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Ausbildungsplatz Europa: Die Bildungsprogramme der Europäischen Union auf dem Prüfstand

Sokrates, Leonardo da Vinci, Jugend (in Aktion)

©2007 Diplomarbeit 152 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Bildung als zentraler Faktor für wirtschaftliche Entwicklung und Fortschritt – so kann vordergründig das wachsende Engagement der Europäischen Union im Bildungssektor betrachtet werden. Bestätigung erfährt diese Argumentation unter anderem durch den Lissabon-Prozess, mit dem die Gemeinschaft bis zum Jahr 2010 global zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum heranwachsen möchte. Die Voraussetzung für die Schaffung eines offenen und zugänglichen europäischen Arbeitsmarktes ist die Verbesserung der Bildung und Berufsbildung der Menschen, also die Steigerung ihres Humankapitals und in weiterer Folge ihrer Beschäftigungsfähigkeit.
Folglich sollen also in Zeiten der Verminderung von nationalen Budgets die Ausgaben für Bildung zum ökonomischen Wohle der Union beträchtlich angehoben und nicht länger als Verbrauchsausgaben, sondern als zentrale Investitionen in Wissen angesehen werden.
Die Europäische Union gilt als relativer Neuling bei der Kreation von Bildungspolitiken, obwohl bereits die Gründungsverträge eine rechtliche Basis für die gemeinschaftliche Mitwirkung an der beruflich orientierten Bildung der Mitgliedstaaten enthalten. Das Widerstreben der Nationalstaaten, essenzielle Kompetenzen im Bildungsbereich an die gemeinschaftliche Ebene abzutreten, begleitet und charakterisiert die diversen EU-Bildungsinitiativen in ihrem aktuellen Kontext nach wie vor.
Ausgehend vom ersten gemeinschaftlichen Aktionsprogramm für Berufsbildung aus dem Jahr 1976 entwickelten sich im Laufe der Zeit auch erste Maßnahmen im Allgemeinbildungssektor (‘Joint Study Programm’, ‘Erasmus’ etc.) und im Jugendbereich (‘Jugend für Europa’). Diese drei zentralen Bildungsstränge bilden noch immer die Eckpunkte der gemeinschaftlichen Bestrebungen im Bildungssektor.
Die Förderung der Mobilität erachtet die Europäische Union in ihren Bildungsinitiativen seit jeher als zentral, wobei hier besonders junge Leute dazu ermutigt werden, über einen Zeitraum von bis zu einem Jahr im europäischen Ausland zu studieren, zu lernen oder zu arbeiten. Die Unterstützungen aus den Mobilitätsinitiativen zielen dabei nicht nur auf die Entwicklung der persönlichen Ressourcen ab, sondern verfolgen weitere Ziele, die sich von einem transnationalen Verständnis, über die Entwicklung eines europäischen Bewusstseins bis zur Entstehung eines europäischen Bildungsraums erstrecken.
Die vorliegende Arbeit geht unter anderem auf diese angestrebten […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

I Einleitung

II Übersicht zentraler Begriffe und Programmentwicklung

III Entwicklungsstufen der EU-Bildungspolitik bis
3.1 Die Geschichte der Kompetenzausweitung
3.1.1 Erste Zuständigkeitsaneignungen
3.1.2 Der Europäische Gerichtshof (EuGH) als Kompetenzausweitungsorgan
3.1.3 Wirkung und Transformation dieser Programme
3.1.4 Maastricht als Expansions- und Wendepunkt

IV Programmgeneration 1995-1999
4.1 Aktionsprogramm in der Allgemeinbildung „Sokrates“ (1995-1999)
4.1.1 Programmziele
4.1.2 Teilaktionen
4.2 Aktionsprogramm in der Berufsbildung „Leonardo da Vinci“ (1995-1999)
4.2.1 Programmziele
4.2.2 Teilaktionen
4.3 Aktionsprogramm „Jugend für Europa“ (1995-1999)
4.3.1 Programmziele
4.3.2 Teilaktionen

V Programmgeneration 2000-2006
5.1 Aktionsprogramm in der Allgemeinbildung „Sokrates“ II (2000-2006)
5.1.1 Neuerungen
5.1.2 Finanzen
5.2 Aktionsprogramm in der Berufsbildung „Leonardo da Vinci“ II (2000-2006)
5.2.1 Neuerungen
5.2.2 Finanzen
5.3 Aktionsprogramm „Jugend“ (2000-2006)
5.3.1 Aktionen
5.3.2 Finanzen

VI Programmgeneration 2007-2013
6.1 Theoretische Perspektiven
6.1.1 Konzepte und Theorien zum Lebenslangen Lernen
6.2 Aktionsprogramm im Bereich „Lebenslanges Lernen“ 2007-2013
6.2.1 Neuerungen
6.2.2 Das Aktionsprogramm
6.2.3 Durchführungsbestimmungen, Verwaltung und Kontrolle
6.2.4 Finanzen
6.3 Aktionsprogramm „Jugend in Aktion“ (2007-2013)
6.3.1 Neuerungen
6.3.2 Aktionslinien
6.3.3 Finanzen
6.4 Weitere Europäisierungsentwicklungen im Bildungsbereich

VII Leistungsfähigkeit der EU-Bildungsprogramme - Aufbau und Verwaltung
7.1 Konzeption und Aufbau der Programme
7.2 Verwaltung der Programme
7.2.1 Verfahren und Prozesse
7.2.2 Exkurs Österreich: Verhältnis Europäische Kommission - Nationalagenturen – Regionalstellen - Mittlerstellen
7.2.3 Evaluierung und Kontrolle
7.2.4 Verbreitung der Ergebnisse
7.2.5 Synergien und Komplementarität
7.3 Finanzielle Ausstattung der Programme

VIII Leistungsfähigkeit der Bildungsprogramme hinsichtlich Mobilität
8.1 Diskurse zu Mobilität
8.2 Auswirkungen der Mobilität auf Teilnehmer
8.2.1 Teilnehmerzahlen
8.2.2 Motivation und Motive für Mobilität
8.2.3 Erlangte Fähigkeiten und Kenntnisse
8.2.4 Auswirkungen auf Karriere und Beruf
8.3 Auswirkungen der Mobilität auf andere Akteure
8.3.1 Jugendorganisationen
8.3.2 Unternehmen
8.3.3 Hochschulen
8.3.4 Exkurs: Europäisches Bewusstsein und Europäische Bürgerschaft
8.4 Mobilitätshindernisse und künftige Herausforderungen
8.4.1 Repräsentativität der Maßnahmen
8.4.2 Rahmenbedingungen während und nach dem Mobilitätsaufenthalt
8.4.3 Sonstige Befunde, bereits getroffene Maßnahmen und weitere Empfehlungen

IX Abschlussbetrachtungen und Ausblick
9.1 Ergebnisse
9.2 Ausblick

X Literaturverzeichnis

XI Interviewverzeichnis

Anhang – Statistik

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Darstellung Programmentwicklung EU-Bildungspolitik

Abbildung 2: Dreieck des Lebenslangen Lernens

Abbildung 3: Budgetentwicklung EU-Bildungsprogramme S.

Abbildung 4: Mobilitäten Sokrates II und Leonardo II für Österreich

Abbildung 5: Diagramm Mobilitäten Sokrates II und Leonardo II für Österreich

Abbildung 6: Erasmus-Studierendenmobilität nach Zielländern 2004/2005

Abbildung 7: Erasmus-Studierendenmobilität nach Studienfächern 2004/2005

Abbildung 8: Erasmus-Mobilität Universität Salzburg

Abbildung 9: Zielgruppenverteilung Leonardo-Mobilität in Österreich

Abbildung 10: Fördersätze Leonardo-Praktika ab 2007

I Einleitung

„Education is the best economic policy we have“

(Blair 1998, 9)

Bildung als zentraler Faktor für wirtschaftliche Entwicklung und Fortschritt – so kann vordergründig das wachsende Engagement der Europäischen Union im Bildungssektor betrachtet werden. Bestätigung erfährt diese Argumentation unter anderem durch den Lissabon-Prozess, mit dem die Gemeinschaft bis zum Jahr 2010 global zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum heranwachsen möchte. Die Voraussetzung für die Schaffung eines offenen und zugänglichen europäischen Arbeitsmarktes ist die Verbesserung der Bildung und Berufsbildung der Menschen, also die Steigerung ihres Humankapitals und in weiterer Folge ihrer Beschäftigungsfähigkeit.

Folglich sollen also in Zeiten der Verminderung von nationalen Budgets die Ausgaben für Bildung zum ökonomischen Wohle der Union beträchtlich angehoben und nicht länger als Verbrauchsausgaben, sondern als zentrale Investitionen in Wissen angesehen werden.

Die Europäische Union gilt als relativer Neuling bei der Kreation von Bildungspolitiken, obwohl bereits die Gründungsverträge eine rechtliche Basis für die gemeinschaftliche Mitwirkung an der beruflich orientierten Bildung der Mitgliedstaaten enthalten. Das Widerstreben der Nationalstaaten, essenzielle Kompetenzen im Bildungsbereich an die gemeinschaftliche Ebene abzutreten, begleitet und charakterisiert die diversen EU-Bildungsinitiativen in ihrem aktuellen Kontext nach wie vor.

Ausgehend vom ersten gemeinschaftlichen Aktionsprogramm für Berufsbildung aus dem Jahr 1976 entwickelten sich im Laufe der Zeit auch erste Maßnahmen im Allgemeinbildungssektor („Joint Study Programm“, „Erasmus“ etc.) und im Jugendbereich („Jugend für Europa“). Diese drei zentralen Bildungsstränge bilden noch immer die Eckpunkte der gemeinschaftlichen Bestrebungen im Bildungssektor.

Die Förderung der Mobilität erachtet die Europäische Union in ihren Bildungsinitiativen seit jeher als zentral, wobei hier besonders junge Leute dazu ermutigt werden, über einen Zeitraum von bis zu einem Jahr im europäischen Ausland zu studieren, zu lernen oder zu arbeiten. Die Unterstützungen aus den Mobilitätsinitiativen zielen dabei nicht nur auf die Entwicklung der persönlichen Ressourcen ab, sondern verfolgen weitere Ziele, die sich von einem transnationalen Verständnis, über die Entwicklung eines europäischen Bewusstseins bis zur Entstehung eines europäischen Bildungsraums erstrecken.

Die vorliegende Arbeit geht unter anderem auf diese angestrebten Zielsetzungen ein und eruiert ihren jeweiligen Stellenwert und Implementierungsstand in der konkreten Ausgestaltung der aktuellen EU-Bildungspolitik. Ins Blickfeld genommen wird zudem die Verwaltung und Umsetzung der Programme, da sie wesentlich über den Erfolg oder Misserfolg der Zielerreichung und der beabsichtigten Folgewirkungen entscheidet.

