Ein neues Naturverständnis: Achtung vs. Sportgerät
2.4.3 Pilgern heute – mehr als eine Modererscheinung?
2.4.3.1 Fallbeispiel Jakobsweg
2.4.3.2 Pilgern in der Postmoderne
2.4.3.3 Flow-Erlebnis und Authentizität
2.4.3.4 Resumé

3 Mariazell und die ‚Via Sacra’
3.1 Geschichte und Gegenwart von Mariazell als Wallfahrtsort
3.1.1 Von der ‚Cella’ zur Basilika – zur Entstehungsgeschichte Mariazells
3.1.2 Die Marienverehrung
3.1.3 Der Einfluss der Habsburger
3.1.4 Mariazell als Anziehungspunkt für Katholiken aus ganz Mitteleuropa
3.1.4.1 Die Magna Domina Hungarorum: Mariazell und Ungarn
3.1.4.2 Die Alma Mater Gentium Slavorum: Mariazell und die slawischen Völker
3.1.4.3 „Wallfahrt der Völker“: Der mitteleuropäischen Katholikentag 2004 in Mariazell
3.1.5 Die Bedeutung der Wallfahrt heute
3.1.5.1 Der Fall des „Eisernen Vorhangs“ 1989: Einmaliges historisches Ereignis oder Wendepunkt in der Entwicklung Mariazells?
3.1.5.2 Zur Problematik des Pilgers als „Black Box“
3.1.5.3 Anzahl und Herkunft der angemeldeten Wallfahrergruppen nach Mariazell im Zeitraum 2003-2007
3.2 Die „Via Sacra“ – der „heilige Weg“ von Wien nach Mariazell
3.2.1 Geschichte und Entstehung
3.2.2 Heutiger Verlauf und Varianten
3.2.3 Fußwallfahrt heute: Der Versuch einer quantitativen Erfassung anhand des Besucherbuches in der Via Sacra-Kapelle Kalte Kuchl

4 Das Projekt „VIA SACRA“: Ziele, Einschätzungen, Potential
4.1 Projektziel und –Hintergrund
4.2 Situations- und Bestandsanalyse der Anrainergemeinden
4.3 Umsetzungsszenarien
4.4 Gewählte Strategien und Maßnahmen
4.5 Potentialanalyse und Projekteinschätzung aus Sicht der beteiligten Akteure und Keyplayer
4.5.1 Befragung von Fußwallfahrern nach Mariazell
4.5.2 Befragung von Pfarrern, Ordensleuten und Wallfahrtsleitern
4.5.3 Befragung von Beherbergungsbetrieben
4.5.4 Befragung von Reiseveranstaltern
4.5.5 SWOT-Analyse, DOs und DON´Ts, eigene Gedanken zum Projekt

5 Pilgertourismus als Impuls für eine nachhaltige Regionalentwicklung
5.1 Das Konzept der Nachhaltigkeit aus verschiedenen Perspektiven
5.1.1 Zu Bedeutung und Genese des Begriffs ‚Nachhaltigkeit’
5.1.2 Tourismus und Nachhaltigkeit
5.1.3 Regionalentwicklung und Nachhaltigkeit
5.1.4 Tourismus als Element nachhaltiger Regionalentwicklung
5.1.5 Religion und Nachhaltigkeit
5.2 Regionale Identität
5.2.1 Der Versuch einer Begriffsbestimmung
5.2.2 Region + Identität = Heimat?
5.2.3 Regionale Identität in der Regionalentwicklung
5.3 Resümee und Zusammenfassung: Sind Pilgerwege grundsätzlich ein brauchbares Instrument zur nachhaltigen Regionalentwicklung?

Anhang
Interviewleitfäden zum Projekt ‚VIA SACRA’
Gesprächsleitfaden für die Befragung von Fußwallfahrern
Gesprächsleitfaden für die Befragung von Pfarrern und Wallfahrtsleitern
Gesprächsleitfaden für die Befragung von Beherbergungsbetrieben
Gesprächsleitfaden für die Befragung von in das Projekt involvierten Experten
Befragte Experten und Betriebe
Gesprächspartner Experteninterviews
Gesprächspartner Kirchenvertreter und Wallfahrtsleiter
Gesprächspartner Beherbergungsbetriebe
Befragte Beherbergungsbetriebe (Befragung durch Fa. G&L Werbe und Verlags GmbH)
Befragte Reiseveranstalter (Befragung durch Fa. G&L Werbe und Verlags GmbH)
Pressespiegel Via Sacra
Literaturverzeichnis
Bücher
Buch- / Zeitschriftenartikel und sonstige Printmedien
Online-Dokumente

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Werbeplakat für einen der zahlreichen Diavorträge zum Jakobsweg

Abb. 2: Zeitungsartikel zum Projekt ‚VIA SACRA’

Abb. 3: Mögliche Abgrenzungsdimensionen des Tourismus

Abb. 4: Abgrenzung des Tourismus nach dem Reisemotiv

Abb. 5: Die Hauptrouten der Grand Tour zwischen 1814 und 1820 in Europa

Abb. 6: Auswirkungen der Globalisierung auf die Tourismuswirtschaft

Abb. 7: Entwicklung der tour. Ankünfte weltweit seit 1950 (ohne Tagesgäste) [Quelle: http://www.unwto.org/facts/eng/historical.htm - Zugriff am 04.04.2007]

Abb. 8: Einteilung verschiedener Reiseformen anhand der Bedürfnishierarchie nach MASLOW

Abb. 9: Zum Begriff des ‚Pilgertourismus’

Abb. 10 (links): Logo des internationalen „Buy-Nothing-Days”

Abb. 11 (rechts): „streikende Weihnachtsmänner“ in der Wiener Mariahilferstraße

Abb. 12: Herkunft der (als solche registrierten) Pilger in Santiago nach Nationen 1989 und 2006 in %

Abb. 13: Anzahl registrierter Pilger in Mariazell 1980-1992 nach Herkunft

Abb. 14: Ausgegebene Laienhostien in Mariazell als Punktdiagramm

Abb. 15: Anzahl der in Mariazell angemeldeten Wallfahrergruppen 2003-2007

Abb. 16: Herkunft der Wallfahrergruppen gemittelt 2003-2007 in %

Abb. 17: Anzahl der angemeldeten Wallfahrergruppen 2003-2007 nach Herkunft

Abb. 18: Saisonale Verteilung der angemeldeten Wallfahrtsgruppen 2003-2007 in Mariazell

Abb. 19: Verschiedene Stationen der historischen „Via Sacra“ nach Gemälden von Eduard GURK

Abb. 20: Routenverlauf der historischen ‚Via Sacra’ und des ‚Wiener Wallfahrerwegs 06’

Abb. 21: Die fünf Hauptregionen im Verlauf der „Via Sacra“

Abb. 22: Fußwallfahrer nach Mariazell – Anteil der unterschiedlichen Routen in %

Abb. 23: Besucherbuch in der Via-Sacra-Kapelle Kalte Kuchl

Abb. 24: Gruppengröße der Privatgruppen (Via Sacra Kapelle Kalte Kuchl)

Abb. 25: Gruppengröße der Nicht-Privaten Pilgergruppen (Via Sacra Kapelle Kalte Kuchl)

Abb. 26: Gesamtsumme eingetragene Personen Via Sacra Kapelle Kalte Kuchl, 2001-2005

Abb. 27: Zusammensetzung der ausländischen Pilgergruppen Via Sacra Kapelle Kalte Kuchl

Abb. 28: Jahreszeitliche Verteilung der Pilgergruppen Via Sacra Kapelle Kalte Kuchl

Abb. 29: Neu beschilderter Routenverlauf der ‚Via Sacra’ und des ‚Wiener Wallfahrerweges’

Abb. 30: Im Zuge des Projekts errichtete Wegweiser und Hinweistafeln

Abb. 31: Webportal VIA SACRA [Stand: 23.11.2007]

Abb. 32: Dreieck der Nachhaltigkeit

Abb. 33: Nachhaltigkeit im Tourismus nach MÜLLER

Abb. 34: Die vierte Dimension der Nachhaltigkeit

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Zum Unterschied von Wallfahren und Pilgern

Tab. 2: Die unterschiedliche Bedeutung des Pilgerns in Mittelalter und Gegenwart

Tab. 3: Entwicklungsphasen des Tourismus in Europa nach FREYER

Tab. 4: Der Urlaub als Gegenwelt zu den Zwängen des Alltags (Defizittheorie)

Tab. 5: Reisemotivgruppen nach HARTMANN

Tab. 6: Reisemotive der österreichischen Bevölkerung über 15 Jahren im Jahr 2006

Tab. 7: Kurzprofil „Spiritueller Tourismus“ nach BERKEMANN

Tab. 8: Spaß- versus Sinngesellschaft

Tab. 9: Ankünfte von (als solche registrierten) Pilgern in Santiago de Compostela 1989-2006

Tab. 10: Verhältnis von Kirche, Wirtschaft und Pilgereisenden zueinander

Tab. 11: Zusammensetzung der Besucher der Via Sacra Kapelle in der Kalten Kuchl

Tab. 12: Personen und Einträge Via Sacra Kapelle Kalte Kuchl: Aufteilung nach Herkunft

Tab. 13: Clusteranalyse der Anrainergemeinden von „Via Sacra“ und „Wr. Wallfahrerweg“ nach Bettenauslastung und Tourismusintensität

Tab. 14: Bestandsmatrix verschiedener „Via-Sacra“-Gemeinden

Tab. 15: Befragung Fußwallfahrer nach Mariazell – statistische Daten [N=35]

Tab. 16: „Top Ten“ der Teilnahmemotive sortiert nach Anzahl der Nennungen

Tab. 17: Reihung der Motiv-Cluster nach Anzahl der in ihnen enthaltenen Antworten

Tab. 18: SWOT-Analyse und Umsetzungsvorschläge zum Projekt ‚VIA SACRA’

Tab. 19: Gemeinsame Aspekte zur Schöpfung aus den Religionen

1 Einleitung

1.1 Persönlicher Zugang und Relevanz der Thematik

Die Idee zu dieser Diplomarbeit entstammt einem Internetartikel der Onlineredaktion des ORF vom 19. März 2005, in dem über ein Projekt zur Wiederbelebung und Revitalisierung des alten Wallfahrerwegs von Wien nach Mariazell, der ‚Via Sacra’[1] berichtet wurde, mit dem ehrgeizigen Ziel „200.000 zusätzliche Pilger anzulocken[2]. Nachdem ich im Jahr davor zum ersten Mal in meinem Leben an einer (Jugend-)Wallfahrt auf exakt dieser Strecke teilgenommen hatte, erregte dieser Artikel sofort meine Aufmerksamkeit – und sah schließlich darin die Chance, in meiner Diplomarbeit fachliche mit persönlichen Interessen zu kombinieren. Ich kannte schon damals bestimmte Teilstrecken von zahlreichen Wanderungen als Kind und Jugendlicher mit meinen Eltern, Religion spielte darin jedoch keine Rolle. Nun, da ich trotz der anfangs großen Skepsis, auch einmal die Seiten gewechselt und die gesamte Wegstrecke als Wallfahrer begangen hatte, war auf einmal ein ganz konkreter und persönlicher Bezug zu diesem Thema gegeben, dazu noch verbunden mit meinem Studienschwerpunkt der Tourismusgeographie.

