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Die Sozialauswahl nach dem Kündigungsschutzgesetz und ihre Vereinbarkeit mit dem Schutz vor Altersdiskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und Europarecht.

©2008 Diplomarbeit 68 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) am 18.08.2006, welches der Umsetzung vier europäischer Gleichbehandlungsrichtlinien dient, gibt es auch mehr als ein Jahr später noch Unsicherheiten in seinem Verhältnis zum Kündigungsschutzrecht.
Die größte Anwendungsunsicherheit ergibt sich aus § 2 Abs. 4 AGG, wonach für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten. Nach § 1 Abs. 3 KschG hat der Arbeitgeber bei der Sozialauswahl zu einer betriebsbedingten Kündigung folgende vier Auswahlkriterien ausreichend zu berücksichtigen: die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers. Gerade das Lebensalter ist jedoch als Diskriminierungsmerkmal nach § 1 AGG schützenswert vor Benachteiligungen. In dieser Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, wie eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KschG unter Berücksichtigung der Auswahlkriterien Alter und Dauer der Betriebszugehörigkeit zu erfolgen hat, ohne eventuell altersdiskriminierend zu sein und somit gegen europäisches Recht zu verstoßen. Dabei wird zum einen das Verhältnis des § 1 Abs. 3 KSchG zum AGG untersucht. Zum anderen werden daraus resultierende Problematiken in Bezug zu europäischem Recht gesetzt und dahingehend geprüft, inwieweit sie europarechtskonform zu lösen sind. Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
InhaltsverzeichnisII
AbkürzungsverzeichnisV
A.Problemdarstellung1
B.Kündigung nach Maßgabe des Kündigungsschutzgesetzes1
I.Anwendungsbereich1
II.Soziale Rechtfertigung einer Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen2
1.Unternehmerische Entscheidung2
2.Dringlichkeit der Kündigung3
3.Fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit4
a)Betrieb4
b)Unternehmen5
c)Besonderheiten des Gemeinschaftsbetriebs5
d)Konzern6
e)Weiterbeschäftigung auf freiem Arbeitsplatz7
aa)Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen8
bb)Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen9
cc)Weiterbeschäftigung nach zumutbarer Umschulung oder Fortbildung10
f)Einflussnahme durch Betriebsrat12
III.Soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG13
1.Allgemeines13
2.Personenkreis13
3.Kriterien der sozialen Auswahl15
C.Differenzen der Sozialauswahl mit dem AGG17
I.Allgemeines zum AGG17
II.Bereichsausnahme für Kündigungen18
1.§ 2 Abs. 4 AGG Europarechtskonform?19
2.Folgen bei Europarechtswidrigkeit19
a)Getrennte Betrachtung der Wirksamkeit nach § […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

A. Problemdarstellung

B. Kündigung nach Maßgabe des Kündigungsschutzgesetzes
I. Anwendungsbereich
II. Soziale Rechtfertigung einer Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen
1. Unternehmerische Entscheidung
2. Dringlichkeit der Kündigung
3. Fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
a) Betrieb
b) Unternehmen
c) Besonderheiten des Gemeinschaftsbetriebs
d) Konzern
e) Weiterbeschäftigung auf freiem Arbeitsplatz
aa) Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen
bb) Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen
cc) Weiterbeschäftigung nach zumutbarer Umschulung oder Fortbildung
f) Einflussnahme durch Betriebsrat
III. Soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG
1. Allgemeines
2. Personenkreis
3. Kriterien der sozialen Auswahl

C. Differenzen der Sozialauswahl mit dem AGG
I. Allgemeines zum AGG
II. Bereichsausnahme für Kündigungen
1. § 2 Abs. 4 AGG Europarechtskonform?
2. Folgen bei Europarechtswidrigkeit
a) Getrennte Betrachtung der Wirksamkeit nach § 1 Abs. 3 KSchG und den Rechtsfolgen diskriminierender Kündigungen
aa) Auslegung des § 2 Abs. 4 AGG
bb) Auswirkung der Auslegung
b) § 2 Abs. 4 AGG als besondere Beweislastregel
3. Folgen bei Europarechtskonformität

D. Richtlinienkonforme Auslegung des Kündigungsschutzgesetzes
I. Zulässigkeit der Auslegung
II. Sozialauswahl als diskriminierend auszulegen?
1. Allgemeiner Begriff der Diskriminierung
2. Alter als unmittelbare Diskriminierung
a) Vergleichsperson
b) Motivwirkung des Merkmals
c) Rechtfertigung unmittelbarer Diskriminierung
aa) Rechtfertigung als berufliche Anforderung
bb) Rechtfertigung als Positivmaßnahme
cc) Rechtfertigung der Ungleichbehandlung durch legitimes Ziel
3. Betriebszugehörigkeit als mittelbare Benachteiligung
a) Tatbestandliche Voraussetzung
b) Rechtfertigung als weiterer Tatbestand
4. Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung als mittelbare Diskriminierung
a) Sinn und Zweck der Berücksichtigung dieser Kriterien in der sozialen Auswahl
b) Mögliche Altersdiskriminierung beider Kriterien
c) Rechtfertigung mittelbarer Benachteiligung durch das Kriterium Unterhaltspflichten
5. Problem der mehrfachen Bezugnahme

E. Praktische Auswirkungen auf die Sozialauswahl
I. Sozialauswahl durch Punkteschema
II. Ausgewogene personelle Altersstruktur
III. Verhältnismäßigkeit der mehrfachen Bezugnahme in Punkteschemata
IV. Rechtsfolgen für Arbeitgeber
1. Sozial gerechtfertige Kündigung
2. Unangemessene unterschiedliche Bewertung der Kriterien

F. Fazit

Literaturverzeichnis

Ehrenwörtliche Erklärung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Problemdarstellung

Nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) am 18.08.2006, welches der Umsetzung vier europäischer Gleichbe-handlungsrichtlinien dient[1], gibt es auch mehr als ein Jahr später noch Unsicherheiten in seinem Verhältnis zum Kündigungsschutzrecht.

