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Ist Ostdeutschland ein Milliardengrab?

Analyse der innerdeutschen und europäischen Fördergeldtransfers für die öffentlichen Haushalte bis zum Jahr 2019

©2006 Diplomarbeit 132 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In der vorliegenden Arbeit erfolgt eingangs eine Charakterisierung der allgemeinen Wirtschaftslage der neuen Bundesländer. Diese ist für die weitere Analyse der ostdeutschen Haushalte und ihrer durch den wirtschaftlichen Nachholbedarf geprägten Ausgaben- und Einnahmenpositionen nötig.
Seit der Wiedervereinigung sieht sich Ostdeutschland einem erheblichen wirtschaftlichen Rückstand im Vergleich zu Westdeutschland gegenüber. Betroffen sind vor allem die Innovationstätigkeit, Größe des Kapitalstocks, Modernität der Maschinen und Produktivitätsniveau. Seit dem Jahr 1991 sind zum Zwecke des Aufbaus Ost über eine Billion Euro in die neuen Länder geflossen, um die Unternehmenslandschaft aufzubauen, marode Staatsbetriebe wettbewerbsfähig zu machen und den Infrastrukturnachholbedarf zu beseitigen. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass der Aufbau Ost seit Mitte der 1990er Jahr ins Stocken gekommen ist und der Konvergenzprozess rückläufig war, woraufhin sich der wirtschaftliche Abstand der neuen Länder im Vergleich zu Westdeutschland wieder vergrößert hat.
Erschwerend kommen in den neuen Bundesländern eine Reihe weiterer wirtschaftlicher Schwächen hinzu, die den Standort sowohl für inländische, als auch für ausländische Investoren und für Arbeitnehmer unattraktiv machen. Es wurde gezeigt, dass hierzu die hohe Arbeitslosigkeit, eine vergleichsweise hohe Unternehmensbesteuerung und Lohnstückkostennachteile gegenüber den mittel- und osteuropäischen Ländern zählen.
Auch der noch immer vorhandene Infrastrukturnachholbedarf im Bereich der Verkehrs-, Bildungs- und Umweltinfrastruktur ist als Schwäche zu beurteilen, weil für viele Unternehmer die Infrastruktur ein wesentlicher Faktor für die Standortwahl ist. In diesem Bereich verzeichnen auch die neuen EU-Länder einen großen Nachholbedarf.
Die Stärken der neuen Mitgliedstaaten der EU sind im niedrigen Preisniveau und der geringen Unternehmensbesteuerung zu sehen, die weit unter dem europäischen Durchschnitt liegt. Für Investoren ist außerdem das sich stetig verbessernde Bildungssystem von Interesse. Diesen Herausforderungen können die neuen Bundesländer langfristig nur durch humankapitalintensive Produktion und Spezialisierung auf hochqualitative Produkte anstelle von Massenware begegnen. Wie schnell der Aufbau Ost gelingen wird, hängt nicht zuletzt von der Anpassungsflexibilität der ostdeutschen Wirtschaft und Bevölkerung ab.
Sachsen nimmt in vielerlei Hinsicht eine Vorreiterrolle […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Nicole Uhde
Ist Ostdeutschland ein Milliardengrab?
Analyse der innerdeutschen und europäischen Fördergeldtransfers für die öffentlichen
Haushalte bis zum Jahr 2019
ISBN:
978-3-8366-1718-5
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Münster, Deutschland, Diplomarbeit, 2006
Coverfoto: © Lars Kimpel - Fotolia.com
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

I
I
NHALTSVERZEICHNIS
I
NHALTSVERZEICHNIS
...I
A
BBILDUNGSVERZEICHNIS
... II
T
ABELLENVERZEICHNIS
... III
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
...IV
1
Einleitung ... 1
2
Die Wirtschaftslage der neuen Bundesländer und ihre Verflechtung mit der
Europäischen Union unter Beachtung der Besonderheiten des Freistaates Sachsen 3
2.1 Ostdeutschlands
Wirtschaftsstruktur
im Vergleich zu Westdeutschland:
Stärken, Schwächen und Nachholbedarf... 3
2.2
Wirtschaftliche Entwicklung des Freistaates Sachsen ... 10
2.3
Stärken- und Schwächenanalyse der Nachbarländer Polen und Tschechien ... 12
3
Struktur und Entwicklung der ostdeutschen Landeshaushalte von 1995 bis zur
Gegenwart unter besonderer Berücksichtigung des Freistaates Sachsen... 15
3.1
Charakterisierung wesentlicher Ausgaben- und Einnahmepositionen... 15
3.2
Nationalstaatliche Förderung zur Unterstützung des Konvergenzprozesses ... 22
3.3 Europäische
Strukturfondsförderung ... 30
3.3.1 Ziele, Instrumente und Umsetzung der europäischen Strukturpolitik... 30
3.3.2 Nutzen
der
Strukturfondsförderung für Ostdeutschland... 36
3.3.3 Fördermaßnahmen und indirekte Zuwendungen zugunsten
Ostdeutschlands in der vorangegangenen und aktuellen Förderperiode . 40
4
Durch die Osterweiterung bedingte Einflüsse auf die Struktur und zukünftige
Entwicklung der Haushalte der Europäischen Union und Sachsens ... 50
4.1
Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen der Osterweiterung auf die EU und die
Regionalpolitik ... 50
4.2
Berücksichtigung der Osterweiterung im Haushalt der EU ... 55
4.3
Auswirkungen auf die Haushalte der neuen Bundesländer am Beispiel
Sachsens ... 65
4.3.1 Finanzielle Vorausschau 2007 ­ 2013... 65
4.3.2 Prognose der Entwicklung des sächsischen Haushaltes bis 2020 ... 74
4.3.3 Beeinflussung der Landeshaushalte durch indirekte Auswirkungen der
Osterweiterung... 81
4.4 Zwischenfazit ... 84
5
Vorsorgeaktivitäten Sachsens als Reaktion auf die verringerten finanziellen
Handlungsspielräume ... 87
6
Zusammenfassung und Fazit ... 93
L
ITERATURVERZEICHNIS
...
100
V
ERZEICHNIS DER
R
ECHTSQUELLEN UND ERGÄNZENDEN
D
OKUMENTE
...
110
A
NHANG
...
114

II
A
BBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes je Einwohner in ausgewählten
Bundesländern und Deutschland ... 4
Abbildung 2: Durchschnittliches Wachstum des Bruttoinlandsproduktes Deutschlands
und ausgewählter Länder im Vergleich... 5
Abbildung 3: Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes Sachsens im Vergleich zu den
vier finanzschwachen Ländern West (FLW)... 10
Abbildung 4: Einnahmen der neuen Bundesländer und der vier finanzschwachen Länder
West im Jahr 2003... 15
Abbildung 5: Schuldenstand je Einwohner in ausgewählten Bundesländern ... 17
Abbildung 6: Ausgaben nach Aufgabenbereichen ­ Vergleich der vier finanzschwachen
Länder West und der neuen Bundesländer... 18
Abbildung 7: Investitionsquoten der ostdeutschen Bundesländer und finanzschwachen
Länder West im Jahr 2006... 20
Abbildung 8: Personalausgaben und -bestand in den neuen Bundesländern und den
finanzschwachen Ländern West im Jahr 2003 ... 21
Abbildung 9: Verwendung empfangener SoBEZ für Infrastrukturinvestitionen und zum
Ausgleich kommunaler Finanzkraft ... 28
Abbildung 10: Nettohaushaltsüberschüsse der neuen EU-Mitgliedstaaten im Jahr 2004 ... 60
Abbildung 11: Gegenüberstellung der Vorschläge für den neuen Finanzrahmen im
Zeitraum 2007 - 2013 ... 64
Abbildung 12: Geplante Mittelaufteilung des EFRE im Freistaat Sachsen nach
Prioritätsachsen... 69
Abbildung 13: Entwicklung der Einnahmen im Freistaat Sachsen bis zum Jahr 2019 in
Mio. Euro zu Preisen von 2002 ... 75
Abbildung 14: Entwicklung der Bundesergänzungszuweisungen an die neuen
Bundesländer bis zum Jahr 2019... 76
Abbildung 15: Kumulierte SoBEZ-Verluste im Freistaat Sachsen bis zum Jahr 2019 ... 77
Abbildung 16: Schätzung der Korb 2-Mittel für die neuen Bundesländer bis zum Jahr
2020 in Mio. Euro... 79
Abbildung 17: Bevölkerungsentwicklung Ost- und Westdeutschland mit Zahlen der 10ten
koordinierten Bevölkerungsprognose... 80
Abbildung A1: Wachstumsraten der ostdeutschen Länder ... 114

