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Bewegte Schule

Vergleich der sportmotorischen Fähigkeiten an zwei Bewegten Grundschulen

©2008 Masterarbeit 199 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Zu Beginn werden kurz Vorüberlegungen und Problemstellungen des Themas geklärt. Anschließend wird der Gang der Arbeit beschrieben und es werden zentrale Leitfragen der Arbeit aufgestellt.
Kinder haben einen typischen und natürlichen Bewegungsdrang. Je jünger das Kind, umso mehr ist dieser ausgeprägt. Ein hohes Maß an Bewegungsaktivität sichert das Fortschreiten der körperlichen Entwicklung. Doch bewegen sich Kinder, um den eigentlichen Bewegungsdrang zu stillen und vor allem der Entwicklung zuliebe genügend?
Die Forschung zeigt, dass die Kinder heute anders, schwieriger als früher - vor dreißig oder vierzig Jahren - sind. Bezugspersonen, wie Eltern oder Lehrer, klagen häufig über u. a. unkonzentrierte, desinteressierte und wenig anstrengungsbereite, sowie nörgelnde und unzufriedene Kinder. Auch wissenschaftliche Arbeiten weisen eine pessimistische Sicht der Entwicklungsbedingungen für Kinder auf, so dass von Kindheit als Fiktion von Verinselung der Kindheit oder vom Verschwinden der Kindheit gesprochen wird.
Etwaige Studien zeigen nicht nur Belastungen der Kinder im psychomatischen und psychosozialen Bereich auf, wie die Studie von BRINKHOFF (1996: 18% der Kinder im Grundschulalter sind öfters krank, 51% der Kinder leiden unter Kopfschmerzen), sondern bieten einen Überblick über den gesamten Gesundheitszustand von ihnen. Interessant für die vorliegende Arbeit ist u. a. die Studie von MERSMANN, der bei einer Schuleingangsuntersuchung feststellt, dass 14,2% der Sechsjährigen in Köln eine grobmotorische Koordinationsstörung aufwiesen. Bei einer Studie von BÖS zeigt sich ein hoher Anteil übergewichtiger und adipöser Grundschulkinder: 12,1% der Kinder im ersten Schuljahr sind übergewichtig bzw. adipös, 12,6% der Kinder im zweiten Schuljahr, 18,7% im dritten Schuljahr und 19,4% im vierten Schuljahr. Bei dem Ergebnis von BÖS, OPPER und WOLL wird deutlich, dass Kinder im höheren Alter an Gewicht zunehmen und vor allem, dass es im Verlauf der Grundschulzeit in den höheren Klassen mehr Kinder gibt, die übergewichtig bzw. adipös sind.
Folglich stellt sich die Frage, welche Ursachen dieser Sport- bzw. Gesundheitszustand birgt. Festzuhalten ist erstens vor allem, dass das Übergewicht der Kinder eine Folge von Bewegungsmangel und Fehlernährung ist, was SCHMIDT zu den Risikofaktoren im Zusammenhang mit körperlicher Aktivität bzw. Inaktivität oder motorischer Fehlentwicklung bei Kindern und Jugendlichen zählen. Jedoch haben sich […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


I. Inhalt

II. Abkürzungsverzeichnis

III. Abbildungsverzeichnis

IV. Tabellenverzeichnis

1. Einleitung
1. 1 Vorüberlegungen zur Arbeit/ Problemstellungen
1. 2 Gang der Arbeit
1. 3 Zentrale Leitfragen

2. Abgrenzung des Gegenstandsbereiches
2. 1 Gegenstandsbereich 1: Motorik
2. 1. 1 Motorik
2. 1. 2 Motorik im Kindesalter
2. 2 Gegenstandsbereich 2: Sportmotorische Tests
2. 3 Gegenstandsbereich 3:
2. 3. 1 Was ist eine Bewegte Schule?
2. 3. 2 Warum soll es eine Bewegte Schule geben?
a) Ergonomisches Argument
b) Physiologisches Argument
c) Gesundheitspädagogisches Argument
d) Sicherheitserzieherisches Argument
e) Entwicklungspsychologisches Argument
f) Lernpsychologisches Argument
g) Lebensweltliches Argument
h) Anthropologisches Argument
i) Schulökologisches Argument
j) Bildungstheoretisches Argument
2. 3. 3 WIE? Strukturmodell einer Bewegten Schule und Anmerkungen
2. 3. 3. 1 Strukturmodell einer Bewegten Schule – Aus welchen Strukturmerkmalen setzt sich die ideale Bewegte Schule zusammen?
2. 3. 3. 2 Anmerkungen zur Bewegten Schule

3. Aktueller Forschungsstand
3. 1 Übersicht der behandelten Studien über ein Mehr an Bewegung in der Schule
3. 2 Längsschnittstudie von Ungerer- Röhrich/ Beckmann (2002)
3. 3 Längsschnittstudie von Müller/ Petzold (2002)
3. 4 Querschnittstudie von Kruse (2007)

4. Eigene Untersuchung
4. 1 Forschungsansatz
4. 3 Untersuchungsverfahren
4. 4 Untersuchungsgegenstand
4. 5 Untersuchungsplanung und -durchführung
4. 6 Datenaufbereitung und -auswertung

5. Darstellung der Ergebnisse
5. 1 Ergebnisse bezüglich eines Konzeptes der untersuchten Schule (detailliertes Schulporträt)
5. 1. 1 Ergebnisse zu der am Leitfaden zur Anfertigung eines Schulporträts orientierten Datenerhebung à Teilbereich I
5. 1. 2 Ergebnisse zum Lehrerfragebogen à Teilbereich III
5. 1. 3 Ergebnisse zum zweiten Teilbereich (Informationsrecherche und Befragung)
5. 1. 4 Ergebnisse zur Analyse des Schulprogramms
5. 1. 5 Ergebnisse zur teilnehmenden Beobachtung des Schulsports
5. 2 Resümee und Reflexion der Ergebnisse zur Konzeptumsetzung der untersuchten Schule
5. 3 Ergebnisse zur sportmotorischen Leistungsfähigkeit der untersuchten Grundschüler
5. 3. 1 Ergebnisse zum jahrgangsbezogenem Status Quo der Mädchen, Jungen und insgesamt
a) Ergebnisse zu den konditionellen Fähigkeiten
b) Ergebnisse zu den koordinativen Fähigkeiten
5. 3. 2 Signifikante Leistungsunterschiede einzelner Übungen, zwischen den Geschlechtern, den einzelnen Jahrgängen
5. 3. 2. 1 Bei welcher Übung konnten die einzelnen Jahrgänge am Besten abschneiden (gesamt)?
5. 3. 2. 2 Bei welcher Übung konnten die Mädchen und die Jungen der einzelnen Jahrgänge am Besten abschneiden?

6. Vergleichsuntersuchungen
6. 1. Vergleich Meyer (eigene Untersuchung) (2008) vs. Kruse (2007)
6. 1. 1 Vergleich der motorischen Leistungsfähigkeit
6. 1. 1. 1 Signifikanzüberprüfung beider Studien
6. 1. 2 Vergleich der Konzeptumsetzungen
6. 1. 3 Resümee und Reflexion der Vergleichsuntersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit und zur Konzeptumsetzung beider Bewegter Schulen
6. 2 Vergleich der eigenen Studie mit Kruse (2007), Ungerer-Röhrich/ Beckmann (2002) und Müller/ Petzold (2002)
6. 2. 1 Vergleich der motorischen Leistungsfähigkeit

7. Resümee/ Ausblick

8. Danksagungen

9. Literatur- und Quellenverzeichnis

10. Anlagen

II. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

III. Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Systematisierung motorischer Fähigkeiten, Starker et al. 2007, S. 776

Abb. 2: Zehn Argumente für eine Bewegte Schule, eigene Darstellung

Abb. 3: Kategorisierung der Strukturmerkmale einer Bewegten Schule, Thiel et al. 2002, S. 34

Abb. 4: Alternative Sitzgelegenheiten in Form verbaubarer Möbelelemente, Thiel et al. 2002, S. 44, aus: Müller 1999, S. 80

Abb. 5: Beispiele des Lernens in verschiedenen Sitzpositionen, in Thiel et al. 2002, S. 52, aus: Müller 1999, S. 74

Abb. 6: Übersicht über zwei Zugangsweisen zur Entspannung mit Schülern, Thiel et al. 2002, S. 54

Abb. 7: Untersuchungsdesign in schematischer Darstellung, eigene Darstellung

Abb. 8: Tisch- und Stuhlmobiliar der Overbergschule Vechta, www.wdrmaus.de/sachgeschichten/kufenstuhl/bilder/01.jpg, Aufruf: 12.05.2008

Abb. 9 : Zu klärende Fragen für eine Befragung/ Recherche zur Umsetzung der Bewegten Schule, eigene Darstellung, nach Kruse 2007, S. 60, nach Müller 1999, 262 ff.

