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Golden Shares und die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes unter besonderer Berücksichtigung des VW-Gesetzes

©2008 Diplomarbeit 104 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Golden Shares, die auch als Goldene Aktien, Special Shares, Special Right Shares, Action Spécifice oder Master Shares bezeichnet werden, sind vor allem ein Phänomen der europäischen Privatisierungswelle der 80er und 90er Jahre des 20. Jahrhunderts. Dieser Zeitraum war davon geprägt, dass zahlreiche öffentliche Unternehmen in Kapitalgesellschaften (großteils Aktiengesellschaften) umgewandelt und anschließend in private Hände überführt wurden.
Das Kapitalgesellschaftsrecht ist vom Proportionalitätsprinzip geprägt, welches davon ausgeht, dass der Anteilseigner entsprechend seiner Kapitalbeteiligung an der Verwaltung der Gesellschaft teilnimmt. Dies hätte aber dazu geführt, dass die Öffentliche Hand auch ihre Mitgliedschaftsrechte verloren hätte. Dementsprechend wäre die Privatisierung vor allem im Energieversorgungs-, Rüstungs- und Großindustriebereich politisch nur schwer durchsetzbar gewesen. Um weiterhin lenkungspolitische Maßnahmen setzen zu können und den Einfluss ausländischer Unternehmen in Wirtschaftsbereichen, die wirtschaftlich und politisch als besonders wichtig erachtet wurden, möglichst gering zu halten, sicherte sich der Staat anlässlich der Privatisierung öffentlicher Unternehmen seine Einflussrechte in Form von Golden Shares.
Obwohl sich der EuGH hauptsächlich mit staatlichen Golden Shares in börsenotierten Kapitalgesellschaften befasst, darf daraus nicht gefolgert werden, dass die Rsp des EuGH nicht auf andere Gesellschaftsformen oder Begünstigte übertragen werden können. Daher wird in der Folge auch untersucht, ob Golden Shares ebenso in Personengesellschaften und in privater Hand denkbar sind. Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
I)INHALTSVERZEICHNIS1
II)ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS5
1)EINFÜHRUNG11
A)GOLDEN SHARES IN ÖFFENTLICHER HAND12
i)Aktiengesellschaft12
(1)Golden Shares im engeren Sinn – Beteiligungsunabhängige Golden Shares13
(2)Golden Shares im weiteren Sinn – Beteiligungsunabhängige Golden Shares14
ii)Europäische Aktiengesellschaft14
iii)Gesellschaft mit beschränkter Haftung16
iv)Personengesellschaften17
(1)Gesellschaft bürgerlichen Rechts17
(2)Offene Gesellschaft17
(3)Kommanditgesellschaft19
(4)Europäische Wirtschaftliche Interessensvertretung19
(5)Stille Gesellschaft21
B)GOLDEN SHARES IN PRIVATER HAND22
i)Aktiengesellschaft, Europäische Gesellschaft23
ii)Gesellschaft mit beschränkter Haftung26
iii)Personengesellschaft30
2)INHALTLICHE AUSGESTALTUNG VON GOLDEN SHARES31
A)DIREKTE […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Bianca Maria Czigler
Golden Shares und die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes unter besonderer
Berücksichtigung des VW-Gesetzes
ISBN: 978-3-8366-2142-7
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Wirtschaftsuniversität Wien, Wien, Österreich, Diplomarbeit, 2008
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http://www.diplom.de, Hamburg 2008
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Danksagung
An dieser Stelle möchte ich all jenen danken, die durch ihre fachliche und
persönliche Unterstützung zum Gelingen dieser Diplomarbeit beigetragen haben.
Besonderer Dank gebührt meinen Eltern, Melitta und Rudolf Czigler, die davon
abgesehen, dass sie mir das Studium ermöglichten, auch immer großes Interesse für
meine Arbeit zeigten, und mich soweit wie möglich unterstützten. Mein aufrichtiger
Dank gilt außerdem meinem Lebensgefährten, Thomas Reisner, der für die nötige
moralische Unterstützung sorgte und mir stets mit Rat und Tat zur Seite stand.
Besonders herzlich bedanke ich mich bei Herrn o. Univ.-Prof. Dr. Christian Nowotny
für die Betreuung meiner Diplomarbeit und die wissenschaftlichen Ratschläge,
welche zur Verbesserung der Arbeit beigetragen haben.

Inhaltsverzeichnis
Seite 1
I) Inhaltsverzeichnis
I)
INHALTSVERZEICHNIS ... 1
II)
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ... 5
1)
EINFÜHRUNG ... 11
A)
G
OLDEN
S
HARES IN ÖFFENTLICHER
H
AND
... 12
i)
Aktiengesellschaft ... 12
(1)
Golden Shares im engeren Sinn
­
Beteiligungsunabhängige Golden Shares ... 13
(2)
Golden Shares im weiteren Sinn
­
Beteiligungsunabhängige Golden Shares... 14
ii)
Europäische Aktiengesellschaft ... 14
iii)
Gesellschaft mit beschränkter Haftung ... 16
iv)
Personengesellschaften ... 17
(1)
Gesellschaft bürgerlichen Rechts ... 17
(2)
Offene Gesellschaft ... 17
(3)
Kommanditgesellschaft ... 19
(4)
Europäische Wirtschaftliche Interessensvertretung ... 19
(5)
Stille Gesellschaft ... 21
B)
G
OLDEN
S
HARES IN PRIVATER
H
AND
... 22
i)
Aktiengesellschaft, Europäische Gesellschaft ... 23
ii)
Gesellschaft mit beschränkter Haftung ... 26
iii)
Personengesellschaft ... 30
2)
INHALTLICHE AUSGESTALTUNG VON GOLDEN SHARES ... 31
A)
D
IREKTE
E
RWERBSBESCHRÄNKUNGEN
... 31
i)
Unmittelbare Beteiligung ... 32
ii)
Mittelbare Beteiligung ... 33
iii)
Mit Dritten abgestimmter Erwerb... 34
B)
B
ESCHRÄNKUNG VON
M
ITVERWALTUNGSRECHTEN
... 34
i)
Stimmrechtsverlust ... 34
ii)
Beschränkung von Verfügungsrechten ... 35

