Küche als Lernort für naturwissenschaftliche Experimente und Grunderfahrungen
Theoretische Aspekte und erste praktische Erfahrungen
©2008
Bachelorarbeit
156 Seiten
Zusammenfassung
Inhaltsangabe:Problemstellung:
Die Banken stehen heutzutage vor der Herausforderung, dass die Kunden einerseits eine höhere Beratungsqualität, andererseits aber auch niedrigere Abwicklungspreise fordern. Diese Zielvorstellungen sind für die Banken mit dem traditionellen Vergütungssystem nicht vereinbar. Die meisten Institute bieten ihre Beratung im Mengenkundengeschäft bis dato kostenfrei an. Der Kunde nimmt die Leistung Beratung nicht als werthaltige Leistung wahr. Hier fehlt zum einen die Stofflichkeit, zum anderen ist es schwierig, eine qualitativ hochwertige Beratung zu messen. Kann die Honorarberatung für die Banken ein geeignetes Mittel sein, um auf immer anspruchsvollere und verschiedenere Kunden zu reagieren?
Die Beratung stellt einen sehr wichtigen Teil der Kunde-Bank-Beziehung dar. Diese birgt allerdings einen Interessenkonflikt. Der Kunde erwartet eine objektive Beratung seitens der Bank. Diese strebt jedoch den Absatz ihrer hauseigenen, für sie ertragreicheren Produkte an. Im Mengenkundengeschäft bieten die Banken standardisierte Leistungen an. Die Produkte der verschiedenen Anbieter unterscheiden sich kaum, da hier die dazu nötige Patentierfähigkeit fehlt. Dies erschwert es der Bank enorm, ein Alleinstellungsmerkmal zu generieren. Über die Beratungsqualität kann sich die Bank von den Mitbewerbern abheben. Sie stellt die einzige Chance dar, Heterogenität in den sonst sehr ähnlich angebotenen Leistungen und Produkten herzustellen. Um das Retail-Geschäft noch ertragreicher gestalten zu können, sind Optimierungen bei der Produktgestaltung, den Vertriebswegen und der Preissetzung zwingend erforderlich. Die Aktienkurseinbrüche von 2000 bis 2003 trugen unter anderem dazu bei, die Einstellung der Banken, sich in erster Linie auf kurzlebige Gewinne zu verlassen, zu überdenken. Das Geschäft muss wieder langfristig stabil und zu einem größeren Teil konjunkturunabhängig werden, um auf lange Sicht Erträge sichern zu können.
Der deutsche Bankenmarkt gilt als overbanked. Im Vergleich zum EU-Durchschnitt, der bei 2.500 Einwohnern pro Bankfiliale liegt, kommen in Deutschland 1.600 Bürger auf eine Filiale. Eine Verteilung von 3.000 bis 3.500 Einwohner pro Filiale gilt als betriebswirtschaftlich sinnvoll. Die immer geringer werdenden Margen des Massengeschäftes werden dadurch weiter geschmälert. Dennoch ist der Kampf um das deutsche Retail-Geschäft, unter anderem aufgrund seines Volumens, in den letzten Jahren enorm gestiegen. Die Zielgruppe […]
Die Banken stehen heutzutage vor der Herausforderung, dass die Kunden einerseits eine höhere Beratungsqualität, andererseits aber auch niedrigere Abwicklungspreise fordern. Diese Zielvorstellungen sind für die Banken mit dem traditionellen Vergütungssystem nicht vereinbar. Die meisten Institute bieten ihre Beratung im Mengenkundengeschäft bis dato kostenfrei an. Der Kunde nimmt die Leistung Beratung nicht als werthaltige Leistung wahr. Hier fehlt zum einen die Stofflichkeit, zum anderen ist es schwierig, eine qualitativ hochwertige Beratung zu messen. Kann die Honorarberatung für die Banken ein geeignetes Mittel sein, um auf immer anspruchsvollere und verschiedenere Kunden zu reagieren?
Die Beratung stellt einen sehr wichtigen Teil der Kunde-Bank-Beziehung dar. Diese birgt allerdings einen Interessenkonflikt. Der Kunde erwartet eine objektive Beratung seitens der Bank. Diese strebt jedoch den Absatz ihrer hauseigenen, für sie ertragreicheren Produkte an. Im Mengenkundengeschäft bieten die Banken standardisierte Leistungen an. Die Produkte der verschiedenen Anbieter unterscheiden sich kaum, da hier die dazu nötige Patentierfähigkeit fehlt. Dies erschwert es der Bank enorm, ein Alleinstellungsmerkmal zu generieren. Über die Beratungsqualität kann sich die Bank von den Mitbewerbern abheben. Sie stellt die einzige Chance dar, Heterogenität in den sonst sehr ähnlich angebotenen Leistungen und Produkten herzustellen. Um das Retail-Geschäft noch ertragreicher gestalten zu können, sind Optimierungen bei der Produktgestaltung, den Vertriebswegen und der Preissetzung zwingend erforderlich. Die Aktienkurseinbrüche von 2000 bis 2003 trugen unter anderem dazu bei, die Einstellung der Banken, sich in erster Linie auf kurzlebige Gewinne zu verlassen, zu überdenken. Das Geschäft muss wieder langfristig stabil und zu einem größeren Teil konjunkturunabhängig werden, um auf lange Sicht Erträge sichern zu können.
Der deutsche Bankenmarkt gilt als overbanked. Im Vergleich zum EU-Durchschnitt, der bei 2.500 Einwohnern pro Bankfiliale liegt, kommen in Deutschland 1.600 Bürger auf eine Filiale. Eine Verteilung von 3.000 bis 3.500 Einwohner pro Filiale gilt als betriebswirtschaftlich sinnvoll. Die immer geringer werdenden Margen des Massengeschäftes werden dadurch weiter geschmälert. Dennoch ist der Kampf um das deutsche Retail-Geschäft, unter anderem aufgrund seines Volumens, in den letzten Jahren enorm gestiegen. Die Zielgruppe […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Doreen Werner
Küche als Lernort für naturwissenschaftliche Experimente und Grunderfahrungen
Theoretische Aspekte und erste praktische Erfahrungen
ISBN: 978-3-8366-1998-1
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Fachhochschule Fulda, Fulda, Deutschland, Bachelorarbeit, 2008
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2008
Printed in Germany
3
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung ... 8
1.1
Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume
Baden-Württemberg ...8
1.2
Fragestellung der Arbeit ...8
1.3
Aufbau der Arbeit ...9
2.
Kooperation der Landesinitiativen ,,Be
Ki
" und ,,Blickpunkt Ernährung"
in Baden-Württemberg mit dem Staatlichen Seminar für Didaktik und
Lehrerbildung (GHS) Schwäbisch Gmünd ...11
2.1
Zwei Landesinitiativen mit Zukunft ... 11
2.1.1 BeKi
Bewusste Kinderernährung ... 11
2.1.2 Blickpunkt Ernährung ... 13
2.2
Staatliches Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (GHS)
Schwäbisch Gmünd ... 14
2.3
Ziele der Kooperation ... 15
2.4
Zusammenfassung ... 16
3.
Naturwissenschaftliche Experimente
Theoretische Aspekte ...17
3.1
Naturwissenschaftliches Arbeiten ... 17
3.1.1 Begriffsdefinitionen ... 17
3.1.2 Bedeutung ... 18
3.1.3 Zusammenfassung ... 21
3.2
Naturwissenschaftliche Experimente im Sachunterricht ... 22
3.2.1 Bildungsplan in Baden-Württemberg ... 22
3.2.2 Sachunterricht, Kompetenzfelder und Realität... 24
3.2.3 Zusammenfassung ... 27
3.3
Martin Wagenschein ... 28
3.3.1 Biographie ... 28
3.3.2 Genetisch-exemplarisch-sokratisches Entdecken ... 30
3.3.3 Zusammenfassung ... 35
3.4
Zusammenfassung ... 36
4
4
,,Küche als Lernort für naturwissenschaftliche Experimente"
Vorstellung der Stationen in Theorie und Praxis ...39
4.1
Vorgehensweise und Methodenwahl ... 39
4.2
Zielgruppe und Ziele ... 40
4.3
Aufbau der Stationen ... 41
4.3.1 Station Getränke ... 44
4.3.2 Station Gemüse ... 45
4.3.3 Station Obst ... 46
4.3.4 Station Kartoffeln ... 47
4.3.5 Station Getreide ... 47
4.3.6 Station Milch ... 48
4.3.7 Station Eier ... 48
4.3.8 Station Fett ... 49
4.4
Stationen in der Praxis
ein erster Erfahrungsbericht ... 50
4.4.1 Vorgehensweise ... 50
4.4.2 Bewertung SchülerInnen ... 51
4.4.3 Bewertung LehrerInnen ... 52
4.4.4 Diskussion der Ergebnisse ... 54
4.5
Zusammenfassung ... 56
5
Gender ...58
5.1
Begriffsklärung ... 58
5.2
Gibt es einen Ingenieurmangel in Deutschland? ... 61
5.2.1 Rolle der Frau in den Naturwissenschaften ... 61
5.2.2 Möglichkeiten zur Interessenförderung ... 64
5.3
Zusammenfassung ... 67
6
Resümee ...68
Abkürzungen ...71
Literaturverzeichnis ...72
Abbildungsverzeichnis ...80
Tabellenverzeichnis ...81
Anhang ...82
5
Vorwort
Vor zehn Monaten ging ich nach Baden-Württemberg, um an der Landesanstalt für
Entwicklung der Landwirtschaft und der Ländlichen Räume in Schwäbisch Gmünd im
Bereich Ernährungsinformation und Verbraucheraufklärung mein Praxissemester zu
absolvieren. Aus dem geplanten Aufenthalt von fünf Monaten wurde am Ende mehr
als ein halbes Jahr.
Meine anfänglichen Bedenken hinsichtlich der Arbeit für die Landesinitiative BeKi
wurden bald zerstreut. Das Thema bewusste Kinderernährung hat viele Facetten und
kann spannender kaum sein. Ohne die Förderung meiner Mentorin Frau Maria Wiest,
Leiterin für den Bereich Ernährungserziehung und -bildung an der LEL, und Frau Ma-
rianne Hahn, Fachleiterin MNK vom Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbil-
dung (GHS) Schwäbisch Gmünd, wäre diese Bachelorarbeit nicht möglich gewesen.
