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Die Public-Relations-Strategie der EU-Kommission seit Maastricht

Das Weißbuch über eine europäische Kommunikationspolitik als Lösung für das Demokratiedefizit?

©2007 Masterarbeit 97 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
'Kommunikation ist für eine gesunde Demokratie lebenswichtig. Sie ist keine Einbahnstraße. Demokratie kann nur dann reibungslos funktionieren, wenn die Bürger über aktuelle Entwicklungen informiert sind und in vollem Umfang daran teilhaben können'.
Zahlreiche Statistiken belegen seit Jahren das Dilemma: Ein hoher Prozentsatz der EU-Bürger ist nur mangelhaft informiert über die politische Entwicklung in unserem Staatenbund. Folglich können die Bürger das gesellschaftliche und politische Miteinander nicht in angemessener Weise mitgestalten. Die Demokratie gerät ins Stocken.
Seit geraumer Zeit sprechen Wissenschaftler von einem Kommunikationsdefizit in der Europäischen Union, einer Kluft zwischen den „bürgerfernen Institutionen in Brüssel“ und den Bürgern selbst. Die Ursache dieses Defizits erklärt sich leicht: Die Nationalstaaten übertrugen im Laufe der Zeit immer mehr Hoheitsrechte an die EU-Institutionen, deren Kompetenzen somit ausgeweitet wurden. Mittlerweile betreffen sie die meisten Politikbereiche. Der Einfluss der Brüsseler Institutionen auf das Leben der Bürger wurde stärker. Politiker trafen ihre Entscheidungen zunehmend auf gemeinschaftlicher und weniger auf nationaler Ebene. In diesem europäischen Integrationsprozess verloren die Institutionen jedoch das Wissen und die Akzeptanz der Bürger auf halber Strecke.
Die Abbildung auf der folgenden Seite veranschaulicht diese Tatsache. Sie zeigt die sinkende Wahlbeteiligung bei den EU-Parlamentswahlen von 1979 bis 2004.
Ein Blick auf die schrumpfende Wahlbeteiligung lässt feststellen, dass die Jahre 1999 und 2004 die höchsten Beteiligungsrückgange im Vergleich zur jeweiligen Vorwahl verzeichnen: 7% bzw. 4,1%. Die letzten Wahlen haben einen Enthaltungsrekord hervorgebracht, doch schon bei den Wahlen 1999 war die Beteiligung unter die 50%-Marke gefallen. Nicht einmal jeder zweite Bürger gab seine Stimme ab.
Das EU-Parlament wird unabhängig von der Wahlbeteiligung gewählt. Entscheidend sind die Stimmen für die einzelnen Parteien, und nicht wie viel Prozent der EU-Bürger überhaupt wählen. Anders sieht es bei Volksabstimmungen aus, bei denen die Wähler den kompletten europäischen Integrationsprozess lähmen können. Dies geschah das erste Mal anlässlich der Ratifizierung des Vertrags von Maastricht. Für die EU-Politiker war es ein Schock, dass 50,7% der Dänen im Juni 1992 gegen den Vertrag stimmten. Im September darauf wurde in Frankreich mit 51,04% nur ein knappes […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Barbara Peters
Die PR-Strategie der EU-Kommission
Das Weissbuch über eine europäische Kommunikationspolitik als Lösung des
Demokratiedefizits
ISBN: 978-3-8366-1823-6
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Universität des Saarlandes, Saarbrücken, Deutschland, MA-Thesis / Master, 2007
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2008
Printed in Germany

,,We could have put up big posters of Barroso like an American president,
saying `If the EU wins, you win!'. But this is not what is missing.
Propaganda doesn't work. You have to understand
that this is about building democracy [...]."
Margot Wallström,
Vize-Präsidentin der Kommission und
EU-Kommissarin für institutionelle Beziehungen
und Kommunikationsstrategie
in einem Interview
1
1
O'Connor Simon (2006: 19)

I
Inhaltsübersicht
Inhaltsübersicht ...I
Inhaltsverzeichnis ...II
Abbildungsverzeichnis ... VI
1
Einleitung ... 1
2
Vorüberlegungen ... 7
3
Die Exekutive als PR-Akteur: Die ,,Generaldirektion Kommunikation"
kommuniziert ... 13
4
Phänomen Defizit: mangelnde Kommunikation und fehlende Öffentlichkeit ... 19
5
Die Bedeutungsentwicklung von PR für die Kommission: von Maastricht
bis zur Verfassung ... 25
6
Die Bedeutungsentwicklung von PR unter Barroso ... 30
7
Medienbeobachtung: methodische Vorüberlegungen ... 34
8
Medienbeobachtung: Clipping und Presseresonanzanalyse des Weißbuchs ... 41
9
Schlussbetrachtung und Ausblick ... 58
Literaturverzeichnis ... 66
Anhang ... 74
Corpus: Presseartikel zum Wei
ß
buch (in analysierter Reihenfolge) ... 75
,,Wei
ß
buch über eine europäische Kommunikationspolitik" ... 88