Noch wusste ich aber nicht, worauf ich mich dabei eingelassen hatte. Es ist unmöglich, eine wissenschaftliche Arbeit über die Revitalisierung eines alten Wallfahrtsweges zu schreiben, ohne ein Grundwissen über das Wesen, die Entstehung und die verschiedenen Formen der Wallfahrt und Pilgerschaft zu besitzen, auch wenn das Hauptaugenmerk im Bereich des Tourismus bzw. der Regionalentwicklung liegen sollte. Nachdem meine theoretische Vorbildung in diesem Bereich jedoch schlicht nicht vorhanden, beziehungsweise (vor meiner Teilnahme an der Perchtoldsdorfer Jugendwallfahrt 2004) stattdessen von bestimmten Stereotypen und Vorstellungen geprägt war (ich verband mit dem Thema „Wallfahrt“ hauptsächlich frömmelnde alte Frauen, die rosenkranzbetend nach „Maria Irgendwo“ gehen), musste ich mir dieses Grundwissen selbst aneignen. Der fehlende theologisch-religionswissenschaftliche Hintergrund und persönliche Umstände verzögerten mein Vorhaben erheblich, und erst mal eingelesen in eine Unzahl an theologischen, sozialwissenschaftlichen und anthropologischen Werken zum Thema Pilgern und Wallfahren, fiel es mitunter schwer, den eigentlichen Fokus der Arbeit nicht aus den Augen zu verlieren.

Zumindest eine Sache wurde mir jedoch schnell klar: „Pilgertourismus“ bzw. „Spiritueller Tourismus“ ist ein absolutes Querschnittsthema; welches noch dazu im tourismusgeografischen und regionalentwicklerischen Kontext bis dato ziemlich unterbelichtet war. Es lagen zum Beginn meiner Recherchen im April 2005 nur wenige wissenschaftliche Arbeiten vor, die sich mit der Erforschung religiöser Reisetätigkeit auseinandersetzen, und die vorhandenen waren zumeist entweder im theologischen oder im betriebswirtschaftlichen Betrachtungswinkel verfasst – Bücher oder Artikel, welche die Thematik in seinen allgemeinen Zusammenhängen, mit Bezug zu gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und der aktuellen Situation erfassten, fand ich kaum.

In Anbetracht der Tatsache, dass sich der wissenschaftliche Diskurs in Buchform aktuellen Phänomenen meist erst mit einem gewissen time lag widmet, ist das auch nicht weiter verwunderlich; handelt es sich doch beim ‚Pilgertourismus’ um ein relativ neues Phänomen, das mit den Formen der ursprünglichen Pilgerfahrt des Mittelalters oder der Nahwallfahrt des Barock nur wenig zu tun hat. Dennoch führt diese Situation oft zu einem grundsätzlichen Dilemma: „Entweder wird Religion religiös verstanden, was zur Theologie führt und zu einer Ablehnung von religiösen Phänomenen zugunsten von anderen, oder man versteht Religion nicht nach religiösen Maßstäben und produziert ein objektives Wissen über etwas, was dann im eigentlichen Sinne des Wortes nicht mehr ‚Religion’ sein kann, sondern zu etwas Nicht-Religiösem, wie zum Beispiel Gesellschaft, Psyche, Sprache oder Wirtschaft etc wird.“[3] Beim Thema ,Pilgertourismus’ kann es sich also nur um eine interdisziplinäre Arbeit handeln, die sich im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftswissenschaft, Tourismusforschung, Regionalentwicklung, Soziologie und Theologie bewegt.

Ungeachtet aller methodischer Schwierigkeiten bei der Herangehensweise ist es ein Faktum, dass das Pilgern auf alten Wegen in Europa boomt – davon zeugt nicht nur die Fülle an Diavorträgen zum Jakobsweg in Spanien sowie die umfangreiche Reiseliteratur zur Thematik, sondern auch die immer größer werdende Zahl an touristisch-regionalwirtschaftlichen Studien und Projekten zum Thema Pilgern und Pilgerwege. Auch die Statistik der ankommenden Jakobspilger in Santiago spricht eine eindeutige Sprache – hier gibt es seit dem Jahr 1989 eine Verzwanzigfachung des Pilgervolumens zu verzeichnen (vgl. die näheren Ausführungen dazu in Kap. 2.4.3.1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Werbeplakat für einen der zahlreichen Diavorträge zum Jakobsweg

[aufgenommen am 13.11.2005 in Wien]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Zeitungsartikel zum Projekt ‚VIA SACRA’

[Kronen Zeitung vom 20.03.2005]

Ich befasse mich in meiner Arbeit also mit dem Thema ‚Pilgertourismus’ und dessen Eignung, zur nachhaltigen Entwicklung einer ganzen Region beizutragen, betrachtet am Beispiel des alten Wallfahrerwegs ‚Via Sacra’ von Wien zum Marienwallfahrtsort Mariazell. Doch was genau ist unter ‚Pilgertourismus’ eigentlich zu verstehen, und passt er überhaupt zur gewählten Strecke? Wie in den folgenden Kapiteln noch näher erläutert werden wird, handelt es sich dabei um eine postmoderne Mischform von Religiosität und Reisen, für die sich im deutschen Sprachraum auch der Überbegriff des „spirituellen Reisens“ etabliert hat. Als Geburtshelfer fungiert hierbei eine weitgehend säkularisierte und pluralistische Gesellschaft, deren konsum- und leistungsorientierte Grundhaltung ein Defizit an allgemein gültigen Werten und Glaubenssätzen mit sich bringt. Der einzelne Mensch ist auf der „Suche nach sich selbst“, und wählt dabei aus dem ‚Markt an Sinnangeboten’ das passendste Angebot aus: „So kann es vorkommen, dass eine ursprünglich dem religiösen Sektor genuin angehörende Aktivität, wie etwa das Pilgern, als Aktivurlaubsangebot in einem Urlaubsratgeber unter der Überschrift ‚Esoterik: Reisen zum Ich’ erscheint“[4].

Pilgertourismus “, als eine spezielle Ausprägung dieses postmodernen „spirituellen Tourismus“ basiert somit auf gänzlich anderen Ausgangsbedingungen als die Wallfahrt zu Marienheiligtümern in ihrer Hochblüte zur Zeit der Gegenreformation und des Barock. Man muss sich dieser Tatsache bewusst sein, wenn man über den „Pilgerboom von heute“ schreibt. Es handelt sich eben nicht um eine bloße „Renaissance der Wallfahrt“, wie es manche Kirchenvertreter[5], Touristiker, Politiker und Regionalentwickler allzu voreilig verkünden – die christliche Wallfahrt hat ganz andere Entstehungsbedingungen und Funktionen. Genauso wenig ist es übrigens als eine Wiederauferstehung der mittelalterlichen Pilgerfahrten zu werten; zu unterschiedlich sind Bedeutung und Motive zu jenen des Mittelalters.

Es ist daher sicherlich eine Gratwanderung, den Jakobsweg für einen traditionellen Marienwallfahrtsweg zum Vorbild zu nehmen. Zumindest stellt sich die Frage, welche Zielgruppe damit angesprochen werden soll. Traditionsbewusste Wallfahrer im Pfarrverband werden keine neue Beschilderung für Individualpilger benötigen, und für Jakobspilger ist der Weg schlicht zu kurz (es sei denn, man geht ihn von Polen, Ungarn oder der Slowakei aus). Kirchenvertreter sind Neuerungen im Allgemeinen und Ideen aus der Wirtschaft nicht immer positiv gesinnt, und für die lokale Tourismuswirtschaft ist die erzielbare Wertschöpfung von anspruchslosen, im Heustadel übernachtenden Fußpilgern höchst fraglich. Auch stellt sich allgemein die Frage, inwiefern ein von Habsburgern und Amtskirche ehemals zum Zwecke der nationalen Einheit und der Festigung des katholischen Einflussbereiches inszeniertes Marienheiligtum sich für postmoderne Sinn- und Selbstsuche eignen; doch auf der anderen Seite wurde auch der Jakobsweg, ja sogar der Apostel Jakob selbst [ ‚ mata moros’, zu deutsch ‚Maurentöter’], massiv für die Zwecke der r econquista eingespannt und boomt trotzdem gerade in diesem Bereich.

Auf jeden Fall erfährt die Thematik schon seit einigen Jahren eine stark steigende Bedeutung sowohl in der Tourismuswirtschaft als auch in der Regionalentwicklung, und ich bin überzeugt davon, dass diese auch noch weiter steigen wird. Zu ergründen, warum das passiert, wie lange das andauern wird, wie schnell das geschieht und was das den Zielregionen bringt, mit anderen Worten, ob und wie nachhaltig Pilgertourismus zu einer Entwicklung der Regionen beitragen kann, soll Ziel dieser Arbeit sein.

1.2 Methodik und Quellenkritik

Auch die methodische Herangehensweise an diese Arbeit gestaltete sich nicht immer einfach. Die Datenquellen hinsichtlich Anzahl und Herkunft der Pilger sind im Allgemeinen äußerst dürftig – noch schwieriger wird es, die Anzahl der Pilger zu eruieren, die auf einer bestimmten Route unterwegs sind, etwa der Via Sacra. Schließlich gibt die amtliche Nächtigungsstatistik keinerlei Aufschluss über das Reisemotiv des Einzelnen. Darüber hinaus nächtigt bekanntermaßen, vor allem bei Jugendwallfahrten, ein guter Teil der Pilger in den Heustadeln der örtlichen Bauern und scheint somit in der Nächtigungsstatistik erst gar nicht auf.

Auch für die Zielorte gibt es meist keine wirklich umfassende und damit verlässliche Statistik, wenngleich die größeren Wallfahrergruppen sich allesamt anmelden müssen, um, erst einmal am Ziel angekommen, auch die heilige Messe feiern zu können. Für die sogenannten „Individualpilger“, die in Kleingruppen, mit dem Partner/der Partnerin oder auch alleine reisen, gilt das natürlich nicht. Nicht zuletzt stellt sich bei dieser Thematik, vor allem bei den Individualreisenden, die Frage nach der Definition von „Pilger“ bzw. „Wallfahrer“: ist beispielsweise jemand, der mit dem Auto nach Mariazell gefahren ist, die dortige Basilika besichtigt und eventuell auch an einer Messe teilnimmt, einen Spaziergang macht, dann ins Wirthaus geht und wieder nach Hause fährt, ein Pilger? Oder nicht doch vielmehr ein Tourist (vgl. Kap. 2.3.2)? Sind eine Gruppe von Personen, die den Weitwanderweg 06 von Wien nach Mariazell gehen, automatisch Pilger? Oder doch „nur“ Wanderer? Eine kurze Beleuchtung der Begriffe „Pilger“ und „Wallfahrer“ aus theologischer Sicht schien mir daher unvermeidbar; zudem schlägt sich die allgemein schwierige Datenlage in allen Arbeiten zu diesem Thema nieder, nicht zuletzt in meiner.

Im Falle von Mariazell existieren für die Jahre 1966-1992 die vom damaligen Superior der Basilika Mariazell, Pater Dr. Veremund Hochreiter, sorgsam geführten sogenannten „Mariazeller Chroniken“[6], in denen er alle ankommenden (angemeldeten) Wallfahrergruppen vermerkte und auch die sog. ‚Zelebrationsbücher’ mit einbezog, welche u.a. über die Zahl der Wallfahrergottesdienste sowie die Herkunft der zelebrierenden Priester Auskunft geben.

Eine weitere Möglichkeit (verwendet u.a. von Liselotte Blumauer-Montenave in ihren Chronikbänden zur Geschichte des Wallfahrtsortes Mariazell sowie Heidemarie Osterberger in ihrer Diplomarbeit über die Mariazeller Wallfahrt)[7] über die Anzahl der Pilger Aufschluss zu geben, liegt in den Hostienverzeichnissen. Hierbei wird aus den pro Jahr ausgegebenen Laienhostien auf die Anzahl der Pilger rückgeschlossen (vgl. Kap. 3.1.5.2). Blumauer-Montenave nimmt zur Schätzung der Besucheranzahl schließlich auch die örtlichen Gendarmerieprotokolle über die Anzahl der ankommenden Reisebusse und PKW, die verkauften Ansichtskarten sowie die – heute nicht mehr existente –Getränkesteuer zu Hilfe. Die dazu angestellten Berechnungen haben allerdings einen Haken: Sie basieren notgedrungen auf einer ganzen Reihe von Vorannahmen, welche nicht gerade notwendigerweise eintreffen müssen.