Meinen besonderen Dank schulde ich ebenso Herrn Prof. Dr. Christoph Klotter sowie
Frau Monika Bracht, die meine Arbeit (außer)universitär betreuten und mich mit Rat
und Tat unterstützten. Danken möchte ich aber auch meiner Familie sowie meinen
Freunden Anja, Anne, Lisa, Maren, Martin, Micha und Molke die mich bei der Erstel-
lung dieser Arbeit immer wieder ermutigt haben und die mir mit Geduld, Motivation
und Verständnis auch in schwierigen Situationen zur Seite standen. Desweiteren
möchte ich meiner Schwägerin Sabine für das Korrekturlesen danken.
Bei der Anfertigung der Bachelorarbeit habe ich mich um Verständlichkeit bemüht.
Die Kurzzusammenfassungen am Ende eines jeden Kapitels bzw. bei einigen Unter-
kapiteln geben einen Überblick über die wichtigsten Inhalte dieser Arbeit.
Grau ist alle Theorie. Schwarz ist die Praxis ohne Theorie!
(Heinrich Schulmann)
Doreen Werner
Rastenberg, im August 2008
6
Abstract
The latest PISA-Study describes the educational level in natural sciences as alarm-
ing. Many teachers see more hands-on experiments in the classroom as indispensa-
ble to improve the situation effectively.
Therefore, the
"Landes
anstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der Ländlichen
Räume
"
and the
,,
Staatliches Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (GHS) Schwä-
bisch Gmünd
" developed in a cooperative project
the learning stations
,,Küche als
Lernort für naturwissenschaftliche Erfahrungen"
(,,The Citchen as Science Clas
s-
room")
. Eight learning stations, taking up the foodcycle from the German food socie-
ty, will arouse the natural curiosity of chlidren as well as give teachers helpful sug-
gestions for incorporating student experiments in the educational course. Primary
school children are prying and so they make up an ideal target group.
The bachelor thesis consists of three major subject areas: The theoretical foundation
to the natural scientific experiments in general, which includes the presentation from
the educator Martin Wagenschein about his genetic learning and teaching. Next fol-
lows the presentation of the learning stations in theory and practical experience as
mainpart of this work. Beside the approach and the applied method in making this
learning stations, describe the target group and the objectives as well as the struc-
ture of the stations and a first field report at two primary schools in Baden-
Wuerttemberg. Finally the bachelor thesis gives an insight into the currently much
discussed gender topic and explores the question if there is a deficit in natural scien-
tists and specialists in Germany as well as which part the female sex play into the
natural sciences. How a promotion of interests in the natural sciences may prevent
such a deficit of specialists is shown with events like the Girls Day 2007.
Consequently the bachelor thesis taking up a current question in German education
policy and offers with his eight learning stations one possible answer to counteract
the wanting interest on natural sciences, enhance the educational level in this field
and avoid a skill shortage.
In spite of the narrow timeframe for the thesis work, experimental results and first
conclusions are presented. A systematic evaluation of the results will be part of future
work.
7
Die aktuelle PISA-Studie bezeichnete das naturwissenschaftliche Bildungsniveau
vieler SchülerInnen als besorgniserregend. Mehr Experimente in den Unterricht ein-
zubauen, wird von vielen Pädagogen als ein notwendiger Schritt zur nachhaltigen
Verbesserung angesehen.
Vor diesem Hintergrund entstanden in einem Kooperationsprojekt zwischen der Lan-
desanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der Ländlichen Räume und dem
Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (GHS) Schwäbisch Gmünd die
Stationen ,,Küche als Lernort für naturwissenschaftliche Erfahrungen". Mit den acht
Stationen, welche sich am Lebensmittelkreis der Deutschen Gesellschaft für Ernäh-
ru
ng orientieren, soll der ,,Forscher im Kinde" geweckt werden sowie LehrerInnen A
n-
regungen zum Einsatz von Schülerexperimenten im Unterricht gegeben werden.
Grundschulkinder sind neugierig und stellen eine ideale Zielgruppe der Stationen
dar.
Die Bachelorarbeit ist in drei größere Themenblöcke untergliedert: Im theoretischen
Teil zu den naturwissenschaftlichen Experimenten allgemein wird das Konzept des
Pädagogen Martin Wagenschein zum Genetischen Lernen und Lehren erläutert. Es
folgt die Vorstellung der Stationen in Theorie und Praxis, dem Hauptteil dieser Arbeit.
Neben der Vorgehensweise und der Methodenwahl bei der Erstellung der Stationen,
werden die Zielgruppen und Ziele ebenso dargestellt wie der Aufbau der Stationen
und ein erster Erfahrungsbericht an zwei baden-württembergischen Grundschulen.
Abschließend gibt die Bachelor-Arbeit einen Einblick in die zurzeit vieldiskutierte
Gender-Thematik und geht der Frage nach, ob es einen Mangel an naturwissen-
schaftlichen Fachkräften in Deutschland gibt sowie welche Rolle das weibliche Ge-
schlecht in den Naturwissenschaften einnimmt. Wie eine Förderung der Interessen
an den Naturwissenschaften einem Fachkräftemangel vorbeugen kann, wird mit Ak-
tionen wie dem Girls Day 2007 aufgezeigt. Somit greift die Bachelorarbeit eine ak-
tuelle Fragestellung in der Deutschen Bildungspolitik auf und bietet mit seinen acht
Lernstationen eine mögliche Antwort dem mangelnden Interesse an den Naturwis-
senschaften entgegenzuwirken und einem drohenden Fachkräftemangel vorzubeu-
gen.
Trotz der engen zeitlichen Begrenzung der Abschlussarbeit können bereits wichtige
Ergebnisse präsentiert und erste Auswertungen vorgestellt werden. Eine systemati-
sche wissenschaftliche Evaluation soll in einer weiteren Arbeit erfolgen.
8
1. Einleitung
1.1 Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen
Räume Baden-Württemberg
Die Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der Ländlichen Räume
Baden-Württembergs (kurz: LEL) ist dem baden-württembergischen Ministerium für
Ernährung und Ländlichen Raum (kurz: MLR), mit Sitz in Stuttgart, unmittelbar nach-
geordnet. Zu den wesentlichen Aufgaben dieses Bildungs- und Wissenszentrums
zählt die Beratung des Ministeriums sowie der unteren Landwirtschaftsbehörden in
deren Beratungs-, Bildungs- und Verwaltungsarbeit, ebenso die Durchführung von
fachlichen Fortbildungen für Bedienstete der Landwirtschaftsverwaltung sowie die
Erstellung von Arbeitsunterlagen.
Die LEL gliedert sich in fünf Abteilungen. Der Bereich Ernährung der Abteilung LLM
(Landesstelle für landwirtschaftliche Marktkunde) beinhaltet die beiden Landes-
initiativen ,,Be
Ki
Bewusste Kinderernährung
" und ,,Blickpunkt Ernährung"
. Die vor-
liegende Bachelorarbeit wurde im Rahmen einer Kooperation der Landesinitiative
,,Be
Ki
Bewusste Kinderernä
hrung" mit dem Grund
- und Hauptschullehrerseminar in
Schwäbisch Gmünd angefertigt.
1.2 Fragestellung der Arbeit
In jüngster Vergangenheit haben Studien wie PISA oder TIMSS ein eher ernüchtern-
des Bild des naturwissenschaftlichen Bildungsstandes deutscher SchülerInnen
1
be-
schrieben. Immer mehr Lehrkräfte wünschen sich zudem Hilfen und Anregungen für
eine praxisorientierte Umsetzung naturwissenschaftlicher Sachverhalte im Unterricht,
so die Aussage unserer Kooperationspartnerin vom Seminar. Für viele SchülerInnen
sind Playstation und Co. mittlerweile wichtiger als sich mit Alltagsdingen oder Natur-
phänomenen auseinanderzusetzen. Gerade Mädchen scheinen sich außerdem mit
den Naturwissenschaften weniger verbunden zu fühlen als das maskuline Ge-
schlecht. Doch woran liegt dies? Und stimmt es überhaupt, dass es einen Mangel an
naturwissenschaftlich orientierten Fachkräften, wie beispielsweise IngenieurInnen, in
der Bundesrepublik gibt?
1
Im Verlauf der vorliegenden Arbeit wird für eine bessere Lesbarkeit das ,,Binne
n-
I" benutzt. Das Wort
,,SchülerInnen" meint beispielsweise immer die Schüler und die
Schülerinnen.
9
Ziel dieser Arbeit soll es daher sein, in Kooperation mit dem Grund- und Hauptschul-
lehrerseminar in Schwäbisch Gmünd, eine Antwort auf die Frage zu finden:
Kann die Küche als Lernort für naturwissenschaftliche Erfahrungen im Sachunterricht
einen Beitrag zur Verbesserung der naturwissenschaftlichen Bildung und damit ver-
bunden das Interesse an naturwissenschaftlichen Fragestellungen insgesamt ver-
bessern?
1.3 Aufbau der Arbeit
Das folgende zweite Kapitel stellt die baden-württembergischen Landesinitiativen
,,Be
Ki
Bewusste Kinderernährung"
und
,,Blickpunkt Ernährung"
sowie das Staatliche
Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (GHS) Schwäbisch Gmünd kurz vor. Neben
den Aufgaben als Bildungs- und Kooperationspartner sollen die Ausgangssituation
und die Ziele dieser Arbeit aus Sicht der Kooperationspartner beschrieben werden.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem theoretischen Hintergrund des (natur-)
wissenschaftlichen Arbeitens. Neben einer allgemeinen Begriffserklärung wird der
Bildungsplan 2004 in Baden-Württemberg thematisiert sowie eine Einführung in die
Kompetenzfelder des Sachunterrichts gegeben. Die Durchführung naturwissen-
schaftlicher Experimente geht auf den Pädagogen Martin Wagenschein zurück, des-
sen genetisch-exemplarisch-sokratisches Lehren und Lernen im Folgenden konkreti-
siert wird.
Ausgehend von diesem Wissen wurden die Stationen
,,
Küche als Lernort für natur-
wissenschaftliche Erfahrungen
" e
rstellt. Die Vorgehensweise bei der Entwicklung der
Stationen, die Zielgruppen und Ziele, der Aufbau sowie ein praktischer Erfahrungsbe-
richt bilden das vierte Kapitel. Basierend auf den theoretischen Vorüberlegungen und
den praktischen Erfahrungen bei der Umsetzung der Stationen versucht die Bache-
lorarbeit die gewonnenen Erkenntnisse noch einmal zusammenzufassen und kritisch
zu hinterfragen.
Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit den Gender-Aspekten. Die Frage, ob es einen
Mangel an technisch-naturwissenschaftlichen Fachkräften in Deutschland gibt,
10
soll beantwortet werden. Desweiteren sollen die Möglichkeiten für eine Interessen-
förderung beim weiblichen Geschlecht aufgezeigt werden.