III
T
ABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1: Arbeitslosenquote, Bruttostundenverdienste und Schuldenstände
ausgewählter Bundesländer und Deutschlands im Vergleich ... 7
Tabelle 2: Aufteilung der Solidarpakt I-Mittel auf die neuen Bundesländer... 25
Tabelle 3 Überblick über Förderbereiche und -ziele im Freistaat Sachsen... 27
Tabelle 4 Übersicht über die Instrumente der Strukturförderung ... 33
Tabelle 5: Übersicht über die europäischen Strukturfonds im Zeitraum 2000 - 2006... 35
Tabelle 6: EU-Fördermittelaufteilung nach Schwerpunkten ... 41
Tabelle 7: Schwerpunktförderung im Freistaat Sachsen von 1994 - 2006 ... 42
Tabelle 8: Degressive Staffelung der Übergangsunterstützung für Phasing-Out-
Regionen in Ostdeutschland in Mio. Euro ... 67
Tabelle 9: EU-Strukturförderung in den neuen Bundesländern zwischen 2007 und 2013.. 68
Tabelle 10: Aktuelle Ausgestaltung der EU-Beihilfesätze ... 72
Tabelle A 1: Übersicht über die Veränderung von Zielen und Initiativen zu Beginn einer
neuen Förderperiode... 115
Tabelle A 2: Fördermöglichkeiten innerhalb der sechs Schwerpunkte der europäischen
Strukturfondsförderung 2000 ­ 2006 am Beispiel Sachsens ... 118
Tabelle A 3: Gemeinschaftsmittel 2000 - 2006 je Schwerpunkt und operationellem
Programm im Vergleich (ohne Gemeinschaftsinitiativen)... 120
Tabelle A 4: Schwerpunktförderung nach Einzelplänen und EU-Beteiligung 2003 - 2006.. 121
Tabelle A 5: Finanzielle Vorausschau 2007 bis 2013... 123
Tabelle A 6:
Entwurf ,,Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum im Freistaat
Sachsen 2007 ­ 2013", Indikativer Finanzplan... 124
Tabelle A 7: Aufteilung EFRE-Mittel 2007 ­ 2013 nach Prioritätsachsen und Vorhaben... 125

IV
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
AAÜG
Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz
AFL
Alte
Flächenländer
(alte
Bundesländer ohne Stadtstaaten)
BAföG
Bundesausbildungsförderungsgesetz
BB
Brandenburg
BIP
Bruttoinlandsprodukt
BNE
Bruttonationaleinkommen
EAGFL
Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft
EFRE Europäischer
Fonds
für regionale Entwicklung
EG Europäische
Gemeinschaft
ESF Europäischer
Sozialfonds
EU
Europäische Union (alle 25 Länder)
EU-10
Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowenien, Slowakische Re-
publik, Tschechien, Ungarn und Zypern
EU-15
Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland,
Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schwe-
den, Spanien und Vereinigtes Königreich
EWG
Europäische
Wirtschaftsgemeinschaft
FAG
Finanzausgleichsgesetz
FehlBEZ
Fehlbetrags-Bundesergänzungszuweisungen
FIAF
Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei
FLW
Finanzschwache Länder West (Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saar-
land, Schleswig-Holstein)
GA
Gemeinschaftsaufgabe
GAP
Gemeinsame Agrarpolitik
GG
Grundgesetz
IfG
Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost
MOEL
Mittel-
und
Osteuropäische
Länder (EU-10 ohne Malta und Zypern)
MV
Mecklenburg-Vorpommern
NFL
Neue
Flächenländer
(neue Bundesländer ohne Berlin-Ost)
NI Niedersachsen
RP
Rheinland-Pfalz
SA
Saarland
SFG
Solidarpaktfortführungsgesetz
SH
Schleswig-Holstein
SL
Saarland
SMUL
Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft
SMWA
Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit
SN
Freistaat
Sachsen
SoBEZ
Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen
ST
Sachsen-Anhalt
TH
Freistaat Thüringen

1
1 Einleitung
Die deutsche Wiedervereinigung markierte den Beginn des ehrgeizigen Projektes ,,Aufbau
Ost". Seit einigen Jahren wird in Medien und Politik nun intensiv diskutiert, in wiefern die
bisherigen politischen Entscheidungen und finanziellen Transfers zu einer Angleichung der
Lebensverhältnisse und Wirtschaftsstrukturen Ostdeutschlands geführt haben. Jüngst betitelte
der Spiegel den Osten als ,,Milliardengrab", das den Westen mit sich reißen werde und längst
an der Vermögenssubstanz der alten Bundesländer zehre.
1
Von 950 Mrd. Euro Nettotransfers,
die seit Beginn der Förderung Ost (1991) mit zweifelhaftem Wiederaufbauerfolg geflossen
sein sollen, ist die Rede.
2
Daran haben sich sowohl Bund, als auch Europäische Union und die
alten Bundesländer beteiligt. Doch noch immer weisen die neuen Länder erhebliche Infra-
strukturlücken im Vergleich zu den Flächenländern West auf und es besteht Bedarf an weite-
ren finanziellen Transfers, nicht zuletzt um investive und konsumtive Ausgaben zu tätigen.
Vor dem Hintergrund stagnierenden Wirtschaftswachstums, Massenarbeitslosigkeit und
scheinbar fehlender Handlungsoptionen stellt sich die Frage nach der Zukunft der neuen Bun-
desländer. Verschärft wird die ohnehin schwierige Ausgangssituation durch rückläufige Ein-
nahmen der Länderhaushalte bei gleichzeitig geringem finanziellen Handlungsspielraum. Die
vom Staat im Rahmen des Solidarpaktes II zugesicherten Zuschüsse an den Osten werden bis
zum Jahr 2019 kontinuierlich geringer und enden schließlich ganz.
Die Europäische Union hat durch den Einsatz von Strukturfondsmitteln zum Ausbau der ost-
deutschen Infrastruktur, der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und der grenzüberschrei-
tenden Zusammenarbeit beigetragen. Mit der Osterweiterung der EU um 10 neue Mitglied-
staaten im Mai 2004 veränderten sich jedoch die Förderprioritäten zu Gunsten der neuen Mit-
glieder. Dies bedeutet weitere finanzielle Verluste für die Länderhaushalte Ostdeutschlands,
wenn ab dem Jahr 2013, aller Voraussicht nach, auch die gut ausgestatteten Förderprogramme
der EU nur noch sehr geringe Zuschüsse leisten werden. Bereits ab dem Jahr 2007 wird ein
Rückgang der Strukturfondsmittel zu verzeichnen sein.
In der vorliegenden Arbeit wird der Einfluss der europäischen Strukturpolitik auf die Haus-
halte der neuen Bundesländer analysiert. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Frei-
staat Sachsen, der sich in vielen Aspekten als Vorreiter beim Aufbau Ost beschreiben lässt.
Die Untersuchung beginnt in Kapitel 2 mit einer Erläuterung der aktuellen Wirtschaftslage
der neuen Bundesländer und ihrer direkten Nachbarn Polen und Tschechien, um Stärken und
1
Vgl. D
ER
S
PIEGEL
(2005): Permanente Revolution, S. 85.
2
Vgl. R
AGNITZ
, J. (2004 b): Transferleistungen für die neuen Länder ­ eine Begriffsbestimmung, S. 2. Dies
umfasst alle Einnahmen, auch des Bundes und der Sozialversicherungen. Die reinen Aufbauhilfen belaufen
sich hingegen nur auf knapp 250 Mrd. Euro. Vgl. E
BENDA
, S. 2.

2
Schwächen der Standorte abzuleiten und die Herausforderungen der Osterweiterung kenntlich
zu machen.
Im Kapitel 3 wird die wirtschaftliche Entwicklung der Länderhaushalte bis zur Gegenwart
dargestellt. Es werden sowohl die nationale Förderung Ostdeutschlands im Zuge des Solidar-
paktes I, als auch die europäischen Fördermaßnahmen erläutert, weil beide Systeme auf die
Unterstützung des Konvergenzprozesses zielen und überdies einen Beitrag dazu leisten, dass
die ostdeutschen Länder den Herausforderungen einer erweiterten EU gewachsen sein kön-
nen.
Der nächste Abschnitt (Kapitel 4) befasst sich mit den finanziellen Veränderungen der Bud-
gets der neuen Bundesländer und der Europäischen Union, die sich bereits vor der Osterweite-
rung beobachten ließen. Nachfolgend wird der zukünftige Finanzrahmen der EU und die da-
mit verbundenen Zahlungen an die ostdeutschen Landeshaushalte erläutert. Schließlich wird
ein kritischer Blick auf die zukünftige Entwicklung des sächsischen Staatshaushaltes bis zum
Jahr 2019 geworfen und erläutert, welchen Änderungen die nationalen und europäischen Zah-
lungsströme voraussichtlich unterliegen werden.
Unter Beachtung der besonderen Problematik sinkender Einnahmen aus den beiden oben ge-
nannten Einnahmequellen wird im Kapitel 5 geschildert, welche Vorsorge für die in Zukunft
entfallenden Gelder seitens der sächsischen Landesregierung getroffen werden und wie alter-
native Reformoptionen zu beurteilen sind.
In einem abschließenden Ausblick (Kapitel 6) werden die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit
zusammengefasst und noch einmal auf die zukünftige Entwicklung der ostdeutschen Landes-
haushalte eingegangen.

