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Inflationsindexierte Anleihen: Grundlagen und historische Perspektive

©2007 Diplomarbeit 62 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In den letzten Jahren hat die Anzahl an Ländern, die an das Preisniveau des Inlandes gekoppelte Anleihen emittiert haben, enorm zugenommen. Die Indexierung soll dabei sowohl Investoren als auch Emittenten vor Kaufkraftverlusten schützen, die durch den Index erfasst werden sollen. So innovativ dies klingen mag, ist dieses Konzept jedoch keineswegs neu. Bereits um 1707 hat sich der englische Bischof William Fleetwood Gedanken über den Kaufkraftverlust des Geldes gemacht und zur Messung von eben diesem eine Indexierung vorgeschlagen (Fleetwood 1707). In neuerer Zeit wurde die Indexierung von Obligationen bereits von renommierten Ökonomen wie I. Fisher im frühen 20. Jahrhundert befürwortet. Doch es dauerte bis 1945, als Finnland dieses Konzept in großem Umfang im Zusammenhang mit Obligationen umsetzte. Es stellt sich somit die Frage, welche Gründe überhaupt für und welche gegen die Emission indexierter Bonds sprechen, wenn es so lange gedauert hat, bis diese Idee in der neueren Zeit realisiert wurde. Um diese Frage zu beantworten, wird zunächst in A.1 diese Anlageklasse vorgestellt um in A.2 die wesentlichen Unterschiede zu nominalen Bonds herauszuheben. Es folgt in A.3 eine kurze Übersicht über den Anleihemarkt realer Obligationen um im Anschluss daran in B.1 die ersten Beispiele vorzustellen, wo die Zahlungen einer Anleihe an einen Preisindex gekoppelt wurden. Im Abschnitt B.2 werden dann aus theoretischer SichtArgumente pro und kontra reale Bonds präsentiert um in B.3 empirische Studien vorzustellen, in denen Informationen aus indexierten Bonds gewonnen wurden. Dabei geht es um die Inflationserwartung des Marktes und die Inflationsrisikoprämie. Im darauf folgenden Abschnitt C.1 wird die Entstehung eines der größten Märkte indexierter Bonds vorgestellt, nämlich der in Großbritannien. In A.2 wird anhand einiger Zeitreihen aus Großbritannien gezeigt, wie eine solche Risikoprämie geschätzt werden kann und wie Inflationserwartungen ermittelt werden können. Es folgt ein kurzes Fazit. Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
AbkürzungsverzeichnisII
Einleitung1
A.Grundlagen und Eigenschaften inflationsindexierter Anleihen2
A.1Begriffe und Definitionen2
A.2Unterschiede zu nominalen Bonds6
A.2.1Cashflows6
A.2.2Risiken und Risikomaße6
A.2.3Steuern8
A.3Marktbeschreibung8
B.Inflationsindexierte Anleihen in Theorie und Praxis10
B.1Historische Beweggründe am Beispiel Massachusetts und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

A. Grundlagen und Eigenschaften inflationsindexierter Anleihen
A.1 Begriffe und Definitionen
A.2 Unterschiede zu nominalen Bonds
A.2.1 Cashflows
A.2.2 Risiken und Risikomaße
A.2.3 Steuern
A.3 Marktbeschreibung

B. Inflationsindexierte Anleihen in Theorie und Praxis
B.1 Historische Beweggründe am Beispiel Massachusetts und Finnlands
B.1.1 Massachusetts
B.1.2 Finnland
B.2 Angebot und Nachfrage nach realen Bonds aus theoretischer Sicht
B.2.1 Gründe für indexierte Bonds aus Emittentensicht
B.2.2 Argumente für indexierte Bonds aus Investorensicht
B.3 Empirischer Informationsgehalt realer Bonds
B.3.1 Inflationserwartungen
B.3.2 Inflationsrisikoprämien

C. Grundlagen und Historische Perspektive am Beispiel Großbritanniens
C.1 Beispiel Großbritannien
C.2 Berechnung der BEIR und der Inflationsrisikoprämie am Beispiel UK

Fazit

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

In den letzten Jahren hat die Anzahl an Ländern, die an das Preisniveau des Inlandes gekoppelte Anleihen[1] emittiert haben, enorm zugenommen. Die Indexierung soll dabei sowohl Investoren als auch Emittenten vor Kaufkraftverlusten schützen, die durch den Index erfasst werden sollen. So innovativ dies klingen mag, ist dieses Konzept jedoch keineswegs neu. Bereits um 1707 hat sich der englische Bischof William Fleetwood Gedanken über den Kaufkraftverlust des Geldes gemacht und zur Messung von eben diesem eine Indexierung vorgeschlagen (Fleetwood 1707).[2] In neuerer Zeit wurde die Indexierung von Obligationen bereits von renommierten Ökonomen wie I. Fisher im frühen 20. Jahrhundert befürwortet.[3] Doch es dauerte bis 1945, als Finnland dieses Konzept in großem Umfang im Zusammenhang mit Obligationen umsetzte. Es stellt sich somit die Frage, welche Gründe überhaupt für und welche gegen die Emission indexierter Bonds sprechen, wenn es so lange gedauert hat, bis diese Idee in der neueren Zeit realisiert wurde. Um diese Frage zu beantworten, wird zunächst in A.1 diese Anlageklasse vorgestellt um in A.2 die wesentlichen Unterschiede zu nominalen Bonds herauszuheben. Es folgt in A.3 eine kurze Übersicht über den Anleihemarkt realer Obligationen um im Anschluss daran in B.1 die ersten Beispiele vorzustellen, wo die Zahlungen einer Anleihe an einen Preisindex gekoppelt wurden. Im Abschnitt B.2 werden dann aus theoretischer Sicht Argumente pro und kontra reale Bonds präsentiert um in B.3 empirische Studien vorzustellen, in denen Informationen aus indexierten Bonds gewonnen wurden. Dabei geht es um die Inflationserwartung des Marktes und die Inflationsrisikoprämie. Im darauf folgenden Abschnitt C.1 wird die Entstehung eines der größten Märkte indexierter Bonds vorgestellt, nämlich der in Großbritannien. In A.2 wird anhand einiger Zeitreihen aus Großbritannien gezeigt, wie eine solche Risikoprämie geschätzt werden kann und wie Inflationserwartungen ermittelt werden können. Es folgt ein kurzes Fazit.

