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Kritische Analyse der Übernahme des institutionellen Regelwerks der EU (Acquis Communautaire) durch Bulgarien

©2008 Diplomarbeit 82 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Nach 1945 hatte der Kalte Krieg zwischen West und Ost zu einer willkürlichen Teilung Europas geführt. Es bildeten sich ein marktwirtschaftlich geprägtes westliches Europa und ein planwirtschaftlich orientiertes östliches Europa, gebunden an die Sowjetunion.
Am 25. April wurde in Luxemburg der EU-Beitrittsvertrag von Bulgarien und Rumänien unterschrieben, und seit dem 01.01.2007 sind beide Länder Mitglieder der EU. Damit ist aus Sicht der EU die fünfte Erweiterungsrunde abgeschlossen. Der sich im Jahre 1989/90 in Mittel- und Osteuropa abspielende „Systemwechsel und die darauf folgende universelle Umordnung der Großmachtverhältnisse“ zwingen die ehemals sozialistisch geprägten Staaten zu einer Umorientierung der Marktstruktur und einer verstärkten Zuwendung zu neuen Integrationspartnern in Organisationen wie der NATO und der EU. Bulgarien und Rumänien werden oft als die „ökonomischen Schlusslichter der Union“ bezeichnet. Trotz vieler Probleme während des Beitrittsprozesses haben sie dennoch gezeigt, dass sie in der Lage sind, marktwirtschaftliche Strukturen aufzubauen, Strukturschwächen zu bekämpfen und somit bereit sind, dem "Club" möglichst schnell beizutreten.
Zum ersten Mal in der Geschichte der EU-Erweiterung werden ehemalige zentralistische Planwirtschaften mit eingeschlossen, die gezwungen sind, innerhalb einer kurzen Zeit, von den westeuropäischen Ländern in den letzten vierzig Jahren entwickelte Institutionen und Gesetze zu übernehmen. Wie Martens (2000) bemerkte, ist dies ein "unprecedented experiment in institutional reform", da der institutionelle Transformationsprozess nicht "selbst gewachsen" ist, sondern von westlichen Volkswirtschaften transponiert wurde. Die fremde "EU-Rechtskultur" muss erst auf die politischen Willensträger in Bulgarien übergehen, die diese dann im Laufe der Zeit im Rahmen eines "Trickle-Down-Effektes" an die Institutionen bis in die Bevölkerung weitergeben. Den Rahmen hierfür bietet der Acquis Communautaire, das institutionelle und rechtliche Regelwerk der EU, welches im Mittelpunkt dieser Arbeit steht.
Oberstes Ziel der EU-Mitgliedstaaten ist, neben der vollständigen Übernahme des Acquis Communautaire durch die Kandidatenländer, "the creation of a level playing field based on the Western status quo". Neben der Etablierung von Demokratie und Marktwirtschaft sehen die Neumitglieder durch die institutionelle Annäherung an die EU die Möglichkeit, von den finanziellen Vorteilen sowie dem […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Gang der Untersuchung

2 Der Acquis Communautaure
2.1 Die Rolle externer institutioneller Anker für wirtschaftliche Entwicklung
2.2 Der Acquis Communautaire als externer Anker für institutionellen Aufbau und EU-Integration
2.2.1. Stufen der Annäherung durch das institutionelle Regelwerk der EU
2.2.2. Der Acquis Communautaire

3. Kritische Analyse der Übernahme des Acquis durch Bulgarien
3.1. Der Stand der Beitrittsfähigkeit Bulgariens
3.2. Nutzen aus der institutionellen Konvergenz und Chancen für Bulgarien
3.3. Risiken der Übernahme des Acquis für Bulgarien
3.4. Zwischenergebnis

4 Annährung des bulgarischen Rechts an das Europarecht
4.1 Politische Herausforderungen: Reform der Staatsanwaltschaft als Teil der Justizreform
4.2 Strukturprobleme der bulgarischen Verfassungsordnung
4.3 Bulgarien im Urteil der Kommission und der aktuelle Stand der Umsetzung der Zielvorgaben
4.4 Zwischenergebnis

5 Umweltpolitik Bulgariens im Lichte der EU-Osterweiterung
5.1 Die Übernahme des EU-Rechts - Chance oder Risiko für die bulgarische Umweltpolitik?
5.2 Der Einfluss der EU-Umweltstandards auf die nationale Umweltpolitik
5.3 Zwischenergebnis

6 Schlussbetrachtung und Ausblick

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Overall Institutional Development in Groups of European Countries, 2004

Abbildung 2: Legislative Institutions in Non-EU Europe, 2004

Abbildung 3: Administrative Institutions in Non-EU Europe, 2004

Abbildung 4: Judicative Institutions in Non-EU Europe, 2004

Abbildung 5: Instituional Progress in Non-Member Countries (1996 - 2004)

Abbildung 6: Deka Converging Europe Indicator (DCEI)

Abbildung 7: Potenial increase in trade, %

Abbildung 8: Reales BIP-Wachstum in Bulgarien 1997-2006

Abbildung 9: Die Gesamtinvestitionsquote in Bulgarien 1997-2006, in % des BIP

Abbildung 10: Veränderung der Inflationsrate in Bulgarien im Zeitraum 1998-2006

Abbildung 11: Zuwachsraten der Reallöhne in Bulgarien in % für den Zeitraum 1998-2006

Abbildung 12: BIP pro Kopf in KKS für Bulgarien 1997-2008, EU-25=100%

Abbildung 13: Arbeitslosenquote in Bulgarien 1997-2006

Abbildung 14: Relativer Anteil der Exporte Bulgariens nach Regionen 2006, in %

Abbildung 15: Relativer Anteil der Importe Bulgariens nach Regionen 2006, in %

Abbildung 16: THG-Emissionen und Zielwerte in Bulgarien (1988 - 2020)