3
2
Die Wirtschaftslage der neuen Bundesländer und ihre Verflechtung mit der Eu-
ropäischen Union unter Beachtung der Besonderheiten des Freistaates Sachsen
Im nun folgenden Kapitel wird die Wirtschaftsstruktur der neuen Bundesländer, insbesondere
Sachsens, sowie deren ökonomische Stärken und Schwächen gegenüber Westdeutschland und
den direkten Nachbarn Polen und Tschechien beschrieben. Die Untersuchung befasst sich
vorerst nicht mit der Darstellung von Daten und Kennzahlen der Landeshaushalte, sondern
mit der allgemeinen Wirtschaftslage und ist für die weitere Analyse der Haushaltsstrukturen
notwendig, weil sich viele Ausgabenpositionen und Einnahmen aus Fördermitteln nur durch
den ökonomischen und strukturellen Nachholbedarf Ostdeutschlands gegenüber Deutschland
und der EU erklären lassen. Da es das Ziel der europäischen Strukturpolitik ist, Konvergenz
zwischen Regionen mit Wohlstandsgefällen herzustellen,
3
werden im Folgenden einerseits die
Disparitäten zwischen Ost- und Westdeutschland und andererseits zwischen den neuen Bun-
desländern und ihren Nachbarstaaten Polen und Tschechien kurz erläutert.
2.1
Ostdeutschlands Wirtschaftsstruktur im Vergleich zu Westdeutschland: Stärken,
Schwächen und Nachholbedarf
Die Wirtschaftslage in den neuen Bundesländern weist nach wie vor große Unterschiede zur
Lage in den westdeutschen Flächenstaaten auf.
4
Nach der Wiedervereinigung wurde ersicht-
lich, dass Ostdeutschland einen signifikanten Nachholbedarf zu bewältigen hat, um wirt-
schaftlich zu Westdeutschland aufschließen zu können. Die Zeit nach 1990 war durch Dein-
dustrialisierungsprozesse in den neu gegründeten Ländern gezeichnet.
5
Problematisch war
insbesondere, dass es den ostdeutschen Unternehmen an Investitionsmitteln, modernen Ma-
schinen und Know-how fehlte. Die Produktivität der eher kleinen und mittelgroßen Betriebe
blieb weit hinter der westdeutschen Produktivität zurück, dessen unberücksichtigt wurden
dennoch große Lohnsteigerungen für die Erwerbstätigen durchgesetzt. Die zunehmend stei-
genden Versorgungsleistungen vergrößerten die gesetzlich verpflichteten Ausgaben der neuen
Bundesländer und belasten die Haushalte.
6
Bis heute lässt sich feststellen, dass die neuen Flä-
chenländer starke Wettbewerbsnachteile aufgrund ihrer veralterten Wirtschaftsstruktur, der
hohen Lohnkosten und der relativ geringen Produktivität aufwiesen.
3
Vgl. Präambel und erster Teil Art. 2 EG-Vertrag.
4
Vgl. E
UROPÄISCHE
K
OMMISSION
(2004): Eine neue Partnerschaft für die Kohäsion. Konvergenz Wettbe-
werbsfähigkeit Kooperation. Dritter Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, S. vii.
5
Vgl. S
CHRUMPF
, H. (2004): Regionale Strukturpolitik, S. 97.
6
Vgl. F
REISTAAT
S
ACHSEN
(2006 a): Fortschrittsbericht ,,Aufbau Ost" für das Jahr 2005, S. 34. Derzeit fallen
die Versorgungsausgaben noch recht wenig ins Gewicht, was sich jedoch in Zukunft ändern wird.

4
Im Folgenden wird der bis heute bestehende Mangel an Wettbewerbsfähigkeit und der ver-
bliebene wirtschaftliche Nachholbedarf Ostdeutschlands geschildert. Der Vergleich zu West-
deutschland erfolgt im Hinblick auf die vier finanzschwächsten Länder Westdeutschlands
(FLW), namentlich Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein, da
diese Staaten den geringsten wirtschaftlichen und finanziellen Abstand zu den fünf neuen
Bundesländern (ohne Berlin-Ost) aufweisen und somit das am ehesten erreichbare Wirt-
schaftsniveau aufweisen.
7
Vergleicht man die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes je Einwohner der neuen Länder
mit der Entwicklung in den FLW und in Gesamtdeutschland, fällt sofort auf, dass es zwar
zwischen 1991 und 2004 zu einem starken Aufholprozess gekommen ist, der Abstand zu den
Westflächenländern jedoch immer noch beträchtlich ist. Vgl. Abbildung 1.
Abbildung 1: Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes je Einwohner in ausgewählten
Bundesländern und Deutschland
10000
12500
15000
17500
20000
22500
25000
19
91
19
92
19
93
19
94
19
95
19
96
19
97
19
98
19
99
20
00
20
01
20
02
20
03
20
04
je Einwohne
r
BB
MV
NI
RP
SL
SN
ST
SH
TH
Deutschland
Quelle: S
TATISTISCHES
B
UNDESAMT
(2006 a): Statistisches Jahrbuch 2006 für die Bundesrepublik Deutschland,
volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, verschiedene Tabellen, eigene Berechnungen.
7
Der Vergleich mit den vier finanzschwachen Ländern erfolgt in Anlehnung an S
EITZ
, H. (2004 a): Ein Vor-
schlag zur Umsetzung des Korb 2 im Soli II und zur Verstärkung der gesetzeskonformen Verwendung der
Soli-Mittel und F
REISTAAT
S
ACHSEN
(2005): Fortschrittsbericht ,,Aufbau Ost" für das Jahr 2004.

5
Zwischen dem finanzstärksten ostdeutschen Bundesland Sachsen (17.213 Euro) und dem
schwächsten westdeutschen Bundesland Niedersachsen
8
(21.311 Euro) besteht beim BIP eine
Differenz von 4.098 Euro je Einwohner. Der gesamtdeutsche Wert liegt mit 24.437 Euro noch
in weiter Ferne. Die ostdeutschen Bundesländer haben im Jahr 2004 etwa 64 Prozent des
westdeutschen Pro-Kopf-BIP erreicht.
9
Die Wertschöpfung der Länder ist im Allgemeinen
seit der Mitte der 1990er Jahre langsamer gewachsen als zuvor. Siehe Abbildung 2.
Abbildung 2: Durchschnittliches Wachstum des Bruttoinlandsproduktes Deutschlands
und ausgewählter Länder im Vergleich
-1,0
0,0
1,0
2,0
3,0
4,0
5,0
6,0
7,0
8,0
9,0
Veränderung in %
1991 - 1998
7,366
6,038
6,562
6,320
8,083
1,383
0,885
6,840
1999 - 2004
0,245
-0,247
1,089
0,947
0,647
1,058
1,108
0,670
BB
MV
SN
ST
TH
D
AFL
NFL
Quelle: S
TATISTISCHES
B
UNDESAMT
(2006 a): Statistisches Jahrbuch 2006 für die Bundesrepublik Deutschland,
volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, verschiedene Tabellen, eigene Berechnungen.
Wuchsen die neuen Flächenländer (NFL) von 1991 - 1998 jährlich um durchschnittlich 6,8
Prozentpunkte, so verlangsamte sich das Wachstum in der Zeit zwischen 1999 und 2004 auf
jährlich durchschnittlich 0,67 Prozentpunkte. Das BIP der alten Flächenländer (AFL) wuchs
zur gleichen Zeit um 0,86 Prozentpunkte bzw. 1,11 Prozentpunkte. Ein Konvergenzprozess
setzt voraus, dass die rückständigen Regionen kräftiger wachsen als die einzuholenden Regi-
onen.
10
Anhand der Veränderungsraten lässt sich erkennen, dass die neuen Bundesländer bis
etwa 1997/1998 zum westdeutschen Wirtschaftsniveau aufgeholt haben, seit dieser Zeit der
8
Gemessen am Bruttoinlandsprodukt je Einwohner 2004.
9
Vgl. S
ÄCHSISCHES
S
TAATSMINISTERIUM DER
F
INANZEN
(2006): Finanzlage und Haushaltsprobleme der
neuen Bundesländer am Beispiel des Freistaates Sachsen.
10
Vgl. E
UROPÄISCHE
K
OMMISSION
(2004): Eine neue Partnerschaft für die Kohäsion. Konvergenz Wettbe-
werbsfähigkeit Kooperation. Dritter Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, S. viii.

6
Aufholprozess jedoch stagniert und die ,,Schere" zwischen den beiden Teilen Deutschlands
sogar wieder größer geworden ist.
11
Derzeit schwanken die Wachstumsraten der Länderin-
landsprodukte um den Trend der neuen Flächenländer.
12
Im europäischen Vergleich liegt das deutsche Pro-Kopf-BIP gemessen in Kaufkraftstandards
(Indexwert 109) leicht über dem Durchschnitt der EU-25 (Indexwert 100). Innerhalb Deutsch-
lands stellen sich die Bundesländer äußerst heterogen dar. Während Oberbayern (157,9) und
Hamburg (187) die höchsten Inlandsprodukte pro Kopf erzeugen liegen Brandenburg (75,8),
Mecklenburg-Vorpommern (73,5), Sachsen (79,6), Sachsen-Anhalt (75,2) und Thüringen
(75,2) im unteren Spektrum aller deutschen Regionen.
Die sogenannten NUTS II-Regionen,
13
deren Pro-Kopf-BIP im 3-Jahres-Durchschnitt unter
75 Prozent des EU-Durchschnitts liegen, zählen zu den am schwächsten entwickelten Gebie-
ten der EU und sind im Rahmen der sogenannten Ziel 1-Förderung der europäischen Struk-
turpolitik förderwürdig. Zu den wirtschaftlich schwachen Regionen zählten in der Förderperi-
ode von 2000 - 2006 aufgrund der genannten Wertschöpfungsbeiträge die deutschen Regio-
nen Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Chemnitz, Dresden, Leipzig, Dessau, Halle,
Magdeburg und Thüringen.
14
Die besondere wirtschaftliche Problemlage der neuen Länder lässt sich auch an den in
Tabelle 1 aufgeführten Kennzahlen prägnant belegen.
11
Vgl. B
UNDESMINISTERIUM FÜR
V
ERKEHR
-, B
AU
-
UND
W
OHNUNGSWESEN
(2005): Jahresbericht der Bundes-
regierung zum Stand der Deutschen Einheit 2005, S. 6 f.
12
Vgl. Abbildung A1 im Anhang.
13
Regionale und lokale Hierarchieebenen, die nach der Amtlichen Statistik der EU für alle Mitgliedsländer
definiert sind. Die NUTS II Ebene umfast in Deutschland 41 Regierungsbezirke, darunter auch Stadtstaaten
und ehemalige Regierungsbezirke in Reinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Vgl. E
UROSTAT
(2003): Übersichtskarten der NUTS und der statistischen Regionen Europas.
14
Vgl. E
UROPÄISCHE
K
OMMISSION
(1999): Entscheidung der Kommission, Aktenzeichen K (1999) 1770,
S. 55.

