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Eltern sein - wie geht das?

Anleitung zum glücklichen Familienleben aus dem Fernsehen

©2007 Diplomarbeit 147 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Gerade in der heutigen Zeit scheint das öffentliche Interesse an Familien und Kindererziehung enorm zu sein. In unserer heutigen schnelllebigen und werteunsicheren Gesellschaft werden Fragen und Themen zur Kindererziehung innerhalb der Familie immer wieder laut – nicht nur von Eltern, sondern auch von Pädagogen, Politikern, Wirtschaftexperten und Fernsehproduzenten. Eltern fragen sich zunehmender, welche Kompetenzen sie ihren Kindern mitgeben müssen, welche Erziehungsmethoden sie anwenden sollen und vor welcher Situation sie stehen, wenn sie Fehlentscheidungen getroffen haben.
Darauf versuchen Pädagogen in jeglicher Form zu reagieren: Die Zahl der angebotenen Elternkurse steigt unaufhaltsam und immer mehr Erziehungsratgeber besiedeln den Markt der Medien. Die Politik hat zögerlich die Unsicherheiten der Eltern zur Kenntnis genommen und ein förderndes und stärkendes Handeln eingesehen: Die Sprache ist vom verbesserten Elterngeld, von Lokalen Bündnissen für Familien, von Mehr-Genarations-Häusern und Eltern-Kind-Zentren, welche vom Staat unterstützt und mitfinanziert werden. In diesem Zug sind auch die Arbeitgeber aufgefordert, Familien zu stärken und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen. Selbst das Fernsehen hat das Gebiet der Kindererziehung für sich entdeckt und schickt „Super-Nannys“ und „Super-Mamas“ in deutsche Kinderzimmer.
Die sozialpädagogische Arbeit der Super Nanny stellt eine völlig neue Form der Erziehungshilfe für Familien dar. Sie nutzt das weit verbreitete Medium Fernsehen und führt eine intensive und komprimierte Hilfe in den Familien durch. Nicht nur den jeweiligen Klienten der Fernsehfolgen soll ein Weg aus ihrer momentanen Krise aufgezeigt werden. Auch den Zuschauern möchte die Super Nanny hilfreiche Tipps und Anregungen für ein harmonisches Familienleben vermitteln. In diesem Zusammenhang soll das Super-Nanny-Konzept anhand von zwei Fallbeispielen vorgestellt und hinsichtlich fachlicher Standards Sozialer Arbeit untersucht werden. Dabei steht im Vordergrund, ob „Die Super Nanny“ als geeignete Alternative zu herkömmlichen Erziehungshilfen gesehen werden kann und ob sie aktuelle Bedürfnisse der Eltern bedient.
Gang der Untersuchung:
In dieser Arbeit soll vor allem geklärt werden, wie das heutige Familienleben in der Risikogesellschaft aussieht und wie die Erziehungshilfe der Super Nanny den Bedarf der Familien auffangen und decken kann. Dazu werde ich im ersten Teil das heutige Leben […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Romy Kockott
Eltern sein - wie geht das?
Anleitung zum glücklichen Familienleben aus dem Fernsehen
ISBN:
978-3-8366-1704-8
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Universität Bielefeld, Bielefeld, Deutschland, Diplomarbeit, 2007
Covermotiv: Lilly-Luisa Kockott
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

2
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ____________________________________________ 6
2.
Das Leben in Familien und der Erziehungsauftrag
der Eltern
______________________________________________ 8
2. 1. Erziehungsverständnis _____________________________________ 8
2. 1. 1. Gesetzliche Grundlage _________________________________ 8
2. 1. 2. Erziehungsbegriff _____________________________________ 9
2. 1. 3. Die zwei Bilder vom Erzieher ___________________________ 10
2. 1. 4. Erziehungsstile ______________________________________ 11
2. 1. 5. Entwicklung des Erziehungsverständnisses ________________ 14
2. 2. Familienleben in der Risikogesellschaft ____________________ 17
2. 2. 1. Von der Industrie- zur Risikogesellschaft __________________ 17
2. 2. 1. 1. Modernisierungsschub
_____________________________ 17
2. 2. 1. 2. Individualisierungsschub
____________________________ 19
2. 2. 1. 3. Folgen der Individualisierung
________________________ 20
2. 2. 2. Verändertes Familienleben ____________________________ 21
2. 3. Erziehungsunsicherheiten heutiger Eltern __________________ 25
2. 4. Der Weg von Alltagsunterstützung
zur professionellen Erziehungshilfe ________________________ 28
2. 5. Bedarf an professioneller Erziehungshilfe __________________ 30
2. 6. Zusammenfassung _____________________________________ 31
3. Vorraussetzungen und Prinzipien der familiären Erziehung
und Beziehung
____________________________________________ 34
3. 1. Bindung zwischen Eltern und Kindern _____________________ 35
3. 2. Erziehungsmodelle _____________________________________ 37
3. 3. Elternkompetenzen ____________________________________ 38
3. 4. Kommunikation in der Familie ___________________________ 40
3. 5. Zusammenfassung _____________________________________ 43

3
4. Die Super Nanny ­ eine professionelle Erziehungshilfe aus dem
Fernsehen?!
_______________________________________________ 45
4. 1. Der Begriff ,,Super Nanny" _____________________________ 47
4. 2. Das britische Vorbild ___________________________________ 47
4. 3. Katharina Saalfrank____________________________________ 48
4. 4. Rahmenbedingungen der Sendung ________________________ 49
4. 5. Aufbau der Fernsehserie ________________________________ 51
4. 5. 1. Der Trailer_______________________________________ 51
4. 5. 2. Das Familienbild __________________________________ 52
4. 5. 3. Vorstellung der Super Nanny ________________________ 54
4. 5. 4. Die Intervention___________________________________ 54
4. 5. 5. Der typische Super Nanny­Zuschauer _________________ 56
4. 6. Die Arbeitsweise der Super Nanny ________________________ 56
4. 7. Pädagogisches Konzept und mögliche zugrundeliegende Ansätze 59
4. 7. 1. Mediation________________________________________ 60
4. 7. 2. Systemischer Ansatz________________________________ 62
4. 7. 3. Montessoripädagogik ______________________________ 65
4. 7. 4. Gestaltpsychologie ________________________________ 67
4. 7. 5. Klientenzentrierter Ansatz ___________________________ 69
4. 7. 6. Familienkonferenz _________________________________ 70
4. 7. 7. Triple P _________________________________________ 72
4. 7. 8. Entwicklungspsychologische Beratung _________________ 74
4. 8. Methoden der Super Nanny ______________________________ 75
4. 9. Zwei Fallbeispiele aus der Arbeit der Super Nanny___________ 80
4. 9.1. Fallbeispiel 1: Familie Wedlich _______________________ 80
4. 9. 1.1. Familiäre Verhältnisse
_____________________________ 80
4. 9. 1. 2. Problematischer Familienalltag
_______________________ 81
4. 9. 1. 3. Inanspruchnahme von Hilfen
________________________ 83
4. 9. 1. 4. Defizite und Ressourcen in Erziehung und Beziehung
______ 83
4. 9. 1. 5. Ursachen für den problematischen Familienalltag ___________
87
4. 9. 1. 6. Intervention durch die Super Nanny _____________________
89
4. 9. 1. 7. Familienleben nach der Intervention _____________________
93
4. 9. 1. 8. Kritik zur Intervention der Super Nanny __________________
94
4. 9. 2. Fallbeispiel 2: Familie Keller ________________________ 96

4
4. 9. 2. 1. Familiäre Verhältnisse ________________________________
96
4. 9. 2. 2. Problematischer Familienalltag _________________________
98
4. 9. 2. 3. Inanspruchnahme von Hilfen
________________________ 99
4. 9. 2. 4. Defizite und Ressourcen in Erziehung und Beziehung
_____ 100
4. 9. 2. 5. Ursachen für den problematischen Familienalltag
________ 103
4. 9. 2. 6. Intervention durch die Super Nanny
__________________ 105
4. 9. 2. 7. Kritik zur Intervention der Super Nanny
_______________ 108
4. 10. Zusammenfassung ___________________________________ 110
5. Diskurse über die mediale Erziehungshilfe ,,Die Super Nanny"
112
5. 1. Die Rahmenbedingungen der Sendung____________________ 114
5. 1. 1. Privatsphäre ____________________________________ 114
5. 1. 2. Erziehungshilfe nach Drehbuch _____________________ 116
5. 2. Achtung der Menschenrechte ___________________________ 117
5. 2. 1. Basis für pädagogisches Arbeiten ____________________ 117
5. 2. 2. Unantastbarkeit der Menschenwürde _________________ 117
5. 2. 3. Gewaltfreie Erziehung_____________________________ 118
5. 2. 4. Wahrung der Privatsphäre / Datenschutz ______________ 119
5. 3. Die pädagogische Arbeit der Super Nanny _________________ 120
5. 3. 1. Ursachenforschung _______________________________ 120
5. 3. 2. Partizipation ____________________________________ 121
5. 3. 3. Defizit- und Ressourcenorientierung__________________ 124
5. 3. 4. Lebensweltorientierung ____________________________ 127
5. 4. Wirkungen der Sendung ___________________________________ 128
5. 4. 1. Folgen für die soziale Arbeit ________________________ 128
5. 4. 2. Folgen für die Eltern ______________________________ 130
5. 5. Darstellung der Super Nanny _______________________________ 132
5. 6. Zusammenfassung________________________________________ 133
6. Fazit
____________________________________________________ 135
Glossar
____________________________________________________ 139

5
Quellennachweis
____________________________________________ 142
Anmerkung: Alle schwer verständlichen und erklärungsbedürftigen Begriffe sind im
Glossar beschrieben und definiert. Im Text sind diese fett und blau
Hervorgehoben.

