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Untersuchung zur nachhaltigen Nutzung nachwachsender Rohstoffe

Globale Flächenbelegung Deutschlands für Produktion und Konsum tierischer Nahrungsmittel

©2008 Diplomarbeit 98 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Energiehunger – Treibhaus – Katastrophe – Revolution – Fieberkurve – Runderneuerung – epochale Herausforderung – Wegscheide – Grenzen des Wachstums – Verfall des Wohlstands – Öko-Katastrophen – Vernichtungsschlag gegen Klima und Atemluft – Wohlstandssause – Klimaapokalypse – dies sind Schlagwörter, zitiert aus dem Eröffnungsbeitrag zur globalen Erwärmung der Spiegel–Spezialausgabe zu neuen Energien, erschienen Anfang 2007. Wörter wie Katastrophe, Vernichtung, Verfall oder Revolution scheinen dramatisierend. Doch Jahrzehnte alte Warnungen von Umweltaktivisten haben an ihrer Dramatik nichts verloren. Im Gegenteil.
Der aktuelle Bericht des jüngst mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichneten Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) hält eine globale Erwärmung von bis zu 6,4 °C für möglich. Dies würde laut IPCC zu langanhaltenden Veränderungen der globalen Klimaprozesse führen. Sir Nicolas STERN, ehemaliger Chefvolkswirt der Weltbank und jetzt Chefökonom der britischen Regierung, versucht sich auf einer anderen Ebene an einer finanziellen Quantifizierung der Auswirkungen des Klimawandels. In der umfassenden Veröffentlichung Stern–Review: The Economics of Climate Change wird neben den Betrachtungen der Auswirkungen des Klimawandels auf soziale Komponenten wie Ernährung oder Kindersterblichkeit auch die Einwirkung auf die Ökonomien der Entwicklungsländer sowie der Weltwirtschaft abgeschätzt.
Entsprechend den Business-as-usual Szenarien gehen in Folge der Auswirkungen der Erwärmung global fünf bis 20 % der Konsumkraft verloren. Letzteres entspräche 5,5 Billionen Euro. Der Schaden wäre vergleichbar mit der Wirtschaftsdepression der 1930iger Jahre. Die Vielschichtigkeit der Folgen des Klimawandels ist einem Resüme des Berichts zu entnehmen: A warmer world with a more intense water cycle and rising sea levels will influence many key determinants of wealth and wellbeing, including water supply, food production, human health, availability of land, and the enviroment. Neben den teils schwer vermittelbaren und teils noch unvorhersehbaren ökologischen Auswirkungen auf den Naturraum auf globaler bis lokaler Ebene und damit auch auf den menschlichen Lebensraum, gilt es als sehr wahrscheinlich, dass es ebenfalls zu weiterreichenden negativen ökonomischen Auswirkungen kommen kann.
Wenn es um die Auswege aus der prekären Situation geht, wird auch der Verbraucher immer wieder herangezogen. Seine Pflicht zu verantwortungsvollem […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Anhangsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Einführung
1.2 Zielvorstellung und Vorgehensweise

2. Flächenbelegung Deutschlands
2.1 Hintergründe
2.2 Landwirtschaftliche Flächenbelegung weltweit und in Deutschland

3. Nachwachsende Rohstoffe für stoffliche und energetische Nutzungen
3.1 Begriffsklärung, Arten und Verwertung nachwachsender Rohstoffe
3.2 Vor- und Nachteile energetischer Nutzung
3.3 Umweltwirkungen und Ökobilanzierungen
3.4 Zielsetzungen und Potenziale

4. Forschungsprojekt „Nachhaltige Flächennutzung und nachwachsende Rohstoffe“
4.1 Vorstellung des Projektes
4.2 Alternative Szenarioelemente

5. Szenarioelemente Nutztierproduktion und tierisch basierter Nahrungsmittelkonsum
5.1 Grundgedanke
5.2 Methodik
5.3 Szenario Nutztierproduktion
5.3.1 Nutztierbestand und Flächenbelegung durch Futtermittel in
5.3.2 Trendfortschreibung bis 2030
5.3.3 Trendprojektion nach GAP-Reform bis 2030
5.4 Szenario Konsum tierisch basierter Nahrungsmittel
5.4.1 Inländischer Konsum – der Einfluss des Selbstversorgungsgrades
5.4.2 Subszenarien zu verschiedenen Ernährungsweisen
5.4.3 Globale Flächenfreisetzung durch verringerten Konsum tierischer Nahrungsmittel
5.4.4 Globale Nettoflächenfreisetzung durch verringerten Konsum tierischer Nahrungsmittel
5.4.5 Trendfortschreibung des Nahrungsmittelkonsums
5.5 Zusammenfassung und Vergleich der Ergebnisse
5.6 Weiterführende Nutzung der freigesetzten Flächen

