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Umsetzungs- und Akzeptanzprobleme von Road Pricing in Ballungsräumen - eine Analyse bisheriger Erfahrungen

©2002 Diplomarbeit 89 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In der heutigen Zeit wird das Bild nahezu aller größeren Städte entscheidend vom motorisierten Individualverkehr (MIV) geprägt. Der private Pkw hat sich seit Mitte des letzten Jahrhunderts innerhalb weniger Jahrzehnte von einem Luxusgut der obersten Bevölkerungsschichten hin zu einem alltäglichen Gebrauchsgegenstand der Massen gewandelt und für eine Zunahme innerstädtischer Verkehrsprobleme gesorgt. In Verbindung mit der Funktionsteilung zwischen Kernstädten mit Konzentration von Arbeitsplätzen und den Gemeinden des Umlandes mit entsprechendem Angebot an Wohnraum (‘Suburbanisierung’) wurde somit ein stetiger Ausbau der innerstädtischen Verkehrsinfrastruktur nötig. Die fallenden Verkehrskosten und die Verbesserung der Infrastruktur ließen die Raumwiderstände sinken und dadurch den Verkehr weiter ansteigen.
Heute muss festgestellt werden, dass der MIV eine der größten Herausforderungen für die Zukunft der Städte darstellt, sofern sie lebenswert bleiben möchten. Konstatierte doch die Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung im Jahre 1996: ‘Der Verkehr, einst Motor einer dynamischen Stadtentwicklung, wird immer mehr zum begrenzenden Faktor und zum Zukunftsproblem Nummer eins in den deutschen Städten. Viele Städte drohen bereits heute im Autoverkehr zu ersticken.’ Die Masse an Autoverkehr und die damit einhergehende Überlastung der Straßen hat dazu geführt, dass für innerstädtische Fahrten heutzutage teilweise ein höherer Zeitaufwand notwendig ist als zu Zeiten, in denen man noch mit dem Pferdefuhrwerk unterwegs war.
Die Behebung dieses Problems kann sowohl von der Nachfrage- bzw. Angebotsseite als auch über den Preis angegangen werden. Die Nachfrage nach Verkehr dürfte auf kurze Sicht nicht ohne weiteres zurückzudrängen sein, da sie – gerade im Berufsverkehr, in dem die Verkehrsspitzen auftreten – als Resultat der Suburbanisierung nur langfristig über die Stadtplanung lösbar ist. Angebotsausweitungen – sei es durch verstärkten Straßenbau oder Investitionen in den ÖPNV – hingegen sind gerade in Ballungsräumen nicht nur oftmals mit hohen Kosten verbunden, Straßenneubauten sind zudem ökologisch oftmals höchst bedenklich. Unbeachtet der Problematik der latenten Nachfrage und des verkehrsinduzierenden Effektes neuer Straßen steht der benötigte Raum in Verdichtungsräumen und Innenstädten dazu oftmals überhaupt nicht zur Verfügung. Schließlich bleibt demnach der Preismechanismus, über den zu einer Entspannung der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Christian Dorenkamp
Umsetzungs- und Akzeptanzprobleme von Road Pricing in Ballungsräumen - eine
Analyse bisheriger Erfahrungen
ISBN: 978-3-8366-1832-8
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Münster, Deutschland, Diplomarbeit,
2002
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2008
Printed in Germany

I
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ...IV
Abbildungsverzeichnis... V
Tabellenverzeichnis... V
1
Einleitung ...1
1.1
Problemstellung...2
1.2
Gang der Untersuchung...4
2
Grundlagen des Road Pricing...5
2.1
Externalitäten und ihre Bedeutung im Verkehrssektor ...5
2.1.1
Externe Effekte...5
2.1.2
Externe Kosten und Nutzen im Verkehrssektor...6
2.2
Das Konzept des Road Pricing...7
2.2.1
Road Pricing in der Theorie ...7
2.2.2
Road Pricing als First-best- oder Second-best-Lösung...9
2.2.3
Ziele von Road Pricing-Systemen...11
2.2.4
Ausgestaltung von Road Pricing-Systemen ...11
2.2.4.1 Technik der Gebührenerhebung...12
2.2.4.2 Möglichkeiten der Preisdifferenzierung...12
3
Vorbehalte gegen Road Pricing ...14
3.1
Allgemeine Vorbehalte der öffentlichen Meinung...15
3.2
Vorbehalte auf der Basis von Verteilungswirkungen ...19
3.2.1
Wohlfahrtsökonomische Implikationen ...19
3.2.2
Verteilungswirkungen von Road Pricing ...20
3.2.3
Das Problem der ,,Gerechtigkeit" von Road Pricing...22
3.3
Die Bedeutung von Interessengruppen ...24
3.3.1
Von Road Pricing betroffene Gruppen ...24
3.3.2
Mobilisierung von Gegnern und Befürwortern in
Interessengruppen...25