7
Tabelle 1: Arbeitslosenquote, Bruttostundenverdienste und Schuldenstände ausgewähl-
ter Bundesländer und Deutschlands im Vergleich
Arbeitslosenquote (abh.
Erwerbstätige) 2005
Bruttostundenverdienste
der Arbeiter/innen im
prod. Gewerbe 2004
Schuldenstand in Pro-
zent des BIP
Deutschland
11,70 %
15,24
64,08 %
4 finanzschwache Länder
West
Niedersachsen
13,00 %
16,32
29,56 %
Rheinland-Pfalz
9,80 %
15,55
31,42 %
Saarland
11,70 %
16,36
31,72 %
Schleswig-Holstein
13,00 %
15,07
33,10 %
Neue Bundesländer ohne
Berlin-Ost
Brandenburg
19,90 %
11,64
40,46 %
Mecklenburg-
Vorpommern
22,10 %
11,18
41,43 %
Sachsen
20,00 %
10,93
21,81 %
Sachsen-Anhalt
21,80% 11,3 46,71
%
Thüringen
18,60 %
10,71
40,22 %
Quelle: S
TATISTISCHES
B
UNDESAMT
(2006 b): GENESIS-Datenbank, verschiedene Sachgebiete.
Die durchschnittliche Arbeitslosenquote der Erwerbspersonen betrug im Jahr 2005 18,7 Pro-
zent in den neuen Bundesländern und 9,9 Prozent im früheren Bundesgebiet. Thüringen be-
sitzt mit 18,60 Prozent die geringste Quote, welche aber immer noch weit über dem gesamt-
deutschen (11,7 Prozent) und dem europäischen Schnitt (EU-25: 8,8 Prozent) liegt. Die hohe
Arbeitslosigkeit ist ein Resultat der Transformation der Plan- in Marktwirtschaften. Es zeigt
sich, dass in Ostdeutschland ein Mangel an großen und mittelgroßen Unternehmen bei insge-
samt geringer Unternehmensdichte herrscht und dass die vorhandenen Firmen im Vergleich
zum Westen wesentlich schlechter finanziell ausgestattet sind.
15
Das DIW B
ERLIN
schätzt,
dass in ganz Ostdeutschland etwa 2,1 Mio. Arbeitsplätze fehlen.
16
Hinzu kommt, dass die
Erwerbsquote höher als im Westen liegt, was aus der hohen Frauenbeschäftigungsquote der
Planwirtschaft resultiert.
17
Eine Betrachtung der Bruttostundenverdienste der Arbeiter/innen im produzierenden Gewerbe
zeigt, dass nirgendwo in Deutschland die Verdienste so gering wie in Thüringen und Sachsen
15
Vgl. V
ON
D
OHNANYI
, K. / M
OST
, E. (2004): Kurskorrektur des Aufbau Ost, S. 4.
16
Vgl. R
AGNITZ
, J. (2005): Möglichkeiten der wirtschaftlichen Entwicklung strukturschwacher Regionen in
Ostdeutschland, S. 10.
17
Vgl. B
RAUTZSCH
, U. / L
ANG
, C. (2006): Ist die Frauenbeschäftigung im Osten höher als im Westen?, S. 4.

8
sind. Ob daraus Standort- und Produktionsvorteile resultieren, muss anhand der Lohnstück-
kosten beurteilt werden. Dazu werden Arbeitskosten und Arbeitsproduktivität miteinander ins
Verhältnis gesetzt. Waren noch im Jahr 2000 die Lohnstückkosten Ostdeutschlands höher als
im Westen, hat sich das Bild mittlerweile gewandelt. Die Ost-West-Relation der Arbeitskos-
ten der Angestellten des produzierenden Gewerbes beträgt laut Angaben des Statistischen
Bundesamtes 74 Prozent. Gleichzeitig hat sich auch die Arbeitsproduktivität (wenn auch
durch Entlassungen und Insolvenzen) deutlich erhöht.
18
Hinzu kommt, dass häufig länger als
in Westdeutschland gearbeitet wird, die Unternehmen seltener an Tarifverträge gebunden sind
und günstigere Arbeitsverträge aushandeln können. Diese Faktoren können sich in Zukunft
als Stärken Ostdeutschlands erweisen. Ein Standortvorteil in Bezug auf die Lohnstückkosten
kann den neuen Flächenländern zugesprochen werden. Die Aussage muss jedoch unter Be-
rücksichtigung der Osterweiterung der EU im Jahr 2004 kritisch betrachtet werden. Ver-
gleicht man nämlich die Arbeitskosten in den neuen Bundesländern mit denen der mittel- und
osteuropäischen Staaten zeigt sich, dass Polen und Tschechien, die direkten Nachbarländer
Ostdeutschlands, ein um etwa 30 Prozent geringeres Lohnniveau aufweisen und daraus be-
dingt Lohnstückkostenvorteile besitzen.
19
Auch der in Tabelle 1 gezeigte Schuldenstand der Bundesländer zeigt ein weiteres wirtschaft-
liches Problem Ostdeutschlands. Als die neuen Länder nach der Wiedervereinigung gegründet
wurden, geschah dies schuldenfrei. Bis heute hat sich das Haushaltsdefizit der Länder jedoch
stark erhöht, weil viele Leistungen des Aufbau Ost mit Fremdkapitalmitteln finanziert wur-
den. Die Verschuldung ist insofern kritisch zu beurteilen, als dass sie einerseits das Bonitäts-
Rating der Länder im Rahmen der Kreditaufnahme verschlechtert, was sich in höheren Zins-
sätzen niederschlagen kann, und andererseits die somit anfallenden höheren Zinsen auf die
nächste Generation überwälzt werden und die Generationengerechtigkeit gefährden.
Problematisch ist in Bezug auf die ostdeutsche Wirtschaft auch der noch immer vorhandene
Infrastrukturnachholbedarf, der sich im Bereich der Verkehrs-, Bildungs- und Umweltinfra-
struktur bemerkbar macht. Wie im nächsten Kapitel ausführlich gezeigt wird, sind bislang
viele Anstrengungen zur Schließung der Infrastrukturlücke mit Hilfe von Transfers aus den
europäischen Strukturfonds und dem deutschen Haushalt vorgenommen worden. Einen Hin-
weis auf die Höhe der Infrastrukturlücke liefert der Umfang des Korbes 1 im Solidaritätspakt
II. Darin sind bis zum Jahr 2019 105 Mrd. Euro an Sonderbundesergänzungszuweisungen
18
Vgl. A
RBEITSKREIS
K
ONJUNKTUR
O
STDEUTSCHLAND
(2006): Ostdeutsche Wirtschaft: Wachstum der Pro-
duktion bleibt erneut im Ost-West-Vergleich zurück, S. 189.
19
Vgl. K
ANDLHOFER
, A. (2006): Europa ­ Arbeitskosten. Im Abschnitt 2.3 wird auf die Lohnstückkostenvor-
teile Polens und Tschechiens noch einmal eingegangen.

9
vorgesehen, die zur Schließung der Infrastrukturlücke und zum Ausgleich unterproportionaler
kommunaler Finanzkraft gewährt werden.
20
L
INZ
hält nach eigenen Aussagen diesen Betrag
für ausreichend, die Infrastrukturlücke in Sachsen und den anderen neuen Bundesländern zu
schließen.
21
R
AGNITZ
berechnet einen Investitionsbedarf von 79,4 Mrd. Euro in heutigen Prei-
sen, bei Zugrundelegung einer Preissteigerungsrate von 1,5 Prozent jährlich, was ebenfalls in
etwa dem Betrag des Solidarpaktes entspricht.
22
Erhöht sich jedoch bis zum Jahr 2019 der
Infrastrukturbestand der alten Bundesländer (womit zu rechnen ist), werden die Finanzmittel
des Solidarpaktes nicht ausreichen, die Infrastrukturlücke zu schließen. Ob die ausgehandel-
ten Fördermittel hoch genug bemessen sind hängt hauptsächlich von der Preisentwicklung,
dem Wirtschaftswachstum und den Infrastrukturinvestitionen der alten Flächenländer ab.
23
Die neuen Länder wären bei zu knapp bemessenen Zuweisungen gezwungen, auch eigene
Mittel zur Schließung der Infrastrukturlücke zu verwenden.
24
Die Bedeutung einer modernen
und leistungsfähigen Infrastruktur zeigt sich vor allem im Zuge der Globalisierung: mangel-
hafte Infrastruktur erweist sich im internationalen Standortwettbewerb als nachteilig, da aus-
ländische wie inländische Investoren Wert auf eine schnelle Verkehrsanbindung und gut ge-
schulte Fachkräfte legen.
25
Einen ökonomischen Nachteil weist auch die Branchenstruktur der neuen Länder auf, da die
Schwerpunkte im Bereich der arbeitsintensiven und gering technologieintensiven Produktion
zu finden sind. Hier sind vor allem die Verbrauchs- und Vorleistungsgüterindustrie sind stark
vertreten.
26
Im Hinblick auf die Konkurrenz aus den Nachbarländern ist die Spezialisierung
auf humankapitalintensive Branchen sinnvoll, da Ostdeutschland aufgrund seiner relativ guten
Fachkräfteausbildung in diesem Bereich einen komparativen Vorteil gegenüber anderen EU-
Staaten besitzt.
Gleichzeitig es jedoch erforderlich die Abwanderung von Fachkräften zu verhindern. Ost-
deutschlands demographische Entwicklung wird bereits heute von zwei Effekten gezeichnet:
dies ist einerseits der Abwanderung gut ausgebildeter junger Menschen und andererseits dem
Rückgang der Geburten. Schätzungen zufolge verringert sich die Bevölkerung in Ostdeutsch-
20
Vgl. B
UNDESREPUBLIK
D
EUTSCHLAND
(2001): Solidarpaktfortführungsgesetz.
21
Vgl. Schriftliche Auskunft auf Frage Nr. 8 des Fragebogens an Herrn Linz, Sächsisches Staatsministerium
der Finanzen, Abteilung Haushalt. Die Fragebögen befinden sich im Anhang dieser Arbeit.
22
Vgl. R
AGNITZ
, J. (2005 a): Solidarpakt II: Zweckentsprechende Mittelverwendung nicht in Sicht.
23
Vgl. V
ESPER
, D. (2004): Finanzpolitische Rahmenbedingungen für eine regionale Strukturpolitik in
Deutschland, S. 166.
24
Vgl. R
AGNITZ
, J. (2005 a): Solidarpakt II: Zweckentsprechende Mittelverwendung nicht in Sicht, S. 290 f.
25
Vgl. G
ERSTENBERGER
, W.
ET AL
. (2004): Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf Wirtschaft und Ar-
beitsmarkt in Sachsen, S. 41 ­ 46.
26
Vgl. R
AGNITZ
, J. (2003): EU-Osterweiterung: Chance für die neuen Bundesländer?, S. 40.