II
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Fragestellung und Vorgehensweise
1.3 Forschungsstand und Literaturlage
2
Vorüberlegungen
2.1 Begriffserklärung: Public-Relations-Strategie
2.1.1
Definition: Public Relations
2.1.2
Strategische Ziele der Public Relations
2.2 Die EU: historischer Hintergrund und struktureller Rahmen
2.2.1
Die Europäische Union
2.2.2
Die Kommission und ihre Stellung innerhalb des Institutionsgefüges
2.3 Die Schlüsselrolle der Kommission in der PR der EU
3
Die Exekutive als PR-Akteur: Die ,,Generaldirektion Kommunikation
kommuniziert"
3.1 Die ,,Generaldirektion Kommunikation" und ihre Mission
3.2 Aufbau und Struktur der GD KOMM
3.3 PR-Instrumente im Einsatz
3.3.1
Instrumente der Pressearbeit
3.3.2
Publikationen
3.3.3
Audiovisuelle Instrumente
3.3.4
Internet
3.3.5
Meinungsumfragen
3.3.6
Hotline und Besucherdienst

III
Inhaltsverzeichnis (2)
4
Phänomen Defizit: mangelnde Kommunikation und fehlende
Öffentlichkeit
4.1 Das Kommunikationsdefizit der EU
4.2 Gründe für das Kommunikationsdefizit
4.3 Das Öffentlichkeitsdefizit
4.3.1
Begriffserklärung
4.3.2
Journalistische Selektionskriterien als Defizitgrund
4.3.3
Kommissionsorganisation als Defizitgrund
5
Die Bedeutungsentwicklung von PR für die Kommission:
Von Maastricht bis zur Verfassung
5.1
Die PR-Arbeit der Kommission vor dem ,,Maastricht-Schock"
5.2
Nach Maastricht: Die Kommission erkennt die Wichtigkeit von nicht
Manipulativer PR
5.2.1
Die Delors-Kommission
5.2.2
Die Santer-Kommission
5.2.3
Die Prodi-Kommission
6
Die Bedeutungsentwicklung von PR unter Barroso
6.1 Weitere Strukturveränderungen
6.2 Das Verfassungsdebakel als Ansto
ß
zur neuen PR-Strategie
6.3 Das Wei
ß
buch über eine europäische Kommunikationspolitik
6.3.1
Ziele
6.3.2
Angestrebte Maßnahmen des Weißbuchs
6.3.3
Der Konsultationsprozess

IV
Inhaltsverzeichnis (3)
7
Medienbeobachtung: methodische Vorüberlegungen
7.1 Analysehintergrund
7.2 Überlegungen zu Clipping und Corpus
7.3 Medienresonanzanalyse
8
Medienbeobachtung: Clipping und Presseresonanzanalyse des
Weißbuchs
8.1 Ergebnisse des Clippings
8.2 Ergebnisse der Presseresonanzanalyse: die überregionale allgemeine
Tagespresse
8.2.1
Süddeutsche Zeitung
8.2.2
Frankfurter Allgemeine Zeitung
8.2.3
Die Welt
8.2.4
Die Tageszeitung
8.2.5
Frankfurter Rundschau
8.2.6
Le Monde
8.3 Ergebnisse der Presseresonanzanalyse: die überregionale Wirtschafts-
presse
8.3.1
Handelsblatt
8.3.2
Financial Times Deutschland (FTD)
8.4 Ergebnisse der Presseresonanzanalyse: die regionale Tagespresse
8.4.1
Hamburger Abendblatt
8.4.2
Stuttgarter Nachrichten
8.4.3
Berliner Zeitung
8.4.4
Ostsee-Zeitung
8.5 Zusammenfassung der Ergebnisse

V
Inhaltsverzeichnis (4)
9
Schlussbetrachtung und Ausblick
9.1 Zusammenfassung: Die Entwicklung der Kommissions-PR seit
Maastricht und die Presseberichterstattung über das Weißbuch
9.2 Lösungsansätze für eine verbesserte Kommunikations-PR
9.3 Phänomen Defizit II: Demokratiedefizit durch mangelnde Legitimation

VI
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Wahlbeteiligung bei den EP-Wahlen von 1979 bis 2004 (alle Mitglieds-
staaten) ... 2
Abb. 2: Die drei Säulen der Europäischen Union ... 10
Abb. 3: Vereinfachtes Organigramm der GD KOMM ... 14
Abb. 4: Ergebnis der Artikelsuche: Clipping ... 41
Abb. 5: IVW Quartalsauflagen überregionaler deutscher Zeitungen,
1. Quartal 2007 ... 43
Abb. 6: IVW Quartalsauflagen regionaler deutscher Zeitungen,
1. Quartal 2007 ... 53

Kapitel 1 - Einleitung
1
1
Einleitung
1.1
Problemstellung
,,Kommunikation ist für eine gesunde Demokratie lebenswichtig. Sie ist keine Einbahnstra
ß
e.
Demokratie kann nur dann reibungslos funktionieren, wenn die Bürger über aktuelle
Entwicklungen informiert sind und in vollem Umfang daran teilhaben können."
2
Zahlreiche Statistiken belegen seit Jahren das Dilemma: Ein hoher Prozentsatz der EU-
Bürger ist nur mangelhaft informiert über die politische Entwicklung in unserem
Staatenbund. Folglich können die Bürger das gesellschaftliche und politische Miteinan-
der nicht in angemessener Weise mitgestalten. Die Demokratie gerät ins Stocken.
Seit geraumer Zeit sprechen Wissenschaftler von einem Kommunikationsdefizit in der
Europäischen Union, einer Kluft zwischen den ,,bürgerfernen Institutionen in Brüssel"
und den Bürgern selbst. Die Ursache dieses Defizits erklärt sich leicht: Die National-
staaten übertrugen im Laufe der Zeit immer mehr Hoheitsrechte an die EU-Institu-
tionen, deren Kompetenzen somit ausgeweitet wurden. Mittlerweile betreffen sie die
meisten Politikbereiche. Der Einfluss der Brüsseler Institutionen auf das Leben der
Bürger wurde stärker. Politiker trafen ihre Entscheidungen zunehmend auf gemein-
schaftlicher und weniger auf nationaler Ebene. In diesem europäischen Integrations-
prozess verloren die Institutionen jedoch das Wissen und die Akzeptanz der Bürger auf
halber Strecke.
Die Abbildung auf der folgenden Seite veranschaulicht diese Tatsache. Sie zeigt die
sinkende Wahlbeteiligung bei den EU-Parlamentswahlen von 1979 bis 2004
3
.
2
Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2006b: 2)
3
1979 wurde das Parlament erstmals durch die EU-Bürger auf direktem Wege gewählt. Zuvor wurden die
Abgeordneten von den nationalen Regierungen bestimmt.