II
4
Anwendungsbeispiele von Road Pricing ...27
4.1
Area Licensing und Electronic Road Pricing in Singapur ...27
4.1.1
Beschreibung des Systems ...27
4.1.2
Verkehrliche Auswirkungen ...29
4.1.3
Beobachtete Probleme und Akzeptanz...30
4.2
Toll Ringe in Norwegen...32
4.2.1
Beschreibung der Systeme ...32
4.2.2
Verkehrliche Auswirkungen ...35
4.2.3
Beobachtete Probleme und Akzeptanz...36
4.3
Electronic Road Pricing in Hongkong ...39
4.3.1
Beschreibung des Systems ...40
4.3.2
Beobachtete Probleme und Gründe für das Scheitern...41
4.4
Rekening Rijden in der Randstad...44
4.4.1
Beschreibung des Systems ...45
4.4.2
Beobachtete Probleme und Gründe für das Scheitern...46
4.5
Congestion Metering in Cambridge ...48
4.5.1
Beschreibung des Systems ...49
4.5.2
Beobachtete Probleme und Gründe für das Scheitern...50
5
Möglichkeiten zur Reduzierung von Umsetzungs- und
Akzeptanzproblemen von Road Pricing...52
5.1
Erfolgsfaktoren und Hauptprobleme bisheriger
Umsetzungsversuche...53
5.2
Grundlagen einer erfolgreichen Umsetzung ...54
5.2.1
Vorliegen eines Handlungsbedarfs...54
5.2.2
Ausschöpfung möglicher Alternativen...55
5.2.3
Demonstration von Wirkung und Umsetzbarkeit ...56
5.2.4
Maßnahmen gegen die ,,Ungerechtigkeit" ...57
5.2.4.1 Abgrenzung der Zahlungspflichtigen...57
5.2.4.2 Verwendung der Erlöse...58
5.2.4.2.1 Infrastrukturelle Maßnahmen...59
5.2.4.2.2 Monetäre Kompensation ...60
5.2.5
Road Pricing als Teil eines Maßnahmenpakets ...62

III
5.2.6
Kommunikationsmaßnahmen ...63
5.3
Merkmale erfolgreicher Road Pricing-Systeme...64
6
Zusammenfassung und Ausblick ...65
Literaturverzeichnis...68

IV
Abkürzungsverzeichnis
ADAC
Allgemeiner Deutscher Automobil-Club
ALS
Area Licensing Scheme
ANWB Algemene
Nederlandsche
Wielrijders-Bond
BdSt
Bund der Steuerzahler
BRD
Bundesrepublik
Deutschland
CBD
Central Business District
cif
cost, insurance, freight
DG TREN
Directorate General for Transport and Energy
ECMT
European Conference of Ministers of Transport
ERP
Electronic Road Pricing
GAUDI Generalised
and
Advanced Urban Debiting Innova-
tions
HKD
Hongkong-Dollar
IRF
International Road Federation
ITE
Institute of Transportation Engineers
Lkw
Lastkraftwagen
MC ICAM
Marginal Cost Pricing in Transport - Integrated Con-
ceptual and Applied Model Analysis
MIV
Motorisierter
Individualverkehr
NOK
Norwegische Krone
OECD
Organization for Economic Cooperation and Devel-
opment
ÖPNV
Öffentlicher Personennahverkehr
Pkw
Personenkraftwagen
PRIMA
Pricing Measures Acceptance
RZ
Restricted
Zone
SGD
Singapur-Dollar
TÜV
Technischer
Überwachungs-Verein
USD
US-Dollar

V
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Das theoretische Modell des Road Pricing ... 9
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Straßenbenutzungsgebühren in Trondheim ... 34
Tab. 2: Ablehnende Haltung der Nutzer in Norwegen ... 36

1
,,It has been a commonplace event for transportation
economists to put the conventional diagram on the
board, note the self-evident optimality of pricing solu-
tions, and then sit down waiting for the world to adopt
this obviously correct solution. Well, we have been
waiting for 70 years now, and it's worth asking what
are the facets of the problem that we have been miss-
ing? Why is the world reluctant to do the obvious?"
(Charles L
AVE
, 1995: The Demand Curve Under Road Pricing and
the Problem of Political Feasibility, Author's Reply, S. 465.)
1
Einleitung
In der heutigen Zeit wird das Bild nahezu aller größeren Städte entscheidend
vom motorisierten Individualverkehr (MIV) geprägt. Der private Pkw hat
sich seit Mitte des letzten Jahrhunderts innerhalb weniger Jahrzehnte von
einem Luxusgut der obersten Bevölkerungsschichten hin zu einem alltägli-
chen Gebrauchsgegenstand der Massen gewandelt und für eine Zunahme
innerstädtischer Verkehrsprobleme gesorgt. In Verbindung mit der Funkti-
onsteilung zwischen Kernstädten mit Konzentration von Arbeitsplätzen und
den Gemeinden des Umlandes mit entsprechendem Angebot an Wohnraum
1
(,,Suburbanisierung") wurde somit ein stetiger Ausbau der innerstädtischen
Verkehrsinfrastruktur nötig. Die fallenden Verkehrskosten und die Verbes-
serung der Infrastruktur ließen die Raumwiderstände sinken und dadurch
den Verkehr weiter ansteigen.
2
Heute muss festgestellt werden, dass der MIV eine der größten Herausforde-
rungen für die Zukunft der Städte darstellt, sofern sie lebenswert bleiben
möchten. Konstatierte doch die Bundesforschungsanstalt für Landeskunde
und Raumordnung im Jahre 1996: ,,Der Verkehr, einst Motor einer dynami-
schen Stadtentwicklung, wird immer mehr zum begrenzenden Faktor und
zum Zukunftsproblem Nummer eins in den deutschen Städten. Viele Städte
1
Vgl. Korby (1999), S. 18.
2
Vgl. Schmitz (1992), S. 327.