Die größte Anwendungsunsicherheit ergibt sich aus § 2 Abs. 4 AGG, wonach für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten. Nach § 1 Abs. 3 KschG hat der Arbeitgeber bei der Sozialauswahl zu einer betriebsbedingten Kündigung folgende vier Auswahlkriterien ausreichend zu berücksichtigen: die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers. Gerade das Lebensalter ist jedoch als Diskriminierungsmerkmal nach § 1 AGG schützenswert vor Benachteiligungen. In dieser Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, wie eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KschG unter Berücksichtigung der Auswahlkriterien Alter und Dauer der Betriebszugehörigkeit zu erfolgen hat, ohne eventuell altersdiskriminierend zu sein und somit gegen europäisches Recht zu verstoßen. Dabei wird zum einen das Verhältnis des § 1 Abs. 3 KSchG zum AGG untersucht. Zum anderen werden daraus resultierende Problematiken in Bezug zu europäischem Recht gesetzt und dahingehend geprüft, inwieweit sie europarechtskonform zu lösen sind.

B. Kündigung nach Maßgabe des Kündigungs-schutzgesetzes

I. Anwendungsbereich

Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung, wenn ein Arbeitgeber des privaten oder öffentlichen Rechts mit i.d.R. mehr als 10 Arbeitnehmern, § 23 Abs. 1 S. 1, 3 KschG, mindestens einem Arbeitnehmer kündigt, der die Wartezeit von 6 Monaten, § 1 Abs. 1 KSchG, erfüllt hat. Bei der Feststellung der Anzahl der Arbeitnehmer nach § 23 Abs. 1 KSchG sind dabei bestimmte Kriterien vom Arbeitgeber zu beachten. So hat er die Herausnahme von Kleinbetrieben nach § 23 Abs. 1 S. 2 1. HS KSchG, von Auszubildenden und den Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis bereits vor dem 01.01.2004 bestanden hat, soweit die Zahl der Arbeitnehmer, die bereits vor dem 01.01.2004 beschäftigt waren nicht auf fünf oder weniger Arbeitnehmer sinkt, § 23 Abs. 1 S. 3 KschG, zu berücksichtigen. Sind diese Eingangstatbestände erfüllt, findet § 1 KSchG auf Kündigungen mit der Maßgabe Anwendung, dass die Kündigung zu ihrer Wirksamkeit sozial gerechtfertigt sein muss. Sozial gerechtfertigt ist eine Kündigung grundsätzlich dann, wenn sie durch Gründe in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers oder durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG. Bei Kündigungen die durch Gründe in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers begründet werden erfolgt eine Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitnehmers und denen des Arbeitgebers. Bei der betriebsbedingten Kündigung wird die Interessenabwägung durch die vorgegebenen Kriterien der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG ersetzt.

Aufgrund der Schwerpunktsetzung dieser Arbeit in Bezug auf Kündigungen wegen dringender betrieblicher Erfordernisse und deren sozialen Auswahl im Zusammenhang mit dem AGG, werden hier die Zusammenhänge einer personen- oder verhaltensbedingten Kündigung mit eventuellen Benachteiligungen nach dem AGG und deren Folgen unberücksichtigt gelassen.

II. Soziale Rechtfertigung einer Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen

1. Unternehmerische Entscheidung

Die Voraussetzungen einer sozial gerechtfertigten Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen ergeben sich aus § 1 Abs. 2 und 3 KschG. Grundlage jeder Kündigung aus betrieblichen Erfordernissen ist eine unternehmerische Entscheidung, der wiederum betriebsbezogene Umstände oder Vorgänge zugrunde liegen,[2] die zur Folge hat, dass die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers in dem bisherigen Aufgabenbereich entfällt. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG[3] können solche betriebsbezogenen Umstände oder Vorgänge die Auswirkungen innerbetrieblicher oder außerbetrieblicher Ursachen sein. Beispielhaft sei als innerbetriebliche Ursache die Betriebsstilllegung und als außerbetriebliche Ursache ein dauerhafter Auftragsrückgang genannt. Allein die inner- oder außerbetrieblichen Ursachen kann der Arbeitgeber nicht als Begründung für einen Arbeitsplatzwegfall anbringen. Maßgeblich für die Kündigung ist seine, wie auch immer geartete, Entscheidung zur Reaktion auf die Ursache und nur diese führt zum tatsächlichen Wegfall des Arbeitsplatzes.[4] Die Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers ist dabei durch Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt und somit im Grunde nicht gerichtlich überprüfbar.[5] Sie unterliegt jedoch grundsätzlich einer Willkürkontrolle, d.h. ob die Entscheidung offenbar unsachlich, unvernünftig, willkürlich oder rechtsmissbräuchlich ist.[6] Dagegen sind die vom Arbeitgeber angeführten inner- oder außerbetrieblichen Ursachen für seine Entscheidung durch die Arbeitsgerichtsbarkeit voll nachprüfbar.[7] Hierbei hat der Arbeitgeber konkrete Angaben zu machen, wie sich die Ursachen und Maßnahmen auf den Betriebsablauf auswirken und den dadurch entstehenden Arbeitskräfteüberhang darzulegen.[8]