Inhaltsverzeichnis
Seite 2
iii)
Änderungen des Verwendungszwecks von Aktiva ... 36
iv)
Modifizierung des Gesellschaftsvertrages ... 37
v)
Sonstige Organbeschlüsse ... 38
C)
F
ORMELLE
A
USGESTALTUNG DER
E
RWERBSBESCHRÄNKUNGEN
... 38
i)
Absolute Verbote ... 39
ii)
Präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt ... 39
iii)
Widerspruchsrechte ... 40
iv)
Meldepflichten ... 40
D)
O
RGANBESETZUNGSRECHTE
... 41
i)
Entsendung vollberechtigter Mitglieder ... 41
ii)
Entsendung beratender Mitglieder ... 41
3)
GOLDEN SHARES UND DIE GRUNDFREIHEITEN ... 43
A)
D
ER
V
ERTRAG ZUR
G
RÜNDUNG DER
E
UROPÄISCHEN
G
EMEINSCHAFT UND DIE
G
RUNDFREIHEITEN
. 43
B)
K
APITALVERKEHRSFREIHEIT
... 45
i)
Begriff des gemeinschaftlichen Kapitalverkehrs ... 45
(1)
Primärrechtliche Grundlagen ... 45
(2)
Sekundärrechtliche Grundlagen ... 46
ii)
Abgrenzung zu anderen Grundfreiheiten ... 47
(1)
Abgrenzung zur Zahlungsverkehrsfreiheit ... 47
(2)
Abgrenzung zur Warenverkehrsfreiheit ... 48
(3)
Abgrenzung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit ... 50
(4)
Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit ... 51
(5)
Abgrenzung zur Dienstleistungsfreiheit ... 56
iii)
Sachlicher Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit ... 57
(1)
Beschränkungsverbot ... 57
(2)
Diskriminierungsverbot ... 58
iv)
Personeller Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit ... 59
(1)
Mitgliedstaaten und Gemeinschaftsorgane ... 59
(2)
Drittwirkung ... 60

Inhaltsverzeichnis
Seite 3
v)
Unmittelbare Geltung und Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit ... 62
C)
Z
USAMMENFASSUNG
... 63
4)
RECHTFERTIGUNG VON BEHINDERNDEN EINGRIFFEN ... 65
A)
E
INFÜHRUNG
... 65
B)
A
USNAHMEVORSCHRIFT DES
A
RT
58
A
BS
1
EGV ... 66
i)
Steuervorbehalt des Art 58 Abs 1 lit a ... 66
ii)
Die Ausnahmen des Art 58 Abs 1 lit b ... 66
(1)
Innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften ... 67
(2)
Meldeverfahren ... 67
(3)
Öffentliche Ordnung und Sicherheit ... 68
iii)
Zwingende Gründe des Allgemeininteresses ... 69
C)
U
NZULÄSSIGE
R
ECHTFERTIGUNGSGRÜNDE
... 69
i)
Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten ... 69
ii)
Andere staatliche Interessen ... 70
D)
V
ERHÄLTNISMÄßIGKEIT
... 71
i)
Geeignetheit ... 71
ii)
Erforderlichkeit ... 71
(1)
Erforderlichkeit im engeren Sinn ... 71
iii)
Rechtssicherheit ... 72
iv)
Widerspruchsfreiheit ... 72
v)
Kein Verstoß gegen EG-Grundrechte ... 72
E)
Z
USAMMENFASSUNG
... 73
5)
DAS VW-GESETZ ... 75
A)
E
INFÜHRUNG
... 75
B)
D
AS
V
ERFAHREN VOR DEM
E
U
GH ... 76
i)
Höchststimmrecht (§ 2 Abs 1 VW-G) ... 76
ii)
Entsenderecht in den Aufsichtsrat (§ 4 Abs 1 VW-G) ... 77
iii)
Erhöhung der satzungsändernden Mehrheit (§ 4 Abs 2 VW-G) ... 78
iv)
Entscheidungsgründe des EuGH ... 78

Inhaltsverzeichnis
Seite 4
C)
A
USWIRKUNGEN DES
E
U
GH-U
RTEILS
... 83
i)
Auswirkungen auf VW-G, VW-Satzung und die VW AG ... 83
(a)
Das VW-G ... 83
(b)
Die inhaltsgleichen Satzungsbestimmungen der VW-Satzung ... 85
(c)
Die VW AG ... 88
ii)
Auswirkungen auf Golden Shares ... 89
D)
Z
USAMMENFASSUNG
... 90
III)
LITERATURVERZEICHNIS ... 92
IV)
INTERNETQUELLEN ... 97
V)
RECHTSSPRECHUNGSVERZEICHNIS ... 99