A. Grundlagen und Eigenschaften inflationsindexierter Anleihen

A.1 Begriffe und Definitionen

Die formale Ausgestaltung inflationsindexierter Bonds variiert stark zwischen den anbietenden Ländern. Elementarer Bestandteil indexierter Anleihen ist jedoch die Kopplung der Coupon- und Nominalwertzahlungen an die Entwicklung eines Preisindex. Es wird damit das Ziel verfolgt, den realen Wert der Anleihe im Zeitverlauf konstant zu halten. Periodisch (in der Regel halb- oder jährlich) wird deshalb ein fixer Prozentsatz des Nennwerts des Bonds als Coupon ausgezahlt, meistens korrigiert um die Inflation zwischen dem Datum der Emission und dem Stichtag zur Festsetzung des relevanten Preisniveaus. Als Referenzindex wird in den meisten Ländern ein breiter Index wie der KPI gewählt, in seltenen Fällen wurden als alternative Masse Großhandelspreisindizes, Durchschnittslöhne, Exportpreise oder der BIP-Deflator verwendet (Deacon et al. 2004). Die Indexwahl beeinflusst dabei in erheblichem Maße die realen Cashflows: da oftmals größere Marktteilnehmer, sowohl auf Emittenten- wie auch Investorenseite, Asset/Liability-matching praktizieren, liegt es im Interesse beider Seiten einen Index zu wählen, der das Hedgingbedürfnis beider Partner befriedigt. In der Regel wird der optimale Index jedoch für beide Seiten unterschiedlich aussehen, weil das zustandsabhängige Risiko jeder Partei unterschiedlich sein wird. Für Staaten ist es z.B. unter gewissen Umständen optimal einen umfassenden Index mit einem Bezug zum BIP zu wählen (Calvo und Guidotti 1990) und könnte demnach den BIP-Deflator bevorzugen, der eine hohe Korrelation mit den Staatsfinanzen aufweisen sollte. Für andere Emittenten ist es jedoch oftmals vorteilhaft eine spezifischere Benchmark[4] zu wählen, wie die Erfahrung in Frankreich zeigt, wo die französische Eisenbahngesellschaft SNCF eine Anleihe begab, die an die Fahrpreise der dritten Klasse gekoppelt waren (OCDE 1973). Investoren hingegen haben eher ein Interesse ihren realen Konsum im Zeitverlauf zu stabilisieren und präferieren bspw. einen KPI; Versicherungen und Pensionskassen hingegen bevorzugen Indizes, die an die Lohnentwicklung gekoppelt sind, da ihre zukünftigen Verbindlichkeiten von der Lohnentwicklung der Versicherten abhängig sind.[5] Somit würden nämlich die Zinszahlungen eines realen Bonds mit den Löhnen steigen und zu einem gewissen Grad die Verbindlichkeiten decken. Gemäß Deacon et al. (2004) empfahl in Großbritannien der Wilson Report 1980 explizit im Interesse von Pensionskassen reale Anleihen zu emittieren, die an das Durchschnittseinkommen gebunden sein sollten (s. auch DMO Homepage). Mängel bei der Messung eines solchen Index, die geringere Frequenz mit der Daten erhältlich sind und die oftmaligere Revision publizierter Daten veranlassten das DMO letztendlich den RPI (Abbildung 1 und 2) als Referenzindex auszuwählen.

Des Weiteren kann der Grad der Indexierung variieren. In einigen Ländern, wie z.B. Finnland, wurde mehrfach nicht die vollständige, durch die Benchmark gemessene Preisentwicklung entschädigt, sondern nur ein Teil davon. Dies hat zur Folge, dass der Preis eines derart konstruierten Bonds stärker auf Änderungen der Inflationserwartungen reagiert, weil bei einer perfekten Indexierung ohne Lag, etc., der Bondpreis einer indexierten Anleihe überhaupt nicht auf Veränderungen der Inflationserwartungen reagieren sollte.

In Bezug auf die Struktur der Cashflows gibt es für reale Bonds auch unterschiedliche Ausgestaltungsmöglichkeiten, doch in der Regel werden Anleihen emittiert, deren Couponzahlungen wie auch der Nennwert an die Preisentwicklung des Referenzindex gekoppelt sind. Die nach Deacon et al. (2004) am häufigsten gewählte Form, die der kapitalindexierten Bonds, soll kurz erklärt werden. Bei dieser Struktur werden periodisch fixe Coupons gezahlt, die bei einer perfekten[6] Indexierung um die Preisentwicklung des Referenzindex in der Periode zwischen dem Couponzahlungstermin und dem Emissionsdatum jeweils angepasst werden. Der Nennwert wird entsprechend auch bei jedem Couponzahlungstermin um die Preisentwicklung korrigiert, doch erst bei Verfall inklusive der Inflationsadjustierung ausgezahlt. Durch diese periodische Anpassung des Nennwertes und der Coupons sind theoretisch[7] alle Cashflows real.[8] Es resultieren folgende Cashflowströme:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (1)

In allen Ländern bieten indexierte Bonds jedoch keinen optimalen Inflationsschutz. Zum einen sind die Cashflows aufgrund von dem Lag zwischen Erhebung und der endgültigen Festlegung auf einen Wert für das Preisniveau nicht vollständig vor der Preisentwicklung geschützt. Ein vollständiger Schutz ist nämlich nur gewährleistet, wenn die Anpassung der Zahlungsströme bis zu dem Zeitpunkt durchgeführt wird, an dem eine Auszahlung erfolgt. Darüber hinaus ist ein Investor vor der Zahlung des Nennwerts und des letzten Coupons der Inflation für die Dauer des Lag ausgesetzt, da das relevante Preisniveau vor Verfall ermittelt wird. Außer wenn zufällig die Preisentwicklung vor dem ersten Coupontermin identisch ist mit der in der letzten Periode, wären beide Inflationsraten gleich. Damit ist klar, dass je länger der Lag ist, desto höher dieses Basisrisiko ausfällt.

Es gibt zwei Gründe, weshalb reale Bonds einen Lag aufweisen. Die Tatsache, dass die Publikation des gegenwärtigen Preisniveaus inklusive allfälligen Korrekturen in der Regel ca. drei Wochen nach Monatsende erfolgt, erfordert einen Lag von mindestens eben dieser Zeitspanne.[9] Die Tatsache, dass bei Geschäften mit realen Bonds am Sekundärmarkt zwischen zwei Couponterminen Marchzinsen berechnet werden müssen, verlangt, dass in dieser Zeitspanne die Entwicklung des Preisindex bekannt sein muß.[10],[11] Bei einem Bond mit halbjährlichen Couponzahlungen und einem 3-Monats Lag würde die Preisentwicklung im Januar eines Jahres die angehäuften Zinsen für den Monat April bestimmen. Deshalb müsste, um zu jedem Zeitpunkt Marchzinsen berechnen zu können, mindestens ein Lag von 6 Monaten vorhanden sein.[12] Hinzu kommt noch, wie bereits erwähnt, die Zeitperiode bis zur erstmaligen Publikation der Inflationsrate eines Monats und die Zeit während der Korrekturen vorgenommen werden können.