Ab dem Jahr 1992 gibt es jedoch überhaupt keine brauchbaren Datenquellen mehr, da die sog. ‚Wallfahrtsbücher’ aufgrund der nun schon Jahre andauernden Umbauarbeiten im Vorfeld des 850-Jahr-Jubiläums Mariazells im Jahr 2007 im Bereich der Basilika, des Pfarrhofs und des Superiorats nicht zugänglich waren und darüber hinaus die „Mariazeller Chroniken“ in dieser Form vom heutigen Superior, Pater Dr. Karl Schauer, nicht weitergeführt wurden.

Eine Ausnahme dazu bildet die im Auftrag des EU-Regionalverbands Traisen-Gölsental durchgeführte (unveröffentlichte) Studie von DI Thomas Knoll und Mag. Ernst Leitner zur Via Sacra, die mir von den Autoren dankenswerterweise zur Verfügung gestellt wurde. Eine zweite Ausnahme sind die mit viel Aufwand und persönlichem Engagement von Prof. Rudolf Thron geführten Besucherbücher zur Via Sacra-Kapelle in der Kalten Kuchl, welche ich in Kap 3.2.3 für die Jahre 2001-2003 sowie 2005[8] auch ausgewertet habe. Es ist dies in der Tat die einzige quantitative Datenquelle über Wallfahrer auf der Via Sacra überhaupt; wenn auch angemerkt werden muss, dass die Eintragung in dieses Buch – ähnlich einem Gipfelbuch – auf freiwilliger Basis beruht, natürlich auch „normale“ Wanderer und Besucher der Kapelle umfasst und somit klarerweise auch keinem Anspruch auf Vollständigkeit genügen kann. Aber immerhin – es ist ein Anhaltspunkt; zumal bei vielen Einträgen (z.B. bei Pfarren) explizit von einer Wallfahrt die Rede ist.

Genauso wichtig zur Einschätzung des Projekts zur Via Sacra in Kap. 4 ist mir – neben der Erhebung von quantitativen Daten über die Pilgerströme – aber auch eine qualitative Befragung der verschiedenen Akteure selbst, und zwar sowohl der Pilger/Wallfahrer als auch der Wallfahrtsleiter, Wirte, Reiseleiter und der mit dem Projekt vertrauten Experten: Was sind überhaupt die gängigsten Motive, eine Fußwallfahrt nach Mariazell zu unternehmen? Wie zufrieden sind die Wallfahrer mit der Routenführung und den Herbergen? Wie unterscheiden sich die Akteursgruppen in ihrer Erwartungshaltung an das Projekt?

Ich wählte zu diesem Zwecke das persönliche Gespräch, unterstützt durch einen Leitfaden an offenen Fragestellungen. Das ergab den Vorteil einer offenen und ehrlichen Gesprächsatmosphäre, verbunden allerdings mit dem Nachteil, dass die Quantität der möglichen Befragungen im Vergleich zu einem schriftlichen Fragebogen im Multiple-Choice-Format doch erheblich niedriger war.

Meine Arbeit basiert also sowohl auf Sekundärliteratur als auch der empirischen Erhebung qualitativer und quantitativer Daten. Ersteres kommt naturgemäß vor allem im theoretischen Teil (überwiegend in Kapitel zwei sowie Teile des dritten und fünften Kapitels) zum Einsatz, während die qualitativen (in Form strukturierter Interviews) und quantitativen (in Form der Gästebucheinträge, Nächtigungskennzahlen und des Mariazeller Wallfahrtskalenders) Daten die Basis für den Praxisteil (das Vierte und Teile des dritten Kapitels) bilden.

1.3 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Vom Einleitungskapitel abgesehen gliedert sich meine Arbeit in vier Teile:

Kapitel zwei behandelt den Themenkomplex Wallfahrt und Tourismus an sich. Warum unternehmen Menschen eine Wallfahrt, warum gehen sie auf Reisen? Wie haben sich die Motive im Laufe der Zeit geändert? Gibt es einen neuen Trend zur (Fuß-)Wallfahrt; ist wallfahren wieder „in“? Existiert der oft zitierte Megatrend von der Erlebnis- zur Sinngesellschaft des 21. Jahrhunderts? Worin bestehen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Pilgern und Touristen? Was ist „Pilgertourismus“ überhaupt?

Das dritte Kapitel widmet sich dem Marienwallfahrtsort Mariazell und seinem berühmtesten Zubringerweg, die „Via Sacra“, seiner Entstehung und der heutigen Bedeutung des Wallfahrtswesens für die Anrainergemeinden der „Via Sacra“ und Mariazell. Was waren überhaupt die Vorraussetzungen für das Erreichen dieses hohen Bedeutungsranges – hierein spielen neben der Marienverehrung und der (streng katholischen) Habsburgerdynastie auch die besondere Bedeutung Mariazells für Osteuropa, insbesondere Ungarn – und wie schaut es heute damit aus? Dazu werden u.a. die angemeldeten Pilgermessen in Mariazell der letzten drei Jahre sowie die Einträge der letzten fünf Jahre im Besucherbuch zur Via-Sacra-Kapelle in der Kalten Kuchl unter die Lupe genommen, um eine Trendaussage tätigen zu können.

Im vierten Kapitel wird das konkrete Regionalprojekt ‚VIA SACRA’ untersucht. Vor dem Hintergrund einer umfassenden Situationsanalyse der teilnehmenden Gemeinden werden die Eckpfeiler des Projekts skizziert, die vier Umsetzungsszenarien vorgestellt und die gewählten konkreten Strategien und Maßnahmen zur Umsetzung des Projekts untersucht werden. Schließlich wird anhand der mit den verschiedenen beteiligten Akteursgruppen (Wallfahrer, Pfarrer und Wallfahrtsleiter, Beherbergungsbetriebe und Reiseveranstalter) getätigten Interviews eine Potentialanalyse des Projekts angestellt, in welcher diese auch ihre persönliche Einschätzung darlegen konnten. Eine Stärken-Schwächen-Chancen-Risken-Analyse habe ich zusätzlich von der am meisten betroffenen Akteursgruppe, nämlich jenen der Pilger selbst, im Rahmen meiner Interviews durchführen lassen, in welcher diese auch Maßnahmen („DO´s & DON´Ts“) vorschlagen konnten.

Das fünfte und letzte Großkapitel schließlich ist dem Brückenschlag zum Thema „Nachhaltigkeit“ und der Regionalentwicklung gewidmet. Dabei soll das allgemeine Leitbild der Nachhaltigkeit im Konnex des Tourismus, der Regionalentwicklung und der Religion betrachtet werden, um die Rolle des Pilgertourismus darin festmachen zu können. Für eine langfristig erfolgreiche Regionalentwicklung essentiell ist in diesem Zusammenhang auch das Konzept der regionalen Identität, welches ebenfalls kurz erläutert wird. Aufbauend auf diesem theoretischen Rahmengeflecht komme ich schließlich zur eigentlichen Conclusio, nämlich inwiefern Pilgerwege grundsätzlich zum nachhaltig orientierten touristischen Angebot einer Region beitragen und damit auch als brauchbares Instrument zu einer nachhaltigen Regionalentwicklung betrachtet werden können.

1.4 Abgrenzung

Um das Phänomen „Pilgertourismus“ und seine Bedeutung für den Tourismus und die Regionalentwicklung besser abschätzen zu können, soll das Thema zunächst möglichst umfassend behandelt werden. Das Augenmerk liegt dabei aber immer auf der christlichen Konfession und den Pilgerwegen Mittel- und Südeuropas; alles andere macht aufgrund der vollkommen unterschiedlichen Ausgangsposition keinen Sinn. Diese Arbeit ist weder ein Musterleitbild zur Schaffung eines Pilgerweges im Sinne eines „Themenweges“, noch eine theologische Untersuchung zum aktuellen Pilgerwesen. Ich will anhand eines konkreten Projekts die mit Pilger- und Wallfahrt verbundenen Themengebiete möglichst interdisziplinär untersuchen und an Hand von theoretischer Analyse, erhobenen Daten und dem Vergleich zu ähnlichen Einrichtungen die Fähigkeit eines Pilgerweges, zu einer nachhaltigen Entwicklung der Region beizutragen, untersuchen.

2 Tourismus, Pilgerschaft und Gesellschaft im Wandel der Zeit

Ich werde in diesem Großkapitel die wichtigsten Begriffe zu den Themenbereichen Pilgern und Tourismus klären, mich mit der Geschichte und den Gemeinsamkeiten und Unterschieden dieser zwei Phänomene beschäftigen. Ergänzend möchte ich darüber hinaus einen Blick über den Tellerrand auf die Gesamtsituation der heutigen Gesellschaft werfen und der Diskussion nachgehen, ob und in wie weit wir uns am Weg von der Erlebnis- in die Sinngesellschaft befinden und die damit verbundenen Auswirkungen auf den Tourismus untersuchen.

2.1 Pilgerschaft und Wallfahrt

Eine Pilgerreise ist weder an einen bestimmten Ort noch an eine bestimmte Zeit gebunden; sie beschränkt sich weder auf eine bestimmte Religion noch auf eine bestimmte Gesellschaftsordnung. Gläubige Hindus pilgern zum Ganges, Moslems nach Mekka und Medina, während die drei bedeutendsten Pilgerziele der Christenheit Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela sind. Ich möchte mich jedoch in diesem Kapitel ganz bewusst auf die christliche Pilgerfahrt beschränken; alles andere würde den Rahmen dieser Diplomarbeit sprengen und ist überdem ausführlich in der einschlägigen Fachliteratur zu finden.

Bevor ich auf die Geschichte des Pilgerwesens und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Tourismus eingehe, scheint es mir notwendig, die im weiteren Verlauf auch in dieser Arbeit teilweise synonym verwendeten Begriffe „Pilgern“ und „Wallfahren“ etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

2.1.1 Pilgern und Wallfahren – zwei Begriffe, ein Sinn?

Generell gibt es dazu mehrere Unterscheidungsdimensionen:

Die erste bezieht sich auf die etymologische Herkunft; so geht der Begriff „pilgern“ auf das lateinische Verb „ perigere“ zurück, was soviel bedeutet wie „ jenseits des eigenen Ackers in der Fremde sein“[9], auch im Sinne eines Rechtlosen und Nichtbürgers.[10] „Wallfahren“ dagegen kommt von „wallen“, einem Ausdruck, der in manchen Regionen auch heute noch für die Begriffe „wandern“, „reisen“ oder „umherschweifen“ Verwendung findet.[11]

Die zweite bezieht sich auf die Dauer (und damit verbunden auch die Länge) der Reise. Bernhard KÖTTING etwa kommt in seinem 1950 erschienenen Standardwerk zum Thema Wallfahrt und Pilgerwesen, „Peregrinatio Religiosa“, zu folgendem Schluss: „Wallfahrt liegt dann vor, wenn jemand aus einem in ihm selbst liegenden religiösen Motiv seine Gemeinde zum Besuch einer bestimmten heiligen Stätte verlässt mit der Absicht, in die Heimat zurückzukehren“. Eine Pilgerfahrt dagegen „braucht diesen Rückkehrwillen nicht zu haben, sie kann sogar aus aszetischen Gründen ausdrücklich darauf verzichten und bis zum Lebensende dauern“.[12]