Abkürzungsverzeichnis
Seite 5
II) Abkürzungsverzeichnis
ABGB
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch
Abs
Absatz
AEM SpA
Azienda Elettrica Milanese SpA
(italienisches
Gas-
und
Stromversorgungs-
unternehmen)
AG
Aktiengesellschaft
Die Aktiengesellschaft - Zeitschrift für das gesamte
Aktienwesen und für deutsches, europäisches und
internationales
Unternehmens-
und
Kapitalmarktrecht
Art
Artikel
BAA
British Airport Authority
BB
Der Betriebs-Berater
­
Zeitschrift für Recht, Steuern
und Wirtschaft
Bd
Band
BGBl
Bundesgesetzblatt
BKR
Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht
BMJ
Bundesministerium für Justiz
BRD
Bundesrepublik Deutschland
bzw
beziehungsweise
dAktG
Aktiengesetz der Bundesrepublik Deutschland
dh
das heißt

Abkürzungsverzeichnis
Seite 6
Distrigaz
Société de distribution du gaz
(belgisches Energieversorgungsunternehmen)
dWpÜG
deutsches
Wertpapiererwerbs-
und
Übernahmegesetz
ecolex
Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht
EG
Europäische Gemeinschaft
EGV
Vertrag
zur
Gründung
der
Europäischen
Gemeinschaft
Elf-Aquitaine
Société Nationale Elf-Aquitaine
(französische Ölgesellschaft)
ENI
Enze Nazionale Idrocarburi
(italienische AG die im Energie- und im
Petrochemiesektor tätig ist
)
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EuGH-Urteile
Urteile des Europäischen Gerichtshofs
EuZW
Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
EWIV
Europäische Wirtschaftliche Interessensvereinigung
EWIVG
EWIV-Ausführungsgesetz BGBl 1995/521
EWIV-VO
Verordnung (EWG) Nr 2137/85 des Rates vom
25.Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen
wirtschaftlichen Interessensvereinigung
f
folgende (Seite)
ff
folgende (Seiten)

Abkürzungsverzeichnis
Seite 7
FTD
Financial Times Deutschland
GA
Generalanwalt
gem
gemäß
GeS
Zeitschrift für Gesellschafts- und Steuerrecht
GesbR
Gesellschaft bürgerlichen Rechts
GesRZ
Der Gesellschafter
­
Zeitschrift für Gesellschafts-
und Unternehmensrecht
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHG
Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter
Haftung
hA
herrschende Ansicht
HaRÄG
Handelsrechts-Änderungsgesetz
idR
in der Regel
iVm
in Verbindung mit
JBl
Juristische Blätter
Jg
Jahrgang
JRP
Journal für Rechtspolitik
JuS
Juristische Schulung
KG
Kommanditgesellschaft
KPN
Koninklijke KPN NV

Abkürzungsverzeichnis
Seite 8
(niederländische AG die Telekommunikations-
dienste erbringt)
leg cit
legis citatae (die zitierte Gesetzesstelle)
lit
littera
M & A
Mergers & Acquisitions
­
Beteiligungen, Allianzen,
Restrukturierungen, Divestments, Private Equity
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
Nr
Nummer
NV
naamlooze vennootschap (AG Niederlande)
OG
Offene Gesellschaft
öAktG
Aktiengesetz der Republik Österreich
öGmbHG
Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter
Haftung der Republik Österreich
ÖJZ
Österreichische Juristenzeitung
plc
public company limited by shares
(AG, Großbritannien und Irland)
RL
Richtlinie
Rs
Rechtssache
Rsp
Rechtssprechung

Abkürzungsverzeichnis
Seite 9
Rz
Randziffer
SA
société anonyme (AG Frankreich, Belgien)
sociedad anònima (AG Spanien)
SE
Societas Europaea (Europäische Gesellschaft)
SE-VO
Verordnung über das Statut der Europäischen
Gesellschaft
Slg
Rechtssprechungssammlung des EuGH/EuG
S.N.T.C.
Société Nationale de Transporte par Canalisations
(belgisches Energieversorgungsunternehmen)
SpA
società per azioni (AG Italien)
STET
italienische Holdinggesellschaft auf dem Gebiet der
Telekommunikation
TPG
TNT Post Groep NV
(niederländische AG die Postdienste erbringt)
UGB
Unternehmensgesetzbuch
verb Rs
verbundene Rechtssache
Vgl
Vergleiche
VO
Verordnung
VW
Volkswagen
VW AG
Volkswagen Aktiengesellschaft
VW-G
Volkswagenprivatisierungsgesetz

Abkürzungsverzeichnis
Seite 10
VW-Satzung
Satzung der Volkswagen Aktiengesellschaft
VW-Werk
Volkswagenwerk
WWU
Wirtschafts- und Währungsunion
zB
zum Beispiel
ZGR
Zeitschrift
für
Gesellschafts-
und
Unternehmensrecht
ZIP
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis

Einführung
Seite 11
1) Einführung
Golden Shares, die auch als Goldene Aktien
, ,,(...)
Special Shares, Special Right
Shares, Action Spécifice oder Master Shares
(...)"
1
bezeichnet werden, sind vor allem
ein Phänomen der europäischen Privatisierungswelle der 80er und 90er Jahre des
20. Jahrhunderts. Dieser Zeitraum war davon geprägt, dass zahlreiche öffentliche
Unternehmen in Kapitalgesellschaften (großteils Aktiengesellschaften) umgewandelt
und anschließend in private Hände überführt wurden.
2
Das Kapitalgesellschaftsrecht ist vom Proportionalitätsprinzip geprägt, welches
davon ausgeht, dass der Anteilseigner entsprechend seiner Kapitalbeteiligung an der
Verwaltung der Gesellschaft teilnimmt. Dies hätte aber dazu geführt, dass die
Öffentliche Hand auch ihre Mitgliedschaftsrechte verloren hätte. Dementsprechend
wäre die Privatisierung vor allem im Energieversorgungs-, Rüstungs- und
Großindustriebereich politisch nur schwer durchsetzbar gewesen. Um weiterhin
lenkungspolitische Maßnahmen setzen zu können
3
und den Einfluss ausländischer
Unternehmen in Wirtschaftsbereichen, die wirtschaftlich und politisch als besonders
wichtig erachtet wurden, möglichst gering zu halten
4
, sicherte sich der Staat
anlässlich der Privatisierung öffentlicher Unternehmen seine Einflussrechte in Form
von Golden Shares.
5
Obwohl sich der EuGH hauptsächlich mit staatlichen Golden Shares in
börsenotierten Kapitalgesellschaften befasst, darf daraus nicht gefolgert werden,
dass die Rsp des EuGH nicht auf andere Gesellschaftsformen oder Begünstigte
1
Ehrhardt/ Tiedemann, Golden Shares in der Europäischen Union, das VW-G und der Einfluss auf
den Markt für Unternehmenskontrolle, M & A Review 2005, 367.
2
Vgl Pießkalla, Goldene Aktien aus EG-rechtlicher Sicht
­
Eine Untersuchung staatlicher und privater
Sonderrechte
in
Wirtschaftsgesellschaften
unter
besonderer
Berücksichtigung
der
Kapitalverkehrsfreiheit (2006) 6 f.
3
Vgl Pießkalla, Goldene Aktien aus EG-rechtlicher Sicht (2006) 6 f.
4
Vgl Ruge, Goldene Aktien und EG-Recht, EuZW 2002, 421.
5
Vgl Kalss, Aktienrecht im Licht der Kapitalverkehrsfreiheit
­
Die Rechtssprechung des EuGH zu den
Goldenen Aktien und die Auswirkungen auf das nationale Recht, JRP 2005, 26.

Einführung
Seite 12
übertragen werden können.
6
Daher wird in der Folge auch untersucht, ob Golden
Shares ebenso in Personengesellschaften und in privater Hand denkbar sind.
A) Golden Shares in Öffentlicher Hand
Staatliche Golden Shares sind Sonderrechte, die durch Behörden ausgeübt werden
können. Keinen Einfluss darauf hat der Staatsaufbau, oder ob der Inhaber zur
unmittelbaren oder mittelbaren Staatsverwaltung gehört.
7
Bei der Ausübung staatlicher Golden Shares kann die Öffentliche Hand einerseits als
Gesellschafter auftreten, also grundsätzlich nicht anders als eine Privatperson.
Andererseits können Spezialgesetze eingeführt werden, die zumeist erheblich vom
Gesellschaftsrecht abweichen. Und schließlich ist es auch möglich, dass dem Staat
Sonderrechte ohne Anteilsverbriefung zugesprochen werden.
8
i) Aktiengesellschaft
Gem der Definition in § 1 öAktG ist die AG ,,(...)
eine Gesellschaft mit eigener
Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschafter mit Einlagen auf das in Aktien zerlegte
Grundkapital beteiligt sind, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft
zu haften
."
9
Sie ist also eine Körperschaft, folglich eine juristische Person,
Außengesellschaft und gem § 2 UGB Unternehmer kraft Rechtsform.
10
Das
vordringlichste Ziel der AG ist die Kapitalsammelfunktion, die sich vor allem in der
geringen Bindung der Gesellschafter an die Gesellschaft, der leichten
Übertragbarkeit der Anteile und der Handelbarkeit an der Börse zeigt.
Charakteristisch sind daher auch das Trennungsprinzip
11
und das Prinzip der
6
Vgl Pießkalla, Goldene Aktien aus EG-rechtlicher Sicht (2006) 9.
7
Vgl Pießkalla, Goldene Aktien aus EG-rechtlicher Sicht (2006) 11.
8
Vgl Pießkalla, Goldene Aktien aus EG-rechtlicher Sicht (2006) 11.
9
§ 1 öAktG; so auch § 1 dAktG.
10
Vgl Nowotny/ Fida, Kapitalgesellschaftsrecht, Umgründungsrecht, Übernahmerecht (2007) 99.
11
Gesellschaftsvermögen und Gesellschaftervermögen sind getrennt voneinander zu behandeln,
daher haften die Gesellschafter nicht selbst für Gesellschaftsverbindlichkeiten Vgl Mader,
Kapitalgesellschaften
5
(2006) 2.