6
1. Einleitung
Jeder Mensch hat Vorstellungen von einem gut funktionierenden und liebevollen
Familienleben ­ ob diese real existiert oder ob sie eine Wunschvorstellung ist. Selbst
meine fünfjährige Schwester, welche mir freundlicherweise eines ihrer Kunstwerke für
die Umschlaggestaltung meiner Diplomarbeit zur Verfügung stellte, hat gewisse
Annahmen von einer gut funktionierenden und harmonischen Familie. Für sie gehört zu
einer Familie auf jeden Fall der Papa, die Mama und Kinder. Auf dem Titelbild ist zu
sehen ein etwas älteres Kind und ein Kleinkind ­ nah bei der Mama. Alle
Familienmitglieder stehen eng beieinander, reichen sich die Hände und haben ein
freundliches Gesicht, was durch den Sonnenschein noch verstärkt wird. So sollte, in der
Fantasie meiner Schwester, das Familienleben geprägt sein von schönen Dingen,
welche allen Mitgliedern Freude bereitet. Keiner soll sich streiten, schlagen oder aus
dem Weg gehen. Die Vorstellungen meiner Schwester können durchaus als familiäre
Prinzipien mit relativ breiter Zustimmung verstanden werden, da sie doch sehr grob
gefasst sind und sich lediglich auf eine Momentaufnahme beziehen. Wie sich
Familienleben sonst gestaltet, von welchen Faktoren es abhängt und welche
Voraussetzungen gegeben sein sollten, wird in dieser Arbeit zu klären sein.
Gerade heute scheint das öffentliche Interesse an Familien und Kindererziehung enorm
zu sein. In unserer heutigen schnelllebigen und werteunsicheren Gesellschaft werden
Fragen und Themen zur Kindererziehung innerhalb der Familie immer wieder laut ­
nicht nur von Eltern, sondern auch von Pädagogen, Politikern, Wirtschaftexperten und
Fernsehproduzenten. Eltern fragen sich zunehmender, welche Kompetenzen sie ihren
Kindern mitgeben müssen, welche Erziehungsmethoden sie anwenden sollen und vor
welcher Situation sie stehen, wenn sie Fehlentscheidungen getroffen haben. Darauf
versuchen Pädagogen in jeglicher Form zu reagieren: Die Zahl der angebotenen
Elternkurse steigt unaufhaltsam und immer mehr Erziehungsratgeber besiedeln den
Markt der Medien. Die Politik hat zögerlich die Unsicherheiten der Eltern zur Kenntnis
genommen und ein förderndes und stärkendes Handeln eingesehen: Die Sprache ist vom
verbesserten
Elterngeld
, von
Lokalen Bündnissen für Familien
, von
Mehr-
Genarations-Häusern
und
Eltern-Kind-Zentren
, welche vom Staat unterstützt und
mitfinanziert werden. In diesem Zug sind auch die Arbeitgeber aufgefordert, Familien
zu stärken und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen. Selbst das

7
Fernsehen hat das Gebiet der Kindererziehung für sich entdeckt und schickt ,,Super-
Nannys" und ,,Super-Mamas" in deutsche Kinderzimmer.
Die sozialpädagogische Arbeit der Super Nanny stellt eine völlig neue Form der
Erziehungshilfe für Familien dar. Sie nutzt das weit verbreitete Medium Fernsehen und
führt eine intensive und komprimierte Hilfe in den Familien durch. Nicht nur den
jeweiligen Klienten der Fernsehfolgen soll ein Weg aus ihrer momentanen Krise
aufgezeigt werden. Auch den Zuschauern möchte die Super Nanny hilfreiche Tipps und
Anregungen für ein harmonisches Familienleben vermitteln. In diesem Zusammenhang
soll das Super-Nanny-Konzept anhand von zwei Fallbeispielen vorgestellt und
hinsichtlich fachlicher Standards Sozialer Arbeit untersucht werden. Dabei steht im
Vordergrund, ob ,,Die Super Nanny" als geeignete Alternative zu herkömmlichen
Erziehungshilfen gesehen werden kann und ob sie aktuelle Bedürfnisse der Eltern
bedient.
In dieser Arbeit soll vor allem geklärt werden, wie das heutige Familienleben in der
Risikogesellschaft aussieht und wie die Erziehungshilfe der Super Nanny den Bedarf
der Familien auffangen und decken kann. Dazu werde ich im ersten Teil das heutige
Leben von Familien, im Vergleich zum Familienleben in den 50er Jahren näher
beleuchten und existierende Erziehungsunsicherheiten und Bedarfe an Unterstützung
der Eltern aufzeigen. Im 3. Kapitel sollen wichtige Erziehungsprinzipien, wie der
Erziehungsstil und die Elternkompetenzen, welche in der heutigen Zeit, durch Studien
belegt, als am vorteilhaftesten für die Eltern-Kind-Beziehung und für die kindliche
Entwicklung gelten, zusammengetragen werden. Im Anschluss folgt die Vorstellung
und Untersuchung des Super-Nanny-Konzepts vom Fernsehsender RTL. Vor allem die
zugrundeliegenden pädagogischen Ansätze und die angewendeten Methoden werde ich
anhand von zwei Fallbeispielen näher betrachten. Auf dieser Basis soll der bisher zu
verfolgende Diskurs zum Erziehungskonzept ,,Die Super Nanny" ausführlich dargestellt
und seine einzelnen Argumente auf ihre Standhaftigkeit hin überprüft werden. Ob sich
die mediale Anleitung zum glücklichen Familienleben nun als sinnvoll und wirksam
ergibt, wird die Schlussfolgerung aufzeigen.
.

8
2. Das Leben in Familien und
der Erziehungsauftrag der Eltern
In meiner Arbeit möchte ich die pädagogische und therapeutische Tätigkeit der Super
Nanny vorstellen und aktuelle Diskurse zu diesem Thema überprüfen. Dazu halte ich es
für notwendig, sich zunächst ein Bild vom Erziehungsbegriff und vom heutigen
Familienleben zu verschaffen. Dabei soll dargestellt werden, inwieweit sich das
Erziehungsverständnis und das Leben in Familien in den vergangenen Jahrzehnten
veränderte und warum Kindererziehung heute als problematischer angesehen wird.
Hinterfragt werden soll auch der Bedarf an Erziehungshilfe der Eltern und damit die
Daseinsberechtigung der Super Nanny.
2. 1. Erziehungsverständnis
2. 1. 1. Gesetzliche Grundlage
Mit der Einführung des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes (RJWG) im Jahr 1922 wurde
erstmals jedem deutschen Kind ein Recht ,,auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und
gesellschaftlichen Tüchtigkeit" (Kurz-Adam / Post 1995, S. 16) zugestanden. Da das
RJWG erst die Grundlage zur Entstehung erster
Jugendämter
und zum Ausbau der
Jugendhilfe
bildete, war dieses noch sehr polizei- und ordnungsrechtlich orientiert. Im
Jahr 1953 wurde das RJWG unter kleinen inhaltlichen Änderungen und Streichung des
Wortes ,Reich' zum Jugendwohlfahrtsgesetz novelliert. Hier wurden Strukturen und
Mechanismen der Jugendhilfe weitaus konkreter ausformuliert.
Seit 1991 bildet die gesetzliche Grundlage der Erziehung das Kinder- und
Jugendhilfegesetz (KJHG), in welchem das Recht der Kinder und Jugendlichen ,,auf
Förderung (...) [ihrer; R. K.] Entwicklung und auf Erziehung zu einer
eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit" (KJHG §1, Abs. 1)
festgeschrieben ist. So hat sich die gesetzliche Verankerung des Rechts auf Erziehung
seit dem RJWG im Wortlaut kaum verändert. Während 1922 noch mehr Wert auf
gesellschaftliche Anpassung gelegt wurde, ist heute die Selbständigkeit genauso hoch
bewertet. Auch wird im KJHG nicht nur den Kindern das Recht auf Erziehung
zugesprochen, sondern auch den Jugendlichen, was wahrscheinlich darauf

9
zurückzuführen ist, dass die Jugendphase zur damaligen Zeit noch nicht als solche
explizit existierte (vgl. Tillmann 2004, S. 197ff).
Die ,,Pflege und Erziehung der Kinder" wird im KJHG als ,,natürliches Recht", aber
auch als Pflicht der Eltern definiert (KJHG §1, Abs. 2). Die
Jugendhilfe
soll zur
Verwirklichung des Rechts auf Erziehung beitragen, über die Erziehungsaufträge der
Eltern wachen und ihnen sowie Kindern und Jugendlichen Hilfe und Unterstützung bei
Bedarf bieten können (vgl. KJHG §1, Abs. 3).
Doch was heißt es nun, Kinder und Jugendliche zu eigenverantwortlichen und
gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu erziehen? Welche Rolle spielt der Erzieher
bei der Erziehung? Welche Bedeutung haben bestimmte Erziehungsstile?
2. 1. 2. Erziehungsbegriff
Die Definition des Erziehungsbegriffs wurde schon in der Geschichte der Pädagogik,
gerade in Abgrenzung zum Bildungsbegriff und durch die immer größer werdende
Pluralisierung der Lebensmöglichkeiten, als schwierig angesehen. So lassen sich in
gegenwärtiger Literatur lediglich einige allgemeingültige Merkmale beziehungsweise
Kennzeichen von Erziehung finden, jedoch keine allumfassende Definition.
In jedem Fall versteht man unter Erziehung ,,die Änderung von Personen" mit dem Ziel
der ,,Selbstbestimmung des Zöglings" (Luhmann 1991, S. 19). Dabei versucht
Erziehung bereits bestehende, als positiv erachtete Verhaltensweisen des zu
Erziehenden unberührt stehen zu lassen und als negativ eingeschätzte Verhaltensweisen
zu verhindern oder abzubauen. Dementsprechend ist ein Erziehungsprozess immer
absichtlich herbeigeführt und verändert in seinem Verlauf nicht nur Handlungs- und
Verhaltensstrategien des zu Erziehenden, sondern auch des Erziehers (vgl. Meyers
Lexikonredaktion 1989, S. 125).
Da meine Arbeit die erzieherischen Probleme in Familien definiert, versteht sich in
diesem Zusammenhang meist das Kind der Familie als Zögling und die Eltern als die
Erzieher.