Abb. 10: Bausteine des Präventionskonzeptes (Gesundheit) der Overbergschule, eigene Darstellung, nach www.overbergschule-vechta.de, Aufruf: 22.05.2008

Abb. 11: 20-m-Lauf, Bös/ Wohlmann 1987, S. 146

Abb. 12: Mittelwertergebnisse 20-m-Lauf der Jahrgänge 1-4 in Z-Werten, eigene Darstellung

Abb. 13: Medizinballstoß, Meyer 2008

Abb. 14: Mittelwertergebnisse Medizinballstoßen des Jahrgänge 1- 4 in Z-Werten, eigene Darstellung

Abb. 15: 6-Minuten-Ausdauerlauf, Meyer 2008

Abb. 16: Mittelwertergebnisse 6-Minuten-Lauf der Jahrgänge 1-4 in Z-Werten, eigene Darstellung

Abb. 17: Ball-Beine-Wand, Meyer 2008

Abb. 18: Mittelwertergebnisse Ball-Beine-Wand der Jahrgänge 1-4 in Z-Werten, eigene Darstellung

Abb. 19: Zielwerfen, Meyer 2008

Abb. 20: Mittelwertergebnisse Zielwerfen der Jahrgänge 1-4 in Z-Werten, eigene Darstellung

Abb. 21: Hindernislauf, Meyer 2008

Abb. 22: Mittelwertergebnisse Hindernislauf der Jahrgänge 1-4 in Z-Werten, eigene Darstellung

Abb. 23: Ergebnisse 20-m-Lauf: 4. Jahrgang, MEYER (eigene Untersuchung) (2008) und KRUSE (2007), MEYER (2008)

Abb. 24: Ergebnisse 6-min-Lauf: 4. Jahrgang, MEYER (eigene Untersuchung) (2008) und KRUSE (2007), MEYER (2008)

Abb. 25: Ergebnisse Medizinballweitwurf: 4. Jahrgang, MEYER (eigene Untersuchung) (2008) und KRUSE (2007), MEYER (2008)

Abb. 26: Ergebnisse Ball-Beine-Wand-Wurf: 4. Jahrgang, MEYER (eigene Untersuchung) (2008) und KRUSE (2007), MEYER (2008)

Abb. 27: Ergebnisse Zielwerfen: 4. Jahrgang, MEYER (eigene Untersuchung) (2008) und KRUSE (2007), MEYER (2008)

Abb. 28: Ergebnisse Hindernislauf: 4. Jahrgang, MEYER (eigene Untersuchung) (2008) und KRUSE (2007), MEYER (2008)

Abb. 29: Mittelwertergebnisse zu den konditionellen Fähigkeiten von MÜLLER/ PETZOLD (2002), UNGERER- RÖHRICH/ BECKMANN (2002), KRUSE (2007) und der eigenen Untersuchung MEYER (2008), eigene Darstellung

Abb. 30: Mittelwertergebnisse zu den koordinativen Fähigkeiten von MÜLLER/ PETZOLD(2002), UNGERER- RÖHRICH/ BECKMANN (2002), KRUSE (2007) und der eigenen Untersuchung MEYER (2008), eigene Darstellung

IV. Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Differenzierung des motorischen Gegenstandsbereichs in Fähigkeiten und Fertigkeiten, Bös 2001, S. 4

Tab. 2: Übersicht der beschriebenen Studien über ein Mehr an Bewegung in der Schule, eigene Darstellung

Tab. 3: Übersicht über die qualitativen Untersuchungsverfahren, nach Kruse 2007, S. 43

Tab. 4: Testaufgaben des AST 6-11 von BÖS/ Wohlmann (1987) zur Untersuchung der

Tab. 5: Übersicht über die Anzahl der untersuchten Schüler der Overbergschule in Vechta nach Verteilung in Geschlecht/ Jahrgang, nach Kruse 2007, S. 46

Tab. 6: Vorbereitende Maßnahmen für die Durchführung des AST (6-11) an der untersuchten Grundschule, eigene Darstellung

Tab. 7: Zeitplan für die Untersuchung der Schule auf ihr Bewegungskonzept, nach Kruse 2007, S. 47

Tab. 8: Zeitplan des AST (6-11), eigene Darstellung

Tab. 9: Zeitplan der Overbergschule, eigene Darstellung

Tab. 10: Ergebnisse des Lehrerfragebogens, nach Kruse, 2007, S. 56f

Tab. 11: Beurteilung der Testwerte, Bös/ Wohlmann 1987, S. 150

Tab. 12: Jahrgangsbezogene Rangfolge der Stationen mit der besten Leistung gesamt, differenziert nach konditionellen und koordinativen Fähigkeiten, gemessen nach Z-Werten, eigene Darstellung

Tab. 13: Jahrgangsbezogene Rangfolge der Stationen mit der besten Leistung geschlechtsspezifisch, differenziert nach konditionellen und koordinativen Fähigkeiten, gemessen nach Z-Werten, eigene Darstellung

Tab. 14: Untersuchungsgruppe der Vergleichsuntersuchung zur motorischen Leistungsfähigkeit, differenziert nach den verschiedenen Studien, eigene Darstellung

Tab. 15: Übersicht über das Vorhandensein oder das Fehlen von Strukturmerkmalen der Studie von KRUSE und der eigenen Untersuchung, eigene Darstellung

Tab. 16: Vergleichende Studien mit ihrer Gesamtschülerzahl, eigene Darstellung

Tab. 17: Übersicht über die Verteilung der Untersuchungsergebnisse eingeteilt in Leistungen über und unter dem Normdurchschnitt (Z-Wert 100), eigene Darstellung, Daten von KRUSE (2007), MÜLLER/ PETZOLD (2002) und UNGERER- RÖHRICH/ BECKMANN (2002) übernommen von KRUSE (2007), S. 87

1. Einleitung

Zu Beginn werden kurz Vorüberlegungen und Problemstellungen des Themas geklärt. Anschließend wird der Gang der Arbeit beschrieben und es werden zentrale Leitfragen der Arbeit aufgestellt.

1. 1 Vorüberlegungen zur Arbeit/ Problemstellungen

Kinder haben einen typischen und natürlichen Bewegungsdrang. Je jünger das Kind, umso mehr ist dieser ausgeprägt (vgl. Dordel 2003, S. 239). ,,Ein hohes Maß an Bewegungsaktivität sichert das Fortschreiten der körperlichen Entwicklung“ (ebd., S. 239). Doch bewegen sich Kinder, um den eigentlichen Bewegungsdrang zu stillen und vor allem der Entwicklung zuliebe genügend?

Die Forschung zeigt, dass die Kinder heute anders, schwieriger als früher - vor dreizig oder vierzig Jahren - sind (vgl. ebd., S. 26). Bezugspersonen, wie Eltern oder Lehrer, klagen häufig über u. a. unkonzentrierte, desinteressierte und wenig anstrengungsbereite, sowie nörgelnde und unzufriedene Kinder (vgl. ebd.). Auch wissenschaftliche Arbeiten weisen eine pessimistische Sicht der Entwicklungsbedingungen für Kinder auf, so dass von ,,Kindheit als Fiktion“, von ,,Verinselung der Kindheit“ oder vom ,,Verschwinden der Kindheit“ gesprochen wird (vgl. ebd., S, 27). Etwaige Studien zeigen nicht nur Belastungen der Kinder im psychomatischen und psychosozialen Bereich auf, wie die Studie von BRINKHOFF[1] (1996: 18% der Kinder im Grundschulalter sind öfters krank, 51% der Kinder leiden unter Kopfschmerzen), sondern bieten einen Überblick über den gesamten Gesundheitszustand von ihnen. Interessant für die vorliegende Arbeit ist u. a. die Studie von MERSMANN (1998)[2], der bei einer Schuleingangsuntersuchung feststellt, dass 14,2% der Sechsjährigen in Köln eine grobmotorische Koordinationsstörung aufwiesen. Bei einer Studie von BÖS et al.[3] (2002) zeigt sich ein hoher Anteil übergewichtiger und adipöser Grundschulkinder: 12,1% der Kinder im ersten Schuljahr sind übergewichtig bzw. adipös, 12,6% der Kinder im zweiten Schuljahr, 18,7% im dritten Schuljahr und 19,4% im vierten Schuljahr (vgl. Dordel 2003, S. 40f.). Bei dem Ergebnis von BÖS, OPPER und WOLL wird deutlich, dass Kinder im höheren Alter an Gewicht zunehmen und vor allem, dass es im Verlauf der Grundschulzeit in den höheren Klassen mehr Kinder gibt, die übergewichtig bzw. adipös sind.

Folglich stellt sich die Frage, welche Ursachen dieser Sport- bzw. Gesundheitszustand birgt. Festzuhalten ist erstens vor allem, dass das Übergewicht der Kinder eine Folge von Bewegungsmangel und Fehlernährung ist, was SCHMIDT et al. (2003) zu den Risikofaktoren im Zusammenhang mit körperlicher Aktivität bzw. Inaktivität oder motorischer Fehlentwicklung bei Kindern und Jugendlichen zählen (vgl. Schmidt et al. 2003, S. 72). Jedoch haben sich aber auch die Lebensgewohnheiten der Kinder verändert, was besonders den Bereich des Bewegungsverhaltens betrifft. Die zunehmende Technisierung und Medialisierung hat dazu geführt, dass sich Kinder heute im Alltag um ein Vielfaches weniger bewegen als dies früher der Fall war (vgl. Thiel et al. 2002, S. 11); so wird heute das Kind zu bestimmten Aktionsräumen transportiert (vgl. Dordel 2003, S. 31) oder bedient sich in außerordentlichem Maße dem Medienkonsum, so dass deren Entwicklung in vielfacher Hinsicht gefährdet werden kann, wie es DORDEL in ihrem Handbuch des Sportförderunterrichts (2003) auflistet (vgl. ebd., S. 32f.). Auch die Untersuchungen von BÖS et al. zeigen, dass die Bewegungsumfänge der Kinder im Vergleich zu den siebziger Jahren von vier bis sechs Stunden Bewegung am Tag auf heute nur noch eine Stunde Bewegung pro Tag geschrumpft sind ,,Dagegen lagen bzw. saßen sie jeweils neun Stunden am Tag“ (Graf et al. 2006, S. 224). Untersucht wurden sechs- bis zehnjährige Grundschulkinder. Zudem konnte DORDEL (2000) in einer früheren Arbeit belegen, dass ,,Erstklässler heute über eine schlechtere Gesamtkoordination als früher verfügen, dass die Unterschiede bei Stadtkindern ausgeprägter sind als bei Landkindern und dass die Auffälligkeiten mit zunehmendem Alter größer werden“ (vgl. Dordel 2000, S. 342f.; zit. nach Bös 2003, S. 96).

Folglich drängt sich immer mehr die Frage auf, wie Kinder zu einem Mehr an Bewegung bzw. zu einem Mehr an Bewegung in der Schule geführt werden können? Hieran drängt sich das Konzept der Bewegten Schule.

Ausgangspunkt über die verstärkt publik werdende Diskussion zur Bewegten Schule war eine Tagung des Schweizerischen Verbandes für Sport in der Schule (SVSS) 1983 unter der Leitung ILLIs, in der die Schule als ein Mitverursacher bzw. Problemauslöser für die schlechte physische Lage der Kinder gesehen wurde (vgl. Thiel et al. 2002, S. 2). ILLI nahm an, dass das lange passive Sitzen während des Unterrichts zu massiven Beschwerden führte, denen man mithilfe von Bewegung jedoch entgegen wirken könnte: ,,Übertragen auf die […] Krisendiagnose kindlicher Bewegungswelten heißt dies, eine breit angelegte Gesundheitserziehung im Schulsport, sowie die Idee einer gesunden Schule zu fordern“ (ebd., S. 3).