Kapitel 1 - Einleitung
2
Abb. 1: Wahlbeteiligung bei den EP-Wahlen von 1979 bis 2004 (alle Mitgliedsstaaten)
4
Ein Blick auf die schrumpfende Wahlbeteiligung lässt feststellen, dass die Jahre 1999
und 2004 die höchsten Beteiligungsrückgange im Vergleich zur jeweiligen Vorwahl
verzeichnen: 7% bzw. 4,1%. Die letzten Wahlen haben einen Enthaltungsrekord
hervorgebracht, doch schon bei den Wahlen 1999 war die Beteiligung unter die 50%-
Marke gefallen. Nicht einmal jeder zweite Bürger gab seine Stimme ab.
Das EU-Parlament wird unabhänging von der Wahlbeteiligung gewählt. Entscheidend
sind die Stimmen für die einzelnen Parteien, und nicht wie viel Prozent der EU-Bürger
überhaupt wählen. Anders sieht es bei Volksabstimmungen aus, bei denen die Wähler
den kompletten europäischen Integrationsprozess lähmen können. Dies geschah das
erste Mal anlässlich der Ratifizierung des Vertrags von Maastricht. Für die EU-Politiker
war es ein Schock, dass 50,7% der Dänen im Juni 1992 gegen den Vertrag stimmten.
Im September darauf wurde in Frankreich mit 51,04% nur ein knappes ,,Ja" erreicht.
Neun Jahre später, im Juni 2001, sprach sich Irland mit 53,87% gegen den Vertrag
von Nizza aus. Im Mai und Juni 2005 sagten Frankreich und die Niederlande, zwei der
Gründerstaaten, mit 54,86% bzw. 61,6% entschieden ,,Nein" zur Verfassung.
Langwierige Verhandlungen und Kompromissfindungen waren nötig, damit Dänemark
und Irland die Verträge von Maastricht und Nizza in einem zweiten Anlauf ratifizieren
konnten. Der Verfassungstext allerdings, an dem der Konvent unter Vorsitz des
ehemaligen französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d'Estaing seit Februar 2002
4
Europäische Kommission (2004b: 4)

Kapitel 1 - Einleitung
3
gearbeitet hatte, lag seit Sommer 2005 auf Eis. Alle EU-Mitgliedsstaaten, deren
Referendum zum damaligen Zeitpunkt noch ausstand, enschieden, den Termin auf
unbestimmte Zeit zu verschieben
5
. Im Juni 2007 beschlossen die Staats- und Regie-
rungschefs, dass ein Reformvertrag die Lösung des Problems bringen soll. Der Text,
der an Stelle der Verfassung die aktuellen Verträge ändern soll, ist seit 23. Juni in
Arbeit. Es ist jedoch noch unklar, wie er ratifiziert werden soll.
Die Ursachen für das Wählerverhalten der Bürger sind in zahlreichen und von Seiten
der EU durchgeführten Umfragen ergründet worden:
Bei der EP-Wahl 2004 verfügten 39% der Befragten nicht über genügend Informatio-
nen um eine Wahlentscheidung zu treffen
6
. Von den Franzosen, die nach dem Ver-
fassungsreferendum gefragt wurden, warum sie sich enthalten hätten, klagten 60%
über Verständnisprobleme, da der Text zu kompliziert gewesen sei. 49% gaben
mangelnde Information als Grund an
7
. Diese Meinung spiegelt sich auch in den Aussa-
gen der Niederländer wieder: 51% der sich enhaltenden Wähler fühlten sich schlecht
informiert. 32% der niederländischen Nein-Wähler gaben Informationsmangel als Be-
gründung für ihre negative Entscheidung an
8
. Beide Angaben sind jeweils die am
häufigsten genannten Gründe. Auch in Spanien, das im Frühjahr desselben Jahres für
die Verfassung stimmte, war Informationsmangel mit 30% der meistgenannte Grund
für die Enthaltung
9
.
Ein Hauptgrund für Enthaltungen und Negativ-Wahlen ist also unzureichende
Information, erzeugt durch zu geringen Kontakt der Bürger mit den EU-Institutionen
oder durch zu wenig europäisierte Debatten in den Mitgliedsstaaten. Der Name
,,Kommunikationsdefizit" trifft das Kernproblem des Phänomens.
Die EU-Politiker haben im Laufe der Zeit bemerkt, dass der Bürgerwille wichtig ist und
dass Integration nicht automatisch anerkannt ist, sondern sich die Politiker um Akzep-
tanz seitens der Bürger aktiv bemühen müssen. ,,Im europäischen Einigungsprozess
spielte die öffentliche Meinung jahrzehntelang nur eine untergeordnete Rolle", und
dass es so nicht weitergehen konnte, begriffen die Institutionen erst viel zu spät:
nämlich ,,schlagartig mit der öffentlichen Kritik am Maastrichter Vertrag"
10
.
5
Die Bürger von Dänemark, Irland, Polen, Portugal, Schweden, der Tschechischen Republik und dem
Vereinigten Königreich sind bis heute nicht zum Verfassungsvertrag befragt worden.
6
Europäische Kommission (2004b: 26)
7
Europäische Kommission (2005b: 6). Mehrfachantworten waren bei dieser Frage zulässig.
8
Europäische Kommission (2005a: 5 bzw. 15)
9
Europäische Kommission (2005c: 7)
10
Mittag, Jürgen/Steuwer, Janosch (2006: 14), vgl. dazu auch Kommission der Europäischen
Gemeinschaften (2006b: 4): ,,In EU-Kreisen wird darüber [über die Kommunikationskluft] zumindest seit
den Volksabstimmungen diskutiert, die [...] 1992 stattgefunden haben."

