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Als das Wünschen noch geholfen hat oder: wie man in Mesopotamien Karriere machte

Eine Untersuchung zur 'dunklen Seite' der akkadischen Beschwörungsliteratur des 1. Jh. v. Chr.

©2002 Magisterarbeit 133 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Der Titel der vorliegenden Arbeit bedarf sicherlich der Erklärung, setzt er doch voraus, daß die Menschen des 1.Jt. vor Christus in Mesopotamien an ihre Karriere dachten. Weiterhin suggeriert der Titel, daß das Wünschen eine Art und Weise war, sein Ziel zu erreichen. Beide Behauptungen sollen in der vorliegenden Arbeit bewiesen werden.
Im Alten Orient dachten die Menschen sehr wohl an ihre Karriere. Ein gutes Ansehen bei Hofe war der Garant für Reichtum und Wohlstand und zudem ein Beweis für Rechtschaffenheit und Gottesfurcht. Dem eigenen Einfluß stand der Einfluß der übrigen Höflinge entgegen. Sie versuchten selbstverständlich auch, ihr eigenes Ansehen beim Herrscher oder Vorgesetzten zu steigern. Dadurch entstanden innerhalb des Hofstaates konkurrierende Interessen.
Das Intrigieren gehörte zur alltäglichen Beschäftigung der Konkurrenten. Denjenigen, denen dies nicht ausreichte, stand eine weitere Option zur Auswahl: die Magie. Mit ihrer Hilfe sollten die eigenen egoistischen Wünsche realisiert werden, denn es konnten sowohl die Konkurrenten ausgeschaltet, als auch der Herrscher gefügig gemacht werden. War der Zugang zum Machtzentrum blockiert oder erschwert, so bestand die Möglichkeit sich unsichtbar zu machen. In diesem Zustand war es ein Leichtes, sich an den Palastwachen oder an den Konkurrenten vorbeizumogeln, um dann direkt zum Herrscher zu gelangen.
Um in den Genuss der Möglichkeiten der Magie zu kommen, musste der Höfling einen Magier, in der Altorientalistik als Beschwörer bekannt, aufsuchen. Er verstand es, mittels Zaubersprüchen oder Beschwörungen seinem Kunden zu helfen. Solcherart Beschwörungen sind das Thema dieser Magisterarbeit. Sie gehören in den Bereich des Schadenzaubers und der schwarzen Magie, also auf die "dunkle Seite" der mesopotamischen Beschwörungskunst. Die weiße Magie der Babylonier und Assyrer war der natürliche Feind dieser Beschwörungen.
Aus den Schlussfolgerungen dieser Arbeit ergibt sich eine provokante These: es gibt Texte der schwarzen Magie im Alten Orient, auch wenn die Forschung dies jahrzehntelang vehement bestritten hat. Die moderne Altorientalistik muss sich in diese Richtung öffnen, will sie vermeiden, ein einseitiges und somit falsches Bild über den Alten Orient zu produzieren. Die Arbeit stellt den Versuch dar, erste Schritte in diese Richtung zu ermöglichen.
Gang der Untersuchung:
Zuerst werden die einzelnen Textvertreter und ihre Herkunft besprochen (Kap.3). Danach wird […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Matthias Klan
Als das Wünschen noch geholfen hat oder: wie man in Mesopotamien Karriere machte
Eine Untersuchung zur 'dunklen Seite' der akkadischen Beschwörungsliteratur des 1. Jh.
v. Chr.
ISBN: 978-3-8366-1733-8
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Coverbild: © Mikhail Tolstoy - Fotolia.com
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http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

D
ANKSAGUNGEN
Einige Textvertreter für diese Arbeit befinden sich im Vorderasiatischen Museum in Berlin.
Mein Dank gilt den Mitarbeitern und vor allem Herrn J. Marzahn, der es mir möglich machte,
die Texte an Ort und Stelle zu studieren.
Ferner möchte ich mich bei Herrn Walker aus dem British Museum bedanken, der mir trotz
Umbau, Umräumen und Streik die Möglichkeit offen hielt, nach London zu kommen, um
dort die einschlägigen Texte zu lesen. Daß ich dann doch nicht ins British Museum kommen
konnte, lag an terminlichen Schwierigkeiten aufgrund der kurzfristigen Buchungs-
möglichkeiten bei Hotels und Bahn bzw. Flugzeug. Daher war es mir leider nicht möglich die
bislang unpublizierten Texte BM 45755 und BM 103385 einzusehen. Sie können nicht in
dieser Arbeit berücksichtigt werden.
Außerdem ist Herrn von Weiher für die Hilfe bei der Lesung und Übersetzung des bis heute
nicht vollständig zu entziffernden Textes LKA 107a zu danken.

I
NHALT
1
E
INLEITUNG
9
2
D
ER
T
EXTBESTAND
11
3 D
IE
F
ORSCHUNGSGESCHICHTE
13
2.1 Die Publikationen
13
2.2 Die Interpretationen
15
2.2.1 É.GAL.KU
4
.RA (Zugang zum Palast) und uzzi nuhhi
(Zornesberuhigung) 15
2.2.2 SU.DU
8
.A (Handöffnung)
17
2.2.3 IGI.BI.HÚL.LA.KE
4
(Wer ihn sieht ist froh, ihn zu sehen), hd
pni (Freundliches Gesicht) und DI..BALA (Prozeßänderung)
18
2.3 Zusammenfassung 19
3
D
IE
F
UNKTIONSWEISE DER
M
AGIE
20
3.1 Der Beschwörungstext: zum Wirklichkeitsverständnis der
mesopotamischen Menschen
22
3.2 Poesie und Beschwörung
29
3.3 Die Unantastbarkeit der magischen Vostellungswelt
32
3.4 Der Aufbau der Beschwörungen
33
3.5 Form- und Gestaltungselemente
33
3.6 Die Ausführung: Manifestierung des Wortes in der Wirklichkeit 35
3.6.1
Das Binden von Knoten
36
3.6.2
Das Einreiben mit Salben
36
4
D
IE
T
EXTE UND IHRE
I
NTERPRETATIONEN
38

5
D
IE
K
OLOPHONE
99
6
E
INIGE
S
CHLUßFOLGERUNGEN
101
7
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
113
8
L
ITERATURVERZEICHNIS
114

9
1 Einleitung
Der Titel der vorliegenden Arbeit bedarf sicherlich der Erklärung, setzt er doch voraus, daß
die Menschen des 1.Jt. vor Christus in Mesopotamien an ihre Karriere dachten. Weiterhin
suggeriert der Titel, daß das Wünschen eine Art und Weise war, sein Ziel zu erreichen. Beide
Behauptungen sollen in der vorliegenden Arbeit bewiesen werden.
Im Alten Orient dachten die Menschen sehr wohl an ihre Karriere. Ein gutes Ansehen bei
Hofe war der Garant für Reichtum und Wohlstand und zudem ein Beweis für Rechtschaffen-
heit und Gottesfurcht. Dem eigenen Einfluß stand der Einfluß der übrigen Höflinge entgegen.
Sie versuchten selbstverständlich auch, ihr eigenes Ansehen beim Herrscher oder Vorge-
setzten zu steigern. Dadurch entstanden innerhalb des Hofstaates konkurrierende Interessen.
Das Intrigieren gehörte zur alltäglichen Beschäftigung der Konkurrenten. Denjenigen, denen
dies nicht ausreichte, stand eine weitere Option zur Auswahl: die Magie. Mit ihrer Hilfe
sollten die eigenen egoistischen Wünsche realisiert werden, denn es konnten sowohl die
Konkurrenten ausgeschaltet, als auch der Herrscher gefügig gemacht werden. War der Zugang
zum Machtzentrum blockiert oder erschwert, so bestand die Möglichkeit sich unsichtbar zu
machen. In diesem Zustand war es ein Leichtes, sich an den Palastwachen oder an den
Konkurrenten vorbeizumogeln, um dann direkt zum Herrscher zu gelangen.
Um in den Genuss der Möglichkeiten der Magie zu kommen, musste der Höfling einen
Magier, in der Altorientalistik als Beschwörer bekannt, aufsuchen. Er verstand es, mittels
Zaubersprüchen oder Beschwörungen seinem Kunden zu helfen. Solcherart Beschwörungen
sind das Thema dieser Magisterarbeit. Sie gehören in den Bereich des Schadenzaubers und
der schwarzen Magie, also auf die "dunkle Seite" der mesopotamischen Beschwörungskunst.
Die weiße Magie der Babylonier und Assyrer war der natürliche Feind dieser
Beschwörungen.
Aus den Schlussfolgerungen dieser Arbeit ergibt sich eine provokante These: es gibt Texte
der schwarzen Magie im Alten Orient, auch wenn die Forschung dies jahrzehntelang
vehement bestritten hat
1
. Die moderne Altorientalistik muss sich in diese Richtung öffnen,
will sie vermeiden, ein einseitiges und somit falsches Bild über den Alten Orient zu
produzieren. Die Arbeit stellt den Versuch dar, erste Schritte in diese Richtung zu
ermöglichen.
1
vgl. Kap. 4

10
Zuerst werden die einzelnen Textvertreter und ihre Herkunft besprochen (Kap.3). Danach
wird die Forschungsgeschichte dargestellt (Kap.4). Die Publikationen und die Interpre-
tationen, die die Texte bisher erfahren haben, werden getrennt behandelt.
Die Grundlage für die Interpretation der Texte liefert eine Theorie der Magie. Die
Altorientalistik hat es bisher versäumt, eine wissenschaftliche Theorie zu erabeiten. Aus
diesem Grunde muss dies im Rahmen dieser Arbeit in aller Kürze erfolgen (Kap.5). Die
grundlegenden Quellen dieser Theorie werden präsentiert, danach wird das mesopotamische
Wirklichkeitsverständnis und seine Auswirkungen auf die Magie untersucht (Kap.5.1). Das
folgende Unterkapitel (5.2) soll den Zusammenhang zwischen Poesie und Magie erhellen.
Warum die magischen Vorstellungen nicht in Frage zu stellen sind, versucht Kap.5.3 zu
klären. Nun wird der Aufbau der Beschwörungen besprochen (Kap.5.4) und die
Gestaltungselemente der Sprüche analysiert (Kap. 5.5). Welchen Bezug das Ritual zum Text
hat, klärt Kap.5.6. Dabei wird auf häufig anzutreffende Ritualanweisungen wie das Herstellen
von Knoten (Kap.5.6.1) und das Einreiben mit Öl (Kap.5.6.2) einzeln eingegangen. Den
Hauptteil der Arbeit bilden die Umschriften, Übersetzungen und vor allem die
Interpretationen der Texte (Kap.6). Im Anschluss daran wird auf die Kolpohone eingegangen
(Kap.7). Schließlich sollen in Kap.8 Schlußfolgerungen gezogen werden. Die Erkenntnisse
der Arbeit werden im Hinlick auf das Verständnis von Schicksal im Alten Orient betrachtet.
Wichtig ist auch die Frage, welches Selbstbild der Täter hat und wie er sein Opfer sieht.
Schließlich werden die Texte in ihren historischen Rahmen eingebettet: ein Blick ins 2.Jt. v.
Chr. zeigt, daß Zaubersprüche, wie sie hier vorgestellt werden, schon eine längere Tradition
besitzen. Weiterhin finden sich ähnliche Sprüche noch in spätantiken oder
frühmittelalterlichen Zauberbüchern in griechischer oder aramäischer Sprache. Dies zeigt,
dass der mesopotamische Kulturkreis in einem "Strom der Magietradition" mit anderen
antiken Kulturen liegt und daß es in der Magie keinen altorientalischen Sonderweg
2
gibt.
Einige Anmerkungen zur Begrifflichkeit:
Die Arbeit beschäftigt sich mit Magie. Über diesen Begriff ist schon viel geschrieben worden,
besonders in seiner Beziehung zur Religion. Die gesamte Diskussion kann hier nicht wider-
2
Der altorientalische Sonderweg ist eher ein altorientalistischer Sonderweg, da die Forschung das
Vorhandensein schwarzer Magie, die in anderen Kulturkreisen schon lange bekannt ist, stets geleugnet hat. Mit
den neuen Erkenntnissen ist ersichtlich, daß die mesopotamische und die griechisch-römische bzw. aramäische
Magie eng verwandt sind. Weitere Untersuchungen in diese Richtung sind sicherlich für alle beteiligten
Disziplinen gewinnbringend.