6. Diskussion der Ergebnisse

7. Literaturverzeichnis

8. Anhang

Tabellenverzeichnis

Tab. 3.1: Anteile erneuerbarer Energien, nachwachsender Rohstoffe und Energiepflanzen am gesamten Endenergieverbrauch in Deutschland

Tab. 3.2: Vorteile und Nachteile der Nutzung nachwachsender Rohstoffe

Tab. 3.3: Energiepotenziale für Biomasse in Deutschland

Tab. 5.1: Flächenbelegung zur Futtermittelbereitstellung für Deutschland

Tab. 5.2: Futtermittelaufkommen nach Herkunft

Tab. 5.3: Tierbestand, Futtermittelbedarf und Flächenbelegung durch Futtermittel

Tab. 5.4: Trendfortschreibung der Tierbestandsentwicklung

Tab. 5.5: Trendentwicklung der globalen Flächenbelegung durch den Futtermittelbedarf

Tab. 5.6: Auswahl Fortschreibung agrarischer Daten der FAL nach dem Modell FARMIS

Tab. 5.7: Projektion der Bestandsentwicklung nach GAP-Reform

Tab. 5.8: Projektion der Futtermittelflächenbelegung nach Tierarten und Futtermitteln

Tab. 5.9: Projektion der globalen Flächenbelegung und –freisetzung

Tab. 5.10: Flächenbelegung der Futtermittel für Nutztiere für den inländischen Konsum tierischer Nahrungsmittel

Tab. 5.11: Spezifischer Flächenbedarf einer Tonne Fleisch

Tab. 5.12: Relative Veränderung des Fleischkonsums bis 2030 in den einzelnen Subszenarien

Tab. 5.13: Futtermittelaufkommen im Konsumszenario nach Tierarten und Futtermittel

Tab. 5.14: Futtermittelflächenbelegung im Konsumszenario nach Tierarten und Futtermittel

Tab. 5.15: Einfluss des Ernährungswandels auf die Flächenfreisetzung beim Futtermittelanbau

Tab. 5.16: Energiegehalte und Verbrauch von tierischen und pflanzlichen Nahrungsmitteln in Deutschland

Tab. 5.17: Entwicklung der Flächenbelegung zur Erzeugung pflanzlicher Nahrungsmittel

Tab. 5.18: Flächenfreisetzung oder -mehrbelegung durch pflanzliche Nahrungsmittel bei Konsumveränderungen – Gesamt im Vergleich mit nur Ernährungswandel

Tab. 5.19: Entwicklung der globalen Flächenbelegung für tierische und pflanzliche Nahrungsmittel bei Konsumänderungen

Tab. 5.20: Brutto- und Nettoflächenfreisetzung in den Konsumszenarien

Tab. 5.21: Trendfortschreibung des Lebensmittelverbrauchs

Tab. 5.22: Zusammenfassung der globalen Flächenbelegung und –freisetzung in den Szenarien

Tab. 5.23: Globale pro-Kopf-Flächenbelegung für Nahrungsmittel

Tab. 5.24: Zusammenfassung der inländischen Flächenbelegung und –freisetzung in den Szenarien

Abbildungsverzeichnis

Abb. 2.1: Entwicklung des Ökologischen Fußabdrucks und der Biokapazität Deutschlands

Abb. 2.2: Globale Pro-Kopf-Flächenbelegung Deutschlands und der EU-15 für den Konsum von Agrargütern im Vergleich zur weltweiten Pro-Kopf- Flächenverfügbarkeit

Abb. 3.1: Überblick über energetische Biomassequellen und Biomassepfade

Abb. 3.2: Entwicklung der Erzeugung erneuerbarer Energien von 1997 bis

Abb.:3.3: Biomasseverwendung nach Nutzungsarten und eingesetzter Primärenergie

Abb. 5.1: Methodik der Szenarioelemente Nutztierproduktion und Konsum

Abb. 5.2: Projektion der Bestandsentwicklung nach GAP-Reform

Abb. 5.3: Verbrauch tierischer Nahrungsmittel

Abb. 5.4: Relative Veränderung der Einflussgrößen im Betrachtungszeitraum

Abb. 5.5: Vergleich der Entwicklungen der Nutztierbestände in den Szenarien

Anhangsverzeichnis

Anhang 1: Futteraufkommen aus Inlandserzeugung

Anhang 2: Futteraufkommen aus Einfuhr

Anhang 3: Futteraufkommen aus Inlandserzeugung und Einfuhren

Anhang 4: Futterverwendung von Futteraufkommen aus Inlandserzeugung und Einfuhren nach Tierarten

Anhang 5: Erträge nach Hauptfruchtkategorien

Anhang 6: Bevölkerungsvorausrechnung bis 2030

Anhang 7: Absolute Veränderung des Fleischkonsums in 2030 in den beiden Subszenarien

Anhang 8: Zunahme der pflanzlichen. Nahrung zur Kompensation abnehmender tierischen Nahrung nach spezifischen Energiegehalten

