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'Pleitegeier über der Hauptstadt': Eine Fallstudie zur Rolle der Medien bei der Aufdeckung des Skandals um die Berliner Bankgesellschaft

Ein Beitrag zur Theorie der Skandalisierung

©2008 Bachelorarbeit 154 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Bachelorthesis ist die Darstellung und Bewertung der Rolle der Medien bei der Aufdeckung von Skandalen. Anhand des Fallbeispiels der Berliner Bankgesellschaftsaffäre wird der Verlauf einer Skandalisierung chronologisch aufbereitet und analysiert. In diesem Rahmen werden verschiedene Phasen der Berichterstattung untersucht. Interviews mit Journalisten, die maßgeblich an der Aufdeckung des Skandals beteiligt waren, geben zusätzlich Aufschluss über die in dieser Arbeit dargestellten medialen Abläufe. Daneben wird die Aufarbeitung des Skandals skizziert. Besonderes Augenmerk gilt hierbei dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der zur Aufklärung der Bankenaffäre eingesetzt wurde. Nach der Analyse der Berichterstattung über den Bankenskandal und der Auswertung der Interviews wurde deutlich, dass sich Skandale innerhalb der Massenmedien zu einer gefährlichen Waffe politischer Einflussnahme entwickelt haben. Die Medien schaffen durch die gezielte Skandalisierung bestimmter Themen ein öffentliches Meinungsbild und kreieren zudem ein aktualisiertes soziales Selbstverständnis. Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
Abstract2
Inhaltsverzeichnis3
Abbildungsverzeichnis6
Tabellenverzeichnis7
Abkürzungsverzeichnis8
Kap. 1 Einleitung9
1.1.Fragestellungen.10
1.2.Ziel der Arbeit und methodisches Vorgehen11
1.3.Aufbau und Struktur der Arbeit11
Kap. 2 Eine Einführung in die Mechanismen des Medienskandals14
2.1.Der Ursprung des Skandalbegriffs14
2.1.2.Die Definition des Skandalbegriffs15
2.2.Skandale und ihre Kontrollfunktion16
2.3.Die Kommunikation von Skandalen16
2.4.Die Bedeutung von Nachrichtenfaktoren18
2.4.1.Zusammenhang von Nachrichtenfaktoren und Medienskandalen20
2.5.Die Rollenverteilung bei Medienskandalen22
2.6.Die Koorientierung der Berichterstattung bei Medienskandalen24
2.7.Die Hierarchie der Journalisten bei Medienskandalen24
2.8.Zusammenfassung25
Kap. 3 Die Berliner Bankgesellschaft: Chronologie eines Skandals und die Rolle der Medien bei dessen Aufklärung27
3.1.Die Grundsteine zur Gründung der Bankgesellschaft Berlin27
3.1.1.Die Landesbank Berlin (LBB) 27
3.1.2.Die Berliner Bank (BB)28
3.1.3.Die Berliner Hypothekenbank (Berlin Hyp)28
3.1.4.Die Fusion zur Bankgesellschaft Berlin28
3.2.Die Todsünden der Bankgesellschaft30
3.2.1.Die wichtigsten Skandal-Akteure37
3.2.1.1.Klaus-Rüdiger Landowsky37
3.2.1.2.Christian Neuling und Klaus-Hermann […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Kap. 1 Einleitung
1.1 Fragestellungen
1.2 Ziel der Arbeit und methodisches Vorgehen
1.3 Aufbau und Struktur der Arbeit

Kap. 2 Eine Einführung in die Mechanismen des Medienskandals
2.1 Der Ursprung des Skandalbegriffs
2.1.2 Die Definition des Skandalbegriffs
2.2 Skandale und ihre Kontrollfunktion
2.3 Die Kommunikation von Skandalen
2.4 Die Bedeutung von Nachrichtenfaktoren
2.4.1 Zusammenhang von Nachrichtenfaktoren und
Medienskandalen
2.5 Die Rollenverteilung bei Medienskandalen
2.6 Die Koorientierung der Berichterstattung bei Medienskandalen
2.7 Die Hierarchie der Journalisten bei Medienskandalen
2.8 Zusammenfassung

Kap. 3 Die Berliner Bankgesellschaft: Chronologie eines Skandals und die Rolle der Medien bei dessen Aufklärung
3.1 Die Grundsteine zur Gründung der Bankgesellschaft Berlin
3.1.1 Die Landesbank Berlin (LBB)
3.1.2 Die Berliner Bank (BB)
3.1.3 Die Berliner Hypothekenbank (Berlin Hyp)
3.1.4 Die Fusion zur Bankgesellschaft Berlin
3.2 Die Todsünden der Bankgesellschaft
3.2.1 Die wichtigsten Skandal-Akteure
3.2.1.1 Klaus-Rüdiger Landowsky
3.2.1.2 Christian Neuling und Klaus-Hermann Wienhold...39
3.2.1.3 Wolfgang Rupf
3.2.1.4 Manfred Schoeps
3.3 Chronologie der Ereignisse bis Skandalbeginn
3.3.1 Das Jahr
3.3.2 Das Jahr
3.3.3 Das Jahr
3.3.4 Das Jahr
3.3.5 Das Jahr
3.4 2000/2001 – Von ersten Merkwürdigkeiten bis zur Aufdeckung… des Skandals
3.4.1 Chronologische Darstellung der Latenzphase
3.4.2 Chronologische Darstellung der Hochphase
3.4.3 Chronologische Darstellung der abklingenden Phase
3.4.4 Auswertung der Berichterstattung
3.5 Chronologie der Ereignisse ab Skandalende
3.5.1 Das Jahr
3.5.2 Das Jahr
3.5.3 Das Jahr
3.5.4 Das Jahr
3.5.5 Das Jahr
3.5.6 Das Jahr
3.5.7 Das Jahr

Kap. 4 Aufklärung und Folgen des Berliner Bankenskandals
4.1 Der parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA): Definition
4.2 Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Berliner.. 86 Bankenskandal
4.2.1 Aussagen eines Mitglieds des PUA
4.2.2 Die Berichterstattung über den PUA
4.2.2.1 Die Berichterstattung über den ersten PUA
4.2.2.2 Die Berichterstattung über den Abschlussbericht96 des PUA
4.3 Die Berliner Bankeninitiative
4.3.1 Informationen zur Bankeninitiative von Peter Grottian
4.3.2 Die Berichterstattung über die Berliner Bankeninitiative100
4.3.2.1 Die Berichterstattung über die Veröffentlichung der
Fondszeichnerlisten
4.3.2.2 Die Berichterstattung über den
Grunewald-Spaziergang
4.3.2.3 Die Berichterstattung über das Volksbegehren
4.3.2.4 Zusammenfassende Bemerkungen
4.4 Die Folgen des Berliner Bankenskandals
4.5 Der aktuelle Stand der Dinge