10
land bis zum Jahr 2050 um 5,4 Prozent.
27
Die hohe Abwanderungsquote bei gleichzeitig un-
günstiger Arbeitsmarktperspektive senkt die Attraktivität Ostdeutschlands als Unternehmens-
standort und Siedlungsraum.
28
Auf diese Weise werden weitere Abwanderungen von Kapital
und Humankapital induziert.
Nach dieser zunächst sehr allgemeinen Beschreibung werden im nächsten Abschnitt einige
Kennzahlen und Daten zur Charakterisierung der Wirtschaftsstruktur Sachsens vorgestellt.
2.2
Wirtschaftliche Entwicklung des Freistaates Sachsen
Sachsens Wertschöpfung war bis 1997 größer als in Deutschland und den finanzschwachen
Bundesländern. Dieses Ergebnis ist hauptsächlich durch die großvolumigen Bauinvestitionen
und den Aufbau von Produktionsstätten bedingt.
29
Seit der Mitte der 1990er Jahre verläuft
jedoch der Aufholprozess langsamer geworden. Immerhin erwirtschaftete Sachsen im Jahr
2005 ca. ein Drittel des Inlandsproduktes der neuen Länder.
30
Siehe Abbildung 3.
Abbildung 3: Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes Sachsens im Vergleich zu
den vier finanzschwachen Ländern West (FLW)
-4,00
-2,00
0,00
2,00
4,00
6,00
8,00
10,00
12,00
14,00
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
Sachsen
4 FLW
Quelle: S
TATISTISCHES
B
UNDESAMT
(2006 a): Statistisches Jahrbuch 2006 für de Bundesrepublik Deutschland,
volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen sowie S
TATISTISCHE
Ä
MTER DES
B
UNDES UND DER
L
ÄNDER
(2004),
volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen.
27
Vgl. S
CHULZ
, E. (2004): Bevölkerungsentwicklung in West- und Ostdeutschland ­ Vorausschätzungen bis
2050, S. 2.
28
Vgl. S
CHRUMPF
, H. (2004): Regionalpolitik in Deutschland, S. 98 f.
29
Vgl. R
AGNITZ
, J. (2005): Möglichkeiten der wirtschaftlichen Entwicklung strukturschwacher Regionen in
Ostdeutschland, S. 9.
30
Vgl. F
REISTAAT
S
ACHSEN
(2005): Fortschrittsbericht ,,Aufbau Ost" für das Jahr 2004, S. 24.

11
In der Branchenstruktur ist das verarbeitende Gewerbe im Vergleich zu den vier Flächenlän-
dern West eher schwach ausgeprägt, der Anteil wächst jedoch stetig. Dahingegen besitzt der
Dienstleistungssektor in der sächsischen Wirtschaft eine große Bedeutung und es ist weiterhin
ein Trend zur Tertiarisierung der Wirtschaftsstruktur erkennbar.
31
Auch wenn es Sachsen
durch die geschickte Ansiedlung von Hightech-Firmen gelungen ist die Industrielandschaft zu
modernisieren, konnten dennoch nicht genügend Arbeitsplätze geschaffen werden, um die
Arbeitslosigkeit dem westdeutschen Durchschnitt anzunähern. Sachsens Arbeitslosenquote ist
mit 20,0 Prozent im Jahr 2005 etwa so hoch wie in den anderen östlichen Bundesländern.
Trotzdem ist die Ausweitung technologieintensiver Produktion ein Schritt in die richtige
Richtung; konnte sich der Freistaat doch gerade dadurch einen guten Ruf bei ausländischen
Investoren zulegen. (Z. B. ,,Silicon Valley Dresden" infolge der Chip-Fertigung.)
Zu den weiteren Standortvorteilen Sachsens zählen die gute Ausstattung mit Humankapital
und das Engagement bei Forschung und Entwicklung. Sachsen weist mit 4,7 Prozent einen
geringen Anteil gering qualifizierter Einwohner aus. Der Wert für Deutschland liegt zum
Vergleich bei 16,1 Prozent. Bei den mittleren Qualifikationsniveaus erreicht Sachsen einen
Anteil von 65,2 Prozent und Deutschland 59,7 Prozent. Im Bereich der hochqualifizierten
Einwohner ist die Differenz noch größer: der Wert für Sachsen beträgt 30,2 Prozent und der
deutsche Wert liegt bei 24,2 Prozent.
32
In Sachsen arbeiten im Vergleich zu Polen und Tsche-
chien mehr Menschen im Forschungs- und Entwicklungsbereich und die Zahl der Patentan-
meldungen ist höher, so dass Sachsen eine gute Position in der zukunftsträchtigen Branche
bescheinigt werden kann.
33
Der Freistaat sieht sich in Zukunft weiteren Reformen der Wirtschaftsstruktur gegenüber.
Dazu zählen besonders die notwendigen Stellenstreichungen im Bereich des Personals öffent-
licher Haushalte, welche ­ als Relikt aus DDR-Zeiten ­ noch immer einen Personalüberhang
aufweisen, der die Staatskassen belastet. Zur Reduzierung der Personalausgaben hat Sachsen
bereits einen Teil des Stellenüberhangs abgebaut, was jedoch zugleich mit einer die Standort-
qualität verschlechternden hohen Arbeitslosigkeit einhergeht.
Als Schwäche im Vergleich zu anderen Ländern Europas muss auch die Unternehmensge-
winnbesteuerung beurteilt werden, weil sie zu den Spitzensätzen im europäischen Vergleich
31
Dabei nehmen der Dienstleistungssektor und die darin enthaltenen Arbeitsplätze anteilig an der Wirtschafts-
struktur zu und der Primär- und der Sekundärbereich schrumpfen relativ.
32
Vgl. G
ERSTENBERGER
, W.
ET AL
. (2004): Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf Wirtschaft und Arbeits-
markt in Sachsen, S. 42.
33
Vgl. G
ERSTENBERGER
, W.
ET AL
. (2004): Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf Wirtschaft und Arbeits-
markt in Sachsen, S. 45.

12
zählt. Dies ist kein ausschließlich sächsischer, sondern ein gesamtdeutscher Standortnachteil.
Die Grenzsteuerbelastung der Unternehmensgewinne betrug im Jahr 2005 in Deutschland 36
Prozent und lag damit weit über dem Vergleichswert der EU-10 von 18,76 Prozent.
34
Hier ist
in den nächsten Jahren allerdings mit Reformprozessen zu rechnen. So ist geplant, den nomi-
nalen Körperschaftsteuersatz auf 25 Prozent zu senken.
35
Es konnte gezeigt werden, dass Sachsen und die ostdeutschen Länder sowohl Stärken als auch
Schwächen besitzen. Diese werden in Zukunft Unternehmensansiedlungen, Arbeitsnachfrage
und öffentliche Einnahmen und Ausgaben entscheidend mitbestimmen. Zum Vergleich wer-
den anschließend die wichtigsten Wirtschaftsmerkmale Polens und Tschechiens gegenüberge-
stellt und herausgearbeitet, in wie weit die beiden Länder die zukünftige Wirtschaftsentwick-
lung in Ostdeutschland tangieren.
2.3
Stärken- und Schwächenanalyse der Nachbarländer Polen und Tschechien
Sachsens direkte Nachbarn Polen und Tschechien werden für den Freistaat in Zukunft zu di-
rekten Konkurrenten im internationalen Standortwettbewerb. Dies gilt um so mehr, wenn
nach maximal siebenjähriger Übergangsfrist (also 2011) die volle Freizügigkeit für Arbeit-
nehmer gewährt wird.
36
Für die Standortwahl der Unternehmen und Arbeitnehmer werden die
vormaligen Grenzen dann bedeutungslos sein und der Wettbewerb um Investoren und Arbeit-
nehmer wird sich voraussichtlich verschärfen.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Bruttoinlandsprodukte Polens und Tschechiens im Ver-
gleich zu Ostdeutschland sehr gering sind. Die neuen Flächenländer haben im Jahr 2005 ein
Bruttoinlandsprodukt von 257,94 Mrd. Euro erwirtschaftet. Sachsen hatte daran einen Anteil
von 85,81 Mrd. Euro.
37
Polens BIP betrug im Jahr 2005 243,4 Mrd. Euro und damit nur etwa
94 Prozent des ostdeutschen Wertes für das Jahr 2004. Gemessen am gesamtdeutschen Wert
macht die Wertschöpfung sogar nur 10,8 Prozent aus. Tschechiens BIP betrug im Jahr 2004 in
jeweiligen Preisen nur 98,4 Mrd. Euro, was einem Anteil von 38,15 Prozent des ostdeutschen
34
Vgl. L
AMMERSEN
, L. / S
CHWAGER
, R. (2005): The Effective Tax Burden of Companies in European Re-
gions.
35
Es ist möglich, dass vor dem Hintergrund des zunehmenden Steuerwettbewerbs in der EU, die Spitzensätze
bei Körperschaft- und Einkommensteuer einer weiteren Veränderung unterliegen werden. Diese Diskussion
kann jedoch nicht im Rahmen dieser Arbeit geführt werden.
36
Vgl
E
UROPÄISCHE
K
OMMISSION
(2005 a): Übergangsmassnahmen betreffend die Freizügigkeit von Arbeit-
nehmern aus den neuen Mitgliedstaaten nach der EU-Erweiterung am 01.Mai 2004.
37
Vgl. S
TATISTISCHES
B
UNDESAMT
(2006 a): Statistisches Jahrbuch 2006 für die Bundesrepublik Deutschland,
volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, S. 659.