11
gegeben werden. Die Forschung tendiert mittlererweile zu der Annahme, daß Magie und
Religion zwei Begriffe für eine Sache sind. Dies ist die Grundlage für die vorliegende Arbeit.
Ein weiterer schwieriger Begriff ist der der Beschwörung. Beschwörung meint eigentlich das
Heraufbeschwören von Dämonen als Helfer. Die Altorientalistik verwendet den Begriff aber
unterschiedlos für alle Arten von Zaubersprüchen, seien sie echte Beschwörungen im Sinne
des Wortes oder nicht. Diese Etikettierung ist zwar falsch, soll aber in der Arbeit beibehalten
werden
3
. Zauberspruch und Beschwörung werden unterschiedslos verwendet. Eine Person, die
eine Beschwörung anwenden möchte, wird als Sprecher oder Täter bezeichnet. Derjenige, der
die negativen Folgen des Zauberspruches erleiden muss, ist das Opfer.
Außer den im Vorwort erwähnten Texten aus dem British Museum kann eine weitere Gruppe
von Texten nicht berücksichtigt werden, die aber die gleichen Ziele verfolgen wie die hier
bearbeiteten Beschwörungen. Es handelt sich um die sog. bl dabbi-Texte, deren Einbe-
ziehung den Rahmen einer Magisterarbeit gesprengt hätte.
2 Der
Textbestand
Bislang sind 20 Texte bekannt. Der Großteil von ihnen stammt aus Assur. Sie wurden im
sogenannten Haus des Beschwörungspriesters
4
gefunden. Die Uruk-Texte kommen aus der
Bibliothek des Iqsa
5
. Der Textvertreter aus Sultantepe, dem antiken Huzirina, stammt wohl
aus der Tempelschule
6
.Text Nr.10 wurde im Kunsthandel erworben. Angeblich ist die Tafel
aus Susa, doch macht die Argumentation MAYERs eine Herkunft aus Uruk wahrscheinlich
7
.
Das kleine Textfragment Nr.18 kommt aus Sippar
8
. Aus der Bibliothek des Assurbanipal
9
sind
möglicherweise Nr.19, sicher aber Nr.20 überliefert.
3
Eine Klärung des Magie- und Religionsbegriffes und eine Diskussion über andere Bezeichnungen als
"Beschwörung" können im Rahmen der Magisterarbeit nicht geleistet werden.
4
Weidner, E., AfO 12, 1937-39, 147; ders., AfO 16, 1952-53, 201; Meier, G., AfO 12, 1937-39, 246; Menzel,
B., Assyrische Tempel I, 1981, 247; Pedersén, O., ALA II, 41ff, bes. 54; LKA 106 dürfte auch aus dem Haus der
Beschwörer stammen, obwohl keine Ausgrabungsnummer oder Museumsnummer vorhanden ist, vgl. Pedersén,
O., ALA II, 176; Pedersén, O., ALANE, 1998, 135f
5
Farber, W., WO 18,1987,26ff; Oelsner, J., Die Entwicklung der Kolophone im neu- und spätbabylonischen
Uruk, in: Dubrocard, M., Kircher, C. (Hrsg.), Hommage au Doyen Weiss, Publications de la Faculté des lettres,
Arts et Sciences Humaines de Nice , nouvelle série, no. 27, 1996, 429ff; Pedersén, O., ALANE, 1998, 212f
6
Lloyd, S., Gokce, N., An. St. 3,1953, 37, Pl. II,1und Fig. 4; Pedersén, O., ALANE, 1998, 178ff
7
Mayer, W. R., Or 59, 1990, 14
8
Pedersén, O., ALANE, 1998, 194ff
9
Reade, J., Archaeology and the Kuyunjik Archives, in: Veenhof, K. R., Cuneiform Archives and Libraries,
1986, 213ff; Pedersén, O., ALANE, 1998, 161ff

12
Text Nr.9 befindet sich in einem schlechten Zustand. Das Photo läßt nur auf einer Seite der
Tafel die Lesung einiger Beschwörungen zu. Die andere Seite ist unleserlich. Ein weiterer
Assur-Text (Nr.11) wurde nie, weder als Photo noch als Keilschriftkopie, publiziert. Auch
hier verhindert die schlechte Lesbarkeit die Einbeziehung des Textes in diese Arbeit.
Nr
Edition
Museumsnr.
Bearbeitung
Herkunft
Datierung
Typ
1
BAM 353
A 2733*
---
Assur
nA
su.du
8
.a
2
KAR 71
VAT 8258
ZDMG 74,
175ff, 439ff;
MAOG 5/3,
30ff; OLZ
23, 56
Assur
nA
uzzi nuhhi;
é.gal.ku
4
.ra
3
KAR 237
VAT 8230
MAOG 5/3,
36ff
Assur
nA
é.gal.ku
4
.ra; hd
pni
4
KAR 238
VAT 8014
MAOG 5/3,
41ff
Assur
nA
é.gal.ku
4
.ra;
su.du
8
.a
5
LKA 104
Photo 4125 =
K. 221/2
MAOG 5/3,
43f
Assur
nA
uzzi nuhhi;
é.gal.ku
4
.ra;
di.bala
6
LKA 105
VAT 13614
---
Assur
nA
é.gal.ku
4
.ra;
di.bala
7
LKA 106
Photo 4127 =
K. 201/2
MAOG 5/3,
31f
Assur
nA
é.gal.ku
4
.ra
8
LKA 107
VAT 13651
+
---
Assur
nA
é.gal.ku
4
.ra
9
LKA 107a
Photo 4131
---
Assur
nA
é.gal.ku
4
.ra
10 --- VAT
13683
ArOr
17/1,
209ff; Or 59,
26f
Assur nA
é.gal.ku
4
.ra;
di.bala
11 --- Photo
4128
--- Assur
nA é.gal.ku
4
.ra
12
Or 59, 15
M. Nazionale
d´Arte
Orientale/Rom
11676/ 12910
Or 59, 14-33
Susa/
Uruk
spB
é.gal.ku
4
.ra;
di.bala
13
SpTU II 23
W 22645
SpTU II
Uruk
spB
su.du
8
.a
14 SpTU II 24 W 22647
SpTU II
Uruk
spB
igi.bi húl.la.ke
4
15 SpTU IV
129,V:21-
VI:3
W 23279
SpTU IV
Uruk
spB
é.gal.ku
4
.ra;
su.du
8
.a
16
(?)
SpTU V
234
W 22666/1b
SpTU V
Uruk
spB
?
17 STT 237
---
Sultantepe
é.gal.ku
4
.ra
18 --- BM
61471
Finkel,
AMD
I, 237f
Sippar spB
igi.bi
húl.la.ke
4
19 --- BM
45755
? spB MU.RU.UB
ana
DUH
20 --- BM
103385
Ninive
nA é.gal.ku
4
.ra

13
3
Die Forschungsgeschichte
2.1 Die
Publikationen
Im Jahre 1901 wurde in CT 12 unter der Nummer 1 ein Brief eines namentlich nicht
genannten neuassyrischen Herrschers an einen gewissen Sadunu publiziert
10
. Der König
wünscht neben der Beschaffung verschiedener Amulettsteinlisten auch die Abschriften
mehrerer Beschwörungswerke. Unter anderem hat der König an Beschwörungtexten vom Typ
É.GAL.KU
4
.RA "Zugang zum Palast" Interesse.
Bis dato wußte man noch nichts von der Existenz solcher Beschwörungen. Es sollte neunzehn
Jahre dauern, bis EBELING den ersten Text von É.GAL.KU
4
.RA (und uzzi nuhhi) in
Umschrift und Übersetzung publizieren konnte
11
. Die Keilschriftkopien erschienen 1919 als
KAR 71. 1923 veröffentlichte EBELING den zweiten Band seiner "Keilschrifttexte aus
Assur religiösen Inhalts". Die Nummern 237 und 238 enthielten zwei Beschwörungen, die der
Fachwelt bisher noch unbekannt waren: hd pni und SU.DU
8
.A. Die restlichen
Beschwörungen mussten unerkannt bleiben, da den Texten eine Unterschrift fehlte. Es stellte
sich allerdings im Jahre 1931 heraus, daß es sich bei diesen Beschwörungen um
É.GAL.KU
4
.RA -Texte handelte. Denn EBELING bearbeitete die Texte KAR 237 und KAR
238 unter Berücksichtigung weiterer Assur-Texte, die in Keilschriftkopie erst 1953 in LKA
erscheinen sollten
12
. 1949 publizierte EBELING einen weiteren Text, der zu É.GAL.KU
4
.RA
gehört
13
. Bis zu diesem Zeitpunkt lagen der Forschung nur Texte aus Assur vor.
Es zeigte sich jedoch recht schnell, daß solche Beschwörungen nicht nur auf Assur beschränkt
sein konnten. UNGNAD bearbeitete die Texte BRLM IV 19 und 20, zwei Lunarien aus
Uruk
14
. Auch hier waren É.GAL.KU
4
.RA, SU.DU
8
.A usw. zu finden. Desweiteren listen die
beiden Tafeln ein Fülle sonst unbekannter Beschwörungen auf.
Das erste É.GAL.KU
4
.RA -Fragment außerhalb Assurs publizierten GURNEY und HULIN
1964, ohne jedoch die Zugehörigkeit zu É.GAL.KU
4
.RA zu erkennen
15
. REINER konnte das
Stück in ihrer Rezension als Duplikat zu KAR 71:Vs14-25, LKA 106:Vs8- Rs8 und LKA
10
Bearbeitungen: Thompson, R. C., Late Babylonian Letters, 1906, Nr.1; Martin, F., Lettres néobabyloniennes,
1909, 19ff; Pfeiffer, R. H., State Letters of Assyria, 1935, Nr.256; Waterman, L., Royal Correspondence of the
Assyrian Empire IV, 1936, 212ff
11
Ebeling, E., ZDMG 74, 1920, 175ff (KAR 71); dazu im selben Band die Anmerkungen und Verbesserungen
Landsbergers, 439ff
12
Ebeling, E., MAOG 5/3, 1931, 30ff
13
Ebeling, E., AnOr 17/1, 1949, 209ff (Nr.9); Neubearbeitung bei: Mayer,W. R., Or 59, 1990, 26f
14
Ungnad, A., AfO 14, 1941-44, 251ff; dazu: Bottéro, J., Mythes et Rites de Babylone, 1985, 100ff
15
Gurney, O. R. - Hulin, P., The Sultantepe Tablets II, 1964, Nr.237