Als Ausgangspunkt für die Wahl dieser Thematik dient die im Zusammenhang mit den europäischen Bildungsprogrammen stets positiv besetzte Mobilität. Der Arbeitsschwerpunkt blickt hinter die Fassade einer ständig als „Erfolgsgeschichte“ dargestellten gemeinschaftlichen Bildungspolitik. Hierbei wird die allgemeine Entwicklung der gemeinschaftlichen Bildungsprogrammatiken nachgezeichnet, Stärken-Schwächen-Profile des Allgemeinbildungsprogramms „ Sokrates“ (insbesondere „Erasmus“), des Berufsbildungsprogramms „ Leonardo da Vinci “ und des Programms „ Jugend “ erstellt, Hindernisse und Herausforderungen der Mobilität aufgezeigt und der tatsächliche Mehrwert für die beteiligten Akteure ermittelt.

Basierend auf diesen Befunden konzentriert sich diese Arbeit auf die Beantwortung folgender zentraler Fragestellungen:

- Welche Einflussfaktoren haben wesentlich zur Entwicklung der EU-Bildungspolitiken beigetragen?
- Wie kann die Entwicklung der EU-Bildungsprogramme hinsichtlich Aufbau und Verwaltung von der Programmperiode 1995-1999 zur Phase 2000-2006 charakterisiert werden?
- Welche Einflüsse üben die Mobilitätsprogramme auf die Teilnehmer und zentralen Akteure aus?
- Welche Probleme und Hindernisse können speziell für die gemeinschaftlichen Mobilitätsinitiativen der EU aktuell geortet werden? Wo liegen die künftigen Entwicklungsmöglichkeiten?

Folgende Hypothesen sollen im Rahmen der Arbeit überprüft werden:

- Die konzeptionelle und verwaltungstechnische Implementierung der EU-Bildungsprogramme hat sich im Verlauf der beiden vergangenen Programmperioden in eine positive Richtung entwickelt.
- Die EU-Mobilitätsprogramme dienen nicht hauptsächlich einer Subventionierung der persönlichen Entwicklung von Teilnehmern, sondern fördern die Erzielung „umfassenderer“ multipler Ziele.
- Die EU-Mobilitätsprogramme begünstigen die Entwicklung einer pro-europäischen Elite und tragen damit wesentlich zur Entwicklung einer europäischen Bürgerschaft bei.
- Die EU-Mobilitätsprogramme produzieren vorwiegend ökonomische Mehrwerte.
- Die EU-Mobilitätsprogramme aktivieren verstärkt eine sozioökonomisch gut situierte Leistungs-Elite und schaffen bzw. verstärken somit soziale Ungleichheiten.
- Die Erträge aus den EU-Mobilitätsprogrammen sind für die beteiligten Akteure höher als die auftretenden Schwierigkeiten.

In Anlehnung an diese zentralen Forschungsthesen stellt sich der Aufbau der Arbeit folgendermaßen dar:

Das erste Kapitel (II) widmet sich der Definition von zentralen Begriffen, wobei insbesondere der Terminus „Mobilität“ abzuklären und einzugrenzen ist. Daran anschließend zeichnet Abschnitt III die historische Entwicklung der EU-Bildungsprogramme bis 1995 nach und legt hier insbesondere das Augenmerk auf die Hintergründe der kontinuierlichen Kompetenzausweitung der Gemeinschaft in diesem Politikbereich. Darauf aufbauend beschäftigen sich Kapitel IV (1995-1999) und V (2000-2006) eingehend mit den neuen Programmgenerationen ab 1995 in den drei zentralen Bereichen Allgemeinbildung, Berufsbildung und Jugend. Dabei werden bereits anhand der Programmbeschlüsse Entwicklungen und Veränderungen aufgezeigt, die schließlich in die Darstellung der aktuellsten Initiativen für den Zeitraum 2007-2013 (Kapitel VI) münden. Zudem widmet sich dieser Part in prägnanter Form theoretischen Diskursen zum „Lebenslanges Lernen“ und weiteren Europäisierungsprozessen im Bildungsbereich, die teils wesentlich die zentralen EU-Bildungsprogrammatiken beeinflussen.

In einem weiteren Schritt (Kapitel VII) wird die Konzeption und Verwaltung der EU-Bildungsprogramme kritisch unter die Lupe genommen, wobei hier schwerpunktmäßig auf die Implementierungsphasen 1995-1999 und 2000-2006 eingegangen wird. Zentrale Bedeutung kommt ebenfalls dem daran anschließenden Abschnitt (Kapitel VIII) zu, wo die Mobilitätsinitiativen in den Mittelpunkt rücken und deren Aus- und Folgewirkungen auf die Schlüsselakteure bewertet werden.

Im IX. und abschließenden Part liegt der Fokus auf der Beantwortung der eingangs formulierten zentralen Fragestellungen, wobei die im Verlauf der Arbeit gewonnenen Forschungsergebnisse dafür als Basis dienen. Darüber hinaus gilt es einen Ausblick zu eröffnen, der die Thematik in einen breiteren Kontext stellt.

Methodisch stützt sich diese Arbeit auf die Miteinbeziehung einer möglichst aktuellen Literaturbasis, die infolge der gewählten Thematik einen wesentlichen interdisziplinären Charakter aufweist. Beschlüsse, Arbeitsdokumente, Studien und Evaluationen seitens der europäischen Institutionen werden erweitert und ergänzt durch externe Fachartikel, Bücher, Forschungsarbeiten und Statistiken. Bereits am Literaturstamm ist abzulesen, dass der Schwerpunkt der bisherigen Forschung eindeutig auf Analysen der Auswirkungen von EU-Mobilitätsmaßnahmen auf die Teilnehmer selbst liegt und hierbei vorwiegend auf die Erfahrungen der Erasmus-Studierenden eingegangen wird. Weitgehend von der Forschung vernachlässigt wurden bisher nähere Analysen anderer Mobilitätsmaßnahmen von „Sokrates“, sowie die Programme „Leonardo da Vinci“ und „Jugend“ sowie die Folgewirkungen der Maßnahmen auf andere Akteure. Entsprechend widergespiegelt wird der unterschiedlich ausgiebige Literaturstamm in der konkreten Ausgestaltung der Arbeit, indem innerhalb von „Sokrates“ der Erasmus-Maßnahme überdurchschnittlich viel Aufmerksamkeit gewidmet wird, die Initiativen „Leonardo da Vinci“ und „Jugend“ jedoch ebenso möglichst ausführlich analysiert werden.

Als Ergänzung der Literaturanalyse und zur Überprüfung der daraus gewonnenen Ergebnisse wurden darüber hinaus insgesamt 5 Experteninterviews durchgeführt, deren durchschnittliche Dauer jeweils ca. 45 Minuten betrug. Bei der Auswahl der Gesprächspartner wurde das Hauptaugenmerk darauf gelegt, für jedes der drei Programme (Sokrates, „Leonardo da Vinci“ und „Jugend“) jeweils einen Vertreter einer regionalen Vermittlungs- bzw. Durchführungsstelle kritisch zum Programmablauf und dessen Auswirkungen zu befragen. Zudem wurden zwei Interviews mit Repräsentanten der nationalen Durchführungsstellen von „Sokrates“ und „Leonardo“ (Nationalagentur „Lebenslanges Lernen“) sowie „Jugend“ (Nationalagentur „Interkulturelles Zentrum“) durchgeführt, um die Thematik nochmals aus einem anderen Blickfeld zu beleuchten.

Bei allem Respekt vor meinen weiblichen Leserinnen und Kolleginnen verwende nur wegen der besseren Lesbarkeit eine neutrale Schreibweise.

II Übersicht zentraler Begriffe und Programmentwicklung

EU-Bildungspolitik

Seit ihrer Neustrukturierung mit dem Start der Programmphase im Jahr 1995 finden die gemeinschaftlichen Bildungsinitiativen der Europäischen Union im Wesentlichen in den drei Strängen Allgemeinbildung, Berufsbildung und „Jugend“ Niederschlag. Obwohl Bildung naturgemäß auch in anderer Politikbereichen der Union eine Rolle spielt, stellen die Aktionsprogramme „Sokrates“ (Allgemeinbildung), „Leonardo da Vinci“ (Berufsbildung) und „Jugend“[1] (Jugendbegegnung, Europäischer Freiwilligendienst und Jugendarbeiterfortbildung) die zentralen Instrumente dar, mit denen die Gemeinschaft hauptsächlich auf die Förderung der Bildung von jungen Menschen abzielt. In dieser Arbeit beziehen sich die Begriffe EU-Bildungspolitik, EU-Bildungsprogramme o. ä. hauptsächlich auf die angeführten Programme sowie auf das Programm für Lebenslanges Lernen, das für die Programmperiode 2007-2013 das Allgemeinbildungsprogramm „Sokrates“ und das Berufsbildungsprogramm „Leonardo da Vinci“ in einem integrierten Programm zusammengefasst hat.

Mobilität

Als Mobilität wird die „ Bewegung von Personen oder Personengruppen aus einer gesellschaftlichen Position in eine andere“ bezeichnet. Mobilität bezieht sich für gewöhnlich nicht auf ganze gesellschaftliche Gruppen (kollektive Mobilität), sondern es handelt sich in der Regel um die Mobilität von Einzelpersonen - die individuelle Mobilität. (Nohlen 1998, 392-393)

Wenn die Bewegung oder Wanderung mit einem temporären oder permanenten Wechsel des Standortes verbunden ist, handelt es sich um räumliche/geographische/regionale Mobilität, die wiederum den zentralen Aspekt der horizontalen Mobilität (Positionsveränderung ohne Statusveränderung) ausmacht. Das Gegenstück dazu ist die soziale Mobilität, die mit dem Positionswechsel eine Statusveränderung verbindet. (Nohlen 1998, 392-393)

Die Mobilitätsinitiativen in den Bildungsprogrammen der Europäischen Union zielen primär auf die Förderung einer temporären, räumlich-residenziellen[2] Mobilität ab. Diese kann einerseits zu einer permanenten Mobilität beitragen, andererseits strebt sie mittel- bis langfristig positive Auswirkungen auf die soziale Mobilität und damit auf die Arbeit, das Einkommen und den sozialen Status an.

Im EU-Kontext meint dieser Begriff also weniger die eigentliche Bewegung selbst, sondern wird als Qualifikation/Befähigung angesehen, mobil zu sein (Kristensen 2001, 421).

Insbesondere steht in den bisherigen EU-Initiativen die Förderung von jungen Menschen im Mittelpunkt, wiewohl im neuesten Programm für Lebenslanges Lernen 2007-2013 diese Festlegung etwas ausgeweitet wurde (siehe Kapitel 6.2). Auswirkungen einer Partizipation werden also naturgemäß positiv eingeschätzt. Ebenso verhält es sich mit der Konnotation der Mobilität in den Bildungsprogrammen, welche stets in einem positiven Kontext verwendet wird.

