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Mangelnde Ausbildungsreife Jugendlicher beim Übergang von der allgemein bildenden Schule in das duale System der Berufsausbildung und die Bedeutung für die Praxis der Berufsberatung

©2007 Diplomarbeit 75 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Der idealtypische Ablauf Schule – Berufsausbildung – Erwerbstätigkeit hat in den vergangen Jahren stark an Gewicht verloren.
Einer wachsenden Anzahl von Jugendlichen gelingt der direkte Übergang von der allgemein bildenden Schule in eine Berufsausbildung aufgrund mangelnder Ausbildungsreife und fehlender Ausbildungsplätze nicht. Die steigenden Zahlen führen dazu, dass mangelnde Ausbildungsreife ein in der Öffentlichkeit vielfach diskutiertes Thema ist. Dies zeigt sich unter anderem an Titeln aus der Tagespresse wie „Jeder fünfte Schulabgänger gilt als nicht ausbildungsreif“ und „Auszubildenden fehlt oft die Reife“.
Beim Lesen dieser Schlagzeilen entsteht der Eindruck, dass zahlreiche Medien die Sichtweise der Arbeitgeber und deren Vertreter teilen, die seit Jahren über die gesunkene Ausbildungsreife von Schulabgängern klagen. In Literaturquellen, die der Sichtweise der Arbeitgeber nahestehen, wird dabei vom „Verfall“ der Jugend gesprochen.
Forderungen und Kritik richten sich dabei auch an die Berufsberatung der BA. Ihr wird vorgeworfen, Ausbildungsreife und Eignung der Bewerber zu großzügig zu bewerten und die Anforderungen der Betriebe zu wenig zu berücksichtigen.
Die Berufsberatung als eine der Mittlerin im Übergang von der allgemein bildenden Schule in die duale Ausbildung, hat vom Gesetzgeber den Auftrag, im Rahmen der Ausbildungsvermittlung eine Eignungsfeststellung durchzuführen. Bei der Eignungsfeststellung wird sowohl die Ausbildungsreife, als auch die Berufseignung festgestellt. Ist dies geklärt so wird dem Jugendlichen die „Bewerbereigenschaft“ zuerkannt und der Vermittlungsprozess beginnt.
Liegt mangelnde Ausbildungsreife vor, erarbeitet der Berater mit dem Ratsuchenden zusammen mögliche Wege zur Erreichung eines Ausbildungsplatzes. Hier spielt die Berufs(ausbildungs)vorbereitung eine wichtige Rolle. Jugendliche sollen nachqualifiziert und auf eine duale Ausbildung vorbereitet werden. Kann durch die Berufsausbildungsvorbereitung die Ausbildungsreife nicht erreicht werden oder ist von Anfang an klar, dass Ausbildungsreife nicht erreichbar ist, so bleibt oft nur noch der Weg in eine ungelernte Tätigkeit oder in die Arbeitslosigkeit.
Als Methode der vorliegenden Arbeit wurde eine Literaturarbeit gewählt. Diese beschäftigt sich zunächst mit dem Übergang von der allgemein bildenden Schule in die duale Berufsausbildung und der aktuellen Situation auf dem Lehrstellenmarkt. Des Weiteren wird auf die inhaltliche […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1.1 Mangelnde Ausbildungsreife aus Sicht der Wirtschaft

Die Wirtschaft sieht einen erheblichen Handlungsbedarf bei der Verbesserung der Ausbildungsreife. Nur durch die entsprechende Reife kann eine Ausbildung erfolgreich bewältigt werden. Ihre Argumentation zur gesunkenen Ausbildungsreife untermauert die Wirtschaft mit Resultaten aus Einstellungstests einzelner Unternehmer (vgl. Kapitel 3.3.1.1), Ergebnissen aus Schulleistungstests (vgl. Kapitel 3.3.1.2), aus Unternehmensbefragungen (vgl. Kapitel 3.3.1.3) und Ergebnissen des Psychologischen Dienstes der Agentur für Arbeit (vgl. Kapitel 3.3.1.4). Aufgrund mangelnder Berufsausbildungsreife von Bewerbern bleiben Lehrstellen unbesetzt, zahlreiche Ausbildungsplätze gehen verloren und die Ausbildungsbereitschaft von Betrieben sinkt. Zusätzlich steigen die beruflichen Anforderungen, so dass Jugendliche ohne Berufsausbildung nur geringe Chancen auf dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt haben (vgl. Kuratorium der Deutschen Wirtschaft, 2005, S. 1-4).