2. Dringlichkeit der Kündigung

Weiter müssen die betrieblichen Erfordernisse „dringend“ i.S.d. § 1 KSchG sein. Um zu bestimmen ob die Dringlichkeit vorliegt, ist diese am vom BverfG entwickelten Verhältnismäßigkeitsprinzip zu überprüfen.[9] Demnach muss die Maßnahme geeignet sein, den angestrebten Zweck zu erreichen (Grundsatz der Geeignetheit). Ferner muss diejenige Maßnahme gewählt werden, die den Betroffenen am wenigsten belastet (Grundsatz der Erforderlichkeit) und das bezweckte Ziel der Maßnahme darf nicht außer Verhältnis zu der Belastung, die mit der Maßnahme für den Betroffenen verbunden ist, stehen (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn). Das BAG nimmt hierzu an, dass betriebliche Erfordernisse dringend sind, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist andere Maßnahmen als eine Kündigung auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet anzuwenden, um der betrieblichen Lage gerecht zu werden.[10] Hier kämen beispielhaft Überstundenabbau, Kurzarbeit oder Arbeitszeitverkürzung als andere Maßnahme zur Vermeidung von Kündigungen in Betracht.

3. Fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit

Eine betriebsbedingte Kündigung ist weiter nicht dringend bedingt, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers innerhalb des Betriebes, des Unternehmens, unter Umständen des Konzerns und/ oder nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen, zu geänderten oder unveränderten Arbeitsbedingungen besteht, § 1 Abs. 2 KSchG. Diese Anzahl unbestimmter Rechtsbegriffe bedarf einer näheren Betrachtung um eine betriebsbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG wirksam zu begründen. Gleichzeitig erfolgt eine Differenzierung der Begriffe Betrieb, Unternehmen und Konzern.

a) Betrieb

Der Begriff des Betriebs ist im Kündigungsschutzgesetz nicht näher definiert. Aufgrund der „vielfältigen Verknüpfung“[11] von Kündigungsschutz- und Betriebsverfassungsrecht, ist im Rahmen der Weiter-beschäftigungsmöglichkeit vom Begriff des Betriebs nach dem BetrVG auszugehen.[12] Ein Betrieb ist demnach „eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit, eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung, die nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist“.[13] Zwar ist nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG die Prüfung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf „diesen Betrieb“ bezogen, also jener an dem der Arbeitsplatz entfällt. Gleichwohl muss sie aufgrund des weitergehenden Wortlautes des § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 1b) KSchG auf Betriebe des gesamten Unternehmens erstreckt werden.[14] Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist die unternehmensweite Prüfung unabhängig davon durchzuführen, ob ein Widerspruch des Betriebsrats gegen die Kündigung vorliegt oder ein solcher überhaupt vorhanden ist.[15] Ein Betrieb ist auch der Gemeinschaftsbetrieb, der von unterschiedlichen Unternehmen gebildet wird und diese sich über die einheitliche Leitung der organisatorischen Einheit rechtlich verbunden haben.[16]

b) Unternehmen

Der Unternehmensbegriff des Kündigungsschutzgesetzes bedeutet eine Zusammenfassung mehrerer Betriebe unter der Hand einer natürlichen oder juristischen Person und mit einer gemeinsamen Zweckbestimmung. Die Prüfung von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten ist zudem arbeitgeberbezogen[17], was zur Folge hat, dass der Arbeitgeber nur Beschäftigungsmöglichkeiten zu berücksichtigen braucht über die er selber bestimmen kann und somit eine ausdehnende Prüfung auf andere Unternehmen i.d.R. ausscheidet.[18]

c) Besonderheiten des Gemeinschaftsbetriebs

Ein Gemeinschaftsbetrieb kann von mindestens zwei unterschiedlichen Unternehmen gebildet werden, indem diese sich zu einer einheitlichen Leitung der organisatorischen Einheit rechtlich verbunden haben und dieser Leistungsapparat sich auf „wesentliche Arbeitgeberfunktionen“ erstreckt. Einer einheitlichen vertraglichen Vereinbarung der beteiligten Unternehmen bedarf es jedoch nicht. Es genügt, dass die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen aus den tatsächlichen Umständen ableitbar sind.[19] Aufgrund der arbeitgeberbezogenen Prüfung von Weiterbeschäftigungs-möglichkeiten hat dies zur Folge, dass für Arbeitnehmer, die in anderen Betrieben als dem Gemeinschaftsbetrieb beschäftigt sind, freie Arbeitsplätze in dem Gemeinschaftsbetrieb unberücksichtigt bleiben können.[20] Für Arbeitnehmer des Gemeinschaftsbetriebs ist die arbeitsvertragliche Grundlage maßgebend für den Prüfungsumfang. Ist der Arbeitsvertrag mit nur einem an dem Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen geschlossen, so erstreckt sich die Prüfung sowohl auf Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten innerhalb des Gemeinschaftsbetriebs als auch auf Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in anderen Betrieben des Unternehmens.[21] Bei Arbeitnehmern deren Vertrag mit einer für den Gemeinschaftsbetrieb gebildeten Gesellschaft begründet wurde, erstreckt sich die Prüfung lediglich auf den Gemeinschaftsbetrieb.[22] Freie Arbeitsplätze von Betrieben der anderen an dem Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen bleiben, mangels arbeitsvertraglicher Verbindung, hingegen völlig unberücksichtigt.[23]

