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Einführung in Michel Foucaults Methodologie

Archäologie - Genealogie - Kritik

©2006 Wissenschaftliche Studie 100 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Bereits seit über vierzig Jahren ist Foucaults Denken nun mit dem Diskurs verwoben. Sein Denken hat den Diskurs auf die eine oder andere Weise brüchig gemacht, transformiert und wiederum neue Forschungsansätze bzw. Normen geschaffen. Foucault bzw. sein Denken heute zu gebrauchen, stellt uns vor eine schwierige und nicht einfach zu lösende Aufgabe. Wie einem Denker gerecht werden, der seine Arbeit bzw. seine Methoden in keinerlei Forschungsparadigma münden lassen will? Wie an ein Denken anknüpfen, dass sich festen Begrifflichkeiten und Instrumenten permanent zu entziehen sucht? Wie also Foucault gebrauchen, ohne hinter ihn und sein Denken zurückzufallen, ohne schließlich auf den durch die Zeit geglätteten Wogen des Diskurses erneut in einen tiefen Schlummer zu fallen und sich auf einem Denken auszuruhen, dass in der Lage war, so weit nach Vorne zu greifen?
Die Antwort liegt bereits in der Fragestellung: Indem wir von ihm Gebrauch machen. Und das wiederum, indem wir seine Lektion verstehen, ernst nehmen und diese aufgreifen. Diskursanalytisch zu denken kann also unmöglich bedeuten, eins zu eins mit foucaultschen Begrifflichkeiten zu operieren. Es kann im Gegenteil nur bedeuten, dem Diskurs nicht auf den Leim zu gehen, denn gerade das würde bedeuten, seine Begrifflichkeiten einer diskursiven Gefälligkeit zu überlassen. Es würde bedeuten, Foucaults Denken dem Diskurs anheim zu geben und diesem somit einer Kraft und einer Möglichkeit zu berauben. Es muss im Gegenteil bedeuten, den Diskurs im Auge zu behalten. Sowohl sich selbst und das eigene Denken nach diskursiven Mechanismen zu befragen; die Geschichte unseres Denkens mitzuverfolgen, individuell und kulturell gleichermaßen.
Das bescheidene Ziel dieser Arbeit liegt darin, zunächst die Geschichte eines Denkens zu skizzieren, das einen Weg beschritten hat, der exemplarisch dafür steht, was es heißt, sich mit dem Diskurs einzulassen. Die augenscheinliche Spannung, die Foucaults eigenes Denken prägt, führt paradigmatisch vor Augen, was es heißt, dem Diskurs nicht in die Falle zu tappen. Was es heißt, Lektionen zu erteilen und erteilt zu bekommen. Was es heißt, ein Denken in Bewegung zu halten. Somit könnte man das übergeordnete Ziel dieser Arbeit schlicht als die Suche nach Foucaults Lektion bezeichnen.
An Hand der drei großen methodischen Stationen – Archäologie, Genealogie und Kritik – in Foucaults ‚Werk’ lässt sich eine Entwicklung ablesen, die geradezu autoperformativ vor […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt

Einleitung

I. Archäologie
1. Die Anthropologie Kants
2. Die Ordnung der Dinge – das Denken des Anderen
2.1. Die Episteme der Moderne
2.1.1. Die Analytik der Endlichkeit
2.1.2. Der Tod des Menschen
3. Die Archäologie des Wissens
3.1. Elementarlehre
3.1.1. Das historische Apriori und das Archiv
3.1.2. Die diskursive Formation – Diskurskonzeption
3.1.3. Die Aussage und das Aussagenfeld
3.1.3.1. Aussage und Aussagefunktion
3.1.3.2. Referential der Aussage
3.1.3.3. Das Subjekt der Aussage
3.1.3.4. Aussage und assoziiertes Feld
3.1.3.5. Die Aussage und die Materialität
3.2. Methodenlehre
3.2.1. Die Regelmäßigkeit der Aussagen
3.2.2. Die Analyse der Widersprüche
3.2.3. Komparative Analyse
3.2.4. Die Transformationen
3.3. Archäologie und Politik
4. Die Geschichte der Denksysteme

II. Genealogie
1. Die Ordnung des Diskurses
2. Der Nietzsche der Genealogie
3. Wie man von Nietzsche Gebrauch macht
4. Macht und Subjekt
5. Das Dispositiv

III. Kritik
1. Kritische Geschichte der Denksysteme
2. Kritik und Aufklärung
2. Ethos und Freiheit
3. Rhetorik – Zum Verhältnis von Fiktion und Wahrheit
4. Keine Prophetie, keine Lösungen

Schluss

Abkürzungen

Literatur

Einleitung

Bereits seit über vierzig Jahren ist Foucaults Denken nun mit dem Diskurs verwoben. Sein Denken hat den Diskurs auf die eine oder andere Weise brüchig gemacht, transformiert und wiederum neue Forschungsansätze bzw. Normen geschaffen. Foucault bzw. sein Denken heute zu gebrauchen, stellt uns vor eine schwierige und nicht einfach zu lösende Aufgabe. Wie einem Denker gerecht werden, der seine Arbeit bzw. seine Methoden in keinerlei Forschungsparadigma münden lassen will? Wie an ein Denken anknüpfen, dass sich festen Begrifflichkeiten und Instrumenten permanent zu entziehen sucht? Wie also Foucault gebrauchen, ohne hinter ihn und sein Denken zurückzufallen, ohne schließlich auf den durch die Zeit geglätteten Wogen des Diskurses erneut in einen tiefen Schlummer zu fallen und sich auf einem Denken auszuruhen, dass in der Lage war, so weit nach Vorne zu greifen?

Die Antwort liegt bereits in der Fragestellung: Indem wir von ihm Gebrauch machen. Und das wiederum, indem wir seine Lektion verstehen, ernst nehmen und diese aufgreifen. Diskursanalytisch zu denken kann also unmöglich bedeuten, eins zu eins mit foucaultschen Begrifflichkeiten zu operieren. Es kann im Gegenteil nur bedeuten, dem Diskurs nicht auf den Leim zu gehen, denn gerade das würde bedeuten, seine Begrifflichkeiten einer diskursiven Gefälligkeit zu überlassen. Es würde bedeuten, Foucaults Denken dem Diskurs anheim zu geben und diesem somit einer Kraft und einer Möglichkeit zu berauben. Es muss im Gegenteil bedeuten, den Diskurs im Auge zu behalten. Sowohl sich selbst und das eigene Denken nach diskursiven Mechanismen zu befragen; die Geschichte unseres Denkens mitzuverfolgen, individuell und kulturell gleichermaßen.

Das bescheidene Ziel dieser Arbeit liegt darin, zunächst die Geschichte eines Denkens zu skizzieren, das einen Weg beschritten hat, der exemplarisch dafür steht, was es heißt, sich mit dem Diskurs einzulassen. Die augenscheinliche Spannung, die Foucaults eigenes Denken prägt, führt paradigmatisch vor Augen, was es heißt, dem Diskurs nicht in die Falle zu tappen. Was es heißt, Lektionen zu erteilen und erteilt zu bekommen. Was es heißt, ein Denken in Bewegung zu halten. Somit könnte man das übergeordnete Ziel dieser Arbeit schlicht als die Suche nach Foucaults Lektion bezeichnen.

An Hand der drei großen methodischen Stationen – Archäologie, Genealogie und Kritik – in Foucaults ‚Werk’ lässt sich eine Entwicklung ablesen, die geradezu autoperformativ vor Augen führt, wie Foucault heute zu benutzen ist. Die Lektion Foucaults, das ist nicht seine Lehre, seine Theorie, seine Methoden, sondern – so lautet die mutige und bescheidene These dieser Arbeit – das ist der Weg, die Geschichte (s)eines Denkens.

Die folgende Arbeit richtet sich vor allem an jene Foucault-Leser, die bisher nur einzelne Texte gelesen haben und angesichts Foucaults variierender Begrifflichkeiten, angesichts der Uneindeutigkeit seiner Aussagen und vor allem angesichts der Frage, was nun die richtige Art zu denken oder zu handeln sei, in einer Art Orientierungslosigkeit verharren.

Für jene Leser, die bereits einen groben Überblick über die Haupttexte Foucaults haben, kann der Reiz darin bestehen, den enzyklopädischen Charakter dieser Arbeit zu nutzen. Denn sie verzichtet weitgehend auf die Thematisierung der foucaultschen Rezeption und lässt vielmehr Foucault als Kommentator seiner eigenen Arbeit auftreten, indem sie seine zahlreichen Interviews und Stellungnahmen einbezieht und mit den entsprechenden Texten in Beziehung setzt.