Die dritte Unterscheidungsdimension besteht aus der Anzahl der Personen, die gemeinsam die Reise unternehmen: Meist wird unter dem „klassischen Pilger“ eher ein Einzelreisender verstanden, der zu einem weit entfernten Ziel aufbricht; während Wallfahrten mehr mit Gruppenreisen zu einem gemeinsamen religiösen Heiligtum in Verbindung gebracht werden: „Der mit Paß und Reisesegen ausgestattete Jakobspilger wanderte allein oder in kleineren Gruppen seinem fernen Ziel zu, die Wallerscharen aus Stadt und Land aber bewegen sich zu Hauf oder in geordneter Prozession an feststehenden (...) Terminen zum geheiligten Treffpunkt“.[13] Ähnliches ist im Buch zur steiermärkischen Landesausstellung 1994 zum Thema „Wallfahrt – Wege zur Kraft“ in Pöllau zu lesen: „Die Pilgerfahrt ist im Gegensatz zur Wallfahrt Ausdruck einer Privatfrömmigkeit. Der Pilger reiste in der Regel allein, auch wenn er sich gelegentlich in Gruppen zusammenschloss, während bei der Wallfahrt das Gemeinschaftserlebnis von entscheidender Bedeutung ist“.[14]

Viertens lässt sich für die meisten Autoren schließlich noch ein Unterschied im Motiv feststellen: Pilgerschaft wird als „asketisches Ideal, ein auf Dauer oder für beschränkte Zeit freiwillig und entschlossenes Aufgeben der Heimat als Lebens-, Rechts- und Verständigungssphäre, ein Verzicht alltäglicher Fürsorge“[15] gesehen. Man ist unterwegs als Armer und Ausgestoßener und weilt absichtlich in der Fremde „als Vorbereitung für den Eintritt in das Reich des Heiles, das nicht von dieser Welt ist“.[16] Pilgern wird als Ethos gesehen, als eine Geisteshaltung oder Gesinnung; viele Theologen sehen die Pilgerfahrt (alleine, zu einem fernen Ziel) als das Sinnbild für das irdische Dasein des Menschen schlechthin.[17] Wallfahrt hingegen „..ist ein volksfrommes Brauchtum, an dessen Entstehung und Fortbestand Privatfrömmigkeit, Volksglaube und kirchliche Autorität gleichermaßen beteiligt sind.“[18] Nach KÖTTING sind Wallfahrten demnach „..im Normalfall nur eine mit besonderer Mühe unternommene intensive Form des Bittgebets“.[19]

Generell kann man festhalten, dass sich die Wallfahrt erst im späten Mittelalter entwickelte vor dem Hintergrund von Krieg, Pest und einer weitschichtigen Verarmung, die das Pilgern zu Fernzielen wie Rom oder Santiago äußerst erschwerten. Gleichzeitig war die Wallfahrt eines der Ausdrucksmittel des katholischen Glaubens zur Zeit der Gegenreformation und des Barock (‚ demonstratio catholica’). Auch ist die (nicht gezwungenermaßen per pedes durchgeführte) Wallfahrt von jeher mehr zielorientiert als die Pilgerreise, bei der es zunächst einen langen Weg zu beschreiten gilt[20]. Bei Fußwallfahrten verschwimmen diese Grenzen naturgemäß, von der kürzeren Dauer des Marsches abgesehen.

Marco SAVIANO und Aline SCHULZ haben in ihrer Arbeit über Religiöses Reisen[21] in Deutschland eine Gegenüberstellung der beiden Begriffe Wall- und Pilgerfahrt unternommen, die das bisher gesagte gut zusammenfasst und ich daher an dieser Stelle übernehmen möchte:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Zum Unterschied von Wallfahren und Pilgern

[nach SAVIANO / SCHULZ 2006, S. 32]

Gemessen an diesen Kriterien ist der Titel meiner Arbeit eigentlich problematisch, da es sich bei Mariazell um einen klassischen Marienwallfahrtsort mit Hochblüte zur Zeit des Barock handelt; zudem ist die „Via Sacra“ längenmäßig mit dem Jakobsweg nicht vergleichbar. Allerdings hat das Projekt ‚VIA SACRA’, neben dem Ausbau des Kulturtourismus zu den sakralen Bauwerken entlang des Weges, eindeutig eine Steigerung des individuellen Fußwallfahrertums einschließlich der Herkunftsländer Polen, Tschechei, Slowakei und Ungarn zum Ziel. Aus diesem Grunde verwende ich in dieser Arbeit den Begriff des „Pilgertourismus“, da es das Projektziel in seinen Absichten wohl noch am besten umschreibt.

2.1.2 Die Geschichte des christlichen Pilgerwesens in Europa

2.1.2.1 Die ersten Jahrhunderte nach Christus

Die Anfänge der christlichen Pilgerschaft finden sich verständlicherweise nicht in Europa, sondern im Nahen Osten, genauer gesagt in Palästina. Die ersten Wallfahrtsziele sind dabei weitgehend ident mit jenen des Judentums (neben Jerusalem waren dies auch verschiedene heilige Gräber), da die ersten Christen die jüdischen Frömmigkeitsformen mitmachten, soweit sie nicht dem Christentum widersprachen[22]. Verbreitet war auch besonders in den ersten Jahrhunderten nach Christi das „Ideal der asketischen Heimatlosigkeit[23], mit den Aposteln und Jesus selbst als Vorbild („ imitatio christi “), welches jedoch mit wachsender Anhängerzahl des Christentums zunehmend in den Hintergrund trat, wenngleich Wander- und Bettelmönche dieses aufrecht erhielten[24].

Das Hauptmotiv für eine Pilgerreise aus so fernen Landen wie Europa war vor allem die persönliche Überzeugung über die Zuverlässigkeit der Quellen des christlichen Glaubens. So wird in den historischen Quellen u.a. über die Wallfahrt des Bischofs Meliton von Sardes Mitte des 2. Jahrhunderts nach Palästina berichtet[25]. Anzumerken ist hierbei, dass die Pilgerreise ins Heilige Land natürlich etwas absolut elitäres war, das nur sehr wenigen Personen möglich war.

Hinzu kamen nach und nach die (vermuteten) Grabstätten der Apostel und Märtyrer sowie von Jesus selbst. Im Jahre 326 n.Chr. wurde in Jerusalem die Grabeskirche erbaut, welche gemeinsam mit anderen heiligen Stätten Palästinas zu den ersten Wallfahrtsorten der Christenheit zählt.[26] Die Märtyrer- und Heiligenverehrung hat ihre Wurzeln in der fürbittenden Mittlerfunktion der Heiligen, welche anfangs ausschließlich Märtyrer waren. Es verbreitete sich die Annahme, dass die aufgrund ihres Glaubens an Christus gestorbenen Märtyrer direkt nach ihrem Tod in die Herrlichkeit Gottes eingingen. Sie wurden daher als Fürsprecher zwischen Gott und den Gläubigen betrachtet. Auch Votivgaben, wie Arme und Beine aus Holz oder Gold wurden dargebracht[27].

So gewann auch Rom mit den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus nach der sog. „konstantinischen Wende“ im vierten Jahrhundert, als das römische Reich unter Kaiser Konstantin auf die Grundlage der christlichen Religion gestellt wurde, eine überragende Bedeutung, um schließlich zum wichtigsten Pilgerzentrum des Abendlands zu werden[28].

Einen besonderen Rang nahmen damals auch Reliquien an. Praktisch alle Pilgerreisen dieser Zeit waren sog. „Reliquienwallfahrten“, die jedoch mit der Zeit rar wurden, nicht zuletzt dadurch, dass mit dem Ende der Christenverfolgungen auch die Zahl der Märtyrer sank. So begann man, die Reliquien zu teilen bzw. andere Gegenstände mit ihnen in Berührung zu bringen. Diese „Berührungsreliquien“ hatten den gleichen Rang wie echte Reliquien, und mit ihnen löste sich der Märtyrer- und Heiligenkult von deren Grabstätten. Erst ab Ende des fünften Jahrhunderts wurden die Reliquien durch Bilder oder Statuen ersetzt, durch die man auch jene Heilige dem Volk näher bringen konnte, von denen man keine derartigen Gegenstände besaß.[29]

2.1.2.2 Das Mittelalter

Im Mittelalter erlangte das Pilger- und Wallfahrtswesen eine (im Christentum) bis dato nie erreichte Breitenwirkung und damit ohne Zweifel seinen bisherigen Höhepunkt. Religion und Glaube standen meist im Mittelpunkt der Menschen, und es gab ebenso mannigfaltige Formen als auch Motive für eine Pilgerschaft. Auch die Anzahl der Orte, die als Ziel einer solchen Pilgerreise in Frage kamen, weitete sich – nicht zuletzt durch den Reliquienkult – immer mehr aus.

Dabei war eine Pilgerfahrt im Mittelalter, insbesondere zu den großen Zielen Santiago, Rom oder gar Jerusalem, alles andere als ein Spaziergang: So war es etwa üblich, vor der Abreise sein Testament zu machen, seine Schulden zu bezahlen und alle Rechtsgeschäfte in Ordnung zu bringen, bevor man sich auf die Reise begab.[30] Schließlich war es ungewiss, ob man je wieder die Heimat sehen würde. Denn auch wenn der Pilgerstand oftmals unter dem Schutz des Königs stand und gewisse Privilegien genoss[31], so war doch die Reise an sich lang und beschwerlich; und nicht selten wurde man von Wegelagerern und Dieben überfallen, ausgeraubt, verprügelt oder gar erschlagen. Auch mischten sich bald Bettler, Landstreicher, Schmuggler und Diebe unter das Pilgervolk selbst, sodass als Unterscheidungsmerkmal Pilgertrachten und -abzeichen (wie etwa die Jakobsmuschel) kreiert wurden[32]. Doch auch sonst hatten damalige Pilger sicherlich kein leichtes Leben, wie im Liber Sancti Jacobi, einem Pilgerführer aus dem 12. Jahrhundert, beschrieben wird – so ist dort u.a. von Wirten, die ihre Gäste zuerst betrunken machten und dann ausraubten, von Falschgeldbetrügern und falschen Beichtvätern, betrügerischen Ärzten und habgierigen Zöllnern die Rede[33]. Man sieht also: Überall, wo sich eine größere Anzahl von Menschen auf die Reise macht, sei es im Tourismus von heute oder im Pilgerwesen von damals, gab es schon immer negative Begleiterscheinungen.

Jedoch kamen mit zunehmender Anzahl der Pilger auch die ersten Pilgerhospize und Bruderschaften (wie es sie auch heute noch gibt) auf, die sich, ebenso wie zahlreiche Klosterorden, das Wohl und den Schutz der Pilger zur Aufgabe machten. Neben der Versorgung der Pilgerscharen standen diese Hospize teilweise auch für Arme, Alte und Kranke zur Verfügung. Gewerbsmäßig geführte Gasthäuser und Tavernen entstanden hingegen erst ab dem 11. Jahrhundert, da sich die Geldwirtschaft erst langsam durchzusetzen begann[34].