Anhang 9: Flächenbedarf von pflanzlichen Nahrungsmitteln in 2005

Anhang 10: Aufteilung der Nahrungsmittelversorgung nach Inlandserzeugung und Importen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1 Einführung

„Energiehunger – Treibhaus – Katastrophe – Revolution – Fieberkurve – Runderneuerung – epochale Herausforderung – Wegscheide – Grenzen des Wachstums – Verfall des Wohlstands – Öko-Katastrophen – Vernichtungsschlag gegen Klima und Atemluft – Wohlstandssause – Klimaapokalypse“[1] – dies sind Schlagwörter, zitiert aus dem Eröffnungsbeitrag zur globalen Erwärmung der Spiegel–Spezialausgabe zu neuen Energien, erschienen Anfang 2007. Wörter wie Katastrophe, Vernichtung, Verfall oder Revolution scheinen dramatisierend. Doch Jahrzehnte alte Warnungen von Umweltaktivisten haben an ihrer Dramatik nichts verloren. Im Gegenteil. Der aktuelle Bericht des jüngst mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichneten Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) hält eine globale Erwärmung von bis zu 6,4 °C für möglich. Dies würde laut IPCC zu langanhaltenden Veränderungen der globalen Klimaprozesse führen[2]. Sir Nicolas Stern, ehemaliger Chefvolkswirt der Weltbank und jetzt Chefökonom der britischen Regierung, versucht sich auf einer anderen Ebene an einer finanziellen Quantifizierung der Auswirkungen des Klimawandels. In der umfassenden Veröffentlichung „Stern–Review: The Economics of Climate Change“ wird neben den Betrachtungen der Auswirkungen des Klimawandels auf soziale Komponenten wie Ernährung oder Kindersterblichkeit auch die Einwirkung auf die Ökonomien der Entwicklungsländer sowie der Weltwirtschaft abgeschätzt. Entsprechend den Business-as-usual Szenarien gehen in Folge der Auswirkungen der Erwärmung global fünf bis 20 % der Konsumkraft verloren.[3] Letzteres entspräche 5,5 Billionen Euro. Der Schaden wäre vergleichbar mit der Wirtschaftsdepression der 1930iger Jahre.[4] Die Vielschichtigkeit der Folgen des Klimawandels ist einem Resüme des Berichts zu entnehmen: „A warmer world with a more intense water cycle and rising sea levels will influence many key determinants of wealth and wellbeing, including water supply, food production, human health, availability of land, and the enviroment.”[5]. Neben den teils schwer vermittelbaren und teils noch unvorhersehbaren ökologischen Auswirkungen auf den Naturraum auf globaler bis lokaler Ebene und damit auch auf den menschlichen Lebensraum, gilt es als sehr wahrscheinlich, dass es ebenfalls zu weiterreichenden negativen ökonomischen Auswirkungen kommen kann.

Wenn es um die Auswege aus der prekären Situation geht, wird auch der Verbraucher immer wieder herangezogen. Seine Pflicht zu verantwortungsvollem Handeln und zu einem als notwendig erachteten Wandel in den althergebrachten Konsumweisen hin zu sparsameren, effizienteren, nachhaltigeren Mustern, kann wohl nur vermittelt werden, wenn ihm die Brisanz dieser komplexen und vielschichtigen Dynamik auf verständliche Art näher gebracht wird.

Mit der Verabschiedung des Kyoto-Protokolls im Jahre 1997 hat die Weltgemeinschaft einen ersten großen Schritt getan, um den Hauptverursacher des Klimawandels, den Ausstoß von Treibhausgasen, mittels eines verbindlichen institutionellen Rahmens zu senken.[6] Darüber hinaus sind die nationalen Ziele der Bundesregierung um einiges ehrgeiziger. Ein Eckpfeiler der bundesdeutschen Strategie zur Senkung des Treibhausausstoßes ist die Förderung der erneuerbaren Energien. Deren Anteil an der Primärenergieversorgung soll in 2020 bei zehn Prozent liegen.[7] Der Hoffnungsträger zum Erreichen dieser mittelfristigen Ziele ist die vielseitige energetische Verwendung von Biomasse in den Sektoren Strom, Wärme und Kraftstoffe. Die Anstrengungen von Politik und Wirtschaft verdichteten sich dabei zuletzt insbesondere auf den Kraftstoffsektor. Aufgrund der zahlreichen Interessen bei der Nutzung sogenannter Biokraftstoffe – folgend Agrokraftstoffe genannt – , welche sich nicht nur auf den klimapolitischen Rahmen beschränken, finden sie im englischsprachigen Raum vermehrt die Bezeichnung „Freedom Fuels“.[8]

Doch wo Sonne ist, da gibt es auch Schatten. Die Nutzung von solarer Energie über den Umweg der Speicherung in Biomasse ruft auch negative Effekte hervor, deren Ausprägung und Ausmaß erst seit Kurzem intensiver in Wissenschaft und Presse diskutiert werden. Da es sich bei der Biomassenutzung derzeit zumeist um die Nutzung nachwachsender Rohstoffe aus der Land- und Forstwirtschaft und weniger um biogene Reststoffe handelt, stellt sich zwangsläufig die Frage nach dem wichtigsten Wirtschaftsfaktor: der Fläche.