Überlegungen zu einem Mehr an Bewegung an den Schulen führten besonders in den 90er Jahren dazu, dass eine Vielzahl an Projekten durchgeführt wurde und zudem viele wissenschaftliche Arbeiten unterschiedlicher Fachrichtungen veröffentlicht wurden, die mithilfe verschiedenster Begründungsmuster Umsetzungsvorschläge einer Bewegten Schule lieferten (vgl. ebd., S. 3f.). Eine tabellarische Auflistung von Projekten und Studien zum Thema ,,Bewegung in und um die Schule“ ist in THIEL et al. (2002) (S. 4ff.) zu finden, wobei empirische Daten bis dahin allerdings fehlen.

Schule soll nicht mehr als ,,krankmachende“ und weniger als gesundheitsförderliche Umwelt von den Schülern wahrgenommen, sowie als ein mitverursachender Faktor für das Auftreten gesundheitlicher Einschränkungen von Jugendlichen (vgl. Hurrelmann et al. 2004, S. 19) oder als ,,Sitz- und Gesprächsraum“ (Funke- Wieneke 1997, S. 109) gesehen werden.

Die Überlegungen ILLIs, der die Notlage des Sich-Nicht-Bewegens der Kinder erkannte, sind auch schon längst im Bewusstsein der Mediziner, Eltern und Lehrer wahrgenommen worden, so dass infolge dessen immer mehr Bewegungsangebote in verschiedensten Institutionen, wie Bewegungs- oder Sportkindergärten, Konzepte des Waldkindergartens oder Konzepte der Bewegten bzw. der Bewegungsfreudigen Schule entstanden (vgl. Dordel 2003, S. 34). Ausgenommen davon ist der traditionelle Verein, da der Vereinssport aufgrund des hohen Zudrangs nach BÖS (2003) den Bewegungsmangel von Kindern und Jugendlichen gar nicht mehr oder nur noch teilweise auffangen kann. Möglicherweise ist an diesen Stellen der Verein überfordert.

Die Mehrheit der Grundschulen unterrichten dennoch ohne dem Konzept der Bewegten Schule. Somit gibt es hier einen dringenden Handlungsbedarf, da die Gesundheit und die körperliche Entwicklung von der Bewegung nicht nur entwicklungspsychologisch von großer Bedeutung ist, wie zu Beginn betont wurde, sondern auch aus anthropologischer Sicht relevant ist. So schreibt HILDEBRANDT- STRAHMANN, dass Bewegung ,,die kindliche Form der Auseinandersetzung mit der sozialen und materiellen Welt“ (Hildebrandt- Strahmann 2000, S. 13) darstellt und wesentliche Schritte zur Selbstständigkeit ebnet (vgl. ebd., S. 13).

Im nächsten Schritt wird kurz der Gang der Arbeit aufgezeigt.

1. 2 Gang der Arbeit

In der einleitenden Vorüberlegung bzw. Problemstellung wurde die Angelegenheit geschildert, was in der Arbeit behandelt bzw. wovon ausgegangen wird. Zudem wurde die Wichtigkeit der Bewegung für die Entwicklung der Kinder angesprochen und kurz skizziert, was eine Bewegte Schule in diesem Zusammenhang leisten kann/ will.

Im zweiten Abschnitt der Arbeit wird der gesamte Gegenstandsbereich abgesteckt. Hierunter fällt zum einen die motorische Leistungsfähigkeit, welche der Hauptbestandteil der Untersuchungen darstellt und somit klar definiert werden muss. Den zweiten Gegenstandsbereich stellt der motorische Test dar, mit deren Hilfe die sportmotorische Leistungsfähigkeit von GrundschülerInnen erhoben wird. In diesem Punkt soll kurz eine Erläuterung zu der Art motorischer Test gegeben werden. Eine Erläuterung zu dem verwendeten Test (AST 6-11), mit dem bei der eigenen Untersuchung später geforscht wird, erfolgt im vierten Kapitel. Der dritte Gegenstandsbereich stellt das Konzept der Bewegten Schule dar, das sich in die Bereiche WAS?, WARUM? und WIE? aufteilt. Da das Konzept schon des Öfteren diskutiert wurde, es aber keine einheitliche Definition gibt, sollen unter dem ersten Punkt (WAS?) eine Definition, zusammengefasst aus Expertensicht (Wissenschaftler/Professoren/Lehrer), entstehen. Der zweite Punkt (WARUM?) wird mithilfe von zehn Argumenten der REGENSBURGER PROJEKTGRUPPE beantwortet. Im letzten Punkt (WIE?) des dritten Gegenstandsbereiches werden Strukturmerkmale einer idealen Bewegten Schule nach THIEL et al. aufgestellt.

Im dritten Kapitel erfolgt eine Auflistung der zurzeit bestehenden Studien zum Forschungsstand. Es werden folglich ausgewählte Studien vorgestellt, die sich mit der Wirksamkeit u.a. eines Bewegten Unterrichts bzw. der Bewegten Schule und/ oder dem Konzept einer täglichen Sportstunde auseinandergesetzt haben. Diese Studien (BREITHECKER (1993/1994), OBST/ BÖS (1997), UNGERER- RÖHRICH/ BECKMANN (2002), MÜLLER/ PETZOLD (2003), ZIROLI (2006), KRUSE (2007)) sollen zeigen, inwieweit in dem Bereich bereits Forschung betrieben wurde. Die Studie von KRUSE (2007) spielt in der Arbeit eine besondere Rolle, da seine Daten mit den erhobenen Daten einer eigenen Untersuchung verglichen werden. Erst mit dem Vergleich können später, nach der Auswertung der Ergebnisse der eigenen Untersuchung, Vergleiche gezogen werden.

Im vierten Kapitel werden die Verfahren bei der eigenen Untersuchung vorgestellt. Es wird der Forschungsansatz, das Untersuchungsverfahren, der -gegenstand, die -planung und

- durchführung erläutert. Außerdem wird dargestellt wie die erhobenen Daten aufbereitet und ausgewertet werden.

Eine Darstellung der Ergebnisse anhand anschaulicher Grafiken erfolgt im fünften Kapitel.

Im sechsten Bereich der Arbeit erfolgt der eigentliche Erkenntnisschritt. Die eigenen erhobenen Daten werden mit den erhobenen Daten von KRUSE (2007) verglichen, so dass die Haupthypothese (s. Kap. 1. 3 Leitfrage 5) beantwortet werden kann. Außerdem werden in Kap. 6. 2 die Ergebnisse aus der eigenen Untersuchung zu den Ergebnissen der Studien von MÜLLER/ PETZOLD und UNGERER- RÖHRICH/ BECKMANN in Beziehung gesetzt.

Bei einer Verifizierung der Haupthypothese kann das Fazit gezogen werden, dass die gute sportmotorische Leistungsfähigkeit der Kinder an einer Bewegten Schule möglicherweise wirklich am bewegungsfreudigen Konzept liegt. Folglich könnten Grundschulen ohne Bewegungskonzept daran arbeiten bewegungsfreundlicher zu werden. Bei einer Falsifizierung bzw. einem schlechteren Ausfall der sportmotorischen Fähigkeiten der untersuchten Grundschule (Vechta), als bei den Schülern aus Hannover (Bonifatiusschule, Kruse (2007)) muss ein Blick in die Schulportraits bzw. Rahmenbedingungen geworfen werden. Abschließend werden, falls dies notwendig ist, Verbesserungsvorschläge gegeben.

Nachdem in einem kurzen Resümee, Kapitel sieben, die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit knapp zusammengestellt werden, erfolgt ein wissenschaftlicher Ausblick.

Im Folgenden werden die zentralen Leitfragen der Arbeit aufgelistet.

1. 3 Zentrale Leitfragen

Die Arbeit orientiert sich an den folgenden aufgestellten Leitfragen, die im Laufe der Arbeit beantwortet werden:

1. Inwieweit lässt sich die zu untersuchende Schule als Bewegte Schule charakterisieren? Gibt es Teile des Konzeptes der Bewegten Schule? Einblick in das Schulkonzept und dessen tatsächliche Realisierung.
2. Abgrenzung des Gegenstandsbereichs? (Motorische Leistungsfähigkeit, Motorische Tests, : Was?, Warum?, Wie?)
3. Wie sieht der aktuelle Forschungsstand zur Sportmotorik von Grundschüler/innen an Bewegten Schulen aus?
4. Wie hoch ist die motorische Leistungsfähigkeit der zu untersuchenden Grundschüler der ersten bis vierten Jahrgangsstufe?
5. Bestätigt sich die Hauptthese, dass Kinder, die an einer Bewegten Grundschule unterrichtet werden, eine gute sportmotorische Leistungsfähigkeit haben? (bezogen auf die Normwerte von Bös).
6. In welchem Verhältnis stehen die Ergebnisse der eigenen Untersuchung zu den Ergebnissen der Studie von KRUSE (2007), wenn man die Vergleiche mit der Normtabelle[4] heranzieht?
7. Inwieweit kann eine eigene Untersuchung der motorischen Leistungsfähigkeit von Schülern einer Bewegten Schule die Ergebnisse der vorangegangen Studie unterstreichen und damit zur Klärung der Frage nach dem Einfluss der Bewegten Schule auf die motorische Leistungsfähigkeit von Grundschulkindern beitragen?
8. Welche möglichen Konsequenzen ergeben sich aus der Vergleichsuntersuchung (Konzeptumsetzung, sportmotorische Ergebnisse, etc.) für die untersuchte Grundschule? Gibt es Verbesserungsvorschläge, um die Grundschüler zu einer höheren motorischen Leistungsfähigkeit zu bewegen?

Insgesamt stellt das Forschungsvorhaben ein Vergleich bereits erhobener Daten bzw. eine Erweiterung der bereits erhobenen Daten zur Leistungsfähigkeit von Grundschülern an Bewegten Schulen dar und stellt sich somit der Frage der Wirksamkeit dieser Schulen bezüglich der Sportmotorik der Lernenden.

Um der Beantwortung der aufgestellten Leitfragen einen Schritt näher kommen zu können, wird im folgenden Kapitel der Gegenstandsbereich der Arbeit abgegrenzt.

2. Abgrenzung des Gegenstandsbereiches

In diesem Kapitel wird der gesamte Gegenstandsbereich (Motorik (Allgemein, Motorik im Kindesalter), sportmotorische Tests, ) erläutert.