Kapitel 1 - Einleitung
4
1.2
Fragestellung und Vorgehensweise
Die EU-Kommission
11
als Hauptakteur der Public Relations in der Europäischen Union
hat sich seit den gescheiterten Referenden von 1992 verstärkt Gedanken über ihre
Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Diese hat sich als äu
ß
erst wichtig herausgestellt, um die
lange nicht beachtete Bevölkerung zu erreichen, sie zu informieren und ihr Feedback
einzuholen.
Nachdem sich der ,,Maastricht-Schock" durch den ,,Verfassungs-Schock" 13 Jahre spä-
ter wiederholte, stellte die für Kommunikation zuständige EU-Kommissarin Margot
Wallström am 1. Februar letzten Jahres im so genannten ,,Wei
ß
buch über eine euro-
päische Kommunikationspolitik"
12
eine neue PR-Strategie vor. Ausgehend von diesem
Dokument möchte ich in meiner Arbeit darstellen und analysieren,
·
worin sich die neue PR-Strategie von der früheren unterscheidet,
·
ob die neue Strategie eine berechtigte Aussicht darauf hat, das
Kommunikationsdefizit zu mindern,
·
ob und wie das Kommunikationsdefizit verbunden ist mit dem oft im
Einklang genannten Demokratiedefizit.
Nach der Einleitung werde ich in einem zweiten Kapitel zunächst eine notwendige
Begriffserklärung vornehmen: Was ist ,,Public Relations" und was sind ihre Funktionen
und Ziele. Dann gebe ich eine kurze geschichtliche Einführung in die Europäische Union
und die Bedeutung der Kommission für die PR-Arbeit der EU. In einem dritten Kapitel
werde ich die Organisation und Arbeitsweise der Kommissions-PR anhand der General-
direktion Kommunikation aufzeigen. Anschließend werde ich in Kapitel 4 die Probleme
aufzeigen, welche die Kommission bei ihrer PR-Arbeit lösen sollte. Hierbei wird das
bestehende Kommunikations- und Öffentlichkeitsdefizit deutlich werden. Kapitel 5 und
6 sind den Entwicklungen der Public Relations gewidmet, welche die Kommission
11
Obwohl die Ratifizierung des Vertrags von Maastricht die Geburtsstunde der EU war, da die Europäische
Gemeinschaft (EG) von diesem Zeitpunkt an offiziell in Europäische Union umgetauft wurde, ist der
Ausdruck ,,EU-Kommission" rechtlich falsch. Die EU besitzt momentan noch keine Rechtspersönlichkeit und
bedient sich der Institutionen der EG. Eine Veränderung dieser Tatsache ist durch die Verfassung
vorgesehen, deren Ratifizierung zurzeit auf Eis liegt.
Ich bediene mich in der vorliegenden Arbeit dennoch des Ausdrucks ,,EU-Kommission", da dieser in der
Presse neben dem etwas längeren Titel ,,Europäische Kommission" weitgehend Verbreitung gefunden hat.
Die Titel ,,EG-Kommission" oder ,,Kommission der Europäischen Gemeinschaften", welches die juristisch
korrekten Benennungen sind, finden sich dort kaum.
12
Ein Weißbuch ist ein offizielles und veröffentlichtes EU-Dokument, das keinen Gesetzestext enthält,
sondern Maßnahmenvorschläge, die von der Kommission an Rat und Parlament mitgeteilt werden. Nach
dem Einverständnis Letzterer, können die Vorschläge rechtsverbindlich werden. Quelle: Erklärung auf der
Webseite des ,,Weißbuchs über eine europäische Kommunikationspolitik":
www.ec.europa.eu/communication_white_paper/index_de.htm