Kap. 5 Fazit

Quellen- und Literaturverzeichni

Anhang
Anhang 1: Interview mit Mathew D. Rose
Anhang 2: Interview mit Ralf Schönball
Anhang 3: Interview mit Ewald B. Schulte

Eidesstattliche Versicherung

Abstract

Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Bachelorthesis ist die Darstellung und Bewertung der Rolle der Medien bei der Aufdeckung von Skandalen. Anhand des Fallbeispiels der Berliner Bankgesellschaftsaffäre wird der Verlauf einer Skandalisierung chronologisch aufbereitet und analysiert. In diesem Rahmen werden verschiedene Phasen der Berichterstattung untersucht. Interviews mit Journalisten, die maßgeblich an der Aufdeckung des Skandals beteiligt waren, geben zusätzlich Aufschluss über die in dieser Arbeit dargestellten medialen Abläufe. Daneben wird die Aufarbeitung des Skandals skizziert. Besonderes Augenmerk gilt hierbei dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der zur Aufklärung der Bankenaffäre eingesetzt wurde. Nach der Analyse der Berichterstattung über den Bankenskandal und der Auswertung der Interviews wurde deutlich, dass sich Skandale innerhalb der Massenmedien zu einer gefährlichen Waffe politischer Einflussnahme entwickelt haben. Die Medien schaffen durch die gezielte Skandalisierung bestimmter Themen ein öffentliches Meinungsbild und kreieren zudem ein aktualisiertes soziales Selbstverständnis.

Schlagworte:

Bankgesellschaft Berlin, Medienskandal, Skandalisierung, Immobilienfonds, Berichterstattung, Journalismus, Parlamentarischer Untersuchungsausschuss, Bankeninitiative, Interview

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Das Erzählpersonal des Medienskandals

Abbildung 2: Die Eigentumsstruktur der Bankgesellschaft Berlin nach der Bankenfusion 1994

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Nachrichtenfaktoren (nach Galtung/Ruge 1965)

Tabelle 2: Themen der Skandalisierungen in den Medien von 1910 bis 1998 (nach Imhof)

Tabelle 3: Beispiele aus dem Fragenkatalog des PUA zur Aufklärung des Berliner Bankenskandals

Tabelle 4: Konsequenzen aus dem Bankenskandal. Übersicht der Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – und was aus ihnen wurde (Stand 04.05.2006)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Der Name „Bankgesellschaft Berlin“ steht für die wohl größte Bankenpleite und einen der größten Wirtschaftsskandale in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Im Jahre 1994 fasst man in Berlin einen folgenschweren Entschluss: Drei unterschiedliche Banken, die Berliner Bank AG (BB), die Landesbank Berlin (LBB) und die Berliner Hypotheken- und Pfandbriefbank AG (Berlin Hyp) fusionieren zur Bankgesellschaft Berlin AG (BGB). Die LBB und die Berlin Hyp gehören zu 100% dem Land Berlin, bei der Berliner Bank hält das Land eine Mehrheitsbeteiligung von 56%. Da die drei Banken bisher unter dem Schutz der öffentlichen Hand „…ein recht beschauliches Dasein…“ führen, haben sie mit der freien Marktwirtschaft so gut wie keine Erfahrung (vgl. ROSE 2003, S. 18).

Man verspricht sich von der neuen Bankengruppe vor allem eine Stärkung des Finanzplatzes Berlin. Jedoch bleiben die üppigen Dividenzahlungen zur Entlastung des klammen Berliner Landeshaushaltes aus, so dass sich im April 2002 die rot-rote Koalition im Abgeordnetenhaus veranlasst sieht, zu versichern, im Zweifel bis zu 21,6 Mrd. Euro für die Verluste der Bankgesellschaft in den nächsten Jahrzehnten zu bezahlen, um die Bankengruppe zu retten. Durch nicht genügend abgesicherte Großkredite und durch das Auflegen von zweifelhaften Immobilienfonds haben es Unternehmen der Bankgesellschaft geschafft, Milliardenverluste zu erwirtschaften (vgl. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2002).

Nach fast zehn Jahren lässt sich eine Sache feststellen: Die Bank- gesellschaft ist tatsächlich zu einer sprudelnden Geldquelle geworden – für die Manager der Bank, für befreundete Politiker und Unternehmer. Jedoch will keiner der vielen Aufsichtsräte davon etwas bemerkt haben. Zugleich hinterlässt die BGB Verluste von voraussichtlich 20 bis 30 Mrd. Euro. Diese muss die Berliner Bevölkerung bezahlen, da sich die Bank aufgrund der im Jahr 2002 beschlossenen „Risiko-Abschirmung“ in den nächsten 30 Jahren über den Schuldenberg keine Sorgen zu machen braucht. Im Herbst 2006 benennt sich die Bankgesellschaft in „Landesbank Berlin Holding AG“ (LBB) um. Im August 2007 wird diese LBB an den Deutschen Sparkassen- und Giro-Verband (DSGV) für 5,3 Mrd. Euro verkauft. Das Land Berlin bleibt auf den BGB-Altlasten sowie diversen Schrott-Immobilien sitzen (vgl. DITTBERNER 2008).

Aber wie verhält es sich mit der Darstellung des Skandals in der Öffentlichkeit durch die Medien? Häufig endet die Berichterstattung über den Skandal, nachdem er seinen Höhepunkt überschritten hat, schlagartig. Ein Großteil der Öffentlichkeit kennt zwar den groben Vorwurf, aber kaum jemand erinnert sich noch an Einzelheiten. Das Interesse versiegt, jedoch nicht die Folgen (vgl. KEPPLINGER/HARTUNG 1993, S. 7).

Diese Thematik ist der Grundgegenstand der folgenden Bachelorthesis. Die Rolle der Medien in Verbindung mit den Phasen der Berichterstattung über den Bankenskandal wird untersucht und soll Aufschluss über die Skandalisierungsmechanismen der Massenmedien geben.

1.1 Fragestellungen

Im Laufe der Bachelorthesis soll die Frage geklärt werden, welche Rolle die Medien vor, während und nach der Aufdeckung des Berliner Bankenskandals gespielt haben. Dabei wird zu klären sein, wie sich der Skandal aufgebaut hat, bis es zur ersten Veröffentlichung gekommen ist und wie sich ab diesem Zeitpunkt die Berichterstattung weiterentwickelt hat. Hierbei soll analysiert werden, in welcher Form die Medien über verschiedene Aspekte des Skandals berichtet haben.

Zudem soll der Frage nachgegangen werden, in welcher Form der parlamentarische Untersuchungsausschuss, der zur Aufklärung des Skandals eingesetzt wurde, in den Medien zur Sprache gekommen ist und ob die Öffentlichkeit über den aktuellen Stand der Dinge auf dem Laufenden gehalten wird.