Einführung
Seite 13
Drittorganschaft
12
. Als Gesellschafter einer AG kommen natürliche und juristische
Personen wie auch handelsrechtliche Personengesellschaften in Frage.
13
Auf Grund dessen ist die AG der typische Anwendungsbereich für Golden Shares,
wie dies bereits aus dem Namen hervorgeht und ferner die bereits gefällten EuGH-
Urteile zeigen. In dieser Rechtsform sind zwei Arten von Golden Shares denkbar,
,,beteiligungsunabhängige" und ,,beteiligungsabhängige"
Golden Shares.
14
(1) Golden Shares im engeren Sinn
­
Beteiligungsunabhängige
Golden Shares
Spricht man von Golden Shares im engeren Sinn, so ist der Begünstigte am
Grundkapital der Gesellschaft beteiligt und ihm erwachsen die Sonderrechte
aufgrund dieser Beteiligung. Dafür genügt bereits eine einzelne Aktie, die mit einer
Fülle von gesellschaftlichen Sonderrechten (Vetorechte, Zustimmungsvorbehalte,
Organbesetzungsrechte) ausgestattet wird. Aufgrund ihrer Wirkung auf die
Aktionärsrechte, müssen diese in die Satzung des Unternehmens aufgenommen
werden, wobei es keine Rolle spielt, ob diese Sonderregeln auf allgemeinem
Gesellschaftsrecht oder speziellen Regelungen beruhen.
15
Dementsprechend ist bei
jenen Rechten nicht der Nominalwert ausschlaggebend, sondern, dass sie sich in der
Öffentlichen Hand befinden. Das Proportionalitätsprinzip verliert für diese Zwecke
seine Wirkung.
16
Golden Shares im engeren Sinn wurden von der Französischen Republik
17
, dem
Königreich Belgien
18
, dem Königreich Großbritannien
19
und dem Königreich
Niederlande
20
gehalten.
12
Auch Nichtgesellschafter können Vorstandsmitglieder werden Vgl Mader, Kapitalgesellschaften
5
(2006) 2.
13
Vgl Nowotny/ Fida, Kapitalgesellschaftsrecht, Umgründungsrecht, Übernahmerecht (2007) 99.
14
Vgl Pießkalla, Goldene Aktien aus EG-rechtlicher Sicht (2006) 11.
15
Vgl Pießkalla, Goldene Aktien aus EG-rechtlicher Sicht (2006) 12.
16
Vgl Ehrhardt/ Tiedemann, Golden Shares in der Europäischen Union, das VW-G und der Einfluss
auf den Markt für Unternehmenskontrolle, M & A Review 2005, 367.
17
Vgl EuGH 4.6.2002, Rs C-483/99, Slg 2002, I-4781 - Kommission der Europäischen
Gemeinschaften/ Französische Republik, Rz 2.

Einführung
Seite 14
(2) Golden Shares im weiteren Sinn
­
Beteiligungsunabhängige
Golden Shares
Bei Golden Shares im weiteren Sinn werden die staatlichen Sonderrechte unmittelbar
durch Gesetz, durch unmittelbare Privatisierungsgesetze, eingeführt.
21
Dies erfordert
keine Innehabung von Aktien, dh auch ohne Beteiligung stehen dem Begünstigten
bei einer Reihe von vorher festgelegten Sachverhalten Eingriffs- bzw
Mitspracherechte zu, was auch aus den Entscheidungen des EuGH in den Rs
Portugal
22
, Spanien
23
und Italien
24
hervorgeht.
25
ii) Europäische Aktiengesellschaft
Die Verordnung über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft ist am 8.
Oktober 2004 in Kraft getreten.
26
Das Kapital der SE ist in Aktien aufgeteilt, wobei die
Aktionäre nur bis zur Höhe des von ihnen gezeichneten Kapitals haften. Überdies
besitzt sie Rechtspersönlichkeit, weshalb sie wie die AG eine juristische Person ist.
27
Aus den bisher gemachten Aussagen und aus den Art 9 und 10 SE-VO kann man
daher ableiten, dass die SE wie eine AG, die nach dem nationalen
Gesellschaftsrecht gegründet wurde, zu betrachten ist.
28
18
Vgl EuGH 4.6.2002, Rs C-503/99, Slg 2002, I-4809 - Kommission der Europäischen
Gemeinschaften/ Königreich Belgien, Rz 2.
19
Vgl EuGH 13.5.2003, Rs C-98/01, Slg 2003, I-4641 - Kommission der Europäischen
Gemeinschaften/ Vereinigtes Königreich Großbritannien, Rz 8.
20
Vgl EuGH 28.9.2006, verb Rs C-282/04 und Rs C-283/04 - Kommission der Europäischen
Gemeinschaften/ Königreich Niederlande, Rz 5.
21
Vgl Pießkalla, Goldene Aktien aus EG-rechtlicher Sicht (2006) 12.
22
Vgl EuGH 4.6.2002, Rs C-367/98, Slg 2002, I-4731 - Kommission der Europäischen
Gemeinschaften/ Portugiesische Republik, Rz 2.
23
Vgl EuGH 13.5.2003, Rs C-463/00, Slg 2003 I
­
4581 - Kommission der Europäischen
Gemeinschaften/ Königreich Spanien, Rz 2.
24
Vgl EuGH 23.5.2000, Rs C-58/99, Slg 2000, I-3811 - Kommission der Europäischen
Gemeinschaften/ Italienische Republik, Rz 1.
25
Vgl Kalss, Aktienrecht im Licht der Kapitalverkehrsfreiheit, JRP 2005, 26.
26
Vgl Nowotny/ Fida, Kapitalgesellschaftsrecht, Umgründungsrecht, Übernahmerecht (2007) 248.
27
Vgl Art 1 SE-VO.
28
Vgl Straube/ Aicher, Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea) -
Praxishandbuch (2006) 30.