14
107:Vs10-19 nachweisen
16
. Nur ein Jahr später präsentierte KINNIER WILSON der
Fachwelt einen weiteren É.GAL.KU
4
.RA -Text aus Niniveh
17
. Leider zitierte er nur zwei
Zeilen des ansonsten unveröffentlichten Textes
18
.
Nach einer fast zwei Jahrzente dauernden Pause konnte VON WEIHER dem bisher bekannten
Corpus einige weitere Texte aus Uruk hinzufügen
19
. Die beiden Tafeln umfassen SU.DU
8
.A
und IGI.BI.HÚL.LA.KE
4
-Beschwörungen. Die Wichtigkeit dieser Texte für das Verständnis
kann nicht überschätzt werden: war bisher nur eine einzige SU.DU
8
.A -Beschwörung
vorhanden, so sind es jetzt insgesamt vier. Die IGI.BI.HUL.LA.KE
4
-Beschwörungen waren
vorher nicht bekannt, doch sind sie, aufgrund ihrer Parallelen mit uzzi nuhhi und
É.GAL.KU
4
.RA, für die Interpretation sehr wichtig. Im dritten Band der SpTU-Reihe
erschien im Jahre 1988 unter der Nummer 129 ein Beschwörungsritual, das, laut Unterschrift,
für SU.ÍL.LA, DINGIR.SÀ. DIB.BA, SU.DU
8
.A.KAM, SÀ.ZI.GA und É.GAL.KU
4
.RA
verwendet werden kann.
Zu erwähnen ist noch der Text BAM 353, der nach Aussage KÖCHERS zu einer
Amulettsteinliste gehört
20
. Es handelt sich aber um ein SU.DU
8
.A -Fragment, bestehend aus
Unterschrift und Ritualanweisung.
Die Reihe der Publikationen erweiterte MAYER 1990 um eine kleine Tafel aus Rom, die,
neben Terminangaben für das Ritual gegen einen Feind, noch eine É.GAL.KU
4
.RA -
Beschwörung bietet
21
.
Neun Jahre später publizierte FINKEL ein kleines Textfragment aus dem British Museum,
das er für eine Skorpionbeschwörung hielt. Es handelt sich um eine IGI.BI.HÚL.LA.KE
4
-
Beschwörung
22
. Als Parallele zitiert er einige Zeilen aus einem weiteren unbearbeiteten Text
des British Museum. Dieser Text ist eine Beschwörung vom Typ MU.RU.UB ana DUH
23
.
16
Reiner, E., JNES 26, 1967, 188f
17
Möglicherweise handelt es sich hier um das Exemplar, das Sadunu dem König aus Sippar mitgebracht hat.
18
Kinnier-Wilson, J. V., in: AS 16, 1965, 289
19
SpTU II, 23 und 24
20
Köcher, F., BAM IV, XIV; so auch noch Pedersén, O., ALA II, 69, Nr. 413
21
Mayer, W. R., Or 59, 1990, 14ff
22
BM 61471 = Finkel, I. L., in: AMD I, 1999, 237f
23
BM 45755 = Finkel, I. L., in: AMD I, 1999, 238f; was die Typenangabe der Beschwörung bedeutet ist unklar.

15
2.2 Die
Interpretationen
2.2.1 É.GAL.KU
4
.RA (Zugang zum Palast) und uzzi nuhhi (Zornesberuhigung)
Über den Zweck der É.GAL.KU
4
.RA und uzzi nuhhi-Texte konnte bis heute keine Einigkeit
erzielt werden. Die meisten Forscher vermuten, daß die Beschwörungen dann verwendet
werden, wenn ein Prozess ansteht
24
. Es wird angenommen, daß sich die Sprüche gegen den
Ankläger richten. Nur WIGGERMANN geht davon aus, daß auch "unmenschliche Beamte"
verzaubert werden sollen
25
.
Nach EBELINGs Meinung sind die Beschwörungen von einer Person zu rezitieren, die
Eintritt in den Palast oder Zugang zum "Angesicht der Großen des Landes" wünscht
26
. Er
erklärt aber nicht, warum man zur Palastbetretung eine Beschwörung benötigt. Weiterhin
vermutet er für eine der Beschwörungen eine Verwendung gegen den bösen Blick
27
.
BOTTÉRO erkannte, daß die Beschwörungen der Verwirklichung ökonomischer und sozialer
Ziele dienen, ohne jedoch genaueres darüber sagen zu können
28
.
Eine weitere Interpretation bietet MAYER. Seiner Meinung nach helfen die Beschwörungen
gegen die Bedrohung durch persönliche Feinde und bei der "Lösung sonstiger
zwischenmenschlicher Konflikte"
29
.
Die am weitesten führende Deutung erfuhren die Texte durch KINNIER WILSON. Er glaubt
in den É.GAL.KU
4
.RA -Sprüchen eine Therapie gegen eine Frühform der Schizophrenie
erkennen zu können
30
. Uzzi nuhhi bezeichnet seiner Ansicht nach eine Apathie
31
. KINNIER
WILSONs Deutungen übernimmt in neuester Zeit GELLER. Er zieht eine Verbindungslinie
von den Beschwörungen zu Freuds Psychoanalyse. É.GAL.KU
4
.RA verfolge den Zweck, die
Angst und den Hass desjenigen, der die Beschwörung anwendet, auf seine Kollegen zu
übertragen. Diese Projektion sei der Freudsche Verdrängungsmechanismus. Er diene der
Sublimierung solcher Gefühle. Nach dem Sprechen der Beschwörung gehe es dem Menschen
wieder besser
32
. Ein weiterer Vertreter der Psychosomatik-Theorie ist STOL. Nur nebenbei
äußert er sich zu É.GAL.KU
4
.RA, als er sich mit den Aufzählungen von Übeln befasst. Er
24
Ungnad, A., AfO 14, 1941-44, 263; Lambert, W. G., BWL, 1960, 326; Abusch, T., Babylonian Witchcraft
Literature, 1987, 93; Cunningham, G., St. Pohl SM 17, 1997, 110; Wiggermann, F., in: Cancik, H. (Hrsg.), Der
neue Pauly, Band 7, 1999, 659
25
Wiggermann, F. A. M., in: Cancik, H. (Hrsg.), Der neue Pauly, Band 7, 1999, 659
26
Ebeling, E., MAOG 5/3, 1931, 27
27
Ebeling, Ar Or 17,1, 1949, 209, Nr.9: in dieser Arbeit Nr.10
28
Bottéro, J., Mythes et Rites de Babylone, 1985, 105f
29
Mayer, W. R., Or 59, 1990, 14
30
Kinnier Wilson, J. V., in: AS 16, 1965, 290
31
Kinnier Wilson, J. V., in: AS 16, 1965, 292
32
Geller, M. J., in: AMD I, 1999, 52f

16
wundert sich, daß Liebesbeschwörungen und É.GAL.KU
4
.RA -Texte bei den Babyloniern
als böse Zauberei gegolten haben. Seiner Meinung nach sind dies positive Erscheinungen,
ohne jedoch weiter darauf einzugehen, inwiefern sie "positiv" sind
33
.
Nur LANDSBERGER und SCURLOCK haben darauf verwiesen, daß es dem Anwender
solcher Beschwörungen um die Erlangung der Kontrolle über Mächtige und Konkurrenten
geht
34
.
LIVINGSTONE sieht die Serie in nicht näher spezifiziertem Zusammenhang mit dem Kult
der gewöhnlichen Leute in Mesopotamien. Was er damit meint, ist leider nicht ersichtlich
35
.
Eine andere Interpretation findet sich bei dem klassischen Philologen FARAONE. Für ihn
stellen die Texte "Assyrian ' political' magic" dar, d.h. der Anwender will sich Liebe und
Zuneigung eines Königs sichern. Die É.GAL.KU
4
.RA und uzzi nuhhi-Texte gehören zu den
Bindezaubern
36
.
THOMSEN kommt zu dem Schluß, daß É.GAL.KU
4
.RA und uzzi nuhhi nichts mit Zauberei
zu tun haben, obwohl sie in den Aufzählungen von Techniken schwarzer Magie vorkommen.
Ihrer Meinung nach will man "in der Beschwörung ... alle Eventualitäten aufführen, um sie so
effektiv wie nur irgendwie möglich zu machen."
37
.
Wiederum anders sehen VAN BINSBERGEN und WIGGERMANN die Sache. Diese
Beschwörungen seien eher populäre Arten der Magie, die der König und die Höflinge deshalb
nutzten, weil auch sie gewöhnliche Menschen mit menschlichen Problemen seien
38
. Die
Sprüche verden angeblich von "gewöhnlichen Bürgern" (ordinary citizen) verwendet, wenn
sie den Palast betreten
39
. Allerdings lassen die Autoren offen, was sie mit "gewöhnlichen
Bürgern" meinen und weshalb sie Beschwörungen zum Betreten brauchen. Außerdem
erklären sie nicht, warum der König für seine menschlichen Bedürfnisse die Sprüche
verwendet. Ferner gehöre É.GAL.KU
4
.RA zum Bereich der ME-Magie, die der von den
staatlichen Autoritäten legitimierten NAM.TAR-Magie zuwiederläuft. Dies zeige sich darin,
daß die Sprüche nicht göttlich autorisiert seien. Es handele sich um eine Art der Kultmittel-
33
Stol, M., in: AMD I, 1999, 61: " It surprises me that that we find in this list positive manifestations like 'love',
'entering the palace'."; Michalowski ist einer der wenigen, die es ablehnen antike Krankheitsbezeichnungen auf
moderne Begriffe zu übertragen. Seine Argumentation ist m.E. überzeugend: Michalowski, P., in: Quaderni di
Semitistica 18, 1992, 307f
34
Landsberger, B., ZDMG 74, 1920, 439; Scurlock, J. A., AfO 36/37, 1989-90, 109f, 111f
35
Livingstone, A., in: CM 7, 1997, 215ff
36
Faraone, Ch. A., Ancient Greek Love Magic, 1999, 103
37
Thomsen, M.-L., Zauberdiagnose und schwarze Magie in Mesopotamien, 1987, 20
38
van Binsbergen, W.- Wiggermann, F., in: AMD I, 1999, 29
39
van Binsbergen, W.- Wiggermann, F., in: AMD I, 1999, 31

17
beschwörung, die nur auf die Kraft der Dinge vertraue und nicht auf die Götter
40
. Die
Argumentation der beiden Autoren ist aber nicht schlüssig und beruht auf Fehleinschätz-
ungen, denn verschiedene Götter werden sehr wohl in den Beschwörungenen angerufen
41
.
VAN BINSBERGEN und WIGGERMANN möchten die konkurrierenden Magiesysteme
(ME und NAM.TAR) an É.GAL.KU
4
.RA exemplarisch zeigen und verifizieren. Doch ist
diese Theorie angesichts der Belege aus den Sprüchen unhaltbar. É.GAL.KU
4
.RA müßte, der
Klassifikation der Autoren zufolge, ebenfalls zur NAM.TAR-Magie gehören (sie ordnen
É.GAL.KU
4
.RA aber unter ME-Magie ein). Leider ist den beiden Autoren ein weiterer Text
entgangen, der beweist, daß die Unterscheidung von ME- und NAM.TAR-Magie unhaltbar
ist. Beschwörung Nr. 20 kann laut Unterschrift für die verschiedensten Beschwörungen und
Gebete verwendet werden. Sie umfaßt also Bereiche der ME- Magie und der NAM.TAR-
Magie. Die ME-Magie, zu der ja É.GAL.KU
4
.RA gehören soll, sei zeitlich vor der
NAM.TAR-Magie anzusetzen. Daß die É.GAL.KU
4
.RA -Sprüche erst jüngeren Datums sind,
umgehen die Autoren mit dem Hinweis auf eine Beschwörung, in der das Land Emutbal
erwähnt wird
42
. Dies sei ein Indiz dafür, daß die Sprüche aus der 1.Hälfte des 2. Jt. stammen
43
.
Abgesehen von der höchst fraglichen Art der Datierung haben die Autoren übersehen, daß
besagte Beschwörung keine É.GAL.KU
4
.RA-Beschwörung ist, sondern zum Typ
IGI.BI.HÚL.LA.KE
4
gehört! Auch hier ist die gesamte Argumentation hinfällig
44
.
Eine neue Bearbeitung und Interpretation der Texte ist seit 1997 von F. REYNOLDS in
Birmingham angekündigt
45
. Bis Abgabeschluß dieser Arbeit ist sein Werk allerdings noch
nicht erschienen.
2.2.2 SU.DU
8
.A (Handöffnung)
Bei der Interpretation der SU.DU
8
.A-Beschwörungen hat die Forschung zum Großteil
Enthaltung geübt. Nur wenige Deutungsvorschläge lassen sich finden.
So regte UNGNAD zu der Überlegung an, ob die Beschwörung in irgendeiner Form mit dem
Handlöseritus des altbabylonischen Bürgschaftsrechtes zu tun haben könnte
46
. Was UNGNAD
40
van Binsbergen, W.- Wiggermann, F., in: AMD I, 1999, 31, 33
41
Ninkarrak: Nr.1; Marduk: Nr.9; Ningal: Nr.16; Istar: Nr.10, 13, 15; 20; Ninegal: Nr.15; Samas: Nr.13, (26);
Addu: Nr.13; Ninlil: Nr.13; vgl. auch Nr. 20, dort erscheinen die Vertreter der ME- und der NAM.TAR-Magie
in einer Beschwörung.
42
Nr. 21:7 EME.DU.BA.LU
43
Genauso könnte man argumentieren, daß ein aktueller historischer Roman über Gilgames nicht aus dem 20.Jh.
stamme, sondern aus der 2.Jt., weil der Name Gilgames darin vorkommt.
44
Eine Diskussion dieser Magietheorie vgl. Kap. 5
45
Livingstone, A., in: CM 7, 1997, 219, Fn 7
46
Ungnad, A., AfO 14, 1941-44, 262