Kritik und Rezeption

Jürgen Habermas zufolge ist Foucault unbestechlich genug, die Inkonsequenzen seines Denkens einzugestehen – ohne daraus jedoch Konsequenzen zu ziehen. [1] Sowohl für die deutsche als auch für die internationale Foucault-Rezeption spielt vor allem die Interpretation Habermas’ eine entscheidende Rolle. Er sieht die vorgebliche Neutralität Foucaults durch den unfreiwilligen Präsentismus einer Geschichtsschreibung in Frage gestellt, die ihrer Ausgangssituation verhaftet bleibt. Außerdem kritisiert er den unvermeidlichen Relativismus einer gegenwartsbezogenen Analyse, die sich selbst nur noch als kontextabhängiges praktisches Unternehmen verstehen kann. Schließlich beanstandet er die willkürliche Parteilichkeit einer Kritik, die ihre normativen Grundlagen nicht ausweisen kann.[2] Ähnlich lautet auch der Vorwurf Nancy Frasers. Foucault mache an keiner Stelle deutlich, in welchem Umfang er die normative Problematik ausklammert und ob er nur ein bestimmtes normatives und klar abgegrenztes Konzept oder ausnahmslos jeden Normativismus zurückweist und stattdessen einen kulturellen und ethischen Relativismus vertritt. So könne uns Foucault schließlich nur erklären, was am modernen Macht-Wissen-Regime falsch ist und warum wir uns dagegen zu stellen haben, wenn er normative Begriffe einführt.[3] Axel Honneth wirft dem foucaultschen Modell, da es normative gehaltvolle Übereinkünfte (wie Rechtsnormen, Moralvorschriften, etc.) per definitionem ausschließe, einen politischen Dezisionismus vor.[4]

Augenscheinlich messen diese Kritiker Foucault an einem Maß, dem er sich gerade zu entziehen wünschte: einem normativen Begründungsdiskurs bzw. einem theoretischen Begründungsdiskurs mit letztlich normativen Folgen. Foucaults Kritiker sprechen aus der Ordnung ihres Diskurses heraus. Geradezu paradigmatisch wird sein Diskurs in die Ordnung des Diskurses aufgenommen und jenen Ausschließungs-, Einsperrungs- und Anwendungsprozeduren des Diskurses, die Foucault in seiner Inauguralvorlesung Die Ordnung des Diskurses [5] von 1970 am Collège de France, aufzeigt, unterworfen. Der systematische Verzicht Foucaults auf normative Begrifflichkeiten bzw. einen normativen Begründungszwang, der sich „gegen den Gedanken universeller Notwendigkeiten im menschlichen Dasein“[6] richtet, wird durch die Kritiker gar nicht erst wahrgenommen. Und ebenso scheint den Texten Foucaults bereits eine ignorante Geste gegenüber dieser Art von Kritikern imprägniert: sie sind nichts weiter als ihrer Ordnung des Diskurses verhaftet. Foucaults rhetorische Dramatik, die nicht selten an provokative Ironie grenzt, lässt sein Denken noch heute wie das frei schwebende Grinsen der Edamer Katze[7] zurück, das von sich selbst eingenommene Kritiker in die peinliche Geste zwingt, dieses Grinsen einzufangen und es dem widerspenstigen Körper der Katze ein für alle mal einzuverleiben. Unter diesem Zeichen stehen Foucaults listige Kommentare, die lästige und verständnislose Gegenfragen antipizierend in die Rhetorik und Systematik der eigenen Texte einbaut. Ein stets wiederkehrender Vorwurf wird jener einer mangelnden Kohärenz in seinem Denken sein, den er bereits in der Archäologie des Wissens vorwegnimmt:

„Man frage mich nicht, wer ich bin, und man sage mir nicht, ich solle der gleiche bleiben!“[8]

So liegt die Vermutung nahe, dass derartige Kritiken an Foucaults Methode auf einer Rhetorik beruhen, die gerade darin besteht, innerhalb ihres Begründungsganges zu suggerieren, es handle sich dabei um eine begriffliche Selbstverständlichkeit universeller Geltung, obwohl es sich hier bestenfalls um theoriepolitische Einwände handeln kann.

Die Frage nach der Rezeption Foucaults ist zweifelsfrei eine wichtige. Dem foucaultschen Vorhaben und seiner Haltung weit angemessener, als eine exegetische oder philologische Arbeit, muss jedoch die Frage nach dem Gebrauch[9] bzw. der Anwendung seiner Arbeiten sein, die er selbst nicht als universell gültig[10] verstanden wissen wollte und deshalb mit der Metapher von Werkzeugen beschrieb.[11] So gibt es z.B. in Deutschland eine Reihe von Wissenschaftlern, die an Foucaults ‚Diskursanalyse’[12] anknüpfen. Zu den bekanntesten Vertretern gehören Jürgen Link, Friedrich A. Kittler und Siegfried Jäger. Man muss jedoch kritisch erwähnen, dass sich Foucault zwar auf dem Gebiet der Medientheorie, Sozialwissenschaften oder der Literaturwissenschaft einer relativ großen

Popularität erfreut. Auf dem Gebiet der übrigen Geisteswissenschaften, vor allem der Geschichtswissenschaften und speziell der Philosophie krankt sein ‚Werk’ an einer verkürzten Rezeption, wenn nicht so gar an Missbilligung. Lediglich in den Gender Studies wird Foucault vor allem durch die konstruktive Kritik Judith Butlers, die Foucaults machttheoretische Überlegungen aufnimmt und seine genealogische Methode weiterführt, als wichtiger Anknüpfungspunkt honoriert.[13]

Foucaults Texte

Um sein Unternehmen, die Geschichte der Gegenwart zu schreiben,[14] durchzuführen, folgt Foucault einer Beschreibungsmethode, die er Archäologie nennt. In zwei Monographien taucht dieser Begriff bereits im Untertitel auf, ohne dass er diesen wesentlich expliziert. 1963 in Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des ärztlichen Blicks [15] und 1966 in Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften.[16] Erst 1969 schickt er, mit Die Archäologie des Wissens eine methodische Reflexion seiner bisher durchgeführten Arbeiten nach. Mit der Inauguralvorlesung Die Ordnung des Diskurses seines eigens für ihn umbenannten Lehrstuhls Geschichte der Denksysteme am Collège de France kündigt sich eine Kehre in seinem Denken an; er entwickelt ein weiteres Konzept für seine Arbeit: die Genealogie. Er verzichtet diesmal auf eine Methodenschrift im Umfang der Archäologie des Wissens. Es finden sich, außer einem Aufsatz Nietzsche, die Genealogie und die Historie [17] von 1971, lediglich vereinzelte Andeutungen zur Aufgabe und Methode der Genealogie. Entgegen der Auffassung, dass die Genealogie die Archäologie ab 1975[18] vollständig ersetzt, finden sich Stellen bei Foucault, in denen er die Archäologie nach 1975 erwähnt und versucht, das Verhältnis der beiden Beschreibungsmethoden zu bestimmen. Zuvor nur verstreut, aber in den folgenden Jahren zunehmend, kommt Foucault auf die ‚Kritik’ zurück, an die er bereits in seiner unveröffentlicht gebliebenen petite thèse [19] von 1959 eine wichtige Forderung anknüpft. Auch diesmal widmet er sich dem Kritik-Modell nur in Aufsätzen, so z.B. in seinen Vorträgen Was ist Kritik? [20] von 1978 und Was ist Aufklärung? [21] von 1984.