Einführung
Seite 15
Wichtigste Grundlage der SE ist die SE-VO, welche unmittelbare Anwendbarkeit in
den Mitgliedstaaten entfaltet.
29
Da zahlreiche Bereiche der SE nicht gesondert
geregelt sind, werden die Regelungslücken durch die Normenhierarchie des Art 9
SE-VO ausgefüllt.
30
Primär anwendbare Rechtsnorm ist die SE-VO. Daneben sind
Satzungsbestimmungen denkbar, die ausdrücklich von der VO zugelassen sind. Auf
jene Bereiche, die nicht oder nur teilweise durch diese VO geregelt sind, sind
zunächst jene Rechtsvorschriften anzuwenden, die von den einzelnen
Mitgliedstaaten für die SE erlassen wurden. Bestehen keine europarechtlich
zulässigen SE - spezifischen Regelungen, kommt das nationale Aktienrecht des
jeweiligen Sitzstaates der SE zur Anwendung und schließlich die Satzung der SE.
31
Dies führt dazu, dass so viele verschiedene nationale Varianten der SE denkbar
sind, wie es Mitgliedstaaten gibt.
32
Die Gesellschaften der Mitgliedstaaten können zwischen einem dualistischen und
einem monistischen Leitungssystem wählen. Das dualistische System besteht aus
einem Leitungsorgan, das für die eigenständige Führung der Geschäfte der SE
verantwortlich ist - in Österreich ist das der Vorstand - und einem Aufsichtsratsorgan,
dem die Überwachung des Leitungsorgans bei der Führung der Geschäfte zukommt
- in Österreich ist das der Aufsichtsrat. Das monistische System, welches im
angloamerikanischen Raum weit verbreitet ist und daher auch oft a
ls ,,Boardsystem"
bezeichnet wird, ist dadurch gekennzeichnet, dass die Geschäftsführungs-, Leitungs-
, Überwachungs- und Kontrollkompetenz einem einzigen Organ, dem Verwaltungsrat
oder ,,Board"
, zukommt. Zwar ist dabei zwischen geschäftsführenden und nicht
geschäftsführenden Verwaltungsratsmitgliedern zu unterscheiden, sie gehören
jedoch demselben Organ an.
33
29
Vgl Straube/ Aicher, Handbuch der SE (2006) 26.
30
Vgl Nowotny/ Fida, Kapitalgesellschaftsrecht, Umgründungsrecht, Übernahmerecht (2007) 248.
31
Vgl Straube/ Aicher, Handbuch der SE (2006) 31 ff.
32
Vgl Straube/ Aicher, Handbuch der SE (2006) 27.
33
Vgl Straube/ Aicher, Handbuch der SE (2006) 181 ff.

Einführung
Seite 16
Daraus lässt sich ableiten, dass die zur AG gemachten Aussagen auf die SE
übertragen werden können und somit hier ebenso Goldene Aktien existieren
können.
34
iii) Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gem § 61 (1) öGmbHG ist die GmbH eine Körperschaft mit Rechtspersönlichkeit,
deren Gesellschaftskapital auf Stammeinlagen aufgeteilt ist. Sie ist zwar eine
Kapitalgesellschaft, aber im Gegensatz zur AG mit personalistischen Zügen.
35
Außerdem erlaubt das öGmbHG keine Ausgabe von Aktien.
36
Der Begriff der
Goldenen Aktie ist hier also keinesfalls geeignet um mögliche staatliche
Sonderrechte zu benennen.
37
GmbHs weisen regelmäßig nicht die Größe börsenotierter AGs auf. Man muss aber
auch jene Tatsache beachten, dass sich vor allem Gemeinden im Rahmen ihrer
wirtschaftlichen Betätigung an GmbHs beteiligen, weshalb eine Vormachtsstellung in
Form von Sonderrechten interessant sein könnte.
38
Betrachtet man die nationalen Rechtsordnungen, so zeigt sich zB in § 15 Abs 3
öGmbHG, dass die Bestellung der Geschäftsführer dem Bund, einem Land oder
einer anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaft vorbehalten werden kann.
39
Ferner
gelten die Abberufungsmöglichkeiten gem § 16 öGmbHG nicht für Geschäftsführer,
die vom Bund, einem Land oder einer anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaft
bestellt wurden.
40
34
Vgl Pießkalla, Goldene Aktien aus EG-rechtlicher Sicht (2006) 13.
35
Vgl Nowotny/ Fida, Kapitalgesellschaftsrecht, Umgründungsrecht, Übernahmerecht (2007) 11.
36
Vgl § 75 Abs 4 öGmbHG.
37
Vgl § 75 Abs 4 öGmbHG.
38
Vgl Pießkalla, Goldene Aktien aus EG-rechtlicher Sicht (2006) 13 f.
39
Vgl § 15 Abs 3 öGmbHG.
40
Vgl § 16 Abs 4 öGmbHG.