Zusammenfassend ist zu klären, mit welchen Mitteln die Skandalisierung der Berliner Bankenkrise durch die Medien erfolgreich realisiert wurde.

1.2 Ziel der Arbeit und methodisches Vorgehen

Das Ziel dieser Bachelorthesis ist demnach, darzustellen, welche Auswirkungen die Aufdeckung eines Skandals durch die Medien hat und welche Rolle diese dabei spielen. Es soll analysiert werden, wie sich der Prozess vom Erkennen der ersten Merkwürdigkeiten über die kritische Phase bis hin zur Aufdeckung des Skandals gestaltet und welche Barrieren dabei zu überwinden sind.

Für die Rekonstruktion dieses Prozesses erfolgt anhand einer Chronologie der Ereignisse eine Analyse der jeweiligen Berichterstattung. Dazu wurden Interviews mit den Journalisten geführt, die einen erheblichen Teil zur Aufdeckung des Bankenskandals beigetragen haben: Mathew D. Rose, Ewald B. Schulte und Ralf Schönball.

Außerdem wird dargestellt, welche Schwerpunkte in der jeweiligen Berichterstattung gesetzt und wie unterschiedliche Informationen gewichtet worden sind.

Um die Rolle des parlamentarischen Untersuchungsausschusses darzustellen, werden Aussagen von Cordula Ludwig herangezogen. Sie war Mitglied im besagten Ausschuss und gibt Einblicke in dessen Funktions- und Arbeitsweise. Außerdem wird geklärt, wie dieser Ausschuss zustande gekommen ist, was genau dort zur Sprache kam und was davon an die Öffentlichkeit weiter getragen wurde.

1.3 Aufbau und Struktur der Arbeit

Auf den einleitenden Teil der Bachelorthesis folgen drei Hauptteile. Im ersten Abschnitt der Thesis erfolgt eine Einführung in die grundlegenden Begriffe und Mechanismen der Skandalisierung. Dazu gehört unter anderem die Klärung des Ursprungs des Skandalbegriffs sowie seiner Definition, eine Betrachtung, in welcher Form Skandale eine Kontrollfunktion übernehmen und wie Medienskandale kommuniziert werden.

Im zweiten Teil wird zuerst ein Blick auf die Gründung der Bankgesellschaft geworfen. Im Anschluss erfolgt eine Auflistung der größten „Todsünden“ der Bankgesellschaft. Hier soll deutlich gemacht werden, welche Handlungen und Geschäfte des Konzerns zum Skandal geführt haben. Zudem erfolgt die Darstellung einiger wichtiger Akteure im Bankenskandal. Dabei wird auf die jeweilige Funktion der Personen innerhalb der Bankgesellschaft und deren Bezug zum Skandal genauer eingegangen.

Im Anschluss beginnt die chronologische Aufbereitung der Ereignisse um den Berliner Bankenskandal, in der die einzelnen Phasen der Medienberichterstattung rekonstruiert werden. Besonderes Augenmerk gilt hier dem Jahr 2001, in dem der Skandal offenkundig wird. Dabei soll genau dokumentiert werden, welche Faktoren dazu geführt haben, dass der „Turning Point“, also die Aufdeckung des Skandals in der Öffentlichkeit durch die Medien, erreicht wurde und wie sich die journalistische Berichterstattung danach weiter entwickelte.

Im vierten Teil der Arbeit werden die Aufklärung und die Folgen des Skandals dargestellt. Zum einen wird in diesem Abschnitt die Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses dokumentiert, der zur Aufklärung des Skandals eingesetzt wurde. An dieser Stelle erfolgen Aussagen aus dem Interview mit Cordula Ludwig sowie die wichtigsten Inhalte aus den Berichten des Ausschusses.

Zum anderen wird auf die Berliner Bankeninitiative eingegangen. Herangezogen werden dafür die Ergebnisse aus dem Gespräch mit dem Begründer Prof. Dr. Peter Grottian. Zudem erfolgt ein Einblick in die Berichterstattung über diese Initiative.

Anschließend werden die Folgen des Skandals sowie der aktuelle Stand der Dinge kurz dargestellt.

Abgeschlossen wird die Bachelorthesis durch ein Fazit in dem die wichtigsten Ergebnisse und Erkenntnisse zusammengefasst werden.

2 Eine Einführung in die Mechanismen des Medienskandals

Um ein Grundverständnis für den Themenbereich des Skandals bzw. Medienskandals zu erlangen, erfolgt in diesem Teil der Thesis eine Einführung in die grundlegenden Begriffe und Mechanismen der Skandalisierung. Nach einer Klärung über den Ursprung des Skandalbegriffs sowie seiner Definition, erfolgt eine Betrachtung, in welcher Form Skandale eine Kontrollfunktion übernehmen und wie Medienskandale kommuniziert werden. Anschließend wird ein kurzer Blick auf die Bedeutung von Nachrichtenfaktoren und deren Zusammenhang im Verhältnis zu Medienskandalen geworfen. Im weiteren Verlauf wird auf die Rollenverteilung der Akteure bei Medienskandalen, sowie auf eine bestehende Koorientierung der Medien und die Hierarchie unter den berichtenden Journalisten eingegangen.

2.1 Der Ursprung des Skandalbegriffs

Das Wort Skandal stammt vom altgriechischen „Skandalon“ ab und beschreibt in der griechischen Geschichte ein Werkzeug, dass jemanden zu Fall bringt oder fängt (vgl. OEVERHAUS 2006, S. 34). Bis zur Zeit der Aufklärung wurden mit dem Begriff vor allem schwere religiöse Normbrüche bezeichnet (vgl. BÖSCH 2006).

Zudem fasst der Begriff ein Fehlverhalten von angesehenen Personen oder Institutionen zusammen, welches von den Medien öffentlich gemacht wird. Je nach Ausprägung des Skandals reagiert die Öffentlichkeit weniger oder stärker empört. Dies resultiert aus der Gewichtung des „anstößigen Vorkommnisses“, wie der Skandal auch bezeichnet wird.

Für die heutige Betrachtung des Skandalbegriffs ist die Bezeichnung „Stein des Anstoßes“ besonders zutreffend. Diese wird in der Geschichte im Althebräischen unter dem Begriff Skandalon verstanden (vgl. OEVERHAUS 2006, S. 34).

Im deutschen Sprachgebrauch haben sich besonders die Bedeutungen „Ärgernis“ und „Anstoß“ unter dem Skandalbegriff herausgebildet. Die mediale Berichterstattung benutzt zudem die Begriffe „Fall“ und „Affäre“ als Synonyme für den Skandal (vgl. NEU 2004, S. 3).