Kapitel 1 - Einleitung
5
unternommen hat um diese Defizite abzumildern. Dabei stehen die aktuellen Verän-
derungen im Mittelpunkt, die sich seit dem Verfassungsdebakel ergeben haben: Ein
Weißbuch versucht neue Wege aufzuzeigen für eine moderne europäische Kommunika-
tionspolitik.
In einem praktischen Teil untersuche ich anschließend, welche Reaktionen das
Weißbuch in der Öffentlichkeit nach seiner Publizierung im Februar 2006 hervorgerufen
hat. Dazu bediene ich mich des kommunikationswissenschaftlichen Instruments der
Medienbeobachtung in Form eines Clippings sowie einer Medienresonanzanalyse in
ausgewählten deutschen und französischen Tageszeitungen. Während durch das
Clipping die Häufigkeit der Berichterstattung über das Weißbuch herausgefunden wird,
ist die Resonanzanalyse eine inhaltliche Untersuchung, die bewertet, was genau die
Zeitungen berichtet haben.
Im Zuge dieses praktischen Teils erklärt Kapitel 7 die Gründe und Ziele meiner
Untersuchung sowie die wissenschaftliche Methode. Im achten Kapitel werde ich meine
Untersuchungsergebnisse darlegen und auswerten. Zum Schluss ziehe ich in Kapitel 9
in einer kurzen Zusammenfassung Bilanz. Abschließend stelle ich den Zusammenhang
her zwischen den Public Relations der EU und ihrem Demokratiedefizit, um eine
Antwort auf die Frage zu finden, ob es möglich ist, durch Margot Wallströms Wei
ß
buch
das Kommunikations- und in diesem Zuge auch das Demokratiedefizit innerhalb der EU
zu vermindern.
1.3
Forschungsstand und Literaturlage
Die Tageszeitungen und spezielle Presseartikel, die ich für meine Untersuchung ver-
wendet habe, werden im siebten Kapitel erläutert. Hier soll ein kurzer Überblick über
den aktuellen Forschungsstand gegeben werden:
Einen großen Teil meiner Literatur machen die offiziellen Dokumente der Kommission
zum Thema Kommunikationspolitik aus. An ihnen lässt sich die Entwicklung der Public
Relations ablesen. Nach dem ,,Maastricht-Schock" wurden mehrere Ideen und Berichte
von der Kommission veröffentlicht, auf die ich in meiner Arbeit eingehen werde. Beson-
ders wichtig ist natürlich das genannte ,,Weißbuch über eine europäische Kommunika-
tionspolitik".
Auf wissenschaftlicher Ebene ist seit Anfang der 90er Jahre eine Debatte im Gange.
Wissenschaftler wie Meyer
13
, Gerhards
14
und Kaelble
15
beschäftigen sich mit den The-
13
Vgl. Meyer, Christoph O. (2003), (1999) und Kurpas, Sebastian/Meyer, Christoph/Gialoglu, Kyriakis
(2004)

Kapitel 1 - Einleitung
6
men Kommunikationsdefizit, Öffentlichkeit und Demokratie speziell in Zusammenhang
mit der Europäischen Union. Von den dreien geht allerdings nur Meyer auf die Entwick-
lungen ab 2005 und damit auf das ,,Weißbuch über eine europäische Kommunika-
tionspolitik" ein
16
. Seit einigen Jahren untersucht auch Valentini die EU-PR
17
.
Drei weitere Autoren haben konkret die PR-Strategie der EU untersucht. Ihre Arbeiten
sind zwar sehr ausführlich, aber nicht mehr auf dem aktuellsten Stand. Gramberger
untersuchte in seiner Doktorarbeit
18
die Öffentlichkeitsarbeit der Kommission von ihrer
Entstehung 1952 bis ins Jahr 1996 und liefert damit ein sehr detailliertes Bild der PR-
Rolle, -Arbeit und ihrer Veränderungen seit den Anfängen der Institution. Für die Zeit
nach 1996 gibt es kein vergleichbares Werk. Tanja Loitz veröffentlichte 2001 eine
Diplomarbeit über die Kommissions-PR mit Schwerpunkt ,,Internet und die kommis-
sionseigene Homepage"
19
. Diese Arbeit ergänzt die Untersuchungen von Gramberger,
indem sie die Entwicklungen bis 2001 aufzeigt, jedoch auf eine weniger detaillierte
Weise. Durch die rasanten Entwicklungen gerade im Bereich des Internets ist die Arbeit
allerdings heute, sechs Jahre später, überholt. Eine überarbeitete Diplomarbeit von
Kirsten Hoesch mit dem Titel ,,Kontinuität und Wandel in der Kommunikationsstrategie
der EU-Kommission"
20
stellt einen der aktuelleren Forschungsstände zu dem Thema
dar.
Seit Februar 2006 wurden einige wenige Aufsätze und Paper über das Wei
ß
buch
veröffentlicht
21
. Doch es ist bisher keine grö
ß
ere wissenschaftliche Arbeit zum dem
Thema veröffentlicht worden. Dies stellt einen speziellen Anreiz für mich dar, das
Thema Wei
ß
buch zu behandeln.
14
Vgl. Gerhards, Jürgen (2002) und (2000)
15
Vgl. Kaelble, Hartmut (2001)
16
Kurpas, Sebastian/Brüggemann, Michael/Meyer, Christoph (2006)
17
Valentini, Chiara (2006b), (2006a)
18
Gramberger, Marc R. (1997)
19
Loitz, Tanja (2001)
20
Hoesch, Kirsten (2003)
21
U.A. Kurpas, Sebastian/Brüggemann, Michael/Meyer, Christoph (2006); Mittag, Jürgen/Steuwer,
Janosch (2006) und Seeger, Sarah (2006)