Abbildung 17: Entwicklung des Beschäftigungswachstums in Bulgarien (violett) und EU-25 (blau) für den Zeitraum 1997-2006

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Die 31 Kapitel des Acquis Communautaire

Tabelle 2: Stand der Beitrittsfähigkeit in Bezug auf die Kopenhagener Kriterien

Tabelle 3: Deka Converging Europe Indicator Mai 2006: Gesamtindikator und Teilindikator

Tabelle 4: Increase in growth due to institutional convergence to EU

Tabelle 5: Impact of institutional improvement on trade in the CEECs, in %

Tabelle 6: Impact of institutional improvement on trade in the CEECs, in %

Tabelle 7: Übergangsregelungen bei der Einhaltung der EU-Umweltbestimmungen

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Nach 1945 hatte der Kalte Krieg zwischen West und Ost zu einer willkürlichen Teilung Europas geführt. Es bildeten sich ein marktwirtschaftlich geprägtes westliches Europa und ein planwirtschaftlich orientiertes östliches Europa, gebunden an die Sowjetunion.

Am 25. April wurde in Luxemburg der EU-Beitrittsvertrag von Bulgarien und Rumänien unterschrieben, und seit dem 01.01.2007 sind beide Länder Mitglieder der EU. Damit ist aus Sicht der EU die fünfte Erweiterungsrunde abgeschlossen. Der sich im Jahre 1989/90 in Mittel- und Osteuropa abspielende „Systemwechsel und die darauf folgende universelle Umordnung der Großmachtverhältnisse“[1] zwingen die ehemals sozialistisch geprägten Staaten zu einer Umorientierung der Marktstruktur und einer verstärkten Zuwendung zu neuen Integrationspartnern in Organisationen wie der NATO und der EU. Bulgarien und Rumänien werden oft als die „ökonomischen Schlusslichter der Union“ bezeichnet. Trotz vieler Probleme während des Beitrittsprozesses haben sie dennoch gezeigt, dass sie in der Lage sind, marktwirtschaftliche Strukturen aufzubauen, Strukturschwächen zu bekämpfen und somit bereit sind, dem „Club“ möglichst schnell beizutreten.

Zum ersten Mal in der Geschichte der EU-Erweiterung werden ehemalige zentralistische Planwirtschaften mit eingeschlossen, die gezwungen sind, innerhalb einer kurzen Zeit, von den westeuropäischen Ländern in den letzten vierzig Jahren entwickelte Institutionen und Gesetze zu übernehmen. Wie Martens (2000) bemerkte,[2] ist dies ein „unprecedented experiment in institutional reform“, da der institutionelle Transformationsprozess nicht „selbst gewachsen“ ist, sondern von westlichen Volkswirtschaften transponiert wurde. Die fremde „EU-Rechtskultur“ muss erst auf die politischen Willensträger in Bulgarien übergehen, die diese dann im Laufe der Zeit im Rahmen eines „Trickle-Down-Effektes“ an die Institutionen bis in die Bevölkerung weitergeben. Den Rahmen hierfür bietet der Acquis Communautaire, das institutionelle und rechtliche Regelwerk der EU, welches im Mittelpunkt dieser Arbeit steht.

Oberstes Ziel der EU-Mitgliedstaaten ist, neben der vollständigen Übernahme des Acquis Communautaire durch die Kandidatenländer, „ the creation of a level playing field based on the Western status quo “.[3] Neben der Etablierung von Demokratie und Marktwirtschaft sehen die Neumitglieder durch die institutionelle Annäherung an die EU die Möglichkeit, von den finanziellen Vorteilen sowie dem Beitritt zum Gemeinsamen Markt zu profitieren. Von ihnen ist es zu erwarten, dass sie sich den Anpassungsforderungen der EU unterwerfen, diese unverzüglich umsetzen und den schweren Weg in die EU antreten.

Die Mehrheit der Bürger hoffte durch die Rezeption des EU-Rechts auf neue Perspektiven in politischer, institutioneller und ökonomischer Hinsicht. Für Bulgarien entstehen Chancen, die demokratischen, sozialen und ökologischen Rahmenbedingungen seiner Gesellschaft mit der Übernahme des institutionellen Regelwerkes der EU zu verbessern. Jedoch ist die Übernahme des europäischen Rechtsbestandes, des sog. Acquis Communautaire, mit erheblichen Kosten verbunden, und einige von der EU auferlegte Regelungen können die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes mit relativ hohem wirtschaftlichen Rückstand im Vergleich zur EU-15[4] schmälern. Es wird allerdings vermutet, dass die Vorteile des EU-Beitritts die negativen Effekte überwiegen werden.

Langfristig erhofft man sich, eine höhere Dynamik des Wirtschaftswachstums und ein „Catching Up“[5] Bulgariens mit den anderen EU-Ländern zu erreichen, um die Einkommensdisparitäten zwischen armen und reichen Ländern abzubauen und die Lebensqualität zu verbessern.

1.2 Zielsetzung

Das Ziel der Untersuchung ist es, die Anpassungsleistungen der Institutionen Bulgariens an die EU-Standards kritisch zu betrachten und dabei Chancen, Risiken und ökonomische Auswirkungen bei und durch die Implementierung des Acquis aus der Sicht des neuen Mitgliedslandes im Verlauf dieser Arbeit im Einzelnen darzulegen. Dabei wird genauer auf die kritische Analyse zweier einzelner Aspekte im Bereich der Justiz und Umweltpolitik Bulgariens eingegangen. Einerseits sollen die Anforderungen und die Anpassungsstrategien Bulgariens, andererseits die damit verbundenen Anpassungsschwierigkeiten und Defizite aufgezeigt werden. Dabei sollen Fragen nach der Beitrittsfähigkeit und Gesamtkonvergenz Bulgariens im Vergleich zur EU-15 beantwortet werden, um die geforderten Angleichungen in Bulgarien wahrnehmen und erfolgreich umsetzen zu können.

