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Der Schutz geistigen Eigentums bei digitalen Innovationen

©2005 Diplomarbeit 52 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Diskussionen über die Vorteile und Nachteile vom Schutz geistigen Eigentums reichen viele Jahre zurück. Die konventionelle Sicht geht davon aus, dass durch die alleinigen Verwertungsrechte eines innovativen Produktes Anreize geschaffen werden, neue innovative Produkte zu schaffen, und somit der Wohlstand einer Gesellschaft gefördert wird. Die dadurch entstehende Beschränkung des Wettbewerbs gilt als „notwendiges Übel“ eines langfristigen Expansionsprozesses. So können diese Schutzmaßnahmen auf der einen Seite Anreize und Erleichterungen schaffen, um neue Märkte zu erschließen, aber auch neue Innovationen hemmen und durch eine befristete Monopolstellung Ineffizienzen hervorrufen. Im Besonderen gilt dies für Märkte, in denen sehr schnell neue Innovationen auf vorherigen Innovationen aufbauen wie z.B. in der Softwareindustrie. Die zunehmende Nutzung des Internets hat den Schutz geistigen Eigentums vor neue Herausforderungen gestellt. Denn digitalisierte Produkte wie Bücher, Software oder Musik, die im Internet publiziert werden, können ohne Qualitätsverlust kopiert werden. Da das Kopieren häufig anonym und mit geringem Kostenaufwand möglich ist, haben Urheber, und im Besonderen die Verwertungsindustrie, Druck auf den Gesetzgeber ausgeübt, die Gesetzte den sich ändernden Umständen anzupassen. So werden zunehmend Aufwendungen betrieben, bestehende Produkte technisch und gesetzlich vor Wettbewerbern zu schützen, anstatt diese Anstrengungen in die Weiterentwicklung zu investieren. Dies wird in der Ökonomie als „rent-seeking1“ bezeichnet. Gegenwärtig mehren sich die kritischen Stimmen, die den Trend zum stärkeren2 Schutz geistigen Eigentums für ökonomisch schädlich halten. Gerade ein hoch interaktives und dynamisches Umfeld wie das Internet zeigt Charakteristika, dass der Schutz geistigen Eigentums dem eigentlichen Ziel - Förderung der Innovationskraft einer Volkswirtschaft - entgegenwirkt und die Gefahr von Fehlanreizen verstärkt. Dies zeigt sich nicht nur in den durch die befristeten Monopole entstehenden Wohlfahrtsverlusten, sondern auch in verschiedenen Blockadestrategien vieler Rechteinhaber. Ziel dieser Arbeit ist es, zu analysieren, ob nicht auch ohne staatliche Intervention alleine der Vorsprung, den der erste Benutzer einer Innovation besitzt, genügt, private und unternehmerische Investitionen in Forschung und Entwicklung bzw. in Kreativität zu belohnen und dadurch langfristig höherer Wohlstand einer Gesellschaft […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Guy Knipping
Der Schutz geistigen Eigentums bei digitalen Innovationen
ISBN: 978-3-8366-2311-7
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009
Zugl. Universität zu Köln, Köln, Deutschland, Diplomarbeit, 2005
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2009

I
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der Abbildungen ...II
Verzeichnis der Abkürzungen...II
1
Problemstellung ...1
2
Darlegung des Begriffs vom rechtlichen Schutz geistigen Eigentums bei statischer
Betrachtung einer isolierten Innovation...2
2.1
Die Legitimation für den Schutz geistigen Eigentums ...3
2.2
Die sozialen Kosten ...10
3
Der dynamische Marktmechanismus bei digitalen Innovationen ohne Schutz
geistigen Eigentums ...13
3.1
Die Vergütung des Innovators...15
3.2
Die Verwertungsstrategie der Unternehmen...21
4
Komplementäre und sequentielle Innovationen ...26
4.1
Der Schutz geistigen Eigentums in einem interaktiven und dynamischen Umfeld...30
4.2
Die Effizienz von Märkten ohne Schutz geistigen Eigentums ...34
5
Fazit...38
Literaturverzeichnis ...41
Appendix...47

II
Verzeichnis der Abbildungen
Abbildung 1: Wohlfahrtsverlust durch Monopolbildung des Rechteinhabers ... 11
Abbildung 2: Preis pro Periode inklusive indirekter Aneignung ... 19
Abbildung 3: Auszahlungsmatrix des Gefangenendilemmas ... 23
Abbildung 4: Komplementäre und sequentielle Innovationen ... 28
Abbildung 5: Vergleich der Lizenzarten ... 32
Verzeichnis der Abkürzungen
CD
Compact
Disc
CTEA
Copyright Term Extension Act
F&E
Forschung und Entwicklung
MP3
Moving Pictures Experts Group ­ Audio Layer 3
TRIPS
Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights bzw.
Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen
Eigentums
WTO
World Trade Organization

1
1
Problemstellung
Die Diskussionen über die Vorteile und Nachteile vom Schutz geistigen Eigentums reichen
viele Jahre zurück (vgl. Machlup & Penrose 1950, vgl. Arrow 1962). Die konventionelle
Sicht geht davon aus, dass durch die alleinigen Verwertungsrechte eines innovativen
Produktes Anreize geschaffen werden, neue innovative Produkte zu schaffen, und somit der
Wohlstand einer Gesellschaft gefördert wird. Die dadurch entstehende Beschränkung des
Wettbewerbs gilt als ,,notwendiges Übel" eines langfristigen Expansionsprozesses (vgl.
Schumpeter 1946, S. 146). So können diese Schutzmaßnahmen auf der einen Seite Anreize
und Erleichterungen schaffen, um neue Märkte zu erschließen (vgl. Arora, et al. 2001, S.
115-125), aber auch neue Innovationen hemmen und durch eine befristete Monopolstellung
Ineffizienzen hervorrufen (vgl. Mazzoleni & Nelson 1998, vgl. Boldrin & Levine 2002a).
Im Besonderen gilt dies für Märkte, in denen sehr schnell neue Innovationen auf vorherigen
Innovationen aufbauen wie z.B. in der Softwareindustrie (vgl. Bessen & Masskin 2000).
Die zunehmende Nutzung des Internets hat den Schutz geistigen Eigentums vor neue
Herausforderungen gestellt. Denn digitalisierte Produkte wie Bücher, Software oder Musik,
die im Internet publiziert werden, können ohne Qualitätsverlust kopiert werden. Da das
Kopieren häufig anonym und mit geringem Kostenaufwand möglich ist, haben Urheber,
und im Besonderen die Verwertungsindustrie, Druck auf den Gesetzgeber ausgeübt, die
Gesetzte den sich ändernden Umständen anzupassen. So werden zunehmend
Aufwendungen betrieben, bestehende Produkte technisch und gesetzlich vor
Wettbewerbern zu schützen, anstatt diese Anstrengungen in die Weiterentwicklung zu
investieren. Dies wird in der Ökonomie als ,,rent-seeking
1
" bezeichnet (vgl. Boldrin &
Levine 2004a).
Gegenwärtig mehren sich die kritischen Stimmen, die den Trend zum stärkeren
2
Schutz
geistigen Eigentums für ökonomisch schädlich halten. Gerade ein hoch interaktives und
dynamisches Umfeld wie das Internet zeigt Charakteristika, dass der Schutz geistigen
Eigentums dem eigentlichen Ziel ­ Förderung der Innovationskraft einer Volkswirtschaft ­
entgegenwirkt und die Gefahr von Fehlanreizen verstärkt. Dies zeigt sich nicht nur in den
1
Der Begriff rent-seeking wurde unter anderem von Gordon Tullock geprägt. Danach werden Ressourcen
investiert um z.B. mittels Gesetzen Eigeninteressen durch zu setzten, die eine höhere Honorierung der
eigenen Leistung erwarten lassen als es im freien Wettbewerb der Fall währe (Tullock 1998).
2
Die Stärke des Schutzes geistigen Eigentums wird durch drei Dimensionen determiniert: (1) Die
Schutzhöhe, (2) Die Schutzweite und (3) Die Schutzdauer (Varian, 2004, S. 5-9).

2
durch die befristeten Monopole entstehenden Wohlfahrtsverlusten, sondern auch in
verschiedenen Blockadestrategien vieler Rechteinhaber.
Ziel dieser Arbeit ist es, zu analysieren, ob nicht auch ohne staatliche Intervention alleine
der Vorsprung, den der erste Benutzer einer Innovation besitzt, genügt, private und
unternehmerische Investitionen in Forschung und Entwicklung bzw. in Kreativität zu
belohnen und dadurch langfristig höherer Wohlstand einer Gesellschaft durch mehr
Innovationen bzw. effizienterer Nutzung dieser, entstehen kann.