Nun handelt es sich bei diesen drei Begriffen Archäologie, Genealogie und Kritik um die zentralen methodischen Begriffe. Es soll der Frage nachgegangen werden, wie diese drei Modelle aufeinander ausgerichtet sind. Ob sie füreinander einen Widerspruch darstellen, und im Zusammenhang damit, ob hinter Foucaults Arbeit stets ein einheitlicher Gedanke zu finden ist. Lässt sich also der Auffassung von Dreyfus und Rabinow zustimmen, nach der Foucault einer jener Denker ist, deren Werk sowohl eine zugrunde liegende Kontinuität als auch eine wichtige Kehre aufweist – „nicht weil seine Bemühungen nutzlos waren, sondern weil er, indem er eine Denkweise bis an ihre Grenzen vorantrieb, diese Begrenzungen erkannt und überwunden hat?“[22]

Ich werde versuchen zu zeigen, dass Foucault zwar eine Wende in seinem Denken durchgemacht hat, die aber nicht im Widerspruch zu seinem Denken steht, sondern vielmehr das (gewünschte und nicht überraschende) Resultat eines sich ständig in Bewegung befindlichen Denkens ist. Außerdem soll gezeigt werden, dass die Archäologie die wesentliche Basis schafft, von der aus Foucault weitere Entdeckungen bezüglich methodischer Instrumente und Untersuchungsebenen macht. Zu diesem Zweck werde ich chronologisch vorgehen. Ich stütze mich bei den Textmaterialien auf die Daten der Veröffentlichung, nicht auf die tatsächlichen Entstehungsdaten, da diese teilweise schwer nachvollziehbar sind und Foucault sich kaum dazu geäußert hat. Da er selbst eine Unterscheidung zwischen explorativen und methodischen Schriften vornimmt, werde ich mich nur an den Stellen auf seine explorativen Schriften beziehen, wo ein klarer Einfluss auf die weiteren methodischen Überlegungen nachweisbar ist oder zentrale Ausführungen zu seiner Methode bzw. seinem Denken vorliegen. So scheint es mir unerlässlich, die leider unveröffentlichte petite thèse Einführung zur Anthropologie Kants wenigstens knapp über die Sekundärliteratur einzubeziehen, da sie Aufschluss über die Gesamtausrichtung von Foucaults Unternehmen geben kann.

Seit dem Jahr 2004 liegen nun auch auf Deutsch die vier Bände der gesammelten Schriften Dits et Ecrits von Michel Foucault vor, herausgegeben von Daniel Defert, Foucaults Testamentverwalter und François Ewald. Hier finden sich sämtliche Interviews, Aufsätze, Briefe, Vorworte, Einführungen, Kommentare und Vorträge, die Michel Foucault redigiert und zur Veröffentlichung freigegeben hat.[23] Oftmals sind diese Texte weitaus ergiebiger als die meisten Rezeptionsversuche. Der wichtige Status der Interviews und der Artikel bestätigt sich durch Foucault selbst:

Methodologische Überlegungen stelle ich auch in Artikeln und Interviews an. Das sind dann eher Reflexionen über ein fertiges Buch, die mir helfen sollen, eine andere mögliche Arbeit einzugrenzen. Es sind sozusagen Baugerüste, die als Übergang dienen zwischen einer Arbeit, die ich gerade abgeschlossen habe, und einer weiteren. Das ist nicht eine allgemeine Methode, die für andere oder für mich definitiv gültig wäre. Was ich geschrieben habe, sind keine Rezepte, weder für mich noch für sonst jemand. Es sind bestenfalls Werkzeuge – und Träume.[24]

Zum Zweck einer homogenen Erscheinung der Arbeit verzichte ich auf französische Originalzitate, werde jedoch die entsprechenden Seitenzahlen der französischen Ausgaben angeben. Bei den gesammelten Schriften habe ich die Nummer (nicht die Seitenzahlen) angegeben, unter der man die Titel auch in den französischen Originalausgaben nachlesen kann. Zahlreiche Texte aus den Dits et Ecrits sind jedoch bereits Übersetzungen aus dem Englischen oder anderen Sprachen ins Französische.

Das zentrale Anliegen dieser Arbeit ist eine Skizzierung von Foucaults methodischen Überlegungen, seinem Weg und die Frage nach der spezifischen Lektion Foucaults. Dazu ist es natürlich erforderlich, einen Überblick über das breite vielgestaltige Spektrum seiner zentralen Interessensgegenstände und seines begrifflichen Inventars zu verschaffen. Demnach gliedert sich diese Arbeit inhaltlich und strukturell vornehmlich chronologisch, um so die Systematik von Foucaults Methodologie besser beobachtbar zu machen.

Im ersten Teil der Arbeit soll vor allem dargelegt werden, wie durch bereits durchgeführte Untersuchungen (Die Ordnung der Dinge und die Einführung zu Kant) mehr und mehr eine Problematik zu Tage tritt, die erst in progressu die Methode konturiert und präzisiert, die Foucault „Archäologie“ nennt. Da die Archäologie des Wissens dann als Ausgangspunkt sämtlicher folgender methodischer Überlegungen aufgefasst werden kann, erfordert sie eine sorgfältige Darlegung.

Im zweiten Teil der Arbeit soll gezeigt werden, wie das Bedürfnis nach der dringlicher werdenden Frage nach der Politik schließlich die archäologische Methode um die genealogische Methode erweitert. Außerdem, wie sich in der Durchführung weiterer Untersuchungen diese genealogische Methode erprobt und schließlich zu völlig neuen Ergebnissen führt, die wiederum nach einer Anpassung der methodischen Fragestellung verlangen.

Im dritten Teil zeigt sich, wie die Bewegung des Denkens schließlich durch die Stationen Archäologie und Genealogie ihren Ausgangspunkt der kantischen Kritik wieder explizit aufgreift und die Kritik so den ‚Schlussstein’ zur foucaultschen Diskursanalyse bildet. Mit der chronologischen Explikation der spezifischen Systematik Foucaults ‚Diskursanalyse’ hoffe ich, die Lektion Foucaults entfalten bzw. beobachtbar machen zu können.

I. Archäologie

Die Archäologie als eine Untersuchungsmethode durchläuft in ihrer Entwicklung bzw. Anwendung mehrere unterschiedliche Stationen. Ihre erste ausdrückliche Anwendung findet sie in Die Ordnung der Dinge von 1966. Bereits der Untertitel Eine Archäologie der Humanwissenschaften weist auf die explizite Untersuchungsrichtung hin. Foucault gibt bereits hier einige methodische Erklärungen, doch erst in seiner Methodenschrift Die Archäologie des Wissens von 1969 folgt die ausführliche methodische Reflexion der vorhergehenden Untersuchung. Im Folgenden skizziere ich kurz jenen Pfad, der Foucault zunächst zur Entwicklung und Explikation der Archäologie führt und im Weiteren auf seinen ‚Weg’ bringt.

1. Die Anthropologie Kants

Um Die Ordnung der Dinge in ihrer Absicht und als eine Absage an die Humanwissenschaften und damit schließlich die Archäologie zu verstehen, empfiehlt es sich einen Blick in Foucaults thèse complémentaire,[25] Introduction à l’Anthropologie de Kant von 1959 zu werfen. Sie umfasst eine Übersetzung von Kants Anthropologie in pragmatischer Hinsicht von 1798 und eine von Foucault verfasste Einleitung.[26] Da die Einleitung nicht veröffentlicht wurde,[27] scheinbar aber die wichtige Bedeutung des Verhältnisses zu Kant verdeutlicht, werden im Folgenden die zentralen Punkte an Hand der Sekundärliteratur herausgearbeitet. In der Disputation[28] seiner eingereichten Arbeiten erklärt Foucault, was ihn an der Anthropologie Kants besonders faszinierte. Er verweist auf den Zeitraum, in dem Kant an der Anthropologie arbeitete: binnen fünfundzwanzig Jahren[29] schrieb, überarbeitete und gestaltete er den Text um. Foucault selbst widmet sich vor allem dieser Frage. So erklärt er, dass er den Text einer genetischen Analyse unterzogen habe, und zwar mit der Frage, wie dieser Schlussstein des kantischen Gesamtwerkes zu Stande gekommen sei und aus welchen sukzessiven Schichten er aufgebaut sei.