Die Motive, eine Pilger- oder Wallfahrt zu unternehmen, waren zu der Zeit ausgesprochen mannigfaltig. Generell gab es sowohl religiöse als auch weltliche Motive deren gängigsten hier erwähnt seien:

- Die Bittwallfahrt: Zahlreiche Mirakelberichte von wundersamen Heilungen lockten vor allem Angehörige unterer sozialer Schichten an, welche sich eine Erlösung von ihren chronischen Leiden erhofften (oftmals befanden sich ja am Zielort Reliquien, denen übernatürliche Kräfte nachgesagt wurden). Aber auch Herrscher baten etwa die Heiligen um Schlachtenglück.
- Buß- und Strafwallfahrt: Zusammenhängend mit der Entwicklung des Ablasswesens[35] wuchs die Zahl der Buß- und Strafpilger im Mittelalter stetig an. Staat und Kirchen kooperierten in diesem Zusammenhang oft eng; neben denjenigen, die aus eigenem Antrieb für das (in der damaligen Zeit außerordentlich bedeutsame) Seelenheil im Jenseits vorsorgen wollten, gab es auch immer mehr Menschen, die für ein Vergehen mit einer Wallfahrt bestraft wurden. Da dies oft Fernziele wie Santiago waren, handelte es sich dabei eigentlich um eine Variante der Verbannung, die meist als Ersatz für die Todesstrafe verhängt wurde. Zur Strafverschärfung wurden manchmal zusätzliche Erschwernisse, wie Barfußgehen, teilweise Nacktheit, Tragen eines Büßergewandes, Gehen mit Ketten oder mit ausgebreiteten Armen, Gehen ohne Bargeld etc. vorgeschrieben. Ist die arme Seele nun am verordneten Zielort angekommen, musste man beichten gehen, Buße tun und Geld spenden. Die örtliche Geistlichkeit stellte dann Beichtzettelformulare aus, welche als Beglaubigung der Reise galten und bei der Rückkehr in die Heimat den örtlichen Behören vorgelegt werden mussten[36].
- Eine besondere Blüte der Wallfahrt des Mittelalters war die sog. Stellvertreterwallfahrt, durchgeführt von „Berufspilgern“. Für ein entsprechendes Entgelt – LEGLER erwähnt in seinem Buch einen Betrag im Gegenwert von einem Pferd[37] – konnte man ihre Dienste mieten und somit z.B. eine verordnete Strafwallfahrt an seiner statt absolvieren lassen, aber auch dem letzten Willen Verstorbener nachkommen[38].
- Erfüllung eines Eids, Gelübdes oder des letzten Willens Verstorbener für dessen Seelenheil[39]

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang noch, dass sich – auch innerhalb des Mittelalters – mit der Zeit sowohl der Typus des einzelnen Pilgers als auch das Motiv wandelten. Waren es nämlich im 11. Jahrhundert überwiegend Krieger, die sich für die Teilnahme an den „heiligen Kriegen“ (Kreuzzüge, Reconquista gegen die Mauren in Spanien) einen Ablass erhofften, handelte es sich in den darauffolgenden Jahrhunderten mehrheitlich um anonyme Einzelpilger, die ein freiwilliges Gelübde einlösten. Ab dem 14. Jahrhundert nahmen schließlich generell weltliche Motive, wie auferlegte Straf- und Bußwallfahrten, zu. Auch waren Wallfahrten (und kirchliche Feiertage im Allgemeinen) schon immer auch weltliche Feste und somit zum Beispiel auch anerkannte Heiratsmärkte[40].

Doch nicht nur das Volk, auch die Kirche selbst hatte teilweise großes Interesse an der Etablierung von Wallfahrtszielen – ein treffliches Beispiel dafür ist der Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Stand die Amtskirche der ‚wundersamen Auffindung’ der letzten Ruhestätte des Apostels Jakobus im äußersten Nordwesten Spaniens zunächst eher distanziert bis ablehnend gegenüber, erkannten viele in ihr jedoch bald den Wert der Pilgerstätte Santiago im Bezug auf die Reconquista – der Vertreibung der Mauren von der Iberischen Halbinsel. Ohne an dieser Stelle ins historische Detail gehen zu wollen[41], sei doch angemerkt, dass die Existenz eines Apostelgrabs auf spanischem Boden und der Installierung des hl. Jakob als Nationalheiligen einen enormen Machtgewinn für die Region bedeuteten. Legenden und Ablasswesen machten sowohl ein militärisches Eingreifen als auch das friedliche Pilgern nach Santiago als neuem Hauptpilgerziel neben Rom und dem damals kaum erreichbaren Jerusalem für die christlichen Gläubigen attraktiv.

2.1.2.3 Die Zeit der Reformation, Gegenreformation und des Barock

Ende des 15. Jahrhunderts entwickelte sich neben dem Pilgern eine neue Kultpraxis: Die Gnadenbildverehrung und Gemeinschaftsanliegen, die aus gesellschaftlichen Problemen wie Pest, Krieg und Teuerungen resultierten, führten zu der Kollektivform Wallfahrt. Diese wurden, im Unterschied zur Pilgerreise (vgl. Kap. 2.1.1), immer in der Gruppe in Form von Prozessionen in regelmäßigen zeitlichen Abständen (meist alljährlich zu einem bestimmten Termin) durchgeführt. Der einmal von einer Wallfahrtsgruppe begangene Weg wurde dabei meist beibehalten. An ihm wurden in weiterer Folge oft Bildstöcke, Wegkreuze und Wegkapellen errichtet und Bäume mit Bildern geschmückt.

Nach dem vorläufigen Höhepunkt des Pilgerwesens – so gab es im Europa des 13. Jahrhunderts an die 10.000 Wallfahrtsorte[42] - erfuhr dieses im späten Mittelalter starke Veränderungen. Der schwunghafte Reliquienhandel, eine veräußerlichte Schaufrömmigkeit, die erwähnten Stilblüten im Ablasswesen, Berufspilger und zum Pilgern verdonnerte Straftäter ließen massive Kritik am Wallfahrtswesen laut werden. „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt“ oder „Qui multum peregrinatur, raro santificatur“[43] wurden zu landläufigen Sprüchen und sagten viel über die damals herrschenden Missstände in der katholischen Kirche aus. Luthers Kritik an den geübten Praktiken, vor allem in bezug auf das Ablasswesen, traf in vielen Punkten den Nagel auf den Kopf und er damit bei seinen Mitmenschen offene Türen ein. Damit war die weitgehende[44] religiöse Einheit Europas, nach dem katholisch-orthodoxen Schisma, ein zweites Mal gebrochen. Das hatte natürlich auch auf das Wallfahrtswesen massiven Einfluss. In den Gebieten Europas, in denen sich die Reformation durchsetzte, kam die Wallfahrt praktisch zum Erliegen[45], zumal Luther auch gerade der volkstümlichen Marienverehrung, wie sie in vielen Wallfahrtsorten praktiziert wurde, kritisch gegenüberstand.

Die katholische Kirche hingegen verbat zwar Auswüchse wie die Stellvertreterwallfahrten, hielt aber sonst am theologischen Wert der Pilgerfahrt fest. Zwar ging auch in den katholisch gebliebenen Gebieten die Zahl der Wallfahrten auf Grund der andauernden Scharmützel mit den Protestanten[46] zurück, doch arbeitete man im Rahmen des von 1545 bis 1563 dauernden Trienter Konzils bereits an einer theologischen Antwort auf die Reformbewegungen unter Luther, Zwingli und Calvin. Auch die katholischen Fürsten und Könige waren über den Verlust an Macht und Einfluss alles andere denn begeistert. Somit kam wiedereinmal die Verbindung Kirche und Staat zum Tragen, da beide ähnliche Interessen verfolgten – die Rückgewinnung verlorengegangenen Einflusses.

Doch das alleine hätte wohl nicht für die umfassende Rekatholisierung Europas gereicht; es fehlte noch die tragende geistige Erneuerungsbewegung. Diese fand sich im Orden der Jesuiten, welche sich durch eine absolute Papsttreue auszeichnete[47], der Bildung der Jugend einen hohen Stellenwert beimaß (was sicherstellen sollte, „ dass kommende Generationen fest verwurzelt im katholischen Glauben heranwuchsen“[48] ) und die kirchlichen Zeremonien betonte – der Prunk des organisierten Katholizismus in Form der barocken Baukunst und des Barocktheaters[49] sollte üppig finanziert und zelebriert werden. Dies kam natürlich wiederum sowohl der Amtskirche als auch den katholischen Monarchen in ihrem Darstellungsbedürfnis sehr entgegen.

Die Gegenreformation wurde also von drei Säulen getragen: dem Trienter Konzil, den Jesuiten und den katholischen Herrschern. Auch dem Wallfahrtswesen erfuhr in diesem Zusammenhang einen erneuten Aufschwung: Erstens kam das Konzil zum Schluss, dass es „gut und heilsam ist, die Heiligen anzurufen“[50], zweitens legitimierte der Theologieprofessor und erste deutsche Jesuit Petrus Canisius die Marienwallfahrten als „Motor der Gegenreformation“[51], und drittens machten viele katholische Herrscher wie die Habsburger und – nach erfolgreicher Missionierung durch die Jesuiten – auch die polnischen Könige Maria zur Schutzherrin ihrer Lande. So entstand vor dem Hintergrund der Gegenreformation eine ganze Fülle neuer Gnadenorte, die vorwiegend unter marianischem Banner standen.[52] Darin ist übrigens auch der Aufstieg Mariazells vom „einfachen“ Marienwallfahrtsort zum Nationalheiligtum Österreich-Ungarns zu sehen, ähnlich dem polnischen Tschenstochau (siehe dazu auch die Kap. 2.1.3.1 und 2.1.3.2).

Überhaupt wurde Maria in der Zeit des Barocks (das 17. und frühe 18. Jahrhundert) zum entscheidenden Objekt der Verehrung, in dem die religiösen Praktiken der katholischen Kirche mit der Volksfrömmigkeit verschmolzen. Die Kirche versuchte dabei ihre Monopolstellung auf das Heilige durchzusetzen, während diverse heidnische Kulte wie Votivgaben, Abwehrzauber etc. in modifizierter Art und Weise weiterlebten. Die Wallfahrt erfuhr dadurch eine ungeheure Dynamisierung, welche neben dem Wiederaufleben der alten Routen zu den etablierten Wallfahrtsorten die Entstehung einer Unzahl an neuen, regionalen und lokalen Wallfahrtsstätten, meist Maria gewidmet, zur Folge hatte.[53] Damit setzte das Zeitalter der Nahwallfahrten ein; HENGSTLER / STOCKER sprechen in diesem Zusammenhang von einer „ Regionalisierung des Sakralen “, welche gleichzeitig aber auch eine „ Sakralisierung des Regionalen “ bedingt habe: Die Bevölkerung belegte ihre nähere Umgebung mit heiligen Orten, während gleichzeitig alte Wallfahrtsorte wiederbelebt wurden und auf deren Zubringerrouten neue entstanden.[54]

2.1.2.4 Die Zeit der Aufklärung bis zur Moderne

Die Aufklärung, eine Ende des 17. Jahrhunderts aus England und Frankreich ausgehende Gegenströmung zum Barock, hatte auch auf die Wallfahrt ihre Auswirkung. Getragen vom Grundpfeiler der Vernunft waren die Anhänger dieser neuen Strömung äußerst institutions- und traditionskritisch – ein Ansatz, der mit althergebrachter Volksfrömmigkeit und der traditionsbewahrenden Amtskirche beinahe zwangsläufig kollidieren musste. Aber auch die um diese Zeit meist absolutistisch herrschenden Monarchen („ l´etat, c´est moi “) brachte das unter Druck. Es begann das Zeitalter des „aufgeklärten Absolutismus“.

Der Habsburger Regent Joseph II. war ein Vertreter dieser Regierungsart und hob neben der Leibeigenschaft, dem Frondienst und der Todesstrafe auch sämtliche kirchliche Orden auf, die „im volkswirtschaftlichen Sinne unproduktiv waren“[55], also „sich nicht mit Krankenpflege und Jugenderziehung beschäftigen, also dem Nächsten ganz und gar unnütz sind“[56]. So wurden im sogenannten Klostersturm zwischen 1781 und 1786 738 Klöster in der ganzen Habsburgermonarchie aufgehoben und in Spitäler, Nervenkliniken, Arbeiterwohnungen, Kasernen und Verwaltungsgebäude umgewandelt. Auch das Schulwesen wurde von ihm umgehend reformiert, die Ausbildung dem Klerus entrissen und stattdessen in die Hand von Staatsbeamten gelegt. Ja sogar die Priester selbst wurden nun zu Staatsbeamten, die pikanterweise aus den Geldern des Religionsfonds bezahlt wurden, welcher wiederum aus dem Erlös der kirchlichen Enteignungen gespeist wurde. Viele kirchliche Feiertage wurden abgeschafft; die Wallfahrt ins Ausland aufgrund merkantilistischer[57] Überlegungen verboten, innerstaatliche stark eingeschränkt. Auch die Reise von Papst Pius VI. 1782 nach Wien konnte daran nichts ändern – der Einfluss der katholischen Kirche nahm zu dieser Zeit nicht nur in Österreich rapide ab[58].