2
Darlegung des Begriffs vom rechtlichen Schutz geistigen Eigentums bei
statischer Betrachtung einer isolierten Innovation
Der Wettbewerb gilt unter Ökonomen als idealer Mechanismus, knappe Ressourcen zu
verteilen. Neben der Sicherstellung einer optimalen Faktorallokation eines sich
entwickelnden Angebotes gemäß der Konsumentenpräferenzen und einer primären
Einkommensverteilung nach Marktleistung, begünstigt der Wettbewerb die dynamische
Entwicklung einer Volkswirtschaft.
Aus Sicht der Unternehmen besteht in einem wettbewerblichen Umfeld stets latent die
Neigung zur Bildung von Monopolen, um Renten abschöpfen zu können. Deshalb ist der
Unternehmer stets bemüht, sich von seinen Wettbewerbern abzugrenzen, indem er
effizienter produziert, somit günstigere Preise setzen kann bzw. innovative Produkte auf
den Markt bringt, um dadurch neue Märkte zu erschließen.
So handelt es sich bei Innovationen im ökonomischen Sinne um dynamische
Anpassungsprozesse, die das bestehende Marktgleichgewicht stören, mit deren Hilfe aber
gleichzeitig Kosten gesenkt und neue Nachfrage erzeugt werden kann (vgl. Hayek 1969, S.
249). Um die Effizienz dieser dynamischen Entwicklung beurteilen zu können, gilt es
langfristige, möglicherweise sogar unendliche Handlungen am Markt zu betrachten
(Donges & Freytag 2001, S. 121-124). Dabei ist das Ergebnis des Prozesses unklar.
Bekannt ist lediglich, wie der grundsätzliche Rahmen für diese Form des Wirtschaftens
aussehen muss, damit überhaupt dynamische Anpassungsprozesse vorgenommen werden.
So sind zum einen Renten und Zeit zur Anpassung erforderlich, um Pioniergewinne zu
sichern, so dass innovativ und kreativ gehandelt wird. Zum anderen müssen sich
Präferenzen und Ressourcenausstattungen ändern, um Anpassungsflexibilität zu fördern.

3
Dabei darf der funktionsfähige Wettbewerb als Rahmen für die Tauschhandlungen am
Markt nicht beeinträchtigt werden.
Um Pioniergewinne zu sichern, gibt es viele unterschiedliche Möglichkeiten. Zum einen
sind es die staatlichen Mittel, wie der rechtliche Schutz geistigen Eigentums,
Forschungspreise, Forschungswettbewerbe oder staatliche Beihilfen (vgl. Maurer &
Scotchmer, 2004). Zum anderen sind es private Mechanismen wie Geheimhaltung,
komplementäre Vermarktung oder Produktionsfähigkeiten (vgl. Cohen et al., 2000). Es
kann allerdings nicht eindeutig bestimmt werden, welche Schutzmöglichkeit gegenüber
einer anderen dominierend ist. Vielmehr hängt die Effizienz einer Schutzmöglichkeit von
dem Umfeld und den Eigenschaften der Innovation ab. In dieser Arbeit geht es jedoch
ausschließlich um die Betrachtung des rechtlichen Schutzes geistigen Eigentums
3
als ein
durch den Staat für begrenzte Zeit gewährtes exklusives Verwertungsrecht. Dieser Schutz
gilt als notwendiges Instrument, um risikoreiche Investitionen in Forschung & Entwicklung
(F&E) zu belohnen und um die Refinanzierung der Investitionen sicher zu stellen.
2.1 Die Legitimation für den Schutz geistigen Eigentums
Es war ein langer Weg bis der Schutz geistigen Eigentums als Anreizmechanismus für
zukünftige Innovationen angesehen wurde. Im 15. Jahrhundert diente der Schutz geistigen
Eigentums weder der Belohnung von Erfindern noch der Förderung des Fortschritts im
Allgemeinen, sondern lediglich dazu, Günstlingen des Hofes oder Geldgebern der
königlichen Kassen, gewinnträchtige Monopolrechte zu gewähren (vgl. Machlup 1958). In
England wurde durch das Statute of Anne von 1709 erstmals dem Autor und nicht dem
Drucker das Eigentum am kreativen Werk zugesprochen (vgl. Matthews 1890, S. 591-592),
womit der Buchhandel politisch kontrolliert und illegale Kopien bekämpft werden sollten.