Einführung
Seite 17
iv) Personengesellschaften
Zu den Personengesellschaften zählen die GesbR, die OG, die KG, die EWIV und
die stille Gesellschaft. Charakteristisch für Personengesellschaften ist, dass sie aus
mindestens zwei Mitgliedern bestehen und einen gemeinsamen Zweck durch
persönlichen Einsatz verfolgen wird. Daher ist die Mitgliedschaft grundsätzlich nicht
übertragbar oder vererbbar.
41
Auch hier muss begriffstechnisch von Sonderrechten gesprochen werden, da
Personengesellschaften keine Aktien ausgeben.
(1) Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Die GesbR besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit und kann dem Willen der
Gesellschafter nach entweder eine Innen- oder eine Außengesellschaft sein. Als
Gesellschafter einer GesbR kommen alle natürlichen und juristischen Personen, eine
OG und eine KG in Betracht. Entstehungszeitpunkt der GesbR ist der Abschluss des
Gesellschaftsvertrages, der keinen besonderen Formvorschriften unterliegt. Die
gesetzlichen Regelungen des ABGB zur Geschäftsführung sind dispositiver Natur, dh
im Gesellschaftsvertrag können beliebige Vereinbarungen getroffen werden. Die
Gesellschafter haften unbeschränkt und solidarisch.
42
Die Öffentliche Hand kann sich zwar an einer GesbR beteiligen, aber aufgrund der
beschriebenen Charakteristika der GesbR wird die praktische Relevanz von
staatlichen Sonderrechten eher gering sein.
43
(2) Offene Gesellschaft
Besondere Charakteristika der OG sind die Zweckoffenheit
44
, das Prinzip der
Selbstorganschaft
45
und ihre Rechtsfähigkeit. Ferner herrscht gesamthandschaftliche
41
Vgl Schummer, Personengesellschaften
6
(2006) 8 f.
42
Vgl Schummer, Personengesellschaften
6
(2006) 10 ff.
43
Vgl Pießkalla, Goldene Aktien aus EG-rechtlicher Sicht (2006) 17.
44
Die OG kann für jeden erlaubten Zweck gegründet werden Vgl Schummer, Personengesellschaften
6
(2006) 22.
45
Geschäftsführung
und
Vertretung
nur
durch
Gesellschafter
Vgl
Schummer,
Personengesellschaften
6
(2006) 23.

Einführung
Seite 18
Verbundenheit der Gesellschafter, dh dass alle Gesellschafter persönlich,
unbeschränkt, unbeschränkbar, primär, unmittelbar und solidarisch haften. Die
Gesellschaftsanteile sind grundsätzlich nicht übertragbar und unvererblich.
Außerdem legt § 105 letzter Satz UGB ausdrücklich fest, dass einer OG mindestens
zwei Gesellschafter angehören müssen, weshalb sie nach Ausscheiden des
vorletzten Gesellschafters ohne Liquidation erlischt. Im Innenverhältnis sind die
Gesellschafter an die Treuepflicht und den Grundsatz der Gleichbehandlung
gebunden, was dazu führen kann, dass die Gesellschafter in der Ausübung ihrer
Rechte gebunden oder beschränkt werden können, oder bestimmte Pflichten erfüllen
müssen.
46
Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist im Gesetz jedoch so geregelt,
dass der Gesetzgeber auch abweichende Vereinbarungen zulässt (siehe §§ 109 Abs
1; 114 Abs 1; 125 Abs 1; 146 Abs 1 UGB). Daraus lässt sich schließen, dass der
Gleichbehandlungsgrundsatz als ein Willkür- und Diskriminierungsverbot zu
verstehen ist, daher sind ,,
sachlich gerechtfertige Differenzierungen
"
47
zulässig.
48
Die gesetzlichen Regelungen des UGB im Bezug auf das Rechtsverhältnis der
Gesellschafter sind mit wenigen Ausnahmen (§§ 117 Abs 2, 118 Abs 2 und 132 Abs
2) nur dispositiver Natur.
49
§ 108 UGB ermöglicht den Gesellschaftern, soweit
zwingende Gestaltungsgrenzen berücksichtigt werden, grundsätzlich die freie
Rechtsgestaltung nach ihrem Willen. Das dispositive Recht stellt lediglich eine
Möglichkeit zur Gestaltung des Gesellschaftsvertrages dar.
50
Die oben beschriebenen Wesensmerkmale der OG führen auch hier dazu, dass der
personelle Aufwand ungleich größer als bei einer Kapitalgesellschaft wäre und
staatliche Sonderrechte somit eine geringe praktische Rolle spielen werden.
51
46
Vgl Schummer, Personengesellschaften
6
(2006) 22 ff.
47
Krejci in Krejci/ Bydlinski, Kommentar zu den durch das HaRÄG 2005 eingeführten Neuerungen im
Unternehmensgesetzbuch und im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch - Reform-Kommentar UGB -
ABGB (2007) § 108 UGB Rz 27.
48
Vgl Krejci in Krejci/ Bydlinski § 108 UGB Rz 23.
49
Vgl Schummer, Personengesellschaften
6
(2006) 22 ff.
50
Vgl Krejci in Krejci/ Bydlinski § 108 UGB Rz 4.
51
Vgl Pießkalla, Goldene Aktien aus EG-rechtlicher Sicht (2006) 17.