2. 1 Gegenstandsbereich 1: Motorik

Bei den Definitionen wird einmal die Motorik allgemein erklärt, um danach gezielt auf die sportmotorischen Anforderungen des angewendeten Tests einzugehen.

2. 1. 1 Motorik

In der Fülle menschlicher Bewegungsabläufe äußert sich motorisches Verhalten. Reaktionen im Bewegungsverhalten ergeben sich auf äußere Reize. So entwickeln sich im Spiel Situationen, die mit spontanen Reaktionen beantwortet werden müssen (Sportmotorik), Emotionen und Spannung lassen sich in Bewegungen ausdrücken (Ausdrucksmotorik) und des Weiteren kann der Mensch Bewegungen so erlernen, dass sie automatisiert werden (Alltagsmotorik) (vgl. Herbert 1992, S. 5).

Da bei der späteren eigenen Untersuchung der AST (6-11) verwendet wird, der die Sportmotorik untersucht, genügt es an dieser Stelle nur kurz auf den Bereich Motorik einzugehen, um danach spezieller die Sportmotorik zu erläutern.

Die Grundformen der Sportmotorik stammen aus der Arbeitsmotorik, welche Bewegungsabläufe des alltäglichen Lebens beschreiben (laufen, gehen, aufstehen, etc.), wobei sie jedoch ihren utilitarischen Charakter verloren haben und nun anderen gesellschaftlichen Vorstellungen dienen. Ganz allgemein versteht man unter dem Begriff Sportmotorik,,alle Bewegungen […], die bei der Sportausübung, beim Erlernen oder bei der Durchführung von Bewegungen ablaufen“ (ebd., S. 7).

In der sportwissenschaftlichen Literatur wird der Begriff Motorik häufig mit dem Begriff der ,,Bewegung“ in Verbindung gebracht. So sind ,,Motorik und Bewegung zentrale Begriffe der Bewegungslehre, die nicht eindeutig zu fassen sind bzw. nicht einheitlich definiert werden“ (Dordel 2003, S. 107). MARHOLD (1965) sowie BÖS und SINGER (1994) stellen eine klare Abgrenzung beider Begriffe her.

Folglich gilt die Motorik nach MARHOLD ,,als Ursache oder als Innenaspekt, Bewegung dagegen als äußeres Erscheinungsbild, als Außenaspekt“ (ebd.). Genauer gesagt entspricht die Motorik der ,,Gesamtheit aller Steuerungs- und Funktionsprozesse […], während Bewegung als das Ergebnis dieser Prozesse sichtbar, beobachtbar bzw. auch messbar wird“ (ebd.).

In der Definition von BÖS und SINGER (1994) wird der Begriff Bewegung in der Erklärung des Begriffes Motorik erfasst. Sie stellen fest, dass Motorik alle an der Steuerung und Kontrolle von Haltung und Bewegung beteiligten Prozesse umfasst und damit sensorische, perzeptive, kognitive und motivationale Vorgänge mit einbezieht. Die Bereiche Haltung und Bewegung resultieren aus dem Zusammenspiel multipler Subsysteme (vgl. ebd.). Wichtig ist jedoch, dass man bedenkt, dass Haltung selbst Bewegung ist, da jede ,,Körperhaltung […] fortlaufend durch eine Vielzahl differenzierter Bewegungsimpulse stabilisiert“ (ebd.) wird.

Folglich kann zusammenfassend jeweils für die Motorik und die Bewegung aus den aufgestellten Definitionen eine definitionsübergreifende Begriffscharakterisierung erfolgen:

Motorik:

- Innenaspekt,
- Gesamtheit aller Steuerungs- und Funktionsprozesse,
- bezieht sensorische, perzeptive, kognitive und motivationale Vorgänge mit ein,
- unterteilt sich in verschiedenen Anwendungsfeldern: Alltags-, Ausdrucks-, Arbeits- und Sportmotorik.

Bewegung:

- Außenaspekt,
- wird als Ergebnis von Prozessen sichtbar, beobachtbar bzw. auch messbar,
- resultiert, wie auch Haltung, aus dem Zusammenspiel subtiler Subsysteme,
- ist Haltung selbst.

Grundlegende Größen der menschlichen Motorik sind die motorischen Fähigkeiten, welche allgemeine, bewegungsunspezifische Steuerungs- und Funktionsprozesse (s.o. Stichpunkte zur Motorik) beschreiben und damit einer Prozessebene zugeordnet sind. Sie können zwar nicht direkt beobachtet werden, können aber als leistungsbestimmend für eine ganze Gruppe unterschiedlicher motorischer Fertigkeiten gelten. BÖS bezeichnet ,,motorische Fertigkeiten als Strukturkomponenten und damit als Voraussetzung von Bewegungshandlungen“ (ebd., S. 108), welche auf der Verhaltensebene anzusiedeln sind und deshalb den Außenaspekt von Fähigkeiten darstellen. Unterschieden wird zwischen elementaren (einfache Bewegungsformen zur Bewältigung alltäglicher Anforderungen: gehen, laufen, kriechen, klettern, tragen, werfen, etc.), was HERBERT (1992) mit dem Begriff Alltagsmotorik beschreibt und die sich im Kleinkind- bis spätestens Grundschulalter entwickelt; und komplexen (sport-) motorischen bzw. später sportartspezifischen Fertigkeiten. Die komplexen Fertigkeiten bauen auf den elementaren auf und werden über den Prozess des motorischen Lernens erworben und verfeinert (vgl. ebd., S. 109). Nach GUNDLACH (1968) werden die motorischen Fähigkeiten in konditionelle (abhängig von Prozessen der Energiebereitstellung und -übertragung; bestimmen die quantitativen Aspekte der Motorik: Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit/ AST (6-11): aerobe Ausdauer, Schnellkraft, Aktionsschnelligkeit,) und koordinative (abhängig vom Aspekt der Bewegungssteuerung und –regelung bzw. der Informationsverarbeitung; qualitativer Aspekt/ AST (6-11): Teil-, Gesamtkörperkoordination) (vgl. ebd., S. 109f.) Fähigkeiten unterteilt, welche in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander stehen.

Die untenstehende Abbildung stellt übersichtlich die motorischen Fähigkeiten dar (s. Abb. 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Systematisierung motorischer Fähigkeiten, Starker et al. 2007, S. 776

In Verbindung mit dem angestrebten Test werden nur die komplex-motorischen Fähigkeiten skizziert, die bei den geforderten Übungen angesprochen werden:

Konditionelle Fähigkeiten

(1) 20-m-Lauf: Aktionsschnelligkeit oder auch Bewegungsschnelligkeit ist eine von drei Unterformen der Schnelligkeit (Schnellkraft, Aktionsschnelligkeit, Reaktionsschnelligkeit), welche es ermöglicht Bewegungen mit höchster Geschwindigkeit auszuführen (vgl. PAHMEIER, SS 2005).

Folglich lässt sich Aktionsschnelligkeit nicht als isolierte Basisdimension erklären.

(5) MEDB: Schnellkraft der Arme: Die zweite motorische konditionelle Fähigkeit bildet die Kraft (Formen: Kraftausdauer, Maximalkraft, Schnellkraft), welche im Sinne einer motorischen Eigenschaft des Menschen (physiologisch gesehen) die Fähigkeit eines Muskels darstellt, Widerstände zu überwinden bzw. Widerständen entgegenzuwirken; in diesem Fall mit einer sehr hohen Geschwindigkeit bezüglich der Arme (vgl. Mühlfriedel 1994, S. 52).

(6) 6-MIN-Lauf: Aerobe Ausdauer: So wird unter Ausdauer, (hier aerob, also mit ausreichendem Sauerstoffangebot) ,,die physische und psychische Widerstandsfähigkeit bei lange andauernden oder sich ständig wiederholenden sportlichen Belastungen“ (Pahmeier SS 2005) verstanden, die auch die Fähigkeit einschließt, sich nach Belastungen physisch und psychisch relativ rasch zu erholen. Weitere Unterbereiche der Ausdauer sind: anaerobe Ausdauer und die Kraftausdauer.

Koordinative Fähigkeiten

Koordination (Reaktionsschnelligkeit, koordinatorischer Zeitdruck, koordinatorische Präzision) wird als ein abgestimmtes Zusammenwirken aller Einzelbewegungen gesehen, so dass eine reibungslose, ökonomische und sinngemäß ablaufende Gesamtbewegung entstehen kann (vgl. Sport- Brockhaus 1989, S. 276).

(3) BBW: Ballgeschicklichkeit: Der Begriff Ballgeschicklichkeit wird in der sportwissenschaftlichen Literatur als solcher nicht angewendet, so dass ein eigener Begriff gefunden wird und zwar die Ball- Hand- Koordination.,,Geschicklichkeit bezeichnet die vollständige Beherrschung der feinmotorisch koordinierten Bewegungsabläufe - auch des Gesamtkörpers - unter optimaler Auswertung der verschiedenen Wahrnehmungsstimulationen und -kontrollen” (Köckenberger 1999, 334). Jedoch taucht bei PAULI & KISCH der Begriff Handgeschicklichkeit auf, der der Begriffsbestimmung von Ballgeschicklichkeit sehr nahe kommt: ,,Mit der ,,Handgeschicklichkeit“ ist eine Feinkoordination, eine feinmotorische Abstimmung von Hand- und Beinbewegungen auf komplex koordinative Ansprüche gemeint“ (vgl. Pauli & Kisch 1999, 8f.).

(2) ZIEL: Zielgenauigkeit: Auch dieser Begriff taucht in der Sportpraxis als solcher nicht auf. Die Hand- Auge- Koordination kann jedoch als Synonym für Zielgenauigkeit stehen.

(4) HL: Gewandtheit: Den Fähigkeitsbereich, der beim Hindernislauf abgefordert wird, kann man zu der Unterform der Schnelligkeit und Koordination, dem koordinativen Zeitdruck, zuordnen (vgl. Pahmeier SS 2005). Schüler müssen hier nämlich so schnell wie möglich einen vorher gemerkten Parcours durchlaufen. Diese Übung lässt den Schluss zu, dass je wendiger Schüler den Parcours durchlaufen, je schneller sind sie im Ziel und folglich ist ihre Gewandtheit desto besser.