Beim einfachen Volk hingegen waren die zahlreichen Nahwallfahrten nach wie vor äußerst populär; schließlich waren sie auch eine der wenigen Möglichkeiten, dem oft tristen Alltag und seiner Fremdbestimmtheit zu entrinnen, und sei es auch nur für ein paar Tage. Urlaub gab es ja keinen. Dass dem Wallfahren nicht nur religiöse Motive zugrunde lagen, wusste auch die Kirchenobrigkeit, die sich oft über Ausschweifungen während der Wallfahrten beklagte. Dazu kam es nicht zuletzt aufgrund des Verbots der meisten Wallfahrten, weshalb sich viele Menschen auf eigene Faust, ohne geistlichen Beistand, auf den Weg machten.

Dies galt vor allem für die unteren sozialen Schichten. Mit der aufkommenden Industrialisierung verarmten große Teile der Landbevölkerung; viele wanderten in die Städte ab während die verbliebenen sich oft religiösen Verheißungen zuwandten. Es war auch die Zeit des frühen 19. Jahrhunderts, in dem viele noch heute sehr populäre Marienwallfahrtsorte wie Lourdes, La Salette oder (1917) Fatima entstanden, gelegen meist in sehr armen, agrarisch geprägten Gegenden. „Die religiöse Ekstase ist eine augenscheinliche Reaktion auf die soziale Erschütterung“[59].

HENGSTLER / STOCKER betonen in diesem Zusammenhang auch die veränderte Wahrnehmung von Visionen durch die Obrigkeit – während solche früher stärker in das Lebensgefühl integriert und auch mit wenig Vorbehalten aufgenommen wurden, veränderte das Denken der Moderne auch den Geist; der Herrschaft des materiell-rationalen Denkens muteten religiöse Visionen per se äußerst suspekt an[60].

Im 20. Jahrhundert schließlich kam die Wallfahrt während der beiden Weltkriege mehr oder weniger zum Erliegen, und während danach Orte wie Fatima erst richtig „aufblühten“, gerieten andere Ziele, vor allem jene der barocken Nahwallfahrt, weitgehend in Vergessenheit. In den osteuropäischen Staaten schließlich spielte die Wallfahrt mit Ausnahme Polens seit Ende des 2. Weltkriegs bis zum Fall des Eisernen Vorhangs keine Rolle mehr. Seitdem ist aber auch hier eine starke Dynamisierung zu beobachten, die natürlich nicht zuletzt auch auf unser Untersuchungsgebiet Mariazell Auswirkungen hat.

Den Erfolg von modernen Marienwallfahrtsorten wie Lourdes, Fatima und Medjugorje sehen HENGSTLER / STOCKER in den zugrundeliegenden Visionen, welche sich der objektiven, wissenschaftlich-messbaren Bewertung und Untersuchung in einer Zeit des materiellen Überflusses und einer vom homo oeconomicus geprägten Welt entzögen. Sie werden durch einfache, statusniedrige Menschen verkündet und stellen damit das herrschende Glaubenssystem von Wissen, Beweisbarkeit und Vernunft in Frage[61]. Aber auch 1000 Jahre alte Pilgerziele wie Santiago de Compostela erfahren seit rund 15 Jahren einen Aufschwung, den man beinahe schon Hype nennen kann[62]. Die Motive und das Publikum differieren allerdings von jenen der vorhin genannten Marienwallfahrtsorte; es ist überkonfessionell, relativ jung und das Ziel ist mehr der Weg dorthin als der Ort selbst. Die Pilgerschaft wird damit zur Ausdrucksform einer allgemeinen Sinnsuche.

Doch so unterschiedlich die Epochen, Ziele und Motive auch sein mögen – Tatsache ist, dass das Pilgern bzw. die Wallfahrt die Menschheit schon immer in ihren Bann gezogen hat, unabhängig von Zeitalter und Kulturkreis. Den unterschiedlichen Motiven möchte ich mich im folgenden Kapitel widmen.

2.1.3 Wallfahrts- und Pilgermotive

Warum unternehmen Menschen eine Wall- bzw. Pilgerfahrt? Eine Grundbedingung für die Entstehung von Wallfahrten im theologischen Sinn ist wohl der Gedanke, dass „ Gott selbst oder Gott durch bestimmte Mächte und Kräfte (gute Geister, Engel, Heilige) an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten mit seiner Gnadenkraft auf besondere Weise wirksam sei[63]. SAUSER erwähnt im Rahmen des theologischen Lexikons „ Sacramentum Mundi “ ähnliche Faktoren, nämlich erstens den Glauben, dass Gott den Menschen nicht gleichgültig gegenübersteht, sondern sich ansprechen lässt und Einfluss auf sein Schicksal nehmen kann (und zwar im positiven wie im negativen), zweitens die besondere Wirksamkeit Gottes an bevorzugten Orten, und drittens dass der Mensch zu diesen bevorzugten Orten hinpilgern und dort mit ihm in Kontakt treten muss, um seine Gunst zu erfahren[64].

Der Fokus dieser Überlegungen liegt jeweils auf dem Ort, wo die Reise hingeht: Etwas überspitzt ausgedrückt könnte man sagen, man geht zum Ort X und bittet Gottheit Y um Z. Und zwar deshalb, weil die Aussicht auf Z größer ist, wenn man Y in X darum bittet. Eine etwas enge Definition von Wallfahrt, die eigentlich nur jener der Bittwallfahrt entspricht.

Denn auch, wenn die Hauptmotivation aus einer solchen Bitte besteht, sollte man bedenken, dass eine Wall- oder Pilgerfahrt aus mannigfaltigen Motiven unternommen werden kann, welche sich überlagern, überschneiden aber auch gegensätzlich sein können. So ist beispielsweise die soziale Situation der Bevölkerung ein nicht unwichtiger Faktor – schließlich war gerade die in der vorindustriellen Zeit des Barock und der Aufklärung sehr breitenwirksame Nahwallfahrt für die unterprivilegierten Schichten meist die einzige Möglichkeit, dem sehr engen lokalen Rahmen zu entfliehen. Sie gaben dem einfachen Knecht oder Dienstboten „einen Hauch von Selbstbestimmung, die der täglichen Fremdbestimmung durch den Hofbesitzer entgegenstand“[65]. Die Kirche beklagte häufig die „mangelnde Moral“ bei vielen Wallfahrten, die „den ledigen Manns- und Weibspersonen (...) zu vielen Ausschweifungen die bequemste Gelegenheit bietet“[66]. Man kann die Wallfahrt in diesem Rahmen auch als Vorläufer des modernen (Kurz-) Urlaubs bzw. auch des Massentourismus sehen (siehe dazu Kap. 2.3.1).

Auch WAGNER / KITTEL weisen in diesem Zusammenhang auf die Funktion der Wallfahrt als gesellschaftlich sanktioniertes Ventil für den Ausbruch aus der sozialen Geschlossenheit hin und sehen sie gleichzeitig als Vorläufer und Vehikel des gegenwärtigen Tourismuswesens[67]: „ Sie kann sowohl dem Ausbruch aus dem Alltag sowie der Befriedigung der Abenteuer- und Reiselust dienen, wie auch der Suche nach neuen zwischenmenschlichen Kontakten bis hin zur Partnerfindung[68].

Klar ist jedenfalls, dass die Motive für eine Wall- oder Pilgerfahrt, wie auch im letzten Kapitel zu sehen war, mannigfaltig sind und sich sowohl von Epoche zu Epoche als auch von Person zu Person unterscheiden. So sind die vorherrschenden Motive des Mittelalters (vgl. Kap. 2.1.2.2) ganz andere als die heutigen. Damit geht natürlich auch ein Bedeutungswandel des Pilgerphänomens an sich einher, der symptomatisch für die herrschenden gesellschaftlichen Strömungen sowie den Einfluss der Religion auf die Gesellschaft ist[69] (vgl. Tab. 2):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2: Die unterschiedliche Bedeutung des Pilgerns in Mittelalter und Gegenwart

[Quelle: www.oekumenischerpilgerweg.de/download/schriften/Pilgern_eine_Mode.pdf]

Im Mittelalter war die Wallfahrt ein Ausdruck des Glaubens. Sie war im religiösen Kontext verankert, bildete eigene liturgische Formen aus und war im Letzten auf ein heiliges Ziel ausgerichtet. Der heutige Pilger hingegen versteht sich vor allem als Suchender. Wohin und wonach die Suche gerichtet ist, wird dabei mitunter erst während des Gehens aus dem Unterbewusstsein gehoben[70].

Die Pilgerschaft des Mittelalters ist klar ausgelegt auf die geistige Erfüllung im Jenseits. Das Ankommen am irdischen Gnadenort ist ein Symbol dafür, und die gesamte Fahrt ist auf dieses eine Ziel ausgerichtet, an dem sich der Pilger die Heilung von Wunden, die Vergebung von Schuld oder Gottes Empfänglichkeit für Dank und Fürbitte erwartet. Der Pilger der Gegenwart sieht sich zum großen Teil nicht durch diese Gnaden- und Heilsverheißung motiviert; vielmehr sind die Wegerfahrungen (zu denen unter anderem das Ziel gehört) in ihrer Vielfalt Motiv für heutiges Pilgern. Andere Motive sind häufig das Interesse an der Geschichte, Kunst und Kultur des Landes oder der Region, in die man sich begibt, oder einfach die Neugier auf das Wallfahrtserlebnis an sich. Auch der sportliche Ehrgeiz, eine bestimmte Strecke zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu bewältigen, spielt bei vielen Pilgern eine nicht unwesentliche Rolle. War also die Pilgerschaft im Mittelalter motiviert durch das Ziel, als Symbol für das Jenseits, so ist sie heute vorrangig motiviert durch den Weg, als Symbol des Diesseits.[71]

Tatsächlich bezeichneten nicht wenige der von mir interviewten Wallfahrer (siehe dazu Kap. 4.5.1) den Weg als ihr eigentliches Ziel – eine Einstellung, der ich mich persönlich gut anschließen kann und Faktoren wie Gemeinschafts- und Naturerlebnis, Ausbruch aus dem Alltag, Zeit zur Selbstreflexion u.ä. enthält. War das Pilgern im Mittelalter eine Ausdrucksform des Glaubens, so symbolisiert es heute mehr die Suche nach dem Glauben. Mit anderen Worten: „ Wir bewegen uns von der Erkenntnis, dass Pilgern ein religiöses Grundbedürfnis ist, hin zu der Beobachtung, dass Pilgern ein religiöses Grundbedürfnis weckt“[72].

2.2 Der Tourismus

Der zweite Begriff, den dieser Diplomarbeitstitel umfaßt, ist der Tourismus. Zwischen der Wall- oder Pilgerfahrt und dem Tourismus gibt es einige grundlegende Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten, auf die ich in Kap. 2.3.2 näher eingehen werde. Manchmal sind die Grenzen auch fließend. Um die Umrisse einigermaßen skizzieren zu können, werde ich im folgenden kurz auf den Begriff des Tourismus, seine Entstehungsgeschichte und die Reisemotive zu sprechen kommen.