18
noch mit Fragezeichen versah, stellte HEEßEL als Tatsache dar, auch wenn die "juristische
Ausdeutung der SU.DU
8
.A-Texte nicht eindeutig geklärt ist"
47
. Leider geht er auch nicht der
Frage nach, warum die Babylonier überhaupt Beschwörungen bei einer Bürgschaft benötigt
haben könnten. Allerdings stellt er fest, daß diese Beschwörungen keine Verbindung zu der
"Hand Gottes" der diagnostischen Texte haben und daß die SU.DU
8
.A-Beschwörungen nicht
erkennen lassen ob der Betroffene ein Kranker ist
48
.
Eine gänzlich andere Interpretation bot YALVAC, da er vermutet, daß die Beschwörung zum
öffnen von Schlössern und brechen von Siegeln auf "magische Weise (ohne Spuren)"
verwendet wurde
49
.
SCURLOCK und CUNNINGHAM weisen darauf hin, daß es sich hier ebenso um Sprüche
zur Kontrolle anderer Menschen handelt
50
.
2.2.3 IGI.BI.HÚL.LA.KE
4
(Wer ihn sieht ist froh, ihn zu sehen), hd pni
(Freundliches Gesicht) und DI..BALA (Prozeßänderung)
Zu den IGI.BI.HÚL.LA.KE
4
hat sich VON WEIHER geäussert. Er vermutet, daß jemand, der
in "eine mißliche Situation geraten" ist, sich rechtfertigen will und durch die Beschwörung
rehabilitiert werden soll
51
.Außerdem hat er erkannt, daß IGI.BI.HÚL.LA.KE
4
Parallelen zu
É.GAL.KU
4
.RA aufweist
52
.
FINKEL vermutet, daß die IGI.BI.HÚL.LA.KE
4
-Texte gegen Skorpione verwendet wurden
53
.
Ungnad nimmt an, daß es sich bei DI.BALA um "Rechtsverdrehung" handelt
54
. KINNIER
WILSON möchte hier wieder eine Geisteskrankheit geltend machen
55
.
Bemerkungen zu hd pni sucht man vergebens.
47
Heeßel, N. P., Babylonisch-assyrische Diagnostik, 2000, 85
48
Heeßel, N. P., Babylonisch-assyrische Diagnostik, 2000, 85 Fn52
49
Yalvac, K., in: AS 16, 1965, 331
50
Scurlock, J. A., AfO 36/37, 1989-90, 108; Cunningham, G., St. Pohl SM 17, 1997, 110
51
SpTU II, 11
52
SpTU II, 126
53
Finkel, I. L., in: AMD I, 1999, 237
54
Ungnad, A., AfO 14, 1941-44, 262; Zur Diskussion dieses Begriffes vgl. Beschwörung Nr. 16
55
Kinnier Wilson, J. V., in:AS 16, 1965, 292

19
2.3 Zusammenfassung
Die Forschung hat sich mit der Untersuchung dieser Beschwörungen bisher sehr schwer
getan. Stillschweigend gehen die Meisten davon aus, daß die Zaubersprüche als weiße Magie
angewandt wurden, also rein defensiv, nach vorangegangener Aggression eines Anderen.
Diese Ansicht vertreten auch die Autoren, die darauf hinweisen, daß Texte der schwarzen
Magie nicht schriftlich fixiert wurden und nur aus den Abwehrritualen bekannt oder durch
Zufall nicht mehr überliefert seien
56
. Eine Ausnahme stellt ihrer Meinung nach ein von
EBELING bearbeiteter Text dar
57
. Jedoch hat LEICK festgestellt, daß die Ähnlichkeiten von
sogenannter ("guter") Liebesmagie und schwarzer Magie sehr groß sind
58
. Zu diesem Schluß
kommt auch THOMSEN, doch lehnt sie die Einordnung von Liebeszauber unter schwarze
Magie mit dem Argument ab, daß es dafür kein Gegenritual gäbe
59
.
Nur wenige haben erkannt
60
, daß es sich bei den zu behandelnden Beschwörungen um Texte
handelt, die die Babylonier selbst als böse Zauberei (schwarze Magie) klassifizierten
61
und
somit als Schadenzauber angesprochen werden müssen.
56
Daxelmüller, Ch.- Thomsen, M.-L., Anthropos 77,1982, 39, 49, 57; Thomsen, M.-L., Zauberdiagnose und
schwarze Magie in Mesopotamien, 1987, 9. Und die Rezensionen dazu von Maul, S., in: WO 19,1988,165ff und
Geller,M., in: BiOr 45,1988, 629ff; Farber, W., in: TUAT II, 2, 262; Reiner, E., La magie babylonienne, 1966,
73; Bottéro, J., in: RLA 7, 203: Magie diene der Bekämpfung des Bösen (Repulsion du Mal). Auf der gleichen
Seite zählt er Verwendungsmöglichkeiten für Beschwörungen auf, so z.B. um die Gunst des Herrschers (Faveur
du Palais) zu erlangen. Somit geht Bottéro ebenfalls stillschweigend davon aus, daß solche Sprüche ebenfalls der
weißen Magie zuzurechnen seien; von Soden, W., Einführung in die Altorientalistik, 1985, 189; Walters, S. D.,
JCS 23, 1970-71, 27, 36; am weitesten in ihrer Ablehnung einer Überlieferung von Texten der schwarzen Magie
geht M.-L. Thomsen in ihrem Buch über Zauberdiagnose und schwarze Magie. Sie fragt sich, ob Schadenzauber
jemals ausgeübt wurde, denn die gesetzlichen Bestimmungen seien sehr streng gewesen (S.10). Dieser
Argumentation zufolge dürfte in den USA niemals wieder ein schweres Verbrechen begangen werden, da die
Todesstrafe droht. Ferner ist die Autorin der festen Überzeugung, daß es den Glauben an Hexen und Zauberer
zwar auf der ganzen Welt gäbe, es sich aber noch keine Beweise für die wirkliche Existenz solcher Personen und
ihrer Tätigkeit hätte finden lassen (S.10). Eine solche Behauptung beruht auf großer Unkenntnis, denn seit der
griechisch-römischen Antike sind solche Schadenzauber-Spruchsammlungen (z.B. PGM) bekannt. Auch aus
dem Mittelalter sind eine Fülle von sog. Grimoires überliefert.
57
Ebeling E., Or 20, 1951, 167ff
58
Leick, G., Sex and Eroticism in Mesopotamian Literature, 1994, 194
59
Thomsen, M.-L., Zauberdiagnose und schwarze Magie in Mesopotamien, 1987, 13. Daß dieses "Argument"
jeglicher nachvollziehbarer Logik entbehrt, braucht nicht weiter dargelegt zu werden.
60
Scurlock, J.A., AfO 36/37, 1989-90, 110; Wiggermann, F. A. M., in: Cancik, H. (Hrsg.), Der neue Pauly,Band
7, 1999, 658f ; Faraone, Ch. A., Ancient Greek Love Magic, 1999, 102ff
61
Aufzählungen von Übeln: Lambert, W. G., AfO 18, 1957-58, 290:13 , Maqlû I:90 und SpTU II,19:25-27

20
3 Die Funktionsweise der Magie
Arbeiten, die sich mit der Frage der Wirkungsweise der Magie im alten Orient beschäftigen,
gibt es erst in neuester Zeit. Die Keilschriftforschung hat zwar seit ihrem Bestehen die
Beschwörungstexte der Babylonier und Assyrer transkribiert, übersetzt und philologisch
kommentiert, doch den Versuch, die Funktionsweise der zugrundeliegenden Magie zu
verstehen, hat sie (fast) nie unternommen
62
. Es wurde nur versucht, die Texte nach
Verwendungszweck einzuordnen. Doch die Einordnung des Textes in Schadenzauber,
Heilzauber usw. erklärt noch lange nicht die Funktionsweise eines Spruches.
Exemplarisch für diese Verfahrensweise auch innerhalb der modernen Altorientalistik sei auf
BÖCK verwiesen. Sie streift das Thema Magie auf wenigen Seiten
63
. Doch wird sie ihrem
Thema nicht gerecht, denn die "Denkstrukturen des altmesopotamischen Menschen" bleiben
weiter im Unklaren. In ihrem Aufsatz stellt sie nur zwei Kategorien von Magie vor: die
Simile-Magie und die Singularitäts-Magie
64
. Sie beschreibt nur Phänomene, die in den
magischen Texten vorkommen und versäumt leider zu erklären, wieso diese Art der Magie
funktioniert, welche Denkstrukturen ihr eigentlich zu Grunde liegen.
Der Mangel an einschlägigen Vorarbeiten kann im Rahmen einer Magisterarbeiten nicht
behoben werden. Zu umfangreich und weitläufig ist das Thema. Genaue Untersuchungen zur
Arbeitsweise der Magie, sowei zur Materia Magica (Steine und Pflanzen in ihrer Beziehung
zu den Göttern und zur Welt
65
) sind ein dringendes Desiderat.
Aus diesem Grunde muss hier überwiegend auf Material aus anderen Kulturen und Zeiten
zurückgeriffen werden, wobei eine Berücksichtigung aller Texte und Untersuchungen den
Umfang dieser Arbeit sprengen würde. Daher kann immer nur punktuell auf einzelne Aspekte
verwiesen werden
66
, sofern sie für die mesopotamischen Beschwörungen relevant sind:
62
Den ersten Versuch einer Theoriebildung der mesopotamischen Magie stellt der erste Band der Reihe Ancient
Magic and Divination (AMD) von 1999 dar. In ihm werden die Ergebnisse einer einjährigen interdisziplinären
Forschungsarbeit zum Thema dargestellt. Zu diesem Projekt: Abusch, T.- van der Toorn, K., in: AMD I, 1999,
vii. Zur Diskussion der Theorie siehe unten.
63
Böck, B., in: CDOG 2, 1999, 409ff, bes. 415ff
64
Böck, B., in: CDOG 2, 1999, 417; Böcks Magieverständnis soll hier nicht übernomen werden, da die
Einteilung in diese zwei Magie-Gruppen zu einfach ist und den Gegebenheiten in keinster Weise gerecht werden
kann.
65
Zu Steinlisten: Reiner, E., Astral Magic, 1995, 122ff; eine Übersicht über Lapidarien in der gr.-röm. Antike
bieten: Halleux, R.- Schamp, J., Les Lapidaires grecs, 1985; zum mittelalterlichen Material: Kieckhefer, R.,
Magie im Mittelalter, 1992, 121f; Habiger-Tuczay, Ch., Magie und Magier im Mittelalter, 1992, 317f; antike
und mittelalterliche Herbarien weisen teilweise Parallelelen zu babylonischen Texten auf. Dazu: Reiner, E., in:
Fs Porada, 1987, 33;
66
Haupsächlich wird deshalb Sekundärliteratur verwendet.