10
2. 1. 3. Die zwei Bilder vom Erzieher
Zwar existiert keine komplexe Definition des Erziehungsbegriffs, dennoch gibt es,
neben den allgemeingültigen Merkmalen, zwei sich unterscheidende
Grundverständnisse der Erziehung, welche schon in der pädagogischen Geschichte zu
finden sind.
Das Erste beschreibt eine Metapher vom Erzieher als Bildhauer. ,,Der Erzieher gleicht
dem Handwerker, der einen angestrebten Zweck mit Hilfe bestimmter Mittel und
Methoden handelnd anstrebt" (Gudjons 1997, S. 187; Hervorhebung im Org.).
Historisch ist diese erste Richtung zurückzuführen auf
Lockes ,,Essay Concerning
Human Understanding"
von 1693. Locke unterstellt der Erziehung einen handelnden
Eingriff in die Psyche des zu Erziehenden ,,zur Konstruktion der inneren Welt" (Oelkers
1991, S. 13).
Das zweite Grundverständnis von Erziehung geht zurück auf
Rousseau
und dessen
,,Emile"
(1762). Rousseau beschreibt den Austausch der inneren Welt des Zöglings mit
der äußeren Welt, wobei sich der Zögling selbständig entwickelt und gerade aus dem
,,Konzept der Natur des Menschen" (ebd.; Hervorhebung im Org.) den Schutz durch
den Erzieher bedarf.
Abb. 1: Die
Metaphern vom
Erzieher: der
Bildhauer und der
Gärtner.
(entnommen aus:
Gudjons 1997, S.
187).
So wird der Erzieher in dieser Richtung metaphorisch als Gärtner gesehen, welcher
,,pflegend und schützend bei einem Erziehungsprozess hilft" (Gudjons 1997, S. 187).
Die Abbildung 1 verdeutlicht die beiden unterschiedlichen Grundverständnisse von
Erziehung.

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Die Metaphern vom Erzieher als Handwerker auf der einen Seite und als Gärtner auf der
anderen Seite verdeutlichen spezielle Erziehungsziele und symbolisieren einen
bestimmten Erziehungsstil. Im Folgenden werden die verschiedenen Erziehungsstile
vorgestellt.
2. 1. 4. Erziehungsstile
Unter einem Erziehungsstil versteht man die Art und Weise, wie ein Erzieher (hier: die
Eltern) die Erziehungsziele innerhalb des Erziehungsprozesses zu erreichen versucht
und wie dieser dem Zögling (hier: das Kind) gegenübertritt. Der ,,Erziehungsstil
kennzeichnet also eine durchgängige Grundhaltung des Erziehers" (Hobmair 1996, S.
212; Hervorhebung im Org.), welche sich in verschiedenen Verhaltensweisen zeigt.
Verschiedene Wissenschaftler (zum Beispiel Kurt Lewin, Tausch / Tausch) erforschen
seit etwa 70 Jahren die typischen Erziehungsstile. Gemessen an verschiedenen
Verhaltensweisen der Erzieher werden hierbei immer wieder ähnliche Stile typisiert.
Das Ehepaar Anne-Marie und Reinhard Tausch ermittelten in den 1960er Jahren in
ihren Untersuchungen vier verschiedene Erziehungsstile, welche sie in einem
Dimensionskonzept
festgehalten haben.
Abb. 2: Das Dimensionskonzept
von Tausch / Tausch.
(entnommen aus:
Hobmair 1996, S. 222).
Das dargestellte zweidimensionale Koordinatensystem wird bestimmt durch die
Lenkungsdimension und durch die emotionale Dimension, wonach die Erziehungsstile
zugeordnet wurden. Die Lenkungsdimension reicht von minimale bis maximale
Lenkung, wobei minimale Lenkung Erziehungsverhalten definiert, welches dem

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Zögling Selbstbestimmung und Freiheit gewährt, diesen nicht belehrt oder Befehle
erteilt. Unter maximale Lenkung zählen Verhaltensweisen, die den Zögling
kontrollieren und belehren sowie in dessen Verhalten und Denken hinein lenken
entsprechend den Vorstellungen des Erziehers. Die emotionale Dimension reicht von
den Verhaltensweisen Geringschätzung und Verständnislosigkeit bis zu den
Verhaltensweisen Wertschätzung und Verständnis. Mit Hilfe dieser Dimensionen
kamen Tausch / Tausch zu vier verschiedenen Erziehungsstilen:
1.)
der autokratische Stil (I): Die Eltern beziehungsweise die Erzieher steuern den
Zögling in sehr hohem Maße, kontrollieren ihn und formen ihn nach eigenen
Vorstellungen. Die Individualität des Zöglings wird nur sehr gering be- und geachtet.
2.)
der sozialintegrative Stil (II): Die Lenkung des Erziehers liegt genau zwischen
minimal und maximal, was auf der einen Seite nötige Anforderungen und auf der
anderen Seite Erziehung zur Selbständigkeit bedeutet. Die Persönlichkeit des Zöglings
wird hoch geschätzt.
3.)
Der Laissez-faire-Stil (III): Vom Erzieher werden keine notwendigen
Anforderungen an den zu Erziehenden gestellt und die Individualität des Zöglings wird
nicht im genügendem Maß geschätzt und geachtet.
4.)
Der überbehütete Stil (IV): An den Zögling werden sehr hohe Anforderungen
gestellt, er wird überwacht und belehrt. Seine Persönlichkeit wird jedoch sehr hoch
geschätzt (vgl. Hobmair 1996, S. 213 ­ 223).
Auch Darling und Steinberg stellten 1993 vier Erziehungsstile auf, welche sie mit
ähnlichen Dimensionen der Verhaltensweisen der Erzieher gemessen haben wie das
Ehepaar Tausch. Sie nannten ihre Dimensionen jedoch Anforderungen der Eltern (vgl.
Lenkungsdimension, Tausch / Tausch) und Reaktivität der Eltern (vgl. emotionale
Dimension, Tausch / Tausch). Unter den Anforderungen verstanden Darling und
Steinberg das Ausmaß der ,,Bereitschaft der Eltern, für die Sozialisation [des Kindes; R.
K.] zu sorgen" (Darling / Steinberg 1993, S. 492, zit. nach Zimbardo / Gerrig 2004, S.
475). Die Reaktivität wurde als das Ausmaß der ,,Anerkennung der Individualität des
Kindes durch die Eltern" (ebd.) definiert.

13
Abb. 3: Darstellung
der Erziehungsstile
nach Darling /
Steinberg.
(entnommen aus:
Zimbardo / Gerrig
2004, S. 475)
Wie die Abbildung 3 zeigt, wurden auch hier vier Erziehungsstile klassifiziert, welche
im Allgemeinen gleichzusetzen sind mit denen vom Ehepaar Tausch:
1.)
Der autoritäre Erziehungsstil: ,,Eltern disziplinieren das Kind und schenken
seiner Autonomie wenig Aufmerksamkeit" (Zimbardo / Gerrig 2004, S. 475). Der
autoritäre Stil ist gleichzusetzen mit dem autokratischen Stil. Schneewind (2003)
bezeichnet dieses Erziehungsmodell mit ,,Grenzen ohne Freiheit".
2.) Der
Laissez-faire-Stil, der auch von Tausch / Tausch ebenso benannt wurde: Die
Eltern sind durchaus fähig, genügend auf das Kind zu reagieren, jedoch fehlen die
nötigen Anforderungen. Sie sind ,,nicht in der Lage, den Kindern beim Erlernen der
Struktur von sozialen Regeln, mit denen sie leben müssen, zu helfen" (ebd.). Bei
anderen Autoren findet man auch die Bezeichnungen der antiautoritären Erziehung, der
permissiven
Elternschaft (Herbert 1999) oder die Bezeichnung ,,Freiheit ohne
Grenzen" (Schneewind 2003).
3.) Vernachlässigender, ignorierender, gleichgültiger, unbeteiligter
Erziehungsstil: Die Eltern sind weder in der Lage, ausreichend auf das Kind zu
reagieren, noch können sie angemessene Anforderungen stellen. Dieser Erziehungsstil
wird von Tausch / Tausch nicht klassifiziert. In ihrer Einteilung existiert jedoch ein
überbehüteter Stil, der aber nicht gleichzusetzen ist mit dem vernachlässigenden,
ignorierenden Stil von Darling und Steinberg, da hier die Eltern durchaus fähig sind,
Anforderungen zu stellen und auf das Kind zu reagieren.