Außerdem habe er diesen Text einer strukturalen Analyse unterzogen, mit der Frage, welchen Status der Text in der globalen und inneren Disposition des Kantischen Systems habe oder in welcher Beziehung diese Schrift zur von Kant entfalteten „kritischen“ Bewegung stehe. Foucault benutzt sowohl in seiner mündlichen als auch in seiner schriftlichen Darstellung ein bald berüchtigtes Vokabular: er wolle eine „Archäologie des Kantischen Textes“ erarbeiten.[30]

Andrea Hemminger sieht der strukturalen Analyse, die das Verhältnis von Kritik und Anthropologie untersucht, einen deutlichen Vorrang zukommen. Dieser Gewichtung schließe ich mich an, jedoch mit dem Hinweis, dass es sich bereits hier um zwei ineinandergreifende Untersuchungsperspektiven handelt, die ohne die jeweils andere vermutlich das beobachten könnten, was sie beobachten. Aus dem Verhältnis von Kritik und Anthropologie gewinnt Foucault zwei Lektionen, die seine weiteren Untersuchungen nachhaltig beeinflussen werden. Die erste Lektion zeigt, dass die Empirie der Anthropologie sich nicht selbst begründen kann, sie ist unhintergehbar an die Kritik gebunden. Seit Kant denkt der Mensch seine Endlichkeit zwar nicht mehr über die Unendlichkeit eines Gottes, also vor dem Hintergrund einer allgemeinen Unendlichkeit. Dennoch kann er diese seine Endlichkeit nicht direkt denken, sondern nur über den Umweg der Kritik. Denn die Erkenntnis beginnt zwar mit der Erfahrung, insofern der Verstand auf Affektion angewiesen ist, entspringt ihr jedoch nicht. Eben diese Angewiesenheit des Verstandes auf Affektion macht seine Endlichkeit aus, seine Erkenntnis ist auf den Bereich möglicher Erfahrung eingeschränkt. Das, was der Mensch erkennen oder eben nicht erkennen kann, wird erst durch die Kritik, die apriorische Strukturen offenlegt, erkennbar. Hemminger zufolge ergibt sich für Foucault daraus, dass die Anthropologie der Kritik auf zweifache Weise unterworfen ist: zunächst als empirische Wissenschaft, schließlich als Erforschung der Endlichkeit.[31]

Die Trennung von Denken und Sein wird bei Kant durch die Anthropologie nicht aufgehoben. Erst in der nachkantischen Periode[32], d.h. vor allem an der idealistischen Bearbeitung durch Kant, wird unter der Vorgabe einer Überwindung des Dualismus von Denken und Sein die Anthropologie von der Kritik gelöst, und die Aufgabe, die bei Kant die Kritik innehatte, wird der Anthropologie zugewiesen und zwar: eine objektive Erkenntnis zu begründen. Die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis (durch die Kritik derselben) verkehrt sich in die Frage nach den spezifischen Bedingungen des Menschen als Mensch. Die Endlichkeit wird von nun an für positiv erkennbar gehalten. Das bloß Formale der kantischen Kritik wird verinnerlicht. Das Endliche, das von Kant ohne Referenz auf das Unendliche durch die apriorischen Strukturen erkennbar wurde, wird nun vom Menschen ausgehend erforscht. Der Dualismus Kants wird in einen Monismus überführt, der zwar die Doppelstruktur in sich trägt, die er nicht lösen kann, da sie erst seine Existenzbedingung ist. An die Stelle des Dualismus Kants tritt die Anthropologie als monistisches Prinzip. Dies führt zu einer ewigen Wiederholung des Positiven im Fundamentalen: eine unauflösbare Instabilität.

Die zweite Lektion Kants[33] lehrt Foucault, dass die kantische Kritik rein zeitlich zu wiederholen sei. Denn das Dasein habe keinen absoluten Ursprung, kein absolut Erstes, es sei vielmehr ein Ursprüngliches, das immer schon von Zeit durchdrungen ist und ihr unterliegt. Das Konkrete ist also bei Kant nicht begründungsmächtig; begründen kann allein die Kritik. Bezüglich allen Wissens, das den Menschen betrifft, kann es keine gültige Wahrheit geben.

Man sieht, in welchem Geflecht von Widersinn und Illusionen die Anthropologie und die zeitgenössische Philosophie sich wechselseitig verfangen haben. Man wollte die Anthropologie als Kritik zur Geltung bringen, als eine Kritik, die von den Präzedenzien und der schweren Last des Apriori befreit wäre; obgleich sie zur Region des Fundamentalen nur Zugang gewähren kann, wenn sie der Kritik Rechnung trägt. Man wollte aus ihr (und das ist nur eine andere Spielart des gleichen Vergessens der Kritik) das Feld der Positivität machen, in dem alle Humanwissenschaften ihre Grundlage und ihre Positivität finden; dabei kann sie doch nur die Sprache der Grenze und der Negativität sprechen: ihr Sinn kann nur darin bestehen, den Vorrang der Endlichkeit von der kritischen Kraft auf die transzendentale Grundlegung zu übertragen.[34]

Foucault will eine andere Wiederholung der Kritik vornehmen als jene, die die Anthropologie vollzogen hat. Zum Zweck dieses Vorhabens wechselt er seine Perspektive von der kantischen Achse „Bewusstsein – Erkenntnis – Wissenschaft (conscienceconnaissancescience)“ auf eine andere Achse „diskursive Praxis – Wissen – Wissenschaft (pratique discursivesavoirscience)“.[35] Damit vollzieht Foucault eine Abkehr vom Subjekt in seiner erkenntnisstiftenden Position, die der transzendentalen[36] Frage, d.h. einem Begründungsdiskurs nicht entgehen konnte. Seine thèse scheint sich also auf die Forderung nach einer „wahren Kritik“[37] zu zentrieren.

Das Unternehmen Nietzsches könnte als Schlusspunkt verstanden werden, welcher der Wucherung der Frage nach dem Menschen schließlich ein Ende setzt. Denn manifestiert sich der Tod Gottes nicht in einer doppelt mörderischen Geste, die, indem sie dem Absoluten ein Ende bereitet, gleichzeitig auch den Tod des Menschen selbst verursacht. Ist doch der Mensch in seiner Endlichkeit untrennbar vom Unendlichen, dessen Negation und Herold er zugleich ist; es ist der Tod des Menschen, in welchem sich der Tod Gottes erfüllt. Wäre es nicht möglich, sich eine Kritik vorzustellen, die sowohl vom Menschen als auch vom Unendlichen befreien würde, und die zeigen würde, daß die Endlichkeit nicht das Ende ist, sondern jener Zeitknoten, bei dem das Ende der Anfang ist?[38]

Seit Kant gibt es das Unendliche nicht mehr, sondern nur noch die Endlichkeit, „und in diesem Sinn brachte Kants Kritik die Möglichkeit – oder Tücke – einer Anthropologie mit sich.“[39] So stellt sich Foucault die folgenschwere Frage, die er in der Ordnung der Dinge bearbeitet, und die ihn nicht mehr loslassen wird: Wenn man über den Menschen nur noch philosophieren kann, insofern er ein homo natura oder ein endliches Wesen ist, ist dann nicht alle Philosophie letztlich Anthropologie?[40]

Foucault geht es also darum, die Kritik Kants wiederzubeleben, aber unter einer anderen Prämisse. Deshalb wird er das paradox anmutende Konzept eines historischen Aprioris entwickeln. In diesem Sinne wird die Archäologie als „ein Spiel, dessen Interesse genau in der paradoxen Form des Unternehmens liegt: die historische Trans-position des Transzendentalen aufzuspüren“[41], erscheinen. Und genau hierin findet sich schließlich das kritische Unternehmen Kants wieder:

In diesem Sinne handelt es sich gewissermaßen um eine Ethnologie der Kultur, der wir selbst angehören. Ich versuche, mich außerhalb der Kultur zu stellen, der wir angehören, und ihre formalen Voraussetzungen zu untersuchen, um sie einer Kritik zu unterziehen, und zwar nicht, um ihre Werte herzuleiten, sondern um zu sehen, wie sie tatsächlich hat entstehen können.[42]

Die Arbeit Foucaults steht also bereits mit der thèse complémentaire von 1959 unter dem Stern der Kritik. Im Zusammenhang mit seinen späten Schriften (siehe Kapitel III) wird sich zeigen, dass sich hieraus Foucaults Weg ergibt: der Weg der Kritik, der viele Umwege und Kehren auf sich nehmen wird, um schließlich die kantische Kritik lediglich zeitlich wiederholen zu können.