2.2.1 Tourismus vulgo Fremdenverkehr: Eine Definitionssache

Ähnlich dem Begriff der Wallfahrt gibt es auch im Bereich des Tourismus eine Besonderheit des deutschen Sprachraums, nämlich jenen des Fremdenverkehrs. Dieser hatte sich als Fachbegriff für alle mit dem Reisen zusammenhängenden Phänomene während des 19. und 20. Jahrhunderts im deutschen Sprachraum durchgesetzt. Heute findet er hingegen kaum noch Verwendung, gilt als veraltet und wird von den meisten Touristikern aufgrund der negativen Konnotation des „Fremden“, unbekannt und eventuell auch unerwünscht zu sein, gemieden und stattdessen durch den international gebräuchlichen Terminus des Tourismus ersetzt. Bedeutungsunterschiede gab es ohnehin kaum, FREYER erwähnt in diesem Zusammenhang lediglich eine stärkere Fokussierung auf die nationalen und binnenwirtschaftlichen Aspekte beim Fremdenverkehr und vice versa eine Betonung der Ausreiseaktivitäten beim Tourismus[73]. Da jedoch selbst diese Unterscheidungsdimension in der heutigen Praxis durch die Begriffe des ‚Incoming- bzw. ‚Outgoing-Tourismus’ definiert ist, werde ich im Folgenden auf den Begriff des Fremdenverkehrs verzichten.

Das zentrale Element jeder Definition von Tourismus ist jedenfalls die Reise. FREYER nennt in diesem Zusammenhang drei konstitutive Elemente, die jedenfalls erfüllt sein müssen, um von Tourismus sprechen zu können: Erstens der über den normalen Aufenthaltsort hinausgehende Ortswechsel, zweitens der vorübergehende Aufenthalt an einem fremden Ort, sowie das Motiv des temporären Ortswechsels[74]. Zur Frage der Begriffsabgrenzung nimmt er die Dimensionen der Reisedauer, der Entfernung sowie der Motivation zu Hand (vgl. Abb. 3).

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Abb. 3: Mögliche Abgrenzungsdimensionen des Tourismus

[aus: FREYER 19955, S. 3]

Doch auch der Tourismus hat sein Antlitz im Laufe der Zeit sehr verändert. Als der Begriff Anfang des 19. Jahrhunderts erstmals in England und später auch in Frankreich aufkam, war damit im Allgemeinen die „Grand Tour“ der jungen Adeligen gemeint; eine Tatsache, die vor allem auf den enormen Demokratisierungseffekt hinweist, der in diesem Bereich im Europa der letzten 200 Jahre stattgefunden hat. Insofern wird natürlich eine Definition aus dem Jahr 1991 von einer aus dem 19. Jahrhundert erheblich abweichen. Um den Bedeutungswandel des „Tourismus“ zu verdeutlichen, seien an dieser Stelle drei Definitionen herausgepickt. Davon stammt die erste aus dem Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm GRIMM[75], dessen erster Band 1854 erschien; die zweite Definition hat die „Association Internationale d´Experts Scientifiques du Tourisme“ im Jahr 1954 veröffentlicht, und die dritte entstammt der Welttourismusorganisation UNWTO aus dem Jahr 1991[76]. Dabei ist ganz deutlich zu sehen, dass das Reisen und Verreisen noch im 19. Jahrhundert als Hobby einer gesellschaftlichen Elite galt:

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Interessant ist in diesem Zusammenhang auch noch der Weg des Lehnworts „Tourist“ in den deutschen Sprachraum. So weisen die Gebrüder Grimm dem Touristen noch eine weitere Bedeutung zu: „um die mitte des 19. jh.s beginnt, bei nur vereinzelt früherem zeugnis, die belegreihe für tourist als 'wanderer' [...] der t., der mit schwerem rucksack bepackt, die steilen pfade eines berges emporkeucht“. Die „Touristik“ wird als „junge bildung zu tourist vom ende des 19. jh.s, mit ausschlieszlicher beziehung auf hochgebirge und bergbesteigung“ beschrieben, und folglich war auch ein „ touristikklub“ nichts anderes als eine „ wandervereinigung“[77] – eine Tatsache, von der auch heute noch der alpine Verein ÖTK (Österreichischer Touristen Klub) Zeugnis ablegt.

Aber auch wenn man die neueren Definitionen für ‚Tourismus’ ab dem Jahr 1950 bis heute miteinander vergleicht, gibt es vor allem eine entscheidende Veränderung. Diese betrifft die Ausweitung des Begriffs von den reinen Freizeit-, Erholungs- und Urlaubsreisen (wie in der Definition der AIEST 1954) auf alle Reisen zu Orten „außerhalb der gewohnten Umgebung“[78] mit einer Aufenthaltsdauer von mindestens einer Nächtigung[79] und maximal einem Jahr. Damit hat sich die Sichtweise der UNWTO weitgehend durchgesetzt, obwohl weiterhin auch alternative Definitionen verwendet werden[80]. Das heißt, neben dem „klassischen“ Touristen, der sich zum Aktiv-, Besichtigungs- oder Erholungsurlaub in die Destination XY begibt, fallen darunter auch „Verwandten- und Bekanntenbesuche, Dienst- und Geschäftsreisen, Kuraufenthalte sowie religiös motivierte Reisen und Wallfahrten“[81].

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Abb. 4: Abgrenzung des Tourismus nach dem Reisemotiv

[Quelle: Online-Skript des ITF an der WU Wien: tourism.wu-wien.ac.at/lehrv/lven/03ws/gk1/gk1_s1.ppt – Zugriff am 15.03.2007]

Die letzte Kategorie ist im Zusammenhang dieser Arbeit natürlich von besonderem Interesse: Wallfahrer gelten demnach per definitionem als Touristen. So mancher Pilger würde diese Bezeichnung wohl entrüstet von sich weisen. Ein Haken an dieser Definition ist übrigens darin zu finden, dass bekanntermaßen keineswegs alle Wallfahrer am Zielort übernachten (vielmehr ist es sogar die Ausnahme) – meist reist man nach Erreichen des Reiseziels ziemlich schnell wieder ab. All jene Wallfahrer, die mit dem Bus, der Bahn oder dem eigenen PKW reisen, fallen damit zum Großteil in die Kategorie der Tagesbesucher, und die (zahlenmäßig eher geringe) Gruppe der Fußwallfahrer übernachtet nicht immer angemeldet. Sichtbar wird hierin allerdings einmal mehr der Gegensatz der verschiedenen Sichtweisen von Kirche und Tourismuswirtschaft. Für ein Projekt wie jenes der ‚VIA SACRA’, das die Kooperation von Kirche, Lokalbevölkerung und Wirtschaft anstrebt, ist ein solcher Gegensatz nicht unbedeutend und äußerte sich auch in manchen meiner Gespräche.

2.2.2 Von der Grand Tour zum „multioptionalen Gast“ – über die Entstehung des Tourismus von heute in Europa

Ebenso schwer abzugrenzen wie die begriffliche Definition des Tourismus ist auch seine Entstehung. Es gibt keine einheitliche und allgemein gültige Einteilung der historischen Aspekte des Reisens in Epochen, doch ist meist eine ähnliche Zeitenteilung zu finden, wenn auch die einzelnen Phasen unterschiedlich genannt werden[82]. Gemeinsames Element dieser verschiedenen Einteilungen ist jedenfalls eine Epoche vor der Industrialisierung, eine Phase beginnend mit Einsetzung der Industrialisierung reichend bis etwa zum 1. Weltkrieg, eine Phase in der Zwischenkriegszeit und eine des modernen Massentourismus ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ich halte mich im folgenden an die Einteilung nach FREYER, der zur Epocheneinteilung die Aspekte des jeweils vorherrschenden Transportmittels, der Reisemotivation und der Teilnehmerzahl heranzieht (vgl. Tab. 3).

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Tab. 3: Entwicklungsphasen des Tourismus in Europa nach FREYER

[aus: FREYER 19955, S. 5]

2.2.2.1 Vorphase bis 1850

Tatsächlich gab es bereits in der Antike Frühformen des Tourismus: So setzte beispielsweise um 770 v. Chr. ein Sport- bzw. „Eventtourismus“ zur aktiven oder passiven Teilnahme an den Olympiaden ein[83]. In der römischen Zeit erfuhr das Reisen durch das gut ausgebaute Straßennetz einen weiteren Auftrieb; es entstanden so genannte „mansiones“ mit erstaunlich hohem Ausstattungsniveau (Waschanlagen, Bäder, eine Art Zentralheizung und Kücheneinrichtungen zählten zur Standardausrüstung). Auch die ägyptische Hochkultur kannte Herbergen für Pilger, in denen Wein und Bier ausgeschenkt wurde, ebenso wie im Europa des Mittelalters viele Pilger- und Zunftherbergen entstanden[84]. Allerdings stellt sich dabei einerseits einmal mehr die Frage, inwieweit Pilger zum Begriff „Touristen“ zu zählen sind, während andererseits die mansiones der Römer vorrangig Offizieren und Beamten dienten.

Überhaupt gibt es zwei große Gemeinsamkeiten all dieser Tourismusformen vor 1850: Erstens war das Reisen mehr mit Mühsal, Wagnis und Erschwernissen aller Art behaftet denn mit einem Lustgewinn und diente daher immer einem konkreten Zweck. Pilger reisten im Allgemeinen für ihr Seelenheil, Beamte, Offiziere und Händler reisten dienstlich, aber das Reisen um seiner selbst Willen wäre wohl kaum jemandem eingefallen. Und zweitens betrafen sie – mit Ausnahme insbesondere der Nahwallfahrt des Barockzeitalters – eine zahlenmäßig nur sehr kleine Gruppe an Menschen. Das liegt sowohl am vergleichsweise engen Aktionsradius des einzelnen Menschen, der selten über das Heimatdorf oder –Städtchen hinausging, als auch an den fehlenden Geld- und Zeitressourcen.

Auch die in der Renaissance aufkommende „Grand Tour“ der jungen Adeligen war nicht wirklich eine Vergnügungsreise, vielmehr diente sie der Vermittlung tradierter Herrschaftskunst und der Festigung der eigenen Herrschaftsansprüche. Die jungen Adelsleute wurden in die Gesellschaft eingeführt, sie erhielten eine universelle Ausbildung im Tanz und in der Fechtkunst, sie lernten fremde Sprachen und ein standesgemäßes Auftreten und diente auch dem Knüpfen von Kontakten – sei es geschäftlicher oder privater Natur. Die Zielorte waren dem humanistischen Bildungsideal folgend die damaligen Zentren des kulturellen, politischen, wirtschaftlichen und religiösen Lebens, die sich an der Achse London-Neapel orientierten, allen voran Rom, Florenz, Venedig, Paris, London und Amsterdam (siehe Abb. 6). Städte wie Wien lagen hingegen eher im Abseits.

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Abb. 5: Die Hauptrouten der Grand Tour zwischen 1814 und 1820 in Europa

[nach: TOWNER 1985, zit. in FREYER 19955, S. 7]

[...]


[1] „Via Sacra“ ist natürlich keine geschützte Marke bzw. Regionsbezeichnung, es mag daher nicht verwundern, dass es deren mehrere gibt. Ein berühmter Namensvetter ist beispielsweise der Hauptweg des Forum Romanum in Rom, und auch im Dreiländereck D/PL/CZ gibt es einen Pilgerweg unter dem gleichen Namen (siehe dazu http://www.via-sacra.info/index2.htm). In dieser Arbeit geht es um den alten Wallfahrtsweg von Wien nach Mariazell, ebenfalls als „Via Sacra“ bezeichnet.

[2] “Mehr Pilger sollen Tourismus beleben“: http://oesterreich.orf.at/oesterreich.orf?read=detail&channel=3&id=372162 [Zugriff am 01.04. 2005]

[3] KEHRER 1988, S.15

[4] MAY 2004, S. 191

[5] Auch wenn es in der katholischen Kirche bis dato keine Amtsträger innen gibt, gilt in dieser Arbeit aus Gründen der besseren Lesbarkeit die männliche Form für beide Geschlechter.