14
4.) Autoritativ-reziproker
Erziehungsstil mit bidirektionaler Kommunikation:
Eltern können sowohl kindzentriert auf die Individualität des Kindes reagieren, als auch
verhältnismäßige Anforderungen stellen. ,,Sie verlangen, dass das Kind sich an
angemessene Verhaltensregeln hält" und ,,halten Kommunikationskanäle offen, um die
Selbstregulationsfähigkeit" (ebd.) zu fördern. Dieser Erziehungsstil entspricht dem
sozialintegrativen Stil des Ehepaars Tausch. Klaus Schneewind bezeichnet dieses
Erziehungsmodell als ,,Freiheit in Grenzen" (2003).
Wenn man nun auf die Metapher des Erziehers zurückblickt, so lässt sich feststellen,
dass der Erzieher als Bildhauer wohl dem autoritären Erziehungsstil zuzuordnen ist und
als Gärtner wohl dem Laissez-faire-Stil. Der Handwerker versucht mit Disziplin und
Gehorsam handelnd in die Psyche des Zöglings einzugreifen. Dabei untergräbt er die
Autorität des zu Erziehenden und handelt nach seinen eigenen Vorstellungen. Der
Gärtner hingegen schätzt die Individualität des Kindes sehr hoch. Er stellt jedoch nicht
die notwendigen Anforderungen und richtet sich so ausschließlich nach der Natur des
Zöglings.
2. 1. 5. Entwicklung des Erziehungsverständnisses
Heute wird im Allgemeinen von der Wissenschaft der autoritativ-reziproke
Erziehungsstil als am vorteilhaftesten für die Entwicklung des Kindes sowie für die
Eltern-Kind-Beziehung eingeschätzt. So wäre der ideale Erzieher Handwerker und
Gärtner zugleich: Er müsste ,,pflegend und schützend einen Erziehungsprozess
begleiten" (Gudjons 1997, S. 187), dabei die Individualität des Kindes schätzen sowie
angemessene und notwendige Anforderungen stellen, um das Kind zu einer
eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit, wie es das KJHG
fordert, zu erziehen.

15
Die Einschätzungen der Wissenschaft entsprechen auch den heutigen
Erziehungsvorstellungen der Eltern. Eine dementsprechende Umfrage des EMNID-
Instituts stellte deutschen Bürgern die Frage, auf welche Eigenschaften die Erziehung der
Kinder vor allem hinzielen sollte. Dazu mussten die Befragten wählen zwischen den Zielen
,Selbständigkeit und freier Wille', ,Ordnungsliebe und Fleiß' sowie ,Gehorsam und
Unterordnung'. Ausschlaggebend sind dabei die Ziele ,Selbständigkeit und freier Wille'
sowie ,Gehorsam und Unterordnung', da diese ,,in der Literatur gewöhnlich als
Gegenpole" (Reuband 1999, S. 133) betrachtet werden. ,Selbständigkeit und freier Wille'
können mit autoritativ-reziproken Erziehungspraktiken erreicht werden, da hier, wie oben
beschrieben, die Selbstregulationsfähigkeit des Kindes mittels angemessenen
Anforderungen und kindzentrierter, akzeptierender Haltung gefördert wird. Hingegen sind
die Verhaltensweisen ,Gehorsam und Unterordnung' eher durch einen autoritären
Erziehungsstil zu erhalten, bei welchem das Kind durch hohe Anforderungen diszipliniert
und kontrolliert wird. Die folgende Abbildung gibt die Umfrageergebnisse zu
Erziehungszielen von 1951 bis 1995 wieder.
Abb. 4: Erziehungsziele der deutschen Bürger im Zeitverlauf.
(entnommen aus: Reuband 1999, S. 134).
1995 gaben 60 % der Befragten die Selbständigkeit und den freien Willen des Kindes
als wichtigste Erziehungsziele an. Im Gegensatz dazu galt diese Orientierung 1951 für
nur 28 % der Befragten als anstrebsames Ziel. Gleichzeitig ist auch eine Veränderung
im Erziehungsziel von ,Gehorsam und Unterordnung' zu verzeichnen: Hier ist der

16
Anteil derer, die diese Ziele ,,als besonders wichtig erachten, von 25 % [1951; R. K.]
auf 7 % [1995; R. K.] zurückgegangen" (ders., S. 134). ,,Der Wert für ,,Ordnungsliebe
und Fleiß" bleibt mit Werten um 40 % annähernd gleich" (ebd.). Weiterhin ist in der
Abbildung 4 erkennbar, dass es am Ende der 60er Jahre einen rapiden Abfall der Ziele
,Gehorsam und Unterordnung' sowie einen hohen Anstieg der Ziele ,Selbständigkeit
und freier Wille' gab. Zurückgeführt werden könnten diese Veränderungen auf die
68er
­ Bewegung
und dem damit verbundenem Konzept der antiautoritären Erziehung.
Mit diesen Umfrageergebnissen lässt sich ganz klar ein Wandel der Erziehungsziele
feststellen: Während es vor 50 Jahren die autoritäre Erziehung zu ,Gehorsam und
Unterordnung' brachte und Ende der 60er Jahre die Eltern ihre Kinder zu selbständigen,
selbstentfaltenden Lebewesen durch antiautoritäre Erziehung begleiten wollten,
versuchen Eltern heute, einen Mittelweg zwischen autoritär und antiautoritär, also
zwischen Bildhauer und Gärtner, zu finden, um ihre Kinder zu Gemeinschaftsfähigkeit
und Eigenverantwortung zu erziehen. Das heißt, wo früher überindividuelle
Erziehungsziele, wie Pflicht- und Akzeptanzverhalten gesellschaftlich hoch angesehen
waren, vermuten Eltern heute, ihre Kinder kämen mit individuellen Erziehungszielen,
wie Selbstentfaltung in der heutigen Wettbewerbsgesellschaft weiter (vgl. Brezinka
1993, S. 257).
Dies belegt auch eine Studie von Reuband aus dem Jahr 1995: Hierbei wurden deutsche
Bürger, eingeteilt nach Geburtenjahr, gefragt, ob sie eine strenge Erziehung bekommen
haben. Während Befragte, die zwischen 1920 und 1930 geboren wurden fast zu 80 %
eine strenge und somit autoritäre Erziehung bejahten, gaben die jüngsten Generationen
(zwischen 1980 und 1990) nur noch zu etwa 15 % ein strenges Elternhaus an (vgl.
Reuband 1999, S. 148).
Anzumerken hierbei ist, dass die Umfragen nie die Einstellungen der gesamten
Bevölkerung wiederspiegeln, sondern immer nur die von einigen Vertretern. Außerdem
basiert die EMNID-Umfrage nicht auf real gemessenen Verhaltensweisen, sondern gibt
die Ideal- und Wunschvorstellungen der Befragten wieder. Doch auch wenn man diese
Anmerkungen im Hinterkopf behält, ist eine tendenzielle Verschiebung der
Wertigkeiten von Erziehungszielen in den letzten 50 Jahren auszumachen. Eltern haben
heute eine andere Vorstellung von dem, was sie ihren Kindern mitgeben möchten als

17
früher. Demnach muss heute, wie gezeigt, auch ein anderer Erziehungsstil allgemein als
gewinnbringend und förderlich angesehen werden als in den 50er Jahren.
Im nächsten Abschnitt werde ich versuchen, diesen Wertewandel im Erziehungsbereich
anhand der Gesellschaftsanalyse von Ulrich Beck sowie an den veränderten
Bedingungen des Familienlebens zu erklären. Dazu werde ich fragen, ob die
Kindererziehung heute als problematischer angesehen wird als vor 50 Jahren und ob
damit ein erhöhter Bedarf an Unterstützung und Hilfe einhergeht.
2. 2. Familienleben in der Risikogesellschaft
2. 2. 1. Von der Industrie- zur Risikogesellschaft
Der Münchener Soziologie-Professor Ulrich Beck stellte in den 80er Jahren einen
gesellschaftstheoretischen Entwurf auf, welcher bis heute immer wieder dominant in
soziologischen und pädagogischen Diskussionen hervortritt und die Basis für zahlreiche
Forschungsprojekte liefert. In seinem bekanntesten Werk ,,Risikogesellschaft ­ Auf den
Weg in eine andere Moderne" (1986) beschreibt er den Wandel der
Industriegesellschaft in den 50er Jahren zur heutigen Risikogesellschaft, welcher
Ergebnis eines Individualisierungs- und Modernisierungsprozesses ist. Die Grundthese
dabei besagt, dass die Gesellschaft im Laufe der Jahre immer ,,komplexer wird, und
dass dies in zunehmender Differenzierung seinen Ausdruck findet" (Heitmeyer / Olk
1990, S. 13). Diese Differenzierung hat erhebliche Konsequenzen für Individuen, also
auch für Familien.
2. 2. 1. 1. Modernisierungsschub
Auf dem Weg von der klassischen Industriegesellschaft zur Risikogesellschaft lösen
sich traditionelle gesellschaftliche Milieus immer mehr auf. Damit ist nicht eine
Auflösung der Klassen oder Schichten gemeint: Die sozialen Unterschiede liegen heute
jedoch auf einem höheren Niveau. ,,Gebessert hat sich die Lebenslage in allen
Schichten, ohne dass die Unterschiede geringer geworden sind" (Tillmann 2004, S.
265). Beck bezeichnet diese Entwicklung auch als ,,Fahrstuhl-Effekt" (Beck 1986, S.
124), welcher in seiner Konsequenz ,,ein kollektives Mehr an Einkommen, Bildung,