1.3 Gang der Untersuchung

In Hinblick auf die oben erwähnte Problemstellung und Zielsetzung dieser Arbeit, wird in Kapitel 2 zunächst der Acquis Communautaire und seine Rolle in der Zielsetzung der EU-Erweiterung sowie des gesamten EU-Beitrittsprozesses vorgestellt. Die ihm zugeschriebene Bedeutung lässt sich erkennen als „Anker“, d.h. als Anknüpfungs- oder Aufhängugspunkt, an dem sich Länder orientieren und ihn ggf. übernehmen können, um ihre eigene politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung voranzutreiben. Zunächst wird dabei die Rolle, die der Acquis im Rahmen der EU-Osterweiterung für die neuen EU-Mitgliedstaaten, insbesondere die MOEL[6], innehat, dargelegt, um dann anschließend den EU-Beitrittsprozess in Grundzügen sowie seine Annäherungsstufen an den Acquis Communautaire mit den damit verbundenen EU-Strategien und –Programmen aufzuzeigen.

In Kapitel 3 wird dann speziell auf den Fall Bulgarien, den Stand der Umsetzung des Acquis und damit den Stand der Beitrittsfähigkeit des Landes eingegangen. Als Beurteilungsbasis dienen dafür Indikatoren, die anhand wirtschaftswissenschaftlicher Modelle ermittelt und hier dargestellt werden. Bestimmte Modelle zielen dabei auf verschiedene Konvergenzkriterien ab, die die mit der Übernahme des Acquis einhergehende politische und wirtschaftliche Konvergenz messen (realwirtschaftliche, institutionelle, monetäre und fiskalische Konvergenzen). In Hinblick auf die oben genannte Zielsetzung dieser Arbeit wird dann hier konkret den institutionellen Wandel, d.h. die institutionelle Konvergenz in Bulgarien erörtert. Wiederum wird aufgrund von Modellen untersucht, ob und inwieweit, und in welchen Wirtschaftssektoren, die istitutionelle Konvergenz eingetreten ist und insbesondere welche Auswirkungen sie dann anteilsmässig auf diverse volkswirtschaftliche Parameter wie Wirtschaftwachstum, Handel u.a. hatte. Damit wird deren Nutzen ermittelt und daraus die Chancen für die weitere Entwicklung dieser Parameter abgeleitet.

Neben den Chancen und positivem Nutzen ergeben sich gleichzeitig auch zukünftige Risiken und Nachteile für die bulgarische Volkswirtschaft, die daran anschließend aufgezeigt und bewertet werden.

In Anbetracht des enormen Umfangs der Thematik wird in den anschließenden Kapiteln 4 und 5 dieser Arbeit jeweils nur ein spezielles rechtliches und institutionelles Übernahmesegment des Acquis betrachtet, und zwar, einerseits das Justizwesen und andererseits die Umweltpolitik. Dies wird ganz konkret auf die einzelnen getroffenen Schritte und Maßnahmen mit deren Umsetzung und Auswirkung auf Bulgarien bezogen.

Die Schlussbetrachtungen fassen die Ergebnisse der bisher erarbeiteten Analysen und Betrachtungen zusammen und zeigen als Ergebnis den Saldo hinsichtlich des Erfolges der Übernahme des institutionellen Regelwerkes der EU und damit des langfristigen Erfolges des EU-Beitritts Bulgariens.

2 Der Acquis Communautaure

Der Acquis Communautaire repräsentiert das institutionelle Regelwerk der EU, d.h. den „gemeinschaftlichen Besitzstand“. Er enthält sämtliche für die Mitgliedstaaten der EU verbindlichen Rechte und Pflichten, die sich aus den EU-Verträgen und der EU-Rechtsetzung ergeben.

Starke Institutionen in der EU können die Institutionen eines anderen Landes und dessen wirtschaftliche Entwicklung positiv beeinflussen und als externer Anker für die MOEL dienen.

2.1 Die Rolle externer institutioneller Anker für wirtschaftliche Entwicklung

In Abhängigkeit vom Entwicklungsniveau der Länder neigt die institutionelle Entwicklung dazu, zu mehreren Gleichgewichtszuständen zu konvergieren. Reiche Länder verfügen im Allgemeinen über gut funktionierende und marktunterstützende Institutionen. Arme Länder, die im Durchschnitt einen niedrigeren Entwicklungsstand als den der EU-15 haben, werden von Institutionen geleitet, die nicht in der Lage sind, die Marktwirtschaft und das Wirtschaftswachstum zu fördern. Die institutionelle Entwicklung könnte in diesen armen Ländern Verbesserungen in allen Lebensbereichen herbeiführen. Je ärmer allerdings ein Land ist und je weniger Institutionen marktorientiert sind, desto schwieriger ist es, die institutionelle Leistungsfähigkeit dort zu verbessern.[7] Ein Grund dafür seien vorhandene Koordinationsprobleme bezüglich der Rechtsdurchsetzung, wobei die Möglichkeit mehrfacher Gleichgewichte bestünde und das „richtige“ Gleichgewicht schwer zu erreichen sei.[8] Institutionelle Mechanismen wie die Förderung eines EU-Beitritts begünstigt die Ausschaltung eines „schlechten Gleichgewichts“. Normalerweise tendiert eine kleine Volkswirtschaft dazu, die Institutionen ihres größeren und mächtigeren Nachbarnlandes zu übernehmen. Diese auswärtigen Institutionen[9] können durch das eigene Land weder beeinflusst noch verändert werden. Das heißt jedoch nicht, dass ein großes und mächtiges Land per se ein besseres institutionelles Umfeld bietet.