13
und 4,4 Prozent des deutschen BIP entspricht.
38
In beiden Ländern ist jedoch ein wirtschaftli-
cher Konvergenzprozess zu verzeichnen gewesen, den man am stärkeren Anstieg der Wachs-
tumsraten der Inlandsproduktion gegenüber der restlichen EU erkennt. Nach einer Schätzung
von
BREUSS
wird das Bruttoinlandsprodukt Polens in den ersten zehn Jahren nach der Erwei-
terung voraussichtlich um 8 Prozent steigen, das BIP Tschechiens um 5,7 Prozent. Gleichzei-
tig prognostiziert der Autor, dass die Wirtschaft der alten EU-Staaten weniger stark wachsen
wird. Für Deutschland ist lediglich mit einem Wachstum von 0,48 Prozent zu rechnen.
39
Auch
wenn ein Konvergenzprozess stattfindet, zählen sowohl Polen als auch Tschechien zu den
vergleichsweise rückständigen Regionen der EU. Die erwarteten positiven Wachstumseffekte
zählen aber eindeutig zu den Standortvorteilen der neuen Länder, da sie steigenden privaten
Konsum und neue Absatzmärkte implizieren und dadurch ausländische Investoren zu attrahie-
ren vermögen.
Denselben Effekt dürften die niedrigen Arbeitskosten haben. Das Lohnniveau Polens (2004:
4,74 Euro pro Stunde) und Tschechiens (5,85 Euro) liegt bei etwa 18 Prozent bzw. 22,31 Pro-
zent des deutschen Lohnniveaus im Industrie- und Dienstleistungsbereich.
40
Auch wenn die
Produktivität das deutsche Niveau nicht erreicht, so sind doch Lohnstückkostenvorteile vor-
handen, welche sich, nach einer Berechnung des Ifo-Institutes, noch ca. 10 - 20 Jahre lang
halten werden.
41
R
AGNITZ
berechnet, dass die industriellen Lohnstückkosten im Durchschnitt
der mittel- und osteuropäischen Länder (MOEL) etwa 30 Prozent unter denen der deutschen
Industrie liegen.
42
Profitieren werden davon vor allem solche Firmen, die im arbeitsintensiven
Bereich tätig sind und standardisierte Produkte fertigen. Diese Branchen geraten in Ost-
deutschland gleichzeitig unter Konkurrenzdruck. Das Ifo-Institut hat in diesem Zusammen-
hang untersucht, welche Branchen in Sachsen überwiegend positiv oder negativ von der Os-
terweiterung betroffen sein werden. Zu den am meisten gefährdeten Branchen zählen laut
dieser Studie die Mikroelektronik und Elektrotechnik sowie die Bekleidungsindustrie. Chan-
cen ergeben sich vor allem beim Luft- und Raumfahrzeugbau, sowie der Mess-, Steuer- und
Regeltechnik.
43
Langfristig wird sich die Branchenstruktur durch den zunehmenden Wettbe-
werb im Zuge der Osterweiterung ändern müssen. Humankapitalintensive Produktionen und
38
Vgl. S
TATISTISCHES
B
UNDESAMT
(2006 a): Statistisches Jahrbuch 2006 für die Bundesrepublik Deutschland,
volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, S. 184.
39
Vgl. B
REUSS
, F. (2001): Macroeconomic Effects of EU Enlargement for Old and New Members.
40
Vgl. E
UROSTAT
(2006): Bevölkerung und soziale Bedingungen.
41
Vgl. G
ERSTENBERGER
, W.
ET AL
. (2004): Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf Wirtschaft und Arbeits-
markt in Sachsen, S. 47.
42
Vgl. R
AGNITZ
, J. (2003): EU-Osterweiterung: Chance für die neuen Bundesländer?, S. 40.
43
Vgl. G
ERSTENBERGER
, W.
ET AL
. (2004): Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf Wirtschaft und Arbeits-
markt in Sachsen, S. 64 f.

14
personennahe Dienstleistungen bieten die besten Voraussetzungen, um langfristig Arbeits-
plätze zu schaffen.
Arbeitslosigkeit ist nicht allein ein ostdeutsches Problem, sondern betrifft auch Polen und
macht sich dort als Standortnachteil bemerkbar. Die Arbeitslosenquote in Polen betrug im
Jahr 2004 19,0 Prozent. In Tschechien belief sich der Wert lediglich auf 8,3 Prozent. Die Ar-
beitslosenquoten nahe der Grenze zu Sachsen geben ein sehr ungleiches Bild der wirtschaftli-
chen Situation wider. Währen in den tschechischen Grenzregionen Karlovarský und Libe-
recký die Quoten mit 9,4 Prozent und 6,4 Prozent relativ moderat sind, weist die Region
Ústecký einen Wert von 14,5 Prozent auf. Im Vergleich zu Ostdeutschland, mit einer Quote
von über 18 Prozent, ist dies ein Standortvorteil für Tschechien. In Polens Grenzregion Jele-
niogórsko-Walbrzyski ist die Arbeitslosigkeit hingegen sehr stark ausgeprägt (28,9 Prozent).
44
Dahingegen sind ist die geringe Grenzsteuerbelastung der Unternehmensgewinne (Polen 17,0
Prozent, Tschechien 22,9 Prozent) eine weitere Stärke der neuen Beitrittsländer, die dazu ge-
nutzt werden kann, ausländische Investoren zu attrahieren, die infolgedessen nicht in Ost-
deutschland, sondern in den MOEL investieren werden.
Zugleich darf aber nicht übersehen werden, dass beide Transformationsstaaten, gleichermaßen
wie Ostdeutschland, einen großen Infrastrukturnachholbedarf zu bewältigen haben. Ver-
kehrswege und Bildungseinrichtungen sind für die langfristige wirtschaftliche Performance
von erheblicher Bedeutung, wenn ihr Aufbau nicht vernachlässigt wird. In beiden Bereichen
schließen die europäischen Nachbarn jedoch schlechter ab als Sachsen, weil sie einen höheren
Anteil gering qualifizierter Bevölkerungsschichten vorweisen, seltener Patente anmelden und
weniger in Forschung und Entwicklung investieren.
45
Außerdem stehen in Tschechien Reformen des Sozialleitungs-, Gesundheits- und Rentensys-
tems aus,
46
Polen hat Defizite bei der Umstrukturierung der Schwerindustrie, Landwirtschaft
und Energieversorgung und ein recht hohes Maß an Korruption.
47
44
Vgl. E
UROSTAT
(2005): Europa in Zahlen. Eurostat Jahrbuch 2005.
45
Vgl. G
ERSTENBERGER
, W.
ET AL
. (2004): Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf Wirtschaft und Ar-
beitsmarkt in Sachsen, Kapitel 3.3.2 und 3.3.3.
46
Vgl. E
UROPÄISCHE
K
OMMISSION
(2002 a): Regelmässiger Bericht 2002 über die Fortschritte der tschechi-
schen Republik auf dem Weg zum Beitritt, S. 154 f.
47
Vgl. E
UROPÄISCHE
K
OMMISSION
(2002 b): Regelmässiger Bericht 2002 über die Fortschritte Polens auf dem
Weg zum Beitritt, S. 163 f.

15
3
Struktur und Entwicklung der ostdeutschen Landeshaushalte von 1995 bis zur
Gegenwart unter besonderer Berücksichtigung des Freistaates Sachsen
3.1
Charakterisierung wesentlicher Ausgaben- und Einnahmepositionen
In diesem Kapitel erfolgt zunächst ein kurzer Überblick über Einnahmen- und Ausgabenbe-
reiche der öffentlichen Haushalte. Zu diesem Zweck werden die Einnahmen und Ausgaben
der neuen Bundesländer mit denen der vier finanzschwachen Westflächenländer verglichen
und daraus Schlüsse über Unterschiede in der Struktur der Haushalte gezogen.
Die Abbildungen 4 und 5 geben einen Überblick über die Einnahmen und Ausgaben der vier
finanzschwachen Bundesländer und der neuen Bundesländer im Jahr 2003.
Abbildung 4: Einnahmen der neuen Bundesländer und der vier finanzschwachen Län-
der West im Jahr 2003
Neue Bundesländer
27030
1714
201
32122
3570
7631
Steuern und steuerähnliche Abgaben
Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit
Zinseinnahmen (öff. Bereich und andere)
Allgemeine Zuweisungen und Umlagen,
Zuweisungen und Zuschüsse f. lfd. Zwecke,
Schuldendiensthilfen
Gebühren, sonstige Entgelte
Einnahmen der Kapitalrechnung
Finanzschwache Länder West
2798
247
3935
36413
21304
3986
Quelle: S
TATISTISCHES
B
UNDESAMT
(2006 a): Statistisches Jahrbuch 2006 für die Bundesrepublik Deutsch-
land, Fachserie Finanzen und Steuern.