18
Mobilität, Recht, Wissenschaft, Massenkonsum" (ders., S. 122; Hervorhebung im Org.)
hervorruft. Gemeint ist mit der Auflösung gesellschaftlicher Milieus die Aufhebung der
in den 50er Jahren typischen Zugehörigkeiten zu einer gesellschaftlichen Klasse und
damit zu einem festen sozialen Netzwerk von Nachbarschafts-, Verwandtschafts- und
Bekanntschaftsbeziehungen (vgl. Tillmann 2004, S. 262). Eingestellt sind somit auch
traditionelle gesellschaftliche Milieus, ,,die sich nicht zuletzt auf die Normalität von
biographischen Abfolgen beziehen" (ebd.). Damit kann der ,,soziale Klassencharakter
der Lebensbedingungen und Lebensformen (...) bei konstanten Ungleichheitsstrukturen
durch Niveauverschiebungen verloren gehen" (Beck 1986, S. 122; Hervorhebung im
Org.). Diese Auflösung gesellschaftlicher Milieus begründet Beck mit der
,,wohlfahrtsstaatlichen Modernisierung" (ders., S. 116), welche durch drei wesentliche
Prozesse zu kennzeichnen ist:
1.)
Prozess der Arbeitsmarktentwicklung: In der heutigen Gesellschaft sind
weitaus mehr Menschen vom Arbeitsmarkt abhängig als noch in den 50er Jahren. Diese
Abhängigkeit bezieht sich zunehmend auf die individuelle Existenz, welche durch die
Arbeitsmarktentwicklungen bestimmt wird. Zu diesen Entwicklungen gehört auch die
Massenarbeitslosigkeit, die seit den 70er Jahren zu einer ,,Dauererscheinung geworden
ist" (Tillmann 2004, S. 263). Damit werden ,,Anpassungszwänge an den sich
wandelnden Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer härter und zwingender" (ebd.). Der
Arbeitsmarkt bestimmt so wesentlich die Individualisierung von Lebenslagen (vgl.
ebd.).
2.)
Prozess des Bildungskonsums: Noch in den 50er Jahren gehörte es zur
Normalbiographie der meisten gesellschaftlichen Milieus, den kürzesten Weg der
Schulausbildung (Volksschule) zu wählen und eine Berufsausbildung in der regionalen
Industrie zu absolvieren. Da sich die gesellschaftlichen Milieus weitgehendst aufgelöst
haben, existiert auch keine Normalbiographie im Hinblick auf den Bildungsweg mehr.
Vielmehr ist individuell zu entscheiden, welche Schulform nach der Grundschule
besucht werden soll, wie es nach dem zehnten Schuljahr weitergehen soll und ob eine
Berufsausbildung oder eher ein Studium in Frage kommt. Hier ist ganz klar eine
Verlängerung des schulischen Bildungsweges zu erkennen. ,,Innerhalb von drei
Jahrzehnten [hat sich; R. K.] die Zahl derer, die eine höhere Schulausbildung (...)
absolviert haben, (...) bei den Mädchen schon fast verdreifacht, bei den Jungen fast
verdoppelt" (Beck 1986, S. 128; Hervorhebung im Org.). Auch der Anteil der
Studienanfänger, gerade aus Arbeiterfamilien, ist massiv angestiegen. Die Entwicklung

19
zum Massenkonsum an Bildung ist aber vor allem auch eine Bildungsexpansion für
Frauen. Während noch in den 50er Jahren der Weg zu einer höheren (Schul-)
Ausbildung vorwiegend den Jungen gewährt wurde, sind es heute zum größten Teil
Mädchen, die Abitur machen und sich zum Studium entschließen.
3.)
Prozess der Mobilität: Ulrich Beck beschreibt weiterhin eine zunehmende
soziale und geographische Mobilität, welche zur Modernisierung der Gesellschaft
beiträgt. Vorwiegend die Arbeitsmarktentwicklung und die Bildungsexpansion
vermindern die Sesshaftigkeit der Menschen: Betriebswechsel, Berufswechsel oder
Ortswechsel aufgrund der Ausbildung (vgl. Tillmann 2004, S. 264) wirbeln ,,die
Lebenswege und Lebenslagen der Menschen durcheinander" (Beck 1986, S. 125). Auch
,,soziale und kulturelle Aktivitäten" sind durch den ,,steigenden Wohlstand der 60er und
70er Jahre" heute ,,nicht mehr auf den Nahraum des Milieus beschränkt" (Tillmann
2004, S. 264), sondern lösen ,,Individuen (...) aus traditionalen Lebenswelten und
Lebenszusammenhängen heraus" (Heitmeyer / Olk 1990, S. 14). Dem Einzelnen bieten
sich vielmehr Möglichkeiten zur individuellen Nutzung. Für Jugendliche zum Beispiel
,,haben daher der lokale Fußballclub und die örtliche Kneipe ihre zentrale Bedeutung
verloren; hingegen ist der Cliquenbesuch eines Rockkonzerts in Hamburg nichts
Ungewöhnliches mehr" (Tillmann 2004, S. 264).
2. 2. 1. 2. Individualisierungsschub
Mit der von Beck beschriebenen ,,wohlfahrtsstaatlichen Modernisierung" (Beck 1986,
S. 116) werden gesellschaftliche Milieus und die damit verbundenen Zugehörigkeiten
zu bestimmten traditionellen Lebenszusammenhängen aufgelöst, womit ebenfalls die
Aufhebung von Normalbiographien einhergeht. ,,Damit ist jede(r) Einzelne zunehmend
stärker gezwungen, seinen Lebensweg immer wieder neu durch eigene Entscheidungen
zu gestalten" (Tillmann 2004, S. 265) und somit zum ,,Akteur (...) [seines; R. K.]
eigenen arbeitsmarktvermittelten Lebenslaufes" (Beck 1986, S. 124) ,,und damit auch
zum Auslöffler der Suppe, die er sich selbst eingebrockt hat" (Beck 1983, S. 58f; zit.
nach Tillmann 2004, S. 265) zu werden. Konkret bezeichnet Ulrich Beck diese Folge
der Modernisierung als ,,Individualisierungsschub" (Beck 1986, S. 208).
,,Individualisierung bedeutet in diesem Sinne, dass die Biographie der Menschen aus
vorgegebenen Fixierungen herausgelöst, offen, entscheidungsabhängig und als Aufgabe

20
in das individuelle Handeln jedes einzelnen gelegt wird" (Beck 1983, S. 58f; zit. nach
Tillmann 2004, S. 265).
2. 2. 1. 3. Folgen der Individualisierung
Die neu entstandene Individualisierung bedeutet auf der einen Seite einen Gewinn an
Handlungsspielräumen. Ulrich Beck bezeichnet diesen Gewinn als
,,Freisetzungsdimension", also die ,,Herauslösung aus historisch vorgegebenen
Sozialformen und ­bindungen" (Beck 1986, S. 296; Hervorhebung im Org.). So wird
der Einzelne von gesellschaftlichen Zwängen befreit und erhält eine Vielfalt von
Chancen zur Biographiegestaltung.
Andererseits bedeutet Individualisierung aber auch einen Geltungsverlust traditionaler
,,Sicherheiten im Hinblick auf Handlungswissen, Glauben und leitenden Normen"
(ebd.). Bezeichnet wird die andere Seite der Medaille von Beck als
,,Entzauberungsdimension" (ebd.). Der Individualisierungsschub bereichert demnach
nicht nur durch eine Fülle von Chancen, sondern trägt auch erhebliche Risiken in sich.
,,Diese können nicht mehr ­ wie betriebliche und berufliche Risiken im 19. und in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ­ lokal und gruppenspezifisch begrenzt werden,
sondern enthalten eine Globalisierungstendenz" (ders., S. 17).
Mit der Entstehung neuer Chancen und dem Aufkommen zahlreicher Risiken erwachsen
allerdings gleichzeitig auch neue Zwänge und Widersprüche, welche Beck mit der
,,Kontroll- und Reintegrationsdimension" (ders., S. 206) beschreibt. Hiernach sind neue
Arten der sozialen Einbindung zum Vorschein gekommen, welche sich zum Beispiel an
der heute existierenden zunehmenden Abhängigkeit vom Arbeitsmarkt und somit auch
von notwendigen Bildungswegen, erklären lassen.
Nimmt man Becks Gesellschaftstheorie als Grundlage, so lässt sich feststellen, dass
durch die Modernisierung der Gesellschaft ein ,,Zwang zur Individualisierung und zur
Freiheit der individuellen Entscheidungen" (Gensicke 1994, S. 23) entstanden ist. Der
Wandel hat die Entlastungschancen, die frühere Traditionen in gesellschaftlichen
Milieus boten, vernichtet und nimmt den Menschen ,,die sicheren Maßstäbe dafür, was
,,angemessen", ,,üblich" und ,,richtig" ist" (ders, S. 24). Dadurch ist der Einzelne in der