2.1.2 Definition des Skandalbegriffs

Skandale gelten in der heutigen Zeit als Synonym für nahezu jede Art von Missstand. Als Voraussetzungen für einen Skandal gelten nach Bösch folgende Bedingungen:

1. Ein Normbruch einer Person oder Institution, die für die Wahrung von Normen steht
2. Die Aufdeckung des Normbruches in der Öffentlichkeit
3. Eine breite öffentliche Empörung über den Normbruch

Skandale geben Aufschluss darüber, nach welchen Normen jeweils in einer Gesellschaft gelebt wird. Als unzulässig angesehene Handlungen in der Vergangenheit müssen nicht zwangsläufig zu einem Skandal in der Gegenwart führen. Skandale reflektieren, in welchem Verhältnis die Medien, die Öffentlichkeit und die Politik zueinander stehen. Demnach lassen sie sich auch als Kontrollsysteme des politischen Wirkungsbereichs verstehen, in denen die Macht der Öffentlichkeit gezeigt wird.

Allgemein gilt, dass eine unentdeckte korrupte Handlung keinen Skandal darstellt. Auch bei einer Berichterstattung über einen Missstand durch die Medien kommt es ebenfalls zu keinem Skandal, sofern die Öffentlichkeit diese ignoriert (vgl. BÖSCH 2006).

2.2 Skandale und ihre Kontrollfunktion

Skandale dienen hauptsächlich der Aufklärung. Sie machen die Öffentlichkeit aufmerksam und gelten als der erste Schritt zur Aufdeckung von Missständen. Dabei ist das öffentliche Interesse umso größer, je spektakulärer der Skandal ausfällt. Aus der Anzahl von Skandalen lassen sich Schlussfolgerungen über gesellschaftliche Kontrollorgane ziehen. Zu diesen zählen Parlamente, Medien als vierte Gewalt und andere gesellschaftliche Institutionen. Je mehr Skandale publiziert werden, desto besser nehmen diese Organe ihre Kontrollfunktion war.

Durch einen Skandal werden bestehende Machtverhältnisse in Frage gestellt und können in letzter Konsequenz auch zu Veränderungen oder zum Fall der angeprangerten Verhältnisse führen. Dabei kann es zu verhängnisvollen Folgen sowohl für Einzelpersonen als auch für ganze Firmen oder Regierungen kommen (vgl. OEVERHAUS 2006, S. 37-39).

So werden zum Beispiel in der Politik Skandale als effektives Mittel in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner eingesetzt. Der Kontrollmechanismus von Skandalen funktioniert jedoch ausschließlich in einer liberalen Demokratie. In autoritären und totalitären Systemen kann es keine Skandale geben, da keine freie und unmanipulierte öffentliche Meinung existieren darf (vgl. NEU 2004, S. 15-17).

So erfüllen die Massenmedien in Diktaturen eine gewaltenmonopolisierende Funktion und haben den Auftrag, Systemkritiker zu kontrollieren. Dies geschieht durch massive Kritik, die an denen geübt wird, die systemfeindliche Gedanken verbreiten (vgl. STROHMEIER 2004, S. 97).

2.3 Die Kommunikation von Skandalen

Innerhalb der Kommunikationsprozesse von Skandalen kommt es zu einer Berichterstattung, die soziale Werte, Normen und moralisches Empfinden ausdrückt. Bei einem Skandal treten Zustände zu Tage, die vorher nicht öffentlich waren und die von der Öffentlichkeit als Grenzüberschreitung missbilligt werden.

Der Journalist selektiert die Handlungen und Ereignisse, die sich bezüglich der vorherrschenden Moralvorstellungen skandalisieren lassen und publiziert diese. Es erfolgt eine Diskussion in der Öffentlichkeit. In der Regel werden die selektierten Fakten als authentisch bewertet. Der Grad der Skandalisierung hängt auch davon ab, inwieweit ein Vorwissen über die Ereignisse und Handlungen in der Öffentlichkeit besteht (vgl. BURKHARDT 2006, S. 76-77).

Je nach Intensität der Medienberichterstattung entsteht eine mehr oder weniger starke Empörung in der Bevölkerung (vgl. KEPPLINGER 2005, S. 7).

Bei der Publikation von Skandalen kommt es häufig zu Dramatisierungen. Diese lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen. So werden zum Beispiel Missstände und die resultierenden Schäden mit extremen Begriffen, sogenannten Horror-Etiketten, bezeichnet. Außerdem kommt es zu Verbrechens-Assoziationen. Hier werden Normverletzungen mit schwerer Kriminalität gleichgesetzt. Des Weiteren werden die Folgen des Skandals als maximale Schäden dargestellt und es kommt zu Katastrophen-Collagen, in der die Missstände in eine Reihe mit Extremfällen gestellt werden. Weitere Dramatisierungswerkzeuge sind Schuld-Stapelungen und optische Übertreibungen durch Fotos oder Filme (vgl. KEPPLINGER 2005, S. 38-39).

Für die Öffentlichkeit ergibt sich dadurch ein klareres Bild darüber, warum ein Ereignis mit der Bezeichnung des Skandals versehen worden ist. Auf die Publikation erfolgt in der Regel eine öffentliche Missbilligung der angeprangerten Zustände. Letztendlich kommt es zu einer bleibenden Schädigung der involvierten Skandalakteure oder deren Rehabilitation.

Nach empirischen Befunden lässt sich die Skandalkommunikation in ein Modell aus drei Schritten zusammenfassen. Im ersten Schritt wird ein Missstand öffentlich angeprangert. Dieser ist entweder bekannt, vermutet oder erfunden. Im zweiten Schritt können darauf unterschiedliche Reaktionen erfolgen. Entweder bleibt der Skandal aufgrund mangelnden Interesses der Öffentlichkeit aus, oder die Skandalisierung hat ihre Folgen. Diese können der Rückritt bestimmter Personen, Gesetzesänderungen, Wiedergutmachung von Schäden, Konfliktlösung oder auch die Entstehung von neuen Konflikten sein.

Zusammenfassend ist der Skandal ein Konstrukt, das sich in einem Kommunikationsprozess entfaltet. Basierend auf einem Schlüsselreiz erfolgt eine Skandalisierung, die in der Öffentlichkeit für Empörung sorgt und letztendlich zu unterschiedlichen Folgen führen kann (vgl. BURKHARDT 2006, S. 77-81).