3
Der Schutz geistigen Eigentums bezieht sich auf die durch den Staat gewährten Exklusivrechte auf
Immaterialgüter und vereinigt unter sich Rechte wie das Urheberrecht, Patente, Marken, Design und
Geschäftsgeheimnisse. Durch dieses Instrument gewährt der Gesetzgeber dem Erfinder, bzw. dem Urheber,
für eine begrenzte Zeit, die exklusiven Verwertungsrechte seiner Erfindung bzw. seiner persönlichen
geistigen Schöpfung, um technische Innovationen und Kreativität zu fördern.
In Deutschland sind digitale
Produkte hauptsächlich durch das Urheberrecht geschützt (§2, Absatz (1) UrhG), wobei der Schutz nicht
nur die Rechtmäßigkeit einer Kopie umfasst, sondern auch die öffentliche Wiedergabe, Verbreitung,
Übersetzung, Änderung, Aufnahme uvam - und zwar sowohl hinsichtlich des Gesamtwerkes als auch
wesentlicher Teile (§15, Absatz (1) und (2) UrhG). Der Urheberrechtsschutz entsteht automatisch, sofern
die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, und erlischt siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers.

4
Das Statute of Anne verfolgt das Interesse, den gesamtgesellschaftlichen Nutzen aus der
kreativen Arbeit zu maximieren. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts befassten sich
viele Nationalökonomen mit der wirtschaftlichen Rechtfertigung ausschließlicher Rechte.
Seit dieser Zeit haben sich die Argumente für und gegen den Schutz geistigen Eigentums
kaum geändert.
Die drei bekanntesten Grundprinzipien, auf die sich die Befürworter vom Schutz geistigen
Eigentums stützen und die heute noch in Gesetzen zu finden sind, werden unter anderem
als Naturrechtstheorie, Vertragstheorie und Anreiztheorie bezeichnet (vgl. Machlup 1958).
Die Naturrechtstheorie geht davon aus, dass der Innovator ein unbedingtes Eigentumsrecht
an seinen eigenen Ideen hat und private Eigentums- und Verfügungsrechte die Grundlage
einer funktionstüchtigen marktwirtschaftlichen Ordnung bilden. Im Allgemeinen liefern
Eigentumsrechte angemessene Anreize dafür, dass eigennützige Wirtschaftssubjekte ihre
Leistungen im Interesse aller fördern (vgl. Schumpeter 1946, S. 125). So gilt die
Aneignung von Ideen durch andere, also die Verwertung ohne Erlaubnis, als Diebstahl. Bei
digitalen Produkten haben sich im Sprachgebrauch Begriffe wie ,,Raubkopie" oder
,,Piraterie" durchsetzen können (vgl. Siebenhaar, 2005), die allerdings irreführend sind.
Denn wer sich über den Diebstahl an seiner Idee beschwert gibt etwas als entwendet an, das
er noch besitzt, und er wünscht etwas zurück, das ihm, tausendfach zurückerstattet,
durchaus nicht mehr nützt, als der einmalige bereits vorhandene Besitz (Rentzsch 1866, S.
334).
Nach Boldrin und Levine vernachlässigt die Naturrechtstheorie zwischen der abstrakten
Notation ,,Idee" und der konkreten Umsetzung dieser zu unterscheiden (vgl. Boldrin &
Levine 2004b, S. 1-4). Nach diesem Verständnis besitzt die Idee, wie ein Problem
technisch zu lösen ist, oder die Idee einer persönlichen geistigen Schöpfung keinen
ökonomischen Wert. Denn erst durch die konkrete Umsetzung, also in Verbindung mit
einem Speichermedium oder verkörpert in einem Individuum, kann eine Idee anderen
Individuen zugänglich gemacht werden, wodurch sie einen ökonomischen Wert erlangt.