[6] vgl. RUHRI 2004, S. 55

[7] vgl. BLUMAUER-MONTENAVE 1987, S. 55 ff. bzw. OSTERBERGER 1993, S. 99 ff.

[8] Für das Jahr 2004 existierten leider keine auswertbaren Aufzeichnungen

[9] MIELENBRINK 2001, S. 11

[10] vgl. JEHLE 2002, S. 21

[11] vgl. ebenda, S. 22

[12] KÖTTING 1950, S.11

[13] HARMENING, Dieter [Hrsg.]: Volkskultur und Geschichte, Berlin 1970. Zitiert nach: LERCH 2003, S.15

[14] HENGSTLER / STOCKER 1994, S.29

[15] KRISS-RETTENBECK, Lenz [Hrsg.]: Wallfahrt kennt keine Grenzen, München 1984. Zitiert nach: LEGLER 1999, S. 29

[16] LEGLER 1999, S. 29

[17] Gabriel MARCEL spricht in diesem Zusammenhang vom homo viator: Der auf ein letztes, absolutes Ziel ausgerichtete, hoffende Mensch. Der Mensch ist nach diesem theologischen Verständnis in seiner gesamten irdisches Lebenszeit ein Pilger in der Fremde; hervorgegangen aus der Fülle, ausgerichtet auf die Ankunft im Absoluten, bei Gott. Pilgern wird so zum Sinnbild für das Leben an sich [vgl. MAY 2004, S. 133 f.]

[18] PLÖTZ, Robert: Wallfahrten. In: BAUSINGER 1991, S. 32

[19] KÖTTING 1950. Zitiert in: LEGLER 1999, S. 30

[20] PLÖTZ 1991, S. 32

[21] SAVIANO / SCHULZ 2006, S. 32

[22] vgl. HEIDERER 1985, S. 15

[23] MAY 2004, S. 12

[24] vgl. ebenda

[25] vgl. OSTERBERGER 1993, S.14

[26] vgl. HÖLLHUBER, Dietrich: Wallfahrt und Volksfrömmigkeit in Bayern, S. 52. Zitiert nach: OSTERBERGER 1993, S.15

[27] vgl. NEUHARDT, Johannes: Die Wallfahrten im Leben der Christenheit. Sinngemäß zitiert nach: DEMMERER 2006, S.8

[28] vgl. OSTERBERGER 1993, S.16 bzw. LEITNER 2004, S.12

[29] vgl. HEIDERER 1985, S.19

[30] vgl. HENGSTLER / STOCKER 1994, S.117

[31] Obdach, Feuer und Wasser durfte einem Pilger nicht vorenthalten werden; auch war es ihnen gestattet, ungestört und zollfrei ihrer Wege zu gehen – vgl. ebenda, S. 114

[32] vgl. ebenda

[33] vgl. ebenda, S. 121 f.

[34] vgl. ebenda, S. 119

[35] Der Ablass wurde prinzipiell in Tagen gewährt, er bezog sich auf die „zeitlichen Sündenstrafen“: Auch wenn einem ein Vergehen durch einen Geistlichen vergeben wurde, so waren dennoch Tage oder Wochen der Buße im Diesseits bzw. im Fegefeuer zu absolvieren, um vor Gott wieder gerecht dazustehen. Diese Zeit wurde um die im Ablass ausgewiesenen Tage verkürzt. Auf diese Weise konnte man auch verstorbenen Verwandten den Aufenthalt im Fegefeuer verkürzen; dies wurde als Akt der Nächstenliebe betrachtet (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Ablass - Artikel abgerufen am 16.01.2007).

[36] vgl. HENGSTLER / STOCKER 1994, S. 114

[37] vgl. LEGLER 1999, S.33

[38] Dieses Prinzip beschränkte sich keineswegs auf Wallfahrten – auch stellvertretende Bußen kamen vor. Als Vorbild könnten hier altgermanische Gesetzgebungen gedient haben, die sowohl die Übertragung der Bußleistung auf andere als auch die Kompensation des Vergehens (oder Verbrechens) durch Geld kannten („Wergeld“). In der Kirche kamen ab dem Ende des 7. Jahrhunderts Beichtbücher in Umlauf, die in tabellarischer Übersicht Erleichterung oder Umwandlung der Kirchenstrafen (statt Psalmengesang oder Almosen) und auch Geldspenden an Kirchen und Kleriker boten („ein wohlhabender Mensch konnte auf diese Weise eine Bußzeit von sieben Jahren in drei Tagen absolvieren, wenn er die entsprechende Anzahl Männer mietete, die für ihn fasteten“ - http://de.wikipedia.org/wiki/Ablass; Artikel abgerufen am 16.01.07)

[39] vgl. HENGSTLER / STOCKER 1994, S.113

[40] vgl. ebenda, S.133

[41] Dem interessierten Leser möchte ich an dieser Stelle u.a. die Bücher von Rolf LEGLER („Sternenstraße und Pilgerweg“, Bergisch Gladbach 1999) und Roland GIRTLER („Irrweg Jakobsweg“, Graz 2005) empfehlen, die sich beide ausführlich mit der Entstehung des heute so populären „camino“ befassen.

[42] vgl. JEHLE 2002, S. 69

[43] lat. „Wer viel wallfahrt, wird selten heilig“ – Ein Ausspruch, der Thomas von Kempen, einem Augustiner-Mönch und Mystiker des 15. Jahrhunderts, zugeschrieben wird. Sein Werk „De imitatione Christi“ (Die Nachfolge Christi) gilt als eines der meist verbreiteten Bücher der Spätmittelalters – vgl. JEHLE 2002, S. 70 bzw. http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_von_Kempen [Zugriff am 25.01.2007]

[44] „Weitgehend“ deshalb, weil es ja auch vor Luther Reformbewegungen in der Kirche gab, die sich allerdings nicht dauerhaft durchsetzen konnten, wie etwa jene der Hussiten ein Jahrhundert zuvor.

[45] In Norwegen wurde das Pilgern 1537 sogar unter Todesstrafe gestellt – vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Pilger [Zugriff am 25.01.2007]

[46] Der 1555 ausgehandelte Augsburger Religionsfriede unter dem Prinzip „Cuius regio, eius religio“ anerkannte zwar die Reformation nach Luther, nicht aber jene nach Calvin oder Zwingli.

[47] „Ich werde glauben, dass Weiß Schwarz ist, wenn es die Kirche so definiert.“ Dieser von Ignatius von Loyola überlieferte Ausspruch – wenn auch beschränkt auf theologische Fragen – gilt als Inbegriff dieser strikten Unterwerfung unter die Heilige Schrift und die Lehre der katholischen Kirche [vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Jesuiten - Zugriff am 26.01.2007]

[48] Ebenda

[49] Die Jesuiten begründeten mit dem „Jesuitentheater“ eine eigene Tradition im Zuge der gegenreformatorischen Bewegung, in denen mit großem Erfolg unter Einbeziehung aller damals zur Verfügung stehenden Mitteln der Bühnentechnik und der Zuschauer der "Sieg der Kirche" gegen vom „rechten Glauben Abgefallene“ drastisch vor Augen geführt wurde – siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Jesuitentheater [Zugriff am 26.01.2007]

[50] HENGSTLER / STOCKER 1994, S. 159

[51] Ebenda

[52] vgl. PLÖTZ 1991, S. 31

[53] vgl. HENGSTLER / STOCKER 1994, S.179 ff.

[54] Ebenda, S. 190

[55] http://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_II._%28HRR%29 [Zugriff am 30.01.2007]

[56] Erklärung Joseph II, am 29.11.1781 – vgl. HENGSTLER / STOCKER 1994, S.250

[57] Oberstes Ziel des Merkantilismus war es, eine aktive Handelsbilanz zu erreichen - Reisen ins Ausland waren somit kontraproduktiv und unerwünscht.

[58] Vgl. HENGSTLER / STOCKER 1994, S.250

[59] Ebenda, S. 258

[60] „Die Vision, von der Rationalität denunziert, entwickelt sich immer mehr zu einem Protest der Sprachlosen gegen eine von der Obrigkeit verordnete, rationalistische Religionspraxis“. [HENGSTLER / STOCKER 1994, S.260]

[61] vgl. HENGSTLER / STOCKER 1994, S.:260

[62] 1978 wurden gerade mal 13(!) ankommende Pilger registriert; im Jahr 2006 waren es 100.377 [vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Jakobsweg bzw. http://homepages.uni-paderborn.de/pilger/Pilgerstatistik.html]

[63] BREITENBACH 1993, S.11

[64] vgl. SAUSER, E.: Wallfahrtswesen. In: RAHNER, Karl [Hrsg.]: Sacramentum Mundi IV, S. 1243-1249. Sinngemäß zitiert nach JEHLE 2002, S.20

[65] HENGSTLER / STOCKER 1994, S.191

[66] aus einer Klage des Seckauer Fürstbischofs 1797, zitiert aus HENGSTLER / STOCKER 1994, S.191

[67] WAGNER, Christoph; KITTEL, Johannes: Auf den Fährten der Wallfahrer, S. 24 ff. Zitiert aus: LERCH 2003, S. :22

[68] Ebenda

[69] vgl. den Vortrag vom 23.09.2006 zum Thema „Pilgern und Pilgerwege heute – eine Modeerscheinung oder mehr?“ von Esther ZEIHER im Rahmen der Tagung „Pilgern“ in Heilbronn

http://www.oekumenischerpilgerweg.de/download/schriften/Pilgern_eine_Mode.pdf

[70] vgl. ebenda

[71] vgl. ebenda

[72] Ebenda

[73] vgl. FREYER 20068, S. 7

[74] vgl. FREYER 20068, S. 2

[75] Aus der Online-Ausgabe des Deutschen Wörterbuchs der Gebrüder Grimm: http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbuecher/dwb/wbgui?lemid=GT07114 [Seite aufgerufen am 09.03.2007]

[76] vgl. FREYER 20068, S. 1f.

[77] Aus der Online-Ausgabe des Deutschen Wörterbuchs der Gebrüder Grimm: http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbuecher/dwb/wbgui?lemid=GT07114 [Seite aufgerufen am 09.03.2007]

[78] „Die gewohnte Umgebung bezieht sich auf die geografischen Grenzen, innerhalb derer sich jemand im täglichen Leben bewegt, und setzt sich aus der direkten Umgebung seines Zuhauses, des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte sowie anderen häufig frequentierten Orte zusammen.“ [LAIMER / SMERAL 2003, S. 17]

[79] Die „Tagesbesucher“ fallen nicht unter die Kategorie „Touristen“ und werden somit in den Statistiken auch nicht erfasst – erst mit Einführung eines sogenanntes „Tourismussatellitenkonto“ 2001 wird versucht, die Ausgaben dieser Gruppe an Besuchern in die Statistik zu integrieren.

[80] So werden in manchen Tourismusstatistiken beispielsweise nur Reisen mit vier oder mehr Übernachtungen erfasst

[81] LAIMER / SMERAL 2003, S. 16 f.

[82] so spricht SPODE beispielsweise von Entstehungs-, Einführungs- und Konsolidierungsphase, KASPAR bzw. BIEGER teilen nach historischen Epochen ein, während FREYER eine Vor-, Anfangs-, Entwicklungs- und Hochphase anführt.

[83] vgl. BIEGER, Thomas: Tourismuslehre – Ein Grundriss. 2004, S. 47

[84] vgl. Tourismus Manager Austria [Ed. 2005:10]

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836622448
Dateigröße
5.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Wien – Geowissenschaften, Geographie und Astronomie, Geographie und Regionalforschung
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,0
Schlagworte
pilger tourismus sacra wallfahrt regionalentwicklung
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Titel: Pilgertourismus an der Via Sacra
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