2.4 Die Bedeutung von Nachrichtenfaktoren

Bezüglich der Frage, welche Faktoren den Nachrichtenfluss bestimmen, kann man, in Anlehnung an Östgaard, zwischen den endogenen und den exogenen Einflüssen unterscheiden. Faktoren, die vom Ereignis über Agentur und Medium bis zum Rezipienten angelegt sind, werden als endogen bezeichnet. Sie sind demnach in den Nachrichtenfluss integriert. Zu den exogenen Faktoren gehören Einflüsse von außen, wie zum Beispiel politische und rechtliche Maßnahmen der Kommunikationskontrolle, Zensurvorschriften oder ökonomische Begünstigungen und Beschränkungen (vgl. SCHULZ 2004, S. 353).

Der Journalist nimmt als endogener Faktor im Nachrichtensystem eine besondere Rolle ein. Er entscheidet, was publiziert wird. Dabei ist zu vermuten, dass sich die persönlichen Interessen, Vorlieben, Abneigungen und Einstellungen des Journalisten in seiner Nachrichtenauswahl wiederspiegeln. Zudem wirken sich Routine und unterschiedliche Produktionsanforderungen auf den Auswahlprozess aus. Ein weiterer Aspekt stellt die politische und ideologische Orientierung im Nachrichtenbild dar. Die bestimmte Grundrichtung einer Zeitung wird oft vom Verleger und einer redaktionellen Gruppennorm geprägt. Dabei scheitert häufig die Trennung von Nachricht und Meinung. Gerade bei kontroversen Themen lässt sich immer wieder nachweisen, dass Journalisten in der Berichterstattung ihre eigene politische Position vertreten.

Auch bei den journalistischen Kriterien für den Wert einer Nachricht kommt es oft zu Verzerrungen. Dabei entscheidet der Nachrichtenwert darüber, ob ein Ereignis berichtenswert ist oder nicht, und in welchem Umfang es durch Platzierung und Aufmachung durch die Medien hervorgehoben wird. Aus wahrnehmungspsychologischer Sicht lässt sich nach Galtung/Ruge eine Nachrichtentheorie aufstellen, die zwölf Kriterien für den Nachrichtenwert benennt, die Nachrichtenfaktoren genannt werden (siehe Tabelle 1). Ereignisse, bei denen diese Faktoren stark ausgeprägt sind, werden eher beachtet. Mittlerweile ist diese Nachrichtentheorie empirisch bestätigt und weiterentwickelt worden (vgl. SCHULZ 2004, S. 354-356).

Tabelle 1: Nachrichtenfaktoren (nach Galtung/Ruge 1965)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: SCHULZ 2004, S. 357)

2.4.1 Zusammenhang von Nachrichtenfaktoren und Medienskandalen

Nachrichtenfaktoren steigern den Wert einer Nachricht für das Publikum. Doch welche dieser Faktoren führen zum Medienskandal? Bezüglich der Selektionsmechanismen lässt sich feststellen, dass Medien überwiegend über Missstände an sozialen Orten berichten, wo Journalisten politische und wirtschaftliche Missstände vermuten. Sie selektieren demnach die Ereignisse, denen sie eine größere Bedeutung zusprechen und die sie unmittelbar erleben. Journalisten nutzen die Medienöffentlichkeit, um die von ihnen als besonders störend empfundenen Missstände zu thematisieren. Lassen sich die Missstände überwiegend auf personale Ursachen zurückführen, so steigt die Wahrscheinlichkeit der Skandalisierung.

Ein weiterer Aspekt ist der des eigenen Vorteils. Skandale entstehen öfter, wenn sich Insider Vorteile davon versprechen. Diese können Informationshonorare, Publizität und Ansehen sein. Zudem werden individuelle Vor- und Nachteile abgewogen, die bei einer Skandalisierung eines Ereignisses entstehen können.

In der Theorie kann jedes Ereignis skandalisiert werden. Ob es zu einem Medienskandal wird, hängt von der erzählerischen Inszenierung ab. Im Zusammenhang mit den Nachrichtenfaktoren gibt es Prozesse, Aktionen und Situationen, die sich besser bzw. schlechter skandalisieren lassen. Daher gibt es bestimmte gesellschaftliche Bereiche, aus denen besonders oft Medienskandale hervorgehen (siehe Tabelle 2).

Tabelle 2: Themen der Skandalisierungen in den Medien von 1910 bis 1998 (nach Imhof)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an BURKHARDT 2006, S. 123)

Nachrichtenfaktoren sind im Medienskandal zugleich immer Narrationsfaktoren. Sie ermöglichen die Positionierung bestimmter Themen für die Öffentlichkeit und legen fest, inwieweit sich Situationen, Aktionen und Prozesse zur Skandalisierung eignen. Somit können Nachrichtenfaktoren als bedeutendes Selektionsinstrument für die Themenbereiche betrachtet werden, die letztendlich zu Medienskandalen führen (vgl. BURKHARDT 2006, S. 121-125).

2.5 Die Rollenverteilung bei Medienskandalen

Medienskandale gelten als erzählerische Konstrukte, die auf Aktionen, Prozesse oder Situationen von verschiedenen Akteuren eingehen. Dabei wird das erzählerische Personal des Skandals aufgeteilt in unterschiedliche Rollen. Zu diesem gehören der Skandalisierte, der die Rolle des Helden oder Antihelden einnimmt, und der Skandalisierer, der durch den Journalisten verkörpert wird. Dieser übernimmt die Rolle des Erzählers. Das Publikum als Skandalrezipient übernimmt dabei die Rolle des Helfers (siehe Abbildung 1). Zusammengefasst kann diese Konstruktion als Skandaltriade bezeichnet werden.

Die Rolle des Skandalisierers übernimmt beim Medienskandal hauptsächlich der Journalismus. Dabei spielt oft ein persönliches Interesse des Erzählers an der Skandalisierung eine Rolle. In der Regel haben die Journalisten nicht öffentliche Informationen, die sie dann publizieren. Durch ihre Informanten haben Journalisten Zugang zu geschlossenen Systemen und verfügen daher über Informationen aus bestimmten Teilbereichen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Durch dieses Insiderwissen profitieren sie bei der Publikation von Medienskandalen. Jedoch verlieren diese Skandale nach ihrer Enthüllung in der Regel schnell an Brisanz, so dass Journalisten im heutigen Mediengeschehen starkem Konkurrenzdruck ausgesetzt sind und die Jagd nach weiteren Skandalen ständig weitergeführt wird. Die Rolle der Öffentlichkeit als Rezipient des Medienskandals lässt sich nicht auf eine passive Beteiligung beschränken. Durch das Interesse, die Diskussion und die Selektion der veröffentlichten Informationen nimmt sie eine wichtige Rolle ein, da ohne sie ein Skandal gar nicht erst entstehen würde. Die Lust am Skandal ist in der Rezeptionsforschung unter anderem mit der menschlichen Neugier begründet. Zudem wird der Öffentlichkeit auch ein gewisser Grad an Sensationsgier unterstellt. Skandalrezipienten nehmen auch aus psychologischen und sozialen Beweggründen aktiv an Medienskandalen teil. So empfinden sie augrund der vermeintlichen Verletzung der gängigen Moralvorstellungen ein Ungerechtigkeitsgefühl.