Interessant erscheint in dieser Hinsicht auch die Analyse von Kristensen (2004, 59), dass „Intra-EU-Bewegungen“ offiziell mittlerweile nicht mehr als Migration, sondern stets als Mobilität bezeichnet werden.

Humankapital

Nohlen (1998, 255) verwendet den aus dem englischen stammenden Fachbegriff zur Bezeichnung von individuellen Kompetenzen und Fähigkeiten, die auf dem Arbeitsmarkt verwendet und angewandt werden können[3]. Dies ist als Reaktion auf den Trend der Entwicklung einer „Wissensgesellschaft“ zurückzuführen. Hierbei prägt eine ständige Notwendigkeit zur individuellen Weiterqualifizierung von Beschäftigten (lebenslanges Lernen) die eigenen Chancen am Arbeitsmarkt. Weiters beeinflussen die öffentlichen Investitionen in Humankapital (in das Bildungssystem) nicht nur die Individuen sondern auch die Zukunftschancen der gesamten Volkswirtschaft. Im Sinne der Humankapitaltheorie wird die Arbeitskraft zum Investitionsgut, in welches zur Verbesserung des Arbeitsvermögens und der Produktivität investiert werden kann[4]. (Nohlen 1998, 255)

Darüber hinaus verfolgt die Europäische Union damit ein weiteres Ziel: „Die Investitionen in die Humanressourcen sind bei gerechter und effizienter Verteilung verfügbarer Mittel zu steigern, damit der offene Zugang zur allgemeinen und beruflichen Bildung erleichtert und deren Qualität verbessert wird.“ (Rat der EU 2002, 2)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

III Entwicklungsstufen der EU-Bildungspolitik bis 1995

3.1 Die Geschichte der Kompetenzausweitung

3.1.1 Erste Zuständigkeitsaneignungen

In den Verträgen von Paris (zur Gründung der EGKS, 1951) und Rom (zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 1957) finden sich die ersten Anzeichen dafür, dass die zunächst primär auf wirtschaftliche Belange ausgerichtete Gemeinschaft überdies auch Kompetenzgewinne im bildungspolitischen Bereich anstrebt. Der Vertrag von Rom enthält jedoch lediglich einen auf Berufsbildung bezogenen Passus, der an die Hauptantriebsfeder zur Schaffung eines gemeinsamen Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalmarktes gebunden ist (Ertl 2002, S. 7).

Auf dieser Rechtsbasis für Berufsbildung wurden im Jahr 1963 allgemeine Prinzipien für eine gemeinsame Berufsbildungspolitik geschaffen, die zu Beginn nicht über den Status eines gemeinsamen Rahmenwerks für künftige Kooperation hinausgingen, später jedoch noch eine erhöhte Bedeutung erlangen sollten (Pépin 2007, 121).

Dieser Gründungsphase folgte nach einem Beschluss der Bildungsminister zur Aufstellung von Kooperationsprinzipien im Juni 1974 (Corbett 2003, 321) die Expansionsperiode ab 1976 mit der Einführung der ersten gemeinsamen Programme für Bildung und dem Konzept einer europäischen Dimension in Bildung und Ausbildung. Die Ergebnisse des „Janne-Reports“ (für eine Gemeinschaftspolitik im Bereich Bildung) bildeten die stimulierende Basis für die folgenden Programme, die als Gründung der Kooperation in allgemeiner Bildung gesehen werden können (Europäische Kommission 1993, S. 17)

Wäre es nach den ehrgeizigen Plänen der Kommission gegangen, hätte allerdings bereits ca. 10 Jahre früher ein gemeinschaftliches Berufsbildungsprogramm gestartet werden können. Verhindert wurde die erste Initiative zur Schaffung eines Aktionsprogramms zur Berufsbildung sowie ein zweites Bestreben zur Umsetzung eines beschleunigten Berufsausbildungsprogramms[5] aber hauptsächlich durch Kompetenz- und Finanzierungsstreitigkeiten mit einigen Mitgliedsstaaten, zuvorderst mit Deutschland und Frankreich (Petrini 2004, 56-57). Zudem wurden in den 1970-er Jahren die weit reichenden bildungspolitischen Pläne durch Rückschläge wie die Energie- und Finanzkrise abgebremst, da infolgedessen Integrationsthemen zugunsten nationaler Interessen deutlich in den Hintergrund rückten (CHEPS 2000, 20).

Das erste gemeinschaftliche Aktionsprogramm für Bildung (1976) widmete sich, als Reaktion auf die verstärkt auftretende Problematik der Jugendarbeitslosigkeit, Maßnahmen wie der Bewältigung eines reibungsloseren Übergangs von Jugendlichen von der Pflichtschule zur Arbeitswelt, der Verbesserung des Ausbildungsangebots für arbeitende Migranten sowie kooperationsfördernden Bereichen wie beispielsweise dem wechselseitigen Verständnis der unterschiedlichen Bildungssysteme und der Förderung der Sprachausbildung in den Mitgliedsstaaten (Corbett 2003, 322). Jenes erste gemeinschaftliche Aktionsprogramm wurde zwar nicht als sehr weitreichend empfunden (de Wit/Verhoeven 2001, 181), stellte jedoch ein starkes politisches Signal dar, auf gemeinschaftlicher Ebene kooperieren zu wollen. Das Harmonisierungsverbot und die Erhaltung der Diversität der Bildungssysteme mussten wiewohl streng beachtet werden (Pépin 2007, 123).

In den frühen 1980-er Jahren konnten dann die größten Erfolge des Aktionsprogramms erzielt werden: Mit den gemeinschaftsfinanzierten „Joint Study Programmen“ und den „Kurzstudienprogrammen“ („Short Study Visits“), die im Rahmen des Kooperationsprogramms in der Hochschulbildung geschaffen wurden. (Corbett 2003, 324).

Das vorerst für drei Jahre anberaumte erste Aktionsprogramm für Bildung wurde später prolongiert und konnte vor allem dahingehend Erfolge verbuchen, dass die Berufsbildungsinfrastruktur in wirtschaftlich strauchelnden Regionen (z.B. Süditalien, Irland, Nordirland) konsolidiert und ausgebaut wurde (Ertl 2003, 7). Probleme hinsichtlich der Implementierung des Programms traten hingegen als Folge der fehlenden Rechtsbasis für Bildung in den Verträgen von Rom auf. Zu Beginn der 1980-er Jahre (1981) entschied sich die Kommission für die Eingliederung der Bereiche Allgemeinbildung, Berufsbildung und Jugendpolitik in ihre Generaldirektion (GD) für Arbeit und Soziales. Folglich wurde die Allgemeinbildung aus der GD Forschung herausgelöst, um damit diese Bereiche enger aufeinander abstimmen zu können (Pépin 2007, 124).

3.1.2 Der Europäische Gerichtshof (EuGH) als Kompetenzausweitungsorgan

Einen wesentlichen Beitrag zum Ausbau der EG-Aktivitäten im Bildungs- und Ausbildungsbereich ab Mitte der 80-er Jahre leisteten diverse Rechtssprüche des EuGH, die den Artikel 128 des EWG-Vertrags für die Erweiterung der Kompetenzen der Gemeinschaftsorgane in diesem Politikbereich auslegten. Insbesondere wurde der Begriff „Beruf“ weiter ausgelegt, was es der Kommission ermöglichte, Kompetenzen im Bereich Hochschul- und Weiterbildung zu übernehmen (Ertl 2003, 8). Hierbei gelten die Fälle “Gravier”[6] und “Erasmus” als einflussreichste Entscheidungen in einer Serie von Fällen, die geholfen haben gewisse Rechte und Erwartungen aufzubauen. (Ertl 2000, zitiert nach Ertl 2003, 5; Fritsch 1998, 15ff.) Neben der Klärung nach Vorliegen des Diskriminierungsverbots nach Artikel 7 EWGV hatte der Gerichtshof beim Fall Gravier zu entscheiden, ob der Unterricht in der Fachrichtung „Comic Strips“ in den Anwendungsbereich des EWG-Vertrags fällt. Die Bejahung beider Fragen durch den EuGH hatte zur Folge, dass der Begriff der Berufsausbildung fortan die Hochschulbildung inkludierte, da ein Studium auch der Berufsausbildung diene und insofern von Artikel 128 EWGV zu erfassen sei. (EuGH 1985, Entscheidungsgrund 30)

Darüber hinaus entschied der EuGH, dass die 1963 geschaffenen „Allgemeinen Prinzipien über Berufsbildung und Ausbildung“ als Teil der EG-Verträge handzuhaben sind, wodurch sich die regulative Macht der Kommission im originären Berufsbildungsbereich ebenfalls erweiterte (Ertl 2003, 8).

Ab der Mitte der 1980-er Jahre haben neben den EuGH-Urteilen zugunsten der bildungspolitischen Initiativen der Europäischen Kommission folgende Faktoren dazu beigetragen, dass einige neue Programme im Bildungsbereich ins Leben gerufen wurden: Die massive Steigerung der Jugendarbeitslosigkeit, die durch die neuen Informationstechnologien aufgetretenen Herausforderungen sowie die Erweiterung der politischen Sicht der Kommission weg von ökonomischen Sphären. Ferner wurde durch die am 1. Juli 1987 in Kraft getretene Einheitliche Europäische Akte die allgemeine und berufliche Bildung als eine neue Priorität der Gemeinschaft festgelegt sowie die „europäische Dimension im Bildungswesen“ als unverzichtbares gemeinschaftliches Erfordernis festgeschrieben. (Europäische Kommission 1994, 10)

Ironischerweise dürfte sich das Fehlen einer klaren Rechtsbasis für den Bildungsbereich als hilfreich bei der Kreierung der neuen gemeinschaftlichen Bildungsaktionen erwiesen haben. Dies ermöglichte es der Kommission eine kreative Bildungsprogrammatik zu schaffen. Diese Kreativität und Freiheit wäre laut De Wit (2002, 52) schwieriger zu schaffen gewesen, wenn dafür eine formale Rechtsstruktur existiert hätte. Am Beginn dieser Expansionsphase steht die Initiative „Comett“ (EG-Aktionsprogramm in technologischer Bildung und Ausbildung[7] ), die ein Jahr nach ihrer Gründung 1986 durch die folgenden Programmen ergänzt wurde:

- „ Erasmus “ (EG-Aktionsprogramm für die Mobilität von Universitätsstudierenden) und etwas später
- „Petra“ (1988) (EG-Aktionsprogramm für Berufsausbildung von Jugendlichen und ihre Vorbereitung auf das Erwachsenen- und Erwerbsleben)[8]
- „ Eurotecnet “ (Europäisches Technologienetzwerk für Beruf zur Förderung von innovativen Ansätzen auf dem Gebiet der Erstausbildung und Weiterbildung)[9]
- „ Lingua “ (Programm für die Förderung von Fremdsprachenkenntnissen in der EG zur Förderung der Kommunikationsfähigkeit innerhalb der Gemeinschaft)[10] und
- „ Iris “ (Europäisches Gemeinschaftsnetzwerk für die berufliche Bildung von Frauen).