Die letzte sportmotorische Fähigkeit bildet die Beweglichkeit oder auch Gelenkigkeit, die die Befähigung darstellt die Muskeln, Sehnen und Bänder zu dehnen und welche somit auch vom anatomischen Bau dieser, der Gelenke, den psychischen Bedingungen, der Tageszeit und der Außentemperatur zusammen hängt (vgl. Herbert 1992, S. 71). Unterschieden werden die statische und dynamische Beweglichkeit. Bezogen auf den Test spielt die Beweglichkeit bei dem BBW und dem HL eine Rolle.

Nachstehend wird die Motorik im Kindesalter beschrieben.

2. 1. 2 Motorik im Kindesalter

Motorische Entwicklung vollzieht sich durch aktives Handeln des Individuums in seiner Person-Umwelt-Interaktion und diese sollte im Normalfall auch geschehen, da Kinder einen natürlichen Bewegungsdrang besitzen, wie eingangs in den Vorüberlegungen zur Arbeit auch schon gezeigt wurde (s. Kap. 1. 1). Körperliche Inaktivität bei Kindern muss laut OR (1986) immer als auffällig gewertet werden, da deren Ursache im körperlichen, psychischen oder sozialen Bereich liegen kann (vgl. Dordel 2003, S. 239).

,,Bei Vorschul- und Grundschulkindern entspricht die äußere Bewegung vielfach noch der inneren Bewegung: Fröhliche oder traurige Stimmungen, Freude, Angst und andere Gefühle finden ihren unmittelbaren Ausdruck in Bewegung“ (ebd., S. 241), wobei sich im Verlauf des Vorschulalters erste Tendenzen zur Selbststeuerung von Gefühlen zeigen.

Motorisches Können (Körperkraft, Geschicklichkeit) kann nicht nur ein physischer Vorteil für das Kind sein, sondern kann oft besonderes Ansehen bei seinen Klassenkameraden auslösen und sich so auf psychischer Ebene in Bezug auf die Entwicklung emotionaler Stabilität, sowie auf die Entwicklung eines positiven Selbstbildes positiv auswirken (vgl. ebd.). Das praktische Handeln im Umgang mit der Umwelt führt zu Erkenntnissen, die schon im Vorschulalter hinterfragt, abstrahiert oder verallgemeinert werden. ,,Kinder suchen sich Herausforderungen, experimentieren mit ihrer zunehmenden Bewegungsbeherrschung und ihrem Bewegungskönnen“ (ebd.), damit ihr Bewegungsbedürfnis gestillt wird und aufgrund vielfältiger Erfahrungen die kognitive Entwicklung wesentlich unterstützt werden kann (vgl. ebd.).

Bis zum Schuleintritt, ca. sechs bis sieben Jahre, steht der Erwerb vielfältiger motorischer Grundformen (gehen, laufen, hüpfen, springen, etc.) im Vordergrund, die allmählich sicherer beherrscht werden. Auch einfache Bewegungskombinationen, wie Laufen und Springen, sollte das Kind am Ende der Vorschulzeit dynamisch ausführen können (vgl. ebd., S. 266/ s. dazu Anlage 1[5] ).

Die Zeit zwischen dem siebten und zwölften Lebensjahr der Kinder, dem Alter der Untersuchungsgruppe, wird in der Literatur als ,,Periode höchster motorischer Lernfähigkeit, als bestes Lernalter“ (ebd., S. 272) angesehen. Im Anschluss daran erfolgt eine Phase geringerer Entwicklung. Gerade in dieser Zeit sollten also die Bezugspersonen (Eltern, Lehrer, etc.) günstige Umweltbedingungen schaffen, die das Lern- Leistungsstreben der Kinder durch Bereitstellung ausreichender Lerngelegenheiten und Übungsmöglichkeiten unterstützen (vgl. ebd.).

Wenn folglich im Rahmen dieser Arbeit von motorischer Leistungsfähigkeit gesprochen wird, so bezieht sich dies auf Leistungen im Bereich der großmotorischen Sportmotorik, die auf der Basis der energenetisch determinierten (konditionellen) und informationsorientierten (lernbedingten/ koordinativen) Fähigkeiten erbracht wird (vgl. Pahmeier SS 2005).

Im kommenden Abschnitt wird der 2. Gegenstandsbereich, sportmotorische Tests, beschrieben.

2. 2 Gegenstandsbereich 2: Sportmotorische Tests

,,Die testdiagnostische Vorgehensweise mittels Test stellt einen ganzheitlichen, fähigkeitsbezogenen Zugang zu Bewegungshandlungen dar“ (Bös 2001, S. 2) und erfolgt immer auf der beobachtbaren Ebene von Bewegungsfertigkeiten, welche als Indikatoren für den Rückschluss auf motorische Fähigkeiten dienen. Das heißt, dass motorische Anlagen, wie z.B. die Kraft, mittels eines Tests nicht direkt gemessen werden kann (z.B. Kraftmessung durch Liegestütze), sondern nur über Dispositionen bzw. latente Konstrukte, so dass man beispielsweise aus der Anzahl der erreichten Liegestütze auf die Ausprägung der Kraft zurückschliessen kann (vgl. ebd., S. 4).

Fertigkeiten können jedoch mehr oder weniger typisch und unterschiedlich komplex sein. Man unterscheidet, wie man auch in der Tabelle (s. Tab. 1) sehen kann, zwischen Basisfertigkeiten mit hoher Alltagsrelevanz (z.B. laufen, springen, etc.) und komplexen Fertigkeiten, die meist eine Ähnlichkeit zu einer Sportart aufweisen (z.B. dribbeln, klettern, schwimmen, etc.) (vgl. ebd.).

Tab. 1: Differenzierung des motorischen Gegenstandsbereichs in Fähigkeiten und Fertigkeiten, Bös 2001, S. 4

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Mit der ,,Differenzierung von Fähigkeiten und Fertigkeiten wird getrennt zwischen der Gesamtheit aller Steuerungs- und Funktionsprozesse (Motorikebene) […] und ihren vielfältigen Ergebnissen (Bewegungsebene)“ (ebd.). Um motorische Fähigkeiten jedoch erfassen zu können, erfolgt die Messung bei motorischen Verhaltenstests mit möglichst einfach strukturierten (eindimensionalen) Testaufgaben (z.B.: AST (6-11)). So kann über die Ausprägung der Leistung in den Tests einerseits auf die Ausprägung motorischer Steuerungs- und Funktionsprozesse zurück geschlossen werden, andererseits ist ein möglichst breiter Transfer auf der Vielfalt beobachtbarer Handlungs- und Bewegungsresultate auf der komplexen Fertigkeitsebene möglich. So wird angenommen, dass eine Person, die viele Klimmzüge schafft, auf der muskulären Dispositionsebene gute Voraussetzungen besitzt und folglich auch auf der Fertigkeitsebene in der Lage ist, eine Kugel weiter zu stoßen, als eine Person, die weniger Klimmzüge schafft (vgl. ebd.).

Zusammenfassend versteht man unter Basisaufgaben motorischer Tests Einzeltests, die in mehreren Testbatterien bzw. -profilen Verwendung finden, die hinsichtlich der Gütekriterien (Objektivität, Reliabilität, Validität) überprüft worden sind und für welche Normwerte vorliegen (vgl. ebd., S. 6).

In nächsten Teilkapitel soll es darum gehen den dritten Gegenstandsbereich genauer zu untersuchen. Es wird danach gefragt was eine Bewegte Schule ist, warum eine heutige Grundschule nach dem Konzept unterrichten sollte und auch wie die Umsetzungen danach aussähe.

2. 3 Gegenstandsbereich 3:

,,Lernen mit Kopf, Herz und Hand“

So wie es früher der Pädagoge PESTALOZZI schon formulierte, wird das Konzept des ganzheitlichen Lernens heute neu entdeckt und jetzt erst als sinnig verstanden. Gab es zu Zeiten PESTALOZZIS (1746 - 1826) schon ideenreiche Gedanken zu einem solchen Lernen, mussten Verantwortliche Dieses heute neu erfinden, als die katastrophale Datenlage u.a. über den körperlichen Zustand der Kinder augenscheinlich wurde und nach einer Änderung der Schulkonzepte verlangte.

Auch in der Psychologie wird davon ausgegangen, dass Handlungen bzw. Bewegungen des Kindes zur Erkenntnisgewinnung beitragen. So sagt PIAGET, dass Denken sich zunächst in der Form des aktiven Handelns vollzieht: ,,über die praktische Bewältigung von Problemen gelangt das Kind dann zu ihrer gedanklichen Beherrschung“ (Breithecker 1998, S. 40, In Illi et al. 1998, Bewegte Schule. Gesunde Schule).

Folglich wird eine bewegungsreiche Erziehung sowohl von Vertretern der frühen Pädagogik, als auch von der Psychologie befürwortet.

2. 3. 1 Was ist eine Bewegte Schule?

,,Die Bewegte Schule ist jene Einrichtung, die Bewegung in den Unterrichtsfächern und im Schulalltag zum Prinzip des Lernens und Lebens macht“

(vgl. Kössler 1999, S. 5).

Die oben stehende Definition der Bewegten Schule kommt der Worterklärung schon sehr nahe, obgleich es keine einheitliche Definition gibt.

In Zusammenhang mit dem Niedersächsischen Kultusministerium und mehreren Kooperationspartnern startete 1998 das dreijährige Projekt ,,Niedersachsen macht Schule durch Bewegte Schule“, wodurch sich der Begriff an den niedersächsischen Schulen etabliert haben sollte. Da keine einheitliche Definition besteht, gibt es nur unterschiedliche Zugänge und Schwerpunkte.

Zu der Frage ,,Was ist eine Bewegte Schule?“ haben verschiedene Personen aus den Bereichen Hochschule, Schule und außerschulische Institutionen Antworten in Büchern und Fachzeitschriften verfasst. Nachfolgend stehen ausgewählte Antworten auf die eben gestellte Frage von Personen verschiedener Institutionen.

Zuerst wird die Frage von Prof. Dr. R. HILDEBRANDT- STRAHMANN beantwortet, der im Bereich der Hochschularbeit tätig ist.