Kapitel 2 - Vorüberlegungen
7
2
Vorüberlegungen
2.1
Begriffserklärung: Public-Relations-Strategie
2.1.1
Definition: Public Relations
Der deutsche Begriff für Public Relations (PR) lautet Öffentlichkeits
arbeit
. Obschon der
englische Terminus wörtlich übersetzt ,,öffentliche
Beziehungen
" bedeutet
22
, sind der
englische und der deutsche Begriff im deutschen Sprachgebrauch austauschbar
23
. Es
werden gleichbedeutend die Termini Öffentlichkeitsarbeit, Public Relations und PR
verwendet.
Dies liegt an der US-amerikanischen Herkunft der PR-Idee: 1906 wurde in New York
die erste PR-Agentur eröffnet. Erst nach dem 2. Weltkrieg gelangte die Idee nach
Europa, als die Unternehmen diesseits des Atlantiks die amerikanischen Management-
methoden rapide zu schätzen begannen
24
. PR wurde zu einem neuen Wirtschaftszweig,
dessen Entwicklung in der heutigen Zeit noch lange nicht abgeschlossen ist.
Die Deutsche Public Relations Gesellschaft e.V. (DPRG), der Berufsverband für Public
Relations-Fachleute in Deutschland, definiert Public Relations als ,,Management von
Kommunikation", d.h. sie ,,plant und steuert [...] Kommunikationsprozesse für Perso-
nen und Organisationen mit deren Bezugsgruppen in der Öffentlichkeit"
25
. Unter
Bezugsgruppen verstehen sich dabei alle Gruppen, mit denen kommuniziert wird oder
Kommunikation angestrebt wird.
In der Öffentlichkeitsarbeit müssen zwei Bereiche unterschieden werden:
·
Kommunikation zwischen einer Organisation und ihrem externen gesell-
schaftlichen Umfeld und
·
interne Kommunikation zwischen einer Organisation und ihren Mitarbeitern.
In dieser Arbeit möchte ich mich, wenn ich von Öffentlichkeitsarbeit spreche, auf den
externen Bereich beschränken, da es mir um den Teil der PR-Arbeit geht, der darin
besteht, einen Dialog zwischen der EU-Kommission und den Medien bzw. Bürgern
aufzubauen, und nicht um die Ma
ß
nahmen, die von ihr getroffen werden, um mit ihren
Beamten intern zu kommunizieren.
22
Chiara Valentini berichtet in Ihrem Aufsatz
The Public Relations of the European Union: New Challenges
in a More Integrated Europe über die unterschiedlichen europäischen Übersetzungen des englischen
Terminus: Valentini, Chiara (2006a).
23
Vgl. Hoesch, Kirsten (2003: 46)
24
Vgl. Chouchan, Lionel/Flahault, Jean-François (2005: 19, 22)
25
www.dprg.de, Rubrik ,Berufsbild'

Kapitel 2 - Vorüberlegungen
8
2.1.2
Strategische Ziele der Public Relations
Die Deutsche Public Relations Gesellschaft sagt, ,,Voraussetzung für Öffentlichkeits-
arbeit/Public Relations sind aktive und langfristig angelegte kommunikative Strate-
gien"
26
, daher auch meine Begriffswahl ,,PR-Strategie" als zentraler Terminus für diese
Arbeit. ,,Strategie" impliziert hierbei eine Rationalität des Vorgehens, die darin besteht,
dass PR-Maßnahmen grundsätzlich im Hinblick auf ein im Vorhinein abgestecktes Ziel
definiert werden.
Dabei soll PR eine Brückenfunktion zwischen einer Organisation und deren Zielgruppe
wahrnehmen. Sie soll über die Organisation informieren und der Zielgruppe gleichzeitig
eine Feedback-Möglichkeit geben. PR ,,vermittelt beiderseits Einsicht und bewirkt
Verhaltenskorrekturen. Sie dient damit dem demokratischen Kräftespiel"
27
. Dabei ist es
wichtig, das Image der Organisation zu verbessern, für das besonders Glaubwürdigkeit
ausschlaggebend ist, sowie Akzeptanz in der Bevölkerung herzustellen. Damit soll ein
Vertrauensverhältnis zwischen beiden Seiten aufgebaut werden. Diese Ziele verdeut-
lichen die Wichtigkeit von Public Relations für die demokratische Gesellschaft. Dem-
nach ist für politische Institutionen eine kompetente und professionelle PR-Arbeit von
gro
ß
em Interesse.
Gute PR ist jedoch nicht alles, denn sie kann nur so gut sein, wie die Institution, über
die sie informiert. In meiner Arbeit betrachte ich die PR-Strategie der EU-Kommission,
was aber nicht heisst, dass alleine durch PR das Image der Institution, die Akzeptanz
der Bürger und das Vertrauensverhältnis zwischen beiden Seiten vollkommen sein
kann. Im Hinterkopf sollte stets der Gedanke behalten werden, dass dazu auch andere
Aspekte nötig sein können.
26
Ebd.
27
Ebd.