Die Gefahr, in der Öffentlichkeit das Objekt eines Skandals zu werden, ist für bestimmte Akteure besonders hoch. Dazu zählen Politiker, Repräsentanten der Kirche und Prominente, da diesen Personengruppen ein hohes Maß an Verantwortung zugesprochen wird und sie als Vertreter der moralischen Werte angesehen werden (vgl. BURKHARDT 2006, S. 138-144).

Abbildung 1: Das Erzählpersonal des Medienskandals

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an BURKHARDT 2006, S. 143)

2.6 Die Koorientierung der Berichterstattung bei Medienskandalen

Innerhalb des Journalismus existieren Leitmedien wie der Spiegel, die Süddeutsche Zeitung oder die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die unter den Journalisten ein hohes Ansehen besitzen. Auch die Bild-Zeitung ist in der Skandalberichterstattung in den Kreis der Leitmedien aufgenommen worden, da diese zu den erfolgreichsten Skandalisierern gehört.

Bei Skandalen kommt es zu einer besonders starken Koorientierung der Journalisten, da innerhalb der Redaktionen die Berichte anderer Medien als Gradmesser zur Platzierung der eigenen Beiträge benutzt werden. Die Normbildung bei der Skandalberichterstattung ist in den Medien generell innerhalb von zwei bis drei Wochen abgeschlossen. In einem Zeitraum von wenigen Tagen gleichen sich die anfangs unterschiedlichen Meinungen der Medien an und treffen sich im negativen Bereich. Ab diesem Zustand ist die Skandalisierung gelungen (vgl. KEPPLINGER 2005 S. 47-48).

Eine völlige Konformität der Meinungen bei Skandalen wird jedoch trotz der Kollegenbeobachtung nicht erreicht. Innerhalb der allgemein akzeptierten Sichtweisen gibt es zum Teil Extrempositionen, die allerdings im Journalismus eher eine Art Subkultur darstellen (vgl. KEPPLINGER 2005 S. 54).

2.7 Die Hierarchie der Journalisten bei Medienskandalen

Bei der Berichterstattung über Skandale gibt es im Journalismus wenige Wortführer, die meistens die Zahl von fünf nicht überschreitet. Daneben agieren Mitläufer, Chronisten und wenige Skeptiker.

Die Wortführer erarbeiten sich ihre Geschichte durch intensive Recherche, bevor sie an die Öffentlichkeit gebracht wird. Zudem verfügen sie häufig über Hintergrundinformationen und Detailwissen, welches sie unter anderem über Informanten erhalten. Sofern alle gesammelten Fakten stichhaltig sind, glauben sie an die Schuld des Skandalisierten und interpretieren ihre Informationen entsprechend. Allerdings steht der Wortführer in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Mitläufern und Chronisten. Nur wenn diese die Vorgaben des Wortführers aufgreifen, resultiert aus der versuchten Skandalisierung auch der gewünschte Skandal. Daher kommt es immer wieder zu Absprachen zwischen den Wortführern und den Mitläufern.

Die Mitläufer betreiben oft keine eigenen Recherchen vor Ort. Stattdessen greifen sie die Behauptungen anderer Journalisten auf und reichern diese durch kleine Details und Spekulationen an.

Chronisten bringen keine eigenen Wertungen in ihre Berichterstattung ein. Jedoch erlangt die Skandalisierung ein höheres Maß an Glaubwürdigkeit durch ihre Berichte über die Vorwürfe anderer.

Abschließend gibt es bei fast jedem Skandal die Skeptiker. Diese stellen die allgemeinen Sichtweisen in Frage und präsentieren Informationen, die nicht in die Darstellungsweise der anderen passen. Allerdings handelt es sich bei den Skeptikern um eine kleine Minderheit, welche bei einem Skandal kaum Beachtung findet (vgl. KEPPLINGER 2005 S. 49-52).

2.8 Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle Skandale bzw. Medienskandale gemeinsame Merkmale aufweisen. So geht es immer um Verstöße gegen die bestehende Moral oder geltendes Recht, die als Missstände angeprangert werden. Für diese Missstände gibt es jeweils Verantwortliche, die aus angeblich niederen Beweggründen gehandelt und als Schuldige dargestellt werden.

Es erfolgt eine Welle von Medienberichten, die den Missstand als großes Problem beschreiben. In der Berichterstattung wird der Verursacher von fast allen Medien als Schuldiger angeprangert.

Entsprechend der Intensität der Berichterstattung entsteht daraufhin in der Bevölkerung eine mehr oder weniger starke Empörung (vgl. KEPPLINGER 2005, S. 7).

3 Die Berliner Bankgesellschaft: Chronologie eines Skandals und die Rolle der Medien bei dessen Aufklärung

In diesem Teil der Thesis erfolgt zunächst eine Darstellung über die Gründung der Berliner Bankgesellschaft. Anschließend werden wichtige Handlungsweisen und Geschäftsmethoden der Bankgesellschaft beschrieben, sowie einige Skandalakteure genauer beleuchtet, die im Bankenskandal eine besondere Rolle spielen.

Anhand einer chronologischen Aufbereitung der wichtigsten Ereignisse um den Berliner Bankenskandal erfolgt daraufhin eine Rekonstruktion der einzelnen Phasen der Medienberichterstattung über den Skandal. Dabei wird geprüft, wann es zu bestimmten Aufdeckungen kommt und welche Medien in welcher Form und Intensität darüber berichten.

3.1 Die Grundsteine zur Gründung der Bankgesellschaft Berlin

Anfang der 90er Jahre werden die Bankenbeteiligungen des Landes Berlin neu geordnet. Den Anstoß dazu gibt die große Koalition von CDU und SPD. In den anschließenden Kapiteln erfolgt eine Vorstellung der einzelnen Institutionen, die letztendlich zur Bankgesellschaft Berlin fusionieren.

3.1.1 Die Landesbank Berlin (LBB)

Die LBB entsteht aus der Sparkasse der Stadt Berlin West und wird mit der Sparkasse Ost vereint. Vorstandsvorsitzender ist Hubertus Moser. Das Land Berlin haftet für die Bank mit Gewährträgerhaftung und Anstaltslast, sofern die LBB Forderungen nicht erfüllen kann oder die Insolvenz droht. Die Bank kann demnach nicht in Konkurs gehen. Dadurch besitzt sie eine äußerst gute Bewertung, die ihr günstige Kredite bringt. Der öffentlich-rechtliche Status schränkt allerdings die Geschäftsfelder der Bank ein. So dürfen zum Beispiel keine Spekulations- und Risikogeschäfte betrieben werden. Aufgrund der Begrenzungen kann die LBB ihre hohe Einlage nicht überall gewinnbringend investieren (vgl. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2004, S. 4).