Die Sowjetunion hatte einen starken Einfluss auf die COMECON[10] - Länder und deren institutionelle Entwicklung. Als zentrale Planwirtschaften waren sie im Stande, sich selbst mit Gütern und natürlichen Ressourcen zu versorgen. Damit war die Sowjetunion nach außen hin nicht geöffnet. Je offener ein Land nach außen ist, desto mehr können externe Institutionen Einfluss auf inländische Institutionen ausüben, und es besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass das betreffende Land sich für Marktinstitutionen entscheidet, wobei das politische Klima eine wichtige Rolle spielt. Starke Institutionen in einem Land können einem anderen Land helfen, das richtige Gleichgewicht zu finden.[11] Das Vorhandensein solcher starker externer institutioneller Anker wie die EU für die MOEL kann eine Erklärung dafür sein, warum diese Länder über ein besser funktionierendes Rechtssystem als Russland verfügen.[12] Externe Anker sorgen für die Beschleunigung des institutionellen Reformprozesses und eine tiefere Integration des Landes in die Weltwirtschaft. Berkowitz et al. (2003)[13] bemerken, dass nicht nur die Institutionen selbst, sondern vor allem der Prozess ihrer Übernahme und Implementierung zur wirtschaftlichen Entwicklung und zu einem effektiveren Rechtssystem beitragen. Allerdings enthält die Übernahme „fremder Institutionen“ eine potenzielle Gefahr. Es gibt kein institutionelles Modell, welches einfach von einem ökonomischen System in ein anderes transponiert werden kann. Historische und kulturelle Bedingungen spielen dabei eine wichtige Rolle. Vor diesem Hintergrund ist der Fall von Übergangsvolkswirtschaften von großem Interesse. Die unterschiedlichen Anfangsbedingungen in diesen ehemaligen sozialistischen Ländern beeinflussen deren Reformerfolg. Der Acquis könnte einen potentiellen Anker für die notwendigen institutionellen Reformen in den Übergangsländern darstellen, der ihnen eine Chance gibt, alle ineffizienten Rechtsstrukturen zu effizienten zu reformieren. Jedoch stellt die Übernahme des Acquis eine gewaltige Herausforderung für die neuen Mitgliedstaaten dar.[14]

2.2 Der Acquis Communautaire als externer Anker für institutionellen Aufbau und EU-Integration

2.2.1. Stufen der Annäherung durch das institutionelle Regelwerk der EU

1993 wurde auf dem Gipfel des Europäischen Rates in Kopenhagen beschlossen, dass die assoziierten Staaten Mittel- und Osteuropas – in den so genannten Europa-Abkommen[15] - grundsätzlich Mitglieder der EU werden können, wenn bestimmte Kriterien erfüllt würden:[16]

„The European Council today agreed that the associated countries in Central and Eastern Europe that so desire shall become members of the European Union. Accession will take place as soon as an associated country is able to assume the obligations of membership by satisfying the economic and political conditions required”.

Die im letzten Satz erwähnten “economic and political conditions” definierten den Beitrittsprozess neu: „They have come to play a central role in the discussion about accession to the Union in spite of their generality“.[17]

Dieses Beitrittsversprechen galt lange als sehr umstritten, denn die Frage war nicht, ob ein Staat eintreten kann, sondern vielmehr wann und wie, trotz der im Europa-Abkommen enthaltenen Beitrittsperspektive. Die Intention dieser bilateralen Abkommen war zu diesem Zeitpunkt, die MOEL praktisch auf ihren Beitritt vorzubereiten und sie in die Handelspolitik des Binnenmarktes der EU über einen Zeitraum von zehn Jahren einzubinden. Dadurch sollte die wirtschaftliche, die politische, soziale und kulturelle Konvergenz der Kandidatenländer unterstützt werden[18].

Die so genannten „Kopenhagener Kriterien“ für einen Beitritt wurden in politische, ökonomische und rechtliche Kriterien aufgeteilt.[19]

Die Beitrittskandidaten müssen institutionelle Stabilität als eine Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, für die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz der Rechte von Minderheiten demonstrieren (politische Kriterien).

Zusätzlich müssen die potentiellen Mitglieder vollständig den gesamten Rechtsbestand der EU (Acquis Communautaire) in nationales Recht übernehmen und sich die Ziele der politischen Union sowie der Wirtschafts- und Währungsunion zu Eigen machen. In diesem Zusammenhang müssen in der Verwaltung und der Justiz Kapazitäten zur Einführung und Anwendung des Acquis geschaffen werden,[20] was in der Praxis eine erhebliche Aufgabe darstellt (rechtliche Kriterien).

Schließlich wird von den Kandidaten eine funktionsfähige Marktwirtschaft verlangt, die es erlaubt, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union standzuhalten. Unter einer funktionsfähigen Marktwirtschaft versteht die EU-Kommission ein Wirtschaftssystem, in dem Preise und Handel liberalisiert sind und in dem ein durchsetzbares Rechtssystem vorhanden ist. Die Leistung eines solchen Wirtschaftssystems würde laut EU-Kommission außerdem durch makroökonomische Stabilität und Einigkeit über die Wirtschaftspolitik verbessert (ökonomische Kriterien).

Die ökonomischen Kriterien werden vielfach im Zusammenhang mit den rechtlichen Kriterien gesehen, da die Übernahme des Acquis eine Modernisierung des gesamten Rechts- und Wirtschaftssystem in den Transformationsländern erfordert.