Im abschließenden sechsten Kapitel werden die Ergebnisse dieser Arbeit noch ein-
mal kurz zusammengefasst und ein Ausblick in die Zukunft gegeben.
2
2
Aufgrund der engen zeitlichen Begrenzung dieser Bachelorarbeit können an dieser Stelle zwar wichtige Er-
gebnisse präsentiert und erste Auswertungen vorgestellt werden. Eine systematische wissenschaftliche Evalua-
tion soll in einer weiteren Arbeit erfolgen.
11
2 Kooperation der
Landesinitiativen ,,Be
Ki
" und ,,Blickpunkt Ernährung" in
Baden-Württemberg mit dem Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrer-
bildung (GHS) Schwäbisch Gmünd
Als gebürtige Thüringerin hatte ich vor Beginn meiner Tätigkeit an der LEL noch
nichts von den beiden baden-württembergischen
Landesinitiativen ,,Be
Ki
" und ,,Blic
k-
punkt Ernährung" gehört.
Im folgenden Kapitel werden die Landesinitiativen kurz
vorgestellt und ihre Ziele näher erläutert.
2.1 Zwei Landesinitiativen mit Zukunft
2.1.1 BeKi
Bewusste Kinderernährung
BeKi ist die Kurzform für Bewusste Kinder-
ernährung und wurde bereits vor 27 Jahren vom
MLR gegründet. Unter dem Slogan
,,Fit essen
schmeckt
" soll Kindern geholfen werden,
die Vielfalt
der Lebensmittel kennen und schätzen zu lernen, gesundheitsbewusst zu essen und
zu trinken und zunehmend selbstständiger zu werden, um beispielweise die Körper-
signale von Hunger und Sättigung zu beachten.
Die Landesinitiative BeKi bietet in Tageseinrichtungen für Kinder, Schulen und in Er-
wachsenenbildungseinrichtungen Veranstaltungen durch Fachfrauen für bewusste
Kinderernährung an. Mit diesen Maßnahmen soll ein Beitrag zur Verbesserung der
Ernährungssituation von Kindern geleistet werden sowie Ernährungs- und Verhal-
tensrisiken vermieden werden. Zudem soll Eltern, Erziehern und Lehrern solides Er-
nährungswissen und Ernährungserziehungskompetenzen vermittelt werden. BeKi
orientiert sich an den Bildungsplänen für Kindergärten und Schulen und ist somit
auch anderen Bildungspartnern für Kooperationen offen. Die Zielgruppen von BeKi
sind zum einen Eltern mit Kindern zwischen einem halben und zwölf Jahren, Schüler
bis Klasse sechs, ErzieherInnen, LehrerInnen sowie hauswirtschaftliches Personal in
Kindertagesstätten. Alle Informationen sind seriös, wissenschaftlich abgesichert und
werbefrei.
BeKi verfügt über ein breitgefächertes Leistungsspektrum, bestehend aus zahlrei-
chen Medien zur Kinderernährung (Ringordner, Broschüren, Falt- und Arbeitsblätter,
Plakate etc.), Schulungsmaßnahmen für ErzieherInnen und LehrerInnen, Elternin-
formationsveranstaltungen, Unterrichtseinheiten für SchülerInnen, Aktionen, Ausstel-
Abb. 1:
,,Be
Ki
"
- Logo
12
lungen sowie die Schulung von Multiplikatoren (BeKi-Fachfrauen). Im Kleinkindbereich
informieren die Fachfrauen über die Einführung der Beikost, die Hinführung zur Fa-
milienkost, geben Hilfestellungen bei der praktischen Umsetzung und beantworten
Fragen zur Ernährungserziehung. Im Einsatzfeld Kindergarten steht neben Ernäh-
rungs- und Erziehungsthemen die Umsetzung der Ernährungserziehung im Kinder-
garten sowie im Elternhaus im Vordergrund. Im Rahmen der Erziehungspartner-
schaft soll die Bereitschaft der Bildungseinrichtung für die Integration eines
Konzeptes für gesunde Kinderernährung gefördert werden. In Kooperation mit den
Lehrkräften und in Abstimmung mit den Bildungsplänen werden in Schulen bestimm-
te Themen ausgewählt, dann mit den Schülern theoretisch besprochen und praktisch
umgesetzt. Ziel ist die Aufnahme guter Kinderernährung in das Schulprofil, um so ei-
ne Einheit aus Wissensvermittlung im Unterricht und erlebtem Verhalten bzw. Ver-
pflegungsangebot anzustreben. Zusätzlich werden für LehrerInnen Fortbildungen
und für die Eltern der SchülerInnen Informationsabende angeboten.
Die rund 270 Fachfrauen für Kinderernährung (Stand 2007) bilden die Hauptsäule
der baden-württembergischen Landesinitiative BeKi. Die meisten von ihnen besitzen
eine Berufsausbildung in einem hauswirtschaftlichen und/oder Ernährungsbereich
und befinden sich momentan in der Familienphase bzw. üben einen Beruf aus, der
ihnen genügend Freiraum für die BeKi-Einsätze lässt. Pro Kalenderjahr muss jede
Fachfrau mindestens zehn Einsätze nachweisen können. Der regionale Bedarf an
BeKi-Fachfrauen wird einmal jährlich im Januar durch die Unteren Landwirtschafts-
behörden der 35 Landkreise ermittelt. 2008 werden keine neuen Fachfrauen ausge-
bildet. Die ,,Karriere" einer Be
Ki-Fachfrau beginnt immer mit einem dreitägigen Ein-
führungsseminar des MLR sowie einer Hospitation bei einer aktiven BeKi-Fachfrau in
ihrem Landkreis. Im Anschluss daran muss die Fachfrau ein eigenes Konzept für ei-
ne Elternveranstaltung in einer Kindertageseinrichtung erstellen. Verläuft die Kon-
zeptbesprechung mit dem MLR erfolgreich, wird ein Vertrag mit dem Land Baden-
Württemberg abgeschlossen, sodass die neue Fachfrau für Kinderernährung nun
selbstständig Einsätze im Kindergarten planen und durchführen kann. In den kontinu-
ierlich angebotenen Fortbildungen des MLR erwerben die BeKi-Fachfrauen zusätz-
liche Qualifikationen (Kleinkindbereich, Schule bis Klasse sechs, ErzieherInnen- und
LehrerInnenfortbildung). Auf diesem Weg erhalten die BeKi-Fachfrauen regelmäßig
aktuelle Informationen aus den Bereichen Ernährung, Pädagogik und Persönlich-
13
keitsbildung. Um eine hohe Identifizierung mit dem Programmträger (MLR) zu errei-
chen und die Qualität des Informationsangebotes zu sichern sind eine intensive Be-
treuung vor Ort sowie eine laufende Weiterqualifikation erforderlich. Für die Fach-
frauen bedeutet dies pro Jahr mindestens zwei Besprechungen durch eine BeKi-
Betreuerin sowie mindestens zwei verpflichtende Weiterbildungsveranstaltungen.
Die Fachfrauen für bewusste Kinderernährung arbeiten freiberuflich und planen ihre
Veranstaltungen terminlich und inhaltlich (in Absprache mit den BeKi-Koordinator-
innen bei den Landratsämtern, Abteilung Untere Landwirtschaftsbehörde) selbst-
ständig. Entstehende Kosten für die Veranstaltungen werden vom MLR über-
nommen, während für Lebensmittel ein Kostenbeitrag von den Beteiligten erhoben
wird. Pro Jahr finden circa 6000 Veranstaltungen statt, davon allein in Schulen etwa
60 Prozent. Zum Leistungsumfang der Landesinitiative BeKi gehört unter anderem
die kostenlose Bereitstellung des Ringordners ,,Esspedition Kindergarten" bzw. ,,Es
s-
pedition S
chule" an alle Kindertagesstätten und Schulen in Baden
-Württemberg.
2.1.2 Blickpunkt Ernährung
Blickpunkt Ernährung ist die zweite Landesinitia-
tive des MLR in Baden-Württemberg. Sie bietet um-
fassende, neutrale und werbefreie Informationen
über das, was wir essen und trinken. Unter dem Motto ,,Vom Acker bis zum Teller"
basierend auf der Verbraucherschutzleitlinie der Europäischen Union
soll das Ver-
trauen der Verbraucher in die Lebensmittel und die Lebensmittelüberwachung ge-
stärkt werden. Ein weiteres Anliegen der Landesinitiative Blickpunkt Ernährung ist
das Wecken von Freude und Genuss an vielseitiger und schmackhafter Ernährung.
Zielgruppen sind neben Verbrauchern jeden Alters besonders Schulkinder, sozusa-
gen die Verbraucher von morgen. Das Leistungsspektrum von Blickpunkt Ernährung
umfasst Vorträge, Ausstellungen, Demonstrationen und Lernzirkel, schriftliche Infor-
mationen durch Printmedien sowie die Internetseite www.blickpunkt-ernaehrung-
bw.info. In jedem Jahr gibt es zudem Schwerpunktthemen
2007 war es die Kartof-
fel. Blickpunkt Ernährung schlägt somit einen Bogen von Themen aus der Landwirt-
schaft über den Verbraucherschutz, die Lebensmittelüberwachung, die Ernährung
und Gesundheit bis hin zur Hauswirtschaft und nicht zuletzt der Bildung. Die Landes-
Abb. 2
: Logo ,,Blickpunkt Ernährung"
14
initiative vermittelt grundlegende Kenntnisse über Anbau, Produktion, Verarbeitung
und Zubereitung unserer Lebensmittel. Nicht nur das Erkennen von Qualität der Le-
bensmittel, sondern auch die Zubereitung hochwertiger, wohlschmeckender Mahl-
zeiten wird thematisiert. Neben der gesundheitlichen Bedeutung der täglichen Mahl-
zeiten stehen die gesellschaftlichen Werte und die Erlebniswelt des Essens und
Trinkens im Mittelpunkt.
Das Herzstück der Landesinitiative Blickpunkt Ernährung bildet die Internetplattform
,,Infodienst Ernährung"
der Landwirtschaftsverwaltung Baden-Württemberg. Der In-
fodienst bietet aktuelle, unabhängige und kompetente Informationen zu den Rubri-
ken Warenkunde, Basiswissen Ernährung, Verbraucherschutz, Hygiene, Schulver-
pflegung und Unterrichtsmedien. Einmal im Monat erscheint zudem ein kostenloser
Newsletter. Dieser informiert registrierte Verbraucher per E-Mail über neue Artikel im
Infodienst sowie Veranstaltungen rund um das Thema Ernährung.