HILDEBRANDT- STRAHMANN sieht in dem Konzept drei Ebenen: Erziehungskultur, Lern- und Schulkultur und die Organisationskultur. Die Erziehungskultur zeichne sich dadurch aus, dass Kinder durch die Bewegung lernen, so dass sich das Sich-Bewegen (Reflexionsebene) auch im Sportunterricht als Reflexionsebene verstände (vgl. Hildebrandt- Strahmann 2001, In Gaschler et al. 2001, Was ist eine ? nli-Berichte 66, S. 10).

In der Beschreibung der zweiten Ebene, der Lern- und Schulkultur, passt er sich den Worten HENTIGS an, indem er schreibt, dass Schule ,,nicht nur ein Lebens-, sondern auch ein Lernort“ (ebd.) sei, wobei hier unter dem Begriff Lernen eine Identitätsfindung und soziale Erfahrung in den Lernzusammenhängen zu verstehen sei. Die dabei nötige Lernkultur, die ausgeformt und -gestaltet werden muss und die Mittelpunkt für die damit verbundenen erzieherischen und sozialen Aufgaben sein kann (vgl. ebd.), ist viel mehr als eine bloße Wissensaneignung und –vermehrung zu sehen. Lernen wird ,,als selbst gestaltetes, als soziales, als dialogisches, als produktives Lernen, als Erleben von Können bzw. als Bewältigung von Misserfolgen“ (ebd.) begriffen. HILDEBRANDT- STRAHMANN geht von der anthropologischen Feststellung aus, dass Kinder motivierter und mit stärkerer innerer Beteiligung bzw. Bereitwilligkeit lernen wollten, je stärker die Schule als Lebens- und Lernort auf ihre körperlichen, emotionalen, materiellen und sozialen Lebensbedürfnisse eingehe (vgl. ebd.), so dass ein vollständiger Lernprozess erreicht werden könne. Um die Vielseitigkeit eines bewegungsfreudigen Lernbegriffes verdeutlichen zu können, nennt er einige Bausteine zur Bewegten Schule: Mobiles Klassenzimmer, Vermittlung von Körper- und Haltungsthemen, Gestaltung des Schulraums als Bewegungsraum und die Einrichtung von Bewegungswerkstätten, sowie problem- und erfahrungsorientierter Sportunterricht.[6]

Die letzte Ebene bilde die Organisationskultur, die mit der Entwicklung von kollegialen Beratungs- und Kooperationsformen verbunden sei. Damit ist gemeint, dass Sportlehrende aktiv versuchen etwas an der bestehenden Schule zu verändern, so dass eine Erweiterung an Bewegung entsteht. HILDEBRANDT- STRAHMANNs Überlegungen, die von der Vorstellung geprägt sind auch in der Schule mehr Zeit für Kinder einzuplanen (ebd., S. 13), sehe wie folgt aus: Rhythmisierung eines Schulvormittages, ,,der durch Phasen der Anspannung und Entspannung, durch Phasen eines aufgabenbezogenen Lernens und Phasen des erforschenden Lernens systematisch gegliedert wird. Innerhalb solcher Phasen und auch dazwischen sollen immer wieder Phasen der sinnlich wahrgenommenen Leiblichkeit liegen“ (ebd.). Damit ist nichts anderes gemeint, als das die Kinder in ihrem Wesen ernst genommen werden sollen und individuell, durch unterschiedliche Lernformen, zu fördern seien. Zum Beispiel könnten Sportlehrende ihre Kollegen beraten wie eine bewegungsanregende Schulumwelt aussehen könne, so HILDEBRANDT- STRAHMANN.

Um später ein Fazit über die verschiedenen Vorstellungen von einer Bewegten Schule ziehen zu können, werden wie folgt von zwei weiteren Personen zu der anfangs aufgestellten Frage Stellungsnahmen verschriftet.

Für H.-PETER OPPERMANN, Leiter der OS Stöckheim, ist eine Bewegte Schule, in die in zweierlei Hinsicht Bewegung gekommen ist. Bewegte Schule sieht er einerseits als Verpflichtung der Schule Schulprogramme zu entwickeln (Dokumentation über die Arbeit an Schulen, Vorbereitung auf Zukunftsaufgaben) und andererseits versucht er Schule durch die Folgen von zu wenig Bewegung zu beschreiben (vgl. Oppermann 2001, In Gaschler et al. 2001, Was ist eine Bewegte Schule? nli-Berichte 66, S. 44). Laut OPPERMANN kann sich eine Schule nur dann eine Bewegte Schule nennen, wenn dies im Schulprogramm fest verankert ist und alle Beteiligten die Verbindung von Bewegung und Lernen als pädagogisches Prinzip erkennen und in unterrichtliche Prozesse integrieren (vgl. ebd.). Bewegung quasi äußerlich sichtbar wird. Des Weiteren versucht OPPERMANN über Argumente für eine Bewegte Schule diese zu definieren, wenn er sagt, dass über den reinen motorischen Aspekt zur Umsetzung pädagogischer Ziele beitragen kann und mit Schwerpunkten wie u.a. Pausenhofgestaltung und einer Ausgestaltung des Klassenraumes positiven Einfluss auf das Schulklima, sowie auf die Zusammenarbeit von Lehrenden, die eine Weiterentwicklung der Schule vorantreiben, leisten kann (vgl. ebd., S. 46).

Zuletzt wird die Frage nach dem Was? einer Bewegten Schule aus der Sicht eines Grundschulleiters, CLAUS BECKMANN, beantwortet.

BECKMANN sieht sich als Praktiker mit Erfahrung aus zehn Jahren Schulleitung und vielfältigen Tätigkeiten in der Lehrerfortbildung und versucht, ohne zahlreiche Theorien zu wiederholen, eine eigene Definition von Bewegter Schule zu geben. Folglich gelangt BECKMANN zu fünf Aspekten, die eine aus seiner Sicht kennzeichnen (Beckmann 2001, In Gaschler et al. 2001, Was ist eine ? nli-Berichte 66, S. 37):

1. Kindgerechte Rhythmisierung des Vormittages und des gesamten Lernprozesses, einschließlich des Nachmittages und der Hausaufgaben.
2. Kindgerechte Gestaltung der Außen- und Innenräume der Schule.
3. Feiern von Schulfesten als wesentliche Bestandteile des Schullebens.
4. Öffnung der Schule zum Stadtteil bzw. zur Kommune sowie zu anderen schulischen und außerschulischen Bereichen.
5. Kompetenz der Lehrenden (didaktisch, methodisch, pädagogisch und sozial).

Um eine Rhythmisierung zu erlangen, reiche es jedoch nicht eine 5-minütige Bewegungspause mit Gymnastik einzulegen, auch fordern Spiel- und Sportgeräte zwar Bewegung heraus, seien dennoch kein Indiz, genau so wenig wie die Einführung von 90-minütigen Unterrichtsblöcken, für eine Bewegte Schule. Auch ein Sofa im Klassenzimmer, eine Schaukel, eine Weidenhütte oder auch eine Umgestaltung des Außengeländes seien keine Anhaltspunkte für eine Bewegte Schule. Das einmal jährlich durchgeführte Fest, um mehr Geld in der Kasse zu haben oder der Besuch eines Polizeibeamten, der den Unterricht übernimmt und etwas zum Verkehrsverhalten erzählt, sei zwar nennenswert, aber kein Zeichen von Öffnung. Auch die Tatsache, dass viele Lehrende denken, dass man nach dem 2. Staatsexamen ein fertiger Lehrer sei, ließe trügen, denn Kompetenz erwerbe man durch einen Prozess von Fort- und Weiterbildungen, Literaturstudium und beruflichem und fachlichem Gedankenaustausch, so BECKMANN (vgl. Beckmann 2001, S. 36f.).

Zusammenfassend stellt sich nach den ganzen Überlegungen zu dem Konzept wieder die Frage, was eigentlich ist. So wie in vielen Theorien und Ausführungen zu dem Konzept bereits mehrfach angedeutet wurde, gibt es auch bei den oben angeführten Überlegungen keine eindeutige Definition, so dass sich nur ein Überblick über die zentralen Aussagen der Experten herstellen lässt. ist bzw. integriert Folgendes:

- ein ,,Lernen mit Kopf, Herz und Hand“ (Pädagogik),
- Handlungen bzw. Bewegungen, die zum Erkenntnisgewinn des Kindes beitragen (Psychologie),
- drei Ebenen der Schulkultur: Erziehungskultur (Schulklima mit dem Verständnis ,,Erziehung als Selbsterziehung“), Lernkultur (,,Schule ist nicht nur ein Lebens-, sondern auch ein individueller Lernort“ à produktives Lernen) und Organisationskultur (Entwicklung von kollegialen Beratungs- und Kooperationsformen/ anthropologische Vorstellung: Mehr Zeit für ein Kind = Rhythmisierung eines Schulvormittages, so dass Phasen der An- und Entspannung entstehen) (Hildebrandt- Strahmann),
- ein entwickeltes Schulprogramm mit einer Schule, in der alle Beteiligten die Verbindung von Bewegung und Lernen als pädagogisches Prinzip erkennen und in unterrichtliche Prozesse integrieren, so dass die katastrophale Lage der Kinder u.a. physischer Art gelindert werden kann und die Schule sich mit einem positiv engagierten Kollegium zukunftsweisend weiter entwickeln kann (Oppermann),
- eine kindgerechte Rhythmisierung des Vormittages und des gesamten Lernprozesses, einschließlich des Nachmittages und der Hausaufgaben, eine kindgerechte Gestaltung der Außen- und Innenräume der Schule, das Feiern von Schulfesten als wesentliche Bestandteile des Schullebens, die Öffnung der Schule zum Stadtteil bzw. zur Kommune, sowie zu anderen schulischen und außerschulischen Bereichen, sowie die Kompetenz der Lehrenden (didaktisch, methodisch, pädagogisch und sozial).

2. 3. 2 Warum soll es eine Bewegte Schule geben?

In der Literatur findet man weit mehr Begründungsansätze für eine Bewegte Schule, als in den Vorüberlegungen dieser Arbeit (Kap. 1.1) zu lesen waren.

Die REGENSBURGER PROJEKTGRUPPE hat versucht die verschiedene Begründungen von Wissenschaftlern zu systematisieren, als idealtypische Begründungsmuster zusammenzufassen und inhaltlich weiter auszudifferenzieren (vgl. Regensburger Projektgruppe 2001, S. 67). Im Folgenden werden nun zehn verschiedene Argumente für eine (s. Abb. 2), laut der REGENSBURGER PROJEKTGRUPPE, dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Zehn Argumente für eine Bewegte Schule, eigene Darstellung

a) Ergonomisches Argument

,,Arbeitsbedingungen sollen an den Menschen angepasst werden […]“

(Regensburger Projektgruppe 2001, S. 67).