Das folgende Kapitel gibt einen Überblick über die Quellen, die Vertreter der Wirtschaft heranziehen, um ihre These der gesunkenen Ausbildungsreife zu untermauern. Exemplarisch werden in der Fachliteratur häufig genannte Quellen vorgestellt.

1.1.1 Studien und Unternehmensbefragung

Seit Jahren erfassen Unternehmen in Deutschland das Ausbildungsniveau ihrer Ausbildungsstellenbewerber. Diese Zahlen werden herangezogen, um die These der gesunkenen Ausbildungsreife zu untermauern. Ein häufig zitiertes Beispiel ist dabei die Eignungsuntersuchung des Psychologischen Dienstes des Unternehmens BASF (vgl. Kiepe 2002, S. 73-74).

1.1.1.1 Langzeitstudie der BASF AG bei Ausbildungsplatzbewerbern

Die BASF AG führt seit geraumer Zeit Eignungsuntersuchungen mit Ausbildungsbewerbern durch. Dabei werden u. a. schulische Kenntnisse in Rechtschreibung und elementarem Rechnen erfasst. Das Verfahren kommt seit nahezu 25 Jahren unverändert zum Einsatz. Daher beschloss die BASF eine Langzeitbetrachtung durchzuführen, mit den auf den jeweiligen Jahrgang bezogenen durchschnittlichen Ergebnissen. Die Stichproben beschränken sich auf Bewerber, die über einen klassischen Haupt- oder Realschulabschluss verfügen. Zusätzlich haben alle Bewerber die gesamte Schulzeit an einer deutschen Schule absolviert. Die Stichproben pro Jahrgang beinhalten mindestens 300 Testteilnehmer je Schulart, so dass sie als repräsentativ für den jeweiligen Jahrgang angesehen werden können.

Die Ergebnisse der Langzeitbetrachtungen zeigen über die Jahre hinweg einen kontinuierlichen Abwärtstrend. Um diesen Trend zu veranschaulichen soll im Folgenden der Anteil der richtig gelösten Aufgaben in Zahlen dargestellt werden (vgl. BASF AG, 2006, S. 1-4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Richtig gelöste Aufgaben in der Eignungsuntersuchung der BASF AG

Als Interpretation wurden von der BASF AG folgende Thesen aufgestellt:

- „Bezüglich der Rechenkenntnisse ist die Nutzung von Taschenrechnern zwar eine praktische Angelegenheit, die Regelkenntnisse, die ja alle einmal erworben haben, gehen aber mangels Anwendung verloren. Ebenso scheint es sich mit dem Transfervermögen zwischen dem beim elementaren Rechnen doch noch recht überschaubaren Zahlenraum und der konkreten Anwendung im Alltag zu verhalten.
- Die deutsche Sprache zählt ja doch zu den schwierigeren, weshalb unter lernpsychologischen Gesichtspunkten eine multimodale Methode des Erwerbs den größten Erfolg verspricht. Tatsächlich dürfte aber sowohl die Sprachaktivität durch vorwiegend konsumatorische Haltungen als auch die Leseaktivität durch audio-visuelle Medien stark vernachlässigt sein. Zudem scheinen Sorgfalt und Akribie, wie sie beim Erstellen und Gestalten von Texten ja durchaus notwendig sind, in unserer Zeit in den Hintergrund getreten zu sein“ (BASF AG, 2006, S. 3).