d) Konzern

Fraglich ist, ob zu der unternehmensbezogenen Prüfung einer Weiter-beschäftigungsmöglichkeit eine konzernbezogene Prüfung hinzukommen könnte. Sowohl das BAG[24] als auch die h.M. des Schrifttums[25] lehnen eine Ausdehnung der Prüfung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf den Konzern jedoch ab. Diese Auffassung ergibt sich bereits daraus, dass der Begriff des Konzerns nach § 18 AktG die Zusammenfassung von rechtlich selbständigen Unternehmen ist. Zudem tritt lediglich das vertragsschließende Unternehmen als Arbeitgeber auf und obliegt somit allein der Beschäftigungspflicht. In diesen Fällen kann der Konzern nicht als einheitliches Unternehmen i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG verstanden werden. In Ausnahmefällen lässt das BAG jedoch eine konzernbezogene Prüfung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit als geboten erscheinen.[26] Dazu zählt zum einen die Bereiterklärung eines anderen Konzernunternehmens zur Übernahme des Arbeitnehmers, aber auch vor allem eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zu einem konzernweiten Einsatz, die sich aus dem Arbeitsvertrag oder sonstigen vertraglichen Vereinbarungen ergeben kann.[27] Ein konzernweiter Versetzungsvorbehalt beispielsweise führt nur dann zu einem Anspruch auf Verschaffung eines freien und geeigneten Arbeitsplatzes innerhalb des Konzerns, wenn der Arbeitnehmer aufgrund des Vorbehalts tatsächlich konzernweit eingesetzt wurde und nur dann zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn der entlassende Arbeitgeber die Einstellung durchsetzen kann.[28]

e) Weiterbeschäftigung auf freiem Arbeitsplatz

Die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung besteht dann, wenn ein freier gleichwertiger Arbeitsplatz oder ein freier Arbeitsplatz zu geänderten Bedingungen innerhalb desselben Betriebes oder innerhalb eines anderen Betriebes des Unternehmens vorhanden ist. Dabei muss der Arbeitgeber eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht im Sinne einer Wirksamkeitsvoraussetzung prüfen, entscheidend ist vielmehr, ob eine Umsetzung des zu kündigenden Arbeitnehmers auf einen solchen freien Arbeitsplatz tatsächlich möglich gewesen ist.[29] Als „frei“ ist ein Arbeitsplatz zu werten, der unbesetzt ist.[30] Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung.[31] Ebenfalls als frei gelten solche Arbeitsplätze, bei denen der Arbeitgeber mit hinreichender Sicherheit absehen kann, dass diese innerhalb der Kündigungsfrist frei werden oder die nach Ablauf der Kündigungsfrist frei werden und die Überbrückung des Zeitraums zwischen Ablauf der Kündigungsfrist und dem Zeitpunkt des frei Werdens dem Arbeitgeber zumutbar ist.[32] Zumutbar ist nach dem BAG mindestens der Zeitraum, der von einem anderen Arbeitnehmer zur Einarbeitung benötigt werden würde, wobei im Einzelfall die Vereinbarung einer Probezeit als Bemessungsgrundlage des zumutbaren Zeitraums herangezogen werden könnte.[33] Diese Ansicht, auch auf die Zeit nach dem Ende der Kündigungsfrist abzustellen, folgt aus der Überzeugung des BAG, dass auch nach einer Umschulung oder Fortbildung, die über die Zeit nach dem Ende der Kündigungsfrist hinausgeht und in der der Arbeitgeber zeitweilig auf den Arbeitnehmer verzichten kann (s. dazu unter B. II. 3. e) cc)), eine Weiterbeschäftigungspflicht bestehen könnte.[34] Des Weiteren sind auch durch Leiharbeitnehmer besetzte Arbeitsplätze in die Auswahl von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten einzubeziehen, soweit es nicht zum unternehmerischen Konzept gehört, diese Arbeiten dauerhaft von Leiharbeitnehmern durchführen zu lassen.[35]

aa) Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen

Voraussetzung einer Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen ist grundsätzlich, dass der Arbeitnehmer über die für die weitere Beschäftigung notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt. Durch diese Bedingung wird deutlich, dass sich die Weiterbeschäftigungs-möglichkeit des § 1 Abs. 2 S. 2 KschG lediglich auf vergleichbare Arbeitsplätze bezieht. Vergleichbar werden die Arbeitsplätze regelmäßig dann sein, wenn der Arbeitgeber allein auf Grund seines Direktionsrechts dem Arbeitnehmer eine neue Beschäftigung zuweisen kann. Maßgeblich ist demnach, das im Arbeitsvertrag jeweils ausgestaltete Weisungsrecht des Arbeitgebers.[36] Dabei ist der Arbeitgeber frei in der Entscheidung, welche persönlichen und sachlichen Anforderungsprofile er an den jeweiligen zu besetzenden Arbeitsplatz stellt. Gerichtlich überprüfbar ist insoweit lediglich ob diese Anforderungen erforderlich oder offenbar unsachlich sind.[37] Das heißt, dass die Qualifikationsmerkmale hinzunehmen sind, wenn sie einen nachvollziehbaren Bezug zu der auszuübenden Tätigkeit haben. Fraglich ist, inwieweit offene Beförderungsstellen als „vergleichbare“ Arbeitsplätze im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG zu sehen sind. Ein Teil der Literatur unterstellt eine Vergleichbarkeit dann, wenn der zu kündigende Arbeitnehmer sich beispielsweise im Rahmen einer Krankheitsvertretung auf der nun frei gewordenen/ werdenden Beförderungsstelle bewährt hat.[38] Dies würde dazu führen, dass der Arbeitnehmer einen Weiterbeschäftigungsanspruch auf einen ihn besser stellenden Arbeitsplatz hätte. Diesem Ansatz ist jedoch nicht zu folgen. Die von dem Arbeitnehmer hieraus erzielte „echte“ Beförderung würde eine Weiterbeschäftigung unter geänderten Arbeitsbedingungen i.S.d. § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG darstellen, denn die logische Konsequenz einer echten Beförderung ist ein anderes Aufgabengebiet, welches sich nicht mit dem ursprünglichem Arbeitsvertrag deckt. Für eine Weiterbeschäftigung unter geänderten Arbeitsbedingungen verlangt § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG jedoch, dass der Arbeitnehmer sich mit der Änderung einverstanden erklärt, was wiederum ein Indiz dafür ist, dass hier lediglich eine Weiterbeschäftigung unter schlechteren Arbeitsbedingungen gemeint sein kann. Des Weiteren hätte der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Beförderung, wenn er nicht in einem von der Kündigung gefährdetem Arbeitsverhältnis stehen würde.[39] Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu „besseren“ Bedingungen kommt als gleichwertig nur dann in Betracht, wenn der Arbeitsplatz umgestaltet und/ oder die überwiegend gleiche Tätigkeit lediglich höher vergütet wird.[40] Eine echte Beförderung steht somit einer Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen entgegen.