2
drohen bereits heute im Autoverkehr zu ersticken."
3
Die Masse an Autover-
kehr und die damit einhergehende Überlastung der Straßen hat dazu geführt,
dass für innerstädtische Fahrten heutzutage teilweise ein höherer Zeitauf-
wand notwendig ist als zu Zeiten, in denen man noch mit dem Pferdefuhr-
werk unterwegs war.
4
Die Behebung dieses Problems kann sowohl von der Nachfrage- bzw. An-
gebotsseite als auch über den Preis angegangen werden.
5
Die Nachfrage
nach Verkehr dürfte auf kurze Sicht nicht ohne weiteres zurückzudrängen
sein, da sie ­ gerade im Berufsverkehr, in dem die Verkehrsspitzen auftreten
­ als Resultat der Suburbanisierung nur langfristig über die Stadtplanung
lösbar ist. Angebotsausweitungen ­ sei es durch verstärkten Straßenbau oder
Investitionen in den ÖPNV ­ hingegen sind gerade in Ballungsräumen nicht
nur oftmals mit hohen Kosten verbunden, Straßenneubauten sind zudem
ökologisch oftmals höchst bedenklich. Unbeachtet der Problematik der la-
tenten Nachfrage und des verkehrsinduzierenden Effektes neuer Straßen
6
steht der benötigte Raum in Verdichtungsräumen und Innenstädten dazu
oftmals überhaupt nicht zur Verfügung.
7
Schließlich bleibt demnach der
Preismechanismus, über den zu einer Entspannung der Verkehrsverhältnisse
in Ballungsräumen beigetragen werden soll. Denkbare preispolitische In-
strumente sind Steuern auf Treibstoffe, Pkw-Erwerb und -Besitz, Parkge-
bühren, die Verpflichtung zum Erwerb von Betriebslizenzen für Pkw und
Straßenbenutzungsgebühren. Mit letzteren will sich diese Arbeit intensiver
beschäftigen.
1.1
Problemstellung
Straßenbenutzungsgebühren sind in der Realität nur sehr selten anzutreffen.
Vor dem Hintergrund der massiven Verkehrsprobleme in Ballungsräumen
3
Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (1996), S. 87.
4
Vgl. Europäische Kommission (1996), S. 3.
5
Vgl. Flowerdew (1993), S. 57.
6
D
OWNS
stellt fest, dass neue Straßen zwar die durchschnittlichen Pendelzeiten im
Stadtverkehr von Metropolregionen verringern, die neue Straße selbst wird jedoch
während der Rushhour genauso überlastet sein wie die alten Straßen, vgl. Downs
(1962), S. 408f.
7
Maßnahmen zur Reduzierung der städtischen Verkehrsprobleme lassen sich dar-
über hinaus noch unterteilen in ,,Pull-Maßnahmen" (Attraktivierung des ÖPNV)
und ,,Push-Maßnahmen" (Minderung der Attraktivität des MIV), vgl. Haag
(1997), S. 13f. oder Topp (1992), S. 16.

3
hat dieses in der Theorie sinnvolle und Wohlfahrt erhöhende Konzept in der
Realität offenbar mit erheblichen Implementierungsproblemen zu kämpfen.
In der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden, worin diese Probleme
bestanden haben und immer noch bestehen. Zwar werden beispielsweise in
manchen europäischen Ländern schon Straßenbenutzungsentgelte verlangt,
allerdings meist in Form von Zufahrtsberechtigungen für einzelne Infra-
strukturobjekte wie Brücken, Tunnel oder Gebirgsstraßen. Bei derartigen
Vorhaben sind nur wenige technische Umsetzungsschwierigkeiten zu erwar-
ten, da es sich um isolierte Bauwerke handelt und die Gebührenerhebung
sich somit ­ im Vergleich zu einem städtischen Straßennetz ­ vergleichs-
weise einfach gestalten lässt. Auch die Akzeptanz dürfte positiver ausfallen
als bei einem städtischen Road Pricing-System, da der Nutzer unmittelbar
erkennt, wofür er bezahlt und ihm darüber hinaus klar ist, dass das Objekt
ohne die Gebühren der Nutzer oftmals gar nicht finanziert werden könnte.
8
Dementsprechend sollen in dieser Arbeit Ansätze zur Erhebung von Stra-
ßenbenutzungsgebühren in städtischen Räumen behandelt werden. Der Fo-
kus liegt auf Bemühungen, gesamte Innenstädte durch ein Road Pricing-
System zu erfassen und nicht bloß einzelne Einfallstraßen, wie z. B. in den
USA oftmals gehandhabt. Unter dem Begriff des Road Pricing wird hier
eine nutzungsorientierte Bepreisung des vom Staat bereitgestellten knappen
Gutes Straßeninfrastruktur verstanden. Komplett privat finanzierte und be-
triebene Infrastrukturabschnitte werden außer Acht gelassen. Road Pricing
ist damit vom Begriff der reinen ,,Straßenmaut" abzugrenzen, wie sie z. B.
in Österreich oder Skandinavien zur Finanzierung privat erstellter Infra-
strukturobjekte herangezogen wird. Im Folgenden werden die Begriffe
,,Road Pricing" und ,,Straßenbenutzungsgebühren" als Synonyme verwen-
det.
Für eine erfolgreiche Umsetzung von Road Pricing sind entsprechende ge-
setzliche Regelungen Grundvoraussetzung. Dies schließt die Klärung der
jeweiligen Zuständigkeiten der einzelnen Körperschaften mit ein. Bei der
8
Als Beispiel sei hier die im Sommer 2000 eröffnete Öresundbrücke genannt, wel-
che die Wirtschaftsräume Malmö/Lund und Kopenhagen miteinander verbindet.
Pro Querung ist ein ähnlicher Tarif wie für eine Fährüberfahrt zu zahlen, dennoch
hat sich das Verkehrsaufkommen über den Sund seitdem um 61 Prozent erhöht,
vgl. o. V. (2001), S. 14.