21
Gesellschaft gezwungen, individuelle Entscheidungen für sein Leben zu treffen und
dafür auch ,,die Verantwortung zu übernehmen" (ders. , S. 23).
2. 2. 2. Verändertes Familienleben
Mit dem gesellschaftlichen Wandel ist allerdings nicht nur ein anonymer Prozess im
großen Gesamtgefüge eines Staates gemeint. Vielmehr geht es hier um die spürbaren
Veränderungen innerhalb der Familie, welche die Familienmitglieder zu
Entscheidungen drängten und welche sich sowohl als Chance oder Bereicherung, aber
auch als Risiko oder Belastung des Familienlebens entpuppen können:
1.)
An erster Stelle steht die sprunghaft ansteigende Erwerbsarbeit der Frauen.
Während 1957 noch 37,34 % aller Erwerbstätigen weiblich waren, sind es 2004 bereits
44,78 % gewesen (vgl. Statistisches Bundesamt 2005 c). Die noch in den 50er und 60er
Jahren vertretene Vorstellung einer Ehefrau, die vom Ehemann finanziell versorgt wird,
den Haushalt managt und sich der Kindererziehung widmet, ist heute längst nicht mehr
allgemeingültig. Frauen werden zunehmend mehr in die Erwerbsarbeit integriert ­ sei es
aus emanzipatorischen oder finanziellen Hintergründen. Für das Familienleben heißt das
heute, dass zunehmend beide Elternteile erwerbstätig sind und so den größten Teil des
Tages nicht in der Familie verbringen. Dementsprechend werden die Kinder nach der
Schule oder Kindergarten fremduntergebracht. Die Erwerbstätigkeit von Müttern -
immerhin gehen zwei Drittel der deutschen Mütter arbeiten (vgl. Statistisches
Bundesamt 2006) ­ kann dem Familienleben neue Chancen und Möglichkeiten bieten:
Nicht nur, dass der finanzielle Rahmen des familiären Zusammenlebens gesichert
werden kann, auch scheint die berufliche Erfüllung der Mütter für mehr Zufriedenheit in
der Familie zu sorgen, meinen zumindest 88 % der befragten Mütter mit Kindern unter
9 Jahren (vgl. Unilever Bestfood Deutschland GmbH 2006, S. 13). Allerdings kann die
Erwerbstätigkeit der Mutter nicht nur eine Bereicherung, sondern auch eine
Mehrbelastung der Familie darstellen, wenn es nicht gelingt, die Balance zwischen
Beruf und Familie herzustellen. So besteht die Gefahr, wenn die alleinerziehende
Mutter oder beide Elternteile vollzeit-erwerbstätig sind, dass die Bedürfnisse der Kinder
vernachlässigt werden oder ,,die Fähigkeit und Bereitschaft von Eltern, sich
,,kompetent" mit ihren Kindern auseinander zu setzen, gemindert wird" (BMFSFJ 2005,

22
S. 16). So können Entwicklungsschwierigkeiten bei den Kindern oder Probleme in der
Eltern-Kind-Beziehung die Folge sein.
2.)
Zu erheblichen Veränderungen im familiären Zusammenleben führt außerdem
die strukturell bedingte Langzeitarbeitslosigkeit von Eltern oder Elternteilen. In den
Jahren zwischen 1955 und 1965 lag die Arbeitslosenquote durchschnittlich bei 2,28 %
(vgl. Statistisches Bundesamt 2005 a) und stellte damit kein nennenswertes
gesellschaftliches Problem dar. Im Jahr 2004 lag die Arbeitslosenquote allerdings schon
bei 11,7 %, in den neuen Bundesländern mitunter sogar bei über 20 % (vgl. ebd.). Somit
sind heutzutage mehr Menschen von Arbeitslosigkeit und deren Folgen betroffen. Dass
diese in den meisten Fällen kein Individualschicksal ist, sondern ,,Partner und Kinder ­
also Familien ­ betroffen sind" (Münchmeier, S. 124), belegt eine Studie des Instituts
für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Es wurde ermittelt, dass über die Hälfte der
Erwerbslosen verheiratet ist und mehr als ein Drittel (entspricht 35 %) der Arbeitslosen
in einem Haushalt mit Kindern leben (vgl. ebd.). Die Folgen von Erwerbslosigkeit
spüren somit alle Familienmitglieder. Das erhöhte Armutsrisiko ,,ist für betroffene
Familien und Kinder ein weit reichender Belastungsfaktor" (Diller 2005, S. 6): Er
schränkt nicht nur in ökonomischer und materieller Hinsicht das Familienleben ein,
sondern verhindert ,,die Teilhabe an gesellschaftlichen Ressourcen" (ebd.), vermindert
Zukunfts- und Bildungschancen vor allem der Kinder und führt nicht selten zu
Resignation, Isolation und innerfamiliären Konflikten. Ebenso kann der Mangel an
ökonomischen Ressourcen bei den Eltern intensive Belastungsreaktionen hervorrufen,
welche die Erziehungsfähigkeit einschränken oder gar verhindern können. So reagieren
Väter mit psychischen Belastungen aufgrund von Arbeitslosigkeit weitaus häufiger
inkonsequent, stärker strafend und weniger kindzentriert (vgl. BMFSFJ 2005, S. 15).
Allerdings kann die Nicht-Erwerbstätigkeit der Eltern oder eines Elternteils unter
Umständen auch als Chance beziehungsweise Bereicherung der Familie erlebt werden ­
jedoch nur in den seltensten Fällen. Man kann sich dazu eine Familie vorstellen, in
welcher der Vater die Familienmitglieder finanziell versorgt und die Mutter sich
hingebungsvoll dem Haushalt, der Ehe und der Kindererziehung widmet. Wenn die
Frau sich als Mutter und Hausfrau mit gelegentlichen ehrenamtlichen Engagements in
der Öffentlichkeit und anderen Unternehmungen ausgeglichen und erfüllt fühlt, kann
die Familie ein glückliches, respektvolles und liebevolles Familienleben spüren durch
gekonnte Alltagsorganisation und hinreichende Zuwendung.

23
3.)
Mit dem Wandel von traditionellen Normalbiographien zu individuell
gestaltbaren Lebensläufen wird zunehmend auch das Bild einer typischen Kleinfamilie
(verheiratetes Elternpaar mit zwei Kindern) verschleiert und eine neue Pluralität von
Lebensformen zwingt den Einzelnen zu Entscheidungen. Im Vergleich zu früher
entschließen sich heute immer weniger Paare, in den Bund fürs Leben zu treten:
Wurden 1970 noch 575 233 Eheschließungen verzeichnet, waren es 2004 nur noch 395
922 (vgl. Statistisches Bundesamt 2005 b). Lebensgemeinschaften ohne Trauschein
werden somit als reale Alternative angesehen. ,,Die Ehe hat das doppelte Monopol (...)
verloren: Sie ist heute weder die einzige legitime Form einer auf Dauer gestellten
Mann-Frau-Beziehung, noch der einzige legitime Ort gemeinsamer Sexualität"
(Böhnisch / Lenz 1999, S. 188). Demgegenüber steht die wachsende Zahl an
Ehescheidungen: Während 1970 103 927 Ehen aufgehoben wurden, entschlossen sich
2004 schon 213 691 Ehepaare, getrennte Wege zu gehen (vgl. Statistisches Bundesamt
2005 b). In der Folge gibt es heute zunehmend mehr alleinerziehende Elternteile,
Singlehaushalte und so genannte Patchwork-Familien, in denen neue Lebenspartner
zusammen mit jeweils eigenen Kindern versuchen, den Familienalltag zu meistern.
Auch die rechtliche Zulassung von
homosexuellen Ehen
und der Möglichkeit, Kinder
zu adoptieren, lassen neue Formen der Lebens- und Familiengestaltung aufkeimen. Die
größten Risiken, diese neuen Lebensformen als Belastungen zu erleben, haben vor
allem Familien mit alleinerziehenden Elternteilen sowie Familien, die Scheidungskinder
hervorbringen. Bei beiden Gruppen ist häufig eine Überforderung der Elternteile zu
verzeichnen, da hier eigene Probleme klare Handlungen und Gedanken verschließen
und Rückhalt durch einen Partner ausbleibt. In Folge dessen können beteiligte Kinder
vernachlässigt und zu stark in Verantwortung gezogen werden. Aber auch in
Patchwork-Familien können gravierende Probleme auftauchen, wenn es notwendig
wird, die Bedürfnisse von verschiedenen Persönlichkeiten in einen Konsens zu führen.
Der von Beck beschriebene Individualisierungsschub hat ,,massive Auswirkungen auf
den Binnenraum der Beziehungen. Das Aufeinandertreffen selbstentworfener
Biographien erhöht die gegenseitigen Erwartungen und Anforderungen, macht
Verständigungs- und Aushandlungsprozesse wichtiger und lässt auch Konflikte
wahrscheinlicher werden" (dies., S. 196). Auf der anderen Seite können Patchwork-
Familien oder homosexuelle Lebensformen mit Kindern auch als große Chance gesehen
werden. Hier ist es möglich, Kindern Tugenden zu vermitteln, die in typischen