Zum anderen, misst der gewählte Referenzindex nur approximativ die tatsächliche Inflation. Wie der Boskin Bericht 1996 bspw. für die USA aufzeigen konnte, überschätzt der KPI den realen Anstieg der Lebenshaltungskosten eines Konsumenten um ca. 1.1% p.a. (Deacon et al. 2004). Außerdem ist die für einen Investor ausschlaggebende Inflation jene, die seinen realen Konsum beeinflusst, d.h. der Index ist Investoren spezifisch. Da meistens jedoch der gewählte Index nicht mit dem theoretisch relevanten Index perfekt korreliert ist, ist ein Investor diesbezüglich einem Basisrisiko ausgeliefert.

Im Falle einer Deflation kann es passieren, dass ein Investor negative Couponzahlungen und einen tieferen als den ursprünglichen Nennwert zurück gezahlt bekommt. In den USA bspw. wird deshalb die Rückzahlung des Nennwerts garantiert (Fabozzi und Mann 2005). Großbritannien hingegen entschloß sich gegen die Einführung eines Deflation Floors (DMO 2002) um u.a. eines der Vorteile indexierter Bonds, in Deflationsphasen die staatliche Verschuldung zu glätten, nicht einzubüßen (DMO 2001).[13] Gemäß der Theorie der optimalen Besteuerung ist es nämlich optimal die Steuersätze über die Zeit stabil zu halten. Da in der kurzen Frist die Korrelation zwischen Inflation und Output eher positiv ist, führen reale Bonds ohne Deflation Floor in deflationären Perioden dazu, dass die Realschuld des Staates sinkt, und zwar gerade dann, wenn der Output und somit die Staatseinnahmen geringer ausfallen. Eine Untergrenze würde jedoch in bestimmten Zuständen diese Anpassung verhindern und zur vollständigen Nennwertzahlung verpflichten, so dass die höheren Rückzahlungen mit höheren Schulden oder Steuern finanziert werden müssten.

Die steuerliche Behandlung der Cashflows realer Bonds kann dafür sorgen, dass perfekt indexierte Anleihen nach Steuern keinen vollständigen Schutz vor Inflation bieten können. Steigt z.B. die Inflation, so bleibt der reale Yield vor Steuern unverändert; durch die Couponanpassung an die Preisentwicklung steigt jedoch nominal der Yield, so dass bei Besteuerung von Zinsen die Steuerlast steigt, wenn nicht zwischen realer Rendite und Inflationsentschädigung unterschieden wird (Tabelle 2), so dass auch die Inflationskomponente besteuert wird. Diese Sensitivität der Rendite n. St. wirkt damit dem Hauptvorteil realer Bonds entgegen, real konstante Cashflows zu garantieren. Campbell und Shiller (1996) schlagen deshalb u. a. vor, die Inflation zu mehr als 100% zu entschädigen um n. St. für gewisse Steuerklassen stabile reale Renditen zu generieren.

In einigen Ländern wird die Inflationsentschädigung für den Nennwert zudem als Einkommen betrachtet. Damit wird bereits vorzeitig eine in der Zukunft liegende Zahlung besteuert, die vielleicht auch überhaupt nicht in dieser Höhe ausgezahlt werden wird. Sinkt z.B. in der Folgezeit das Preisniveau, kann es dazu kommen, dass man netto in einigen Perioden mehr an den Fiskus transferiert hat, als man tatsächlich für die Teuerung schlussendlich entschädigt wurde.[14] Gleichzeitig kann es passieren, dass ein Investor in einigen Jahren mehr versteuern muß, als er an Couponzahlungen einnimmt. Diese Unsicherheit reduziert gegebenenfalls die Anzahl potentieller Investoren. Dies mag u.a. erklären, wieso vor allem Pensionskassen und Versicherungen in diese Anlagen investiert haben, weil diese oft steuerlich bevorzugt behandelt werden (bis hin zur Steuerbefreiung).

A.2 Unterschiede zu nominalen Bonds

A.2.1 Cashflows

Der elementare Unterschied besteht in Bezug auf die Zahlungsströme. Während bei nominalen Bonds die realen Cashflows risikobehaftet sind, bieten indexierte Bonds durch die Koppelung an einen Preisindex einen Inflationsschutz. Im Idealfall sind die resultierenden Cashflows ex-ante real sicher, so dass ein Anleger bereits heute seine künftigen Konsummöglichkeiten kennt. Damit ist er in der Lage einen Index zu wählen, der mit seinem eigenen Konsumkorb maximal korreliert ist. Dies reduziert demnach sein Basisrisiko, auch wenn diese Unsicherheit nicht vollständig eliminiert werden kann, da kaum ein Index komplett mit dem Warenkorb eines Individuums übereinstimmen wird. Im Gegensatz hierzu sind die nominalen Auszahlungen unsicher.

Weiter unterscheiden sich beide Bondarten bezüglich des Nennwerts, der bei realen Obligationen im Gegensatz zu traditionellen Anleihen heute noch nicht fix ist, da periodisch der Nennwert bei Emission des Bonds um die Inflation korrigiert wird, so dass bei Verfall der reale Nennwert des Bonds dem Nennwert bei Emission entspricht.[15]

A.2.2 Risiken und Risikomaße

Um nominale Bonds mit realen zu vergleichen, muss für letzte die effektive Duration[16] verwendet werden (Brynjolfsson 2005), d.h. die nominale Preisänderung eines realen Bonds aufgrund einer Änderung des nominalen internen Zinssatzes. Um diese Berechnung durchzuführen muss geschätzt werden, welche Modifikation hierdurch der reale interne Zinssatz erfährt. Um die effektive Duration realer Bonds zu berechnen wird z.B. für TIPS als grobe Approximation die reale Duration mit dem Faktor 0.75 multipliziert (Brynjolfsson 2005). Allgemein läßt sich der Umrechnungsfaktor durch eine Regression von r auf y gewinnen. Kritisch an dieser Methode ist jedoch die Tatsache, dass oftmals der Zusammenhang zwischen realem und nominalem Yield stark variieren kann:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Man sieht, dass die Korrelation zwischen r und BEIR dazu führen kann, dass das Regressionsbeta negativ oder größer eins sein kann, auf jeden Fall kaum stabil sein wird. Es bleibt also ein hohes Basisrisiko für Investoren, die Portfoliorisiken mit einem Durationsmaß steuern wollen. Falls die Korrelation zwischen r und BEIR nicht allzu negativ ist, wird der reale Yield jedoch weniger volatil als der nominale sein. Ein Beispiel im Anhang eines realen und nominalen Bonds soll zeigen, dass langfristig die Kovarianz relativ gering ausfällt und reale Yields nur etwa halb so volatil sind wie vergleichbare nominale Yields (Tabelle 3). Dieser letzte Punkt deutet darauf hin, dass in einer Regression ein Beta nahe 0.5 resultieren würde. Barclays Capital (2006) jedoch weist darauf hin, dass das Beta stark variieren kann und u.a. von der Frequenz der Daten abhängig ist.