16
Abbildung 4 zeigt die Verteilung von Einnahmen auf die Haushalte der neuen Bundesländer
und der finanzschwachen Länder West im Jahr 2003. Es wird ersichtlich, dass Steuern zu den
größten Finanzierungsquellen der Haushalte zählen. Während in den vier alten Bundesländern
der Anteil der Steuern an den Gesamteinnahmen 53 Prozent ausmacht, sind es in den neuen
Bundesländern nur 37 Prozent. Es kann gezeigt werden, dass Ostdeutschland erhebliche Defi-
zite bei der Erzielung originärer Steuereinnahmen aufweist, denn die Steuerdeckungsquote
beläuft sich lediglich auf etwa 50 Prozent im Osten und 70 Prozent im Westen. Dieser Um-
stand dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die Unternehmensdichte in Ostdeutschland ge-
ring ist und dass zudem viele Unternehmen von Steuervergünstigungen als Ansiedlungsanreiz
profitiert haben. Steuermindernd wirkt sich aber auch die hohe Arbeitslosigkeit aus.
Dahingegen erzielen die neuen Länder erheblich mehr Einnahmen aus Zuweisungen und Zu-
schüssen. Diese betrugen im Jahr 2003 45 Prozent der Gesamteinnahmen im Osten und 31
Prozent in den alten Bundesländern.
48
Die Zuweisungen und Zuschüsse werden im Osten
hauptsächlich aufgrund teilungsbedingter Haushaltsbelastungen (z. B. Finanzkraftausgleich,
Investitionszuschüsse und zur Schuldendiensthilfe) gewährt und sie umfassen sowohl Bun-
des- als auch EU-Gelder. Die Einnahmekategorie lässt sich in laufende Zuweisungen und Zu-
schüsse und Investitionszuweisungen und -zuschüsse untergliedern. Die laufenden Zuweisun-
gen und Zuschüsse überwiegen deutlich und stammen hauptsächlich aus dem Länderfinanz-
ausgleich und den Bundesergänzungszuweisungen. Die Einnahmen aus Investitionszuweisun-
gen und -zuschüssen werden hauptsächlich vom Bund im Rahmen der Gemeinschaftsaufga-
ben und weniger umfangreich von der EU, im Rahmen der europäischen Strukturfondsförde-
rung gewährt.
49
Zu den Einnahmen der Kapitalrechnung zählen vor allem Schuldenaufnahme, Darlehensrück-
flüsse, Veräußerungen von Beteiligungen und Sachvermögen und Vermögensübertragungen.
Insbesondere die Schuldenaufnahme der neuen Bundesländer dürfte bewirkt haben, dass diese
Haushaltsposition bei den neuen Bundesländern vergleichsweise hoch ausgefallen ist. Dies
verdeutlicht auch Abbildung 5 zum Schuldenstand je Einwohner in ausgewählten Bundeslän-
dern im Jahr 2005.
48
Vgl. S
TATISTISCHES
B
UNDESAMT
(2006 a): Statistisches Jahrbuch 2006 für die Bundesrepublik Deutschland,
Fachserie 14, Reihe 3.1, S. 118.
49
Vgl. F
REISTAAT
S
ACHSEN
(2006 b): Mittelfristige Finanzplanung des Freistaates Sachsen 2006 ­ 2010,
S. 61 f.

17
Abbildung 5: Schuldenstand je Einwohner in ausgewählten Bundesländern
0
2.000
4.000
6.000
8.000
10.000
Schuldenstand in
Euro pro Einwohner
Schuldenstand je Einwohner in
EUR 2005
4.079
6.944
7.252
7.263
7.457
7.626
8.280
8.543
9.066
SN
NI
RP
BB
MV
TH
SH
SA ST
Quelle: S
TATISTISCHES
B
UNDESAMT
(2006 a): Statistisches Jahrbuch 2006 für die Bundesrepublik Deutschland,
Sachgebiet öffentliche Finanzen.
Die fünf neuen Bundesländer haben beim Schuldenstand bereits die vier westdeutschen Ver-
gleichsländer eingeholt und einige andere Bundesländer überholt.
50
Brandenburg, Mecklen-
burg-Vorpommern und Thüringen belegen die mittleren Plätze bei der Verschuldung. Spit-
zenreiter ist Sachsen-Anhalt mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 9.066 Euro. Kein anderes
Flächenland hat eine höhere Verschuldung. Dahingegen ist die Lage im Nachbarland Sachsen
gänzlich unterschiedlich: mit 4.079 Euro weist der Freistaat die zweitniedrigste Verschuldung
aller Bundesländer aus.
51
Die vier Vergleichsländer Westdeutschlands verfügen über relativ höhere Einnahmen aus
Steuern, Gebühren und wirtschaftlicher Tätigkeit. Dennoch ist ihr Einnahmeniveau geringer
als jenes der neuen Bundesländer, welches im Jahr 2006 bei 113,8 Prozent des Westniveaus
liegt.
52
Dies dürfte vor allem auf die eben genannten Zuweisungen und Zuschüsse im Rahmen
des Solidarpaktes zurückzuführen sein. Langfristig werden diese Mittel jedoch progressiv
abgebaut. S
EITZ
schätzt, dass die neuen Bundesländer auf lange Sicht eine vergleichbare Fi-
nanzausstattung wie die vier finanzschwachen Länder West besitzen werden.
53
50
Vgl. C
ZADA
, R. (2006): Im Osten nichts Neues. Parasitäre Ökonomie und politische Entwicklung in den
neuen Bundesländern, S. 14.
51
Die geringste Verschuldung pro Kopf besitzt der Freistaat Bayern mit 3.133 Euro.
52
Vgl. S
ÄCHSISCHES
S
TAATSMINISTERIUM DER
F
INANZEN
(2006): Finanzlage und Haushaltsprobleme der
neuen Bundesländer am Beispiel des Freistaates Sachsen.
53
Vgl. S
EITZ
, H. (2004 a): Ein Vorschlag zur Umsetzung des Korb 2 im Soli II und zur Verstärkung der geset-
zeskonformen Verwendung der Soli-Mittel. Siehe auch Ausführungen in Kapitel 2.

18
Auch bei den Ausgaben lassen sich Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland beo-
bachten. Vergleiche Abbildung 6.
Abbildung 6: Ausgaben nach Aufgabenbereichen ­ Vergleich der vier finanzschwachen
Länder West und der neuen Bundesländer
Neue Bundesländer
7%
12%
16%
5%
1%
3%
18%
5%
7%
8%
5%
3%
10%
Politische Führung und zentrale Verwaltung
Öffentliche Sicherheit und Ordnung, Rechtsschutz,
Finanzverwaltung
Allgemein bildende und berufliche Schulen
Hochschulen
übriges Bildungswesen
Kultur, kirchliche Angelegenheiten
Soziale Sicherung, soziale Kriegsfolgeausgaben,
Wiedergutmachung
Gesundheit, Umwelt, Sport, Erholung
Wohnungswesen, Städtebau, Raumordnung und
kommunale Gemeinschaftsdienste
Wirtschaftsförderung
Verkehrs- und Nachrichtenwesen
Wirtschaftsunternehmen, Allgemeines Grund- und
Kapitalvermögen, Sondervermögen
Allgemeine Finanzwirtschaft
Finanzschwache Länder West
6%
12%
16%
5%
2%
2%
21%
4%
5%
4%
4%
3%
16%

19
Quelle: S
TATISTISCHES
B
UNDESAMT
(2006 a): Statistisches Jahrbuch 2006 für die Bundesrepublik Deutschland,
Fachserie Finanzen und Steuern.
Die neuen Bundesländer geben 18 Prozent ihrer Einnahmen für soziale Sicherung aus, die
vier Westländer hingegen mit 21 Prozent nur wenig mehr. Der Grund für die Tatsache, dass
die neuen Länder vergleichsweise viel für die soziale Sicherung zahlen ist darin zu sehen,
dass die Höhe der Zahlungen an Renten- und Sozialhilfeempfänger nach der Wiedervereini-
gung dem westdeutschen Niveau angeglichen wurde und somit bei der Höhe der Zahlungen
kein Spielraum verbleibt.
54
Die ostdeutschen Landeshaushalte verwenden einen vergleichsweise hohen Anteil ihrer Ein-
nahmen für die allgemeine Finanzwirtschaft
55
und die Wirtschaftsförderung, was auf den
wirtschaftlichen Nachholbedarf zurückzuführen ist. Auch der Wohnungs- und Städtebau hat
aus eben diesem Grund eine höhere Priorität. Nach der Wiedervereinigung setzte ein Bau-
boom ein, da die Bausubstanz bei Wohn- und Geschäftshäusern oft marode war und große
Veränderungen in der Raumordnung vorgenommen wurden.
56
Derzeit ist der Trend bei den
Bauinvestitionen jedoch rückläufig und die Branche konsolidiert. Dies ist nicht zuletzt mit
dem massiven Überhang an Bauten, welche häufig leer stehen, zu begründen. Neuerdings
sind daher Bemühungen des Rückbaus zu erkennen. Die restlichen Ausgabenpositionen glei-
chen sich in etwa und sollen hier nicht näher erläutert werden.
Gliedert man die Ausgaben nicht wie in Abbildung 6 nach Aufgabenbereichen sondern nach
Ausgabearten, erscheint es zweckmäßig, die Ausgaben für Investitionen, Zinsen und Personal
näher zu erläutern. Ein Blick auf die Investitionsquoten der Länder in Abbildung 7 verdeut-
licht, dass die neuen Bundesländer nach wie vor erheblich mehr für Investitionen ausgeben,
als es die westdeutschen Länder tun.
54
Vgl. B
USCH
, U. (1999): Sozialtransfers für Ostdeutschland ­ Eine kritische Bilanz, S. 15 f.
55
Darunter fallen insbesondere Finanzzuweisungen, Schulden, Versorgung und Beihilfen.
56
Vgl. R
AGNITZ
, J. (2005): Möglichkeiten der wirtschaftlichen Entwicklung strukturschwacher Regionen in
Ostdeutschland, S. 9.