Die Unteren Landwirtschaftsbehörden an den Landratsämtern und die vier Ernäh-
rungszentren organisieren Veranstaltungen mit regionalen Produzenten, Lebens-
mittelhandwerk und -industrie, der Gastronomie, dem Handel sowie anderen regio-
nalen Partnern. Im Jahr 2006 wurden auf diese Weise in ganz Baden-Württemberg
fast 3000 Veranstaltungen durchgeführt. Ziel der Landesinitiative Blickpunkt Ernäh-
rung sind aufgeklärte Verbraucher, die beim Essen und Trinken eigenverantwortlich
handeln können und dadurch in der Lage sind ihre Gesundheit und Leistungs-
fähigkeit zu steigern.
2.2 Staatliches Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (GHS) Schwäbisch Gmünd
,,Im Jahre 1980 beschloss die
baden-württembergische Landesregierung, den Vorbe-
reitungsdienst für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen einzurichten
[...]"
und
errichtete 14
,,Staatliche Seminare für schulpraktische Ausbildung" flächende
ckend
im Land. (StaaoJa) Seit der Eröffnung des Grund- und Hauptschullehrerseminars am
Standort Schwäbisch Gmünd am 01. Februar 1981 konnten über 2000 Referenda-
rInnen ,,[...] ihre pädagogischen und didaktischen Kenntnisse, Erfahrungen und Fe
r-
tigkeiten, die sie während der ersten Ausbildungsphase an der Pädagogischen
Hochschule erworben haben, in engem Bezug zur Schulpraxis [...]" sowie auf der
Basis der jeweils gültigen Bildungspläne erweitern und vertiefen. (StaaoJa)
15
Als Bildungseinrichtung für LehrerInnen versteht sich das Staatliche Seminar als
,,lernende Organisation". (
StaaoJb) So bilden die Sicherung und Optimierung der
Qualität der Ausbildung, zum Wohl der SchülerInnen, das Leitbild des Seminars für
Didaktik und Lehrerbildung. (StaaoJb) Zu den zentralen Aufgaben in der Ausbildung
zählen folgende Aspekte:
Lernen, wie man Schülern ,,intelligentes Wissen" vermittelt sowie Hilfestellung
bei der selbstständigen Informationsbeschaffung;
Diagnosefähigkeit stärken
3
;
Qualifizierung für die Handlungskompetenz des Beobachtens und Beurteilens;
Konfliktbewältigung und Gewaltprävention;
Leseerziehung;
Ausbildung für Grundschulenglisch (StaaoJa).
Tab. 1: Zielsetzungen und pädagogische Schwerpunkte der Staatlichen Seminare für Didaktik
und Lehrerbildung an Grund- und Hauptschulen
(MinioJ, eigene Darstellung, siehe Anhang)
Die neue Prüfungsordnung, welche seit etwa drei Jahren gilt, bezieht die Schulpraxis
noch stärker ein, als bisher. (StaaoJ)
,,Der notwendige
Theoriehintergrund erhält die-
nende Funktion zur Begründung und Erklärung der Praxis". (
StaaoJa) Der Schweizer
Pädagoge Heinrich Schulmann unterstreicht dessen Bedeutung mit den Worten:
,,Grau ist alle Theorie. Schwarz ist die Praxis ohne Theorie." (
StaaoJa)
2.3 Ziele der Kooperation
Glaubt man den Daten der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in
Deutschland (kurz: KIGGS), so weisen viele Kinder und Jugendliche ein ungenügen-
des Ernährungsverhalten auf. (Stud07) Die weitreichenden Folgen eines vermehrten
Konsums von Lebensmitteln mit geringer Nährstoffdichte und geringem Sättigungs-
grad sind hinreichend bekannt und sollen an dieser Stelle auch nicht thematisiert
werden. Diese Daten bekräftigen die beiden Landesinitiativen allerdings in ihren Be-
mühungen, den Themen Ernährung und Ernährungserziehung einen festen Platz im
Lebensraum Schule sowie im Schulunterricht einzuräumen. Lehrkräfte können in
3
,,Ohne präzise Erfassung und Festlegung des jeweiligen Lernstandes bleibt der weitere Wissens
-
und Lernzuwachs instabil und die individuelle Förderung der Schüler vage". (
StaaoJa)
16
diesem Setting sowohl Veränderungen bei den Kindern, als auch in der Schule
(z.B. Pausenfrühstück, Mittagsverpflegung etc.) erreichen. Die Landesinitiative BeKi
möchte LehrerInnen in Baden-Württemberg in deren Bemühungen um eine gesunde
Ernährung von Kindern unterstützen und bietet hierzu praxisnahe Fortbildungen
4
an.
Jede Fortbildung bietet konkrete Umsetzungshilfen, die von den Lehrkräften unmit-
telbar für ihre Arbeit verwendet werden können.
Der Infodienst Ernährung der Landwirtschaftsverwaltung Baden-Württemberg bietet
zudem vollständig ausgearbeitete Lernzirkel zu zahlreichen Themen aus dem Ernäh-
rungssektor zum kostenlosen und werbefreien Download aus dem Internet.
2.4 Zusammenfassung
,,Be
Ki
" und ,,Blickpunkt Ernährung" sind zweifelsohne zwei Initiativen
, die noch viel
Potential haben und zukünftig vielleicht auch über die Landesgrenzen Baden-
Württembergs hinaus an Bedeutung gewinnen werden.
Allen voran hat sich
,,Be
Ki
"
zum Ziel gesetzt, den Bekanntheitsgrad als Bildungs- und
Kooperationspartner
5
weiter zu forcieren und die bereits bestehenden Netzwerke
auszubauen. Für Lehrkräfte bietet sich somit die Möglichkeit, kostenlos und werbefrei
Anregungen und Unterstützungshilfen (in Form von Arbeitsblättern, Literaturlisten,
etc.) für ihren Unterricht zu bekommen.
Die SchülerInnen erfahren beispielsweise die Küche als einen Lernort für natur-
wissenschaftliche Experimente und Grunderfahrungen. Durch die Vermittlung einfa-
cher Rezepte sollen die SchülerInnen lernen, allgemeine Küchenregeln abzuleiten
und diese in ihrer Alltagspraxis umzusetzen. Auf diese Weise werden ihnen die eige-
nen Stärken bewusst gemacht, Kompetenzen vermittelt und weiterentwickelt.
4
Bisherige Angebote für LehrerInnenfortbildungen umfassen
folgende Themen: ,,Wir werden Ernä
h-
rungsexperten"; ,,Blickpunkt Ernährung: Kartoffel, Gemüse, Getreide, Milch"; ,,Essen und Trinken im
Lebensort Schule"; ,,Powertage an unserer Schule: Ernährung und Bewegung".
5
BeKi als Kooperationspartner für Lehreraus- und Lehrerfortbildungsinstitutionen. Im Rahmen einer
solchen Kooperation mit dem Grund- und Hauptschullehrerseminar in Schwäbisch Gmünd ist das Mo-
dul ,,Küche als Lernort für naturwissenschaftliche Experimente" entstanden.
17
3 Naturwissenschaftliche Experimente
Theoretische Aspekte
,,In der heutigen technologiebasierten Gesellschaft sind das Verständnis grundlegen
-
der naturwissenschaftlicher Konzepte und Theorien sowie die Fähigkeit, naturwis-
senschaftliche Probleme zu strukturieren und zu lösen wichtiger den
n je." (OECD07,
S. 18) Zudem ist der prozentuale Anteil der SchülerInnen, die sich für ein naturwis-
senschaftliches Studium entscheiden in einigen OECD-Ländern in den vergangenen
15 Jahren deutlich gesunken. (OECD07) Vor diesem Hintergrund gibt das dritte Kapi-
tel zunächst eine kurze Einführung in das naturwissenschaftliche Arbeiten allgemein,
leitet anschließend zum Bildungsplan 2004 in Baden-Württemberg über und vermit-
telt eine Vorstellung über die Kompetenzfelder des Sachunterrichts. Das Kapitel
schließt mit einem Einblick in Martin Wagenscheins Genetisches Lehren ab.
3.1 Naturwissenschaftliches Arbeiten
Im folgenden Abschnitt sollen die Begriffe (Natur-)Wissenschaft, wissenschaftliches
Arbeiten und wissenschaftliche Experimente sowie deren Bedeutung kurz erläutert
werden.
3.1.1 Begriffsdefinitionen
Laut Enzyklopädie ist Wissenschaft
der ,,Inbegriff dessen, was überlieferter Bestand
des Wissens einer Zeit ist, v.a. der Prozess methodisch betriebener Forschung und
der Lehre als Darstellung der Ergebnisse und Methoden der Forschung". (Fr
Pa06) In
diesem Sinne meint Wissenschaft
die ,,[...] (
organisierte) Form der Erforschung,
Sammlung und Auswertung von Kenntnissen".
(
Definition nach Pfeifer: Etymologi-
sches Wörterbuch, dtv, München 5. Auflage 2000, S.1575 in BKSS08)
,,
Naturwissenschaften, Überbegriff für die einzelnen empirischen Wissenschaften
[...]
, die sich mit der systematischen Erforschung der belebten und unbelebten Natur
bzw. Materie sowie dem Erkennen von Naturgesetzen
befassen"
so lautet die Defi-
nition der Naturwissenschaften im Lexikon der Biologie. (SaFr02, S. 512) Man unter-
scheidet ,,[...]
in die exakten Naturwissenschaften (Astronomie, Chemie, Geologie
[...] und
Physik sowie deren
[...]
Teildisziplinen) und in die biologischen Naturwis-
senschaften (Bio
wissenschaften [...] mit sämtlichen Teildisziplinen sowie die
Bio-
chemie und Biophysik als Verbindungsglied zu den exakten Naturwissenschaften)
"
.
18
(SaFr02, S. 512f) Infolge der ansteigenden Notwendigkeit interdisziplinären For-
schens verliert diese Unterteilung zunehmend an Bedeutung. (SaFr02)
Der vom lateinischen
,,experiri" (dt.: versuchen, prüfen, erproben)
stammende Begriff
des Experiments
meint ,,[...] einen planmäßigen und kontrollierten Versuch zur Übe
r-
prüfung einer Fragstellung oder zur Aufklärung eines unklaren Sachverhalts."
(Meye07b, S. 313)
,,
Wissenschaftliches Arbeiten ist (ein) planvoll geordnetes Vorgehen mit dem Ziel,
neue Erkenntnisse und neues Wissen zu gewinnen sowie Praxisprobleme zu lösen
"
.