Vergleicht man die reale Duration einer indexierten Staatsanleihe mit der nominalen Duration eines nominalen Bonds gleicher Laufzeit, wird erstere in der Regel höher ausfallen, weil die Höhe der nominalen Cashflows bei positiven Inflationsraten im Zeitverlauf stark ansteigt. Wie aber eben beschrieben sollte die effektive Duration zum Vergleich verwendet werden.

Weitere Risikomaße für indexierte Obligationen sind die Volatilität des Bondpreises oder die Volatilität der Gesamtrendite und die relative Volatilität (bspw. die Volatilität der Rendite eines realen Bonds relativ zu der Rendite eines nominalen Bond).

Reale Bonds unterliegen auch dem Reinvestitionsrisiko,[17] weil der Zins zu dem anfallende Coupons in der Zukunft angelegt werden können, heute noch nicht bekannt ist. Da die Zahlungen bei realen Bonds mit der Zeit zunehmen, sind damit c.p. die Wiederanlagemöglichkeiten quantitativ höherer Zahlungen unsicher. Die ersten Couponzahlungen, bei denen gegebenenfalls kein Reinvestitionsrisiko besteht (z.B. wenn ein Investor einen Futureskontrakt eingeht), fallen unter normalen Umständen geringer aus als die gegen Laufzeitende, so dass das Risiko dieser Cashflows weniger Gewicht hat im Vergleich zu den restlichen Cashflows. Gleichzeitig gibt es für die ersten Coupons mehr Möglichkeiten diese bereits heute zu einem vereinbarten Zins anzulegen, was das Reinvestitionsrisiko reduziert. Bei nominalen Anleihen fallen vergleichsweise mehr Cashflows am Anfang der Laufzeit an (haben meistens eine tiefere Duration), so dass dadurch das Reinvestitionsrisiko geringer ausfällt, wenn diese, sobald man sie erhält, bis Laufzeitende angelegt werden. Aus diesen Gründen sollte das Reinvestitionsrisiko bei indexierten Bonds im Vergleich zu nominalen Bonds höher sein.

Für Anleger, die einen kürzeren Investitionshorizont als die (Rest-) Laufzeit eines Bonds planen, führt die Ungewissheit über den Bondpreis am Ende des Planungshorizontes zu einem Preisrisiko. Da die Duration bei indexierten Bonds in der Regel höher ist und das Zinsänderungsrisiko einen großen Einfluß auf den Bondpreis hat, sollte dieses Risiko bei nominalen Bonds tiefer sein.

A.2.3 Steuern

Wie bereits erwähnt ist die steuerliche Belastung beider Bondarten in den jeweiligen Ländern verschieden. Ein Nachteil indexierter Bonds gegenüber üblichen Anleihen ist, dass in den meisten Ländern in der Steuererklärung die Anpassung des Nominalwertes an die Preisentwicklung jährlich als Einkommen deklariert werden muss, obwohl die Auszahlung erst bei Verfall erfolgt. Falls die Inflation relativ hoch ist, kann es durchaus vorkommen, dass trotz Couponzahlung nach Steuern ein negativer Cashflow realisiert wird.

A.3 Marktbeschreibung

Die größten Märkte für inflationsindexierte Anleihen befinden sich im Wesentlichen in den führenden Industrienationen der Welt, so gehören bspw. seit 2006 alle G-7 Staaten zur Gruppe der Emittenten.

Eine grobe Einteilung der Länder, die an das Preisniveau gekoppelte Bonds emittiert haben, in Bezug auf den Zeitpunkt der erstmaligen Emission sowie dem damaligen wirtschaftlichen Entwicklungsstand soll einen ersten Überblick über diesen Anleihemarkt geben.

Die ersten Versuche reale Obligationen einzuführen, wurden größtenteils in damals wirtschaftlich unterentwickelten Staaten durchgeführt. Zu diesen Ländern gehören u.a. einige lateinamerikanische Staaten wie Brasilien, Chile oder Kolumbien, einige europäische, die stark unter den Folgen des 2. Weltkrieges zu leiden hatten, wie Finnland oder Frankreich oder asiatische Länder wie Israel (vgl. Tabelle 4). Erst in den 1980er, 1990er Jahren folgten andere Länder, wie Australien, Großbritannien, Kanada oder Schweden (vgl. Tabelle 4), die damals bereits zu den wirtschaftlich höher entwickelten Ländern gehörten. Diese Länder hatten entweder in den Jahren vor der erstmaligen Emission unter relativ hohen und volatilen Inflationsraten gelitten oder Reformprogramme zur Inflationsbekämpfung eingeführt, von deren Erfolg die Regierungen überzeugt waren. Ende des 20. Jahrhunderts und zu Beginn des 21. Jahrhunderts entschlossen sich schließlich Staaten mit relativ stabilen, tiefen Inflationsraten und einer glaubwürdigen Geldpolitik reale Obligationen anzubieten. Dazu gehören Länder der EU, wie Deutschland,[18] Frankreich, Griechenland oder Italien,[19] die USA oder Japan (s. Tabelle 4). Diese Länder haben nach eigener Aussage inflationsindexierte Bonds emittiert, um Kosten zu sparen, Märkte zu vervollständigen und eine höhere geldpolitische Glaubwürdigkeit zu erlangen (Price 1997).

In den letzten Jahren haben aber auch Geschäftsbanken solche Anleihen emittiert (u.a. Goldman Sachs, Royal Bank of Scotland) und es kamen erstmals inflationsindexierte Derivate auf den Markt. Trotzdem stellen indexierte Bonds in den meisten Ländern bis heute eher ein Nischenprodukt dar (z.B. in den USA, NZZ 2003) und weisen deshalb eine geringe Liquidität auf.

Läßt man die zeitliche Dimension für einen Augenblick außer Acht, sind relativ viele Länder dabei, die stark von Rohstoffpreisen abhängig sind (Australien, Brasilien, etc.) und deshalb tendenziell auch eine höhere Volatilität der Inflation aufweisen.

Zu den größten Investoren zählen aufgrund der Konstruktion dieser Anlageklasse vor allem langfristig orientierte oder konservative Bondanleger, wie Fondsmanager, Banken, Pensionsfonds, Versicherungen, teilweise auch andere Zentralbanken und mittlerweile vermehrt Hedgefonds (NZZ 2003), die vor allem auf Arbitragegewinne zwischen indexierten Bonds und anderen indexierten Anlagen aus sind. Fondsmanager und Banken machen bspw. in Deutschland nahezu ¾ aus (BRD 2006), in vielen anderen Märkten ist es ähnlich.