(Ertl 2003, 8).

In den folgenden Jahren wurden die bereits angelaufenen Initiativen verbessert bzw. verlängert sowie einige neue Programmelemente hinzugefügt. Beispielsweise startete 1988 die Aktion „Yes“ (1988) zur Förderung von Jugendaustausch in der Europäischen Gemeinschaft sowie 1991 ein Programm für Studienbesuche von Fachkräften im Bildungsbereich („Arion“) (Manning 1994, 139, zitiert nach: Ertl 2003, 9). Das Gesamtbudget für diese Programme betrug zwischen 1990 und 1994 mehr als ECU 1 Mrd., also bereits andere finanzielle Dimensionen als jene ECU 14 Millionen, die für die Periode von 1980-1984 für diesen Bereich verwendet wurden (Pépin 2007, 124).

Bis zum Jahr 1989 beschränkte sich die Zugänglichkeit sämtlicher Aktionsprogramme im Bildungsbereich ausschließlich auf EG-Länder. Zur Verstärkung des europaweiten Charakters wurde 1990 COMETT und 1992 „ERASMUS“ für die Beteiligung der EFTA-Länder geöffnet (Fritsch 1998, 35). Das heißt, dass sich auch Österreich seit 1990 bzw. 1992 an den EU-Bildungsinitiativen beteiligten konnte.

3.1.3 Wirkung und Transformation dieser Programme

Die zahlreichen, ab Mitte der 1980-er Jahre kreierten, gemeinschaftlichen Bildungsprojekte und -programme zielten hauptsächlich auf die Förderung der Europäisierung der Lernmöglichkeiten ab. Demzufolge standen die Förderung von gemeinsamen Pilotprojekten und transnationalen Initiativen sowie der Austausch von Programmteilnehmern (Studierende, Lehrlinge, ausgebildete Arbeiter etc.) im Zentrum der Bemühungen. Komplettiert wurde die Agenda durch die Förderung des Austauschs von Informationen über Bildungspraktiken in anderen Ländern und der Durchführung von vergleichenden Studien zwischen den involvierten Staaten (Ertl 2003, 10).

Die positivsten Ergebnisse konnte bereits in diesem frühen Entwicklungsstadium das Hochschul-Aktionsprogramm „Erasmus“ aufweisen, dem aber auch beträchtlich mehr finanzielle Ressourcen als anderen Projekten in diesem Politikbereich zur Verfügung standen[11]. (Ertl 2003, 12) Insbesondere „Erasmus“ wurde in der Öffentlichkeit zum Inbegriff der gemeinschaftlichen Maßnahmen im Bildungswesen (Fritsch 1998, 35). Dem Studierenden-Mobilitätsprogramm lag die Idee zu Grunde, mobilen Studierenden einen „europäischen Horizont“, Erfahrungen, entsprechendes Hintergrundwissen sowie verbesserte Sprachkenntnisse anzubieten und somit ideale Studienabsolventen zu schaffen. „Erasmus“ versuchte durch die Anerkennung der im Ausland erbrachten Studienleistungen (1989 Einführung des ECTS-Systems) einen durch das Auslandsstudium entstehenden Zeitverlust zu vermeiden (Fritsch 1998, 31). Im Erasmus-Programm stiegen die Partizipationszahlen zwar von Jahr zu Jahr kontinuierlich an, das eher als visionär zu betrachtende Ziel von 1/10 der Studierenden als Programmteilnehmer wurde hingegen stets bei weitem verfehlt.

Der Großteil der anderen ab Mitte der 1980-er Jahre geschaffenen Aktionsprogramme wurde mehr als Experimentierfeld betrachtet und musste sich trotz ambitionierter Zielsetzungen mit relativ bescheidenen finanziellen Mitteln zufrieden geben (Ertl 2003, 8). Das Budget der zweiten Phase von „PETRA“ (1992-1995) betrug etwa ECU 104 Mio. und während der gesamten neunjährigen Programmphase wurden mehr als 35.000 Mobilitätspraktika absolviert. (Kristensen 1998, 279)

Als weitere Gründe für die mäßigen Resultate der diversen Aktionen nennt Ertl unter anderem den Widerstand in den Mitgliedsstaaten in Bezug auf extern vorgeschlagene Reformen und Innovationen, die durch die EU-Projekte verursacht werden, die bürokratischen Hindernisse auf europäischer und nationaler Ebene sowie die mangelnde Unterstützung der Projektteilnehmer und das Fehlen bzw. die ungenügende Verbreitung der Projektergebnisse sowie externe Evaluationen (Ertl 2003, 10-11).

Darüber hinaus wiesen die meisten Aktionen keine lange Lebensdauer auf, da sie nach relativ kurzer Programmdauer von drei bis vier Jahren in vielen Fällen nicht mehr weiterfinanziert wurden (Ertl 2003, 11).

Ebenso lehren die ersten programmatischen Erfahrungen im Bildungsbereich, dass den Aktionen dann größere Chancen zur Initiierung und Beeinflussung der Richtung von Reformen beschieden sind, wenn diese Bereiche nicht nationalen Regulierungen unterliegen. Etwa konnten für die Weiterbildungs- und Fortbildungsprogramme maßgeblichere Einflüsse konstatiert werden, als für jene Bereiche im Ausbildungssektor, wo die Aussicht auf innovative Reformen in den meisten europäischen Staaten durch verschiedene Mechanismen der Mitbestimmung der Sozialpartner eingeschränkt waren (Ertl 2002, 16).

3.1.4 Maastricht als Expansions- und Wendepunkt

Da die Rechtsbasis für diese Aktionsprogramme allerdings weiterhin Undurchsichtigkeiten aufwies[12], ging man im Zuge der Kreation des Vertrags von Maastricht (EU-V) daran, eine neue Rechtsbasis für die Gemeinschaftsaktivitäten in Bildung und Ausbildung zu schaffen.

Entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip[13] (Art. 3b des EU-Vertrags) [...] „kann die Europäische Union im Bereich Bildungs- und Berufsbildungspolitik nur dann tätig werden, wenn die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedsstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können.“ (Europäische Union 1992)

Speziell auf die Politikbereiche „Allgemeine und berufliche Bildung“ sowie „Jugend“ beziehen sich die Artikel 126 und 127 des EU-Vertrags, wobei erstmals im primären Gemeinschaftsrecht eine Differenzierung zwischen den beiden Bildungsarten erfolgt. (Fritsch 1998, 70)

Der erste Rechtsakt billigt der Gemeinschaft Kompetenzen zur Entwicklung einer qualitativ hoch stehenden Bildung, um die Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten zu fördern sowie deren Tätigkeiten in diesem Bereich zu ergänzen und zu unterstützen, ohne die Verantwortung der Staaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie der Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen in Frage zu stellen. Unter anderem verfolgt die EU damit folgende Ziele: Einen Beitrag zur Entwicklung einer europäischen Dimension im Bildungswesen zu leisten sowie die Mobilität von Lernenden und Lehrenden sowie den Ausbau des Jugendaustausches und des Austausches sozial-pädagogischer Betreuer zu fördern. Diesbezüglich strebt sie auch eine Ausdehnung ihrer Aktionsprogramme auf Drittländer sowie eine enge Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie beispielsweise dem Europarat an (Europäische Union 1992, Art. 126).

Artikel 127 bezieht sich auf die berufsspezifische Bildungspolitik der Gemeinschaft, wobei die EU hier bereits seit Anbeginn Kompetenzen eingefordert hat. Die Zielformulierungen umfassen unter anderem die Förderung der Mobilität der Ausbilder und der in beruflicher Bildung befindlichen Personen, insbesondere der Jugendlichen“ (Europäische Union 1992, Art. 127). Während Artikel 126 EU-V lediglich einen Beitrag der Gemeinschaft im Bereich der allgemeinen Bildungspolitik vorsieht, bestimmt Artikel 127 EU-V, dass die Gemeinschaft „grundsätzlich“ eine Politik der beruflichen Bildung führt. (Fritsch 1998, 79) Indes befindet Pépin, dass sich zwar die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Allgemeinbildung durch den EU-V verbessert haben, man jedoch davon Abstand genommen hat, wiederum eine „gemeinsame“ Berufsbildungspolitik festzuschreiben und diese nun denselben Restriktionen wie die EU-Allgemeinbildungsinitiativen unterliegt, nämlich der Subsidiarität und der Verantwortung der Mitgliedsstaaten für den Inhalt und die Organisation (Pépin 2007, 125).

Rotter (2005, 34; so auch Fritsch 1998, 81) konstatiert, dass diese eindeutige Kompetenzregelung in Bildungsfragen durch den EU-V primär mit wirtschaftlichen Gemeinschaftsinteressen begründet wird, wobei als Ziel die Mobilisierung von Humanressourcen gilt.

Die durch den EU-Vertrag von Maastricht geschaffene neue Rechtsbasis für die bildungspolitischen Ambitionen der Gemeinschaft bildete das Fundament für zahlreiche neue Programme, die bereits bestehende Initiativen in neue Rahmenwerke („Sokrates“, „Leonardo da Vinci“ und „Jugend für Europa“) eingliederte. Die teils massiv ausgeweiteten finanziellen und organisatorischen Ressourcen führten wiederum zu neuen Maßnahmen und zu einer Expansion auf bisher noch nicht inkludierte Zielgruppen, was auch die Bedeutung und Auswirkungen der gemeinschaftlichen Bildungspolitiken signifikant ansteigen ließ.

Ertl konstatiert, dass durch die Auswirkungen des EU-Vertrags von Maastricht eine „Konsolidierungsphase“ in der europäischen Bildungspolitik eingeleitet wurde (Ertl 2003, 2-3).

IV Programmgeneration 1995-1999

Das planmäßige Auslaufen der EU-Bildungsprogramme mit Ende 1994 veranlasste die Kommission dazu, bereits 1993 Vorschläge für die neue Programmgeneration zu unterbreiten. Diese beruhten sowohl auf den durch den EUV sowie den EuGH-Urteilen ausgeweiteten und durch das Subsidiaritätsprinzip eingeschränkten Kompetenzen als auch auf den Erfahrungen der bereits implementierten Aktionsprogramme.