2. Die Ordnung der Dinge – das Denken des Anderen

Wenn ich ein Buch beginne, weiß ich nicht nur nicht, was ich bei seiner Vollendung denken werde; mir ist nicht einmal sonderlich klar, welche Methode ich verwenden werde. Jedes meiner Bücher ist eine Weise, einen Gegenstand zu konturieren und eine Methode zu seiner Analyse zu erfinden. Ist meine Arbeit beendet, so kann ich gewissermaßen im Rückblick – aus der soeben gemachten Erfahrung – eine methodologische Reflexion entwickeln, welche die Methode herausarbeitet, der das Buch hätte folgen sollen. So dass ich nahezu abwechselnd Bücher schreibe, die ich als explorative und als methodologische bezeichnen würde.[43]

Die Ordnung der Dinge [44] nimmt eine eigentümliche Stellung zwischen explorativen Schriften wie Wahnsinn und Gesellschaft [45] und Die Geburt der Klinik, und methodologischen Schriften wie Die Archäologie des Wissens ein. Behandeln wir die Archäologie des Wissens als eine methodologische Reflexion der Ordnung der Dinge, so geraten wir in Schwierigkeiten. Zumal Foucault die Methode der Archäologie hier bereits explizit anwendet und Einblicke in das methodische Verfahren und die methodische Begrifflichkeit gewährt. Einerseits ist die Ordnung der Dinge also eine Schrift von explorativem Charakter, da sie historische Quellen bearbeitet, die das Entstehen der Humanwissenschaften auf formaler Ebene beschreibt. Anderseits wendet sie hierfür bereits ein methodisches Verfahren an, das sich durch die Bearbeitung des historischen Materials expliziert. Dieses methodische Verfahren baut auf jenem ‚Untersuchten’ auf und grenzt sich gleichzeitig davon ab, indem es durch die Anwendung seiner Methode eben jene problematisierten Engpässe und Sackgassen überwinden will, die es formal-deskriptiv diagnostiziert.

In Abgrenzung zu den Humanwissenschaften, deren Archäologie Foucault hier (be)schreibt, ergeben sich also erst die Konturen seiner Methode. Aus einer anderen Perspektive: die Methode entdeckt erst den Boden, auf dem sie ruht;[46] die Erforschung einer Ebene macht ihre eigene Existenz sowohl formal als auch material erst möglich. So ist die Ansicht, Foucaults Arbeit erhalte erst nachträglich durch metatheoretische Untersuchungen wie z.B. in der Archäologie des Wissens oder in der Ordnung des Diskurses ein Fundament,[47] nicht zutreffend. Es handelt sich hier um ein konstitutives Verfahren, das in der Dimension der Erfahrung wiederum der Veränderung unterworfen ist. Es wird nicht metatheoretisch eingeholt, sondern es ist formal-material bestimmend. Die Ordnung der Dinge ist also ein formal-deskriptives Unternehmen, in dem eine Methode zum Einsatz kommt, die ihre Konturen erst dieser formalen Untersuchung verdankt.[48] Insofern ist diese Untersuchung eine Erfahrung, die Foucaults Reflexionen, seine Arbeiten sowie ihn selbst verändert:

So dass jedes Buch mich verändert wie das, was ich denke. [...] Ich bin ein Experimentator und kein Theoretiker. Als Theoretiker bezeichne ich jemanden, der ein allgemeines System errichtet, sei es ein deduktives oder ein analytisches, und es immer in der gleichen Weise auf unterschiedliche Bereiche anwendet. Das ist nicht mein Fall. Ich bin Experimentator in dem Sinne, dass ich schreibe, um mich selbst zu verändern und nicht mehr dasselbe zu denken wie zuvor.[49]

Es geht nun darum, diese eigentümliche Bewegung des Denkens zu verstehen, das in einer methodisch noch tastenden Bewegung die Bedingung seiner eigenen Möglichkeit entdeckt, indem es sich von etwas abzugrenzen sucht, das es eben beschreibt. Es geht ebenso darum, die Grenzen eines Denkrahmens offenzulegen und zu verfolgen; Grenzen, die zeigen, dass etwas nicht mehr so gedacht werden kann, wie es einmal gedacht wurde. Damit knüpft das Unternehmen der Ordnung der Dinge an Foucaults Schrift Wahnsinn und Gesellschaft. Die Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft [50] von 1961 an:

Man könnte also die Geschichte der Grenzen schreiben – dieser obskuren Gesten, die, sobald sie ausgeführt, notwendigerweise schon vergessen sind –, mit denen eine Kultur etwas zurückweist, was für sie außerhalb liegt; und während ihrer ganzen Geschichte sagt diese geschaffene Leere, dieser freie Raum, durch den sie sich isoliert, ganz genau soviel über sie aus wie über ihre Werte; denn ihre Werte erhält und wahrt sie in der Kontinuität der Geschichte; aber in dem Gebiet, von dem wir reden wollen, trifft sie ihre entscheidende Wahl. Sie vollzieht darin die Abgrenzung, die ihr den Ausdruck ihrer Positivität verleiht. [...] Eine Kultur über ihre Grenzerfahrungen zu befragen, heißt sie an den Grenzen der Geschichte über eine Absplitterung, die wie die Geburt ihrer Geschichte ist, zu befragen.[51]

In der Beschreibung der Episteme der Moderne macht das Denken eine Erfahrung, die es ihm schließlich ermöglicht, Unterschiede in der Geschichte objektiv zu beschreiben und künftige Differenzen zu ‚fiktionieren’, zu forcieren; ein Denken, das sich „zwischen Objektivität und Fiktion“[52] bewegt. Um die Differenzen aber sichtbar zu machen, gilt es, sich von einem ganzen Komplex an Begriffen und Denksystemen zu lösen. Im Vorwort der Ordnung der Dinge zitiert Foucault aus einer „gewisse[n] chinesische[n] Enzyklopädie“, die er einem Buch von Borges[53] entnimmt:

[I]n der es heißt, dass die Tiere sich wie folgt gruppieren: a) Tiere, die dem Kaiser gehören, b) einbalsamierte Tiere, c) gezähmte, d) Milchschweine, e) Sirenen, f) Fabeltiere, g) herrenlose Hunde, h) in diese Gruppierung gehörige, i) die sich wie Tolle gebärden, k) die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind, l) und so weiter, m) die den Wasserkrug zerbrochen haben, n) die von weitem wie Fliegen aussehen.[54]

Gerade das, was uns an diesem Beispiel zum Lachen bringt, ist durch eine andersartige Episteme verursacht, welche wir zwar nachvollziehen können, jedoch nicht in der Lage sind zu denken. Für Foucault fordert die chinesische Enzyklopädie zur der Frage auf, vor welchem Hintergrund, „gemäß welchem Raum an Identitäten, Ähnlichkeiten, Analogien“ die Gewohnheit auftaucht, diese verschiedenen und ähnlichen Dinge einzuteilen: „Welche Kohärenz ist das, von der man sofort sieht, dass sie weder durch eine Verkettung a priori notwendig determiniert ist, noch durch unmittelbar spürbare Inhalte auferlegt wird?“[55] Eben jene Kohärenz, die von einer Ordnung der Dinge konstituiert wird:

Die Ordnung ist zugleich das, was sich in den Dingen als ihr inneres Gesetz, als ihr geheimes Netz ausgibt, nach dem sie sich in gewisser Weise alle betrachten, und das, was nur durch den Raster eines Blicks, einer Aufmerksamkeit, einer Sprache existiert.[56]

Der Borges-Text zeigt kein Nebeneinander von Dingen, wie es das Lautréamont-Zitat „Schön wie die zufällige Begegnung eines Regenschirms und einer Nähmaschine auf einem Operationstisch“[57], trotz der bleibenden Absurdität, erlaubt, sondern ein Nebeneinader von Ordnungen, die aber zueinander in keiner benennbaren Beziehung stehen. Er zeigt vielmehr die eigentümliche Beunruhigung solcher Heterotopien.[58] Foucault zieht daraus eine Erkenntnis, die für sein Denken folgenschwer sein wird:

Tatsächlich gibt es selbst für die naivste Erfahrung keine Ähnlichkeit, keine Trennung, die nicht aus einer präzisen Operation und der Anwendung eines im Voraus bestehenden Kriteriums resultiert.[59]

Später wird er sagen, „es gibt keine Erfahrung, die nicht eine Weise des Denkens ist.“[60] Foucaults Frage ist nicht jene nach dem unveränderlichen So-Sein, sondern die nach dem historischen Modus des Seins. Sein Ausgangspunkt ist jenes ‚es gibt’, dessen Bestandteil sowohl der Denker als auch sein Denken selbst ist.[61]

Foucaults Denken steht fortan unter der Prämisse folgender Fragen: „Was heißt auf allgemeine Weise, einen Gedanken nicht mehr denken zu können? Und einen neuen Gedanken zu fassen?“[62] Zentrale Untersuchungsebene der Ordnung der Dinge ist eine Ordnung, die weder einfach den Dingen voraus liegt noch in ihnen angelegt ist, sondern die erst mit den Dingen entsteht als ihr variables Arrangement. Gerade dieses Arrangement gilt es zu untersuchen. Die Ordnung der Dinge fragt, von wo aus Erkenntnisse und Theorien möglich gewesen sind, nach welchem Ordnungsraum das Wissen sich konstituiert hat.[63] Sie will die Regeln offenlegen, nach denen sich Wissenskonfigurationen bilden konnten, die schließlich in der Lage waren, einen Gegenstand im Wissen hervorzubringen, der erst durch die Problematisierung, Thematisierung, einen Platz erhält, den er vorher nicht einnehmen konnte, da der Ordnungsraum anders konstituiert war: einer anderen Ordnung gehorchte.