B. Inflationsindexierte Anleihen in Theorie und Praxis

B.1 Historische Beweggründe am Beispiel Massachusetts und Finnlands

B.1.1 Massachusetts

Die Literatur ist sich bis heute nicht sicher, wann zum ersten Mal der Indexierungsgedanke im Zusammenhang mit Schuldverschreibungen aufkam. Womöglich ist die Kenntnis über frühere Versuche, Menschen für den Kaufkraftverlust ihres Geldes zu entschädigen, im Verlauf der Geschichte der Menschheit verloren gegangen.

Bereits um 1742 legte der Staat Massachusetts (USA) öffentliche Kredite auf, deren Zahlungen an einen Preisindex gekoppelt waren. Als Referenzindex wurde der Silberpreis an der Londoner Börse gewählt.[20] In den Folgejahren stieg der Silberpreis stärker an als das Preisniveau, was den Realwert der Staatsschulden kontinuierlich ansteigen ließ. Aus diesem Grund wurde 1747 ein Gesetz verabschiedet, wonach in Zukunft bei neuen Krediten ein breiterer Referenzindex gewählt werden sollte.[21]

Erst um 1780 wurde die Idee der Indexierung im Rahmen des Nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieges wieder aufgenommen. Der Staat Massachusetts emittierte 1775 zur Finanzierung des Krieges so genannte „tender notes“ (eine Art Schuldverschreibung), da das Steueraufkommen nicht ausreichte.[22] War das Volumen dieser „notes“ anfangs noch gering, stieg das Kreditvolumen stark an, was zu einer Abwertung der Kredite führte. In der Folge kam es zu einem Anstieg der Inflation.[23] Der Staat Massachusetts hatte bereits davor seit vielen Jahren Probleme mit instabilen Preisniveaus wegen intensiver Verwendung von Inflationssteuern gehabt.[24]

1779, mitten im Krieg, kam dann aus Militärkreisen die Forderung nach einer Entlohnung gemäß dem ursprünglichen, realen Wert des Solds. Dies geschah zu einer Zeit, in dem es nicht gut um den Staat Massachusetts stand. Große Teile des Landes waren von der britischen Armee überrannt worden, das monetäre und das Finanzsystem standen kurz vor dem Zusammenbruch, die amerikanischen Truppen waren größtenteils unbezahlt[25] und nur dürftig versorgt, viele desertierten, es kam sogar zu Meutereien (Shiller 2003). Die meisten Soldaten der amerikanischen Seite hatten sich im Herbst 1776 für 3 Jahre verpflichtet, die Laufzeit ihrer Verträge neigte sich somit dem Ende zu. Die Folge dieses miserablen Zustands waren große Unruhen und eine große Not unter den Soldaten. Um die Soldaten dazu zu bewegen die Verträge zu verlängern mussten Anreize geschaffen werden. So wurde am 13. Januar 1780 u.a. die Entlohnung an einen Preisindex gebunden. Sie erhielten als verzögerte Kompensation für ihre Dienste so genannte. „soldier’s depreciation notes“ mit einem 6% Coupon und halbjährlicher Auszahlung, in New England Pfund denominiert.[26] Es war weltweit der erste inflationsindexierte Bond (Shiller 2003). Der Index[27] zur Messung der Teuerung bestand aus dem gleich gewichteten, arithmetischen Durchschnitt von vier ausgewählten Güterpreisen.[28] Die „notes“ wurden schließlich Ende November 1786 vorzeitig ausbezahlt (Fisher 1913).

B.1.2 Finnland

Finnland führte 1945 (OCDE 1973; Price 1997) hauptsächlich aus Aspekten der sozialen Gerechtigkeit, in einem Umfeld mit hoher Inflation und der Erwartung, dass diese weiterhin anhalten würde, eine übertragbare 10-jährige Anleihe ein, welche eine vollständige Indexierung des Nennwertes vorsah (OCDE 1973). Diese wurde unter ausgewählten Privatleuten emittiert um sie für ihre während dem 2. Weltkrieg erlittenen Schäden zu entschädigen. Die ersten Anleihen wurden anfangs im Rahmen von Entschädigungszahlungen an Vertriebene aus Gebieten emittiert (Price 1997), die nach dem 2. Weltkrieg der damaligen Sowjetunion zugesprochen wurden. Man erwartete zu jener Zeit hohe Inflationsraten und die Staatsfinanzen waren in einem derart miserablen Zustand, dass Barzahlungen nicht erschwinglich waren (Price 1997).

1952 begab die finnische Regierung, welche bei weitem der größte Kreditnehmer auf dem Anleihemarkt war, erstmals eine öffentliche, indexierte Anleihe. Die von 1945 konnte in diese umgewandelt werden.

Der Großteil der begebenen Anleihen war von der Steuer befreit und in der Regel partiell (meistens wurde 50% des Preisanstiegs entschädigt) entweder am Großhandelspreis- oder am Lebenshaltungskostenindex (=KPI) gekoppelt, wobei meistens der Nennwert und oftmals auch die Zinsen indexiert wurden.

Der Wettbewerb zwischen dem privaten und den staatlichen Sektor führte zunehmend zu einer Expansion des Marktes (Abbildung 4). Die Folge war, dass bis 1967 inflationsindexierte Anleihen den Großteil aller am finnischen Primärmarkt emittierten Staatspapiere ausmachten (Price 1997). Ende 1967 machte diese Anlageklasse 74% aller am Markt zirkulierenden Staatspapiere aus (Tabelle 5). Dennoch wies der finnische Bondmarkt in diesen Jahren nur eine geringe Liquidität auf.[29] Als Erklärungen hierfür geben Paunio und Suvanto (1977) an, dass damals nur Banken und Privatbanken Handel mit Obligationen betrieben, welche dadurch die Preisbildung am Anleihemarkt dominierten.

Zu den größten privaten Emittenten gehörten Finanzinstitute, die Ende 1967 über 85% ihrer umlaufenden Titel als indexierte Obligationen begeben hatten. Meistens wurde als Referenzindex ein nationaler Preisindex gewählt; es gab jedoch auch welche, die an bestimmte Währungen oder am Exportpreisindex gekoppelt waren.

Unter den nicht Finanzinstituten war die Indexierung weitaus weniger verbreitet. Meist waren die indexierten Obligationen zu 25% oder 50% an den Lebenshaltungskostenindex gebunden. Ende 1967 machte diese Art von Anleihen knapp über 30% aller von diesen Kreditnehmern emittierten Obligationen aus.