21
1. Quellen der griechisch-römischen Antike: griechische und römische Intellektuelle
führten einen regen Diskurs über Magie und Wirklichkeitsverständnis. Wichtig sind
die theoretischen Abhandlungen zu diesen Themen (die Metaphysik), die leider in
Babylonien und Assyrien gänzlich fehlen
67
. Die hier zu behandelnden Beschwörungen
liegen teils etwas früher als die Texte der griechisch-römischen Antike, teils sind sie
etwas später. Da ein reger Gedankenausstausch zwischen der mesopotamischen und
der griechischen Kultur stattgefunden hat, kann man davon ausgehen, daß viel
Mesopotamisches in griechischen Texten zu finden ist
68
.
2. Quellen der Spätantike: Verschiedene Autoren haben sich mit der Theurgie
beschäftigt. Es gibt Abhandlungen über die Funktionsweise der Magie und die
sympathetischen Zusammenhänge des Kosmos. Der Bezug zur mesopotamischen
Magie wird durch die Äußerungen der Autoren selbst hergestellt. Sie behaupten ihr
Wissen direkt aus Mesopotamien oder Ägypten zu haben
69
. Ob dies der Wirklichkeit
entspricht, sei dahingestellt. Es zeigt aber, daß ein gewisses Bewusstsein für frühere
Traditionen der Magie vorhanden waren, die in die spätantike Magie hineinreichten.
3. Quellen des Mittelalters und der Renaissance: Die Magie des Mittelalters und der
Renaissance ist aufgrund reichhaltiger Textüberlieferung und modernen
Bearbeitungen gut zu fassen. Die Autoren beziehen ihr Wissen aus der antiken und
spätantiken Überlieferung
70
.
67
Die Andeutung einer theoretischen Grundlage in Mesopotamien findet sich Handbuch des Wahrsagers
(Oppenheim, A. L., JNES 33, 1974197ff). Auf S.204:38ff finden sich Hinweise auf ein Sympathieverhältnis im
Kosmos. In Zeile 40 wird ausdrücklich gesagt, daß Himmel und Erde verwandt sind und deshalb die Vorzeichen
von beiden nicht separat betrachtet werden können.
68
Literatur in Auswahl: Ogden, D., in: Ankarloo, B.- Clark, S. (Hrsg.), The Athlone History of Witchcraft and
Magic in Europe, Vol. 2: Ancient Greece and Rome, 1999, 79ff; Tadmor, H., in: BBVO 1/2, 1982, 449ff;
Greenfield, J. C., in: BBVO 1/2, 1982, 471ff; Hegyi, D., in: BBVO 1/2, 1982, 531ff; Kuhrt, A., in: BBVO 1/2;
1982, 539ff; Luck, G., Magie und andere Geheimlehren in der Antike, 1990, 4; Geller, M. J., ZA 73, 1983, 114
ff; Geller, M. J., in: CDOG 2, 1999, 377ff; Black, J. A.- Sherwin-White, S. M., Iraq 46, 1984, 131ff; Maul, S.
M., ZA 81, 1991, 87ff; Burkert, W., The Orientalizing Revolution. Near Eastern Influence on Greek Culture in
the Early Archaic Age, 1992, bes. 41ff; Patzek, B., OrAnt 27, 1988, 221ff; West, D. R., UF 23, 1991, 361ff;
dagegen: Johnston, S. I., in: RGRW 129, 1995, 380; ausführlich: West, D. G., AOAT 233, 1995. Folgendes
muss noch angemerkt werden: Burkert und West sehen einen starken semitischen Einfluß auf die Griechische
Kultur, wobei ihre Argumentation nicht immer zwingend ist. Wests Versuch, unklare griechische Toponyme mit
hebräischen, arabischen und akkadischen Wörtern zu identifizieren (29-47), um semitischen Einfluß zu
beweisen, ist mehr als fraglich. Burkert arbeitet mehr mit Parallelen im Kult. So sieht er teilweise schon in der
Tatsache, daß es in Griechenland Reinigungsriten gibt, einen Hinweis auf Entlehung aus dem babylonischen
Raum. Seiner Denkart zufolge müßte jede Kultur, die Reinigungsriten hat diese von den Babyloniern
übernommen haben.
69
Struck, P. T., in: RGRW 141, 2002, 390; Nasemann, B., BzA 11, 1991, 113; Müller-Kessler, Ch., in: AMD I,
1999, 208
70
Versnel, H. S., in: RGRW 141, 2002, 111: "strong tradition leading from late antiquity into medieval magical
charms"; Greene, Th. M., in: Schäfer, P.- Kippenberg, H. G. (Hrsg.), Envisioning Magic, 1997, 266; van
Binsbergen, W.- Wiggermann, F., in: AMD 1, 1999, 10; Habiger-Tuczay, Ch., Magie und Magier im Mittelalter,
1992, 137, 248, 327, 331

22
3.1 Der Beschwörungstext: zum Wirklichkeitsverständnis der mesopotamischen
Menschen
Daß die Babylonier und Assyrer (wie auch alle anderen Kulturen der Antike) den Wörtern
eine besondere Macht zusprachen, ist allgemein bekannt. Wie die Wörter zu ihrer Macht
kommen ist für den alten Orient kaum untersucht worden
71
. Daher muss im Folgenden ein
kleiner Exkurs in die antike Linguistik und Semiotik unternomen werden. Das ganze
Themengebiet kann hier nicht umfassend dargestellt werden. Zur Anschauung kommen nur
die Punkte, die für das Verständnis der hier behandelten Beschwörungen
72
zwingend
notwendig sind. Es wird sich zeigen, daß die altorientalischen Vorstellungen von Semiotik
(auch wenn keine theoretischen Schriften darüber vorliegen) sich kaum von denen der
griechischen Antike und der Spätantike unterscheiden. Auch die Alchemie und Magie der
Renaissance ist davon geprägt.
In unserer modernen Zeit geht man normalerweise davon aus, daß die Bezeichnungen der
Dinge und die Namen der Lebewesen willkürlich gewählt sind. So ist es zu erklären, daß die
Dinge in jeder Sprache anders genannt werden. Das antike Denken jedoch unterscheidet sich
radikal von dieser Auffassung.
Ihm zu Folge ist das Wort ein Zeichen des Dinges, das es repräsentiert. Der Gegenstand
bedingt das Wort. Kein Wort ist zufällig oder von Menschen erfunden. Kein Name ist
willkürlich, sondern entspricht dem Wesen des Trägers: Wort und Ding sind kongruent
73
. Man
spricht von einem zeichenrealistischen Sprachverständnis
74
oder von konjunktiver
Linguistik
75
. Die Grundvoraussetzung für das Funktionieren von Magie (in allen Kulturen) ist
dieses "natürliche" Sprachverständnis
76
. Deshalb hat die Struktur der Sprache auch ihre
Entsprechung in der Struktur der Wirklichkeit
77
. Eine Änderung der Sprachstruktur bewirkt
71
Die einzige größere Untersuchung zu dem Thema: Bottéro, J., in: Fs Finkelstein, 1977, 5ff; in aller Kürze:
Maul, S., in: Aporemata 4, 1999, 1ff
72
Die hier erarbeiteten Prinzipien gelten sicherlich auch für die übrigen Beschwörungen aus Babylonien und
Assyrien. Eine Ausnahme stellen die sog. Beschwörungshymnen dar, die den Liedern oder Hymnen zuzurechnen
sind. Dazu: Cohen, M. E., JAOS 95, 1975, 592ff, bes. 596
73
Schulz, M., Magie oder die Wiederherstellung der Ordnung, 2000, 176; Greene, Th. M., in: Schäfer, P.-
Kippenberg, H. G. (Hrsg.), Envisioning Magic, 1997, 256- 258; 264f ; Agrippa von Nettesheim, De Occulta
Philosophia, 70., 71.+74. Kapitel; zu Agrippa: Guiley, R., The Encyclopedia of Witches and Witchcraft, 1989, 5f
74
Schulz, M., Magie oder die Wiederherstellung der Ordnung, 2000, 177; Bottéro, J., in: Fs Finkelstein, 1977,
27: "concrète et réaliste"; Bottéro, J., in: Ancestor of the West, 1996, 44
75
Greene, Th. M., in: Schäfer, P.- Kippenberg, H. G. (Hrsg.), Envisioning Magic, 1997, 256: "conjunctive view
of language" oder "natural language" im Gegensatz zum modernen "disjunctive view of language"; so ist es auch
zu erklären, daß das akkadische amtu sowohl "Wort" als auch "Sache" bezeichnet.
76
Greene, Th. M., in: Schäfer, P.- Kippenberg, H. G. (Hrsg.), Envisioning Magic, 1997, 256, 262; Shaked, S., in:
AMD I, 1999, 174f
77
Schulz, M., Magie oder die Wiederherstellung der Ordnung, 2000, 178; Iamblichus, bei: Struck, P. T., in:
RGRW 141, 2002, 395

23
eine Änderung der Struktur der Dinge
78
. Wird in einem Zauberspruch "die Welt auf den
Kopf gestellt", so geschieht dies auch in der Wirklichkeit
79
. Magie ist d i e Schöpfung par
exellence
80
. Schöpfung ohne Magie ist unvorstellbar. Schrift macht die Sprache sichtbar,
deshalb macht die Sprache das Unerreichbare möglich
81
.
Wenn in einem Zauberspruch eine Sache oder ein Gott beschworen wird, so besitzt der
Sprecher alleine durch die Kraft der Sprache und Worte schon die Kontrolle über die Sache
oder die Gottheit
82
. Eine ähnlich starke Beziehung besteht auch zwischen einem Gott und
seinem Kultbild. Der Gott bedingt das Aussehen und die Beschaffenheit seiner Statue. Die
Statue ist seine Manifestation
83
. Die Götterstatue und der Name sind beide der Ausdruck des
einen Gottes.
Die Teile des Universums stehen in Verbindung zueinander. Diese "Bänder" durchziehen den
gesamten Kosmos vom kleinsten Steinchen bis zum größten Gott
84
. Wenn in einer Ecke der
Welt etwas passiert, so hat dies Auswirkungen auf andere Teile der Welt. Mit anderen
Worten: es gibt auch hier keinen Zufall
85
, alles ist, sofern die Zusammenhänge zwischen
Himmel und Erde bekannt sind, erklärbar. Die universellen Zusammenhänge werden im
allgemeinen als (kosmische) Sympathie bezeichnet
86
. Mikro- und Makrokosmos entsprechen
78
Frankfurter, D., in: RGRW 129, 1995, 457; Lesses, R., in: RGRW 129, 1995, 189; die Götter entwerfen Pläne
und zeichnen Entwürfe, die dann Wirklichkeit werden, z.B. Maul, S., Zukunftsbewältigung, 1994, 182:4;
Bottéro, J., Mesopotamia, 1992, 101
79
vgl. z.B. die Interpretation zu Nr. 11: der Sprecher stellt sich in seinen Worten über den König. Dadurch soll
der König dem Sprecher in der Realität untertan sein; Schulz, M., Magie oder die Wiederherstellung der
Ordnung, 2000, 210; Hampp, I., Beschwörung, Segen, Gebet, 1961, 23ff; Versnel, H.S., in: RGRW 141, 2002,
122f, 146; Hillers, D. R., JAOS 103, 1983, 181f, 185
80
Die Erschaffung der Menschheit erfolgte unter Zuhilfenahme einer Beschwörung: Lambert, W. G., AfO 23,
1970, 43:25; auch: Am Anfang war das Wort, dazu: Greene, Th. M., in: Schäfer, P.- Kippenberg, H. G. (Hrsg.),
Envisioning Magic, 1997, 266; Eschweiler, P., OBO 137, 1994, 264; Herrenschmidt, C., in: Ancestor of the
West, 1996, 86; ein ugaritisches Beispiel für den Zusammenhang von Zauberspruch und Schöpfung bietet das
Keret-Epos KTU 1.16, V, 1.25f (Übersetzung nach: Jeffers, A., Magic and Divination in Ancient Palestine and
Syria, 1996, 49): "Ich werde einen Spruch sprechen und ich werde erschaffen".
81
Herrenschmidt, C., in: Ancestor of the West, 1996, 119
82
Greene, Th. M., in: Schäfer, P.- Kippenberg, H. G. (Hrsg.), Envisioning Magic, 1997, 265; Struck, P. T., in:
RGRW 141, 2002, 393; Bottéro, J., in: Ancestor of the West, 1996, 114; gegen von Weiher, SpTU II, S.5
83
Renger, J., RLA 6, 1980-83, 309; Dick, M. B.- Walker, Ch., in: Dick M. B. (Hrsg.), Born in Heaven, Made on
Earth, 1999, 57 (ms pî-Ritual); zu diesem Ritual auch: Berlejung, A., in: van der Toorn, K., (Hrsg.), The Image
and the Book, 1997, 45ff; Eschweiler, P., OBO 137, 1994, 246f, 270ff, 292, 303; Rittig, D., Kleinplastik, 1977,
146
84
Greene, Th. M., in: Schäfer, P.- Kippenberg, H. G. (Hrsg.), Envisioning Magic, 1997,257f; Nasemann, B.,
BzA 11, 1991, 177f
85
Maul, S., in: Aporemata 4, 1999, 8, 12
86
Graf, F., in: RGRW 141, 2002, 100ff; Agrippa von Nettesheim, De Occulta Philosophia, 15. Kapitel;
Nasemann, B., BzA 11, 1991, 105ff; Graf, F., in: RGRW 141, 2002, 100f (Plotin); zu Plotin: Godwin, J., Music,
Mysticism and Magic. A Sourcebook, 1986, 20ff; Bottéro geht in RLA 7, 206, §12 nur am Rande auf die
Sympathie ein. Er schreibt, daß Wort und Wille der Menschen den Zugang zu den unbelebten Dingen
ermöglichen.