Hierbei versuchte sie besonders auf die Sicherstellung der notwendigen Kontinuität und Wirksamkeit der bisherigen Programme zu achten, jedoch nicht ohne notwendige Modernisierungs- und Rationalisierungsprozesse vorzunehmen und die Synergieeffekte zu erhöhen. (Europäische Kommission 1993, 183 endg. Vom 05. Mai 1993, 1)

Die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform und Zusammenfassung der einzelnen Bildungsprogramme sowie einer Umgestaltung der nationalen Bildungssysteme wurde angesichts einer sich, infolge von Globalisierung und technologischem Wandel, rapide veränderten Welt auch zunehmend von den Mitgliedsstaaten anerkannt. Das Ziel der Entwicklung einer wettbewerbsfähigen auf Wissen basierenden Wirtschaft und Gesellschaft wurde mehr und mehr mit dem neuen Begriff des Lebenslangen Lernens (erstmals im Weißpapier zu „Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ von der Europäischen Kommission 1993) in Verbindung gesetzt (Pépin 2007, 126). Jedoch wurde der erste Vorschlag für ein integriertes Bildungsprogramm im Bereich Lebenslanges Lernen von der Kommission erst im Jahr 2004 für die Programmperiode 2007-2013 präsentiert.

4.1 Aktionsprogramm in der Allgemeinbildung „Sokrates“ (1995-1999)

Der Weg für die Entwicklung eines gemeinschaftlichen Arbeitsprogramms im Bereich der allgemeinen Bildung wurde durch die erfolgreiche Implementierung von Initiativen wie dem Erasmus-Programm zur Förderung der Mobilität von Hochschulstudierenden (ab 1987) oder dem Programm zur Förderung der Fremdsprachenkenntnisse „Lingua“ (ab 1989) geebnet.

Als Rechtsbasis des Sokrates-Programms liegt Artikel 126 des EU-Vertrags von Maastricht zugrunde, wonach die Gemeinschaft die bildungspolitischen Tätigkeiten der Mitgliedsstaaten unter strikter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips unterstützt und ergänzt, um zur Entwicklung einer qualitativ hoch stehenden Bildung beizutragen (Europäische Union 1992, Art. 126). Da allerdings ein Teil der Maßnahmen des Sokrates-Programms die Berufsbildung betrifft und damit über die Bestimmungen des Artikels 126 hinausgeht, stützen sich diese auf den die berufliche Bildung behandelnden Artikel 127, sind jedoch dem Sinn nach der Allgemeinbildung zuzuordnen (Rat der EU 1995a, 1).

4.1.1 Programmziele

Das grundsätzliche Ziel des neu geschaffenen Aktionsprogramms „Sokrates“ besteht darin, einen Beitrag zur Entwicklung einer „qualitativ hoch stehenden allgemeinen und beruflichen Bildung und eines offenen europäischen Raums der Zusammenarbeit im Bildungswesen zu leisten“ (Rat der EU 1995a, 3 – Art. 1/1).

Als eine der zentralen Zielsetzungen des Programms gilt die Förderung des Gedankens der Unionsbürgerschaft, welche durch die Entwicklung einer europäischen Dimension im Unterricht auf allen Bildungsebenen begünstigt werden soll. Die Verbesserung der quantitativen und qualitativen Sprachkenntnisse, und hier insbesondere der weniger häufig gesprochenen und verbreiteten, wird ebenfalls angestrebt, um das Verständnis und die Solidarität in der Union sowie die interkulturelle Unterrichtsdimension zu fördern. Ferner wird der Herausbildung eines offenen europäischen Raums für die Kooperation im Bildungswesen ein hoher Stellenwert zuteil. Dies gilt es durch die Förderung der akademischen Anerkennung von Studienabschlüssen, Studienzeiten und anderen Qualifikationen zu erreichen. Desgleichen soll die Zusammenarbeit zwischen den Bildungseinrichtungen aller Stufen in den Mitgliedsstaaten die bessere Nutzung ihres intellektuellen und pädagogischen Potentials begünstigen.

An zentraler Stelle im neu aufgestellten Sokrates-Programm steht die Förderung der Mobilität von Studierenden und Lehrkräften. Angestrebt wird dies unter anderem deshalb, um zur Kreation einer europäischen Dimension im Unterricht und Bildungswesen sowie zur qualitativen Ausweitung ihrer beruflichen Qualifikationen beizutragen. Schließlich möchte das vorliegende Programm Initiativen zum offenen Unterricht und zur Fernlehre setzen und den Informations- und Erfahrungsaustausch der Ergebnisse des Programms verstärkt forcieren (Rat der EU 1995a, 4 – Art. 3).

4.1.2 Teilaktionen

Hinsichtlich der Erreichung der genannten Ziele werden zahlreiche Aktionen in den drei Bereichen „Hochschulbildung“ („Erasmus“), „Schulbildung“ („Comenius“) und „Bereichsübergreifende Maßnahmen“ umgesetzt.

Aktion 1 innerhalb von „Erasmus“ widmet sich der Förderung der europäischen Dimension in den Hochschulen. Insbesondere wird hierbei die Entwicklung von transnationalen Hochschulkooperationen forciert, die folgende Eckpunkte umfassen:

- Mobilität von Studierenden
- ECTS als Anerkennungsstandard
- Gemeinsame Entwicklung von Studienprogrammen für Grund- oder Fortgeschrittenenniveau
- Mobilität von Dozenten
- Intensive Lehrprogramme von kurzer Dauer und
- Studienbesuche zur Vorbereitung der Kooperation (Rat der EU 1995a, 8-9).

Schwerpunktmäßig wird die Förderung der Mobilität von Studierenden sowie deren Finanzierung durch Erasmus-Stipendien hingegen von Aktion 2 des Erasmus-Programms behandelt. Dieses soll Studierenden der beteiligten Länder dazu ermutigen, einen Teil ihres Studiums (zumindest drei Monate oder ein Trimester, höchstens ein akademisches Jahr) im Ausland zu verbringen, ohne dass dafür im Gastland Einschreibe- und Studiengebühren für die Mobilitätsteilnehmer eingehoben werden. Die zumindest in ihrem zweiten Studienjahr studierenden Bezieher der Erasmus-Stipendien (Höchstbeitrag von 5.000 ECU bei 12 Monaten Maximaldauer) sollten über ausreichende Kenntnisse der Sprache, in der die Lehrveranstaltungen der Gasthochschule abgehalten werden, verfügen. Um maximal vom Auslandsaufenthalt profitieren zu können, sind die absolvierten Auslandsstudien von den Herkunftshochschulen voll anzuerkennen. Die Verwaltung der Erasmus-Mobilitätsmittel wird durch die nationalen Stipendienvergabestellen übernommen und abgewickelt (Rat der EU 1995a, 10).

„Erasmus“ verstärkt seine Initiativen aber auch in Hinblick auf die stärkere Einbeziehung von nicht-mobilen Studierenden, indem die Hochschulen dabei unterstützt werden, eine transnationale Dimension zu entwickeln, die dem gesamten Spektrum des Studienangebots eine europäische Dimension verleihen. (Fritsch 1998, 117) Mit Beginn des Studienjahres 1997/1998 verlagerte sich überdies die Verantwortung der Verwaltung für die Studierendenmobilität weg von den Netzwerken international kooperierender Fachbereiche hin zu einem sämtliche Sokrates-Aktivitäten umfassenden institutionellen Rahmenvertrag, welcher fortan zwischen den Hochschulen und der Europäischen Kommission abzuschließen ist. Jede Institution, die ihren Antrag für Sokrates-Unterstützungen einreichte, wurde dazu aufgefordert ein „European Policy Statement“ (EPS) hinzuzufügen, welches nun ein Rahmenwerk für alle europäischen Aktivitäten im Hochschulbereich bildet (Teichler 2002, 14, 17).

An dem Faktum, dass mindestens 55% der für das Aktionsprogramm „Sokrates“ verfügbaren Finanzressourcen in den Teilbereich Hochschulbildung („Erasmus“) fließen sollten (Rat der EU 1995a, 10), ist bereits abzulesen, wie die Prioritäten innerhalb der Initiative verteilt sind.

Innerhalb des Schulbildungsbereichs „Comenius“, dessen Schaffung direkt auf den Vertrag von Maastricht zurückgeht[14], werden multilaterale Partnerschaften zwischen schulischen Einrichtungen gefördert, wobei diese unter anderem zur Teilnahme von Schülern an gemeinsam festgelegten Europäischen Bildungsprojekten (EBP) und zur Verbesserung ihrer Sprachkenntnisse auch im Rahmen von Mobilitätsmaßnahmen führen können (Aktion 1). Verstärkter Fokus wird auch auf die Erziehung von Wanderarbeiterkindern, von Nichtsesshaften wie Roma und Sinti gelegt, womit eine neue „interkulturelle Dimension“ in den Zielkatalog von „Sokrates“ aufgenommen wurde. Unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Bildungsbedürfnisse und Begabungen wird eine Verbesserung der schulischen Betreuung und der Qualität der Bildung angestrebt und Aktionen zur interkulturellen Erziehung, die sich an alle Schüler richten, umgesetzt (Aktion 2). Der dritte Aktionsbereich hat die Aktualisierung und Verbesserung der Qualifikation des Lehrpersonals im Auge, wobei hier sowohl transnationale Projekte als auch Mobilitätsmaßnahmen für Lehrpersonal vorgesehen sind. (Rat der EU 1995a, 11-12)

Im Gegensatz zu „Erasmus“ sind für die Aktionen des Schulbildungsbereichs „Comenius“ lediglich mindestens 10% der Sokrates-Mittel vorgesehen (Rat der EU 1995a, 11), was aber wohl auch darin zu begründen ist, dass „Erasmus“ bereits eine erfolgreiche Vorlaufzeit hinter sich hat und „Comenius“ als neues Programm noch in den Kinderschuhen steckt.

Die Aufnahme des Schulbereichs „Comenius“ in das Sokrates-Programm signalisiert, dass der Schule nunmehr eine Schlüsselrolle bei der Schaffung eines offenen Bildungsraumes zukommt. Bereits vom Vorschulalter an sollen ein Beitrag zur Schaffung einer europäischen Dimension und zur Entwicklung einer qualitativ hoch stehenden Bildung geleistet werden. Damit einhergehend sollen „europäische“ Werte wie Demokratie, Achtung der grundlegenden Menschenrechte, Respekt des Andersartigen und Toleranz vermittelt werden. Zu fördern ist nach den Wünschen der Union weiters das langfristige Ziel, eine europäische Staatsbürgerschaft herauszubilden (Fritsch 1998, 125).

Schließlich trachten die bereichsübergreifenden Maßnahmen danach, die beiden Bereiche „Erasmus“ und „Comenius“ zu ergänzen und die Verbesserung der Fremdsprachenkenntnisse in der Gemeinschaft („Lingua“ – Aktion 1) zu fördern. Die Entwicklung von offenem Unterricht und Fernlehre, der Informations- und Erfahrungsaustausch (z.B. Ausbau des Bildungsinformationsnetzes EURYDICE) und weitere Maßnahmen, darunter die Erwachsenenbildung werden ebenfalls verstärkt behandelt. Wenigstens 25% der „Sokrates“ zur Verfügung stehenden Mittel sollten in die „Bereichsübergreifenden Maßnahmen“ investiert werden (Rat der EU 1995a, 13).