Bewegung soll laut dem ergonomischen Argument dem dauernden Sitzen und den dadurch verursachten Rückenbeschwerden am Arbeitsplatz Schule entgegenwirken. Die Arbeitsbedingungen müssen an den Menschen angepasst werden! Bezogen auf die Schule, muss diese sicherstellen, dass die Schüler sich genügend bewegen können, um so eine Übermüdung der Muskelgruppen zu verhindern. Die Bereitstellung von ergonomischem Schulmobiliar reicht jedoch noch nicht, um ein gesundes Sitzen zu garantieren. Am Gesündesten scheint der Wechsel von Be- und Entlastung im Unterricht, wo man die Schlagworte ,,aktives oder bewegtes Sitzen“ einbringen kann. Um das gesunde Sitzverhalten zu festigen, sollte die Schule auch nicht auf eine entsprechende Sitzpädagogik verzichten (vgl. ebd., S. 67ff.).

b) Physiologisches Argument

,,Der menschliche Bewegungsapparat ist phylogenetisch für Bewegung geschaffen“

(Regensburger Projektgruppe 2001, S. 72).

Der Körper ist auf Bewegung angewiesen. Zivilisationskrankheiten (Übergewicht, Koordinations- und Haltungsschwächen, geringe Belastbarkeit, etc.) sind Folgen des Bewegungsmangels der Heranwachsenden. Laut des physiologischen Ansatzes werden die negativen Untersuchungsergebnisse über den Gesundheitszustand als Folge des zunehmenden Bewegungsmangels gesehen, der sich folglich auch negativ auf die Ausgaben des Gesundheitsbereiches auswirkt (Ausgaben im Gesundheitsbereich 1992: 396 Milliarden, 1993: 425 Milliarden). Der Mensch musste sich in seiner Evolution zu allen Zeiten bewegen, um zu überleben (Nahrungssuche, in Kontakt treten mit der Umwelt, etc.). Heute wird sein Potenzial der physiologischen Anpassbarkeit jedoch durch die veränderten Lebensumstände nur gering ausgeschöpft.

Ein gravierender Einschnitt in die Bewegungsfreiheit des heranwachsenden Kindes bildet in diesem Zusammenhang die Einschulung, wodurch die Zeit zum Spielen und des freien Bewegens reduziert wird, so dass eine unzureichende Leistungsfähigkeit der Muskulatur, die sich gerade im Aufbau befindet, die Folge sein kann (Missverhältnis von Knochen- und Muskellänge). Hinzu kommen Fehlbelastungen (Sitzposition im Klassenraum), die zu strukturellen Veränderungen der Wirbelsäule führen können.

Um diesem entgegenzuwirken, appelliert der Ansatz für einen Wechsel von Be- und Entlastung im Unterricht, wie er zum Beispiel beim Gehen stattfindet, um den Rücken bzw. die Bandscheibe zu entlasten. Eine Schule, die nicht zu einem Mehr der Bewegungsmangelerscheinungen beitragen möchte, muss von der ersten Klasse ein körpergerechtes Verhalten und eine allgemeine Körperausbildung ermöglichen.

- Lernen in der Schule funktioniert nicht nur im Stillsitzen! (vgl. ebd., S. 71ff.).

c) Gesundheitspädagogisches Argument

,,Die Schule muss die Heranwachsenden befähigen, selbst Verantwortung für die eigene und die Gesundheit anderer zu übernehmen“

(Regensburger Projektgruppe 2001, S. 76).

Daten belegen, dass es eine hohe Zahl von Schülern gibt, die bereits bei der Einschulung Bewegungsmangelerkrankungen haben.[7] Eine Bewegte Schule sollte diesem entgegenwirken, indem sie ganzheitlich wirkt:

1. Bewegung in der Schule als Mittel zur Gesundheitsprävention einführen,
2. Erfahrungen und Gewohnheiten vermitteln, die dazu beitragen, dass sie (Schülern)[8] in ihrer Freizeit selbst präventives Training zur Erhaltung und Verbesserung ihrer Gesundheit betreiben können,
3. Gesundheitsbezogene Einstellungen und Handlungsweisen entwickeln und
4. Bedingungen für das Arbeiten in der Schule so gestalten, dass die Schüler ihr Wohlbefinden erhalten und verbessern können (vgl. ebd., S. 75).

Folglich ist es das Ziel einer derartigen Schule, das Verhalten der Heranwachsenden nachhaltig zu ändern bzw. zu verbessern. Zu den gesundheitserzieherischen Aufgaben gehört u.a. die Schüler für vielfältige Wahrnehmungen zu sensibilisieren, die Wahrnehmungsfähigkeit weiter zu fördern, so dass Kinder wissen, wann sie ihrem Körper eine Entlastungspause gönnen müssen. Dabei muss die Schule immer reflexionsfähig bleiben und sich die Frage stellen, ob die schulischen Bedingungen überhaupt so gestaltet sind, dass die Ansprüche der Gesundheitsförderung und -erziehung erfüllt werden können.

d) Sicherheitserzieherisches Argument

,,Werden die motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten durch entsprechende Bewegungsaktivitäten gefördert, können Alltagssituationen sicherer bewältigt werden“

(Regensburger Projektgruppe 2001, S. 79).

Aus Sicht der Unfallprophylaxe und Sicherheitserziehung ist es wichtig der Bewegung im Lebensraum Schule mehr Zeit zu widmen, um auf die Bewegungsbedürfnisse der Kinder besser reagieren zu können. Viele Untersuchungen beweisen, dass Kinder, die an einer täglichen Sportstunde teilnehmen (Bös 1997) oder in einem Bewegungskindergarten (Kunz 1993) waren, eine deutlich niedrigere Unfallrate haben, als Kinder, die sich innerhalb schulischer Institutionen weniger bewegen (vgl. Regensburger Projektgruppe 2001, S. 78). Folglich sollten Kinder somit über genügend Bewegungsmöglichkeiten zu einer sicherheitsbezogenen Sachkompetenz herangeführt werden. Dazu gehört auch, dass Kinder lernen richtig zu fallen oder zu balancieren. ,,Unterschiedliche Bewegungserfahrungen sind für Kinder wichtig, denn nur in der Bewegung lernen Kinder ihren Körper kennen und seine Stärken und Schwächen einzuschätzen“ (ebd., S. 79). Durch ein psychomotorisches Sicherheitstraining und eine sicherheitsbezogene Selbstkompetenz sollte eine Bewegte Schule langfristig zur Handlungskompetenz und einem verbesserten Sicherheitsbewusstsein beitragen.

Festzuhalten bleibt, dass der Sitzzwang im schulischen Unterricht dazu beiträgt, dass Kinder in den Pausen ihren Bewegungsdrang unkontrolliert und wild ausleben, was zu häufigen Unfällen führt.

e) Entwicklungspsychologisches Argument

,,So erlangen Kinder […] Kenntnisse von ihrer Umwelt vor allem durch Bewegung“

(Regensburger Projektgruppe 2001, S. 80).

Aus entwicklungspsychologischer Sicht ist Bewegung bedeutend. Durch den Sitzzwang in der Schule, aber auch durch überängstliche Eltern, können Kinder schnell Opfer des Bewegungsverbotes werden, wobei sich die Folgen in Koordinationsstörungen o.Ä. bei der Einschulung zeigen. Im Laufe der Entwicklung ändert sich nicht nur der Stellenwert der Bewegung. Für das Kind kann das Sitzen als belastend empfunden werden, während es für ältere Menschen als entspannend angesehen wird. Daraus wird gezogen, dass Bewegung abhängig von dem Alter, den jeweiligen Lebensbedingungen und der jeweiligen Situation ist.

GRUPE (1982) entwickelt somit vier Bedeutungsdimensionen der Bewegung, die in den folgenden Jahren erweitert wurden.[9] Zum einen die instrumentelle Bedeutung (durch Bewegung kann u.a. im Alltag oder im Sport etwas erreicht, ausgedrückt, erprobt und verändert werden), die wahrnehmend- erfahrende Bedeutung (Bewegung ist auf Erfahrungsgewinn ausgerichtet), die soziale Bedeutung (Bewegung ermöglicht Kommunikation mit anderen Menschen) und letzten Endes die personale Bedeutung (durch die Bewegung ist es erst möglich, sich selbst zu erleben, zu erfahren, zu verändern oder zu verwirklichen) (vgl. Regensburger Projektgruppe 2001, S. 80f.).

In der Pubertät ist der Faktor Bewegung besonders wichtig, da positive oder negative Erfahrungen die Entwicklung des Selbstwertgefühls und des Körperbewusstseins entscheidend beeinflussen kann. Nach neuesten Erkenntnissen kann der Vorgang der Entwicklung nicht als eine stufenförmige Abfolge, sondern als ein kontinuierliches Ereignis mit fließenden und individuell überschneidenden Übergängen von Lebensabschnitten beschrieben werden, so dass die einzelnen Bewegungsdimensionen bzw. -funktionen auch nicht separat, sondern zusammenhängend betrachtet werden müssen, was natürlich auch Konsequenzen für die Gestaltung der Bewegungserziehung in der Schule haben muss. Aufgabe der Schule ist es somit eine entwicklungsförderliche Umgebung zu schaffen. (vgl. ebd., S. 82f.).

f) Lernpsychologisches Argument

,,Ich habe schon gelesen, dass man Leibesübungen für Knaben vorschlug, damit sie besser Griechisch lernen konnten. Nach Leibesübungen hätten sie einen klaren Kopf. In diesen klaren Kopf könnte man dann Griechisch hineintun. Ist das verlockend?“

(Brecht,[10] 1997, S. 27, In Regensburger Projektgruppe 2001, S. 83f.).