bb) Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen

Wenn es dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis unter geänderten Bedingungen fortzuführen und der Arbeitnehmer dieser Änderung zustimmt, so hat eine Änderungskündigung Vorrang gegenüber der Beendigungskündigung. In Betracht kommt eine Änderungskündigung wenn sie beispielsweise auf eine Versetzung des Arbeitnehmers auf einen geringwertigeren Arbeitsplatz abzielt, aber auch solche, die Kürzungen von zu betrieblichen Übungen gewordenen freiwilligen Sozialleistungen oder des Arbeitsentgeltes bezwecken. Dabei trägt der Arbeitgeber die Initiativlast,[41] d.h. der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz auch zu verschlechterten Bedingungen anzubieten. Die Zumutbarkeit für den Arbeitgeber ist bereits besprochen worden. Ob dieses Angebot einer Weiterbeschäftigung für den Arbeitnehmer zumutbar ist, hat der Arbeitgeber nicht zu entscheiden. Es ist letztlich Sache des Arbeitnehmers zu entscheiden, ob es für ihn zumutbar ist, unter den geänderten Bedingungen weiter zu arbeiten. Eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen kommt wiederum nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer für diesen Arbeitsplatz geeignet ist. Auch hier ergibt sich kein Anspruch auf eine Weiterbeschäftigung auf einer freien „echten“ Beförderungsstelle, da eine echte Beförderungen durch den Arbeitgeber frei entschieden werden kann und der Arbeitnehmer auch bei einem ungefährdeten Arbeitsverhältnis keinen Anspruch auf eine solche hätte (s.o. B. II. 3. e)).

cc) Weiterbeschäftigung nach zumutbarer Umschulung oder Fortbildung

Nach § 1 Abs. 2 S. 3 KschG hat der Arbeitgeber auch Weiter-beschäftigungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, die zumutbare Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen bedürfen, damit der betroffene Arbeitnehmer die nötige Geeignetheit für diesen Arbeitsplatz erlangt. Was unter den Begriffen Umschulungs- bzw. Fortbildungsmaßnahme i.S.d. Kündigungsschutzgesetz zu verstehen ist, lässt dieses offen. In Betracht käme insoweit eine Interpretation beider Begriffe nach dem BBiG.[42] Eine Umschulung soll demnach zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigen (§ 1 Abs. 5 BBiG) während eine Fortbildung darauf gerichtet ist, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erhalten und anzupassen oder zu erweitern und beruflich aufzusteigen (§ 1 Abs. 4 BBiG). Das KschG verfolgt dabei andere Zielstellungen als das BBiG. § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG will es dem Arbeitgeber ermöglichen, nach einer Qualifikationsmaßnahme sein Arbeitsverhältnis unter geänderten Bedingungen fortzusetzen, während das BBiG die inhaltliche Ausgestaltung von Berufsbildungsverträgen erfasst.[43] Demnach sind beide Begriffe in einem weiten, dem allgemeinen Sprachgebrauch gemäßem, Sinne zu verstehen. Folglich ist mit Fortbildung die Weiterbildung in dem bisher ausgeübten Beruf gemeint, die somit zu einer höheren Qualifizierung des Arbeitnehmers innerhalb des Berufsbildes führen soll, während eine Umschulung die Qualifizierung für ein anderes Berufsbild zum Ziel hat. Daraus ergeben sich wiederum Differenzierungsmerkmale, die denen des BBiG entsprechen. Auch bei einer Weiterbeschäftigung nach einer Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahme besteht weiterhin kein Weiterbeschäftigungsanspruch auf einer höheren betrieblichen Hierarchieebene.[44] Vielmehr soll eine solche Maßnahme eine Weiterbeschäftigung auf gleicher Ebene zum Ziel haben. Das Angebot einer Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahme ist jedoch nur dann notwendig, wenn der Arbeitgeber mit hinreichender Sicherheit voraussehen kann, dass für den Arbeitnehmer nach der Qualifizierungsmaßnahme eine Beschäftigungsmöglichkeit besteht. Des Weiteren muss die Qualifizierungsmaßnahme für den Arbeitgeber zumutbar sein. Dabei ist die Zumutbarkeit von der bisherigen und restlichen Beschäftigungsdauer, von dem Lebensalter, der persönlichen und fachlichen Eignung, also den Erfolgsaussichten der Maßnahme, des Arbeitnehmers abhängig. Somit kann der Arbeitgeber eine Kosten-Nutzen-Analyse für die Maßnahme aufstellen, aus der sich wiederum die Zumutbarkeit in Relation des jeweiligen Einzelfalls ergibt.[45] Ob die Maßnahme für den Arbeitnehmer zumutbar ist, hat der Arbeitgeber auch hier nicht zu entscheiden. Letztendlich muss der Arbeitnehmer sich mit der Maßnahme einverstanden erklären. Zum einen wird die Weiterbeschäftigung regelmäßig zu geänderten Arbeitsbedingungen fortgeführt (z.B. ein anderes Aufgabengebiet, für das sich der Arbeitnehmer damit qualifiziert hat). Zum anderen wird die Qualifizierungsmaßnahme ohne sein Einverständnis nicht zum Erfolg führen und somit könnte es dem Arbeitgeber wiederum unzumutbar sein, eine solche durchzuführen.