Kapitel 2 - Vorüberlegungen
9
2.2
Die EU: historischer Hintergrund und struktureller Rahmen
2.2.1
Die Europäische Union
Um die Funktion der Kommission und ihre PR-Arbeit nachvollziehen zu können, lohnt ein
kurzer Blick auf die Historie und Arbeitsweise der Europäischen Union:
,,Die Europäische Union (EU) ist eine Familie demokratischer europäischer Staaten, die
zusammenarbeiten, um das Leben ihrer Bürger zu verbessern und eine bessere Welt zu
errichten."
28
Nach insgesamt sechs Erweiterungen gehören der EU heute 27 Staaten
29
mit
insgesamt fast 500 Millionen Bürgern an, die 23 offizielle EU-Amtssprachen sprechen.
Die Fläche der EU erstreckt sich über 4,3 Millionen km
2
.
Die Geburtstunde der Europäischen Union schlug am 1. November 1993 mit dem In-
Kraft-Treten des in Maastricht unterzeichneten Vertrags über die Europäische Union.
Dieses Vertragswerk gilt als das bisher wichtigste in der Geschichte des Staaten-
zusammenschlusses, der bereits im April 1951 in Paris mit der Gründung der Euro-
päischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS oder Montanunion) begann. Durch
die Ratifizierung des Vertrags von Maastricht begann eine neue Ära. Die Wirtschafts-
und Währungsunion wurde eingeleitet. Zudem wurde die supranationale Kooperation
der Mitgliedsstaaten erweitert. Beruhte sie vorher auf den drei Gemeinschaften EGKS,
Euratom und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
30
, so wurde sie durch den Ver-
trag von Maastricht auf Zusammenarbeit in zwei wichtigen Politikbereichen erweitert:
auf die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie die polizeiliche und justizielle
Zusammenarbeit in Strafsachen.
,,Durch die Aufnahme dieser zwischenstaatlichen Zusammenarbeit in das bestehende ,,Gemein-
schaftssystem" schuf der Vertrag von Maastricht eine neue politische und wirtschaftliche Struktur
mit drei ,,Säulen": Die Europäische Union (EU)."
31
28
Europäische Kommission (2006c: 3)
29
Es handelt sich hierbei um die sechs Gründerstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl
(EGKS) Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande, sowie die später
dazugestoßenen Staaten Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Griechenland, Irland, Lettland, Litauen,
Malta, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, die Slowakei, Slowenien, Spanien, die
Tschechische Republik, Ungarn, das Vereinigte Königreich und Zypern. Aktuelle Kandidatenländer sind
Kroatien, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien und die Türkei.
30
Euratom und die EWG, die 1993 in EG umbenannt wurde, entstanden 1957 durch die Römischen
Verträge.
31
Europäische Kommission (2006c: 5)

Kapitel 2 - Vorüberlegungen
10
Abb. 2: Die drei Säulen der Europäischen Union
32
Innerhalb der nun über 50-jährigen Geschichte der europäischen Einigung haben die
Gemeinschaften und die EU einiges erreicht. Es gibt eine gemeinsame Währung und
das Schengener Abkommen, das die Grenzkontrollen zwischen den Schengenstaaten
abschaffte
33
. Hinzu kommen der europäische Binnenmarkt, welcher noch vor den USA
der größte der Welt ist, und das Recht auf freien Verkehr von Personen, Waren,
Dienstleistungen und Kapital. Im Oktober 2004 unterzeichneten die Staats- und
Regierungschefs den Vertrag über eine Verfassung für Europa. Er sollte alle bisher
bestehenden Verträge durch eine Verfassung ersetzen und die Rechtspersönlichkeit der
EU etablieren. Die Verfassung sollte auch die Struktur und Arbeitsweise der EU än-
dern
34
. Dies ist wichtig für das reibungslose Funktionieren einer immer größer werden-
den EU. Der Vertrag wurde bedingt durch die Referenden in Frankreich und den
Niederlanden
nicht ratifiziert. Aus dieser Krise hat die EU bis heute keinen endgültigen
Ausweg finden können. Ein neuer ,,Reformvertrag", der die Verfassung ersetzen soll, ist
zwar in Auftrag gegeben, der endgültige Text steht jedoch noch nicht. Die Länder
haben au
ß
erdem noch nicht entschieden, auf welchem Weg dieser neue Vertrag
ratifiziert werden soll.
32
Ebd.
33
Das Abkommen ist jedoch nicht an die Mitgliedschaft in der EU gebunden. Das Vereinigte Königreich
und Irland gehören beispielsweise nicht zum Schengen-Raum und neue Mitgliedsstaaten profitieren erst
nach einer gewissen Überbrückungszeit davon. Island und Norwegen haben das Abkommen unterzeichnet,
und auch die Schweiz soll bald beitreten.
34
Beispiele hierfür sind die Ernennung eines EU-Außenministers und eines Präsidenten sowie die
Neudefinition der qualifizierten Mehrheit. Durch diese Änderungen soll der EU ,,ein Gesicht gegeben" und
Beschlüsse sollen schneller und einfacher getroffen werden.