1.1.1.2 PISA

PISA (Programme for International Student Assessment) ist eine Studie, die im Auftrag der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) durchgeführt wird. Ziel der PISA-Studie ist eine auf Dauer angelegte Beobachtung von Bildungssystemen von 41 Staaten (30 OECD-Staaten und 11 Partnerländer) mit einem festen Bestand an Indikatoren, um politisch relevantes Steuerungswissen bereit zu stellen (vgl. PISA 2003, 2006, S. 15). Die Erhebung erfasst die Lesekompetenz, die mathematische und naturwissenschaftliche Grundbildung von 15-jährigen Schülern aller Schulformen. Bei den Untersuchungen wird jeweils ein Schwerpunkt auf einen der drei Kompetenzbereiche gelegt.[1]

Anliegen von PISA ist eine Aussage zu treffen, inwieweit Schüler auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet werden. Neben den drei Bereichen setzt sich die Studie auch mit Bedingungen wie Schulleistungen im Unterricht, Elternhaus und Freundeskreis auseinander, da diese Einfluss auf die Kompetenzen und das Erleben junger Menschen haben (vgl. PISA 2003, 2004, S. 3-4).

Mathematische Grundbildung

Ziel ist es zu beschreiben, inwieweit Schüler ihre mathematische Kompetenz in Richtung schulische Kompetenz entwickeln und wie sich die breiter gefasste mathematische Kompetenz, die auch außerhalb der Schule und danach eine Rolle spielt, weiter ausbildet (vgl. PISA 2003, 2006, S.16).

Im gesamten Leistungsspektrum liegt Deutschland im Mittelfeld. Trotzdem konnten 9,2 Prozent der Schüler aus Deutschland die erste Kompetenzstufe[2] nicht erreichen. Zusammen mit den Schülern der ersten Kompetenzstufe umfasst die so genannte Risikogruppe 21,6 Prozent der Fünfzehnjährigen aus Deutschland (vgl. PISA 2003, 2004, S. 1-2).

Lesekompetenz

Die Lesekompetenz soll zeigen, inwieweit Fünfzehnjährige aus Texten Informationen entnehmen, diese verstehen, interpretieren und bewerten können. Hier lag Deutschland unter dem Mittelwert. Auf bzw. unter der ersten Kompetenzstufe sind 22,3 Prozent der deutschen Schüler. Im Vergleich zu PISA 2000 waren die Ergebnisse 2003 jedoch besser.

Naturwissenschaftliche Kompetenz

Bei dieser Kompetenz geht es sowohl um das Erfassen und Verstehen von naturwissenschaftlichen Konzepten, als auch um die Anwendung dieses Wissens. Das PISA Konsortium[3] konnte bei dieser Kompetenz eine deutliche Verbesserung erkennen. Während Deutschland 2000 noch unter dem Mittelwert lag, konnte 2003 der Mittelwert überschritten werden. Für diesen Bereich sind bisher keine Kompetenzstufen ausgewiesen worden.

Problemlösekompetenz

PISA 2003 untersuchte zusätzlich die Fähigkeit, Probleme zu lösen. Dieser Bereich wurde ergänzt um Erhebungen zu Lernstrategien, Lernmotivation und zur Vertrautheit mit Informationstechnologien. Hier schnitten deutsche Schüler signifikant über dem OECD Mittelwert ab. Es wurden insgesamt nur drei Kompetenzstufen unterschieden. In der ersten Stufe beträgt der Anteil der Schüler aus Deutschland 14,1 Prozent und in der höchsten Stufe liegt er bei 21,8 Prozent.

Die Befunde aus 2000 sind im Vergleich zu 2003 in keiner Weise schlechter geworden. Vielmehr zeigt sich, dass eine Veränderung in Gang gekommen ist, die sich in einer Kompetenzverbesserung niedergeschlagen hat. Doch ist die Streuung der Kompetenzwerte nach wie vor in allen Bereichen hoch. Insbesondere im Hauptschulbereich sind die Zuwächse von Kompetenzen gering und statistisch nicht signifikant. Die Anteile der Schüler auf und unter der ersten Kompetenzstufe sind im Hinblick auf ihre individuellen und gesellschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten in allen Bereichen zu hoch. Aus diesem Grund zeigen die Ergebnisse einen unveränderten Bedarf an Konzepten, Maßnahmen und zusätzlichen Anstrengungen, um die große Streuung der Leistungen zu reduzieren. Damit junge Menschen unabhängig vom Geschlecht und der sozialen Herkunft gerechte Entwicklungsmöglichkeiten bekommen, sollten alle Schüler individuell gefördert werden (vgl. PISA 2003, 2004, S. 1-5).