4.2 Aktionsprogramm in der Berufsbildung „Leonardo da Vinci“ (1995-1999)

Die Entwicklung einer gemeinschaftlichen Politik der beruflichen Bildung geht auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Art. 189c) zurück, wonach es der Gemeinschaft zusteht, Initiativen in diesem Bereich zu setzen, welche die Maßnahmen der Mitgliedstaaten unterstützen und ergänzen (Rat der EU 1994, 1).

Nach der 1963 beschlossenen gemeinsamen Erlassung von Grundsätzen einer Berufsbildungspolitik wurden die ersten konkreten Aktionsprogramme, die sich vorrangig um die Bekämpfung des neuen Phänomens der Jugendarbeitslosigkeit drehten, ab dem Jahr 1976 implementiert. Ein Jahrzehnt später folgte der Startschuss für ein Programm über die technologische Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Wirtschaft im Bereich Aus- und Weiterbildung (1986) sowie „Petra“ als Berufsbildungsprogramm für Jugendliche zur Vorbereitung auf das Erwachsenen- und Erwerbsleben (1987). Weitere Initiativen im Berufsbildungsbereich wurden von der Kommission mit dem Aktionsprogramm „Eurotecnet“ (1989) zur Förderung von Innovationen in der Folge des technologischen Wandels, durch die Annahme des Aktionsprogramms „Force“ (Förderung der beruflichen Weiterbildung) 1987 und schließlich durch die Implementierung des Fremdsprachenförderungsprogramms „Lingua“ (1989) gesetzt (Rat der EU 1994, 1).

Eine neue rechtliche Basis erlangten die EG-Ambitionen in der Bildungspolitik durch den Vertrag zur Gründung der Europäischen Union (Vertrag von Maastricht, EU-V). Das im Jahr 1995 geschaffene Aktionsprogramm zur Durchführung einer Berufsbildungspolitik der Europäischen Gemeinschaft „Leonardo da Vinci“ basiert auf Art. 127 des EU-V, durch den die Gemeinschaft zur Durchführung einer eigenen Politik der beruflichen Bildung ermächtigt ist, welche „die Maßnahmen der Mitgliedsstaaten unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedsstaaten für Inhalt und Gestaltung der beruflichen Bildung unterstützt und ergänzt (Europäische Union 1992, Art. 127).

4.2.1 Programmziele

Im Beschluss des neuen Gemeinschaftsprogramms „Leonardo da Vinci“ wurden die bisherigen Einzelprogramme „Comett“, „Eurotecnet“, „Force“, „Petra“ und Teile von „Lingua“ zusammengefasst und strebten eine enge Verknüpfung der zuvor getrennten Aktionslinien an, wobei auch neue, innovative Elemente hinzugefügt wurden. (Fritsch 1998, 133)

Das Berufsbildungsprogramm „Leonardo da Vinci“ zielt auf eine Verbesserung der Qualität und Innovationsfähigkeit der Berufsbildungssysteme und -maßnahmen in den Mitgliedsstaaten und auf eine schrittweise Entwicklung eines offenen europäischen Raums im Bereich der Berufsbildung und der beruflichen Qualifikation ab.

Der Ausbau der Attraktivität des berufsbildenden Unterrichts und der Berufsbildung soll mit dem Eintreten für ein äquivalentes Ansehen von beruflichen Qualifikationen und Hochschulabschlüssen einhergehen. Weiters wird die Förderung der europäischen Dimension in der Berufsbildung und –Beratung sowie der Sprachkenntnisse im Bereich der Berufsbildung verfolgt. Das Programm „Leonardo“ möchte allen Jugendlichen der Gemeinschaft die Chance bieten, nach Abschluss ihrer Vollzeitschulpflicht für die Dauer von zumindest einem Jahr an einer beruflichen Erstausbildung teilzunehmen, die mit einer von den zuständigen Behörden des jeweiligen Mitgliedsstaates anerkannten beruflichen Qualifikation abgeschlossen wird. Einen Schwerpunkt des Programms bildet die Förderung von benachteiligten Zielgruppen, die einen gleichberechtigten Zugang zur Erst- und Fortbildung erhalten sollen. Schließlich besteht ein Ziel des Programms auch in der Förderung des lebenslangen Lernens, um eine kontinuierliche Anpassung der Kenntnisse und Fähigkeiten zu ermöglichen. (Rat der EU 1994, Art. 3/a-s)

4.2.2 Teilaktionen

Das Programm ist in vier große Teilbereiche gegliedert, die sich stark vereinfacht wie folgt darstellen lassen:

- Die Erstausbildung wird im Wesentlichen durch die Unterstützung bei der Verbesserung der Berufsbildungssysteme und -maßnahmen in den Mitgliedsstaaten gefördert (Bereich I).
- Der zweite Teilbereich betrifft hauptsächlich die berufliche Weiterbildung und den Innovationstransfer zwischen Hochschulen und Unternehmen. Hierbei wird an der Verbesserung der Berufsbildungsmaßnahmen für Unternehmen und Arbeitnehmer, einschließlich der Zusammenarbeit Hochschule – Unternehmen gearbeitet.
- Der dritte Part beschäftigt sich mit berufsbezogenen Fremdsprachenkenntnissen sowie Forschungen, Analysen und statistischen Erhebungen zur beruflichen Bildung.
- Teil IV umfasst die flankierenden Maßnahmen. (Fritsch 1998, 136; Rat der EU 1994, 15)

Als konkrete Aktionen werden einerseits in erster Linie transnationale Pilotprojekte geplant und durchgeführt und andererseits transnationale Vermittlungs- und Austauschprogramme implementiert. (Rat der EU 1994, 9 ff.)

Die finanzielle Ausstattung des Programms mit 5-jähriger Laufzeit beträgt ECU 665 Mio. Hingegen hätten laut den ursprünglichen Plänen der Kommission ECU 801,8 Mio. bereitgestellt werden sollen. Hierbei entfallen auf die transnationalen Projekte mindestens 35% des Budgets, während für die Implementierung der transnationalen Vermittlungs- und Austauschprogramme zumindest 30% der Finanzmittel vorgesehen sind. Diesbezüglich werden die Pilotprojekte mit höchstens drei Viertel der anfallenden Kosten gefördert (Höchstbetrag ECU 100.000,- pro Jahr und Projekt), der Maximalbetrag für die Austauschprogramme pro Begünstigtem beläuft sich auf ECU 5.000,- pro Begünstigtem und Vermittlung. (Rat der EU 1994, 16)

Eine der wesentlichsten Neuerungen von „Leonardo da Vinci“ stellt – im Gegensatz zu den bisherigen Aktionsprogrammen in diesem Bereich – die Fokussierung auf alle Bereiche und Aspekte der Berufsbildungspolitik (von der Erstausbildung über die Berufsberatung bis zur Erwachsenenbildung) dar. (Fritsch 1998, 155) Weiters trägt das Programm in verstärktem Maße sozialen Aspekten Rechnung, da besonders benachteiligte Personengruppen und dabei insbesondere Jugendliche bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt gefördert werden sollen.

Aufgrund der Nähe von Berufsbildung und Beschäftigung verfolgt „Leonardo“ auch einen stark wirtschaftsorientierten Ansatz und ist darauf ausgerichtet, problemorientiert Antworten auf die aktuellen Herausforderungen in Europa zu geben. (Fritsch 1998, 174) Besondere Aufmerksamkeit wird dabei dem Erwerb und Ausbau von Fremdsprachenkenntnissen sowie der beruflichen Weiterbildung gewidmet, was eine neue Akzentsetzung bedeutet, da der bisherige Fokus der gemeinschaftlichen Berufsbildungsprogramme eindeutig auf dem Bereich der Erstausbildung lag. (Fritsch 1998, 176)

4.3 Aktionsprogramm „Jugend für Europa“ (1995-1999)

Die Geschichte von EU-Programmen, welche speziell auf Jugendliche als Zielgruppe ausgerichtet sind, beginnt, abgesehen von den Initiativen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ab Mitte der 1970-er Jahre (siehe Abschnitt 2.1.a), 1988 mit dem Beschluss des Rates über ein Aktionsprogramm „Jugend für Europa“ zur Förderung des Jugendaustausches in der Gemeinschaft. Nach dreijähriger Laufzeit wird dieses bis Ende des Jahres 1994 verlängert (Rat der EU 1995b, 1).

Den Rechtsrahmen für das Aktionsprogramm „Jugend“ bildet Artikel 126 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Union (Vertrag von Maastricht). Bezogen auf den Jugendbereich wird dabei das Ziel ausgegeben, den Ausbau des Jugendaustauschs und den Austausch von Jugendbetreuern sowie die Zusammenarbeit mit Drittländern zu fördern (Europäische Union 1992, Art. 126/2,3). Bei der Durchführung von Maßnahmen ist strikt auf die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips (Artikel 3b des EU-V) zu achten, wonach die einzelstaatlichen Tätigkeiten durch die Gemeinschaftsmaßnahmen unterstützt und ergänzt werden. Im Zuge dessen ist es notwendig, auf enge Kooperationen mit den für Jugendfragen zuständigen einzelstaatlichen Stellen sowie auf deren dezentralen Strukturen aufzubauen (Rat der EU 1995b, 2).

4.3.1 Programmziele

„Jugendaustauschmaßnahmen stellen ein geeignetes Mittel dar, um die kulturelle Vielfalt der Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft besser kennen zu lernen und zu verstehen. Damit tragen sie zur Stärkung der Demokratie, der Toleranz und des Zusammenhalts der Gemeinschaft unter dem Blickwinkel der Solidarität bei. In diesem Zusammenhang kann die Beteiligung […] an der Vorbereitung, Durchführung und Begleitung ihrer Projekte dazu genutzt werden, die Beziehungen zwischen den Jugendlichen in der Gemeinschaft und ihre aktive Staatsbürgerschaft zu verstärken“

(Rat der EU 1995b, 1).

Die von der Gemeinschaft ergriffenen Maßnahmen zielen weiters auf die Förderung der Unabhängigkeit und Kreativität der Jugendlichen sowie ihres Unternehmungsgeistes ab, insbesondere im sozialen, staatsbürgerlichen, kulturellen und ökologischen Bereich. Meinungen von Jugendlichen zur Gesellschaftsordnung sollen stärker repräsentiert und berücksichtigt werden. Als wesentlich werden auch die Sensibilisierung der Jugendlichen für Fragen der Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern sowie die Förderung des Bewusstseins für Gefahren bezüglich Rassismus und Fremdenfeindlichkeit erachtet. Ferner bezwecken die Maßnahmen, den Jugendlichen die „Idee der Europäischen Union als integrierenden Bestandteil ihres historischen, sozialen, kulturellen und politischen Umfelds begreiflich zu machen (Rat der EU 1995b, 2-3 – Art. 1).