Landwirtschaftlich nutzbare Fläche scheint zwar in großem Umfang vorhanden, dennoch eröffnen sich zwei Problemstellungen. Zunächst steht dabei die Menge der global verfügbaren Fläche im Vordergrund, die auf langfristige Sicht unter nachhaltigen, umweltschonenden und sozial verträglichen Standards agrarisch genutzt werden kann, ohne eine zu große Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion oder stofflichen Biomassenutzung zu erzeugen. Zum zweiten drängt sich – insbesondere unter Berücksichtigung des weltweiten Bevölkerungswachstums, der geographisch unterschiedlich starken Ausprägung des Klimawandels sowie des Erlangens bzw. der Bewahrung annähernd gleicher Entwicklungschancen für alle Nationen und Regionen dieser Welt – die Frage eines gerechten Zugangs zu landwirtschaftlichen Nutzflächen und damit der Sicherung der Grundbedürfnisse einer jeden Nation und schussendlich eines jeden Menschen auf.

Gerade für Deutschland, das trotz umfassender und zumeist sehr ertragsreicher Acker- und Grünlandflächen zunehmend auf dem Import von energetischer Biomasse bzw. raffinierten Bioenergieträgern angewiesen ist, um die festgesetzten Ziele zu erreichen, ist es wichtig die Flächenproblematik zu beurteilen. Diese Beurteilung kann hilfreich dabei sein, eventuelle direkte oder indirekte negative Auswirkungen des Bioenergiebooms auszuloten, um richtungweisende Politikempfehlungen zu geben.

Ein Versuch, die flächen- und umweltwirksamen Folgen der bedarfsgerechten Versorgung Deutschlands mit stofflichen und energetischen Biomasserohstoffen bis zum Jahr 2030 zu bemessen und bewerten, wird einem aktuellen Forschungsvorhaben des Wuppertal-Institutes getätigt. Auftraggeber der Untersuchung namens „Nachhaltige Flächennutzung und nachwachsende Rohstoffe“ ist das Umweltbundesamt. Auswertungen aus der vorliegenden Diplomarbeit steuern einen Teil zur möglichst vollständigen Beurteilung der Flächenthematik im Rahmen des Forschungsvorhabens bei. Generelles Anliegen ist die Quantifizierung der in- und ausländischen Inanspruchnahme agrarischer Flächen Deutschlands anhand zweier Business-as-usual (BAU) – Szenarien entsprechend der Befriedigung des prognostizierten Bedarfs an nachwachsenden Rohstoffen für stoffliche und energetische Nutzungen. Zusätzlich werden die spezifischen Umweltwirkungen ermittelt.[9] Hierbei ergibt sich ein in seiner Aussagekraft zu den Flächen- und Umweltwirkungen differenziertes und mit dem Hintergrund des Nachhaltigkeitsanspruches in einigen wichtigen Punkten sehr kritisches Bild. Die dementsprechende Ausrichtung der Schlussfolgerungen und Politikempfehlungen zeigen einen neuen Charakter und widersprechen teils der derzeitigen politischen Auffassung und Zielsetzung.

Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit alternativen Flächenpotenzialen im Agrarbereich. Infolge eines reduzierten Nutztierbestandes, so die Annahme, werden weniger Futtermittel benötigt. Dadurch fallen im In- und Ausland Flächen aus der agrarischen Nutzung. Eine Verringerung der inländischen Nutztierproduktion bzw. des inländischen Konsum tierisch basierter Nahrungsmittel hätte somit eine Flächenfreisetzung zur Folge. Zentraler Punkt der Arbeit ist die Quantifizierung der globalen Freisetzungspotenziale, hinzu kommt eine Bewertung der weiteren Nutzungsoptionen dieser Flächen.