Wieso kam es dann zu einem abrupten Ende dieser Anlageklasse in Finnland? Im Oktober 1967 wurde der finnische Markka um 31% abgewertet. Man befürchtete, durch die durch die Abwertung in heimischer Währung gestiegenen Importpreise in Kombination mit der weit verbreiteten Indexierung in eine Inflationsspirale zu gelangen, was die erwartete Wirkung der Abwertung auf die Außenhandelsbilanz schnell ausgleichen würde. Die Befürchtungen führten schließlich dazu, dass 1968 im Rahmen des Regierungsprogramms zur Preisstabilisierung sämtliche Indexierungssysteme per Gesetz abgeschafft wurden (Paunio und Suvanto 1977).

Diese beiden historischen Beispiele zeigen, dass früher finanzielle Innovationen wie indexierte Obligationen oft im Zusammenhang mit Krisen wie z.B. Kriege entstanden. Es waren demnach Situationen, in denen der Regierung kein anderer Ausweg zur Verfügung stand als Schuldverschreibungen an einen Preisindex zu koppeln. Man fragt sich folglich, wieso in heutiger Friedenszeit zahlreiche wirtschaftlich hoch entwickelte, prosperierende Länder reale Bonds auf den Markt gebracht haben. Um darauf eine Antwort zu finden werden in Abschnitt B.2 die in der Literatur am häufigsten genannten pro und kontra Argumente vorgestellt.

B.2 Angebot und Nachfrage nach realen Bonds aus theoretischer Sicht

In Abschnitt B.1 wurde bereits eine mögliche Ursache für die Emission realer Anleihen vorgestellt, nämlich ein finanzielle Notlage, die keine andere Wahl übrig ließ. Es gibt jedoch auch zahlreiche andere Gründe, die dafür sprechen reale Bonds zu begeben und in reale Bonds zu investieren. In diesem Abschnitt werden zunächst theoretische Gründe erläutert, weshalb inflationsindexierte Staatsanleihen emittiert werden. Der Fokus liegt hierbei auf Staatspapiere; es existieren zwar auch von privaten Agenten emittierte Bonds, doch diese werden im Rahmen dieser Arbeit weitgehend ausgeklammert, um den Umfang nicht zu stark aufzublähen. Es folgt ein kurzer Überblick über Argumente, die aus Investorensicht für eine Investition in diese Anlageklasse sprechen.

B.2.1 Gründe für indexierte Bonds aus Emittentensicht

Wie der Abschnitt B.2 gezeigt hat, waren es anfangs vor allem Länder, die große Probleme mit inflationären Tendenzen hatten. Infolgedessen hatten diese Länder kaum Möglichkeiten langfristige Bonds zu emittieren um somit gleichzeitig die Duration zu erhöhen. Diesen Ländern blieb oft keine andere Wahl als auf reale Anleihen zurückzugreifen. Erst seit den 1980er Jahren, als Großbritannien 1981 erstmals an die Preisentwicklung gekoppelte Obligationen auf den Markt brachte, haben sich weitere Länder mit bereits tiefen und wenig volatilen Inflationsraten diesem Beispiel angeschlossen. Als Begründung wird oft angegeben, dass Kosten dadurch reduziert werden sollen und die geldpolitische Glaubwürdigkeit weiter gestärkt werden soll (vgl. Bundesrepublik Deutschland). Hohe Einsparungen sind jedoch nur möglich, wenn die Markterwartungen über künftige Inflationsraten stark von denen der Regierung abweichen und höher sind, zudem sollte bei rationalen Erwartungen dieser Effekt nur temporär sein. Da in den hoch entwickelten Volkswirtschaften die Geldpolitik tendenziell eine hohe Unabhängigkeit und eine hohe Transparenz aufweist, dürften sich diese Erwartungen nicht groß unterscheiden. In Entwicklungsländern dürfte dieser Grund eine größere Rolle spielen, weil die dortigen Zentralbanken eine geringere Unabhängigkeit aufweisen (Arnone et al. 2007). Speziell nach institutionellen Änderungen dürfte dieses Argument relevant sein, wie das Beispiel in Brasilien zeigt, wo der Anteil indexierter Bonds in der letzten Zeit gestiegen ist. Anfangs befürchtete man, dass Staatspräsident „Lula“ eine eher links gerichtete Politik betreiben würde, in der der Inflation eine geringere Bedeutung beigemessen würde. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass sich die Befürchtungen nicht bewahrheitet haben.

Eine weitere Möglichkeit Kosten zu sparen besteht darin, die Inflationsprämie einzusparen, sofern am Markt eine solche eingepreist wird (Fischer 1975). Hierdurch sinkt der nominale Zinssatz um eben diesen Betrag, wodurch Investitionen begünstigt werden, die in der Regel mittel- und langfristig positive Wirkungen auf das Wirtschaftswachstum haben können.

Barro (1997) zeigt unter bestimmten Umständen,[30] dass Regierungen, die das Ziel verfolgen, den Pfad der Steuersätze im Zeitverlauf und über Zustände hinweg zu glätten,[31] indexierte Anleihen bevorzugen, da die realen Zahlungsströme bei gleicher Laufzeit im Vergleich zu nominalen Bonds stabiler sind (Barro 1995; Barro 1997; Barro 1999). Berücksichtigt man, dass die künftigen Zustände für die Regierung heute nicht sicher sind, so ist es sinnvoll beide Assetklassen, sowohl nominale als auch reale Bonds zu emittieren, weil in Phasen mit tieferer Inflation als der Markt heute erwartet, Einsparungen möglich sind (vgl. Tabelle 6).

Calvo und Guidotti (1990) zeigen, dass indexierte Anleihen den Anreiz auf Seiten der Regierung senkt, durch unerwartete Inflation die realen Staatsschulden zu reduzieren. Somit können Staaten durch Anleihen, die an das Preisniveau gekoppelt sind, geldpolitisch an Glaubwürdigkeit gewinnen. Die Verwendung der Inflationssteuer zur Schuldenreduktion ist jedoch wie beide anmerken, nicht die einzige Möglichkeit, die einem Staat zur Verfügung steht; bspw. haben Vermögens- oder Zinsertragssteuern einen ähnlichen Effekt.

Verfolgen Regierungen in unvollständigen Märkten (z.B. es existieren keine indexierten Anleihen) das Ziel durch Inflationsüberraschungen die Realverschuldung zu reduzieren, ist es optimal sich eher kurzfristig zu finanzieren: da im Zeitverlauf in jeder Periode die Steuerbasis größer wird, wodurch für einen gegebenen Steuersatzpfad eine geringere Volatilität der Inflation möglich wird oder alternativ für einen bestimmten Inflationspfad die Variation der Steuersätze reduziert werden kann (Calvo und Guidotti 1990). Barro (1997) argumentiert ähnlich, dass die Tatsache, dass Inflation in der Regel zeitlich eine hohe Persistenz aufweist, dazu führt, dass die Preise langfristiger Anleihen stärker schwanken als die der kurzfristigen, weshalb je stärker das Ausmaß an Persistenz und je volatiler die Inflation sei, desto eher sich Regierungen kurzfristig finanzieren würden,[32] um das Risiko zu senken, durch eine unerwartete Inflation höhere Finanzierungskosten zu haben und damit unnötigerweise die Schwankungen der Steuersätze zu erhöhen. Unter diesen Umständen werden Investoren nicht bereit sein langfristige Anleihen zu kaufen. Hat nun eine Regierung ein gravierendes Glaubwürdigkeitsproblem, kann ein Staat, der diese Situation glaubhaft umkehren will, durch reale Bonds, die eine lange Laufzeit und Duration aufweisen, eine Kursänderung signalisieren, so dass Investoren wieder bereit sind am langen Ende zu investieren.