3.1.2 Die Berliner Bank (BB)

Diese Bank unter dem Vorstandsvorsitzendem Wolfgang Steinriede hat den Status einer privatrechtlichen Aktiengesellschaft, welche zu 51 Prozent dem Land Berlin, zu 25 Prozent der Gothaer Versicherung und zu 24 Prozent Kleinaktionären gehört. Um die Bank am Leben zu halten, muss das Land Berlin bereits 1990 115 Millionen Euro investieren, obwohl die BB einen guten Kundenstamm hat. Grund dafür sind zu viele Kredite, die an insolvente Firmen vergeben werden (vgl. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2004, S. 4).

3.1.3 Die Berliner Hypothekenbank (Berlin Hyp)

Die Berlin Hyp wird 1992 gegründet und fusioniert später mit der Hannoveranischen Hypothekenbank. Der Vorstandsvorsitzende ist Klaus-Rüdiger Landowsky (siehe auch Kapitel 3.2.1.1) (vgl. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2004, S. 5).

3.1.4 Die Fusion zur Bankgesellschaft Berlin

Am 01. Januar 1994 erfolgt die Gründung der Bank Gesellschaft Berlin AG (BGB) durch die Fusion der Berliner Bank (BB), der Landesbank Berlin (LBB) und der Berliner Hypothekenbank (Berlin Hyp). Durch die Gründung der Bankgesellschaft profitiert auch die Berliner große Koalition. Das Land Berlin veräußert aus ihrem Aktienpaket einen fünfzehnprozentigen Anteil der Bankgesellschaft an die Norddeutsche Landesbank (Nord/LB) (siehe Abbildung 2). Dadurch fließen fast eine Milliarde Mark in die Landeskasse (vgl. ROSE 2003, S. 28).

Abbildung 2: Die Eigentumsstruktur der Bankgesellschaft Berlin nach der Bankenfusion 1994

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2004, S. 6.)

Als Hauptargument der Banker für die Fusion gilt, dass die BB von den hohen Kapitalbeständen der LBB profitiert, welche wiederum von ihren Beschränkungen befreit wird. Auch in der Politik wird die Fusion als enorme Chance gesehen. Die große Koalition will mit einem großen Bankenkonzern über ein Geldinstitut für ihre Hauptstadtpläne verfügen und nach der Wiedervereinigung zur ersten Liga der großen Bankplätze gehören (vgl. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2004, S. 5).

Um die Rechtkonstruktion zu finden, die einen Zusammenschluss von einer öffentlich-rechtlichen Bank mit einer Privatbank ermöglicht, werden diverse Gutachten in Auftrag gegeben. Ein weiterer Nutzen der Fusion ist, dass die LBB ihre günstigen Bedingungen bei der Kreditaufnahme am Kapitalmarkt aufgrund ihres öffentlich-rechtlichen Status an die private Bank weitergeben kann.

Die Warnungen vom Landesrechnungshof vor einer solchen Fusion werden ignoriert und als wirtschaftsfeindlich und inkompetent betitelt. Stattdessen wird bewusst ein Konzept vorangetrieben, das Milliardenrisiken zu Lasten der LBB und damit des Landes Berlin möglich macht (vgl. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2004, S. 5-6).

3.2 Die Todsünden der Bankgesellschaft

Die Berliner Bankenkrise basiert auf vielen Aktionen und zwielichtigen Geschäftsmethoden, von denen im Folgenden die gravierendsten dargestellt werden. Die Aufdeckung der einzelnen Geschehnisse fügt das Ganze später zum Bankenskandal zusammen, der fortlaufend immer größere Ausmaße annimmt.

Die Immobilienfonds:

Unter der Führung von Dr. Manfred Schoeps wird die LBB Immobilien- und Baumanagementgesellschaft mbH (IBG) gegründet. 1992/1993 legt die Gesellschaft die ersten beiden Immobilienfonds auf, allerdings mit bescheidenem Umfang und wenig Sicherheiten. Der dritte Fonds lässt sich schon nicht mehr besonders gut verkaufen. Deshalb erhält der vierte Fonds der IBG umfangreiche Sicherheiten für die Anleger. Diese sehen vor, dass die Mieteinnahmen, die Baukosten, die Verlustzuweisungen, die Gewinnausschüttung und auch die Rücknahme nach 25 oder 30 Jahren garantiert sind. Der Anleger trägt keinerlei wirtschaftliches Risiko, wodurch der Verkauf der Anteile enorm anzieht. 1995 zeichnet sich ab, dass die Immobiliengeschäfte durch steigenden Leerstand immer schwieriger werden.

Dank der umfangreich abgesicherten Fonds sichert sich die Bankgesellschaft die Spitzenposition bei den geschlossenen Immobilienfonds, allerdings behindert sie auch andere Bauherren, die mit den utopischen Garantien nicht mithalten können (vgl. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2004, S. 7-9).

Ein wirtschaftliches Risiko bei den Fonds der IBG ist nahezu nicht vorhanden. Somit finden die Anteile reißenden Absatz, so dass immer mehr Immobilien eingekauft werden. Genaue Kalkulationen und Bewertungen der Grundstücke gehen im Massengeschäft unter. Stattdessen werden Immobilien in die Fonds geschoben, deren Kredite bei den Teilbanken nicht mehr gedeckt sind. Durch Provisionszahlungen für den Vertrieb, für die Garantien, für die Kreditvermittlung und diverse weitere Dienstleistungen erzielt die Bankgesellschaft kurzfristig hohe Einnahmen. Diese gehen allerdings zu Lasten der später auftretenden Risiken (vgl. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2004, S. 9-10).

Die krummen Geschäfte mit den Immobilienfonds kommen ans Tageslicht durch den Spiegel -Artikel „Der Milliarden-Bluff“ von Wolfgang Reuter und Mathew D. Rose am 29.Januar 2001, sowie dem Artikel „Inbegriff des Filzes“ von Wolfgang Bayer und Wolfgang Reuter am 24. Februar 2001.

Die Aubis-Kredite:

Ab 1995 beginnt die Aubis-Gruppe unter den CDU-nahen Geschäftsführern Christian Neuling und Klaus Wienhold mit dem von der Berlin Hyp finanzierten Ankauf ostdeutscher Plattenwohnungen.

Insgesamt wird mit diversen Teilkrediten der Bankgesellschaft der Ankauf von ca. 16.000 Plattenbauwohnungen in den neuen Bundesländern finanziert (vgl. BERLINER ZEITUNG, 16.02.2001).