(BKSS08) Die Ergebnisse dieses Prozesses müssen für Dritte reproduzierbar, nach-
vollziehbar und nutzbar sein. (Boeg07, EbBG06, FrPa06, BKSS08) Die verwendeten
Quellen und Bezüge (auf andere WissenschaftlerInnen), in diesem systematisch ge-
gliederten Text, werden dem Leser offengelegt. (Boeg07, EbBG06, FrPa06)
,,
Wis-
senschaftliches Arbeiten ist zu gleich ein kommunikativer Prozess
"
. (BKSS08)
,,Das
Schreiben
ist ein Dialog, bei dem [...] sich [...] (der) Schreibende
im Vergleich zum
gesprochenen Dialog
umso deutlicher [...]" ausdrücken muss. (Eb
BG06, S. 37)
Wichtig ist, den Text auch aus der Ferne auf sich wirken zu lassen. (Boeg07,
EbBG06, FrPa06)
Der Text sollte daher ,,[...] nicht nur auf seine innere Logik und
Struktur hin, sondern auch auf seinen Klang
" überprüft werden. (Eb
BG06, S. 37) Oh-
ne
,,
Schreibkontakt
"
geht nicht nur schnell die Lust am Lesen verloren, der Leser wird
zudem verwirrt und es werden mehr Fragen als Antworten produziert. (Boeg07,
EbBG06, FrPa06)
3.1.2 Bedeutung
,,In der Wissenschaft wird Wissen erworben, vermehrt und weiter gegeben".
(BKSS08) Das transportierte Wissen wird interdisziplinär, interkulturell und weltweit
weitergegeben. (BKSS08) Die Wissenschaften werden anhand unterschiedlicher
Gesichtspunkte eingeteilt:
dem Ziel nach in theoretische (,,reine") Wissenschaften oder angewandte
(,,praktische") Wissenschaften;
dem Gegenstand nach in Natur- und Geisteswissenschaften (Geschichte, Phi-
lologie, Philosophie, Psychologie, Theologie, Staats- und Rechtswissen-
schaft, Wirtschaftswissenschaft, Kunstwissenschaft u. a.);
19
der Methode nach in empirische oder Erfahrungswissenschaften (durch plan-
mäßige Beobachtung, Hypothesenbildung und Experiment gekennzeichnet,
v. a. Naturwissenschaften, empirische Sozialforschung), in axiomatische oder
rationale Wissenschaften (z. B. Mathematik, Logik) und Geisteswissenschaft-
en (Deutung individueller Phänomene, Bedeutungszuweisung, Sinnver-
stehen; Hermeneutik). (Meye07d)
,,Die Aufgabe der Naturwissenschaften liegt
nicht mehr nur darin, die Erscheinungen
und Vorgänge der Natur sowie ihre Gesetzmäßigkeiten zu erforschen und zu be-
schreiben, sondern auch im Rahmen der angewandten Wissenschaften (z.B. Agrar-
wissenschaften, [...] Ernährungswissenschaft [...]) die gewonnenen Er
kenntnisse
dem Menschen allgemein nutzbar zu machen". (Sa
Fr02, S. 513)
,,
Denn nur wertvol-
les und nach wissenschaftlichen Kriterien geprüftes Wissen soll nutzbar gemacht
werden
"
. (BKSS08)
Seit
6
jeher wird gefordert, ,,[...] im Unterricht zu experimentieren, um
so die Neugierde
der Schüler zu wecken, um ihre Beobachtungsfähigkeit zu schulen, um ihnen einen
Einblick in (naturwissenschaftliche) Forschungsmethoden zu geben usw.".
6
Die wenigsten Forscher halten sich an
dieses strenge Ablaufschema, ,,[...] doch es ist in der natu
r-
wissenschaftlichen Forschung ein Routineprozess, Hypothesen aufzustellen und sie anschließend zu
überprüfen".
(CaRM06, S. 19)
Beobachtung
Abb. 3
: Schema der naturwissenschaftlichen Methode (Quelle: CaRM06, S. 19)
6
Frage
Hypothese
Vorhersage
Überprüfung
(experimentell oder durch zusätzliche Beobachtungen)
Überprüfung bestätigt
Hypothese nicht:
Sie muss revidiert oder
eine neue Hypothese
muss erstellt werden
Überprüfung bestätigt
Hypothese:
Nun können weitere
Vorhersagen getroffen
und überprüft werden
20
(Meye07b
, S. 313) Da die in der Wissenschaft durchgeführten Experimente, ,,[...] mit
den in den Schulen praktizierten Experimenten häufig
wenig gemein" haben, em
p-
fiehlt Meyer (2007b, S. 313) eine begriffliche Abgrenzung vorzunehmen.
Das Forschungsexperiment
im klassischen Sinne ,,[...] bezieht sich auf die planm
ä-
ßige Erforschung naturwissenschaftlicher, insbesondere physikalischer und chemi-
scher Gesetzmäßigkeiten [...]". (Meye07
b, S. 313f) Auf Grundlage dieser Experimen-
te, ,,[...] in der die durch die menschliche Ve
rnunft ausgedachten Gesetze zur
Richtschnur für die Durchführung der Experimente gemacht werden" entstand fo
l-
gender, idealtypischer Ablauf eines Unterrichtsexperiments:
1. Sachbegegnung (beobachten, staunen, sich äußern)
2. Problemgewinnung, mögliche Lösungen antizipieren (Hypothesen bilden)
3. Plan zur Überprüfung (Experiment planen)
4. Durchführung des Experiments
5. Folgerungen, Ergebnisse (Verifikation, Falsifikation)
6. Verallgemeinerung der Ergebnisse, Abstraktion (versprachlichen, dokumentie-
ren, kommunizieren, anwenden)
(Quelle: Meye07b, S. 314, Staatliches Seminar für Didaktik und Lehrerbildung
(GHS) Schwäbisch Gmünd)
EXPERIMENT
Forschungsexperiment
Unterrichtsexperiment
Forschungsexperiment
Freies experimentieren
Lehrer-
experi-
ment
Schüler-
experi-
ment
Naturwissenschaften
Technik
Sozialwissenschaften
Technisches experi-
mentieren
Ausprobieren nach dem
Versuch-und-Irrtum-
Schema
Einführungsexperiment
Anwendungs-, Kontroll- oder
Bestätigungsexperiment
Selbsterfahrungsexperiment
Unterschiedliche didaktische
Funktionen und Ziele:
Abb. 4
: Experimentieren (Quelle: Meye07b, eigene Darstellung)
21
Experimente im Unterricht erfüllen ,,[...] je nach Anlass, Gegenstand und Durchfü
h-
rungsmodalitäten [...]" unterschiedliche Aufgaben. (Meye07
b, S. 316) Als Einstiegs-
oder Einführungsexperiment
sollen sie ,,[...] die Neugier und Fragehaltung der Sch
ü-
ler wecken" und dienen ,,[...] als relativ selbstständige Experimentier
- und Entde-
ckungstätigkeit der Schüler dem Ausforschen von Objekteigenschaften, von Bezie-
hungen u
nd Strukturen [...]". (Meye07
b, S. 316f) Einführungsexperimente werden
daher häufig von Lehrern zur ,,[...] Demonstration eines natur
- oder sozialwissen-
schaftlichen Sachverhalts [...]" verwendet. (Meye07
b, S. 320) Als Kontroll- oder Be-
stätigungsexperimente unters
tützen sie die ,,[...] Überprüfung vorher aufgestellter
Hypothesen über gesetzmäßige Beziehungen [...]". (Meye07
b, S. 317)
,,Auch hier ist
das Ausmaß der Lehrerlenkung zumeist hoch [...] die Chancen der Schüler, sich am
Versuchsaufbau und an der Durchführung [...] zu beteiligen, [...] (sind) doch deutlich
höher." (Meye07
b, S. 322) Selbsterfahrungsexperimente im sozialen Raum gibt es
,,[...] im Grenzgebiet zwischen kontrollierten Experimenten und freiem Erkunden
[...]". (Meye07
b, S. 317)
,,Was immer in den Naturwissenschaft
en gemessen, gefunden, erfunden oder theo-
retisiert wird
es verdient nicht, entdeckt zu werden, wenn es nicht anderen mitge-
teilt
wird". (Eb
BG06, S. 3) Indikatoren für die wissenschaftliche Qualität von Texten
sind in der einschlägigen Literatur (Boeg07, EbBG06, FrSt03, FrPa06, BKSS08) zu
finden und sollen an dieser Stelle deshalb nicht weiter vertieft werden.
3.1.3 Zusammenfassung
Die Erfolge der Naturwissenschaften prägten nicht nur das heutige Weltbild, sie führ-
ten ebenso ,,[...] über weite Strecken des 19. und 20. Jahrhunderts
(zu einem) wirk-
samen Fortschrittsoptimismus
". (
Meye07d) Angesichts
ökologischer Schäden ,,[...]
durch die wissenschaftlich-technische Zivilisation und der schwer abzuschätzenden
gesellschaftlichen Risiken wissenschaftlich-
technischer Entwicklungen [...]" geriet
dieses Denken in den letzten Jahrzehnten jedoch in eine Krise. (Meye07d)
,,AIDS
[...], Waldsterben [...], Arbeitslosigkeit trotz Reichtum, Nord
-Süd-Konflikt und vieles
mehr lehren, dass der wissenschaftlich-technische Fortschritt immer zwiespältige
Folgen zeitigt". (Meye07
b, S. 315)
22
Um die Erfolge und Ergebnisse der Naturwissenschaften zu verbreiten und für ande-
re ,,Wissensarbeiter" nutzbar zu machen
, ist und bleibt die Sprache das wichtigste
Ausdrucksmedium von Wissenschaftlern, sei es nun gesprochen oder geschrieben.
(Vgl. EbBG06, BKSS08) Mittels bewegter oder stehender Abbildungen und Grafiken
lässt sich zwar eine geschickte Steigerung der Effekte eines Vortrages erzielen, ohne
sprachliche Interpretation wird allerdings eher eine Debatte ausgelöst werden, als die
Zuflucht schlechter Referenten in ihre ,,für sich selbst sprechenden Bilder".