Durch die Veröffentlichung der PISA Ergebnisse haben die Mahnungen aus der Wirtschaft eine neue Bedeutung erlangt. Die Industrie- und Handelskammern haben dies zum Anlass genommen, eine Betriebsbefragung durchzuführen. Hier die Ergebnisse:

1.1.1.3 Ergebnisse aus Unternehmensbefragungen des Deutschen Industrie- und Handelskammertags

An dieser 2002 durchgeführten Befragung beteiligten sich 8.432 Ausbildungsbetriebe im IHK-Bereich aller Größenklassen (2 bis 80.000 Mitarbeiter, 1 bis 2.500 Auszubildende). Davon geben 1.506 Betriebe (17,8 %) an, dass sie wenigstens einen Ausbildungsplatz aufgrund eines Mangels an geeigneten Bewerbern nicht besetzen. Bei den befragten Betrieben blieben aus diesem Grund insgesamt 1.940 Lehrstellen unbesetzt.

Von den rund 8.500 Betrieben besetzen 3.173 (37,4 %) einen Ausbildungsplatz grundsätzlich nicht, wenn sie keinen geeigneten Bewerber finden. 1.592 Betriebe (18,8 %) sind bereit die Anforderungen bei der Auswahl der Bewerber zu senken. 1.018 Betriebe (12,0 %) stellen eher eine ausgebildete Fachkraft ein, als einen nicht motivierten und nicht ausreichend qualifizierten Schulabgänger.

42 Prozent der Betriebe geben an, dass die Suche nach geeigneten Auszubildenden zunehmend aufwändiger und kostenintensiver wird. Betriebe suchen daher einen engeren Kontakt zu Schulen, bieten mehr Praktika (22,3 %) an und sind verstärkt auf Messen (9,8 %) vertreten. Zusätzlich suchen Betriebe eine engere Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit (32 %) und schalten mehr Anzeigen in den Medien oder im Internet (23,5 %) (vgl. DIHK, 2002, S. 3-6).

Auch eine neuere Umfrage, die im Frühjahr 2005 ebenfalls vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) durchgeführt wurde, zeigt kein anderes Bild. Von den 7.534 befragten Unternehmen gaben 12 Prozent an, noch Ausbildungsplätze nicht besetzt zu haben. Potentiale in Form möglicher Ausbildungsstellen wurden nicht genutzt. Auf die Gründe für die Nichtbesetzung angesprochen, äußerten 71 Prozent, dass keine geeigneten Bewerbungen vorlagen. Dies könnte auf die Bedeutung der Ausbildungsfähigkeit für die Besetzung offener Ausbildungsstellen hinweisen. In 8 Prozent der Nichtbesetzung der Stellen lagen überhaupt keine Bewerbungen vor (vgl. Lambertz, 2005, S. 3-6). Jedes zweite der befragten Unternehmen kritisierte, dass die Qualität der Bewerber zu wünschen übrig lasse und sieht als Ursachen die mangelnde Ausbildungsreife der Schulabgänger (vgl. Furkel, 2006, S.16-17).

[...]


[1] Im 1. Zyklus 2000 wurde der Schwerpunkt der Lesekompetenz erhoben. 2003 wurde schwerpunktmäßig die mathematische Grundbildung und 2006 die naturwissenschaftliche Grundbildung erfasst.

[2] PISA unterscheidet sechs Kompetenzstufen. Schüler, die die erste Stufe erreichen oder sogar unter der ersten Stufe liegen, verfügen nicht einmal über die grundlegenden Kenntnisse. Bei Stufe 2 verfügt der Schüler über ausreichende Kenntnisse. Erreicht der Schüler Stufe 3-5, hat er befriedigende bis gute Kenntnisse und Stufe 6 werden sehr gute Kenntnisse zugeordnet.

[3] Die Nationale Projektleitung für Deutschland liegt beim Leibniz-Institut für Pädagogik der Naturwissenschaften (IPN) in Kiel.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836616812
DOI
10.3239/9783836616812
Dateigröße
906 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung - Fachbereich Arbeitsverwaltung und Bundeswehrverwaltung Mannheim – Arbeitsverwaltung, Beraterstudiengang
Erscheinungsdatum
2008 (August)
Note
1,0
Schlagworte
ausbildungsreife berufsausbildungsvorbereitung berufsvorbereitung berufsberatung ausbildungsfähigkeit
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