Ohne Eigenkapital, sonstige Sicherheiten oder wohnungswirtschaftliche Kompetenz erhalten Neuling und Wienhold diverse Kredite der Berlin Hyp. In der Folge bauen sie ein Firmengeflecht auf für den Kauf von Wohnungen, für die Verwaltung und die Sanierung. Dabei fallen bei den Krediten auch Summen ab, die in das Privatvermögen der Aubis-Geschäftsführer fließen.

Bestandteil der Kreditverträge sind allerdings auch verbindliche Zusagen der Bank, dass sie der Aubis-Gruppe weitere Darlehen in ebenfalls dreistelliger Millionenhöhe für die Sanierung von Wohnungen zur Verfügung stellen wird.

Im Juni 1997 wird mit der Billigung von Bankgesellschaftschef Wolfgang Rupf beschlossen, die von der Berlin Hyp ausgereichten Aubis-Kredite durch einen Teilverkauf von Aubis-Wohnungen an die Bank-Tochter IBG zu reduzieren.

Die für die Sanierung dieser Wohnungen eingesetzten Baufirmen bleiben daraufhin auf unbezahlten Rechnungen sitzen. Diverse Mieter sitzen teilweise ohne Balkonbrüstung da, oder müssen vollkommen überhöhte Betriebs- und Heizkosten zahlen (vgl. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2004, S. 16-17).

In den Geschäftsjahren 1999 und 2000 muss die Berlin Hyp auf ihre Aubis-Kredite Wertberichtigungen in Höhe von 200 Millionen Mark vornehmen. Verantwortlich dafür ist unter anderem der zunehmende Leerstand der gekauften Plattenbauten (vgl. BERLINER ZEITUNG, 16.02.2001).

Einzelheiten zu den Aubis-Krediten werden am 30. Dezember 2000 durch den Tagesspiegel -Artikel „Kalte Platten“ von Mathew D. Rose bekannt.

Das Walther-Gutachten:

Der Wirtschaftsprüfer Achim Walther bekommt vom Vorstandssprecher der Landesbank Berlin, Ulf-Wilhelm Decken, im Januar 1997 den Auftrag, die Immobilienfonds der Banktochter IBG zu prüfen. Decken erhofft sich von der Prüfung eine quasi amtliche und neutrale Bestätigung, dass bei diesen Fonds alles in Ordnung ist. Die Fonds mit Wohnungen, Einkaufszentren und Plattenbauten haben ein Milliardenvolumen. Zudem sind den Anlegern die Mieten für 25 Jahre garantiert. Achim Walther entdeckt bei seiner Prüfung enorme Risiken für die Bank. Außerdem sind die Risiken falsch berechnet und im Ergebnis geschönt.

Sein "Bericht einer Sonderprüfung" - über die Risiken der Immobilienfonds der Bank attestiert den Managern auf vierunddreißig Seiten, dass ihr Fondgeschäft fehlerhaft organisiert sei und die Risiken mit der vorhandenen Mietvertragsverwaltung nicht ermittelbar seien (vgl. ROSE 2003, S. 106-109).

Laut Walther sei das Ergebnis seiner Prüfung gewesen, dass die Bank durch ihre Garantien den Fonds gegenüber so hohe Risiken eingegangen ist, dass sie diese auf Dauer möglicherweise nicht tragen könne. Zudem sei die Organisation nicht darauf ausgerichtet gewesen, diese Risiken rechnerisch zu erfassen.

Am 2. Juni 1997 besucht Walther die Berliner Niederlassung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO. Er trägt den offiziellen Wirtschaftsprüfern die Ergebnisse seiner Sonderprüfung persönlich vor.
Im Oktober 1997 wird über Walthers Bericht beraten mit dem Ergebnis, dass Walthers Warnungen stören. Er soll die kritischen Passagen in seinem Bericht verändern. Da es dafür aus seiner Sicht keine durchschlagenden Argumente gibt, weigert sich Walther dies zu tun.
Fünf Tage später bekommt er Post von seinem Auftraggeber. Er habe den Prüfauftrag falsch verstanden und sei mit sofortiger Wirkung vom Prüfungsauftrag entbunden. Sein Bericht verschwindet und die Bankmanager machen weiter. Neue, immer größere Immobilienfonds kommen auf den Markt und auch die zuständige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO ignoriert die Warnungen von Walther. Bis die Bank vor der Pleite steht (vgl. KONTRASTE, 22.08.2002).

Das Walther-Gutachten gelangt durch den Kontraste-Beitrag vom 22. August 2002 erstmalig an die Öffentlichkeit.

Der Aktienhandel:

Die Bankgesellschaft erleidet enorme Verluste mit schief gelaufenen Aktienhandel ein. Dabei werden Milliardenbeträge verloren. Diese Verluste sind auch in internen Controllingberichten der BGB sichtbar. Das ist einer der Gründe, warum die BGB unbedingt die Immobiliengeschäfte anheizen will. Denn durch die Staats- und Landesgarantien sind die Immobilien ein sicheres Geschäft, mit dem sehr viel Umsatz gemacht werden kann. Diese Umsätze braucht die Bank, da enorme Einbußen im konventionellen Bankgeschäft gemacht worden sind, die nichts mit Immobilen zu tun haben (vgl. INTERVIEW SCHÖNBALL, 21.05.08).

Der Aspekt des Aktienhandels wird von der Presse in der Berichterstattung über den Bankenskandal kaum aufgegriffen.

Die „Promifonds“:

Die Bankgesellschaft legt nicht-öffentliche Fonds auf, die ausschließlich einem kleinen Kreis von prominenten Personen angeboten werden. Zu den Zeichnern zählen diverse Vorstände der Teilbanken (zum Beispiel Wolfgang Steinriede und Klaus-Rüdiger Landowsky) und vieler anderer Banken (zum Beispiel Manfred Bodin). Auch Politiker und weitere wohlhabende Kunden zahlen ein. Als es jedoch zu Zahlungsschwierigkeiten bei den Fonds kommt, werden die Anleger nicht belastet. Stattdessen kauft die Bankgesellschaft die Anteile zurück oder übernimmt die Miete für leerstehende und unrentable Gebäude (vgl. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2004, S. 10).

In der Öffentlichkeit werden die „Promifonds“ im Februar 2001 durch verschiedene Artikel in der Berliner Zeitung bekannt.

[...]

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836619998
DOI
10.3239/9783836619998
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg – Design, Medien und Information, Studiengang Medien und Information
Erscheinungsdatum
2008 (Oktober)
Note
1,3
Schlagworte
bankgesellschaft medienskandal skandalisierung journalismus parlamentarischer untersuchungsausschuss
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Titel: 'Pleitegeier über der Hauptstadt': Eine Fallstudie zur Rolle der Medien bei der Aufdeckung des Skandals um die Berliner Bankgesellschaft
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