2.1. Die Episteme der Moderne

Für die abendländische Kultur vom 17. bis zum 20. Jahrhundert legt Foucault drei Epochen und zwei große Brüche in den Wissensformationen (Episteme) fest: Die Brüche sind folgenreiche Umwälzungen, die zu einem völlig anderen Denkstil in der jeweils folgenden Zeit führten. Hatte die Renaissance ihr Wissen nach den Prinzipien der ‚Ähnlichkeit’ geformt und die Klassik nach denen der ‚Repräsentation’, so steht das moderne Denken, dessen Beginn Foucault zwischen 1775 und 1825 datiert, unter dem Paradigma des ‚Menschen’. Es ist durch eine Art ‚Selbstreflexivwerden’ des Wissens charakterisiert, das in den vorhergegangenen Zeiten so nicht möglich war. Das vor dem allgemeinen Hintergrund der Repräsentation bestehende Wissen von der Grammatik, der Naturgeschichte und der Analyse der Reichtümer unterliegt einem tiefen Bruch, der es nicht mehr erlaubt, die jeweiligen Wissensgegenstände weiter auf diese Art und Weise zu denken. Das Subjekt der Repräsentation, das im klassischen Diskurs unsichtbar blieb, tritt durch die entstehenden Wissenschaften Philologie, Biologie und Ökonomie ins Zentrum des Denkens.

Erst als jener klassische Diskurs erlischt, [...] erscheint in der tiefen Bewegung einer solchen archäologischen Veränderung der Mensch mit seiner nicht eindeutigen Position als Objekt für ein Wissen und als Subjekt, das erkennt: Unterworfener Souverän, betrachteter Betrachter.[64]

Was genau versteht Foucault nun unter Episteme, die offensichtlich an der Oberfläche des Diskurses einen Gegenstand wie den Menschen erst ermöglicht? Wie lässt sich dieser Begriff definieren?

In der Ordnung der Dinge habe ich eine Analyse der Klassifikations-, Tabellierungs- und Koordinationsverfahren im Bereich des Erfahrungswissens entwickelt. [...] All diese Dinge verwiesen aufeinander, ähnelten ein wenig einer Figur auf dem Schachbrett, die man von Feld zu Feld schiebt, manchmal im Zickzack, manchmal springend, doch immer auf demselben Schachbrett: Deshalb entschloss ich mich, in einem Text den komplexen Rahmen systematisch darzustellen, der im Zuge meiner Forschungen aufgetaucht war.[65]

Dieses Schachbrett ist grob definiert das, was Foucault unter Episteme versteht. In einer Kultur, in einem bestimmten Zeitraum gibt es immer nur eine Episteme,[66] die die Bedingungen definiert, unter denen jegliches Wissen möglich ist. Egal, ob es sich dabei um das handelt, was in einer Theorie manifestiert ist, oder das, was schweigend durch eine Praxis eingehüllt ist.[67] Episteme bezeichnet die Wissensordnung eines bestimmten Zeitabschnitts, d.h. all die Phänomene von Bezügen zwischen den Wissenschaften oder zwischen den verschiedenen Wissenschaftssektoren.[68] Foucault distanziert sich von der Suche nach einer zwingenden, souveränen und einheitlichen Form. Die Episteme sucht nicht aus unterschiedlichen Zeichen den einheitlichen Geist einer Epoche zu erfassen; sie ist keine Weltanschauung. Ebensowenig ist sie eine allen Erkenntnissen zugrunde liegende formale Struktur, die eine Zeitlang einer jeden Geschichte (Kultur) dieselben Normen und dieselben Forderungen abverlangen würde. Sie ist außerdem kein allgemeines Stadium der Vernunft, das den Menschen eine gewisse Gedankenstruktur auferlegt und dem für einen bestimmten Zeitraum nicht entgangen werden kann.[69] Die Episteme ist die Gesamtheit der Beziehungen, die in einer gegebenen Zeit die diskursiven Praktiken vereinigen können, durch die die epistemologischen Figuren, Wissenschaften und vielleicht formalisierten Systeme ermöglicht werden; der Modus, nach dem in jeder dieser diskursiven Formationen die Übergänge zur Formalisierung stattfinden und sich vollziehen.[70]

Erst nachdem sich der Wissensraum entsprechend konstituiert, erscheint der Mensch als mögliches Objekt der Wissenschaft, nämlich der Humanwissenschaften, und zugleich als das Wesen, das Erkenntnis erst möglich macht. Der Mensch gehört also einerseits als mögliches Objekt zum Gegenstandsbereich der Erkenntnis und gilt zugleich in grundsätzlicher Weise als Ausgangspunkt jeglicher Erkenntnis.[71]

2.1.1. Die Analytik der Endlichkeit

Der Wissensraum muss sich also so konfigurieren, dass der Mensch darin auftreten kann – „ein sensibel-intelligibles Zwitterwesen, das mit der Aufgabe, nunmehr die Leistungen zu erbringen, die ihm die alte Ordnung der Dinge abgenommen hätte, völlig überfordert ist.“[72] Die Bedingung seines Auftretens ist die Endlichkeit. Das Prinzip der „Repräsentation“ wird von jenem der „Analytik der Endlichkeit“[73] abgelöst. Die Episteme der Moderne ist also die Analytik der Endlichkeit. Das „Nicht-Grund-seiner-selbst-Sein“,[74] das Begrenztsein, ist sozusagen das Tableau oder das Schachbrett, auf dem der Mensch als Wissensfigur (nach bestimmten Spielregeln) von Feld zu Feld gerückt wird.

Erst durch die Grenzerfahrung der Endlichkeit eröffnet sich dem Menschen die Möglichkeit, die Unendlichkeit zu erkennen; ein transzendenter Raum entsteht. Während bei Kant das Transzendente noch durch die Grenzen der Erkenntnis als unüberschreitbar gilt, setzt sich die nachkantische Periode die Aufhebung dieses ‚einschränkenden’ Dualismus’ zum Ziel. Vor allem in der ‚Romantik’ rückt das Unerkennbare in den Bereich des konkret Erfahrbaren.

Der sich im Selbstbewusstsein präsent gewordene Mensch muss die übermenschliche Aufgabe, eine Ordnung der Dinge herzustellen, in dem Augenblick übernehmen, als er sich seiner als einer zugleich autonomen und endlichen Existenz bewusst wird. Deshalb sieht Foucault die moderne Episteme von Anbeginn durch die Aporie charakterisiert, dass sich das erkennende Subjekt aus den Trümmern der Metaphysik als Souverän erhebt, um im Bewusstsein seiner endlichen Kräfte eine Aufgabe zu lösen, die doch unendliche Kraft erfordert; eine „aporetische Verdopplung“[75] findet statt. Nur vor dem Hintergrund seiner eigenen Endlichkeit kann der Mensch sich als (endlicher) Teil eines Unendlichen erkennen, was ihm wiederum erlaubt, das Unerkennbare zu erfahren. „Das sich selbst denkende Denken“ verschwindet, der Primat des „ich denke“ wird außer Kraft gesetzt.[76] Anlass ist das Auftauchen einer epistemischen Formation des Menschen als einer Dublette, in der Positives und Fundamentales sich vermischen und beständig aufeinander verweisen. Sobald der Mensch sich selbst als Ermöglichungsgrund von Erkenntnis sichtbar wird, nimmt er jene nicht eindeutige Position als Objekt für ein Wissen und als Subjekt, das erkennt, ein. Auch in den Gegenständen seiner Erfahrung „hat er nur sich selbst zum Objekt, weil er der einzige Ort ist, von dem aus die Inhalte dem Wissen gegeben“[77] sind. Die faktische Begrenzung der eigenen Möglichkeiten wird zum Grund und zur Quelle dieser Möglichkeiten gemacht.[78] Foucault verfolgt den Zwang zur aporetischen Verdopplung des selbstbezüglichen Subjekts anhand von drei Modi, die das Positive im Fundamentalen wiederholen. Erstens, am Gegensatz zwischen dem Transzendentalen und dem Empirischen. Zweitens, am Gegensatz zwischen dem reflexiven Akt des Bewusstmachens (Cogito) und dem reflexiv Uneinholbaren (das Ungedachte). Und drittens, am Gegensatz zwischen dem apriorischen Charakter eines stets uneinholbaren Ursprungs.[79]

Der Mensch ist, nach Foucault, in der Analytik der Endlichkeit eine seltsame, empirisch-transzendentale Dublette, da er ein Wesen ist, in dem man Kenntnis von dem nimmt, was jede Erkenntnis möglich macht.[80] Es kann jedoch keinen empirischen Zugang zum Transzendentalen und keine positive Erkenntnis des Fundamentalen geben – auch nicht über den Menschen. Demzufolge lautet es bei Kant:

[...]