f) Einflussnahme durch Betriebsrat

Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung anzuhören. Dies ergibt sich bereits aus § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG und führt dazu, dass eine Kündigung ohne Anhörung des Betriebsrats zur Unwirksamkeit der Kündigung führt. Die Widerspruchsgründe, auf die sich der Betriebsrat stützen kann, sind in § 102 Abs. 3 BetrVG normiert und entsprechen sachlich genau den Widerspruchsgründen des § 1 Abs. 2 S. 2 und 3 KSchG. Das Ziel dieser „Verweisung“ des KSchG auf das BetrVG ist es den individuellen Kündigungsschutz des einzelnen Arbeitnehmers zu verstärken. Dieses verstärkten Schutzes bedarf der Arbeitnehmer immer dann, wenn sich der Arbeitgeber über einen fristgerecht eingebrachten und objektiv begründeten Widerspruch des Betriebsrates hinweg setzt. Würde man jedoch § 1 Abs. 2 S. 2 und 3 KSchG streng auslegen bedeutete dies, dass eine Weiterbeschäftigungspflicht, sei es auf einem anderen Arbeitsplatz innerhalb des Betriebes oder des Unternehmens, nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder zu geänderten Arbeitsbedingungen, seitens des Arbeitgebers nur dann durch diesen in Betracht zu ziehen wäre, wenn überhaupt ein Betriebsrat in dem Betrieb besteht und dieser nach § 102 BetrVG angehört werden müsste. Dem entgegen steht allerdings, dass bereits vor Aufnahme der Tatbestände des § 1 Abs. 2 KSchG in diesen, der Arbeitgeber eine mögliche Weiterbeschäftigung für den frei zu setzenden Arbeitnehmer im Rahmen der allgemeinen Sozialwidrigkeit prüfen musste.[46] Demnach hat auch heute selbst dann noch eine solche Prüfung zu erfolgen, wenn der Betriebsrat nicht widerspricht oder sogar einer Kündigung zugestimmt hat.[47]

III. Soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG

1. Allgemeines

Eine soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG hat immer dann zu erfolgen, wenn die Anzahl der aus dringenden betrieblichen Erfordernissen zu kündigenden Arbeitnehmer die Anzahl der Weiterbeschäftigungs-möglichkeiten übersteigt. Sie ist auch dann vorzunehmen, wenn es sich um eine betriebsbedingte Änderungskündigung oder um eine Massenentlassung handelt. Die soziale Auswahl dient der personellen Konkretisierung des oder der Mitarbeiter, welche aus dringenden betrieblichen Erfordernissen nach § 1 Abs. 2 KSchG zu kündigen sind. Diese Regelung verdeutlicht letztlich das Sozialstaatsprinzip und hat zum Ziel, dass das Übel durch die Kündigung für den einzelnen Arbeitnehmer möglichst sozial gerecht auf die Arbeitnehmerschaft verteilt wird. Die Prüfung, welchen/m Arbeitnehmer(-n) aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse zu kündigen ist, vollzieht sich in drei Schritten.[48] Zunächst ist der Personenkreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer zu ermitteln. Anschließend sind diese anhand der gesetzlich zwingenden Kriterien des § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG in ihrer sozialen Schutzwürdigkeit gegeneinander zu gewichten. Darauf folgend ist zu prüfen, bei welchen Arbeitnehmern berechtigte betriebliche Interessen der Einbeziehung dieser in die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG entgegenstehen.

2. Personenkreis

Die soziale Auswahl erfasst nur die Arbeitnehmer, die nach der betrieblichen Auswahl für eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht kommen. Diese Auswahl erfolgt auch hier nur Betriebs- und nicht Unternehmensbezogen, wobei in der sozialen Auswahl der Betriebsbegriff des § 23 KSchG und nicht der des BetrVG maßgebend ist.[49] Dies hat zur Folge, dass auch weit voneinander entfernt gelegene Betriebsteile dem Hauptbetrieb zuzurechnen sind und somit die dort beschäftigten Arbeitnehmer der sozialen Auswahl unterliegen und Beschränkungen auf einen Betriebsteil oder eine Betriebsabteilung unzulässig ist. Lediglich bei einem Gemeinschaftsbetrieb erfolgt die soziale Auswahl betriebs-übergreifend, was aus der einheitlichen Leitungsmacht der Unternehmen resultiert.[50] Des Weiteren sind nur die Arbeitnehmer in die soziale Auswahl einzubeziehen, die insofern vergleichbar sind, als dass sie nach dem Arbeitverhältnis austauschbar sind (horizontale Vergleichbarkeit). Die notwendige Abgrenzung, ob der Arbeitnehmer austauschbar ist, erfolgt danach, ob der Arbeitgeber ihn im Wege seines Direktionsrechts und nicht nur im Wege einer Änderungskündigung eine andere Tätigkeit zuweisen kann,[51] also letztlich aus dem konkreten Arbeitsvertragsinhalt. Infolge dessen gibt es keine vertikale Vergleichbarkeit. Der neue Arbeitsplatz muss auch nicht identisch zu dem vorherigen sein. Vielmehr reicht es aus, wenn der Arbeitnehmer auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit und seiner Ausbildung eine andersartige aber gleichwertige Tätigkeit ausüben kann. Wie schon bei der Weiterbeschäftigungspflicht nach § 1 Abs.2 Nr. 1 b) KschG ist auch hier eine kurze Einarbeitungszeit vom Arbeitgeber hinzunehmen. Unerheblich für die soziale Auswahl ist dagegen, ob die vergleichbaren Arbeitnehmer jeweils in Voll- oder Teilzeit beschäftigt sind.[52] Nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen sind jedoch Arbeitnehmer, bei denen die ordentliche Kündigung gesetzlich ausgeschlossen ist (z.B. Zivildienstleistende, Wehrpflichtige oder Betriebsratsmitglieder) oder Arbeitnehmer zu deren Kündigung die Zustimmung einer Behörde notwendig ist (z.B. Schwangere und Mütter bis zu 4 Monate nach der Entbindung oder Schwerbehinderte und denen Gleichgestellter) und diese nicht erteilt oder die Zustimmung bis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht vorliegt. Gleiches gilt für befristet beschäftigte Arbeitnehmer, da deren Arbeitsverhältnis regelmäßig mit Zeitablauf endet, sonst nur durch eine außerordentliche Kündigung beendet werden kann.[53] Auch tariflich ordentlich unkündbare und einzelvertraglich ordentlich unkündbare Arbeitnehmer werden nicht in die soziale Auswahl einbezogen. Ausnahmen ergeben sich für die beiden letztgenannten Personengruppen jedoch dann, wenn der Tarifvertrag gegen § 1 Abs. 3 KschG verstoßende Regelungen enthielte oder in der Einzelvereinbarung eine absichtliche Umgehung des § 1 Abs. 3 KschG zu erkennen wäre. In diesen Fällen wären diese Personen gleichfalls in die soziale Auswahl einzubeziehen.