Um diesen grundlegenden Gedanken zu verdeutlichen, greifen Boldrin und Levine auf ein
Beispiel zurück, das eine noch nicht erfundene Innovation beschreibt (vgl. Boldrin &
Levine 2004b, S. 1-2): Man stelle sich vor, jemand habe gerade die ,,Idee" der
Antigravitation erfunden. Diese Idee hat in diesem Moment für niemanden einen
ökonomischen Wert, außer für den Erfinder selbst. Der Erfinder alleine kann entscheiden,
ob er diese Idee nutzen möchte, um eine fliegende Untertasse zu bauen, oder ob er anderen

5
Personen die Erfindung mitteilt, die an ihr interessiert sind. Nachdem die Idee anderen
mitgeteilt wurde, führt diese als Kopie eine völlig unabhängige Existenz von der ersten Idee.
Diese Idee zu adaptieren geschieht nicht kostenlos, sondern bedarf immer eines
Ressourcenaufwandes. Somit stellt jede Kopie einen produktiven Akt dar.
Aus dieser Überlegung heraus ist vom ökonomischen Standpunkt aus gesehen eine Idee in
Verbindung mit einem Speichermedium oder verkörpert in einem Individuum genau so wie
ein Tisch oder ein Auto, ein privates Gut, dass als materielles Gut verkauft oder als
Dienstleistung angeboten werden kann. Dem wird allerdings im bestehenden Rechtssystem
keinerlei Rechnung getragen, denn der Schutz an geistigem Eigentum besteht aus zwei
Komponenten. Zum einen reguliert er das Recht am Besitz und Verkauf der Idee und zum
anderen auch das Recht, den Gebrauch dieser über den Verkauf hinaus zu kontrollieren.
Das ist anders als beim Eigentumsrecht materieller Güter. Wenn z.B. jemand ein Brot backt,
besitzt er dieses und kann sich entscheiden, ob er es essen oder verkaufen möchte. Das
Eigentumsrecht geht aber nicht so weit, dass dieser das Brot verkaufen und dem Käufer
aufzwingen kann, wie er das Brot zu essen hat.
Durch den Schutz geistigen Eigentums erwirbt der Innovator also nicht nur ein
Eigentumsrecht auf seine Innovation, sondern darüber hinaus auch noch Eigentums- und
Verfügungsrechte an den Ergebnissen produktiver Leistungen anderer. Gerade diese zweite
Komponente stört nach Boldrin und Levine den Wettbewerb und wird als ökonomisch
gefährlich angesehen.
Robert Nozick repetiert Lockes Theorie der Aneignung, wonach ein Eigentumsrecht an
einem herrenlosen Gut dadurch entsteht, dass jemand Arbeit in dieses eingehen lässt (vgl.
Nozick 1976, S. 163). Ähnliche Überlegungen werden auch beim Schutz geistigen
Eigentums zu Grunde gelegt. Allerdings versucht der Schutz geistigen Eigentums, einen
Strom schöpferischer Ideen in eine Reihe getrennter Ansprüche aufzuteilen, von denen jede
als Grundlage eines besonderen Monopols dienen soll. Erfindungen und persönliche
geistige Schöpfungen entstehen aber nicht in einer einzigen Gedankenfolge, die vielleicht
doch irgendwie in aufeinander folgende Abschnitte zerlegt werden kann. Vielmehr ist der
geistige Fortschritt in jedem Stadium mit einem ganzen Netzwerk menschlichen Wissens
verflochten und wird immer wieder durch verschiedenste Anregungen und Einflüsse
erweitert und verworfen (Polanyi, M. 1944, S. 70-71). Es mag möglich sein, den
Mitwirkenden verschieden große Verdienste zuzuschreiben, es ist im allgemeinen jedoch

6
nicht möglich, einem von ihnen den entscheidenden, in sich abgeschlossenen, geistigen
Vorgang zuzuerkennen, der in einem klar umrissenen Anspruch formuliert werden könnte.
Die Vertragstheorie unterstellt, dass zwischen dem Erfinder und der Allgemeinheit ein
Austauschvertrag abgeschlossen wird, auf Grund dessen der Erfinder seinen Besitz an
geheimem Wissen aufgibt und dafür die zeitlich befristeten alleinigen Verwertungsrechte
erhält (Machlup 1958).