[1] Jürgen Habermas: Der philosophische Diskurs der Moderne, Frankfurt am Main 1985, S. 325, im Folgenden abgekürzt: Habermas.

[2] Ebd., S. 325.

[3] Nancy Fraser: Foucault on Modern Power: Empirical Insights and Normative Confusions, in: Praxis International, Vol. 1, 1981, S. 283f.

[4] Axel Honneth: Kritik der Macht. Reflexionsstufen einer kritischen Gesellschaftstheorie, Frankfurt am Main 1989.

[5] Michel Foucault, in: Die Ordnung des Diskurses, Frankfurt am Main 1974, im Folgenden abgekürzt: ODis (Orig.: L’ordre du discours, Paris 1971; abgekürzt: ODisfrz.)

[6] Michel Foucault, in: Wahrheit, Macht, Selbst (1980), in: Schriften in vier Bänden. Dits et Ecrits Bd. 4, Herausgegeben von Daniel Defert und François Ewald unter Mitarbeit von Jacques Lagrange, Frankfurt am Main 2001f, Nr. 362, S. 961, im Folgenden werde ich die Titel der einzelnen Aufsätze unter Kurzangabe „Foucault, in:“ angeben, sowie die Nummer unter der die entsprechende Angabe in dem entsprechenden Band der Dits et Ecrits, (abgekürzt: DE) aufgeführt wird.

[7] Vgl. Lewis Caroll: Alice im Wunderland, Frankfurt am Main 1973, S. 69. Foucault benutzt dieses Grinsen der Katze in anderer Hinsicht in: Interview mit Michel Foucault (1968), in: DE Bd.1, Nr. 54, S. 843.

[8] Michel Foucault, in: Die Archäologie des Wissen, Frankfurt am Main 1973, S. 29, im Folgenden abgekürzt: AW (Orig.: L’archéologie du savoir, Paris 1969, S. 28; abgekürzt: AS).

[9] Auf die etwas herausfordernde Frage der Kritiker, warum er Stellen, an denen er auf bekannte Autoren anspiele, nicht eindeutig kenntlich mache bzw. zitiere, antwortete er: „Die Leute, die ich liebe, die gebrauche ich.“ Siehe Foucault, in: Gespräch über das Gefängnis; das Buch und seine Methode (1975), in: DE Bd. 2, Nr. 156, S. 932.

[10] Vgl. AW, S. 296 (AS, S. 271): „Ich akzeptiere, daß mein Diskurs erlischt, wie die Gestalt, die bis hier seine Trägerin war.“

[11] „Wenn die Leute sie öffnen und sich irgendeines Satzes, einer Idee oder einer Analyse wie eines Schraubenziehers oder einer Bolzenzange bedienen wollen, um die Machtsysteme kurzzuschließen, zu disqualifizieren oder zu zerschlagen, unter Umständen darunter sogar diejenigen, aus denen meine Bücher hervorgegangen sind...nun, umso besser!“, Foucault, in: Auf dem Präsentierteller (1975), in: DE Bd. 2, Nr. 152, S. 889.

[12] Einen sehr guten und ausführlichen Überblick über die Rezeption von Foucaults Diskursanalyse bietet das neu erschienene „Foucault-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung“ hrsg. Von Clemens Kammler, Rolf Parr und Ulrich Johannes Schneider, Stuttgart 2008.

[13] So z.B. in „Das Unbehagen der Geschlechter“ oder „Körper von Gewicht. Die Diskursiven Grenzen des Geschlechts“.

[14] Michel Foucault: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt am Main 1976, S. 43, im Folgenden abgekürzt: ÜS (Orig.: Surveiller et punir. Naissance de la prison, Paris, 1975).

[15] Michel Foucault: Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des ärztlichen Blicks, Frankfurt am Main 1973, im Folgenden abgekürzt: GdK (Orig.: Naissance da la clinique. Une archéologie du regard médical, Paris 1963, abgekürzt: NC).

[16] Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, Frankfurt am Main 1971, im Folgenden abgekürzt: OD (Orig.: Les mots et les choses. Une archéologie des sciences humaines, Paris 1966, abgekürzt: MC).

[17] Foucault, in: Nietzsche, die Genealogie, die Historie (1971), in: DE Bd. 2, Nr. 84, S. 166-191, im Folgenden abgekürzt: NGH (Orig.: Nietzsche, la généalogie, l’histoire, in: DE Vol. 2, Nr. 84, S. 136-156, abgekürzt: NGHfrz).

[18] Michael Mahon: Foucault’s Nietzschean Genealogy. Truth, Power, and the Subject, New York 1992, S. 5.

[19] Die Erlangung des Doktortitels erforderte zu dieser Zeit in Frankreich die Vorlage zweier schriftlicher Arbeiten, eine Hauptarbeit (thèse principale), Foucault reichte zu diesem Zweck Wahnsinn und Gesellschaft ein und eine kleinere Arbeit (thèse complémentaire oder petite thèse) die Introduction à l’Anthropologie de Kant, vgl. dazu Didier Eribon: Michel Foucault. Biografie, Frankfurt am Main 1991, S. 163.

[20] Foucault, in: Was ist Kritik?, Berlin 1992, im Folgenden abgekürzt: WK (Orig.: Qu’est-ce que la critique? [critique et Aufklärung], in: Bulletin de la Société française de Philosophie, Paris 1990, Bd. LXXXIV; abgekürzt: QC).

[21] Foucault, in: Was ist Aufklärung? (1984), in: DE Bd. 4, Nr. 339, S.687-707, im Folgenden abgekürzt: WA (Orig.: Qu’est-ce que les Lumières?, in: DE Vol. 4, Nr. 339, S. 562-340, abgekürzt: QL).

[22] Hubert L. Dreyfus und Paul Rabinow: Michel Foucault. Jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik, Frankfurt am Main 1987, S. 127, im Folgenden abgekürzt: Dreyfus/Rabinow.

[23] Foucaults Testament besagt, dass keine Schriften veröffentlicht werden dürfen, die nicht von ihm selbst redigiert wurden; das bekannte Schlagwort lautet: „Keine posthumen Veröffentlichungen!“, siehe dazu: DE Bd. 1, S. 105.

[24] Foucault, in: Gespräch mit Ducio Trombadori (1980), in: DE Bd. 4, Nr. 281, S. 53.

[25] Die Erlangung des Doktortitels erforderte zu dieser Zeit in Frankreich die Vorlage zweier schriftlicher Arbeiten, eine Hauptarbeit (thèse principale), Foucault reichte zu diesem Zweck Wahnsinn und Gesellschaft ein und eine kleinere Arbeit (thèse complémentaire), die Introduction à l’Anthropologie de Kant, vgl. dazu Eribon, Didier: Michel Foucault. Biografie, Frankfurt am Main 1991, S. 163.

[26] Die Einleitung wurde nie veröffentlicht, sie kann heute nur noch als Typoskript im Centre Foucault eingesehen werden. Das von Foucault eingereichte Exemplar wurde aus der Bibliothek der Sorbonne gestohlen, siehe dazu: Eribon, S.176 und Andrea, Hemminger: Kritik und Geschichte. Foucault – ein Erbe Kants?, Berlin 2004, S. 221, im Folgenden abgekürzt: Hemminger.

[27] Offensichtlich hielten die Prüfer die Einleitung eher für eine generelle Kritik der Anthropologie aus nietzscheanischer Perspektive als eine Einführung in die Anthropologie Kants. Vgl. Andreas Hiepko: Das Negativ eines Werkes. Die Übersetzungen Foucaults, in: Peter Gente: Foucault und die Künste, Frankfurt am Main 2004, S. 305.