1.2 Zielvorstellung und Vorgehensweise

Den thematischen Hintergrund dieser Arbeit bilden die eingangs erläuterten Handlungsfelder Klimaerwärmung und Flächenverfügbarkeit. Sie stellen die Weltgemeinschaft derzeit vor hohe Herausforderungen auf wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Ebenen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, eine belastbare Quantifizierung der zu erwartenden agrarischen Flächenfreisetzung bis 2030 durch die Verminderung von Nutztierproduktion zu erhalten. Das geschieht zum einen über die produktionsseitige Betrachtung der zukünftigen Entwicklung der Tierbestände in Deutschland und zum zweiten über die konsumseitige Betrachtung der Veränderung von Ernährungsstilen und deren Rückwirkung auf den Produktionsbedarf. Die freigefallenen Flächen könnten, so der Grundgedanke, einer ausgeglicheneren weltweiten Flächenallokation zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zugeführt werden. Oder sie dienen dem Anbau nachwachsender Rohstoffe zur Energieversorgung. Somit spannt sich der thematische Bogen der Diskussion (ausgehend von möglichen Flächenfreisetzungspotenzialen) von den Möglichkeiten zur Forcierung der Nutzung nachwachsender agrarischer Energierohstoffe im Kontext der Förderung klimaneutraler erneuerbarer Energien einerseits, bis hin zu den Möglichkeiten einer gerechteren Verteilung und Nutzung der weltweit limitierten produktiven Landwirtschaftsfläche im Kontext einer wachsenden Weltbevölkerung andererseits.

Folgende Arbeitshypothesen gehen der Entwicklung der Zielsetzung voraus:

- Deutschland beansprucht im Ausland mehr zusätzliche Fläche als im Inland insgesamt zur Verfügung steht und trägt somit zu einer global ungerechten Flächenverteilung bei.
- Bei zunehmender Flächennachfrage Deutschlands und weltweit sowie wachsender Weltbevölkerung würde Deutschlands Pro-Kopf-Flächenverbrauch deutlich zunehmen, während die insgesamt Pro-Kopf zur Verfügung stehende Fläche abnähme.
- Den Großteil der Agrarfläche beansprucht die Bundesrepublik für den Anbau von Futtermitteln zur Erzeugung tierisch basierter Nahrung. Hier böten sich die größten theoretischen Flächeneinsparpotenziale.
- Zukünftig ist ein sinkender Fleischverbrauch in Deutschland zu erwarten. Ernährungsphysiologisch würde sich ein geringerer pro-Kopf-Fleischverbrauch positiv auswirken. Zudem sinkt die Gesamtzahl der Bevölkerung in Deutschland.
- Bei ausschließlicher Reduzierung der Tierproduktion in Inland käme es zu einer Kompensation durch Importe tierischer Nahrungsmittel. Dies würde dem Ziel der Verringerung der Belegung von Flächen im Ausland zuwider laufen.
- Die nachwachsenden Energierohstoffe können neben positiven auch negative Umweltwirkungen aufweisen, welche die positiven in Teilen konterkarieren.

In den folgenden Kapiteln 2 und 3 soll zunächst der inhaltliche Rahmen gesteckt und die einführend erwähnten Hintergründe vertieft werden. Dabei wird zunächst die Flächenbelegung Deutschlands insgesamt sowie nur für landwirtschaftliche Zwecke im weltweiten Zusammenhang betrachtet. Kapitel 3 widmet sich ausführlich den nachwachsenden Rohstoffen. Nach einer thematischen Einführung werden die Vor- und Nachteile sowie die Umweltwirkungen erörtert und die energetischen Potenziale sowie politischen Ziele aufgezeigt.

Da die Arbeiten zu dieser Diplomarbeit im Rahmen eines größeren Forschungsprojektes stattfanden, wird im Kapitel 4 das Gesamtprojekt samt der darin zugrunde liegenden Ergebnisse vorgestellt.

Das fünfte Kapitel stellt den wesentlichen empirischen Teil dieser Arbeit dar. Nach einer kurzen Präsentation des Grundgedankens und der Vorgehensweise konzentriert sich dieser Arbeitsteil auf die Aufschlüsselung und Darstellung von Herleitung und Ergebnissen der Berechnungen der produktionsseitigen und konsumseitigen Szenarien zur Nutztierhaltung bzw. Flächeninanspruchnahme für Futtermittel. Die letzten beiden Abschnitte dieses Kapitels fassen die Ergebnisse zusammen und geben erste Anstöße bezüglich weiterführender Nutzungsoptionen freigesetzter Flächen.

In Kapitel 7 schließt eine zusammenfassende Diskussion der Ergebnisse und Erörterung im Rahmen der eingangs aufgeführten globalen Problemfelder an. In diesem Kapitel werden auch die folgenden, sich aus den Arbeitshypothesen abgeleiteten Hauptfragestellungen dieser Arbeit beantwortet:

(1) In welcher Größenordnung sind aus der Reduktion der inländischen Nutztierproduktion Flächenfreisetzungspotenziale zu erwarten?

(2) Ist eine Verringerung des inländischen Konsums tierisch basierter Nahrungsmittel notwendig, um eine globale und nicht auf das Inland bezogene Flächenfreisetzung Deutschlands zu erreichen?

(3) In welchem Umfang würden diese Reduktionen zu einer global ausgeglicheneren Flächenallokation beitragen?