(OsteoJ) Jeder, der sich bei der Anfertigung einer wissenschaftlichen Arbeit daran
orientiert
, ,,[...]
kann auf diese Weise die Qualität seiner Arbeit für sich und andere si-
chern und dazu beitragen, den Wissensschatz der Welt zu erweitern
"
. (BKSS08)
Kurzum: Wissenschaftliches Schreiben bedarf der Anleitung, ist lernbar und lässt
sich üben. (Vgl. Boeg07, EbBG06, FrSt03, FrPa06)
3.2 Naturwissenschaftliche Experimente im Sachunterricht
,,Der Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik (MINT) wurde la
n-
ge Zeit für Mädchen als weniger wichtig angesehen, sodass in Mädchengymnasien
[...]
erst mit der Einführung der Koedukation [...] das gleiche Curriculum
7
für alle ver-
bindlich" wurde. (G
IKP04, S.415)
Dieser Abschnitt stellt den aktuellen Bildungsplan in Baden-Württemberg aus dem
Jahr 2004 in den Vordergrund. An die Vorstellung des Bildungsplans in seinen
Grundzügen schließt sich die Darstellung des Sachunterrichtes mit den verschie-
denen Kompetenzfeldern an. Das Kapitel endet
mit einer Stellungnahme eines Pä-
dagogen an einer baden-württembergischen Realschule.
3.2.1 Bildungsplan in Baden-Württemberg
,,Dieser Bildungsplan 2004 ist das Ergebnis e
i-
ner mehrjährigen intensiven Vergewisserung
über Inhalte und Standards schulischer Bil-
dung, die zu einer anregenden und motivie-
renden Lernkultur für Schülerinnen und Schüler
beitragen und die Qualität schulischer Arbeit weiterentwickeln", so die einführenden
Worte der damaligen Ministerin für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-
7
Synonym für Lehrplan.
Abb. 5:
Bildungspläne in Baden-Württemberg
(Quelle: LandoJa)
23
Württemberg Dr. Annette Schavan zum Bildungsplan 2004. (Auszug aus dem Vor-
wort zum ,,Bildungsplan 2004 Grundschule" vom Ministerium für Kultus, Jugend un
d
Sport Baden-Württemberg 2004)
Die Ziele der Bildungsplanreform 2004 waren neben dem Wunsch nach weniger
staatlichen Vorgaben
oder anders formuliert, größere Freiräume für die Schulen
,
eine Stärkung von Grundlagenwissen und Allgemeinbildung sowie die Konzentration
auf das Wesentliche. (LandoJc) Das heißt vor allem weniger Stofffülle und weniger
Spezialisierung. (LandoJc) Im Unterschied zu früheren Bildungsplänen gibt es keine
Vorschriften mehr, was unterrichtet werden soll, sondern nur noch, welche Kompe-
tenzen die SchülerInnen erreichen sollen. (LandoJa)
,,Hiermit wird
ein Wechsel von
einer Input- zu einer
Outputsteuerung voll-
zogen".
(LandoJa)
Die
Bildungsstan-
dards
beschreiben
die (über-) fachlichen
Kompetenzen,
die
nach den jeweiligen
Bildungsabschnitten
erreicht sein sollten. (LandoJc) Diesen fachlichen, sozialen, personalen und metho-
dischen Kompetenzen der
SchülerInnen ,,[...] sin
d in Form eines Kerncurriculums In-
halte zugeordnet, die so ausgewählt sind, dass sie in rund zwei Dritteln der verfügba-
ren Unterrichtszeit erarbeitet werden können".
(LandoJa) Das Schulcurriculum, für das
rund ein Drittel der verfügbaren Unterrichtszeit zur Verfügung steht, enthält fächer-
übergreifende und profilbildende Elemente.
(LandoJc) Zudem vertieft und erweitert es
das Kerncurriculum, indem es
,,[...] einzelne Fächer und Fächerve
rbünde miteinander
im Sinne des
fächerverbindenden Unterrichts [...]" vernetzt
und das projektorientierte
Lernen und Arbeiten der Kinder und Jugendlichen fördert.
(LandoJa) Die in den Bil-
dungsstandards geforderten Kompetenzen können erst durch das Zusammenspiel von
Kern- und Schulcurriculum erreicht werden.
(LandoJa, LandoJc)
Abb. 6:
Kern- und Schulcurriculum (LandoJa, LandoJc)
24
3.2.2 Sachunterricht, Kompetenzfelder und Realität
Nach Kaiser (2006, S. 3) ist Sachunterricht
,,[...] di
e am weitesten verbreitete Fach-
bezeichnung für den allgemein bildenden Unterricht in Grundschulen und Sonder-
schulen" in Deutschland. ,,Seine zentrale Aufgabe ist es, eine fundierte Orientierung
für das gegenwärtige und zukünftige Leb
en der Kinder in ihrer Welt zu leisten".
(Kais06, S. 3) Der Sachunterricht ist in einzelne Lernbereiche untergliedert und be-
tont ,,[...]
naturwissenschaftliches, technisches und sozialkundliches Wissen
[...]
der
Kinder
"
. (Meye07c)
Kompetenzen sind die Fertigkeiten, die SchülerInnen besitzen müssen, um neuen
Anforderungssituationen gewachsen zu sein. (Kais06, LehroJ) Kompetenzerwerb
dient somit der Bildung der Gesamtpersönlichkeit der SchülerInnen. (LehroJ)
,,Das
übergeordnete Ziel der grundlegenden Bildung bestimmt Auswahl, Umfang und Ver-
tiefungsgrad der zu behandelnden Inhalte in direktem Bezug zu Kinderfragen und ak-
tuellen Lebenssituationen".
(LehroJ) Kompetenzen, Inhalte und Methoden dürfen
nicht losgelöst voneinander betrachtet werden.
(LehroJ)
,,Die den einzelnen Komp
e-
tenzfeldern zugeordneten verbindlichen Inhalte sind so miteinander vernetzt, dass
übergreifende Zusammenhänge erfassbar werden".
(LehroJ)
Beispiel für den Sachunterricht in Grundschulen:
Im Fächerverbund Mensch, Natur und Kultur (MeNuK)
,,[...]
werden bildungsbedeut-
same Themen aus der Lebenswirklichkeit in neun Kompetenzfeldern gegliedert
" und
,,d
en zentralen Be
reichen der Lebenswirklichkeit ,Menschliches Leben, ,
Kultur-
phänomene und Umwelt
sowie ,
Naturphänomene und Technik
[...]
jeweils drei
Kompetenzfelder zugeordnet
"
:
(LehroJ)
MENSCHLICHES LEBEN
Wer bin ich
was kann ich: Kinder entwickeln und verändern sich, stellen sich dar
Ich
du
wir: zusammen leben, miteinander gestalten, voneinander lernen
Kinder dieser Welt: sich informieren, sich verständigen, sich verstehen.
KULTURPHÄNOMENE UND UMWELT
Raum und Zeit erleben und gestalten,
Heimatliche Spuren suchen und entdecken,
Mensch, Tier und Pflanze: staunen, schützen, erhalten.
25
NATURPHÄNOMENE UND TECHNIK
Natur macht neugierig: forschen, experimentieren, dokumentieren,
Erfinderinnen, Erfinder, Künstlerinnen, Künstler, Komponistinnen und Komponisten
entdecken, entwerfen und bauen, stellen dar,
Energie, Materialien, Verkehrswege: vergleichen und bewusst nutzen.
(Eine detaillierte Auflistung aller Kompetenzen sowie deren Inhalte zu den einzelnen Kompetenz-
feldern sind im baden-württembergischen Bildungsplan 2004 Grundschule nachzulesen.)
,,[...] das jeweils
erste Kompetenzfeld (geht) vom
,
Ich
[...] (aus). Das Kind als Indiv
i-
duum, sein Leben und Lernen als Schulkind, seine persönliche Bedeutung wird in
den Mittelpunkt gestellt. Im jeweils zweiten Kompetenzfeld rückt das Kind als Mit-
glied der Gemeinschaft in den Mittelpunkt. SchülerInnen können hier Fragen von
kommunikativer, lokaler oder kommunaler Bedeutung für sich klären. Im jeweils drit-
ten Kompetenzfeld begegnet das Kind als künftiger Bürger der einen Welt Schlüs-
selfragen des Lebens. Es erfolgt eine Ausweitung auf Probleme von globaler Bedeu-
tung, wobei die Zugehensweise aus der Erfahrungswelt der SchülerInnen erhalten
bleibt
"
. (LehroJ) Durch die unterschiedliche Gewichtung bedingen und ergänzen sich
die durch unterschiedliche fachliche Zugangsweisen integrativ verbunden Kompe-
tenzfelder.
(LehroJ) Die Kompetenzfelder beinhalten ebenso eine verbindliche Aus-
wahl von Experimenten und Versuchen.
(LehroJ)
Doch wie gestaltet sich an dieser Stelle die Wirklichkeit zwischen verbindlichen und
tatsächlich im Unterricht durchgeführten Experimenten? Hierzu ein Auszug aus ei-
nem Briefwechsel
zum Thema ,,Experimente im Unterricht"
mit dem Diplom Pädago-
gen Herrn Michael Krigar
8
:
Frage: Kennen Sie Martin Wagenschein? Wenn ja, was halten Sie von seinem An-
satz zum Genetischen Lernen?
Krigar: Da ich Physik studiert habe, erübrigt sich wohl die Frage, ob ich Wagenschein
kenne. Und mit dem Lernen ist das so eine Sache: Einige Schüler (laut Untersu-
chungen circa 30 Prozent) sind an der Realschule fehl am Platz. Denen kann man
bieten, was man will und wie auch immer man es aufbereitet hat: Es reicht einfach
8
Michael Krigar, geboren 1971, studierte an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg. Seit einigen Jahren
unterrichtet er an der Realschule Mutlangen die Fächer Physik, Naturwissenschaftliches Arbeiten, Technik und
Sport und ist als Lehrbeauftragter am Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Realschulen) in
Schwäbisch Gmünd tätig.
26
vom Intellekt her nicht allzu weit. [...] Die Herren mit den grauen Theorien, die diese
an ihrem Schreibtisch entwickeln
und selten bis gar nicht erproben, [...] sehen das
natürlich anders.
Frage: Wie gestaltet sich die Durchführbarkeit von Experimenten im Unterricht be-
züglich Zeit, Materialaufwand, Klassenstärke etc.?
Krigar: Wer im Unterricht Experimente macht, belebt den Unterricht durch die Kom-
ponenten Schüleraktivität, Handlungsorientierung, Motivation und Anschaulichkeit.
Grundsätzlich sollten diese Kriterien beim Unterrichten im Vordergrund stehen; das
heißt: Experimente und Schülerversuche so viele wie möglich, aber nicht um des
Selbstzweckes willen. Stunden mit Versuchen brauchen jedoch eine längere Vorbe-
reitungszeit. Entscheidend ist auch, was der Sammlungsraum so hergibt. Bei Klas-
senstärken von 30 und mehr wird zumeist in 4er-Gruppen gearbeitet; größere Grup-
pen sind nicht sinnvoll; kleinere wären wünschenswert, aber unrealistisch.