[28] Am 20. Mai 1961.

[29] Die Anthropologie war Gegenstand einer Vorlesung Kants, die Herausgabe fällt erst mit der Beendigung der Vorlesungen und der Emeritierung Kants zusammen. Foucault skizziert die Entstehung des Textes und den Zusammenhang mit anderen Schriften, siehe: Geschichtlicher Abriss (1964), in: DE BD. 1, Nr. 19, S. 391-397.

[30] Vgl. Eribon, S. 176.

[31] Vgl. Hemminger, S. 23-63.

[32] So argumentiert auch Beatrice Han: Foucault’s Critical Project. Between the Transcendental and the Historical, Stanford 2002.

[33] Introduction S. 89, Übersetzung nach Hemminger; S. 61.

[34] Introduction S. 123, Übersetzung nach: Hemminger; S. 57.

[35] Siehe auch: AW, S. 260 (AS, S. 239).

[36] Kant gibt für das Transzendentale zwei Bedeutungen an. Transzendental ist die Erkenntnis von der Möglichkeit der Anwendung des Apriorischen auf die Erfahrung, seiner Geltung für diese und deren Gegenstände. Es ist sozusagen die reine Reflexion auf die Anwendung ohne empirische Prinzipien. Transzendental ist ferner auch alles, was sich auf die Bedingung möglicher Erfahrung, auf die der Erfahrung (logisch) vorangehende Voraussetzung derselben bezieht. Es ist die Gesetzlichkeit des reinen Denkens, sofern sie unabhängig von der Erfahrung und doch für diese selbst, als allgemein-notwendige Bedingung derselben gilt. Wenn hier und im Folgenden in irgendeiner Weise von ‚transzendental’ die Rede ist, dann immer mit der letzteren Bedeutung: die reine ahistorische mit sich selbst identische Gesetzlichkeit des Denkens.

[37] Introduction: S.127, Hemminger; S. 59.

[38] Ebd.

[39] Foucault, in: Philosophie und Psychologie (1965), in: DE Bd. 1, Nr. 30, S. 583.

[40] Ebd, S. 575.

[41] Han, S. 4f.

[42] Foucault, in: ‚Wer sind sie, Professor Foucault?’ (1967), in: DE Bd.1, Nr. 50, S.776.

[43] Foucault, in: Gespräch mit Ducio Trombadori (1980), in: DE Bd. 4, Nr. 281, S. 53.

[44] Der deutsche Titel entspricht dem Wunsch Foucaults, der sich für die französische Ausgabe den Titel L'Ordre des Choses wünschte, aber davon auf Wunsch des Herausgebers Pierre Nora absah, siehe Eribon, S. 186.

[45] Michel Foucault: Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft, Frankfurt am Main 1969 (Orig.: Histoire de la folie à l'âge classique - Folie et déraison, Paris 1961).

[46] „Der Boden, auf dem sie ruht, ist der von ihr entdeckte.“ AW, S. 28 (AS, S. 26).

[47] Honneth: Kritik der Macht, S.123.

[48] „Die Untersuchungen über den Wahnsinn und das Auftauchen einer Psychologie, über die Krankheit und das Entstehen einer klinischen Medizin, über die Wissenschaften vom Leben, der Sprache und der Ökonomie sind zu einem Teil blinde Versuche gewesen: aber sie erhellten allmählich nicht nur, weil sie nach und nach ihre Methode präzisierten, sondern weil sie in dieser Auseinandersetzung über den Humanismus und die Anthropologie den Punkt ihrer historischen Möglichkeit entdeckten.“ AW, S. 28 (AS, S. 26).

[49] Foucault, in: Gespräch mit Ducio Trombadori (1980), in: DE Bd. 4, Nr. 281, S. 52.

[50] Diese Schrift hatte Foucault als seine grande thèse am Collège eingereicht, sie wurde im Gegensatz zu der Introduction sofort veröffentlicht.

[51] Foucault, in: Vorwort: Wahnsinn und Gesellschaft (1961), in: DE Bd. 1, Nr. 4, S. 226 (dieses Vorwort wurde von Foucault in der frz. Ausgabe ab 1972 durch ein neues Vorwort ersetzt, in der dt. Ausgabe wurde es bisher noch nicht ersetzt, S. 9.)

[52] Zum Interesse Foucaults an der Fiktion, Vgl. Raymond Bellour: Auf dem Weg zur Fiktion, in: François Ewald und Bernhard Waldenfels (Hgg.): Spiele der Wahrheit. Michel Foucaults Denken, Frankfurt am Main 1991, S. 124-135 und hier Kapitel III.

[53] Jorge Luis Borges: Die analytische Sprache John Wilkins’, in: Das Eine und die Vielen. Essays zu Literatur, München 1966, S. 212.

[54] OD, S. 17 (MC, S. 7).

[55] Ebd, S. 22 (MC, S. 11).

[56] Ebd.

[57] Comte de Lautréamont: Die Gesänge des Maldoror, in: Das Gesamtwerk (hrsg. von Ré Soupault), Hamburg 1988, S. 223.

[58] Ein gemischtes Nebeneinander von Ordnungen und Räumen, Vgl. OD, S. 20 (MC, S. 9); siehe auch Michel Foucault: Die Heterotopien. Der utopische Körper. Zwei Radiovorträge (1966), Frankfurt am Main 2005.

[59] Ebd.

[60] Foucault, in: Vorwort zu ‚Sexualität und Wahrheit’ (1984), in: DE Bd. 4, Nr. 340, S. 710 vgl. hier Kapitel III.

[61] Vgl. Wilhelm Schmid: Auf der Suche nach einer verlorenen Lebenskunst. Die Frage nach dem Grund und die Neubegründung der Ethik bei Foucault, Frankfurt am Main 1991, S. 104.

[62] OD, S. 82 (MC, S. 64).

[63] Vgl. ebd., S. 24 (MC, S. 13).

[64] OD, S. 377 (MC, S. 323).

[65] Gespräch mit Ducio Trombadori (1980), in: DE Bd. 4, Nr. 281, S. 83.

[66] Jean Piaget vergleicht den Begriff die aufeinander folgenden ‚Epistemen’ mit dem Paradigmenwechsel bei Thomas S. Kuhn in seinem Werk „ Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen“, siehe: Jean Piaget: Der Strukturalismus, Olten 1973.

[67] OD, S. 213f. (MC, S. 179).

[68] Foucault, in: Eine Debatte zwischen Foucault und Preti (1972), in: DE Bd. 2, Nr. 109, S. 463.

[69] Vgl. AW, S. 272f. (AS, S. 249f) und Foucault, in: Antwort auf eine Frage (1968), in: DE Bd. 1, Nr. 58, S. 862f.

[70] AW, S. 272f (AS, S. 250).

[71] Foucault, in: ‚Wer sind Sie, Professor Foucault?’ (1967), in: DE Bd. 1, Nr. 50, S. 778, in dem Las Meninas -Kapitel in Die Ordnung der Dinge zeigt Foucault exemplarisch anhand des Gemäldes von Velasquez auf, wie eine Freistelle in der Ordnung der Dinge auftritt, an dessen Stelle der Mensch gleiten kann.

[72] Herbert Schnädelbach: Das Gesicht im Sand. Foucault und der anthropologische Schlummer, in: Axel Honneth et al.: Zwischenbetrachtungen. Im Prozeß der Aufklärung. Jürgen Habermas zum 60. Geburtstag, Frankfurt am Main 1989, S. 238.

[73] OD, S. 380 (MC, S. 326).

[74] Manfred Frank,: Was ist Neostrukturalismus?, Frankfurt am Main 1983, S.116.

[75] Habermas, S. 301.

[76] Vgl. OD, S. 392 (MC, S. 336).

[77] Andrea Roeding: Foucault und Sartre. Die Kritik des modernen Denkens, München 1997. S. 166.

[78] Siehe Dreyfus/Rabinow, S. 63.

[79] Vgl. Habermas, S. 308.

[80] Vgl. ebd, S. 384 (MC, S. 329).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836619646
DOI
10.3239/9783836619646
Dateigröße
1018 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München – Philosophische Fakultät, Philosophie
Erscheinungsdatum
2008 (September)
Note
1,3
Schlagworte
diskursanalyse geschichte denksysteme foucault
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