Ist ein Markt unvollständig, können indexierte Obligationen als nicht redundante Anlagen Marktnischen füllen und somit die soziale Wohlfahrt erhöhen, da wie Price (1997) erwähnt, in unvollständigen Märkten der staatliche Schuldendienst nicht neutral sei.

Die Erweiterung des Angebots an Finanzmarktinstrumenten erhöht gleichzeitig auch die Möglichkeiten der Zentralbanken auf dem Markt zu intervenieren. Dadurch kann sie durch Käufe/Verkäufe auf dem Sekundärmarkt den erwarteten realen bzw. nominalen Zins und damit auch die Differenz zwischen diesen beiden Sätzen beeinflussen. Schließlich kann sie somit kurzfristig auf reale Schocks effektiver reagieren und damit langfristig das Wirtschaftswachstum positiv unterstützen.

Außerdem steht durch die Erweiterung der Finanzmärkte um eine neue Anlageklasse den Investoren und staatlichen Institutionen (u.a. Zentralbanken) ein weiteres Maß zur Proxy-Messung der Inflationserwartungen des Marktes zur Verfügung, sofern der Informationsgehalt nominaler und realer Anleihen, wie theoretisch zu erwarten, Hinweise auf marktbasierte Inflationserwartungen gibt. Diese neue Informationsquelle hat gemäß Coeuré und Sagnes (2005) den Charakter eines öffentlichen Gutes. Diese Markterwartungen könnten dann wichtige Inputs zur Inflationsprognose geben und bei der Festlegung der Geldpolitik eine wichtige Rolle spielen. Die Schwedische Riksbank verwendet z.B. die BEIR als einen der zahlreichen Inputs bei geldpolitischen Entscheidungen. Eine Antwort auf die Frage, ob wichtige Informationen aus Bonds über Inflationserwartungen des Marktes gewonnen werden können, wird im Abschnitt B.3 gegeben.

Aus wohlfahrtstheoretischer Sicht lässt sich außer obiger Bemerkung wenig sagen. Durch die Erweiterung des Anlageuniversums erweitert sich zwar für einen Investor das „opportunity set“, weshalb er nicht schlechter gestellt wird. Da aber durch die Einführung eines neuen Assets sich die Renditen anderer Anlagen verändern werden, kann es im Marktgleichgewicht durchaus sein, dass ein repräsentativer Konsument schlechter gestellt wird.

Zu den qualitativen Aspekten der Emissionen indexierter Obligationen gehört die Erweiterung der Investorenbasis, da diese Anleihen eher für langfristig orientierte Anleger geeignet ist (Bodie 1988). Die Erweiterung sollte zudem einen positiven Effekt auf die Finanzierungsmöglichkeiten eines Staates haben.

Welche Argumente sprechen hingegen aus ökonomischer Sicht gegen die Emission realer Staatspapiere? Da die Emission einer an die Preisentwicklung gekoppelten Obligation einer Versicherung gegen Inflationsrisiken entspricht, wodurch je nach Ausgestaltung des Bonds kein Risiko mehr besteht, erlauben sie eine ex ante signifikante bis komplette Einsparung der Inflationsprämie. Zu den Gegenargumenten zählt u.a. der Grund, dass die Höhe der Risikoprämie relativ klein ausfalle, sofern überhaupt eine solche Prämie auf dem Anleihemarkt gezahlt wird. Zudem herrscht in der Literatur bis heute kein Konsens über die ungefähre Höhe. Sie kann theoretisch auch negativ ausfallen. Das Vorzeichen einer solchen Prämie ist u.a. davon abhängig welche Korrelation die Rendite eines nominalen Bonds mit dem marginalen Konsumnutzen aufweist (Fischer 1975).

Als weiterer Nachteil wird angesehen, dass die Inflation aufrecht erhalten bliebe oder gar verschärft werde, da Investoren einerseits einen geringeren Druck auf die Regierung ausüben würden, weil ihr inflationsbedingte Risiko nun im Idealfall vollständig abgesichert wäre, andererseits das Beispiel einiger Länder (u.a Finnland, Israel, Brasilien) zeige, dass sobald Indexierungsformen in einem Land eingeführt werden, die Forderung aufkommt, weitere nominale Zahlungen an das Preisniveau zu koppeln. Als Beispiel dienen hierfür einige Länder, in denen die Indexierung in Zeiten hoher und volatiler Inflation zu diesem Trend geführt haben (Price 1997).

[...]


[1] Im Folgenden werden nach Schneck (2000) die Wörter Anleihen, Bonds, Obligationen und Schuldverschreibungen synonym für festverzinsliche Wertpapiere verwendet, die die Schuld im Rahmen der Fremdfinanzierung verbriefen. Ebenso sollen inflationsindexierte und reale Anleihen, etc dieselbe Bedeutung haben.

[2] Er hat eine Studie über den Kaufkraftverlust durchgeführt hat, indem er die Mitgliedschaftsbedingungen einer Gesellschaft im Jahre 1450 untersuchte, die ein maximales jährliches Einkommen von 5£ erforderte. Dafür verwendete er die Preise einiger elementarer Güter zwischen 1440 und 1706 um den realen Wert von Geld zu schätzen. Ausgehend von Güterpreisen zwischen jeweils 1440 und 1460, bzw. 1686 und 1706 hat er arithmetisch gleich gewichtet einen Preisindex gemittelt.

[3] Am 1. Juli 1925 begab konsequenterweise die von ihm mit gegründete Rand Kardex Co., in der er als Verwaltungsrat fungierte, eine solche Anleihe. Dies wurde jedoch nur kurze Zeit danach aus dem Markt genommen wurde (Dimand 1999; Shiller 2003). Der Misserfolg war u.a. darauf zurückzuführen, dass Leute das Indexkonzept kaum verstanden und die Indexierung ein Cap hatte, d.h. bei einem zu hohem Anstieg des Preisniveaus wurde in Prozent ein maximaler Betrag ausbezahlt.

[4] Benchmark wird in dieser Arbeit als ein Synonym für Preisindex verwendet.

[5] Für Pensionskassen in Großbritannien waren zu jener Zeit die Renten abhängig vom Lohnniveau.