Einführung
Seite 19
(3) Kommanditgesellschaft
Die KG unterscheidet sich von der OG nur dermaßen, dass es zwei Arten von
Gesellschaftern, nämlich Komplementäre und Kommanditisten, gibt. Der
Komplementär entspricht dem Gesellschafter der OG. Im Gegensatz dazu haftet der
Kommanditist nur beschränkt, hat dadurch aber auch weniger Rechte als der
Komplementär. Er ist zB von der Führung der gewöhnlichen Geschäfte
ausgeschlossen
und
hat
auch
gegenüber
dem
Komplementär
keine
Widerspruchsrechte bei der Ausübung dieser Geschäfte. Nur bei außergewöhnlichen
Geschäften erfordert § 116 Abs 2 UGB die Zustimmung des Kommanditisten. Die
Kompetenzen
des
Kommanditisten
können,
dem
ungeachtet,
mittels
Gesellschaftsvertrag eingeschränkt oder auf unterschiedliche Weise erweitert
werden.
52
Zwar könnte sich die Öffentliche Hand mittels Gesellschaftsvertrag eine Fülle von
Sonderrechten zusichern, doch auch der personelle Aufwand würde sich dadurch
erheblich erhöhen, womit auch hier staatliche Sonderrechte wenig Sinn machen
würden.
53
(4) Europäische Wirtschaftliche Interessensvertretung
Die EWIV wurde dazu geschaffen, um ein rechtliches Instrument für eine
grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu schaffen und somit die wirtschaftliche
Tätigkeit ihrer Mitglieder zu erleichtern.
54
Die EWIV entfaltet als ,,(...)
supranationale
Gesellschaftsform
(...)"
55
unmittelbare Wirkung und verdrängt somit als
höherrangiges Recht das nationale Recht dort, wo dieses der VO widerspricht. An
erster Stelle der Normenhierarchie steht daher zwingendes Recht der VO. Diesem
folgen die Bestimmungen des Gründungsvertrages, die der EWIV-VO entsprechen
müssen. Dispositive Regelungen sind nur dann anwendbar, wenn im
Gründungsvertrag keine Bestimmungen aufgenommen wurden, die diese verdängen.
52
Vgl Schummer, Personengesellschaften
6
(2006) 58 ff.
53
Vgl Pießkalla, Goldene Aktien aus EG-rechtlicher Sicht (2006) 17.
54
Vgl Schummer, Personengesellschaften
6
(2006) 79.
55
Löffler, Die EWIV
­
Die Europäische Wirtschaftliche Interessensvereinigung in Österreich (1998) 3.

Einführung
Seite 20
Erst dann unterliegt die EWIV dem nationalen Recht, in dem sie ihren
satzungsmäßigen Sitz hat. Dh nur in jenen Fällen, in denen die VO einen
Sachverhalt nicht oder nicht abschließend regelt, wird auf nationales Recht
zurückgegriffen.
56
In Österreich verweist das EWIVG auf die Regelungen des UGB zur OG. Für die
EWIV sind die geltenden Bestimmungen der OG anzuwenden. Im Gegensatz zur OG
ist sie jedoch Unternehmer kraft Rechtsform, die Mitglieder haften nicht primär und
es herrscht das Prinzip der Drittorganschaft. Obwohl aus Vereinfachungsgründen auf
OG - Recht verwiesen wird, stellt die EWIV trotzdem eine eigene europäische
Rechtsform dar, da sie sich auch im Unternehmenszweck und in ihrer
Organisationsstruktur gänzlich von der OG unterscheidet.
57
Mitglieder einer EWIV
können Gesellschaften iSd Art 48 Abs 2 EGV und natürliche Personen sein, die eine
gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit in der EU
bzw im EWR ausüben oder dort andere Dienstleistungen erbringen. Davon
ausgenommen sind nur Gesellschaften, die keinen Erwerbszweck verfolgen.
Mindestens ein Mitglied muss seine Hauptverwaltung oder seine Haupttätigkeit in
einem anderen Mitgliedstaat der EU bzw des EWR haben, als die anderen
Mitglieder.
58
Die EWIV-VO sieht zwingend nur zwei Organe - die gemeinschaftlich handelnden
Mitglieder, die auch das oberste Organ darstellen, und die Geschäftsführung - vor.
Die gemeinschaftlich handelnden Mitglieder müssen sich zur Beschlussfassung aber
nicht versammeln, sondern können eine solche mittels jeder Form moderner
Kommunikation bedingen. Die Geschäftsführung führt die Geschäfte der Vereinigung
und vertritt diese nach außen hin. Wie bereits erwähnt, ermöglicht die EWIV-VO
Fremdgeschäftsführung, weshalb die Geschäftsführung ein selbständig, neben den
gemeinschaftlich handelnden Mitgliedern bestehendes Organ, darstellt. Die
Befugnisse der Geschäftsführer werden entweder im Gründungsvertrag oder mittels
56
Vgl Löffler, Die EWIV (1998) 11 ff.
57
Vgl Löffler, Die EWIV (1998) 10.
58
Vgl Schummer, Personengesellschaften
6
(2006) 80 f.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836621427
DOI
10.3239/9783836621427
Dateigröße
682 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Wirtschaftsuniversität Wien – Institut für Zivil- und Unternehmensrecht, Studiengang Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2008 (Oktober)
Note
1,0
Schlagworte
golden shares gesellschaftsrecht kapitalmarktrecht vw-gesetz europäischer gerichtshof
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Titel: Golden Shares und die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes unter besonderer Berücksichtigung des VW-Gesetzes
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