Diese Argumentation unterstellt allerdings, dass das alleinige Verwertungsrecht ein
Substitut zur Geheimhaltung darstellt. Vielmehr besteht aber in der Möglichkeit des
staatlichen Schutzes eine komplementäre denn eine substitutive Möglichkeit, Innovationen
zu verwerten (vgl. Boldrin & Levine 2004b, S. 9-12). Kann eine Innovation also geheim
gehalten werden, dann wird der Innovator dies auch tun, unabhängig von der Stärke des
staatlich gewährten Schutzes. Als wohl bekanntestes Beispiel ist die Formel für Coca Cola
zu nennen, die nur zwei Personen im Unternehmen kennen. Auch Innovationen in
militärischen Bereichen werden nur selten veröffentlicht. Bei dem Betriebssystem
Windows unterliegt der Quellcode einer strengen Geheimhaltung. Das heute trotz
möglicher Schutzrechte die Geheimhaltung immer noch als effektivste
Verwertungsstrategie seitens der Unternehmen angesehen wird, bestätigen Wesley M.
Cohen et al. (vgl. Cohen et al., 2000).
Somit hat der Schutz geistigen Eigentums keinen Einfluss darauf, ob geheime Innovationen
der Öffentlichkeit preisgegeben werden oder nicht. Er dient lediglich dazu, dass die
Allgemeinheit großzügig wertvolle Monopolrechte für die Informationen vergibt, die sie
unentgeltlich erhalten könnte.
Die praktische Umsetzung, Innovationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ist beim
deutschen Patentamt (www.dpma.de) in München nur mäßig überzeugend, da die
Beschreibungen der Patente nur in Kurzform auf ein bis zwei Seiten erfolgen. So sind
triviale Innovationen leicht nachzuvollziehen. Wenn man sich allerdings beispielsweise
über die technische Umsetzung eines Magnetmotors informieren möchte, hilft die
Veröffentlichung auch einem technischen Experten nur bedingt weiter. Patentierte
Softwarelösungen für technische Probleme, so z.B. ,,Software zum Entwerfen von Notiz-
Zetteln (EP-Veröffentlichungsnummer 0902925)", werden überhaupt nicht beschrieben.
Darüber hinaus fördert der Schutz geistigen Eigentums zumindest in einer bestimmten
Phase die Geheimhaltung eher, als sie zu verringern, da Schutzrechte erst gewährt werden,
wenn die Erfindungen soweit entwickelt sind, dass sie praktisch verwertet werden können

7
(Machlup 1958). Somit fördert das System die Geheimhaltung im Entwicklungsstadium,
wogegen, wenn keine Schutzrechte gewährt würden, eine frühere Veröffentlichung der
Ideen den technischen Fortschritt auf allen Gebieten beschleunigen würde.
Die Anreiztheorie ist wohl die überzeugendste Argumentation für den Schutz geistigen
Eigentums. Diese Theorie geht davon aus, dass die Anzahl der Innovationen und/oder das
Ausmaß ihrer Verwertung unzureichend wäre, wenn die Innovatoren und Geldgeber keine
größeren Gewinne erwarten dürften, als sie sich aus der wettbewerblichen Ausnutzung
ergeben. Daraus ergibt sich der Schutz gegen Nachahmer als notwendig, denn ,,wer nicht
die Hoffnung hat zu ernten, wird sich nicht die Mühe machen zu säen" (Machlup 1958).
Ein einfaches statisches Modell von Bessen und Maskin soll dies verdeutlichen (vgl.
Bessen & Masskin 2000, S. 4-6):
Gegeben seien zwei Unternehmen, die ex ante der Innovation völlig gleiche Ausprägungen
besitzen. Jedes Unternehmen hat die Möglichkeit in Forschung und Entwicklung (F&E) zu
investieren, um dadurch eine Innovation mit dem erwarteten sozialen Nutzen
v
zu
entdecken. Die Kosten für F&E betragen jeweils
k
und die Wahrscheinlichkeit einer
erfolgreichen Innovation, wenn nur eines der beiden Unternehmen in F&E investiert,
beträgt
p
. Zur Vereinfachung wird angenommen, dass das innovative Unternehmen bei
Verwertung der Innovation den gesamten sozialen Nutzen verwerten kann, wenn die
Innovation nicht von einem andern Unternehmen kopiert wird. Ist die Innovation nicht
durch den Schutz geistigen Eigentums vor Nachahmern geschützt, kann ein anderes
Unternehmen, ohne in F&E zu investieren, eine Imitation entwickeln. Dann kann das
innovative Unternehmen nur noch einen Bruchteil
2
1
s
mit
s
von dem sozialen Nutzen
v
verwerten. Zusätzlich wird angenommen, dass das imitierende Unternehmen keine Kosten
4
hat und in der Lage ist, den gleichen Anteil vom sozialen Nutzen wie das innovative
Unternehmen zu verwerten. Wenn sich ein Unternehmen dazu entschließt, in F&E zu
investieren, muss der daraus resultierende erwartete Nutzen positiv sein:
0
p v k
- >
(1)
Erwartet das innovative Unternehmen allerdings, imitiert zu werden, beträgt der erwartete
Nettonutzen lediglich
s p v k
-
. Und auch wenn der monopolistische Anbieter positive
Erträge erwartet, also die Gleichung (1) gilt, kann es sein, dass sich die Investition in F&E
nicht mehr lohnt, wenn es keine alleinigen Verwertungsrechte gibt, also gilt:
4
Es werden ausschließlich Entwicklungskosten betrachtet, keine Herstellungskosten.