4
Betrachtung einzelner Praxisbeispiele wurde dieses Problem gelegentlich
geäußert. Da eine jeweilige detaillierte Beschreibung der einzelnen Rechts-
systeme den Umfang dieser Arbeit übersteigen würde, wird das Vorliegen
einer gesetzlichen Grundlage bei der Analyse von Umsetzungsproblemen
als gegeben angenommen.
1.2
Gang der Untersuchung
Zunächst werden in Kapitel 2 die Grundlagen von Straßenbenutzungsgebüh-
ren vorgestellt. Neben der Erklärung von externen Effekten, zu deren Inter-
nalisierung Straßenbenutzungsgebühren herangezogen werden können,
werden dabei auch Ziele und Erhebungsmethoden von Road Pricing-
Systemen behandelt, da diese nicht unerlässlich für deren Akzeptanz sind.
Im Anschluss daran werden verschiedene allgemeine Einwände gegen Road
Pricing betrachtet. Distributive Effekte und die Bedeutung von Interessen-
gruppen stehen dabei im Vordergrund, da beide eine wichtige Grundlage für
bereits beobachtete Akzeptanz- bzw. Implementierungsprobleme von Road
Pricing-Versuchen darstellen. Im Kapitel 4 werden dann anhand ausgewähl-
ter Beispiele bereits beobachtete Umsetzungs- und Akzeptanzprobleme von
Road Pricing herausgestellt. Die hier dargestellten Anwendungsbeispiele
sind dabei nicht umfassend; da bestimmte Probleme bei nahezu jedem Sys-
tem auftauchen, erscheint es sinnvoll, nur Beispiele zu erwähnen, die sich in
möglichst vielen Punkten voneinander unterscheiden. Deswegen wurden
Singapur und die drei norwegischen Städte Trondheim, Oslo und Bergen als
erfolgreiche Anwendungen ausgewählt, Hongkong, die niederländische
Randstad-Region und die englische Stadt Cambridge als (noch) nicht erfolg-
reiche Umsetzungen.
Nach Klärung der besonderen Umstände des Scheiterns bzw. des Erfolges
von Straßenbenutzungsgebühren in den genannten Städten wird im 5. Kapi-
tel untersucht, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind und welche Möglich-
keiten existieren, um die Implementierungsprobleme von Road Pricing zu
reduzieren. Die Arbeit schließt mit einer kurzen Zusammenfassung und ei-
ner Einschätzung der künftigen Umsetzungschancen gebührenpflichtiger
Straßennutzung.

5
2
Grundlagen des Road Pricing
Die Idee, für die Nutzung von Straßen Gebühren zu verlangen, existiert
schon seit langem in der verkehrswissenschaftlichen Diskussion. Bereits in
den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts waren es die Autoren A. C. P
IGOU
und
F. H. K
NIGHT
9
, welche das Beispiel des Straßenverkehrs benutzten, um die
Existenz und Behandlung von Externalitäten zu verdeutlichen.
2.1
Externalitäten und ihre Bedeutung im Verkehrssektor
2.1.1
Externe Effekte
Negative externe Effekte, genauer externe Kosten, entstehen dann, wenn ein
Wirtschaftssubjekt nicht alle Kosten, die durch sein eigenes Wirtschaften
entstehen, selbst tragen muss, sondern auf Dritte abwälzen kann. Die Dritten
erhalten für die ihnen entstandenen Kosten keine Kompensation über den
Markt. Hingegen spricht man von externen Nutzen, wenn Dritten durch die
Handlungen eines Wirtschaftssubjektes ein positiver Nutzen entsteht, den
sie nicht monetär abgelten müssen.
10
Externe Effekte sind damit Folgen von
unvollständigen Produktions- und Nutzenfunktionen; in der wirtschaftlichen
Tätigkeit werden nur die privaten, betriebswirtschaftlich relevanten Kosten
und Nutzen in das Produktionskalkül einbezogen, nicht jedoch die für die
Allgemeinheit anfallenden sozialen Kosten und Nutzen.
11
Von pekuniären externen Effekten spricht man fernerhin, wenn sich die
Existenz eines externen Effektes im Preisverhältnis widerspiegelt. Dies ist
beispielsweise dann der Fall, wenn der Preis eines Gutes durch die verstärk-
te Nachfrage bestimmter Konsumenten steigt. Auch Konsumenten, deren
Nachfrage konstant geblieben ist, sind dann von dem gestiegenen Preis be-
troffen. Im Gegensatz dazu werden technologische externe Effekte nicht
vom Marktmechanismus erfasst. Sie spielen sich direkt zwischen den betei-
ligten Wirtschaftssubjekten ab, sodass Fehlallokationen die Folge sind.
12
9
Vgl. Pigou (1920) und Knight (1924).
10
Vgl. Eckey/Stock (2000), S. 237.
11
Vgl. Aberle (2000), S. 535.
12
Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (2001), S. 97f. Fritsch/Wein/Ewers nennen daneben auch
noch psychologische externe Effekte (vgl. ebenda), auf die hier jedoch nicht näher
eingegangen werden soll.