24
sich
87
. Jedoch funktionieren die sympathetischen Verbindungen erst nach der Aktivierung
durch die Sprache, es gibt keinen Sympathie-Automatismus. Die sympathetischen
Zusammenhänge beruhen auf Analogien
88
. Man kann mittels Zaubersprüchen einen Gott
beschwören, ohne ihn direkt zu nennen. Dies funktioniert mit Hilfe der mit ihm verbundenen
Dinge: ein Stein, der einem Gott zugeordnet ist, hat Einfluß auf den Gott und die Kräfte des
Gottes finden sich in dem Stein. Auch in Mesopotamien gibt es Zusammenstellungen solcher
Zusammenhänge
89
. Ferner können Beschwörungen nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt
gesprochen werden. Der Magier muss sich an bestimmte Termine halten. Nur so ist gesichert,
daß die Beschwörung richtig in den kosmischen Zusammenhang
90
eingebettet ist. Die
Kenntnis dieser Verbindungen ist der Erfolgsgarant des Magiers
91
.
Die Menschen können die Magie, ebenso wie die Götter, anwenden. Dies ist nur deshalb
möglich, weil sie von den Göttern erschaffen wurden und göttliche Elemente in sich haben
92
.
Die Magie der Götter und der Menschen unterscheidet sich in keinster Weise
93
.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Tatsache, daß es im magischen Denken keinerlei
Wortspiele gibt. Eine Klangähnlichkeit deutet auf eine Wesensähnlichkeit hin
94
. Deshalb kann
der ashar-Stein für sahru "umwenden, verzaubern" verwendet werden
95
. Es handelt sich hier
nicht um ein literarisches Stilmittel, sondern um die Verwandtschaft des Verbs mit dem Stein
aufgrund der gleichen Konsonantenfolge. Wenn die Beziehung zwischen beiden besteht, dann
kann der Stein für das "Abwenden" benützt werden. So ist es möglich, in einer Halluzination
7 junge Frauen (batultu) durch ein "Öl der Würde" (saman balti) erscheinen zu lassen
96
.
Durch das "Wortspiel" eröffnet sich dem Weisen das Wesen der Dinge, es kann religiöse
87
Schulz, M., Magie oder die Wiederherstellung der Ordnung, 2000, 138; Maier, J., Die Kabbalah, 1995, 24ff;
Luck, G., Magie und andere Geheimlehren in der Antike, 1990, 1f; Daher ist der irdische Staat dem himmlichen
Staat nachgebildet. Der himmliche Staat ist kein Abbild des irdischen, sondern umgekehrt! Es kann keine andere
Staatsform geben.
88
Versnel, H. S., in: RGRW 141, 2002, 113; er spricht sich auf S. 123 gegen den Begriff Sympathie aus und
spricht von " performative persuasion through analogy". Ebenso: Schulz, M., Magie oder die Wiederherstellung
der Ordnung, 2000, 225ff; Nasemann, B., BzA 11, 1991, 175
89
z.B. Weidner, E., Gestirndarstellungen, 1967; Livingstone, A., Explanatory Works, 1986; solche
Zusammenhänge können durch den Beschwörer selbstvertändlich immer erweitert werden: Nasemann, B., BzA
11, 1991, 184
90
zu den entsprechenden Lunarien: Reiner, E., Astral Magic, 1995, 108ff
91
Mills, M. E., Human Agents of Cosmic Power, 1990, 132
92
Nasemann, B., BzA 11, 1991, 175; Atr. I:215, Ee VI:33
93
Die Menschen verwenden ausdrücklich Beschwörungsworte der Götter: z.B. Lambert, W. G., AfO 23, 1970,
41:16, 43:33; Krebernik, M., Die Beschwörungen aus Fara und Ebla, 1984, 194, 209f oder die Marduk-Ea-
Formel: dazu Falkaenstein, A., LSS NF I, 1930, 53ff
94
Schulz, M., Magie oder die Wiederherstellung der Ordnung, 2000, 140, 148 Fn. 472, 177; Bottéro, J.,
Mesopotamia, 1992, 121: Gleichklang ist die Grundlage für ein dialektisches System und die Hermeneutik.
95
vgl. Beschwörung Nr. 1 und 22; von Soden AHw 73b möchte eine "volksetymologische Ableitung"
annehmen, was aufgrund des Gesagten ausgeschlossen ist. Das Wortzeichen DÙ.DÙ.BI kann z.B. sowohl für
epustasu, als auch für das Verb tasappi gebraucht werden. Das erste Wort hat die Konsonantenfolge p-s-t(-s),
das zweite t-s-p; dazu: Farber, W., 63, 1973, 59ff; Cavigneaux, A., RA 77, 1983, 90f
96
vgl. die Interpretation zu Nr.6

25
Zusammenhänge verdeutlichen
97
. Es ist sicherlich nicht vermessen, hierin die Anfänge der
Metaphysik zu sehen.
In aller Kürze sei hier noch auf ein anderes Phänomen der mesopotamischen Kultur
hingewiesen: das Suchen nach Etymologien. Die Babylonier suchten immer nach dem wahren
Ursprung der Wörter und Namen. Als Beispiel kann das Ee mit der Nennung der 50 Namen
des Marduk dienen oder die Deutungen der Tempelnamen von Babylon
98
. Die
Etymologienbildung dient der Erkenntnis der Welt und ihrer verborgenen Zusammenhänge
99
.
Es handelt sich hier nicht um sogenannte Volksetymologien sondern um gelehrte
Spekulationen
100
. Die Suche nach dem Ursprung der Wörter führt oft auch zu einem Rückgriff
auf "heilige" Sprachen, d.h. Sprachen, die als primordial gelten. Sie gelten als noch
identischer mit den Dingen als spätere Sprachen und gewähren daher dem Zauberer einen
noch besseren Einfluß
101
. So erklärt sich vermutlich die häufige Verwendung von sumerischen
Beschwörungen. Bei sumerischen Beschwörungen mit akkadischer Interlinearübersetzung
könnte man nun vermuten, daß die Beschwörer die Kraft der "Ursprache" Sumerisch nutzen
wollten, wobei die akkadische Übersetzung eine Hilfe wäre, da die Kenntnisse des
Sumerischen möglicherweise nicht mehr die Besten waren. Daß dem nicht so ist, konnte
MAUL unlängst zeigen. Die Sumerischkenntnisse waren im 1.Jt. noch besser als oft vermutet
wird, denn die akkadische Übersetzung war eigentlich keine Übersetzung, sondern bereits der
interpretierende Kommentar zum Sumerischen
102
.
Aufgrund der engen Verflechtung von Wort und Ding können durch Kopierfehler beim
Abschreiben oder Versprecher bei der Rezitation unerwünschte Nebenwirkungen auftreten.
So kann zum Beispiel etwas ganz anderes beschworen werden als ursprünglich beabsichtigt,
oder der Zauberspruch wird wirkungslos
103
. Aus diesem Grunde werden ausländische
Zaubersprüche oft nur abgeschrieben und nicht übersetzt
104
.
Nun müssen noch einige Bemerkungen zur Namensnennung bzw. die Nicht-Nennung des
Namens in den Beschwörungen gemacht werden. Es wird oft argumentiert, daß der Grund für
97
Schulz, M., Magie oder die Wiederherstellung der Ordnung, 2000, 177
98
zu Ee VI:121-VII:Ende; dazu: Bottéro, J., in: Fs Finkelstein, 1977, 5ff; Bottéro, J., Mesopotamia, 1992, 88ff,
bes. 96f; zu Tempelnamen: George, A. R., OLA 40, 1992, 73ff
99
Maul, S., in: Aporemata 4, 1999, 13f; Herrenschmidt, C., in: Ancestor of the West, 1996, 125: die Schrift
enthüllt den Kosmos.
100
Schulz, M., Magie oder die Wiederherstellung der Ordnung, 2000, 177; George, A. R., OLA 40, 1992, 74;
Dossin, G., Akkadica Supplementum I, (ohne Jahr), 93; nur wer das Wesen der Götter (anhand der Etymologien)
kennt, hat Macht über sie: Mills, M. E., Human Agents of Cosmic Power, 1990, 23
101
Schulz, M., Magie oder die Wiederherstellung der Ordnung, 2000, 199; sumerische Tempelnamen waren
heiliger und weniger profan als akkadische: George, A. R., OLA 40, 1992, 73; Livingstone, A., in: AMD I,
1999, 131
102
Maul, S., in: Aporemata 4, 1999, 13
103
Schulz, M., Magie oder die Wiederherstellung der Ordnung, 2000, 182
104
Zu fremdsprachigen Sprüchen: van Dijk, J., in: BBVO 1/1, 1982, 97ff