8
0
s p v k
- <
(2)
In diesem Fall findet keine Investition in F&E statt. In dieser Logik liegt die Legitimation
vom Schutz geistigen Eigentums begründet. Dieses Modell zeigt, dass je stärker der Schutz
geistigen Eigentums, bzw. je geringer die Imitationen, desto stärker der Anreiz in F&E zu
investieren.
Verstärkt wird diese Logik bei der Betrachtung digitaler Güter. Ist z.B. ein Musikalbum
verkauft worden, kann der Käufer dieses ohne größeren Aufwand im Internet der
Öffentlichkeit zugänglich machen. Dann ist jedes Individuum, das einen positiven Nutzen
aus dem Konsum dieses Albums erzielt, in der Lage, mit nur geringem Kostenaufwand eine
persönliche Kopie anzufertigen. Dadurch wird jeder Konsument quasi zu einem
konkurrierenden Unternehmen, das mit nur geringem Kostenaufwand das digitale Gut
vervielfältigen kann. Dadurch steht der Künstler mit einer unendlich großen Anzahl von
Unternehmen im Wettbewerb, was zur Folge hat, dass das Produkt nicht mehr zu einem
Preis größer als die Marginalkosten angeboten werden kann. Jeder Anbieter kann dann nur
noch einen sehr kleinen Bruchteil
(
)
0
s
mit
s
von dem sozialen Nutzen
v
verwerten und
der Anreiz, ein Album zu produzieren, ist immer negativ:
0
0
p v k
- <
(3)
Dieses Modell ist allerdings stark limitiert, denn es werden nur zwei Situationen betrachtet.
Eine Situation ex ante der Innovation und eine Situation ex post der Innovation. Auf Grund
dessen wurde eine unendlich schnelle Preisanpassung und kostenlose Adaption von
Innovationen angenommen, wie sie in der Wirklichkeit niemals vorkommt. Deshalb kann
nicht davon ausgegangen werden, dass ein Innovator nach dem Verkauf der ersten Kopie
direkt mit einer Vielzahl von Wettbewerbern konkurrieren wird und der Wettbewerb keine
Möglichkeiten lässt, Erträge zu erwirtschaften. Vielmehr besitzt der Innovator einen
zeitlichen Vorteil, da er der erste ist, der seine Innovation vermarkten kann.
Ein Beispiel für einen Markt ohne Schutz geistigen Eigentums, in dem der Wettbewerb zu
effizienten Resultaten führt, ist der Finanzmarkt (vgl. Boldrin & Levine 2004c, S. 16-17).
Immer schneller werden Finanzinnovationen kreiert, zugelassen und kopiert (Weber 2004),
obwohl bzw. gerade weil es keinen Schutz geistigen Eigentums auf mathematische Formeln
gibt. Hier werden Innovationen fast zeitgleich mit ihrer Veröffentlichung imitiert. Trotz
dessen zeigt die Vergangenheit, dass der Innovator einen Großteil des Marktanteils an
seiner Innovation behält und dies sogar auf lange Sicht.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783836623117
DOI
10.3239/9783836623117
Dateigröße
577 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität zu Köln – Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2008 (Dezember)
Note
3,0
Schlagworte
intellectual property monopoly eigentum boldrin levine bessen masskin
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Titel: Der Schutz geistigen Eigentums bei digitalen Innovationen
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