3. Kriterien der sozialen Auswahl

Ist festgestellt worden, welche Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einzubeziehen sind, so erfolgt nun eine Bewertung ihrer sozialen Schutzwürdigkeit nach den in § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG genannten Kriterien. Die Auswahl der Kriterien Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung, war nach dem Willen des Gesetzgebers auf diese vier begrenzt.[54] Dies sollte eine Rechtssicherheit für den Arbeitgeber erzeugen, wenn er sich auf diese Kriterien beschränkt und zutreffend gewichtet. Bei der Gewichtung kommt keinem dieser Kriterien ein absoluter Vorrang zu, d.h. dass die Kriterien prinzipiell gleichrangig sind. Fraglich indes ist, ob es dem Arbeitgeber grundsätzlich möglich ist weitere Kriterien trotz der gesetzgeberischen Begrenzung der Sozialauswahl hinzufügen zu können. Für eine Erweiterung der Kriterien über die vier im Gesetz genannten hinaus spricht schon die Zielsetzung des Gesetzes. Ziel ist es nicht, den Arbeitgeber in seinem Auswahlverhalten einzuschränken, sondern viel mehr den Arbeitnehmer gegen unbillige Härten zu schützen. Dies war bereits herrschende Meinung der Literatur zu der von 1996 bis 1998 geltenden Fassung des KSchG,[55] welcher sich der Gesetzgeber in seinem Gesetz zur Reform am Arbeitsmarkt, in Kraft getreten am 01.04.2004, angeschlossen hat. Danach kann der Arbeitgeber im konkreten Einzelfall zusätzlich Kriterien berücksichtigen, die eine besondere Schutzwürdigkeit begründen.[56] Hierbei ist er jedoch an enge Voraussetzungen gebunden. Zum einen darf der Arbeitgeber keines der im Gesetz genannten Kriterien unberücksichtigt lassen, zum anderen müssen die weiteren Kriterien in „unmittelbaren spezifischen Zusammenhang“ mit einem der Kriterien stehen oder „sich aus solchen betrieblichen Gegebenheiten herleiten lassen, die evident einsichtig sind“.[57] Dies zugrunde gelegt müssen Aspekte, die ausschließlich dem privaten Lebensbereich des Arbeitnehmers zuzuordnen sind, außer Acht gelassen werden. Eine Erweiterung der Kriterien dürfte also nur dann zulässig sein, soweit die „ausreichende“ Berücksichtigung der Kriterien gewährleistet wird. Wann die Kriterien „ausreichend“ im Sinne dieser Vorschrift berücksichtigt worden sind, ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Es handelt sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der dem Arbeitgeber einen Wertungsspielraum bei der Gewichtung der Kriterien einräumt. Dieser Wertungsspielraum ist lediglich dahingehend beschränkt gerichtlich überprüfbar, ob der Arbeitgeber den sich ergebenden Wertungsspielraum überschritten hat. Zu einer eigenen Bewertung sind die Gerichte jedoch nicht befugt.[58] Die Daten des Arbeitnehmers für die Kriterien der Sozialauswahl sind dem Arbeitgeber regelmäßig aus der Personalakte bzw. aus den Lohnsteuerunterlagen ersichtlich. Im Zweifel hat er sich jedoch vor der Sozialauswahl bei den jeweiligen Arbeitnehmern nach diesen zu erkundigen.[59]

Mit der Einbeziehung des Kriteriums Unterhaltspflichten sollen die Belastungen des Arbeitnehmers aus dem Familienverband berücksichtigt werden. Einzubeziehen sind demnach alle gesetzlichen Unterhaltspflichten nach der Anzahl aber auch nach der Höhe der Unterhaltsleistungen. Die Anzahl und Höhe der Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers hängen jedoch von zahlreichen Faktoren, wie z.B. dem Lebensalter, Höhe der Einkünfte oder der Unterbringung unterhaltsberechtigter Personen ab.

Mit der Berücksichtigung der Dauer des Arbeitsverhältnisses soll zum einen die Betriebstreue honoriert werden. Zum anderen erhöht sich das Vertrauen des Arbeitnehmers auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit zunehmender Dauer desselben, welches hierdurch geschützt werden soll. Auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit kann durch verschiedene Faktoren, vor allem jedoch durch das Lebensalter, „beeinflusst“ werden.