Die Inhalte der Kopenhagener Kriterien, wie die Aufnahmebedingungen aus Artikel 49 EUV und Artikel 6 Absatz 1 EUV (s. im Anhang Art. 49 und Art. 6), unterstützen dabei, das erreichte Homogenitätsniveau der EU zu wahren und somit die vertikale Vertiefung nicht zu behindern.[21] Diese Beitrittsbedingungen entfalten echte Rechtswirkung, da sie Mitgliedstaaten und Unionsorgane binden und sich auf das geschriebene Gemeinschaftsrecht zurückprojizieren lassen.[22]

Die Beitrittskandidaten müssen die oben erwähnten Beitrittsvoraussetzungen akzeptieren, wobei jedoch die EU-Mitgliedschaft dadurch nicht garantiert wird.[23] Davon ausgehend sind die Kopenhagener Kriterien inklusiv dem Acquis Communautaire extern in Bezug auf die Volkswirtschaften und könnten als externer Anker für Reformierung der Institutionen in den neuen EU-Mitgliedern angesehen werden[24], da ein Bewerberland diese weder modifizieren noch nur teilweise übernehmen kann. Allerdings sind diese Beitrittskriterien nicht völlig exogen gegeben – um diese implementieren zu können, sollte ein Beitrittskandidat bereits über ein bestimmtes Wirtschaftsentwicklungsniveau und über gut entwickelte und wohl funktionierende Institutionen verfügen.

In Luxemburg wies der Europäische Rat darauf hin, dass der gemeinschaftliche Besitzstand nicht nur übernommen, sondern auch tatsächlich angewendet werden muss.[25] Dies erforderte von den Bewerberländern und der EU die größten Anpassungsleistungen seit Gründung des Integrationsbündnisses.

Die EU entwickelte eine „Heranführungsstrategie“, um die MOEL, die den Übergang zur Marktwirtschaft anstreben, beitrittsreif zu machen.

Von der EU wurde zu den bestehenden Europa-Abkommen ein „Weißbuch zur Heranführung der assoziierten MOEL an den EU-Binnenmarkt“ ausgearbeitet, das eine graduelle und selektive Übernahme der Binnenmarktvorschriften als Kernbereich der EU ermöglichte und es den MOEL überließ, in ihren Gesetzgebungsprogrammen selbst die Prioritäten zu setzen. Diese Heranführungsstrategie „marked the first practical policy steps of the EU to realise the perspective of accession opened at Copenhagen”.[26]

In der Verhandlungsphase, die meistens parallel zur Heranführungsstrategie verläuft, wird der Prozess gekennzeichnet von der Stellung des Antrags auf Mitgliedschaft bis zum Eintreten der Staaten in die EU. Von 1994 bis 1996 haben alle Länder der Europa-Abkommen einen offiziellen Beitrittsantrag zur Aufnahme in die EU gestellt und 1998[27] bzw. 2000[28] mit den Beitrittsverhandlungen begonnen.

Mit Einführung der Kopenhagener Kriterien sowie der Heranführungsstrategie wurden die Beitrittshürden so hoch wie nie zuvor gesetzt.[29] Um den Bewerberländern bei der Umsetzung des Europarechts zu helfen, hat die EU mit ihnen eine Beitrittspartnerschaft gebildet. Die Beitrittspartnerschaften stützen sich inhaltlich auf detaillierte Umsetzungsprogramme der MOEL (sog. NPAA – National Programme for the Adoption of the Acquis),[30] die im partnerschaftlichen Einvernehmen mit den Einheiten der Kommission ausgearbeitet wurden. So haben die Beitrittskandidaten, gestützt auf die Vorgaben in den Beitrittspartnerschaften, das gesamte Acquis Communautaire im innerstaatlichen Recht in vollem Unfang umzusetzen. Auf diesem Wege wurden aufgrund der genau definierten Ziele und Prioritäten in kurzfristigen und mittelfristigen Zeitabschnitten Bereiche festgestellt, in denen weitere Fortschritte vor dem Beitritt notwendig waren.[31] In den Beitrittspartnerschaften hat die EU Programme aufgelegt, die die Beitrittsländer bei der Beseitigung spezifischer Probleme unterstützen sollten und die somit den Rahmen für die von der EU verlangten Reformen und Anpassungen bildeten:[32]

- PHARE: Aufbau von Institutionen zur Erfüllung des Acquis
- ISPA: Verbesserung von Umwelt und Transportinfrastruktur (ähnlich dem Kohäsionsfond)
- SAPARD: Entwicklung von Landwirtschaft und ländlichem Raum
- IFI (International Financial Institutions): Kofinanzierung zu internationalen Finanzhilfen

Diese Heranführungshilfe der EU war unerlässlich, um die im nächsten Abschnitt beschriebenen EU-Rechtvorschriften teilweise durchsetzen zu können.

2.2.2. Der Acquis Communautaire

Mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge 1957 wurden mit den ökonomischen Zielen, der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Marktes auf der Grundlage von „vier Freiheiten“ – freiem Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr – und den politischen Zielen, der Schaffung eines institutionellen Regelwerkes, die Anfänge für den heute bestehenden Acquis Communautaire gelegt.

In keinem Gesetzestext ist eine verbindliche Definition des Begriffes Acquis Communautaire[33] gegeben. Auch wenn der Begriff des Beitrittsacquis nicht zwingend in allen vorherigen und zukünftigen Erweiterungsrunden übereinstimmen muss, so ergibt sich eine Vielfalt von Möglichkeiten, ihn zu definieren und zu deuten. Begrifflich lässt sich der gemeinschaftliche Besitzstand nicht verbindlich recht eingrenzen, d.h. er steht für die Gesamtheit des in der Union geltenden Gemeinschaftsrechtes und der wirtschaftlichen und politischen Zielsetzungen. Über die Jahre haben sich Umfang und Inhalt wie auch Gewicht des Acquis Communautaire geändert. Er hat an Bedeutung zugenommen und ist mit den Kompetenzen und Aufgaben der heutigen Union gewachsen.

Dieser gemeinschaftliche Besitzstand zieht sich durch alle Beitrittsrunden und zählt zu den wichtigsten Punkten eines Beitritts, deshalb soll er Gegenstand der nächsten Abschnitte sein.