6
2.1.2
Externe Kosten und Nutzen im Verkehrssektor
Im Verkehrssektor spielt die Existenz externer Effekte eine vergleichsweise
große Rolle. Bei den externen Kosten des Verkehrs unterscheidet man Kos-
ten der Verkehrsinfrastrukturnutzung und Kosten der Verkehrsmittelnut-
zung.
13
Unter externen Kosten der Verkehrsinfrastrukturnutzung sind ungedeckte
Wegekosten, Wirkungen von Bodenversiegelung, Trennwirkungen und
Wirkungen des Landverbrauchs zu verstehen. Sie entstehen durch den Bau
und Betrieb der Verkehrswege, also z. B. durch Straßen- und Schienenbau.
Durch die Versiegelung des Bodens durch die Fahrbahnoberflächen können
sich negative Auswirkungen auf die Natur ergeben, während die Trennwir-
kungen negative Effekte der Zerschneidung von Landschaften oder Wohn-
siedlungen, z. B. durch erhöhte Aufwendungen zur Überquerung (z. B. mit-
tels Brücken oder Unterführungen) der Verkehrswege, umfassen.
Die zweite o. a. Kostenkategorie umschließt Kosten, die durch Unfälle und
Unfallfolgen
14
, Schadstoff- und CO
2
-Emissionen, Lärmemissionen und Er-
schütterungen entstehen. Auch Kosten der Verkehrsüberlastung (oft als
,,Stauungskosten" bezeichnet) sind zu den externen Kosten des Verkehrs-
mittelbetriebes zu zählen.
15
Diese bestehen zum einen aus erhöhten Be-
triebskosten der Fahrzeuge und erhöhten Schadstoffemissionen während des
,,Aufenthaltes" in einem Verkehrsstau, zum anderen in den Zeitverlusten,
die den Autofahrern im Stau entstehen. Zwar trägt der im Stau stehende
Autofahrer einen Teil dieser Kosten durch seine eigenen Zeitverluste selbst,
ein in eine überlastete Straße einfahrendes Fahrzeug verursacht jedoch für
andere sich schon auf der Straße befindlichen Fahrzeuge einen zusätzlichen
Zeitverlust.
16
Somit übersteigen die Grenzkosten der Verkehrsstauung eines
13
Vgl. für das Folgende Aberle (2000), S. 543ff.
14
Bei den externen Unfallkosten ist zu beachten, dass diese nur nicht durch Versi-
cherungen abgedeckte Schäden umfassen. Insbesondere betreffen diese nicht am
Unfall beteiligte Personen, z. B. in Form des Leids, welches Angehörigen von Un-
fallopfern zugefügt wird.
15
Vgl. Europäische Kommission (1996), S. 16.
16
Genau genommen sind von den Zeitverlusten lediglich die sich hinter dem zusätz-
lich einfahrenden Fahrzeug befindenden Fahrzeuge betroffen (vgl. Emme-
rink/Nijkamp/Rietveld (1995), S. 582.).

7
in den Stau einfahrenden Fahrzeuges die durchschnittlichen Stauungskosten,
die der einzelne Autofahrer trägt, um ein Vielfaches.
Die Bedeutung externer Nutzen des Verkehrs, welche die externen Kosten
zumindest teilweise kompensieren können, ist hingegen nicht unumstritten.
Während der Nutzen von Verkehrssystemen für die wirtschaftliche Ent-
wicklung von Volkswirtschaften weitgehend unstrittig ist, wird in der Lite-
ratur oftmals davon ausgegangen, dass sich darüber hinausgehende externe
Nutzen des Verkehrs auf wenig mehr als Phänomene wie die Verminderung
des Leids Angehöriger von Unfallopfern (beispielsweise durch schnelle
Notfalltransporte bei Existenz gut ausgebauter Verkehrsinfrastruktur)
17
oder
die Freude beim Betrachten vorbeifahrender Fahrzeuge beschränkt. Jedoch
finden sich hier auch Autoren, welche die positiven externen Effekte des
Verkehrs umfangreicher einschätzen.
18
2.2
Das Konzept des Road Pricing
Road Pricing stellt einen Ansatz zur Internalisierung der oben angesproche-
nen externen Effekte des Verkehrs dar. Andere bekannte Internalisierungs-
strategien sind z. B. staatliche Ge- und Verbote, der Standard-Preis-Ansatz
nach B
AUMOL
und O
ATES
oder die Verhandlungslösungen nach C
OASE
, die
hier aber nicht im Einzelnen vorgestellt werden sollen.
19
2.2.1
Road Pricing in der Theorie
Auf funktionierenden Märkten sorgt der Preismechanismus im Sinne einer
wohlfahrtsoptimalen Steuerung für die Erreichung dreier Ziele. Zum einen
besitzt der Markt eine Lenkungsfunktion, d. h. es kommen genau diejenigen
Nutzer in den Genuss eines Produktes, die ihm einen Wert zuordnen, der
mindestens dem Preis des Produktes entspricht. Darüber hinaus indiziert der
Preis die relative Knappheit einzelner Produktionsfaktoren und erfüllt somit
eine Signalfunktion hinsichtlich notwendiger Investitionen. Schließlich wird
17
Zu beachten ist, dass es um das geringere Leid der Angehörigen geht, das Leiden
der Opfer selbst ist intern, vgl. Schütte (1998), S. 18f. oder Aberle (2000), S. 561.
18
Für eine ausführliche Abhandlung zu diesem Thema vgl. Willeke (1996), S. 81ff.
19
Ausführungen zu den alternativen Internalisierungsstrategien finden sich z. B. in
Aberle (2000), S. 538f. oder in Fritsch/Wein/Ewers (2001), S. 117ff.