2. Flächenbelegung Deutschlands

2.1 Hintergründe

„Art und Intensität der Nutzung der Bodenfläche stellen – neben den Material- und Energieströmen – den zweiten wesentlichen Bereich der Umweltnutzung durch den Menschen dar.“, attestiert das Statistische Bundesamt in seiner Umweltökonomischen Gesamtrechung Deutschlands.[10] Im globalen wie nationalen Maßstab ist Fläche nicht vermehrbar, aber auch nicht verbrauchbar. Lediglich die Nutzung von Flächen ist variierbar. Diese Flächenumwandlung geht oftmals damit einher, dass der Boden mit seiner natürlichen Funktion und Leistungsfähigkeit dauerhaft verloren geht.[11] Aufgrund der Endlichkeit der Ressource „Fläche“ auf dem Planeten Erde ist diese im Zuge von Wirtschafts-, Wohlstands- und Bevölkerungswachstum zu einem knappen Gut geworden.

Ende der 1990er Jahre erarbeitete das Bundesumweltministerium (BMU) in seinem „umweltpolitischen Schwerpunktprogramm“ auch in Bezug auf die Flächennutzung erste Handlungsziele für die Bundesregierung, welche später offiziell in die „Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland“ übernommen wurden. Im Zentrum steht dabei eine „dauerhafte Entkopplung von Flächeninanspruchnahme und Wirtschaftswachstum“, welche mit einer Reduktion der täglichen Flächenmehrbeanspruchung durch Siedlungs- und Verkehrsflächen (SuV-Flächen) von 131 ha/Tag im Jahr 2000 auf 30 ha/Tag im Jahr 2020 verbunden sein sollte.[12] Die Reduzierung der Flächenneuinanspruchnahme ist ebenso im Fortschrittsbericht 2004 der damaligen Bundesregierung ein Schwerpunktthema einer nachhaltigen Entwicklung.[13] Die Gründe für dieses Umdenken liegen in den negativen Folgen einer steten Zunahme an SuV-Fläche zu Lasten von Natur- und Landwirtschaftsflächen. In den letzten 40 Jahren nahm die SuV-Fläche um fast 100% zu, während sich die Bevölkerungszahl Deutschlands nur 30% erhöhte. Der hohe Bedarf an Industrie-, Gewerbe-, Wohn- und Verkehrsflächen hat seine Spuren hinterlassen. Neben dem Rückgang an Lebensraum- und Artenvielfalt kommt es zu Zerschneidung von Landschaften, Einschränkung oder Zerstörung der natürlichen Bodenfunktion durch Umweltbelastung oder Versiegelung, Beeinflussung des Wasserhaushaltes sowie Schadstoff- und Lärmbelastungen.[14] Insbesondere die zumeist dauerhafte Vernichtung produktiver Agrarflächen, welche die Grundlage einer eigenständigen, importunabhängigen Versorgung mit biogenen Rohstoffen darstellen, ist in diesem Zusammenhang kritisch herauszustellen.

Im Zuge dessen sprachen zahlreiche Institutionen, wissenschaftliche Räte und Verbände das Zukunftsziel Nullwachstum der Flächenneuinanspruchnahme aus.[15] In den zwölf Jahren von 1992 bis 2004 stieg die SuV-Flächenneuinanspruchnahme weiter an: trotz des geringen Bevölkerungswachstums (1,9 %) um 13,2 %.[16] Aufgrund der demografischen Entwicklung wird bis 2030 jedoch eine auf 74,5 ha/Tag sinkende SuV-Flächenneuinanspruchnahme prognostisiert. Zum Erreichen des 30 ha/Tag-Zieles sind darüber hinaus neben Flächensparung innovative Ideen wie Innenentwicklung der Städte, erhöhte Flächenproduktivität, verkehrsarme Raumstrukturen, steuer-, verkehrs- und wohnpolitische Rahmenbedingungen etc. gefragt.[17] In einer 2007 erschienenen Evaluation des 30 ha/Tag-Zieles kritisiert der Rat für Nachhaltige Entwicklung die rein quantitative Ausrichtung der Zielvorstellungen und verweist auf weiterführende qualitative Entwicklungsstränge mittels kommunalen Flächenmanagements und Flächenkreislaufwirtschaft.[18]

Die Globalisierung beschränkt sich nicht nur auf politische oder wirtschaftliche Bereiche, auch negative Umweltauswirkungen und Landnutzungsänderungen können weltweite Folgen aufweisen. So rückten, parallel zu den Bemühungen die inländische Flächeninanspruchnahme zu reduzieren, Sichtweisen in den Fokus von Wissenschaft und Öffentlichkeit, die die globalen Flächenbelegungen eines Staates betrachten. Ihren Ursprung haben Konzepte wie der „Ökologische Fußabdruck“ in den Diskussionen ab den 1970er Jahren zu den Grenzen des Wachstums und der Erkenntnis, dass „alle heute und zukünftig in Entwicklungs- und Industrieländern lebenden Menschen das gleiche Recht auf eine menschengerechte Umwelt und die Nutzung der globalen Ressourcen haben“.[19]