Kapitel 2 - Vorüberlegungen
11
2.2.2
Die Kommission und ihre Stellung innerhalb des Institutionsgefüges
Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben Teile ihrer Souveränität an die
Institutionen abgegeben und ihnen somit bestimmte Befugnisse delegiert. So können
für die Union als Ganzes wichtige Entscheidungen auf EU-Ebene getroffen werden. An
dieser Stelle soll zuerst ein kurzer Überblick über die Institutionen und ihre Funktion
geben werden, bevor ich die Zusammensetzung der Kommission und ihre Aufgabe
erläutern werde.
Neben dem Europäischen Gerichtshof, der die judikative Gewalt inne hat und die
Einhaltung und gleiche Anwendung des EU-Rechts in den Mitgliedsstaaten sicherstellt,
gibt es drei Institutionen, die an der Beschlussfassung beteiligt sind
35
:
Erstens das Europäische Parlament, dass durch die EU-Bürger direkt gewählt wird und
somit deren ,,demokratischen Willen und [...] Interessen bei den Diskussionen mit
anderen EU-Organen vertritt".
36
Das Parlament hat unter anderem die Kontrollfunktion
über die anderen Organe inne. Zusammen mit dem Rat verfügt es über die Haushalts-
befugnis und über die legislative Gewalt.
Zweites Beschlussorgan ist der Rat der Europäischen Union
37
, der aus einem Minister
der nationalen Regierungen pro Land besteht. Die Zusammensetzung hängt von dem
Politikbereich ab, der auf dem jeweiligen Treffen von Bedeutung ist. Wie schon gesagt,
genehmigt der Rat zusammen mit dem Parlament den Haushalt und teilt sich mit ihm
in vielen Politikbereichen die Legislative, verabschiedet also Rechtsvorschriften. Au
ß
er-
dem ist der Rat zuständig für die Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik und für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik in den Mitglieds-
staaten
38
.
Das dritte Beschlussorgan ist die EU-Kommission. An der Spitze der Kommission steht
der Präsident, den die nationalen Regierungen gemeinsam vorschlagen. Das Parlament
als Kontrollinstanz muss der Ernennung zustimmen. Die
Kommission besteht zudem
aus 26 Kommissaren, jeweils einem pro Mitgliedsstaat, die von den nationalen Regie-
rungen vorgeschlagen und nach Zustimmung des Parlaments und des Kommissions-
präsidenten durch den Europäischen Rat ernannt werden. Der Präsident sieht für jeden
Kommissar einen politischen Aufgabenbereich vor, dessen Verantwortung er für die
35
Seit dem Vertrag von Amsterdam 1997 hat auch der 1975 gegründete Europäische Rechnungshof den
Status einer fünften EU-Institution. Da der Rechnungshof allerdings die
externe Kontrolle der EU-Ein- und
Ausgaben übernimmt und keine
interne Beschluss- oder Kontrollfunktion inne hat, soll er an dieser Stelle
lediglich kurz erwähnt sein.
36
Europäische Kommission (2006c: 10)
37
Dieser Rat, der auch als Ministerrat bezeichnet wird, ist nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat,
der aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten besteht und keine Institution darstellt. Der
Europäische Rat trifft sich meist zwei Mal jährlich auf dem sogenannten EU-Gifpel, auf dem die groben
Ziele der europäischen Integration festgelegt werden.
38
Vgl. Europäische Kommission (2006c: 15)

Kapitel 2 - Vorüberlegungen
12
Dauer seiner Amtszeit übernimmt. Er designiert außerdem fünf Kommissare als seine
Vizepräsidenten.
Die Amtszeit einer Kommission beläuft sich auf fünf Jahre und deckt sich mit der
Legislaturperiode des Parlaments. Die jetzige Kommission unter dem portugiesischen
Präsidenten José Manuel Durão Barroso ist seit November 2004 und bis zum 31. Okto-
ber 2009 im Amt. Die Kommissare sind ihren Heimatstaaten gegenüber unabhängig
und repräsentieren die Gemeinschaftsinteressen. Ihr Mandat ist erneuerbar.
Die Kommission ist das Exekutivorgan der Europäischen Union. Als so genannte
,,Hüterin der Verträge" überwacht sie zusammen mit der rechtssprechenden Gewalt die
Einhaltung des EU-Rechts. Sie hat eine Regierungsfunktion, sorgt also für die Um-
setzung der Politik, eine Verwaltungsfunktion was den EU-Haushalt betrifft und eine
Repräsentationsfunktion, d.h. sie vertritt die Europäische Union nach außen. Des
Weiteren verfügt sie über das Initiativrecht, das ihr die alleinige Verantwortlichkeit
überträgt, unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips
39
neue Rechtsvorschriften vorzu-
schlagen. Diese müssen zwar von Parlament und Rat genehmigt werden, erfolgen
jedoch ausschließlich auf Initiative der Exekutiven. Daher wird von der Kommission als
,,Motor" gesprochen, der die europäische Integration vorantreibt.
2.3
Die Schlüsselrolle der Kommission in der PR der EU
Jede der vorgestellten Institutionen besitzt eine eigene PR-Abteilung, deren
Bezeichnungen sehr unterschiedlich sind. So besitzt beispielsweise der Rechnungshof
die
,,Dienststelle
Au
ß
enbeziehungen",
das
Parlament
die
,,Generaldirektion
Information", der Gerichtshof die ,,Dienststelle Presse und Information" und die
Kommission die ,,Generaldirektion Kommunikation".
Diese Abteilungen tätigen die Öffentlichkeitsarbeit der jeweiligen Institution, der sie
angehören. Für die Generaldirektion der Kommission kommt jedoch eine weitere
Aufgabe hinzu. Angesichts der in Kapitel 2 angesprochenen ,,Motorfunktion", obliegt ihr
nicht nur die Aufgabe, ihre eigenen Public Relations durchzuführen, sondern auch für
die PR-Arbeit der EU als Ganze zu sorgen: ,,Auf ihre Initiative hin werden
Öffentlichkeitsarbeits-Strategien entwickelt und vorangetrieben."
40
Christoph Olaf
Meyer
41
bestätigt: ,,the European Commission represents the communication's centre
of the EU institutional set-up". Er begründet diese Tatsache mit den täglich
39
Dem Subsidiaritätsprinzip zufolge darf die EU nur eingreifen, wenn sie die Aufgabe oder das Problem
besser lösen kann, als die Nationalstaaten alleine.
40
Loitz, Tanja (2001: 54)
41
Meyer, Christoph O. (1999: 623)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836618236
Dateigröße
925 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität des Saarlandes – Philosophische Fakultät, Romanische Kulturwissenschaft und Interkulturelle Kommunikation
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
2,0
Schlagworte
kommunikation presseresonanzanalyse pr-strategie
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Titel: Die Public-Relations-Strategie der EU-Kommission seit Maastricht
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