[6] Falls also kein Lag bei der Berechnung der entsprechenden Inflationsrate existiert und 100% der gemessenen Inflation entschädigt werden.

[7] Sofern von dem Lag bei der Berechnung der Inflation und Steuern abgesehen wird. Im Folgenden wird der Einfachheit halber von einer perfekten Indexierung ausgegangen, d.h. der Couponauszahlungstermin stimmt mit dem Datum, an dem die entsprechende Inflationsentschädigung berechnet wird, überein.

[8] Ein kurzes, fiktives Beispiel im Anhang soll dies kurz darstellen (Abbildung 3 und Tabelle 1).

[9] Praktisch könnten demnach indexierte Bonds mit einem 3-wöchigen Lag emittiert werden.

[10] Eine Ausnahme bildete bis vor kurzem Großbritannien, wo die Marchzinsen eines Bonds mit einem 8-monatigen Lag und halbjährlichen Couponzahlungen zu jeder Zeit bekannt sind.

[11] Gemäß Deacon und Derry (1994) ist dies der Grund, weshalb in Großbritannien anfangs ein Lag von 8 Monaten verwendet wurde.

[12] Es muß mindestens ein Lag von der Dauer zwischen zwei Couponterminen gewählt werden.

[13] Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass dadurch die Möglichkeit, in Zukunft strippable Bonds anzubieten, verunmöglicht würde und historisch gesehen ein Deflation Floor effektiv zu keinem Zeitpunkt Verwendung gefunden hätte.

[14] Sofern u. a. eine Steuergutschrift im System nicht vorgesehen ist.

[15] Da meistens als Referenzwert bei der Berechnung der Inflation der Indexstand verwendet wird, wird real der Nennwert des Bonds bei Verfall in der Regel nicht exakt dem theoretischen Wert entsprechen. Zudem wird der vereinbarte Preisindex nur als ein Proxy für die tatsächliche Preissteigerung betrachtet und darüber hinaus kann ein realer Vermögensverlust eines Individuums nur bei einem individuenspezifischen Preisindex rechnerisch ermittelt werden, so dass der reale ex-post Wert stark variieren kann.

[16] Die Duration ist eine Maßzahl für das Zinssatzrisiko eines Bonds und definiert als die Änderung des Bondpreises bei einer marginalen Änderung des internen Zinssatzes. Je höher dabei die Duration, desto stärker die Preisreaktion auf Zinsänderungen.

[17] Unter Reinvestitionsrisiko versteht man die Ungewissheit über die Höhe des Zinssatzes, zu dem anfallende Couponzahlungen eines Bonds während dem Investitionshorizont angelegt werden können.

[18] Im Jahr 2006 folgte die Bundesrepublik Deutschland dem Beispiel anderer Länder und emittierte erstmals seit der Weimarer Republik (NZZ 2006) eine inflationsindexierte Staatsanleihe. Das Emissionsvolumen belief sich auf 5.5 Mrd. €.

[19] Es wäre interessant zu untersuchen, wieso innerhalb der EU relativ zahlreiche Länder sich kurz vor oder nach der Einführung des Euros als allein gültige Währung zu diesem Schritt entschieden haben. Denkbar wäre z.B., dass diese Länder um die Nachfrage bestimmter Investoren zu befriedigen versucht haben einen first-mover Vorteil auszunutzen und eine gewisse Reputation aufzubauen, die sie später von nachahmenden EU-Staaten differenzieren sollen.

[20] Der Nennwert war in Silbereinheiten fixiert.

[21] Da damals die Preise für Silber und Wechsel durch Partikulärinteressen wesentlich beeinflusst wurden (Fisher 1913).

[22] Soldaten sollten diese später beim Staat einlösen.

[23] Ein Hinweis auf die Teuerung damals mag der Anstieg um nahezu den Faktor 33 eines Warenkorbs zwischen dem 1. Januar 1777 und dem 1. Januar 1780 geben (Fisher 1913).

[24] Diverse Kriege (u.a. König William Kriege (1689-97): erfolglose Invasion Québecs; Königin Anne Kriege (1702-13) oder König George Kriege (1744-48)) und die damit verbundenen erhöhten Staatsausgaben (z.B. Soldatengehälter) hatten dazu geführt, dass das Geld in Massachusetts oft fehlte, so dass zur Finanzierung intensiv die Inflationssteuer genutzt wurde. Dies führte zu einem starken Vertrauensverlust, der u.a. in dem hohen Discount zu dem die den Soldaten zugeteilten „bearer notes“ gehandelt wurden zum Ausdruck kam (Shiller 2003).

[25] Die ersten „notes“ hatten durch die Inflation stark an Wert verloren.

[26] Diese waren nicht immer handelbar, da die Zinszahlung teilweise abhängig vom ursprünglichen Empfänger war.

[27] Aus heutiger Sicht ein rudimentärer Laspeyres-Index.

[28] Rindfleisch, indisches Getreide, Schafswolle und Schuhsohlenleder.

[29] Gemessen an zwei der drei Dimensionen zur Liquiditätsmessung (z.B. Pritsker 2002; Porter 2003): Tiefe und Breite. Das u.a. dafür verwendete Maß des Umsatzes ist jedoch gemäß der neueren Literatur ein nur bedingt aussagekräftiges Maß (z.B. Pritsker 2002; Fleming 2003 für den US-amerikanischen Markt). Als Beispiel dient der globale Börsencrash am 19. Oktober 1987, als Investoren ihre Aktien verkaufen wollten, der Markt jedoch sehr illiquide war (Pritsker 2002).

[30] Sofern das reale BIP, die Staatsausgaben und die realen Zinssätze stochastisch sind

[31] Motiviert wird dieser Ansatz durch Regierungen, die den Nutzen des repräsentativen Konsumenten maximieren wollen (Zhu 1992; Barro 1995) unter Nichtgültigkeit der Ricardianischen Äquivalenz durch z.B. Anreiz verzerrende Steuern. Die Grundidee der Glättung des Steuersatzpfades stammt von Pigou 1928 (S. 231ff.).

[32] Bei einem positiven Inflationsschock steigt deshalb die Inflationserwartung für eine längere Zeitperiode. Emittiere ich In dieser Zeit neue Staatsanleihen, steigen somit die Refinanzierungskosten. Folgt nämlich z.B. in der folgenden Periode ein negativer Schock, so sänken wieder diese Kosten, falls eine Regierung sich rollierend kurzfristig finanzieren würde.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836619165
DOI
10.3239/9783836619165
Dateigröße
639 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Basel – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2008 (September)
Note
1,0
Schlagworte
inflationsindexierte anleihen grundlagen theorie historische entwicklung marktübersicht
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Titel: Inflationsindexierte Anleihen: Grundlagen und historische Perspektive
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