Er wird vor allem bei Verhandlungen über den Beitritt neuer Staaten zur EU als Inbegriff dessen benutzt, was die Beitrittskandidaten als rechtliche und politische Verpflichtungen dabei übernehmen müssen.

Der Acquis ist rechtlich nicht verankert. Eine rechtliche Unverbindlichkeit besteht solange, bis sich ein beitretender Staat noch nicht in einem völkerrechtlichen Abkommen rechtlich zur Übernahme des Acquis Communautaire verpflichtet hat. Die Existenz und die Handlungsfähigkeit der EU basiert auf den Gesetzen und Richtlinien, die seit ihrer Gründung in Kraft getreten sind. Das aus ca. 90.000 Seiten bestehende Regelwerk bildet eben den „gemeinsamen Besitzstand“, den „Acquis Communautaire“ der Europäischen Union.[34] Dieses sich ständig erweiternde Regelwerk enthält zusammengefasst die folgenden Regelungen:[35]

1. Inhalt, Prinzipien und politische Ziele der Grundlagen-Verträge der EU[36] (Primärrecht).
2. Die von den EU-Organen auf Basis der Verträge erlassenen Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen (Sekundärrecht).
3. Die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs.
4.. Die angenommenen Erklärungen und Entschließungen innerhalb des EU-Rahmens.
5. Die Rechtsakte der GASP und der Zusammenarbeit im Bereich der Justiz und des Inneren.
6. Die internationalen Abkommen der EU und die Abkommen, welche die Mitgliedstaaten untereinander in Bereichen unter die Kompetenz der EU schließen.

Alle in dem 31 Kapitel umfassenden Besitzstand verabschiedeten Verträge sowie die darauf basierenden Verordnungen und Richtlinien müssen vor einem Beitritt assimiliert und mit dem Beitritt umgesetzt werden.[37]

Tabelle 1: Die 31 Kapitel des Acquis Communautaire

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Europäische Kommission, 2003, S.27

In der praktischen Umsetzung der „Angleichung der Rechtsvorschriften“[38] gilt die Maxime: Mehr Harmonisierung bedeutet mehr Kompetenz auf Unionsebene, um die harmonisierten Regeln umzusetzen.[39] Das Verlangen der Umsetzung des gesamten EU-Besitzstandes durch die EU-Beitrittsländer ist vor dem Hintergrund der Funktionalität des europäischen Gemeinschaftsrechts im Verhältnis zu dem Recht der Mitgliedstaaten zu sehen. Denn im Kollisionsfalle gebührt dem Gemeinschaftsrecht der Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten.[40]

Zu Beginn der Beitrittsverhandlungen steht das so genannte „Screening“, in dem der Acquis Communautaire und das Rechtssystem des Bewerberlandes systematisch untersucht werden, um den Stand der Rechtsangleichung in den einzelnen Bereichen darzustellen.[41] In der Folge beginnen die eigentlichen Verhandlungen, in denen die einzelnen Kapitel des Acquis separat auf Beschluss des Rates geöffnet und durchgearbeitet werden.[42] Je nach Dichte und Transparenz des Acquis Communautaire erfordert dies einfache (z.B. Bildung, Tourismus) oder langwierige (Binnenmarkt, Gemeinsame Agrarpolitik, Innen- und Justizpolitik) Verhandlungen.[43] Der Fortschritt der Verhandlungen hängt wesentlich von dem Fortschritt der Beitrittskandidaten in der Umsetzung des EU-Rechts ab und kann je nach Vorbereitungsstand zwischen Ländern variieren. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen in allen Kapiteln werden diese endgültig geschlossen[44], und alle ausgehandelten Sonderregelungen fließen in den Beitrittsvertrag ein.

3. Kritische Analyse der Übernahme des Acquis durch Bulgarien

Mit dem Zugang der bislang ärmsten neuen Mitglieder[45] hat die EU besondere Begleitmaßnahmen und Schutzmechanismen installiert[46], um verbleibende Defizite bei der Anwendung des Acquis überwachen und im Bedarfsfall Maßnahmen zum Schutz der EU ergreifen zu können.[47]

Bulgarien musste bis zum Beitritt sehr hohe Hürden überwinden, auch wenn die EU Hilfestellungen gewährte.

Eine kritische Analyse der Übernahme des institutionellen Regelwerkes der EU durch Bulgarien lässt sich nur schwer auf einigen Seiten beschreiben. Und dennoch soll versucht werden, die an Bulgarien gestellten Herausforderungen für den EU-Beitritt aufzuzeigen. Der EU-Beitritt bringt Bulgarien neue Herausforderungen: politische durch zahlreiche Reformen und ungelöste Probleme mit verbrecherischen Strukturen und wirtschaftliche als Teil des EU-Binnenmarktes.

In politischer Hinsicht werden durch jede weitere Erweiterung der EU die Grundlagen für eine anhaltende Friedenssicherung geschaffen, welche zu einer Verbesserung der äußeren und inneren Sicherheit Bulgariens beitragen würden. Die Kriminalität und das organisierte Verbrechen könnten in einem vereinten Europa viel effizienter als bisher bekämpft werden.

Allerdings scheinen die wirtschaftlichen Vorteile die von der EU auferlegten Auflagen und Lasten zu überwiegen.