Um den Ressourcenverbrauch von Regionen oder Volkswirtschaften quantifizieren zu können, wurde eine Vielzahl an Indikatoren und Input-Output-Rechnungen wie der TMR (Total Material Requirement) oder der MIPS (Material Intensity Per unit of Service) entwickelt. 1997 führten Wackernagel und Rees den Ökologischen Fußabdruck ein, einen Nachhaltigkeitsindikator, der den Naturverbrauch bilanziert: „die Energie- und Materialflüsse in einer Wirtschaftseinheit werden geschätzt und umgerechnet in Wasser- und Landflächen, die nötig sind, um diese Flüsse aufrecht zu halten.“[20] Diese Flächeninanspruchnahme kann dann mit der durchschnittlich weltweit pro Kopf verfügbaren Fläche verglichen werden. Der Vorteil der Methode ist die einfache Vergleichsmöglichkeit und die allgemein gute Verständlichkeit. So haben sich in letzter Zeit mehrere Webseiten im Internet etabliert, auf denen der Benutzer seinen eigenen Fußabdruck errechnen lassen kann.[21] Nachteile der Methode sind, dass es sich zum einen um eine gemischt real-virtuelle Flächenberechnung handelt, da neben reinen Flächen- auch Rohstoff-, Konsum- und Abfalldaten auf die Fläche umgerechnet werden. Zum zweiten ist die Methodik bei der Komplexität der Hintergründe und Einflüsse recht stark vereinfachend. Die Aussagekraft bezüglich der großen Unterschiede im Fußabdruck zwischen hochindustrialisierten und weniger entwickelten Nationen ist jedoch eindeutig. Die weltweit pro Person zur Verfügung stehende Fläche belief sich im Jahr 2003 auf 1,8 ha, wobei diese vom weltweiten Durchschnitt mit 2,2 ha/Kopf, 2003 um fast 20 % überschritten wurde.[22] Deutschland lag 2003 mit 4,5 ha/Kopf zwar noch unter dem Durchschnitt der EU-25, aber dennoch um das 2,5-fache über dem Weltdurchschnitt[23] sowie der eigenen Biokapazität (siehe Abb. 2.1).

Abb. 2.1: Entwicklung des Ökologischen Fußabdrucks und der Biokapazität Deutschlands (pro Kopf; 1961 – 2001)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: WWF (2005)

Die Überbelastung des weltweiten Naturraumes offenbart sich immer deutlicher in lokalen, regionalen wie globalen Umweltkrisen und Ressourcenübernutzung. Die ungleiche Verteilung seiner Nutzung ist eine wichtige Ursache von Entwicklungshemmnissen. Mit dem Hintergrund einer gerechteren Ressourcenverteilung verweist Sachs vom Wuppertal Institut auf die Vision von „Kontraktion und Konvergenz“, nach der die Industrieländer ihre Übernutzung verringern müssen, es den weniger entwickelten Staaten jedoch im Gegenzug zugebilligt werden muss, ihr jetziges Niveau der Unternutzung zu erhöhen.[24]

Die Problematik der weltweit deutlich unproportional verteilten Flächeninanspruchnahme der gesamtökonomischen Prozesse von Volkswirtschaften findet in Umwelt- und Entwicklungspolitik nicht die Aufmerksamkeit, die ihr zusteht. So wird in dem Durchführungsplan der Erklärung von Johannesburg auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in 2002 zwar gefordert „[…] die soziale und wirtschaftliche Entwicklung im Rahmen der Tragfähigkeit der Ökosysteme zu fördern, indem die Verknüpfung zwischen Wirtschaftswachstum und Umweltzerstörung […] aufgelöst wird.“[25] Das Thema einer global gerechteren Flächennutzung wird aber lediglich indirekt in nur einem Unterpunkt hinsichtlich des Erfordernisses verstärkten Flächenrecyclings in entwickelten Ländern angedeutet.[26]

2.2 Landwirtschaftliche Flächenbelegung weltweit und in Deutschland

Von den 14,9 Mrd. ha Festlandsfläche der Erde[27] befinden 5 Mrd. ha, also rund ein Drittel, in agrarischer Nutzung, 70% davon sind Gras- und 30% Ackerland.[28] Von der Gesamtfläche Deutschlands (35 Mio. ha) wurde in 2005 mit 17 Mio. ha knapp die Hälfte landwirtschaftlich genutzt.[29] Neben der inländischen Fläche belegt Deutschland noch weitere ca. 4 Mio. ha netto (d.h. als Saldo von Im- und Exporten) im Ausland.[30]

Die FAO schätzt in einer Projektion bis 2050, dass bei den entwickelten Ländern die Nachfrage nach Agrargütern stärker zunehmen wird als die eigene Produktion.[31] Die Befriedigung einer höheren Nachfrage in Industrieländern würde zwangsläufig noch stärker auf Kosten der eigenen sowie weltweiten Tragfähigkeit stattfinden.