Das Zitat BRECHTS (Anfang 20. Jhd.) verdeutlicht, dass die Überlegungen von einer Verbindung von Lernen und Bewegung nicht innovativ sind, sondern vor langer Zeit schon Zuspruch fanden. Heutzutage muss diese Verbindung, bei der die Bewegung die Entfaltung der geistigen Leistungsfähigkeit erst ermöglicht, jedoch wieder entdeckt werden. PIAGET (1969) fand bei seinen Forschungen zu sensomotorischer Intelligenz heraus, ,,das sich die Zeitspanne der nachweisbaren Wechselwirkungen zwischen Bewegung und Intelligenzentfaltung über die ersten beiden Lebensjahre hinaus bis zum Eintritt der Pubertät verlängert“ (Regensburger Projektgruppe 2001, S. 84). Als Ursache dafür wird gesehen, dass ,,der Lernvorgang beim Erwerb von motorischen Fertigkeiten kognitive Fähigkeiten fördert und durch die Bewegung günstige Voraussetzungen für die Schulung der Intelligenz geschaffen wird“ (ebd., S. 84). Auch ZIMMER (1981) zeigt in ihren Untersuchungen, dass Kinder mit gut entwickelten Bewegungsfähigkeiten einen höheren Intelligenzquotienten besitzen, als Kinder mit weniger Bewegungserfahrung (vgl. Regensburger Projektgruppe 2001, S. 84).[11]

Eine Bewegungsförderung kann neben Wirkungen auf die Konzentrationsfähigkeit oder der Gedächtnisleistung auch zur Erhöhung der Schulfreude, der Selbstständigkeit und der Lernbereitschaft, sowie zur Kreativitätsförderung beitragen. Zudem konnten WASMUND-BODENSTEDT (1984), GASCHLER (1990) und KAHL (1990) durch mehr Bewegung auch einen Abbau von Aggressionen, sowie eine entspannte Lernatmosphäre feststellen. Besonders wichtig wird Bewegung bei der Tatsache, dass Bewegung und Wahrnehmung zusammenhängen, wie zum Beispiel in der Werbung:

Die Aufmerksamkeit wendet sich zuerst immer beweglichen Dingen zu, was von dem Gesichts- und dem Tastsinn zuerst wahrgenommen wird. Der Gehörsinn selbst nimmt ein langsam stärker werdendes Geräusch als etwas wahr, das sich auf einen zu bewegt. (vgl. ebd., S. 86).

Folglich ist es in der Schule wichtig den Kindern das Lernen in sinnhaften Bedeutungszusammenhängen in allen Fächern zu ermöglichen.

Selbst das Sprichwort ,aus Erfahrung lernt man“ wird in BRUNERs (1974) Darstellungen bedeutungsvoll, da der Wissenserwerb auf einer handelnden, bildhaften und symbolischen Ebene erfolgt, so dass das Handeln, Darstellen und Abstrahieren gemeinsam im Lernprozess vollzogen werden kann. In schulischer Hinsicht sollte man die Reihenfolge der Ebenen jedoch Altersstufen zuordnen. Grundschulkinder (zu beachten sind auch hyperaktive Kinder und Kinder mit Leserechtschreibschwächen)[12] werden den Umgang mit einem Lernstoff z.B. am Leichtesten finden, wenn sie mit ihm handelnd umgehen können, ihn dann bildlich begreifen und zum Schluss über die symbolische Ebene erlernen. ,,Um sich entwickeln zu können, bedarf das Gehirn vielfältiger Empfindungen und Informationen; sie dienen quasi als ,sensorische Nahrung`, die dazu führt, dass es sich weiterentwickelt und richtig funktioniert“ (Regensburger Projektgruppe 2001, S. 88).

g) Lebensweltliches Argument

,,Von spielenden fröhlichen Kindern in Wald und Wiese zum aggressiven Einzelgänger im Lebensraum Wohnung vor dem Computer“

(eigene Formulierung).

Wie bereits auch schon in den einleitenden Gedanken (s. Kap. 1. 1) dieser Arbeit formuliert wurde, hat sich die kindliche Lebensumwelt verändert. Neben familiären Ungleichheiten[13] haben sich auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen, Erziehungsziele- und normen, sowie das Freizeit-und Konsumverhalten der Kinder verändert, was Konsequenzen für die Lebens- und Bewegungswelt der Kinder bereitstellt. Durch die zunehmende Bebauung gibt es immer weniger Bewegungsräume außerhalb der Wohnung. Die Umwelt, mit ihren gestalteten Spielplätzen, wird als etwas Fertiges präsentiert, was nicht gestaltbar ist und nicht zu einer Erkundungstour einlädt. Auch vermehrter Medienkonsum[14] oder bewegungsarme Freizeitaktivitäten (Kino, Computerspiele, etc.) können dazu beitragen, dass sie ihre Umwelt nicht in dem Maße, wie es für ihre Entwicklung sinnig wäre, erschließen können. ,,Durch den Mangel an Bewegungserfahrungen, Sinneseindrücken, Spiel- und Sozialerfahrungen mit Gleichaltrigen […] fehlen ihnen wichtige Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten“ (Regensburger Projektgruppe 2001, S. 89). Auch die Selbstbestimmtheit der Kinder bezüglich ihrer Freizeitgestaltung ist in den seltensten Fällen gewährleistet. Der Nachmittag ist für das Kind durch verschiedenste Betreuungseinrichtungen gekennzeichnet (Sportvereine, Schülerhilfen, Musikschulen, etc.). Die Kinder selbst wünschen sich jedoch mehr Zeit zum Spielen mit Gleichaltrigen und schätzen ihr Kindsein vor allem wegen des Noch-Spielen-Könnens. Des Weiteren haben sie genaue Vorstellungen darüber wie ihre ideale Schule aussehen sollte. So fordern Kinder eine Veränderung des Schulgeländes zum Bewegungsraum, eine flexiblere Gestaltung des Unterrichts und eine Verbesserung der Schulklimas. Folglich soll die Schule nicht nur als ein effektiver Lernort, sondern auch als ein Lebensraum für Kinder vorhanden sein (vgl. ebd., S. 90f.).

h) Anthropologisches Argument

,,Alles, was sich selbst bewegt, erweckt in uns den Eindruck des Lebendigen“

(Regensburger Projektgruppe 2001, S. 90).

Das obige Zitat verdeutlicht, dass Menschen bereits im Alltag unbewusst das Kriterium der Selbstbewegung walten lassen, um Belebtes vom Unbelebten zu unterscheiden. Diese Selbstverständlichkeit der Unterscheidungsmöglichkeiten ist dermaßen groß, dass man sich erschreckt, wenn sich etwas scheinbar Lebloses bewegt oder etwas Lebendiges leblos erscheint (Straßenkünstler, die lange Zeit bewegungslos stehen). ,,Allein die Tatsache, dass es enorm schwierig und anstrengend ist, völlig bewegungslos stehen zu bleiben, spricht dafür, dass wir auf Bewegung angelegt sind“ (ebd., S. 91).

[...]


[1] Vgl. Dordel 2003, S. 37.

[2] Vgl. Dordel 2003, S. 38.

[3] Vgl. Dordel 2003, S. 40.

[4] S. Anlage 20.

[5] Tabelle: Entwicklung elementarer Bewegungsformen. Was soll das Kind in seinem Entwicklungsjahr schon können?

[6] Falls die Begrifflichkeiten nicht schon alleine durch ihren Begriff/ Namen o.Ä. verständlich werden, können diese in einem Aufsatz von ihm (ebd., S. 11f.) nachgelesen werden.

[7] Studie von MERSMANN (1998): Stellte bei einer Schuleingangsuntersuchung fest: 14,2% der Sechsjährigen in Köln weisen eine grobmotorische Koordinationsstörung auf (vgl. Dordel 2003, S. 40f.).

[8] Im Folgenden wird nur noch der Begriff Schüler benutzt, der sowohl die weiblichen, als auch die männlichen Schüler involviert.

[9] Zimmer (1997).

[10] Lebzeit BRECHTS: 1898-1956

[11] Siehe in Regensburger Projektgruppe mit Bös, K. et al. (2001). Bewegte Schule - Anspruch und Wirklichkeit. Grundlagen, Untersuchungen, Empfehlungen. Schorndorf: Hofmann, S. 84f., weitere Arbeiten, die aus lernpsychologischer Sicht eine Bewegte Schule bzw. ein Mehr an Bewegung in der Schule befürworten.

[12] Besonders hyperaktiven Kindern fällt es schwer sinnliche Reize zu selektieren, zu ordnen, zu verarbeiten und richtig zu verbinden, was sich dadurch ausdrückt, dass sie sich u.a. bei einem hohen Lärmpegel schlecht auf die Lehrerstimme konzentrieren können. Das Funktionieren der Sinne wird in der Schule vorausgesetzt, die sinnliche Wahrnehmung selten geschult, da sie als gegeben angesehen wird. Jedoch müssen gerade für das Erlernen von komplexen Handlungen (z.B. das Lesen, Schreiben) sinnliche Erfahrungen in der richtigen Weise miteinander verknüpft werden. Lese-Rechtschreibschwächen sind deshalb auch häufig auf eine mangelnde Raum-Lage-Wahrnehmung zurückzuführen. Der Mensch besitzt zwar von Geburt an die Fähigkeit sinnliche Wahrnehmungen zu verarbeiten, doch diese müssen in der Auseinandersetzung mit der Umwelt geschult werden und dies funktioniert besonders in der Kindheit nur über Bewegungsaktivitäten, welche das Zusammenwirken der Sinne fördern und Anpassungsreaktionen hervorrufen.

[13] Blinkert 1993: In Großstädten haben nur noch 17,5% aller Haushalte Kinder, Anteil alleinerziehender Mütter bei 20%/ Ein-Kind-Familie am weitesten verbreitete Familientyp/ eine Million Kinder wachsen in den alten Bundesländern in Scheidungsfamilien auf, da jede dritte Ehe geschieden ist (vgl. Regensburger Projektgruppe 2001, S. 88).

[14] Schmidt 1997: 8-jährige haben zu 80% einen Kassettenrecorder (Einzelkinder alle), gehen wie selbstverständlich mit dem Videogerät oder der Musikanlage um, besitzen eine Zweitfernseher und 50% sogar einen eigenen Computer (vgl. Regensburger Projektgruppe 2001, S. 89).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2008
ISBN (eBook)
9783836619844
DOI
10.3239/9783836619844
Dateigröße
2.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Vechta; früher Hochschule Vechta – Sport
Erscheinungsdatum
2008 (September)
Note
2,0
Schlagworte
bewegte schule sportmotorik grundschule gesundheitspädagogik pädagogik
Produktsicherheit
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Titel: Bewegte Schule
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