24
Kleinfamilien eher hintergründig sind, zum Beispiel Teamfähigkeit, Toleranzverhalten,
Kommunikationsfähigkeiten oder Durchsetzungsvermögen.
4.)
Bei der oben beschriebenen Modernisierung der Gesellschaft wurde ebenso der
Aspekt der Bildungsexpansion angesprochen. Hiernach ist in den letzten Jahrzehnten
eine Entwicklung zu höherer (Schul-) Ausbildung zu erkennen. Die heutige
Abhängigkeit vom Arbeitsmarkt lässt oft keinen anderen Weg als einer qualifizierten
Ausbildung zu. Demnach ist die Zahl derer, die eine höhere Schulausbildung (Abitur)
absolvieren enorm gestiegen. Auch die Anzahl von Studierenden erhöht sich: Während
es 1975 noch 836 002 Studierende in Deutschland gab, waren es 2005 schon 1 985 765
Studierende, somit also mehr als das Doppelte (vgl. statistisches Bundesamt 2006).
Doch was bedeutet ein längerer Bildungsweg der Kinder für die Familien und für die
eigene Lebensplanung? Zunächst einmal zieht die Tatsache eines längeren
Bildungsweges einen verlängerten Aufenthalt der Kinder in der Familie nach sich. So
reicht die räumliche, häufig auch die finanzielle Abhängigkeit der Kinder von ihren
Eltern mitunter bis in das dritte Lebensjahrzehnt, womit andere Verantwortungen als
Art Gegenleistungen verbunden sind, welche nicht selten zu Problemen und
Auseinandersetzungen in der Eltern-Kind-Beziehung führen. Allerdings kann der
längere Aufenthalt der Kinder im Elternhaus ebenso eine Bereicherung für beide
Parteien darstellen: Die Möglichkeit der gegenseitigen, permanent verfügbaren
Unterstützung, Beratung, Hilfe und Zuwendung ist offensichtlich. Andererseits
verschiebt sich die eigene Familienplanung der Kinder durch die verlängerte
Ausbildung weit nach hinten. Während 1960 das Durchschnittsalter der Frau zum
Zeitpunkt der Geburt ihres ersten Kindes bei 23 lag, war es 2000 bereits auf 26,5 Jahre
angestiegen (vgl. BMFSFJ 2004, S. 21). Es gibt zahlreiche Debatten, die sich mit dem
Thema einer frühern beziehungsweise einer späten Familiengründung beschäftigen.
Eine späte Elternschaft kann auf eine gute Basis schließen lassen, durch eine finanzielle
Absicherung oder durch die Lebenserfahrung der Eltern. Auf der anderen Seite kann
auch eine junge Mutterrolle positive Aspekte für die Eltern-Kind-Beziehung sowie für
die Entwicklung des Kindes mit sich bringen, wie zum Beispiel der geringe
Altersunterschied zwischen Kind und Mutter, welcher die Mutter näher an den
kindlichen Bedürfnissen erscheinen lässt.
5.)
Im Kapitel 2. 2. 1. 1. wurde die zunehmende geographische Mobilität der
Menschen als ein Prozess der Modernisierung beschrieben. Vor allem durch die
Dynamik der Arbeitsmarktentwicklung und der Bildungsexpansion stehen heute

25
zunehmend mehr Menschen vor der erzwungenen Freiheit, den Heimatort zu verlassen
und in weit entfernte Gegenden einer Ausbildung oder einer Erwerbsarbeit
nachzugehen. Für Familien zieht dies ein Auseinanderreißen des gewohnten und
vertrauten familiären Rahmes nach sich. Erwachsene Kinder, aber auch Eltern selbst
verlassen die Geburtsstadt, um woanders ihrer Abhängigkeit vom Arbeitsmarkt
nachzugehen. Der Rest der Familien bleibt zu Hause. Große Anpassungsleistungen sind
von den Familien gefordert, sei es, sich in der neuen Stadt an die neue Erwerbsarbeit
und an die neuen Mitmenschen zu gewöhnen oder sich mit dem veränderten
Familienleben mit dem fehlenden Mitglied zu organisieren. Je nachdem, wie die
Familienmitglieder es schaffen, sich anzupassen und sich mit den veränderten
Konstellationen zu arrangieren, kann die geographische Distanz als Chance für das neue
Familienleben empfunden werden oder aber als Belastung.
Das heutige Familienleben hält, wie gesehen, eine Vielzahl von Chancen und
Möglichkeiten bereit, verbirgt aber ebenfalls zunehmend mehr Risiken. Die Eltern sind
gezwungen, immer wieder neue Entscheidungen zu fällen, wie sie ihr Leben gestalten
möchten. Da vor allem vorpubertäre Kinder noch nicht ausreichend in der Lage sind, für
sich verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen, sind sie abhängig von der Wahl
der Eltern. Das heißt, Erwaschene, die zugleich Eltern sind, haben eine viel größere
Verantwortung, wenn sie sich für individuelle Lebenswege entscheiden müssen, da
auch die Kinder sich dieser Entscheidung anpassen müssen und mit deren Folgen zu
leben haben.
Ob unter diesem Aspekt die Kindererziehung in der heutigen Gesellschaft als weitaus
problematischer angesehen wird und wie groß der Bedarf der Eltern nach Unterstützung
und Hilfe in Erziehungsfragen ist, werde ich im Folgenden versuchen zu klären.
2. 3. Erziehungsunsicherheiten heutiger Eltern
Wie gerade gezeigt, hat sich das Familienleben durch Modernisierung und
Individualisierung erheblich geändert. Es existieren kaum mehr Traditionen und
Sicherheiten, welche die Zugehörigkeiten zu gesellschaftliche Milieus boten. Eltern sind
im Alltag immer wieder gezwungen, eine Auswahl aus dem großen Pool der
Möglichkeiten zu treffen. Dabei können sie sich nicht an bestimmte Richtlinien für eine

26
Normalbiographie orientieren, sondern entscheiden meist allein oder unter
Hinzuziehung von Ratschlägen über ihre individuellen Schicksale. Das Risiko,
Fehlentscheidungen zu treffen, die sich nicht nur auf die Eltern auswirken, sondern auch
auf die Kinder, ist dementsprechend heute viel höher als noch vor 50 Jahren. Die
Verantwortung für die familiäre Lebensgestaltung, sei diese nun geglückt oder
misslungen, liegt zumeist bei den Individuen, also in Familien bei den Eltern.
Aus Angst, durch Fehlentscheidungen zu scheitern und damit auch die Verantwortung
für misslungene Lebenswege anderer Individuen zu tragen, also die der Kinder, sind in
der heutigen Gesellschaft zunehmend mehr Eltern nicht nur unsicher bei
Entscheidungsfindungen, sondern vor allem in ihrer Erziehungs- und
Beziehungskompetenz. In einer ifb-Elternbefragung von 2002 gab ein Großteil der
befragten Eltern an, manchmal oder häufig Unsicherheiten in Erziehungsfragen zu
haben (siehe Abbildung 5). ,,Nur wenige Eltern (13 %) geben an, dass sie nie unsicher
seien und dass sie bei der Erziehung ihrer Kinder stets alles ganz genau wüssten" (Wahl
/ Hees 2006, S. 47). Diese Eltern begründeten ihre stabile Sicherheit vorwiegend ,,mit
einer beruflichen Ausbildung im pädagogischen Bereich oder mit einer intensiven
Auseinandersetzung mit Erziehungsfragen" (ders., S. 48).
Abb. 5: Erziehungsunsicherheiten 2002 (entnommen aus: Wahl / Hees 2006, S. 47).
Verstärkt werden diese Erziehungsunsicherheiten durch die elterliche ,,Ängstlichkeit
gegenüber den Reaktionen der Umwelt" (Bergmann 2005, S. 42). Gerade diese
Unsicherheiten, welche sich in inkonsequentem Handeln, Orientierungslosigkeit und
unklaren Zielvorstellungen wiederspiegeln, scheinen der Hauptgrund für heutige
Erziehungsprobleme in Familien zu sein.

27
Auch der dänische Familientherapeut Jesper Juul bemerkt in seinem Buch ,,Was
Familien trägt", dass ,,diese Unsicherheit für das Verhalten von immer mehr Eltern
charakteristisch" (Juul 2006, S. 15) geworden ist. Er beschreibt, dass solche
Unsicherheiten aufgrund von einer fehlenden Prinzipien- und Wertebasis der Eltern
entstehen. Im Zuges des Gesellschaftswandels sind gesellschaftliche Milieus aufgelöst
und damit auch traditionelle Wertvorstellungen verschwunden. So können ,,wir nicht
mehr auf brauchbare Rollenmodelle zurückgreifen" (ders., S. 7). Eltern müssen in der
heutigen Zeit ihr individuelles Werte- und Normsystem aufbauen, damit sie eine
Grundlage für ihr Handeln und Denken im Leben haben. Diese Grundlage schafft vor
allem bei Familien Sicherheit und Geborgenheit, aber sie ermöglicht es den Eltern auch,
eine individuelle, authentische, feste Autorität aufzubauen, die Voraussetzung ist für
eine liebevolle, gewinnbringende Beziehung zu den Kindern. Diese hat nichts mit der
oben beschriebenen autoritären Erziehung der 50er Jahre zu tun, sondern zeichnet sich
aus durch Verlässlichkeit und Dauerhaftigkeit, ,,fördert die Bindung zwischen Eltern
und Kindern und gewährt dem Nachwuchs Schutz" (Bergmann 2005, S. 34). Doch
genau diese Werte- und Normbasis fehlt vielen heutigen Eltern. Sie leben
orientierungslos mit fehlenden ,,Überzeugungen von dem, was Wert hat, was
anzustreben und was abzulehnen, was höher und was niedriger zu bewerten, was
vorzuziehen und was zurückzustellen ist" (Brezinka 1993, S. 12). Da jede Erziehung
Einstellungen und Entscheidungen über Ziele, Ideale, Mittel, Wege und Methoden
voraussetzt, führt die elterliche ,,Unsicherheit beim Werten (...) auch zur Unsicherheit
beim Erziehen" (ebd.).
Die ifb-Elternbefragung aus dem Jahr 2002 konnte weiterhin klare Aussagen zu den
Themenbereichen treffen, in welchen sich Eltern unsicher fühlen und zu denen sie sich
Hilfe und Unterstützung wünschen. Dabei stehen schulische oder berufliche Probleme
der Kinder an erster Stelle mit 46,1 %, gefolgt von Fragen zu kindliche
Entwicklungsphasen mit 25,1 %. Auch fühlen sich Eltern in den Bereichen der
Gesundheit und Ernährung sowie allgemein in Erziehungsfragen gelegentlich unsicher
(20,2 % und 17,4%). Ebenso wünschen sich Eltern Unterstützung bei Problemen mit
Drogen, Gewalt und Medien (11,7 %, 7,6 % und 7,2 %). Allerdings treten diese
Themenbereiche im Vergleich zu den erstgenannten weitaus seltener auf (vgl. Wahl /
Hees 2006, S. 48).