20
Abbildung 7: Investitionsquoten der ostdeutschen Bundesländer und finanzschwachen
Länder West im Jahr 2006
0
5
10
15
20
25
in %
Investitionsquote 2006
7,1
9,3
10,5
11,1
17,2
18,7
18,9
20,5
22,5
NI
SH
RP
SL
ST
MV
TH
BB
SN
Quelle: Sächsisches Staatsministerium der Finanzen (2006): Finanzlage und Haushaltsprobleme der neuen Bun-
desländer am Beispiel des Freistaates Sachsen.
Die Investitionstätigkeit zwischen dem investitionsstärksten westdeutschen Bundesland Saar-
land und dem investitionsschwächsten ostdeutschen Bundesland Sachsen-Anhalt weist eine
Differenz von 6,1 Prozentpunkten auf. Sachsen ist im Jahr 2006 auch bei den Investitionen
Spitzenreiter mit einer Quote von 22,5 Prozent. Das rückläufige Einnahmenniveau der öffent-
lichen Haushalte in Deutschland und der Druck zur Konsolidierung der kommunalen Finan-
zen haben in der Vergangenheit oftmals zu Einschränkungen der Investitionstätigkeit geführt.
Die ostdeutschen Kommunen konnten sich auf diesem Wege einen positiven Finanzierungs-
saldo quasi erkaufen.
57
Es ist jedoch fraglich, ob die Reduzierung des Investitionsvolumens
der Königsweg zur Stabilisierung der Gemeindefinanzen ist.
58
Auch in Bezug auf die Zinsausgaben nimmt Sachsen eine Sonderrolle ein. Während die ande-
ren ostdeutschen Bundesländer einen großen Teil ihrer Ausgaben seit der Wiedervereinigung
durch die Aufnahme von Krediten finanziert haben, ist Sachsens Schuldenstand sehr gering.
Ebenso gering sind aus diesem Grunde auch die Zinszahlungen. In den letzten Jahren haben
57
Vgl. V
ESPER
, D. (2004): Finanzpolitische Rahmenbedingungen für eine regionale Strukturpolitik in
Deutschland, S. 170 f.
58
Des Weiteren kann Kritik an der Investitionstätigkeit der neuen Länder geübt werden, weil die für Investiti-
onen vorgesehenen Mittel nicht immer zweckentsprechend verwendet worden sind. Die Diskussion der
Zweckentfremdung von Mitteln wird nochmals ausführlich in Kapitel 3.2 aufgegriffen.

21
sich die Zinsausgaben aufgrund der geringen Zinssätze an den Kapitalmärkten moderat ent-
wickelt, oder konnten durch geschickte Umschuldungen sogar gesenkt werden. In Zukunft
kann aber mit steigenden Zinssätzen gerechnet werden. Grund zu dieser Vermutung geben die
bislang vorgenommen Leitzinserhöhungen der EZB, welche sich in Zukunft fortsetzen dürf-
ten.
59
In der Folge dürften sich auch die Zinsausgaben der Bundesländer durch die Neuauf-
nahme oder Umschuldung von Krediten weiter erhöhen und schränken damit auf lange Sicht
den finanziellen Handlungsspielraum stark ein. Die Zinsausgaben und das Haushaltsdefizit
der neuen Länder haben sich insgesamt dem Westniveau angenähert.
60
Betrachtet man die Personalausgaben der neuen Bundesländer, wie in Abbildung 8 darge-
stellt, weisen die neuen Bundesländer scheinbar ein recht geringes Ausgabenniveau auf. Die-
ser Eindruck ändert sich unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die fünf ostdeutschen
Länder zu den am dünnsten besiedelten Ländern Deutschlands zählen und in dieser Hinsicht
einen vergleichsweise großen Personalbestand aufweisen.
Abbildung 8: Personalausgaben und -bestand in den neuen Bundesländern und den fi-
nanzschwachen Ländern West im Jahr 2003
SL
MV
TH
BB
ST
SH
SN
RP NI
Personalausga-
ben 2003
1.895
2.858
3.704
3.901
4.299
4.561
6.433
6.705 12.647
Beschäftigte
im öff. Dienst
insgesamt
3.271
6.944
9.068
9.644
10.187
8.326
15.544
11.538 21.782
Beschäftigte pro
1000 EW
3
4
4
4
5
3
4
3 3
EW in 1000
1.056
1.720
2.355
2.568
2.117
2.829
4.296
4.061 8.001
Quelle: S
TATISTISCHES
B
UNDESAMT
(2006 a): Statistisches Jahrbuch 2006 für die Bundesrepublik Deutschland,
Fachserien Finanzen und Steuern sowie Bevölkerung. Eigene Berechnungen.
Die höchsten Werte weisen Sachsen-Anhalt mit 4,81 Beschäftigten pro 1000 Einwohner und
Mecklenburg-Vorpommern mit 4,04 Beschäftigten auf.
Sachsen beschäftigt 3,62 Personen pro 1000 Einwohner und liegt damit im Mittelfeld. Die
Personalausgaben sind seit 1995 (4.108 ) bis zum Jahr 2006 (4309 ) leicht angestiegen. Die
Zahl der öffentlich Beschäftigten soll bis 2010 großen Veränderungen unterworfen werden:
während im Jahr 1992 etwa 170.000 Personen im öffentlichen Dienst beschäftigt waren, sol-
59
Vgl. J
OHANN
, B. (2006): Neue Zins-Runde eingeleitet.
60
D
EUTSCHE
B
UNDESBANK
(2006): Zur Lage der Länderfinanzen in Deutschland, S. 40 ff.

22
len die Stellen laut Koalitionsvereinbarung vom 11. Januar 2005 bis zum Jahr 2020 auf
80.000 reduziert werden.
61
Sowohl Personalausgaben als auch Zinsausgaben schränken den finanziellen Handlungsspiel-
raum der Landeshaushalte stark ein, weil sie fixe Ausgaben darstellen und nicht kurzfristig
vermieden werden können. Die Entwicklung der zukünftigen Einnahmen und die notwendige
Anpassung der Ausgaben an das Einnahmenniveau werden in Kapitel 4 dargestellt, um an-
schließend im Kapitel 5 darauf einzugehen, welche Planungen und Vorsorgemaßnahmen die
neuen Bundesländer (insbesondere Sachsen) treffen, um dem veränderten Finanzrahmen zu-
künftig gerecht zu werden.
3.2 Nationalstaatliche
Förderung
zur
Unterstützung des Konvergenzprozesses
Im Kapitel 2 wurde gezeigt, dass die neuen Bundesländer einen großen Nachholbedarf bei der
wirtschaftlichen Leistung und insbesondere bei der Infrastruktur zu bewältigen haben. Im
Grundgesetz ist das Ziel der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet
festgeschrieben.
62
Einen ähnlichen, aber weniger weit gehenden Grundsatz bekennt auch die
Europäische Union, indem sie sich die Konvergenz wirtschaftlich unterschiedlicher Regionen
zum Ziel setzt.
63
Sowohl Deutschland als auch die Europäische Union verfolgen ihre Ziele
über finanzielle Fördermaßnahmen für die wirtschaftlich schwachen Länder. So werden auch
die ostdeutschen Länder sowohl von der EU im Rahmen der Strukturfondsförderung, als auch
von Bund und Ländern gefördert. Im Rahmen dieser Arbeit steht die europäische Strukturpo-
litik im Vordergrund. Da Bund und Länder jedoch ein großes Fördervolumen für den Kon-
vergenzprozess Ostdeutschlands bereitstellen, um den neuen Bundesländer ­ auch in Hinsicht
auf die Herausforderungen der Osterweiterung - Wettbewerbsfähigkeit zu verleihen, soll die
nationale Förderung kurz erläutert werden. Dies ist auch für die Prognose der weiteren Ent-
wicklung der Landeshaushalte von Belang, weil in Zukunft nicht nur die europäische, sondern
auch die nationale Förderung großen Veränderungen unterliegen wird. Dementsprechend
werden die deutschen Osttransfers auch Gegenstand des Kapitels 4 sein, um ein möglichst
genaues Bild über die Entwicklung der Finanzen der Landeshaushalte bis 2020 präsentieren
zu können.
61
Vgl. S
ÄCHSISCHES
S
TAATSMINISTERIUM FÜR
F
INANZEN
(2006): Finanzlage und Haushaltsprobleme der neu-
en Bundesländer am Beispiel des Freistaates Sachsen.
62
Vgl. B
UNDESREPUBLIK
D
EUTSCHLAND
(1949): Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland,
Art. 72 GG.
63
Vgl. Präambel und erster Teil, Art. 2 EG-Vertrag
.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836617185
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Münster – Wirtschaftswissenschaften, Biochemie
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,0
Schlagworte
sachsen neue bundesländer landeshaushalt strukturfonds osterweiterung
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Titel: Ist Ostdeutschland ein Milliardengrab?
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