Die Analyse geht auf folgende Problembereiche ein:

- Prüfung der politischen und wirtschaftlichen Lage Bulgariens unter Zugrundelegung der Kopenhagener Kriterien und Beurteilung der Beitrittsfähigkeit Bulgariens zur Annahme und Umsetzung des Acquis in allen Tätigkeitsbereichen der Union
- Hinweise auf mögliche Chancen oder Risiken durch die Übernahme des Acquis für Bulgarien

3.1. Der Stand der Beitrittsfähigkeit Bulgariens

Die größte Herausforderung sei die der wirtschaftlichen und institutionellen Strukturreife Bulgariens. Zur Strukturreife eines Landes, gemessen an den Kopenhagener Kriterien, gehört neben der entsprechenden Anpassung der nationalen Rechtsprechung auch die Fähigkeit, diese effektiv umzusetzen, wobei besonderes Gewicht auf die zur Rezeption des Europarechts erforderliche Leistungsfähigkeit von Justiz und Verwaltung und die Durchführung von zügigen Wirtschaftsreformen gelegt wird.[48] Im Rahmen von regelmäßigen Fortschrittsberichten (sog. Monitoring) werden dann die Fortschritte Bulgariens bei der Übernahme und Umsetzung des Acquis überprüft. „These reports have moved from being assessments of the state of the transition process and the general compliance with the Copenhagen criteria to assessments of detailed compliance based on the negotiating chapters”.[49]

Für Bulgarien wird in der folgenden Tabelle der Stand der Beitrittsfähigkeit mit den Ergebnissen aus den letzten Berichten der Kommission zur Umsetzung der Kopenhagener Kriterien gezeigt:

Tabelle 2: Stand der Beitrittsfähigkeit in Bezug auf die Kopenhagener Kriterien

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Europäische Kommission, Eurostat, EBRD in: Credit Suisse Economic Research, 2006

Nach dem Modell von Kaufmann (2005) wird die institutionelle Qualität in den EU-Mitgliedstaaten als Maßstab unterstellt, um institutionelle Defizite in Bulgarien aufzuzeigen. Drei Dimensionen der institutionellen Qualität werden anhand von „World Bank Governance Indicators“ (WBGI) analysiert.[50] Die Indikatoren variieren auf der Skala von -2,5 bis +2,5, wobei höhere Werte bessere Ergebnisse bei der institutionellen Qualität abliefern.

Legislative Institutions

- Voice and accountability
- Political stability and absence of violence

Administrative Institutions

- Government effectiveness
- Regulatory quality

Judicative Institutions

- Rule of Law
- Control of corruption

„The Monitoring of the EU according to the Copenhagen criteria looks at institutions, which also figure prominently in the WBGI: human rights, participation, rule of law, effectiveness of government, and control of corruption.”[51]

Beitrittskandidaten, genauso wie andere Schwellenländer, werden direkt von der institutionellen Entwicklung profitieren.[52] Empirische Studien zeigen, dass Institutionen eine wichtige erklärende Variable für Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind.[53] Einige Autoren unterstellen sogar, dass große langfristige Differenzen im Einkommensniveau nur auf institutionelle Schwächen zurückzuführen sind.[54]

Die nachfolgende Abbildung zeigt den positiven Zusammenhang zwischen institutioneller und wirtschaftlicher Entwicklung. Daraus wird ersichtlich, dass die institutionelle Entwicklung in Bulgarien und Rumänien, die zur NMS-Central-Gruppe gehören, noch einiges von den Standards der EU-15 entfernt ist.

Abbildung 1: Overall Institutional Development in Groups of European Countries, 2004

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenQuelle: Kaufmann, 2005, World Bank Institute

Bei den legislativen Institutionen von Bulgarien, Rumänien und Kroatien ist aus der Abbildung 2 ersichtlich, dass sie viel besser als in der Türkei und Ukraine funktionieren; sie sind allerdings ziemlich entfernt von denen der EU-15.

Abbildung 2: Legislative Institutions in Non-EU Europe, 2004

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Quelle: Kaufmann, 2005, World Bank Institute

Ein anderes Bild zeigt sich bei dem Indikator der administrativen Institutionen:

Abbildung 3: Administrative Institutions in Non-EU Europe, 2004

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenQuelle: Kaufmann, 2005, World Bank Institute

Man kann auf der Basis des Vergleichs mit den anderen Ländergruppen davon ausgehen, dass die Entwicklung der administrativen Institutionen in Bulgarien hinter der Entwicklung der legislativen zurückbleibt.

Schließlich werden die judikativen Institutionen in Bulgarien relativ schlechter als die anderen institutionellen Indikatoren eingestuft.

[...]


[1] Vgl. Erdödy, 2003, S. 7.

[2] Vgl. Martens, 2000, in: Kukharchuk, 2005, S. 6.

[3] Vgl. Ellison, 2006, S. 154.

[4] EU-15 sind alle Staaten, die vor dem 1. Mai 2004 Mitglieder der EU waren.

[5] Vgl. Delhey, 2001, in: Ruge, 2002, S. 36. Laut Delhey bedeuten „Catching Up“-Prozesse Entwicklungen, die der Verbesserung von Lebensqualität dienen. Er zeigt dabei, auf welche Weise und mit Hilfe welcher Politiken die EU die verschiedenen Bereiche von Lebensqualität in den Kandidatenländern beeinflusst.

[6] MOEL steht im Folgenden für die zehn Mittel- und Osteuropäischen Länder Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Ungarn und Zypern, die am 1. Mai 2004 beigetreten sind und für Bulgarien und Rumänien, die am 1. Januar 2007 beigetreten sind.

[7] Vgl. Rodrik, 2004, S 1ff., in: Kukharchuk, 2005, S. 3.

[8] Vgl. Roland, Verdier, 2003, in: Kukharchuk, 2005, S. 3.

[9] Im Folgenden werden auswärtige Institutionen „externe Institutionen“ genannt.

[10] The Council for Mutual Economic Assistance. Dazu gehören alle MOEL, ausgenommen Slowenien, die Mitglieder dieses Blocks waren.

[11] Vgl. Brezis, Verdier, 2003, in: Kukharchuk, 2005, S. 4.

[12] Die Bedeutung institutioneller Anker wurde erwähnt in: International Monetary Fund, World Economic Outlook: Growth and Institutions, Washington DC: IMF, Apr.2003.

[13] Vgl. Berkowitz, Pistor, Richard, 2003, in: Kukharchuk, 2005, S. 4.