26
die Nicht-Nennung des Namens des Gegners der ist, daß er dem Sprecher der Beschwörung
nicht bekannt sei
105
. Diese Einschätzung ist sicherlich falsch. Zieht man die obigen
Ausführungen zur Wirkungsweise der Magie in Betracht, so kann der Grund, warum eine
Person nicht beim Namen genannt wird, nur der sein, daß man ihn nicht herbeibeschwören
sondern fernhalten will
106
. Außerdem vermeidet der Sprecher der Beschwörung dadurch die
Rache seines Gegners
107
. So erklärt sich auch die Tatsache, daß Könige ihre Gegner nie beim
Namen nennen und von ihnen nur als Mann der Stadt XY reden
108
: jemand, der keinen Namen
hat ist eigentlich nicht existent. Aus dem selben Grund, nämlich, um ihre destruktive Kraft
nicht herbeizubeschwören, werden die bösen Siebengötter nie beim Namen genannt
109
.
Es gibt allerdings eine Ausnahme unter den Texten: Beschwörung Nr.3. Der Grund dafür ist,
daß der Sprecher der Beschwörung ausdrücklich sein Opfer in seine Hände bekommen will,
um es zu mißhandeln. Dies trifft auch auf die sogenannten Liebeszauber - besser
Herbeiführungszauber - zu: da der Sprecher eine bestimmte Person in seine Gewalt
bekommen möchte, muss der Name genannt werden
110
.
Zum Schluß muss noch auf die "Theorien" der Altorientalistik eingegangen werden.
KINNIER WILSON umgeht alle theoretischen Schwierigkeiten bezüglich der Magie, indem
er alle Beschwörungen als Ausdruck von Geisteskrankheiten klassifiziert. Es gibt somit keine
Magie sondern nur Psychologie und Psychiatrie. Eine Theorienbildung zur Magie ist daher
unnötig
111
. Ebenso argumentiert seit neuestem GELLER. In der Nachfolge zu KINNIER
WILSON gipfelt sein Aufsatz in der Behauptung, daß in der Magie keine Magie sei
112
. Weiter
fährt er fort, daß die Beschwörungen ein spezieller mesopotamischer Verdrängungs-
mechanismus für alle Arten von Ängsten und Neurosen sei
113
. Hexerei sei eigentlich nur ein
Ausdruck der "unkontrollierbaren Angst oder Neurose"
114
. Für GELLER besteht ein enger
Zusammenhang zwischen den Freudschen Theorien und dem mesopotamischen
Beschwörungswesen. So dienen seiner Meinung nach die Babybeschwörungen dazu, den Haß
105
Thomsen, M.-L., Zauberdiagnose und schwarze Magie in Mesopotamien, 1987, 21: sie erklärt sich die
Anonymität damit, daß der Name "letztlich ziemlich unwichtig zu sein " scheint.
106
Herrenschmidt, C., in: Ancestor of the West, 1996, 113: das Nennen des Namens macht den Gegner stark.
Daher wird er nicht genannt.
107
Schulz, M., Magie oder die Wiederherstellung der Ordnung, 2000, 194
108
vgl. AHw 90b
109
nur Anu kennt die Namen: Erra I:29
110
z.B. Biggs, R. D., SÀ.ZI.GA, 1967, 20:27; 25:14; 76:5
111
Kinnier Wilson, J. V., in: AS 16, 1965, 289ff
112
Geller, M. J., in: AMD I, 1999, 55: "So, in effect, there is no magic in magic."
113
Geller, M. J., in: AMD I, 1999, 55: "The incantations provide the defence mechanisms which are specific to
Mesopotamian culture against various forms of anxiety, repression, and neurosis."
114
Geller, M. J., in: AMD I, 1999, 54

27
der Eltern auf ihr Kind zu kanalisieren. Dadurch müßten sie es nicht mehr schlagen
115
.
Außerdem glaubt GELLER die Magie entfalte ihre Wirkung, weil sie die Ängste bekämpfe
116
.
Er muss sich die Frage gefallen lassen, wieso die Psychoanalyse Freuds der babylonischen
Magie näher stehen soll, als antike Konzepte über Magie: in seinem Artikel zitiert GELLER
auch nicht mit einem Wort antike Autoren oder Studien über antike Magie. Es wird als
selbstverständlich vorausgesetzt, daß Freud und Magie, auch wenn mehr als zweitausend
Jahre dazwischen liegen und beide aus völlig unterschiedlichen Bereichen und Kulturen
kommen, verwandt sind. Für eine solche Methode (wenn man hier überhaupt von Methode
sprechen kann) gibt es keine wissenschaftliche Grundlage.
Vielleicht wird die Psychoanalyse-Theorie in der Altorientalistik nur deshalb präferiert, weil
die Texte der bösen Zauberer angeblich fehlen. Wenn es keine solchen Texte gibt, scheint es
naheliegend zu sein, daß die Anti-Hexerei Beschwörungen eine mesopotamische Fiktion sind,
denn irgend einen Grund muss die Erwähnung der Hexen doch haben: auf nicht vorhandene
und erfundene Hexen wird das Seelenleben des einzelnen projeziert. Wie sich im Verlauf der
Magisterarbeit zeigen lässt, fehlen die Texte der bösen Zauberer auf keinen Fall. Die
Mesopotamier waren nicht alle neurotisch und geisteskrank. Ihre Befürchtungen und Ängste
hatten einen realen Hintergrung und waren nicht aus der Luft geriffen.
Die einzige wissenschaftliche Theorie der Magie stammt von VAN BINSBERGEN und
WIGGERMANN
117
. Sie unterscheiden zwei Arten von Magie: zuerst war die ME-Magie. Sie
war unkontrolliert (nicht-hegemonial) und funktionierte ohne die Götter nur aufgrund der
sympathetischen Beziehungen im Kosmos. Die Autoren bezeichnen dies als das holistische
Weltbild, in dem die Grenze zwischen Mensch und Natur nicht eindeutig gezogen ist
118
. Dem
gegenüber stehe die NAM.TAR-Magie der Götter. Die Götter haben sich das Universum
untertan gemacht, eine Hegemonie errichtet und kontrollieren es mit ihrer Magie. Dies sei das
theistische Weltbild
119
. Beide Typen von Magie stünden in Konkurrenz zueinander. Die ME-
Magie verwende die materielle Sympathie, die NAM.TAR-Magie eine verbale Sympathie
120
.
Auf dieser Grundlage konstruieren die Autoren einen Widerspruch zwischen asû und sipu:
ersterer schöpfe sein Wissen aus volkstümlichen Quellen (weil angeblich das Sumerisch der
asûtu-Texte sehr schlecht sei) und ist ein Vertreter des holistischen Weltbildes. Der Zweite
115
Geller, M. J., in: AMD I, 1999, 54; dem völlig zu Recht entgegengesetzt die Interpretation der Baby-
Beschwörungen von van der Toorn, K., in AMD I, 1999, 139ff
116
Geller, M. J., in: AMD I, 1999, 54: die SÀ.ZI.GA-Sprüche würden gegen Impotenz nur deshalb helfen, weil
sie dem Anwender die Angst vor derselben nehmen würden.
117
van Binsbergen, W.- Wiggermann, F., in: AMD 1, 1999, 1ff
118
van Binsbergen, W.- Wiggermann, F., in: AMD 1, 1999, 18f
119
van Binsbergen, W.- Wiggermann, F., in: AMD 1, 1999, 21f; 26
120
van Binsbergen, W.- Wiggermann, F., in: AMD 1, 1999, 27

28
repräsentiert das theistische Weltbild. Sein Textcorpus zeige Spuren einer gelehrten
Überlieferung
121
.
Was sich auf den ersten Blick wie ein innovativer Ansatz anhört, entpuppt sich leider auf den
zweiten Blick als unbrauchbar. Denn im gleichen Band der AMD-Reihe legt SCURLOCK
überzeugend dar, daß die Trennung asû- sipu so nicht aufrecht zu erhalten ist. Die
Kompendien werden von asû und sipu gleichermaßen benützt. Ihrer Meinung nach ist der
asû aber eher auf Pflanzenkunde spezialisiert
122
.
Ferner müssen die Autoren, um ihre These zu stützen, Beschwörungen, die sie zur ME-Magie
rechnen, künstlich zurückdatieren, damit sie in das Schema passen. Da in der ME-Magie
Götter keine Rolle spielen, behaupten sie, daß die entsprechenden Beschwörungen keine
Götter anrufen würden. Dies ist offensichtlich falsch
123
. Es zeigt aber, daß die Autoren fast
krampfhaft bemüht sind, die realen Begebenheiten ihrer Theorie anzupassen. Der Artikel, der
die Altorientalistik als atheoretisch kritisiert
124
, ist leider selbst nicht in der Lage, eine
überzeugende Theorie zu präsentieren. Die Widersprüchlichkeiten sind zu stark, als daß die
Theorie der Autoren in irgendeiner Form zur Anwendung kommen könnte. Nur nebenbei sei
bemerkt, daß VAN BINSBERGEN und WIGGERMANN die Frage nach der Funktionsweise
der Magie ebenfalls nicht klären können. Auch sie verfallen in ein Kategorisieren und
Darstellen von Magie, was sie aber selbst als nicht ausreichend verwerfen und der bisherigen
Forschung zum Vorwurf machen
125
.
121
van Binsbergen, W.- Wiggermann, F., in: AMD 1, 1999, 28f
122
Scurlock, J. A., in: AMD I, 1999, 69ff; ferner zum Magiefachmann: Renger, J., ZA 59, 1968, 223ff (aB);
Ritter, E. K., in: AS 16, 299ff; Avalos, H., Illness and Health Care in the Ancient Near East. The Role of the
Temple in Greece, Mesopotamia, and Israel, 1995, 142-169; Menzel, B., Assyrische Tempel I, 1981, 247;
Schrank, W., LSS III, 1, 1908, 1-20; zur Beschaffung von Drogen und Zutaten zur Durchführung von Ritualen:
Farber, W., Iraq 39, 1977, 223ff
123
vgl. Kap. 4.2.1
124
van Binsbergen, W.- Wiggermann, F., in: AMD 1, 1999, 7
125
van Binsbergen, W.- Wiggermann, F., in: AMD 1, 1999, 4f; 11

29
3.2 Poesie
126
und Beschwörung
Wie im vorhergehenden Kapitel schon gezeigt wurde, ist Magie ein kreativer Akt. Diese
Kreativität zeigt sich auch in den Beschwörungen
127
. Die Texte beinhalten eine schier
unglaubliche Menge an Assoziationen. Der Phantasie des Beschwörungspriesters sind keine
Grenzen gesetzt. Das kreative Potential schöpfen die Sprüche aus ihrer Andersartigkeit
128
. Sie
sind von der Normalität abgesetzt und kreieren eine imaginäre Wirklichkeit, die sie dann in
die Tat umsetzen. Eine Verbindung zwischen Schöpfung und literarischem Schaffen stellt das
griechische Wort
her, das beides bedeutet
129
. Die Poesie leistet die Erschaffung einer
anderen (Wort-)Welt
130
. Mit literarischen Stilmitteln
131
, allen voran die Metapher, wird die
Beschwörung in einen weiteren kontextualen Rahmen gesetzt. Sie kann dadurch ihre Kraft
aus verschiedenen Bereichen ziehen, bzw. die Wirkkraft anderer Bilder und Symbole (z.B.
aus Mythen) wird integriert
132
. Vieldeutigkeit ist beabsichtigt
133
. Aus diesem Grund werden
auch Zitate aus anderen Texten in die Beschwörungen eingearbeitet
134
. Auffällig ist hier die
häufige Zitation von Maqlû, wobei nicht gesagt werden kann, wer von wem zitiert: ist Maqlû
älter
135
, dann zitieren die Beschwörungen, sind die Beschwörungen älter, dann zitiert Maqlû.
Wie die exakte Chronologie ist, spielt für die Argumentation keine Rolle: die hier
vorgestellten Zaubersprüche sind Hexerei, Maqlû bekämpft die Hexerei. Daher ist es für die
Beschwörer wichtig, die magische Kraft der "Konkurrenz-Beschwörung" zu integrieren, um
sie so unschädlich zu machen und als Kraft für den eigenen Text zu nutzen
136
.
126
Es kann hier nicht auf die Diskussion eingegangen werden, zu welcher Art von Literatur die Beschwörungen
gehören, da die entsprechenden Unterteilungen m. E. sehr willkürlich sind. Hier soll nur gezeigt werden, daß
Beschwörungen durchaus literarisch hochwertig sein können. Wie sie dann klassifiziert werden, ist zweitrangig.
Zur Klassifizierung von Literatur vgl. Groneberg, B., in: CM 6, 1996, 59ff
127
Untersuchungen zu poetischen Strukturen in Beschwörungen gibt es in der Altorientalistik bislang sehr
wenig. Ausnahmen: Michalowski, P., ZA 71, 1981, 1ff (sum.); Veldhuis, N. C., OLP 21, 1990, 27ff; Veldhuis,
N. C., OLP 24, 1993, 41ff
128
Versnel, H. S., in: RGRW 141, 2002, 147, 154; Veldhuis, N., in: AMD I, 1999, 46; nur so können auch die
Sprüche verstanden werden, die in keiner Sprache verfasst sind, sondern sinnlose Silben aneinanderreihen (sog.
Mumbo-Jumbo oder ephesia grammata). Die abnormalen Worte sollen die Normalität umkehren. Dazu:
Veldhuis, N., in: AMD I, 1999, 46ff. ; Haas, V.- Thiel, H. J., AOAT 31, 1978, 12ff
129
Versnel, H. S., in: RGRW 141, 2002, 156, Fn. 128
130
So wie man auch heute noch beim Lesen eines guten Buches in einer imaginären Welt lebt.
131
Hier können nicht alle Stilmittel behandelt werden, daher sei auf Polentz, B., Die Eigenbegrifflichkeit
babylonischer Redeformen, 1989, 128ff verwiesen.
132
Versnel, H. S., in: RGRW 141, 2002, 124; Mills, M. E., Human Agents of Cosmic Power, 1990, 28ff
133
Versnel, H. S., in: RGRW 141, 2002, 152f
134
Versnel, H. S., in: RGRW 141, 2002, 124
135
Maqlû ist im 1.Jt. v. Chr. entstanden. Eine genauere Datierung ist noch nicht gelungen: Abusch, RLA 7, 347
136
um so die Wirkkraft von Sprüchen zu erhöhen verwendet Hermes bei den Griechen homersiche Verse:
Schwartz, J., in: RGRW 93, 1981, 489