Mit dem Lebensalter sollen vor allem die umgekehrt proportionalen Chancen älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt werden.

[...]


[1] 2000/43/EG; 2000/78/EG; 2002/73/EG; 2004/113/EG.

[2] v.H-HL, § 1 Rn. 682.

[3] Zuletzt BAG, Urt. v. 07.07.2005 – 2 AZR 399/04, NZA 2006, 267 (268).

[4] ErfK/Ascheid/Oetker, § 1 KSchG Rn. 372.

[5] Schaub/Linck, § 131 Rn. 31.

[6] Schaub/Linck, § 131 Rn. 31, 32.

[7] H/M, § 10 Rn. 195.

[8] Schaub/Linck, § 131 Rn. 34.

[9] ErfK/Ascheid/Oetker, § 1 KSchG Rn. 397.

[10] BAG, Urt. v. 26.06.1997, AP Nr. 86 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung.

[11] LöS, § 1 Rn. 252.

[12] ErfK/Ascheid/Oetker, § 1 KSchG Rn. 409.

[13] ErfK/Eisemann, § 1 BetrVG Rn. 7.

[14] FGN/Gallner, § 1 KSchG Rn. 655.

[15] BAG, Urt. v. 17.05.1984 – 2 AZR 109/83, NZA 1985, 489 (491); BAG, Urt. v. 15.12.1994 – 2 AZR 320/94, NZA 1995, 413 (414); BAG, Urt. v. 25.04.2002 – 2 AZR 260/01, NZA 2003, 605 (606).

[16] FGN/Gallner, § 1 KSchG Rn. 657.

[17] APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 588.

[18] APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 589.

[19] APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 586.

[20] APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 589.

[21] v.H-HL, § 1 Rn. 741.

[22] APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 589.

[23] Schaub/Linck, § 131 Rn. 19.

[24] BAG, Urt. v. 23.03.2006 – 2 AZR 162/05, NZA 2007, 30 (31).

[25] v.H-HL, § 1 Rn. 743; ErfK/Ascheid/Oetker, § 1 KSchG Rn. 408; Schaub/Linck § 131 Rn. 17;KR/Griebeling, § 1 KSchG Rn. 539.

[26] BAG Urt. v. 23.03.2006 – 2 AZR 162/05, NZA 2007, 30 (32).

[27] Schaub/Linck, § 131 Rn. 17.

[28] APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 594.

[29] ErfK/Ascheid/Oetker, § 1 KSchG Rn. 416.

[30] BAG, Urt. v. 25.04.2002 – 2 AZR 260/01, NZA 2003, 605 (607).

[31] Schaub/Linck, § 131 Rn. 22; BAG, Urt. v. 25.04.2002 – 2 AZR 260/01 a.a.O.

[32] APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 600, 601.

[33] BAG, Urt. v. 15.12.1994 – 2 AZR 327/94, DB 1995, 979 (979).

[34] BAG, Urt. v. 15.12.1994 – 2 AZR 327/94, DB 1995, 979 (980).

[35] Schaub/Linck, § 131 Rn. 23.

[36] BAG, Urt. v. 15.12.1994 – 2 AZR 327/94, NZA 1995, 521 (525).

[37] APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 609.

[38] HK-KSchG/Dorndorf/Weller, § 1 Rn. 909.

[39] So auch Kiel in APS, § 1 KSchG Rn. 610; Linck in H-H/L, §1 Rn 218.

[40] ErfK/Ascheid/Oetker, § 1 KSchG, Rn. 414.

[41] SPV/Preis, 2. Abschnitt § 2 Rn. 1009.

[42] So auch HK-KSchG/Weller/Dorndorf; § 1 Rn. 921.

[43] ErfK/Ascheid/Oetker, § 1 KschG Rn. 543.

[44] APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 618.

[45] MünchArbR/Berkowsky, § 140 Rn. 21.

[46] BAG, Urt. v. 13.09.1973, AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969.

[47] v.H-HL, § 1 Rn. 1026.

[48] BAG, Urt. v. 25.04.1985 – 2 AZR 140/84, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 7.

[49] ErfK/Ascheid/Oetker, § 1 KschG, Rn. 476.

[50] Schaub/Linck, § 132 Rn. 6.

[51] ErfK/Ascheid/Oetker, § 1KSchG Rn. 478.

[52] KR/Griebeling, § 1 KschG Rn. 625.

[53] Erfk/Ascheid/Oetker, § 1 KschG Rn. 470.

[54] BT-Dr 15/1204, S. 11.

[55] Fischermeier, NZA 1997, 1089 (1094); Wlotzke, BB 1997, 414 (417 f.); v.Hoyningen-Huehne/Linck, DB 1997, 41 (42); Preis, NZA 1997, 1073 (1083).

[56] SPV/Preis, § 2 Rn. 1093.

[57] BT-Dr 15/1204.

[58] KR/Griebeling, § 1 KSchG Rn. 692.

[59] ErfK/Ascheid/Oetker, § 1 KSchG Rn. 484.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836618755
DOI
10.3239/9783836618755
Dateigröße
454 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Schmalkalden, ehem. Fachhochschule Schmalkalden – Wirtschaftsrecht
Erscheinungsdatum
2008 (September)
Note
1,5
Schlagworte
arbeitsrecht kündigungsschutz gleichbehandlung sozialauswahl altersdiskriminierung
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Titel: Die Sozialauswahl nach dem Kündigungsschutzgesetz und ihre Vereinbarkeit  mit dem Schutz vor Altersdiskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und Europarecht.
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