28
Demnach kann man durchaus feststellen, dass in der heutigen Gesellschaft mehr
Unsicherheiten bei Eltern in Erziehungs- und Beziehungsfragen existieren als noch vor
50 Jahren. Die Kindheit und die Elternschaft an sich haben sich nicht verändert, jedoch
ist der Rahmen, in dem sie leben und aufwachsen ein anderer geworden: Er hat sich sehr
vergrößert, weist mehr Verzweigungen auf, die man als mögliche Lebenswege nutzen
kann, zeigt aber auch ganz deutliche Risse und Löcher, durch die Individuen und
Familien fallen können.
2. 4. Der Weg von Alltagsunterstützung zur professionellen
Erziehungshilfe
Gerade durch diese großen Verzweigungen im Lebenslauf und dem immer größer
werdenden Pool an Auswahlmöglichkeiten, sind Eltern gezwungen, sich Unterstützung
und Hilfe, zumindest aber Ratschläge und Meinungen einzuholen ­ und dies vermehrter
als in den 50er Jahren. Adressaten für Erziehungsfragen sind nicht nur Bekannte und
Verwandte, meist mit eigenen Kindern, sondern auch Kinderärzte, Lehrer, Erzieher und
natürlich die große Flut der Erziehungsratgeber. Sucht man bei www.amazon.de nach
dem Stichwort ,,Erziehungsratgeber" erhält man 1441 Einträge. Darunter zum Beispiel
,,Coaching für Eltern" (Tsirigotis / Schlippe / Schweitzer­Rothars 2006), ,,So schläft
mein Kind die ganze Nacht" (Brazelton / Sparrow 2004) oder ,,Das Erziehungs-ABC"
(Stamer­Brandt / Murphy­Witt 2006). Allerdings können sich die Unsicherheiten der
Eltern durch diese Art der Wissensrecherche und Hilfesuche noch vergrößern. Jeder
Ratgeber, jeder Kinderarzt und jede Mutti hat eine andere Haltung zu bestimmten
Erziehungsthemen: Der Eine hält den Nuckel für vollkommen überflüssig, da sich
dadurch eine unerwünschte Angewöhnung entwickelt und anatomische Fehlstellungen
entstehen können; der Andere benutzt den Nuckel als einzig wahres Beruhigungsmittel,
welches dem Kind Sicherheit, Zuverlässigkeit und auch Geborgenheit gibt. Unsichere
Eltern, die auf keine sichere Autorität und damit auch auf keine standhafte
Werteorientierung bauen können, werden durch die unterschiedlichen Meinungen und
Tipps noch unsicherer, inkonsequenter und labiler. Nach welchem Ratschlag soll man
sich auch richten, wenn man selbst nicht unterscheiden kann, was gut ist und was
schlecht ist und was für einen selbst von großer Bedeutung ist?

29
Der Schritt zur professionellen Beratung oder Unterstützung in Erziehungs- und
Beziehungsfragen ist dennoch enorm und scheint oft kaum überwindbar. Bevor sich
Eltern überhaupt entschließen, eine professionelle soziale Einrichtung aufzusuchen, sind
sie lange Wege der verzweifelten Suche nach Sicherheit, nach klaren Regeln und
einschlägigen Richtlinien gegangen ­ erfolglos. Die professionellen
Unterstützungsmöglichkeiten werden von Eltern meist erst dann nachgefragt, ,,wenn es
um Probleme geht, die von den Eltern als schwerwiegend empfunden werden" (Wahl /
Hees 2006, S. 50) und nicht durch individuelle Bewältigungsversuche ­ ,,wie
Bagatellisieren der Probleme, Aushalten und auf spontane Besserung hoffen, Rückgriff
auf Hilfen aus dem sozialen Netzwerk" (ders., S. 64) - gelöst werden können. Damit
Schwellenängste der Eltern vermieden werden und eine Vertrauensbasis aufgebaut
werden kann, müssen professionelle Angebote niedrigschwellig und bedarfsorientiert
sein.
Um Eltern und auch Kinder und Jugendliche professionell in Erziehungs- und
Beziehungsfragen zu beraten und zu unterstützen, hält das KJHG eine Reihe von
Möglichkeiten bereit. Dort sind im vierten Abschnitt in den §§ 27 bis 35 die so
genannten Hilfen zur Erziehung gesetzlich geregelt. Jeder Bürger in Deutschland hat
das Recht, diese Hilfen in Anspruch zu nehmen, wenn diese dem Wohl des Kindes
beziehungsweise der Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen dienlich und
geeignet sind. Initiiert, verwaltet und teilweise auch geleistet werden die
Erziehungshilfen vom
Jugendamt
. Als Ausführungsorgan steht die
Jugendhilfe
zur
Verfügung.
Unterschieden wird zwischen ambulanten Hilfen und stationären Hilfen zur Erziehung.
Zu den ambulanten Hilfen zählen die Erziehungsberatung für Familien, Eltern, Kinder
und Jugendliche, die soziale Gruppenarbeit für Jugendliche, der Erziehungsbeistand für
Kinder und Jugendliche sowie die sozialpädagogische Familienhilfe. Die Erziehung in
einer Tagesgruppe wird als teilstationär bezeichnet. Unter die stationären Hilfen fallen
die Vollzeitpflege, die Heimerziehung und die intensive sozialpädagogische
Einzelbetreuung (vgl. KJHG).
Alle Hilfen zur Erziehung, mit Ausnahme der Erziehungsberatung, müssen durch einen
Antrag der Beteiligten oder von involvierten Fachkräften beim
Jugendamt
genehmigt

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werden. Zur vorherigen aber auch zur zwischenzeitlichen Überprüfung des Nutzens der
jeweiligen Erziehungshilfe dient das
Hilfeplanverfahren
. Bei Bedarf können die
einzelnen Hilfen auch kombiniert werden.
Das Konzept der Super Nanny ist nicht staatlich geregelt und stellt somit auch keinen
Rechtsanspruch dar. Es wird durch einen privaten Fernsehsender angeboten und stellt
damit eine ebenso neuartige wie auch zeitgemäße Form dar, um mit Familien zu
arbeiten. Jedoch kann man eine grobe Einordnung zu den Hilfen zur Erziehung
durchaus vornehmen. Wie es sich zeigen wird, arbeitet die Super Nanny Katharina
Saalfrank ganz klar im ambulanten Bereich der Erziehungshilfen, da sie die Familien
aufsucht und diese in keiner Einrichtung für längere Zeit verbleiben. Das Super-Nanny­
Konzept ist einzuordnen zwischen Erziehungsberatung und Sozialpädagogischer
Familienhilfe, da sie sowohl die Eltern, die Kinder und auch die Jugendlichen in
Angelegenheiten rund um die Familie berät und unterstützend zur Seite steht
(Erziehungsberatung) sowie auf der anderen Seite in die Familie direkt hineingeht und
eine allumfassende Unterstützung und Hilfe für den Familienalltag darstellen möchte,
wie es die Sozialpädagogische Familienhilfe vorsieht. In bestimmten Fällen lassen sich
auch Elemente anderer Erziehungshilfen, wie zum Beispiel der sozialen Gruppenarbeit
erkennen.
2. 5. Bedarf an professioneller Erziehungshilfe
Allein aus den gerade aufgestellten Überlegungen (siehe Kapitel 2. 3.) bezüglich einer
größeren Erziehungsunsicherheit bei heutigen Eltern, muss sich parallel ein gestiegener
Bedarf an Hilfe und Unterstützung ergeben. Wer dadurch verunsichert ist, dass ihm
keine klaren Modelle und Richtlinien zur Verfügung stehen, wie noch vor 50 Jahren, ist
zwangsweise dauerhaft auf der Suche nach Vorgaben und Regeln oder Bestätigungen
für das eigene Handeln.
Da die professionellen Erziehungshilfen, aber auch die Alltagshilfen wie
Ratgeberbücher oder Ratschläge aus dem sozialen Umfeld, Unterstützung und
Begleitung in schwierigen Familiensituationen versprechen, erhoffen sich die Eltern,
hier zu eindeutigen Vorgaben von Werten und Normen und somit zu mehr Sicherheit in

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836617048
DOI
10.3239/9783836617048
Dateigröße
955 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Bielefeld – Pädagogik, Studiengang Erziehungswissenschaften
Erscheinungsdatum
2008 (August)
Note
1,3
Schlagworte
super nanny hilfen erziehung erziehungshilfen soziale arbeit
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Titel: Eltern sein - wie geht das?
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