Frage: Wie werden die Experimente von den Schülern angenommen?
Krigar: Lehrer-Experimente werden von den Schülern ausnahmslos gut angenom-
men: Als Schüler kann man sich dann bequem zurücklehnen, sich bespaßen lassen
und braucht selbst nichts tun. Das kennen die Schüler vom Fernsehen zu Hause.
Möglichst lange soll dann natürlich das Experiment gehen, immer in der Hoffnung, es
explodiert etwas oder so ähnlich, oder der Lehrer verbrennt sich zumindest den klei-
nen Finger am Streichholz, denn dann hat man was zu lachen.
Frage: Wie ist Ihre eigene Meinung zum Thema ,,Experimente im Unterricht"? We
l-
che Erfahrungen (gute und oder schlechte) haben Sie (oder Kollegen) gemacht?
Krigar: Viele Schüler kommen mit der Erwartungshaltung in die (NWA-/Physik-)Stunde,
dass immer ein Experiment stattzufinden hat. Dass ein Experiment als Methode als
"Mittel zum Zweck" rangiert, entzieht sich ihrer Kenntnis. Diese Unkenntnis ist ihnen
jedoch nicht übel zu nehmen aber wohl dadurch zu erklären, dass KollegInnen mit
wenig Sach- und Methodenkenntnis in einem fachfremd unterrichteten Fach das Ex-
periment als "Selbstläufer" betrachten. Das geistige Konstrukt und die Auswertung
aus dem Beobachteten wird unter den Tisch fallen gelassen.
Frage: Wenn Sie ein Fazit ziehen müssten, wie würde dies aussehen?
Krigar: Hauptsache, es "hat Spaß gemacht"!
27
3.2.3 Zusammenfassung
,,Die Bildungsplanreform 2004 hat sich [...] (zum) Ziel gesetzt: die Vermittlung perso
-
naler, sozialer, methodischer und fachlicher Kompetenzen zu gewährleisten, (das)
Grundlagenwissen und (die) Allgemeinbildung zu stärken, die Schul- und Unter-
richtskultur an den Schulen des Landes grundlegend zu verändern sowie die Qualität
von Schule und Unterri
cht zu verbessern und nachhaltig zu sichern".
(LandoJb) Die
mit der Einführung von Bildungsstandards verbundene Neustrukturierung der schul-
artspezifisch gestalteten Bildungspläne, zu Beginn des Schuljahres 2004/05, soll die
Vergleichbarkeit der Ergebnisse erleichtern. (Stef07)
,,Durch diese meist im Zweija
h-
resrhythmus ausgewiesenen Standards geben die Bildungspläne vor, welche Kom-
petenzen die Schüler bis zum Ende der jeweiligen Klassenstufe erlangt haben müs-
sen".
(Stef07)
Zwischen Theorie und Wirklichkeit scheint sich jedoch eine Lücke zu offenbaren. Wie
aus dem Gespräch mit dem Diplom Pädagogen Herrn Krigar ersichtlich wird, schei-
tern die gu
t gemeinten ,,grauen Theorien"
noch zu häufig an ihrem Bestimmungsort
in der Schulpraxis. Zu große Klassen, zu wenig Zeit und einige andere Faktoren, las-
sen den Einsatz von Experimenten im Unterricht immer wieder ins stocken geraten.
28
Abb. 7: Martin Wagenschein (DoMP06)
3.3 Martin Wagenschein
Der Mathematik- und Physiklehrer Martin Wagenschein wurde durch das von ihm
formulierte ,,Genetische Lernen" unter den Pädagogen sehr bekannt.
(Elsc07) Für-
sprecher und Kritiker seiner Theorie halten sich bis heute die Waage. Neben dem
Leben und Wirken Wagenscheins, befasst sich dieses Kapitel unter anderem mit
dem genetisch-exemplarisch-sokratischen Lernen.
3.3.1 Biographie
Martin Wagenschein wurde am 03. Dezember 1896 in
Gießen geboren. (DoMP06) Er studierte zunächst in
Gießen und Freiburg (im Breisgau) die Fächer Ma-
thematik, Physik und Geographie. (EiKooJ, Rump02)
In seiner pädagogischen Autobiographie schrieb Wa-
genschein: ,,Das Studium
in Gießen
eröffnete mir
Mathematik und Didaktik zugleich. Ich erfuhr an mir,
wie Mathematik sich durch den einen Lehrer eröffnen
und durch einen anderen verschließen
kann."
(DoMP06) Nach seiner Promotion in Physik und der Heirat mit Wera Biermer wurden
die zwanziger Jahre ,,[...] eine Zeit entscheidender pädagogischer Erfahrungen"
für
Wagenschein. (EiKooJ, Rump02, S. 169) So lies er sich vom staatlichen Schuldienst
beurlauben, um an der Odenwaldschule von Paul Geheeb
einem deutschen Re-
formpädagogen
zu arbeiten. (DoMP06, EiKooJ, Rump02) Über Geheeb schrieb
Wagenschein in einer seiner zahl
reichen Publikationen: ,,Er schenkte Vertrauen und
lehrte so, Vertrauen zu geben. Damit versetzte er uns, Mitarbeiter und Kameraden
9
,
in das Grundelement der pädagogischen Atmosphäre. Schule ohne Vertrauen hat
keine Zukunft." (
DoMP06) Nach der Rückkehr in den staatlichen Schuldienst unter-
richtete Wagenschein als Lehrer und Lehrbeauftragter an Gymnasien und Hochschu-
len in Mainz, Darmstadt und Tübingen. (DoMP06, EiKooJ, Rump02) Im Alter von 91
Jahren beendet Martin Wagenschein im Februar 1987 seinen letzten Lehrauftrag an
der Technischen Hochschule Darmstadt aufgrund von Altersbeschwerden. (DoMP06,
EiKooJ, Rump02) Für seine Schulversuche und Reforminitiativen im Bildungswesen
vor allem Mitte der 40er Jahre
wurde Wagenschein unter anderem die Ehren-
9
Kamerad war eine andere Bezeichnung für Kinder. Somit vollzog Wagenschein eine bewusste Ab-
grenzung zu den Schülern in staatlichen Schulen.
29
doktorwürde der Technischen Hochschule Darmstadt verliehen. (EiKooJ, Rump02)
Besonders hervorzuheben ist weiterhin seine Auszeichnung mit dem Didaktik-Preis
der Deutschen Physikalischen Gesellschaft im Jahr 1986. (EiKooJ, Rump02) Martin
Wagenschein verstarb am 03. April 1988 in Trautheim. (DoMP06, EiKooJ, Rump02)
Noch heute erinnert der Wagenscheinweg an den bedeutenden und gleichwohl ums-
trittenen Pädagogen aus der Nähe von Darmstadt. (EiKooJ)
Die Biographie Martin Wagenscheins wirft speziell in der Zeit des Dritten Reiches
(1938-1945) einige Fragen auf. War Wagenschein ein Nationalsozialist? Aus seinem
Lebenslauf geht hervor, dass er zunächst Mitglied in der Nationalsozialistischen
Deutschen Arbeiterpartei NSDAP wurde, später jedoch eine deutlich distanzierte Hal-
tung zum Nationalsozialismus einnahm. (EiKooJ, MuPe07, Kohl05) Einer der größten
Wagenscheinkritiker in Bezug auf das Dritte Reich war Micha Brumlik, Professor der
Erziehungswissenschaften in Frankfurt. (MuPe07, Kohl05) B
rumlik deutet an, ,,[...]
dass Wagenschein durchaus Teil des nationalsozialistischen Systems gewesen sei
und
dabei [...] kritisch anmerkt, dass auch dem wissenschaftlichen Umfeld Wage
n-
scheins, insbesondere dem Physiker
[...] Philipp Lenard, einem der prominentesten
Vertreter der nationalistische
n und antisemitischen Bewegung ,
Deutsche Physik
,
teilweise eine enge Verwobenheit in den Nationalsozialismus zu bescheinigen sei".
(MuPe07) Trotz des kritischen Blicks auf Wagenscheins Aktivitäten und Publikatio-
nen aus den Jahren 1923 bis 1933 bezeichnen Murmann und Pech in ihrem Beitrag
,,Biografisches Stolpern" ,,[...] Martin Wagenschein
nicht
als Nationalsozialisten [...]".
(MuPe07) Vielmehr fordern
sie einen noch heute ausstehenden ,,[...] wissenschaftl
i-
chen Klärungsbedarf zur Person und den Schriften Martin Wagenscheins im Natio-
nalsozialismus [...] in der Sachunterrichstdidaktik". (
MuPe07) Klaus Kohl (Kohl05)
warnt hingegen in seinem Referat auf der Wagenscheintagung in Zug im Februar
2005 vor einer ,,Vor
-ver-
urteilung" Wagenscheins
, ruft zu mehr
,,
Toleranz
"
auf und
beendet seine Rede mit den Worten: ,,Wir halten es für richtig, es zu sagen und wenn
nötig klarzustellen, dass für einen Lehrer im damaligen Staatsdienst fast keine ande-
re Wahl blieb, der frühe Beitritt zur NSV und zum NSLB vielleicht nur eine Alibi-
Funktion hatte. [...]"
30
In den 50er und 60er Jahren weithin bekannt und viel diskutiert wurden Wagen-
scheins Veröffentlichungen zum Genetischen Lehren und Lernen. (Rump02)
Der folgende Abschnitt stellt das Genetische Lehren nach Wagenschein genauer vor.
3.3.2 Genetisch-exemplarisch-sokratisches Entdecken
Wagenschein hält 1965 auf einem Seminar für Didaktik der Mathematik an der Uni-
versität Münster einen Vortrag zum Problem des Genetischen Lehrens. (Wage82)
Das Wort Genetisch umfasst die ,,Dreiheit"
genetisch-sokratisch-exemplarisch und
gehört für Wagenschein ,,[...] zur Grundstimmung des Pädagogi
schen
überhaupt".
(Wage82, S. 55) ,,Pädagogik hat [...] mit dem
werdenden Menschen und
im Unter-
richt, als Didaktik
mit dem Werden des Wissens in ihm
" zu tun. (Wage82, S. 55)
Frage 1: Warum exemplarisch?
Wie die Abbildung acht zeigt, kritisiert Wagen-
schein (1982) zunächst die Stofffülle an Schulen.