Die spezifischen Ziele des Programms „Jugend für Europa“ beabsichtigen unter anderem die Intensivierung des Austausches von Jugendlichen im Alter von 15 bis 25 Jahren, die ihren Wohnsitz in einem der Mitgliedsstaaten haben, gleichfalls den Austausch von Jugendlichen von Drittländern. Eng daran gekoppelt ist die Unterstützung der Ausbildung von Jugendbetreuern, um für die Jugendlichen die Teilnahme an qualitativ wertvollen Gemeinschaftsaktionen gewährleisten zu können (Rat der EU 1995b, 3 – Art. 3).

4.3.2 Teilaktionen

Die fünf Hauptaktionen des Programms „Jugend für Europa“ folgen dem pädagogischen Ansatz, dass die aktive Beteiligung der Jugendlichen zur Entwicklung des Bewusstseins ihrer europäischen Staatsbürgerschaft beiträgt (Rat der EU 1995b, 6).

Aktion A beschäftigt sich mit „Maßnahmen innerhalb der Gemeinschaft, die Jugendliche unmittelbar einbeziehen“ und umfasst einerseits den Austausch und die Mobilität von Jugendlichen (A.1) sowie die Eigeninitiative, Kreativität und Solidarität von Jugendlichen (A.2). Für erstere Bestimmung wird ein System direkter finanzieller Beihilfen entwickelt, um mindestens 1-wöchige bi- und multilaterale Austauschmaßnahmen und Begegnungen auf Grundlage gemeinsamer Projekte unter Einbeziehung von 15 bis 25-jährigen Gruppen von Jugendlichen durchzuführen. Diese Projekte sind nonformaler Natur, dürfen also nicht Teil des allgemeinen Unterrichtswesens oder der beruflichen Ausbildung sein. Bei der Finanzierung ist darauf zu achten, dass höchstens 50% der entstandenen Gesamtkosten (Reisen und Programm) gefördert werden. Diese Grenze darf hingegen für Jugendliche, die in kultureller, wirtschaftlicher, körperlicher, geistiger oder geographischer Hinsicht benachteiligt sind, überschritten werden, wobei mindestens 1/3 der gesamten für die Aktion zur Verfügung gestellten Mittel für diese Zielgruppen zu verwenden ist (Rat der EU 1995b, 7).

Im Rahmen der Aktion A.2 werden innovative und kreative Jugendinitiativen, sowie solche die eine europäische Dimension aufweisen, unterstützt. Weiters sind hier Praktika von Jugendlichen im Rahmen des freiwilligen (sozialen) Dienstes in anderen Mitgliedsstaaten angesiedelt. Diese Aktivität gilt vorerst als Experimentierfeld sowohl in Hinblick auf Inhalt/Profil der betreffenden Tätigkeit als auch in Bezug auf deren Dauer (kurz-, mittel- oder langfristig). Die finanzielle Hilfeleistung für die Begünstigten erstreckt sich insbesondere auf die Reisekosten, pädagogische Begleitung, und -Nachbereitung sowie allenfalls auf diverse Versicherungen gegen Krankheit, Unfall und Haftpflicht (Rat der EU 1995b, 8).

Die zweite Hauptaktion (B) widmet sich Ausbildungs- und Mobilitätsmaßnahmen für Jugendbetreuer. Praktisch umgesetzt werden Handlungen, die der „Suche nach Partnern und/oder der Einleitung von Austausch- oder Kooperationsprojekten dienen sollen und die zum anderen die Betreuer mit der sozialen Realität in der Gemeinschaft und der Situation der Jugendarbeit in den verschiedenen Mitgliedstaaten vertraut machen sollen“ (Rat der EU 1995b, 9).

Während Aktion C mittels Fortbildungs- und Mobilitätsmaßnahmen für Verantwortliche in Jugendverbänden und Behörden die Zusammenarbeit zwischen zuständigen Strukturen in den Mitgliedsstaaten fördert, widmet sich Aktion D der Forcierung des Austauschs mit Drittländern, wobei bei konkreten Jugendaustauschprojekten mindestens zwei Mitgliedsstaaten beteiligt sein sollten. Schließlich richtet Aktion E ihren Arbeitsschwerpunkt auf die Information von Jugendlichen und Studien im Jugendbereich (Rat der EU 1995b, 9-10).

Die finanzielle Ausstattung der fünfjährigen Programmphase des Aktionsprogramms „Jugend für Europa“ beträgt ECU 126 Mio. (Rat der EU 1995b, 3 – Art. 2).

V Programmgeneration 2000-2006

In den neu aufgelegten Programmen für die Jahre 2000 bis 2006 können einige Neuerungen von „Sokrates“, „Leonardo da Vinci“ und „Jugend“ (früher: „Jugend für Europa“) identifiziert werden, die in allen drei Initiativen zu finden sind.

Beispielsweise wird in „Sokrates“, „Leonardo“ und „Jugend“ erstmals explizit auf die Wichtigkeit der Entwicklung des Humankapitals hingewiesen, wodurch „die Aneignung von Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen […] die Beschäftigungsfähigkeit der umfassend informierten, mündigen Bürger verbessert (u.a. Rat der EU 1999, 3 – Art. 1/3).

Im Unterschied zur ersten Programmgeneration von 1995-1999 ist es nun nicht mehr nur den Beitrittsaspiranten aus Ost- und Mitteleuropa sowie Zypern und Malta möglich am Programm teilzunehmen. Dieser Status wurde für die Programmgeneration 2000-2006 auch der Türkei verliehen (Rat der EU 2000a, 2).

5.1 Aktionsprogramm in der Allgemeinbildung „Sokrates“ II (2000-2006)

5.1.1 Neuerungen

Ausgeweitet wurden im neuen Aktionsprogramm die quantitativen Zielvorgaben: Zusätzlich zu der bereits bestehenden angestrebten Teilnehmerquote von 10% der Studierenden bei den Maßnahmen zur Mobilität im Rahmen der Erasmus-Aktion wird nun auch eine Partizipationsquote von 10% der Schulen innerhalb von „Comenius“ als Vorgabe festgelegt (Rat der EU 2000a, 1).

Im neuen Programm wurde eine Vereinfachung und Reduzierung der Programmziele von neun auf vier vorgenommen.

Als konkrete Ziele werden nun

- die Stärkung der europäischen Dimension auf allen Bildungsstufen
- die Verbesserung des Wissens von europäischen Sprachen
- die Kooperation und Mobilität sowie
- die Förderung der Innovation in der Bildung angestrebt. (Rat der EU 2000a, 3 – Art. 2/a-d).

Beträchtlich vermehrt haben sich hingegen die Aktionen in den Teilbereichen, wobei ein Großteil der neuen Maßnahmen bereits im vorherigen Programm innerhalb der „Bereichsübergreifenden Maßnahmen“ zu finden waren.

Zusätzlich zu den drei Bereichen Schulbildung „Comenius“ (nun Aktion 1), Hochschulbildung „Erasmus“ (nun Aktion 2) und dem Sprachunterrichts- und Sprachenerwerbsprogramm „Lingua“ (Aktion 4) wurden ein Programm für Erwachsenenbildung und andere Bildungswege „Grundtvig“ (Aktion 3), eine Initiative zum offenen Unterricht und Fernlehre sowie Informations- und Kommunikationstechnologien auf dem Gebiet des Bildungswesens „MINERVA“ (Aktion 5) eingeführt. Als Ergänzung dieser Programme dienen die Aktionen 6 „Beobachtung und Innovation“, 7 „Gemeinsame Aktionen“ und 8 „Flankierende Maßnahmen“ (Rat der EU 2000a, 3 – Art. 3).

Hinsichtlich der Gewährleistung von Kohärenz und Zusammenarbeit zwischen ähnlich gelagerten Aktionsprogrammen findet sich innerhalb „Leonardo“ II und „Sokrates“ II erstmals eine Referenz, dass insbesondere die jeweiligen Unterstützungsausschüsse der Kommission für eine regelmäßige und strukturierte Zusammenarbeit der beiden Bildungsprogramme zueinander und zu jenem des Aktionsprogramms „Jugend“ zu sorgen haben (Rat der EU 2000a, 4 – Art 9; Rat der EU 1999, 4 – Art. 7).

Größeres Gewicht erhält in diesem Nachfolgeprogramm der Bereich „Überwachung und Evaluierung“, wobei hierbei die Bewertung der Relevanz, der Effektivität und der Auswirkungen der durchgeführten Aktionen im Verhältnis zu den Programmzielen im Vordergrund stehen. Die Evaluierung der Komplementarität der Aktionen mit anderen einschlägigen Politiken, Instrumenten und Aktionen der Gemeinschaft nimmt hierbei einen besonderen Stellenwert ein (Rat der EU 2000a, 5 – Art. 12).

Die Durchführungsbestimmungen des Programms „Sokrates“ erläutern, dass hauptsächlich sämtliche Mobilitätsmaßnahmen innerhalb „Comenius“, „Erasmus“, „Grundtvig“ und „Aktion 6“ sowie „Aktion 1.1 (Schulpartnerschaften)“ als „dezentrale Aktionen“ gelten. Das bedeutet, dass die Auswahl der Einreichungen sowie die Vergabe von Zuschüssen an die Begünstigten von den Mitgliedsstaaten bzw. den sie unterstützenden nationalen Sokrates-Stellen erfolgen. Eine zentralisierte Auswahl und Verwaltung der Aktionen durch die Kommission findet indessen bei den übrigen Aktionen statt (Rat der EU 2000a, 12-13).

5.1.2 Finanzen

Angesichts der massiven Ausweitung des gemeinschaftlichen Aktionsprogramms der allgemeinen Bildung „Sokrates“ sowie der Verlängerung der Durchführungsdauer von fünf auf sieben Jahre erfolgte eine Aufstockung des Finanzrahmens von ECU 850 Mio.[15] (1995-1999) auf EUR 1.850 Mio. (2000-2006). (Rat der EU 1995a, 7 – Art. 7; Rat der EU 2000a, 4 – Art. 10).

Nichtsdestotrotz können die zur Verfügung stehenden Mittel im Gegensatz zu wesentlich besser ausgestatteten Programmen wie den Sozialfonds weiterhin als äußerst begrenzt angesehen werden, vor allem in Anbetracht der bereits erwähnten ehrgeizigen Ziele des Sokrates-Programms.

Bezüglich des Mindestausmaßes der Mittelverteilung je Programmbereich ist festzustellen, dass die Budgetquote für Aktionen von „Comenius“ von 10% auf 27% gestiegen ist und damit deutlich aufgewertet wurde. Infolgedessen sind die finanziellen Ressourcen für die Maßnahmen von „Erasmus“ von vormaligen 55% auf mindestens 51% der „Sokrates-Mittel“ gesunken. Das Erwachsenenbildungsprogramm „Grundtvig“ ist mit zumindest 7% der Sokrates-Finanzen auszustatten, während der Beitrag für die nationalen Sokrates-Stellen und die technische Unterstützung nicht mehr als 4,5% des Jahresbudgets ausmachen darf (Rat der EU 2000a, 14; Rat der EU 1995a, 8, 11).