30
Der Ursprung der Dichtkunst liegt im magischen Denken begründet. Stilmittel,
Reimschema und geordneter Aufbau
137
sind nicht zur Zierde da, sondern die Götter verlangen
sie. Maß und Ordnung gehören zu den Göttern. Sie erschufen einen geordneten meßbaren
Kosmos
138
. Die Maße werden von den Menschen untersucht und studiert. Daher betrieben die
Babylonier und Assyrer Astrologie und versuchten die Dinge zu berechnen
139
. Die Götter
konnten nur mittels ebensolcher geordneten und maßvollen Beschwörungen und Gebete
angesprochen werden
140
. Die Beschwörung musste auf einer Wellenlänge mit dem gesamten
Universum liegen. Die kunstvolle Gestaltung verleiht den Beschwörungen ein einnehmendes,
gewinnendes oder überzeugendes Wesen. Widerspruch ist damit ausgeschlossen.
Weiterhin können von einem Zauberspruch verschiedene Varianten existieren, die mehr oder
weniger stark voneinander abweichen
141
. Die Abweichungen stellen eine schöpferische
Erweiterung oder Umdeutung dar und sind keine Kopierfehler oder auf verschiedene
Überlieferungsstränge zurückzuführen
142
. Daher ist bei dem Versuch des Entwurfs einer
Chronologie von einzelnen Beschwörungen aus einer Zeitstufe aufgrund von
Textveränderungen und Varianten Vorsicht angebracht
143
.
Zum Schluß soll eine Beschwörung vorgestellt werden, die als ein frühes Beispiel für
konkrete Poesie gelten kann. Der Text verhindert den Eintritt des bösen Fußes
144
. Somit ist
diese Beschwörung der Gegenspieler der hier behandelten Texte. Zuerst klagt der Sprecher
137
Veldhuis, N., in: AMD I, 1999, 44, 46; Schulz, M., Magie oder die Wiederherstellung der Ordnung, 2000,
206; Graf, F., in: RGRW 141, 2002, 103
138
vgl. Ee V: alles steht an seinem von Marduk bestimmten Ort
139
Auf diese Disziplinen kann hier nicht näher eingegangen werden, daher sei nur auf einführende Werke
verwiesen.Astrologie: Koch-Westenholz, U., Mesopotamian Astrology, 1995; Hunger, H.- Pingree, D., Astral
Sciences in Mesopotamia, 1999; Mathematik: Neugebauer, O., Mathematische Keilschrifttexte, Bände 1-3,
1935-37
140
Nasemann, B., BzA 11, 1991, 232
141
Versnel, H. S., in: RGRW 141, 2002, 107; Shaked, S., in: AMD I, 1999, 187
142
Damit ist nicht gesagt, daß es keine Kopierfehler und keine verschiedenen Überlieferungsstränge gibt.
Vielmehr muss in jedem Falle einzel geprüft werden, woher die Veränderung rührt.
143
Abusch, T., in: AMD V, 2002, 94ff: Abusch versucht anhand von "späteren Einschüben" eine Chronologie
der Texte zu erstellen. Doch solange die Texte in ihre absoluten Chronologie nicht berücksichtigt werden, sind
solche "textimmanenten Chronologien" (so die Bezeichnung von Farber, W., BID, 1977, 43)abzulehnen.
144
SpTU V, 246:RsIV 3-8; einige Verbesserungen zur Übersetzung: Z.3: baÿ-ú ÿu-ba baÿ-ÿu Er hat mich
umgewendet, er hat mich umgewendet. Z.4: Ich habe <dich> umgewendet, kann dich (aber) sehen, ich habe dich
umgewendet und habe dich aufgespürt, Z.6: Damit du wie ein Löwe keinen Weg hast, Z.7: damit du wie ein
Wolf keinen Wandel hast, Z.8: (deshalb) machte ich dich mit deiner (eigenen) wilden Waffe nieder und schloß
dich ein. Zum Zeilenanfang von 3: diese ephesia grammata stehen sicherlich für bu´´û "suchen", da das
nachfolgende saÿru ebenfalls diese Bedeutung haben kann. Die Schreibung mit -ÿÿ- ist belegt (CAD B 362 d).
baÿÿû ist die assyrische Form für buÿÿû . Die Wortfolge steht ganz im Sinne des Umwendens. Die Abfolge der
Konsonanten ist folgende: b - ÿ; ÿ - b; b - ÿ. Ferner wechselt die Lesung des ÿu-Zeichens: baÿ - ÿu - baÿ - ÿu.
Durch das Umdrehen der Konsonanten (vor allem der mittleren Konsonanten ÿu-ba, eigentl. ba-ÿu) wird das
Umwenden des Gegners versinnbildlicht. Die "ephesischen Buchstaben" werden in der Altorientalistik oft als
Abracadabra- Sprüche tituliert (z.B. Landsberger, B., AfO Beih. 1, 1933, 174, Krebernik, M., Die
Beschwörungen aus Fara und Ebla, 1984, 185 oder Biggs, R. D., SÀ.ZI.GA, 1967, 5, Fn 28). Diese Bezeichnung
ist falsch, denn Abracadabra-Sprüche sind Sprüche mit einem sog. Schwindeschema. Abracadabra wird immer
untereinander geschrieben, wobei immer der letzte Buchstabe weggelassen wird. Schließlich ist das Wort
gänzlich verschwunden. Genauso soll auch die Krankheit verschwinden.

31
sein Leid: er wurde vom Bösen umgewendet. Er macht es jetzt aber genauso, denn auch er
wendet jetzt den Bösen um und hat ihn dabei immer im Auge (Z.4)
145
, um Schaden von sich
abzuwenden (Z.5). Er schlägt den Feind mit seinen eigenen Waffen (Z.8). Doch wie geschieht
dies? Der Sprecher sieht zu, daß der Gegner keinen ta-qu-ur-tú wie ein Löwe und keinen ta-
kal-tú wie ein Wolf hat. Diese beiden Wörter gibt es nicht. Es handelt sich nämlich um
"umgewendete" also verdrehte Wörter. Eigentlich sind es daraggu und tallaktu, beide
bedeuten "Gang, Wandel oder Weg". Eine kleine Grafik kann den Sachverhalt verdeutlichen:
D ta - qu - ur - tú D
X
A da -ra-ag-gu-(tú) A
L ta - kal - tú L
T X T
U ta - lak - tú U
--------------------------
askuppu
---------------------------
Die mittleren Konsonanten sind vertauscht und über kreuz gestellt. Beim ersten Wort findet
auch ein Tausch von t zu d und q zu g statt und das abschließende -tú fehlt, wird aber
angefügt um die Parallelität zu wahren. Die Beschwörung wird über der Türschwelle rezitiert,
wobei die t- und d-Laute von Wortanfang und Ende die Türflügel (daltu) des Eingangs
bilden. Durch das Verdrehen der mittleren Konsonanten wird der Durchgang blockiert. Die
Beschwörung zeichnet also das Bild einer Tür mit Türflügel und Schwelle, deren Eingang
magisch blockiert ist. Durch das Umwenden der Buchstaben wird der Weg des Feindes
blockiert (verknotet) und er muss umkehren (er wird umgewendet).
Dieses augenfällige Beispiel wurde hier angeführt, um zu zeigen, daß mesopotamische
Beschwörungen sehr kunstvoll und literarisch hochwertig angelegt sein konnten
146
. Daher ist
es offensichtlich, daß die Beschwörungsliteratur keine Volkstradition hatte, wie doch oft
behauptet wird
147
. Solche Texte wurden von (Literatur)-Fachmännern entworfen.
145
Zum Umwenden und seiner Bedeutung vgl. Beschw. Nr.1
146
Für den alten Orient gibt es erst seit kürzester Zeit weitere Belege für das Phänomen der konkreten Poesie:
Bosshard-Nepustil, E.- Morenz, S und L. D., WO 31, 2000/01, 72ff (edomitisches Siegel) und: Beaulieu, P. A.,
NABU 1993, Nr. 84
147
Farber, W., Anthropos, 85, 1990, 141; Landsberger, B.- Jacobsen, Th., JNES 14, 1955, 14

32
3.3 Die Unantastbarkeit der magischen Vostellungswelt
Erstaunlich aus heutiger Sicht ist die Langlebigkeit der magischen Vorstellungswelt. Von der
Wirkungslosigkeit der Magie und ihrer Prinzipien sind heute viele überzeugt
148
. Aber wieso
konnte dieses Denken bestimmend für die gesamte mesopotamische Geschichte sein? Wieso
hat niemand an seiner Wirkung gezweifelt?
Der Grund könnte in der Unantastbarkeit der magischen Vorstellungen begründet liegen, denn
sie waren selbstverständlich und immer wahr. Zweifel an den Möglichkeiten der Magie waren
prinzipiell ausgeschlossen
149
.
Man kann sich das vielleicht an einem Beispiel verdeutlichen: ein Mensch fühlt sich
verzaubert. Er geht zum Beschwörer, der ihm mit Zaubersprüchen helfen kann. Nun ergeben
sich zwei Möglichkeiten:
(1) Dem verzauberten Menschen geht es besser, also haben die Maßnahmen des Beschwörers
Erfolg gehabt. Die Wirkkraft und Selbstverständlichkeit der Magie haben sich erwiesen.
(2) Der Mensch fühlt sich weiterhin verzaubert. Dafür gibt es zwei Erklärungsmöglichkeiten:
entweder wurde das Ritual nicht richtig durchgeführt oder derjenige, der diesen Menschen
verzaubert hat, hat einen mächtigeren Zauber angewandt als der um Hilfe angegangene
Beschwörungspriester. In beiden Fällen liegen die Ursachen für die nicht erfolgreiche
Beschwörung beim Menschen selbst. Das Ritual muss neu und vollständig durchgeführt
werden oder der Beschwörer muss zu mächtigeren Sprüchen greifen.
In keinem dieser Fälle kann die Magie angezweifelt werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Ursprung der Magie. Die Götter selbst, allen voran der
Gott der Beschwörungskunst Ea, haben die Magie erfunden und betrieben
150
. Die Anwendung
von Magie war eine Art Gottesdienst, indem die Götter nachgeahmt wurden
151
. Sowenig wie
an den Göttern Zweifel laut werden konnten, konnte auch die Magie aufgrund ihres göttlichen
Ursprungs nicht in Frage gestellt werden.
148
Trotz zunehmender Beliebtheit esoterischen Denkens. Freilich gibt es auch heute noch Redewendungen und
Handlungen, die von einer magischen Vergangenheit zeugen.
149
Schulz, M., Magie oder die Wiederherstellung der Ordnung, 2000, 209f
150
Nasemann, B., BzA 11, 1991, 202
151
Habiger-Tuczay, Ch., Magie und Magier im Mittelalter, 1992, 55

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783836617338
Dateigröße
1.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität zu Köln – Philosophische Fakultät, Altorientalische Philologie
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1
Schlagworte
magie keilschrift religion alter orient mesopotamien
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Titel: Als das Wünschen noch geholfen hat oder: wie man in Mesopotamien Karriere machte
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