8
in Form der Informationsfunktion dafür gesorgt, dass die Nachfrager die
Ressourcenknappheit in ihren Entscheidungen berücksichtigen.
20
Die Existenz externer Effekte gefährdet die Ausübung der genannten Funk-
tionen, da durch sie der Preismechanismus in seiner Funktion eingeschränkt
wird. Im Falle der Straßeninfrastruktur hat die Existenz externer Kosten zur
Folge, dass die konkurrierenden Verkehrsteilnehmer die knappe Ressource
,,Straßenraum" übermäßig nutzen, was Verkehrsstauungen nach sich zieht.
Dies soll im Folgenden grafisch verdeutlicht werden.
In Abbildung 1 sind sowohl die Nachfrage nach Straßenverkehr als auch die
privaten und sozialen Grenzkosten der Fahrten in Abhängigkeit von der
Verkehrsdichte abgetragen. Die privaten Grenzkosten enthalten dabei sämt-
liche Kosten, die dem durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer bei der Nut-
zung des Straßenraums entstehen, also sowohl sämtliche Fahrzeugkosten
(z. B. Treibstoff, Verschleiß) als auch bewertete Zeitkosten und Nutzenein-
bußen durch Lärm oder Schadstoffe.
21
Bei geringer Verkehrsdichte verlau-
fen diese Kosten nahezu konstant, da sich die Fahrzeuge gegenseitig nicht
behindern. Ab der Verkehrsdichte Q
0
jedoch kommt es zur Reduktion von
Durchschnittsgeschwindigkeit und damit einhergehend zu einer Erhöhung
von Zeitkosten und Schadstoffausstoß, die durch jeden weiteren in die Stra-
ße einfahrenden Verkehrsteilnehmer verstärkt werden. Einen Teil dieser
Kosten trägt der hinzugekommene Verkehrsteilnehmer selbst; dadurch, dass
er jedoch die Durchschnittsgeschwindigkeit anderer Verkehrsteilnehmer
senkt, entsteht eine Diskrepanz zwischen seinen privaten Grenzkosten PGK
und den der Allgemeinheit auferlegten Kosten SGK.
In einem Zustand ohne zusätzliche Belastung der Verkehrsteilnehmer mit
den von ihnen verursachten Zusatzkosten wird demnach genau so lange
Verkehr nachgefragt, wie die marginale Zahlungsbereitschaft N größer ist
als die vom Verkehrsteilnehmer getragenen privaten Kosten PGK (also bis
zum Punkt Q
1
). Um die Verkehrsnachfrage auf ihr volkswirtschaftlich opti-
males Niveau zu bringen, müssten die einzelnen Verkehrsnachfrager mit
den von ihnen verursachten Zusatzkosten belastet werden. In der Abbil-
20
Vgl. Schütte (1998), S. 34.
21
Vgl. Brenck (1992), S. 8.

9
dung 1 wird dies erreicht, indem man den Nachfragern eine Gebühr in Höhe
von t (Differenz zwischen SGK und PGK) abverlangt. Die Verkehrsnach-
frage geht auf Q
2
zurück und die Nachfrager werden genau mit den von ih-
nen verursachten Grenzkosten belastet. Die externen Kosten werden somit
internalisiert. Zu beachten ist dabei, dass auch hier Verkehrsstauungen nicht
komplett vermieden werden, sie werden lediglich auf ihr ,,optimales" Ni-
veau zurückgefahren.
Abb. 1: Das theoretische Modell des Road Pricing
Q:
Verkehrsdichte
N:
Nachfrage
PGK: Private Grenzkosten
SGK: Soziale Grenzkosten
t:
Ballungsgebühr
SGK
N
PGK
SGK
N
PGK
t
Verkehrsdichte
Q
0
Q
2
Q
1
Quelle: In Anlehnung an Baum (1972), S. 97.
Die schraffierte Fläche stellt den gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsgewinn
dar, der aus der Gebührerhebung resultiert. Er entsteht dadurch, dass die
Verkehrsteilnehmer wegen der Reduktion der Fahrten nun weniger Zeitkos-
ten bzw. Schadstoffimmissionen verursachen bzw. tragen müssen.
22
Die Gebühr stellt somit sicher, dass nur diejenigen Nutzer Straßenverkehr
nachfragen, die den größten Nutzenzuwachs (indiziert durch ihre marginale
Zahlungsbereitschaft) aus ihm ziehen.
2.2.2
Road Pricing als First-best- oder Second-best-Lösung
Die oben abgebildete Form der Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren
stellt eine so genannte First-best-Lösung dar, da den Verkehrsnachfragern
immer exakt die von ihnen verursachten Zusatzkosten angelastet und somit
22
Vgl. Brenck (1992), S. 8.