5.2 Aktionsprogramm in der Berufsbildung „Leonardo da Vinci“ II (2000-2006)

5.2.1 Neuerungen

Während sich im Beschluss zur Implementierung der ersten Programmphase von „Leonardo da Vinci“ der Passus zur Entwicklung zu einem offenen europäischen Raum in der Berufsbildung lediglich in den Zielen findet, wird im Nachfolgeprogramm diese bereits als Beitragsleistung der Union angesehen, die bei der Förderung eines Europas des Wissens mitwirkt (Rat der EU 1999, 3 – Art. 1/3).

Hinsichtlich der Zielsetzungen des zweiten Aktionsprogramms für Berufsbildung fällt auf, dass hier eine notwendige Straffung erfolgte, infolge derer die Anzahl der Ziele von unübersichtlichen 19 auf drei reduziert wurden. Während sich der Großteil der früheren Ziele in kompakterer Form fortschreibt, wird auch deutlich, dass insbesondere auf die verstärkte Miteinbeziehung von Klein- und Mittelunternehmen in „Leonardo“ II ein besonderer Fokus gelegt wird.

Die Förderung benachteiligter Menschen, die Chancengleichheit der Geschlechter sowie die Bekämpfung von jeglicher Art der Diskriminierung stehen bei der Verwirklichung der Ziele weiterhin im Vordergrund (Rat der EU 1999, 3 – Art. 2/2).

Die konkreten Maßnahmen von „Leonardo da Vinci“ II wurden ebenso vereinfacht und strukturiert.

Im Wesentlichen sollen die grenzüberschreitende Mobilität von Personen in Berufsausbildung sowie von Berufsbildungsverantwortlichen gefördert und Pilotprojekte auf Grundlage grenzüberschreitender Partnerschaften zur Innovationsförderung und Qualitätssteigerung bei der Berufsbildung umgesetzt werden. Ferner wird das Augenmerk auf die Entwicklung der europäischen Sprachenkompetenz gelegt, der Aufbau von transnationalen Netzen zum Austausch von Erfahrungen und „best practice“ sowie die Entwicklung von Datennetzen zum Informationsaustausch und Anlegen von Vergleichsmaterial als Umsetzungsstrategie gefördert (Rat der EU 1999, 3 – Art. 4/a-e).

5.2.2 Finanzen

Eine signifikante Steigerung ist bei den verfügbaren finanziellen Programmressourcen zu konstatieren: Während sich der Finanzrahmen für die 5-jährige Periode von 1995-1999 noch auf ECU 665 Mio.[16] belief, steigerte sich dieser Betrag für die darauf folgende siebenjährigen Programmphase (2000-2006) auf EUR 1.150 Mio. (Rat der EU 1994, 6 – Art. 5; Rat der EU 1999, 5 – Art. 12). Die Rückflüsse für das Leonardo-Programm aus österreichischer Sicht betrugen für 2000-2006 insgesamt etwas mehr als EUR 45 Mio. oder knapp vier Prozent des Gesamtbudgets. (BMBWK 2007, 134).

Gleich geblieben ist hingegen der maximale finanzielle Beitrag der Gemeinschaft für transnationale Vermittlungs- und Austauschprogramme (Mobilitätsmaßnahmen) pro Begünstigtem je Vermittlung oder Austausch: Dieser beträgt für die Höchstdauer weiterhin maximal EUR 5.000 Euro, kann für „Leonardo“ II jedoch im Falle einer Behinderung des Begünstigten überschritten werden (Rat der EU 1994, 16; Rat der EU 1999, 8).

Interessant erscheint ebenfalls, dass sich die Balance der Mittelaufteilung innerhalb des Programms leicht zugunsten der Mobilitätsmaßnahmen entwickelt hat: Während innerhalb der ersten Programmperiode mindestens 30% des Jahresbudgets dafür aufgewendet werden sollten, hat sich diese Minimalgrenze für das Nachfolgeprogramm auf 39% erhöht (Rat der EU 1994, 16; Rat der EU 1999, 14).

Bereits an den Formulierungen des Ratsbeschlusses zu „Leonardo da Vinci“ II ist abzulesen, dass der Überwachung und Evaluierung in der neuen Programmperiode verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet wird. Speziell wird hier einerseits darauf verwiesen, dass die Ergebnisse der Überwachung und Evaluierung bei der Durchführung des Programms Berücksichtigung finden müssen. Andererseits stellen auch die Bewertung der Verbreitung der Ergebnisse, der beispielhaften Praktiken und der Auswirkungen des Programms als Gesamtprodukt neben der Evaluierung der Effizienz und Auswirkungen der Maßnahmen in Bezug auf die Ziele essentielle Punkte dar (Rat der EU, 1999, 5-6 – Art. 13). In dieser Deutlichkeit sind diese Punkte im vorangegangenen Programmbeschluss nicht zu finden.

5.3 Aktionsprogramm „Jugend“ (2000-2006)

Erste Selbstkritik an der bisherigen Entwicklung des Aktionsprogramms im Jugendbereich übt die Kommission dahingehend, dass „die vorgesehenen Maßnahmen die Jugendlichen generell erreichen“ sollten und „nicht nur diejenigen, die mit dem System vertraut sind und/oder Jugendorganisationen angehören“ (Rat der EU 2000b, 1). Für diesen Zweck ist vonseiten der Mitgliedsstaaten und der Kommission für einen funktionierenden Informationsfluss sowie eine bessere Distribution von Informationen zu sorgen (Rat der EU 2000b, 1).

Auch innerhalb des Jugendprogramms wird verstärkt auf den Ausbau der Komplementarität von diesem mit den Aktionen „Sokrates“ und „Leonardo da Vinci“ verwiesen (Rat der EU 2000b, 2) und eine Miteinbeziehung der Türkei als zusätzliches, 30. Programmland, angestrebt (Rat der EU 2000b, 3). Des weiteren wird auf die Verstärkung der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen, insbesondere dem Europarat[17], verwiesen (Rat der EU 2000b, 6 – Art. 12).

Näher ausgeführt wird auch, warum sich die Gemeinschaft in Bezug auf das Subsidiaritätsprinzip die Kompetenzen in diesem Bereich überträgt: Demnach können die Ziele[18] der Aktion aufgrund ihrer Komplexität und der Vielfalt des Jugendbereichs von den Mitgliedsstaaten nicht hinreichend umgesetzt werden. Daraus folgt, dass diese aufgrund der transnationalen Dimension auf Gemeinschaftsebene besser implementiert werden können (Rat der EU 2000b, 3/26).

[...]


[1] Anm.: bis zur auslaufenden Programmphase Ende 1999 hieß dieses Programm noch „„Jugend für Europa““.

[2] Anm.: mit Verlegung des Wohnortes oder Migration zwischen Nationen verbunden.

[3] Anm.: Diese professionsrelevanten Fähigkeiten stehen in engem Zusammenhang mit dem Konzept der Beschäftigungsfähigkeit „employability“ / mehr dazu in Abschnitt 6.1.1

[4] Anm.: Nähere Ausführungen zur Humankapitaltheorie sind unter anderem bei Becker (1964) bzw. Miner (1962) zu finden.

[5] Anm.: In einigen Ländern der EWG herrschte akuter Fachkräftemangel (Deutschland), während beispielsweise in Italien hohe Arbeitslosigkeit ein gravierendes Problem darstellte, wobei hier auch das Berufsausbildungssystem im Vergleich zu anderen EWG-Staaten schlecht ausgebaut war. Italien befürwortete daher naturgemäß sämtliche Kommissions-Initiativen auf diesem Gebiet.

[6] Anm.: Im Streitfall begehrte eine französische Studentin, die das Fach „Comic Strips“ an der Académie Royale des Beaux Arts in Lüttich studieren wollte, der Stadt Lüttich im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, von ihr die Zahlung einer in Belgien üblichen Studiengebühr für ausländische Studenten zu fordern. (EuGH 1985)

[7] Anm.: COMETT = European Community Action Programme in Education and Training for Technology.

[8] Das Budget für die zweite Periode (1992-1994) von „PETRA“ belief sich auf ECU 177,4 Mio. (Fritsch 1998, 33).

[9] Die finanzielle Ausstattung für die erste Programmphase von „EUROTECNET“ betrug ECU 7,5 Mio. (Fritsch 1998, 33).

[10] Die Finanzausstattung belief sich auf ECU 200 Mio. (1990-1994) (Fritsch 1998, 34).

[11] Das Budget für die zweite Programmphase von Erasmus (1990 bis 1992) belief sich auf ECU 192 Mio. (Fritsch 1998, 31) und in den ersten sieben Jahren wurden insgesamt Budgetmittel von ca. ECU 424 Mio. eingesetzt (Hackl 2001, 13).

[12] Anm.: Der EuGH entschied beispielsweise, dass Initiativen wie „Petra“ oder Erasmus auf den Artikel 235 des Vertrags von Rom basieren, der es dem Rat und der Kommission erlauben, Legislativmaßnahmen zur Erreichung von Gemeinschaftszielen zu setzen, auch wenn der Vertrag die dafür nötige Macht nicht bietet (Ertl 2003, 8).

[13] Zur Erklärung: In Bereichen, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Union fallen, kann sie nur dann handeln, wenn die Mitgliedstaaten ein bestimmtes Problem auf nationaler Ebene nur unzureichend lösen können. Das heißt, dass eine Regelung auf EU-Ebene wirksamer sein muss als auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene. Politische Entscheidungen in der Union müssen also stets auf der niedrigstmöglichen politischen und administrativen Ebene getroffen werden. (Europäisches Parlament Webseite)

[14] Anm.: Dieser ermächtigt die Gemeinschaft dazu, einen Beitrag zur Entwicklung einer qualitativ hoch stehenden Bildung, zur Entwicklung der europäischen Dimension und zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Bildungseinrichtungen zu leisten.

[15] Anm.: 1999 auf EURO 933 Mio. aufgestockt.

[16] Ursprünglich waren ECU 620 Mio. vorgesehen, der Betrag wurde jedoch nach dem Beitritt 1995 von Österreich, Finnland und Schweden aufgestockt.

[17] Anm.: der Europarat unterhält in Zusammenarbeit mit der EU ein eigenes Jugendprogramm.

[18] Anm.: Entwicklung und Verstärkung der Zusammenarbeit im Jugendbereich inklusive Europäischer Freiwilligendienst.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2007
ISBN (eBook)
9783836618229
Dateigröße
1.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Salzburg – Soziologie und Politikwissenschaft, Politikwissenschaften
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
2,0
Schlagworte
mobilitätsprogramm leonardo vinci erasmus europäische union eu-bildungsprogramme
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Titel: Ausbildungsplatz Europa: Die Bildungsprogramme der Europäischen Union auf dem Prüfstand
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