In Zusammenhang mit der begrenzten zur Verfü-
gung stehenden Zeit kann der Stoff, zulasten der Vollständigkeit, nur noch gehetzt
und nicht mehr gründlich genug behandelt werden. (Vgl. Rump02, Wage82) Infolge-
dessen wird es dem Lehrer kaum gelingen seine SchülerInnen für längere Zeit zu
motivieren. (Wage82)
Eine ,,
subtraktive Aus-
kämmung
"
hingegen führt lediglich zu einem ver-
dünnten systematischen Lehrgang, das heißt der
Stoff wird fadenscheinig und gehaltlos. (Wage82)
Aus der ,,
Vielwisserei
" wird somit
schnell eine ,,
Wenigwisserei
"
. (Rump02,
Wage82) ,,Es bedarf also der Auswahl
-
prinzi
pien, der Beschränkung auf das ,
Wesentliche
". (W
age82, S. 10)
Durch die Errichtung von Plattformen können gewisse Themen ausgewählt und sich
auf das ,,Wesentliche" beschränkt
werden. (Vgl. Meye07a, Rump02, Wage82) Wa-
genschein (1982, S
. 10) empfiehlt daher ,,[...] den ,
Mut zur Lücke
zu haben, das
heißt: den Mut zur Gründlichkeit und bei begrenzten Ausschnitten intensiv zu verwei-
len".
Konkretisiert wird dies
er Ansatz durch das eigentliche ,,
Exemplarische
Abb. 8:
Ein systematischer Lehrgang verführt
schnell zur Vollständigkeit und verstopft den
Durchblick. (Wage82, S. 10)
Abb. 9:
Ein verdünnter systematischer Lehr-
gang verführt schnell zur Unvollständigkeit.
(Wage82, S. 10)
31
Verfahren".
10
Wie in Abbildung zehn dargestellt bekommen die SchülerInnen anhand
eines Beispiels einen Einblick in den kompletten Lernstoffbereich. (Wage82)
Durch die Auswahl und Vertiefung eines bestimmten
Themas, soll im Anschluss vom Einzelnen auf das All-
gemeine geschlossen werden können. (Rump02,
Wage82)
,,Das Einzelne, in das man sich hier versenkt,
ist nicht Stufe, es ist Spiegel
des Ganzen. [...] Das exemplarische Betrachten ist das
Gegenteil des Spezialistentums. Es will nicht vereinzeln; es sucht im Einzelnen das
Ganze."
(Wage82, S. 12f) Dem Einstieg in ein Thema
kommt somit eine besonders wichtige Rolle zu.
,,Ei
n-
stieg [...] bed
eutet, dass man bei einem Problem, das
der ersten Plattform entspricht, oh
ne ,
bereitgestellte
Vorkenntnisse
,
einsteigt
[...]
sofort also eine relativ komplexe, und damit die Spon-
taneität des Kindes herausfordernde
Frage sich vornimmt." (W
age82, S. 14) Die Ab-
bildung zwölf verdeutlicht, dass der Einstieg von außen geschieht. Er soll in die
Thematik einführen, Staunen, Interesse und Neugier wecken
und eine gewisse Spannung aufbauen. (DoMP06, Wage82)
Bei der Auseinandersetzung mit dem Problem gelangt man
schließlich vom Problem zum Elementaren. (DoMP06, Wa-
ge82)
,,Der Unterricht
kann nicht mit dem Elementaren be-
ginnen, er muss darauf zusteuern. Vom Einstieg aus muss er
zum Elementaren hinabsteigen und es freilegen. Sind dann
die elementaren Sätze angeeignet, so bedeuten sie beherr-
schende Schlüsselstellungen.
" (Wage82, S. 20)
Grundle-
gend für einen solchen Prozess ist die beidseitige Ergriffenheit von Schüler und Leh-
rer vom dargelegten Problem.
11
(DoMP06, Wage82) Für Wagenschein gilt ein Stoff
als exemplarisch wenn:
,,
er besonders bezeichnend für das Fach ist, wenn er mustergültig und reprä-
sentativ ist;
10
Vielfach wird das in Abbildung neun gezeigte und beschriebene Verfahren der Plattformen bereits
als ,,exemplarisch" bezeichnet. Wagenschein (1982, S. 11) hält ,,[...] es für ein sehr brauchbares Ve
r-
fahr-
en, würde aber den Begriff ,
exemplarisch
lieber enger und reiner fassen [...]".
11
Die Wahl eines geeigneten Ausgangsproblems stellt für den Lehrer die größte Herausforderung dar.
Abb. 11:
Errichtung von Plattformen
(Wage82, S. 10)
Abb. 10:
Exemplarisches Verfahren
(Wage82, S. 10)
Abb. 12:
Einstieg (Wage82,
S. 10)
32
er eine starke innere Problematik hat, die man von Plattform zu Plattform, im-
mer tiefer beleuchten kann. Wenn er uns ermöglicht, alle Bezüge bloßzulegen
und dadurch Fundamentales auszulösen;
an ihm die typische Arbeitsweise eines Faches besonders gut sichtbar wird
und als Übung angewendet werden kann;
er ein Stoff ist, bei dem man ergriffen oder betroffen ist, in den man sich ver-
tiefen kann.
" (
DoMP06)
Frage 2: Warum genetisch?
,,Genetisches
12
Lehren bedeutet, den Schüler in eine Lage versetzen, in der das noch
unverstandene Problem so vor ihm steht, wie es vor der Menschheit stand, als es noch
nicht gelöst war." (
Elsc07, DoMP06) Fünf Merkmale sind prägend für das Genetische
Lernen:
erstaunliche Phänomene und deren Exposition
,,Der Lehrer spricht also die Frage [...]" zu dem von ihm vorher gewählten
Thema ,,[...] nicht aus,
aber er sorgt dafür, dass sie ,
sich aufwirft
, [...] ,
sich er-
hebt
[...]. Die
Sache
muss reden!" (Wage82, S. 61) Das ,,Tun" des Lehrers
beschränkt sich dabei auf die Auswahl alltäglicher Erscheinungen.
13
Zudem
muss den SchülerInnen genügend Zei
t eingeräumt werden, da jedes ,,d
rängen
des Lehrers [...] alle Denk
-
Triebe sofort" zerstören würde. (Wage82, S. 61)
;
die Anwesenheit von Wirklichkeit
,,Wir lernen mit Zeiten rechnen, die unsere Vorstellungskraft nich
t mehr mit
dem Gehalt des Erlebens erfüllen kann, mit Zeiträumen, deren Bewältigung
die Kräfte der Abstraktion beansprucht. Da und dort wird die Gefahr erkannt,
die in diesem Auseinandergehen von abstraktem Wissen und vollem Erleben
sich auftut
wo sind aber in unserer Zeit die erzieherischen Versuche, dieser
Gefahr zu begegnen?"
(
Adolf Portmann: Naturwissenschaft und Humanismus,
12
Genetisch stammt vom lateinischen ,,genese" ab und bedeutet Entwicklung, Entstehung.
13
Ein anschauliches Beispiel zum Thema ,,Luftdruck" wäre, das
s ein beim Spülen unter Wasser gefüll-
tes Glas beim Anheben nicht ausläuft. (Wag
e82) ,,
Genetisch
entfaltet müsste es allerdings ,
Saugphä-
nomene
überschrieben werden und bei der Einsicht enden, dass wir
,
leben
[...] untergetaucht auf
dem Grunde eines Meeres von elementarer Luft." (Wage82, S. 62)
33
Karl Jaspers: Wahrheit und Wissenschaft, Zwei Reden, München 1960, S. 31
in Wage82, S. 66);
Emotion, Motivation, Erlebnis
,,Es gibt keine wissenschaftliche Entdeckung [...], die nicht von Emotionen b
e-
gleitet ist." (Wage82, S. 67) Ebenso gibt es ,,[...] keine echte Motivation ohne
Emotion." (Wage82, S. 67) Nur bei vollständiger Geistesgegenwart kann das
genetische Lernen somit zu einem Erlebnis werden. (Wage82);
Sokratische Denkweise
Der Lehrer hält sich im Hintergrund, agiert eventuell als Moderator
14
, lässt die
SchülerInnen aber von Beginn an auf sich gestellt. (Wage82) Sie sollen das
,,Selbstgehen" lernen.
(Rump02, Wage82) Das heißt, eine Selbstständigkeit
entwickeln, die es ihnen eines Tages erlaubt das ,,Alleingehen" zu wagen, ,,[...]
weil sie die Obacht des Lehrers durch die eigene Obacht ersetzen." (Wage82,
S. 114) Die sokratische Denkweise erfordert das Gespräch, das in Betracht
ziehen vieler verschiedener aufkommender Möglichkeiten und bietet daher
dem/der SchülerIn ,,Hilfe zur Selbsthilfe". (Wage82)
;
Historisch geleitete Lehrgänge
Gemeint ist hiermit nicht die Geschichte an sich. Sondern vielmehr das Er-
schließen der Naturwissenschaften von hinten, aus dem Ursprung heraus.
(Wage82) In diesem Sinne, möchte der/die SchülerIn die Ursache oder Be-
hauptung des Versuchs von Grund auf erfassen. (Rump02)
Die Qualitäten des genetischen Lehrens nach Wagenschein (1982) sind die Ein-
wurzelung
15
ohne die es keine Bildung gäbe
, die produktive Findigkeit
16
sowie
14
,,Der Lehrer fragt nicht, noch antwortet er. Sein Beistand ist nicht fachspezifisch und beschränkt si
ch
auf
Anmerkungen folgender Art: [...] ,
Wer hat zugehört?
,
Wer hat verstanden, was eben gesagt
worden ist?
,
Von welcher Frage sprechen wir eigentlich?
[...]." (Wage82, S. 114) Anstelle des u
n-
geduldigen ,,Noch eine Frage?" sollte das nachdenkliche ,,Ich k
ann mir nicht denken, dass alle ja dazu
sagen." treten. (Wage
82, S. 114)
15
,,Heutzutage kann ein Mensch den so genannten gebildeten Kreisen angehören, ohne einerseits die
geringste Vorstellung zu besitzen, worin das Wesen der menschlichen Bestimmung liegen könnte,
oder andererseits etwa zu wissen, dass nicht alle Sternbilder zu jeder Jahreszeit sichtbar sind. Man ist
gewöhnlich der Ansicht, ein kleiner Bauernjunge, der nur die Volksschule besucht hat, wisse darüber
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2008
- ISBN (eBook)
- 9783836619981
- DOI
- 10.3239/9783836619981
- Dateigröße
- 8.3 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Hochschule Fulda – Oecotrophologie
- Erscheinungsdatum
- 2008 (Oktober)
- Note
- 1,3
- Schlagworte
- ernährung experimente naturwissenschaft schule gender
- Produktsicherheit
- Diplom.de