10
sämtliche ökonomisch effiziente Fahrten durchgeführt, derer ineffiziente
jedoch unterlassen werden. Damit ein derartiges Modell funktionieren kann,
müssen gewisse Annahmen erfüllt sein, von denen einige hier exemplarisch
aufgeführt werden sollen:
23
-
Die Individuen haben identische Eigenschaften, unterscheiden sich
lediglich anhand ihrer marginalen Zahlungsbereitschaft und handeln
rational, basierend auf den Prinzipien der Nutzenmaximierung bzw.
Kostenminimierung,
-
es besteht vollständige Information über sämtliche Kosten und Nut-
zen der Benutzung von Verkehrswegen (inkl. externe Kosten bzw.
Nutzen),
-
die Nachfragekurve ist konstant im Zeitablauf, dynamische Effekte
(z. B. die Auswirkungen permanenter Schwankungen der Verkehrs-
dichte) werden vernachlässigt und
-
Road Pricing wird auf alle Elemente des Verkehrsnetzwerkes ange-
wandt.
Auch wenn eine derartige erstbeste Lösung dazu in der Lage ist, einen
Wohlfahrtsverlust in Form der Zusatzlast der Besteuerung (,,dead-weight
loss") vollständig zu vermeiden, so wird deutlich, dass dieses System auf-
grund der zu treffenden Annahmen in der Realität vermutlich nicht umsetz-
bar ist. Selbst mit modernster Technik erscheint es utopisch, dem Autofah-
rer eine in Abhängigkeit von der jeweiligen Verkehrssituation variierende
Gebühr in genau der Höhe der externen Kosten anzulasten, die er gerade
erzeugt. Sogar negative Folgen für die Akzeptanz von Road Pricing-
Systemen wären denkbar: Um die erwünschten Verkehrsverlagerungseffek-
te zu erzielen, muss dem Nutzer die Möglichkeit gegeben werden, vor Be-
ginn seiner Fahrt ein Nutzen/Kosten-Kalkül anzustellen. Dazu müssen die
Kosten einer Fahrt rechtzeitig bekannt sein und dürfen sich nicht erst wäh-
rend der Fahrt ergeben bzw. verändern. Am Beispiel der britischen Stadt
Cambridge wird diese Problematik später deutlich gemacht werden. Daher
kann angenommen werden, dass zur praktischen Umsetzung gewisse Ein-
schränkungen gemacht werden müssen und Straßenbenutzungsgebühren
23
Vgl. Emmerink/Nijkamp/Rietveld (1995), S. 583 und Verhoef (2000), S. 318.

11
daher zumeist lediglich eine Second-best-Lösung zur Internalisierung exter-
ner Effekte darstellen können.
2.2.3
Ziele von Road Pricing-Systemen
Die Implementierung von Road Pricing-Systemen lässt sich unter drei ver-
schiedenen Zielsetzungen diskutieren.
24
So geht es bei Verfolgung eines
Finanzierungsziels darum, möglichst hohe Geldbeträge einzunehmen. Diese
können z. B. dazu verwendet werden, notwendige Investitionen im Ver-
kehrsbereich, sei es zum Ausbau des ÖPNV oder zur Finanzierung neuer
Straßen zur Beseitigung von Verkehrsengpässen, zu bezahlen. Um das vor-
handene Straßensystem effizienter auszulasten, kann im Rahmen des Len-
kungsziels eine Glättung von Verkehrsspitzen und Verlagerung des Ver-
kehrsvolumens in Zeiten mit weniger Verkehrsaufkommen bzw. auf schwä-
cher ausgelastete Straßenabschnitte verfolgt werden. Als letztes Ziel kommt
die Verbesserung der Umwelt- und Lebensqualität in Frage (Umweltschutz-
ziel). Diese kann sich in einer Verringerung der verkehrsbedingten Emissi-
onsbelastung, aber auch in einer Verbesserung der Sicherheit im Straßen-
verkehr äußern. Nicht unbeachtet bleiben sollte die Tatsache, dass die ange-
sprochenen Ziele durchaus konfligierend sein können. Die zur Erreichung
des Umweltschutzziels erforderliche Gebührenhöhe wäre beispielsweise
ungeeignet, um gleichzeitig im Rahmen des Finanzierungsziels eine mög-
lichst große Summe an Einnahmen zu generieren.
25
Wie in Kapitel 4 und 5 zu sehen sein wird, spielt neben dem Zielbezug eines
Road Pricing-Systems auch die Art der Gebührenerhebung eine nicht zu
vernachlässigende Rolle für die Akzeptanz in der Bevölkerung.
2.2.4
Ausgestaltung von Road Pricing-Systemen
Road Pricing-Systeme lassen sich anhand verschiedener Kriterien systema-
tisieren.
26
Im Folgenden werden unterschiedliche Methoden der technischen
Ausgestaltung und der Preisdifferenzierung beschrieben.
24
Vgl. Schütte (1998), S. 49f.
25
Vgl. Kurnol (1996), S. 449f.
26
Vgl. für das Folgende Eisenkopf (1992), S. 319f. und Haag (1993), S. 14.