[14] Vgl. Babetskaia-Kukharchuk, 2005, S. 4.

[15] Das Europa-Abkommen mit Bulgarien wurde im März 1993 unterzeichnet und ist im Februar 1995 in Kraft getreten. (vgl. ABl. EG 1994 Nr. L 358, . EG-Bulgarien, S. 1ff.). Die Herausforderungen für Bulgarien, die daraus folgen, sind: Aufbau einer stabilen und wettbewerbsfähigen Marktwirtschaft, Stabilisierung der demokratischen Institutionen und Harmonisierung der bulgarischen Gesetzgebung mit den Errungenschaften der Gemeinschaft.

[16] Vgl. Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Kopenhagen, 1993, S. 10.

[17] Vgl. Mayhew, 2000, S. 6.

[18] Vgl. Brasche, 2003, S. 181.

[19] Vgl. Europäischer Rat, 1993, S. 13.

[20] Vgl. Bulletin der Europäischen Kommission, Agenda 2000, S. 51.

[21] Vgl. Nettesheim, 2003, S. 38.

[22] Vgl. Šarĉević, 2002, S. 473.

[23] Bulgaria and Romania can join EU not earlier than in 2007. Despite that macroeconomic situation is more stable and reform process is more advanced in Bulgaria, than in Romania, Bulgaria could not join EU in May 2004. Bulgaria is not much “worse” than new EU members. It seems that EU do not wish to leave Romania alone and separate these two countries into two groups.

[24] European Bank for Reconstruction and Development, Transition Report 2003.

[25] Vgl. Europäische Kommission, 2003, S. 37.

[26] Vgl. Mayhew, 2000, S 7.

[27] Mit Zypern, Estland, Polen, der Tschechischen Republik sowie Ungarn und Slowenien.

[28] Mit Malta, Lettland, Litauen, Slowakei, Rumänien und Bulgarien.

[29] Vgl. Pelkmans, 2001, S. 384.

[30] Die nationalen Programme selbst gliedern sich weiter in: 1) Nationales Operationelles Programm (National Programme fort he Adoption of the Acquis); 2) Sektorielles Operationelles Programm (Joint Assessment of Economic Policy Priorities); Strategiedokumente (z.B. Pact Against Organised Crime, The internal Market Road Maps).

[31] Vgl. Evtimov, 2004, S. 32.

[32] Vgl. Däuderstadt, 2000, S.192; Däuderstadt, 2004, S.22.

[33] Aus dem Französischen heißt es wörtlich „gemeinschaftlich Erreichtes“.

[34] Vgl. Gildeggen, 2000, S. 3ff.

[35] Was ist der “acquis communautaire”?, online verfügbar: http://www.europa-digital.de/text/aktuell/fdw/acquis.shtml, Abruf am 14.01.2008.

[36] Einschließlich derer der Verträge von Maastricht, Amsterdam und Nizza.

[37] Vgl. Brasche, 2003, S. 159.

[38] Der zentralistische Hintergrund des Harmonisierungsprinzips findet seinen Ausdruck in Art.95 EGV, der durch Art.18 der EEA vom 17. und 28.2.1986 unter der Überschrift „Angleichung der Rechtsvorschriften“ eingefügt wurde, um das Verfahren der gemeinschaftlichen Rechtsangleichung zu beschleunigen, flexibler zu gestalten und so das in Art. 14 EGV enthaltene Ziel der Verwirklichung des gemeinschaftlichen Binnenmarktes zu erreichen. Der interessierte Leser findet z.B. in Streit (1995, S. 15) und Streit, Mussler (1995, S. 80) mehr zu diesem Thema.

[39] Vgl. Hafner, 1998, S. 90, Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 1995, S. 19.

[40] Vgl. Donges ua, 1992, S. 32.

[41] Vgl. Europäische Kommission, 2003, S. 27 ff.

[42] Bis Ende 2002 hat Bulgarien alle 30 Kapitel (ohne Kapitel „Sonstiges“) zur Verhandlung eröffnet und 23 davon provisorisch abgeschlossen.

[43] Vgl. Lippert, 2000, S. 151.

[44] Im Juni 2004 wurde der gesamte Verhandlungsprozess in Bulgarien abgeschlossen.

[45] Pro-Kopf-BIP liegt in Rumänien bei 38% und in Bulgarien nur bei 35% des Durchschnitts der EU-27. Das durchschnittliche Pro-Kopf-BIP der EU sank mit dem Beitritt dieser beiden Länder um über 4%. (vgl. Europäische Kommission, 2007, S. 3).

[46] Standardschutzmaßnahmen betreffen die Wirtschaft sowie das Funktionieren des Binnenmarkts und den Bereich Justiz und Inneres gemäß Artikel 36 bis 38 des Beitrittsvertrags( vgl. ABl., L 157, Brüssel, 21.06.2005.

[47] Europäische Kommission, Begleitmaßnahmen für den Beitritt Bulgarien und Rumäniens, MEMO/06/347, 26.09.2006.

[48] Vgl. Evtimov, 2004, S. 50.

[49] Vgl. Mayhew, 2000, S. 10.

[50] Vgl. Kaufmann, 2005, in: Hammermann, Schweickert, 2005, S. 5.

[51] Vgl. Hammermann, Schweickert, 2005, S.6.

[52] Schweickert, Thiele, 2004, in: . Hammermann, Schweickert, 2005, S. 3.

[53] Vgl. Edison, 2003, Hammermann, Schweickert, 2005,

[54] Vgl. Easterly, Levine, 2002, in: Hammermann, Schweickert, 2005.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836620604
Dateigröße
558 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen – Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
2,0
Schlagworte
bulgarien regelwerk acquis communautaire europarecht
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Titel: Kritische Analyse der Übernahme des institutionellen Regelwerks der EU (Acquis Communautaire) durch Bulgarien
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