12
2.2.4.1
Technik der Gebührenerhebung
Bezüglich der Technik der Gebührenerhebung lassen sich Road Pricing-
Systeme nach Art der Bezugsgrundlage, Art der Steuerung und Art der Zah-
lungsweise unterscheiden.
Hinsichtlich der Bezugsgrundlage des verwendeten Systems löst beim so
genannten point pricing das Überfahren eines Sensors im Fahrbahnbelag
bzw. in Gestalt einer Bake am Fahrbahnrand den Gebührenimpuls aus. Die
Gesamtgebühr bestimmt sich nach der Anzahl der überfahrenen Markierun-
gen. Beim continous pricing hingegen errechnet sich die Gebührenhöhe
anhand einer gefahrenen Strecke zwischen zwei Markierungen (z. B. zwi-
schen einer Autobahnein- und -ausfahrt).
Eine zweite Klassifikation lässt sich anhand der Art bzw. Lokalisierung der
Steuerung vornehmen. So werden teilnehmende Fahrzeugen bei Verwen-
dung von off-vehicle systems mit elektronischen Nummernschildern ausges-
tattet, die von Sensoren sowohl im Rahmen des point pricing als auch des
continous pricing erfasst werden. Bei driver-operated meter systems befin-
det sich im Fahrzeug ein Entwertungsgerät (,,On-board-unit"), welches an-
fallende Gebühren von einer im Gerät befindlichen Chipkarte (,,Smart
Card") abbucht.
Hinsichtlich der Zahlungsweise der anfallenden Gebühren bieten sich mit
dem Post-pay- und dem Pre-pay-Verfahren zwei Systeme an.
27
Bei erste-
rem werden die Gebühren über einen gewissen Zeitraum gesammelt und
dem Nutzer anschließend in Rechnung gestellt, bei letzterem hingegen tritt
der Nutzer in Vorleistung und lässt die Gebühr jeweils von einer Chipkarte
abbuchen, wenn sie anfällt. Während erstere Methodik bei der Kontrolle
von Reklamationen besser geeignet scheint, besitzt das zweite Verfahren
bezüglich Datenschutz und Fühlbarkeit der Kosten deutliche Vorteile.
2.2.4.2
Möglichkeiten der Preisdifferenzierung
Bezüglich der Preisdifferenzierung, welche für die Internalisierung der ex-
ternen Kosten die entscheidende Komponente darstellt
28
, kann man Road
27
Vgl. Frank/Münch (1992), S. 3.
28
Vgl. Schütte (1998), S. 49.

13
Pricing-Systeme klassifizieren nach Raumnutzung, Fahrtzeitpunkt, Fahr-
zeugkategorie und Fahrverhalten.
Hinsichtlich der Raumnutzung lassen sich drei verschiedene Ansätze unter-
scheiden. Bei den so genannten Routen-Modellen wird nur für die Benut-
zung einzelner Streckenabschnitte, z. B. einzelner Straßen oder Autobahn-
abschnitte, eine Gebühr verlangt. Dies kann allerdings zu möglicherweise
unerwünschten Nebeneffekten wie einer Verdrängung des Verkehrs auf bis-
lang weniger belastete Routen führen.
29
Kommen Kordon-Modelle zur An-
wendung, so wird für das Überfahren eines (z. B. um die Innenstadt) gezo-
genen Mautringes eine Gebühr verlangt. Fahrten innerhalb dieses Ringes
bleiben kostenfrei. Eine Weiterentwicklung dieses Modells stellen die Zo-
nen-Modelle dar. Die Innenstadt wird in mehrere Zonen eingeteilt, für deren
Befahren unterschiedliche Gebühren erhoben werden können. Hierdurch
lassen sich Verkehrsverlagerungseffekte besser steuern.
30
Theoretisch las-
sen sich jedem einzelnen Streckenabschnitt zu unterschiedlichen Zeitpunk-
ten differenzierte Gebühren zuordnen.
Da das Verkehrsaufkommen in Ballungsräumen tageszeitlichen Schwan-
kungen unterworfen ist, bietet es sich an, die Gebührenhöhe nach Fahrzeit-
punkten zu differenzieren. Um die gegebenen Kapazitäten optimal auszulas-
ten, kann die Methode der so genannten Spitzenlastpreisbildung (,,peak load
pricing") angewandt werden. Dabei werden den Nutzern während der Spit-
zennachfrage (,,peak-Periode") sowohl die kurzfristigen Grenzkosten der
Leistungserstellung als auch die Kapazitätsvorhaltungskosten der Spitzen-
und Schwachlastperiode angelastet. Die Nutzer, die während der Schwach-
lastzeit (,,off peak-Periode") in das bepreiste Gebiet einfahren, müssen le-
diglich für die kurzfristigen Grenzkosten bzw. laufenden Betriebskosten
aufkommen.
31
Im Gegensatz dazu wird mit der einfachen Preisdifferenzierung versucht,
die Einnahmen durch Ausnutzung unterschiedlich hoher Preiselastizitäten
der Nachfrage und damit Abschöpfung der Konsumentenrente zu maximie-
29
Vgl. Haag (1993), S. 14.
30
Vgl. Kurnol (1996), S. 450.
31
Vgl. Aberle (2000), S. 314f.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783836618328
DOI
10.3239/9783836618328
Dateigröße
579 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Münster – Wirtschaftswissenschaften, Volkswirtschaft
Erscheinungsdatum
2008 (August)
Note
2,0
Schlagworte
road pricing straßenbenutzungsgebühren externe effekte interessengruppen akzeptanzproblem
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Titel: Umsetzungs- und Akzeptanzprobleme von Road Pricing in Ballungsräumen - eine Analyse bisheriger Erfahrungen
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