Ein realistischeres Bild des Flächenanspruchs von Nationen im Vergleich zum ökologischen Fußabdruck bieten direkte Quantifizierungen der globalen agrarischen Flächenbelegung ohne Einbezug virtueller Kenngrößen, so z.B. die Darstellungen zum Flächenrucksack von Agrarprodukten des Wuppertal-Instituts. Steger untersuchte, unter der Grundannahme einer weltweit gerechten Verteilung der zur Verfügung stehenden Fläche, die Flächenbelegung der EU-15 im Vergleich mit der globalen Flächenverfügbarkeit und bestimmte den globalen ökologischen Flächenrucksack für den Konsum agrarischer Güter.[32] Eine weitere Studie von Bringezu und Steger zeigt auf, dass die EU-15 mit 4.300 m2/Kopf den weltweiten Durchschnitt von 2.500 m2 pro Person intensiv bewirtschafteter landwirtschaftlicher Fläche (Ackerland und Dauerkulturen) deutlich überschreitet (Abb. 2.2, Jahr 2000). Deutschland lag zum selben Zeitpunkt mit 2.400 m2/Kopf noch knapp darunter. Einem Bevölkerungswachstum auf 8,3 Mrd. Menschen in 2030 zufolge, würde die Agrarfläche global betrachtet auf 1.900 m2/Kopf sinken. Somit würde sich die Gesamtsituation bei unveränderten Produktions- und Konsummustern in den Industrieländern weiter verschärfen.[33]

Abb. 2.2: Globale Pro-Kopf-Flächenbelegung Deutschlands und der EU-15 für den Konsum von Agrargütern im Vergleich zur weltweiten Pro-Kopf-Flächenverfügbarkeit (für 2000 und 2030; in 1000 m²/Kopf)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Bringezu / Steger (2005)

Ein deutlich drastischeres Bild in Bezug auf die zukünftige globale agrarische Flächeninanspruchnahme Deutschlands entwirft die aktuelle Forschungsstudie „Nachhaltige Flächennutzung und nachwachsende Rohstoffe“ des Wuppertal-Instituts. Neben der Flächennutzung für die Nahrungsmittelherstellung wird hierin ein besonderes Augenmerk auf die zunehmende Flächenbelegung für stofflich und energetisch genutzte Biomasse gerichtet. Entlang des Entwicklungskorridors mit verstärkter Non-Food-Nutzung von Biomasse, könnte der globale agrarische Flächenbedarf für Intensivbewirtschaftung (Ackerland und Dauerkulturen) Deutschlands von 2.500 im Jahr 2000 auf 2.800 bzw. 3.000 m2 pro Person (in 2030) ansteigen. Er läge damit deutlich über den 2.000 m2 pro Person, die zu diesem Zeitpunkt global zur Verfügung stehen würden.[34] Dies wäre eine Entwicklung, die die Ziele einer global gerechter verteilten und nachhaltigeren Flächennutzung ohne Ausweitung von Agrarflächen zu Lasten von Naturraum, Biodiversität und Emissionsreduzierung scharf konterkarieren würde.

Zu weiterführenden Ergebnissen der zuletzt erwähnten Studie sowie einer detaillierteren Zuwendung zu Flächenpotenzialen und Umwelteffekten von nachwachsenden Rohstoffen für stoffliche und energetische Nutzung sei auf die folgenden Kapitel 3 und 4 verwiesen. Die Ermittlung der globalen Flächenbelegung Deutschlands für Produktion und Konsum tierischer Nahrungsmittel wie sie in dieser Arbeit durchgeführt wird, wird im Methodikteil in Kapitel 5 näher erläutert.

3. Nachwachsende Rohstoffe für stoffliche und energetische Nutzung

3.1 Begriffsklärung, Arten und Verwendung nachwachsender Rohstoffe

Um ein einheitliches Begriffsverständnis zugrunde zu legen, sollen im Folgenden kurz die wichtigsten Termini definiert werden. „Biomasse“ bezeichnet nach Karafyllis die „organischen Substanzen, die primär aus der Syntheseleistung und Produktion mindestens einer lebenden Zelle entstanden sind.“[35] Entgegen anderen Definitionen[36] schließt dies auch tote Biomasse mit ein. Der Begriff wird im Folgenden jedoch stärker kontextbezogen, d.h. auf die menschliche Nutzung. Ebenfalls nach Karafyllis soll ein „nachwachsender Rohstoff“ als diejenige Biomasse verstanden sein, die einer „beabsichtigen menschlichen Nutzung zugänglich“ gemacht wird.[37] Auch dieser Terminus bezieht sich folgend nur auf stoffliche und energetische Nutzung und klammert Nahrungsmittel aus. Definitionen wie die des Kuratoriums für Technik und Bauwirtschaft[38] scheinen nicht mehr zeitgemäß, da in hier zugrunde liegenden Begriffsverständnis vermehrt verwendete Reststoffe wie z.B. Schnittreste aus Straßenbegleitgrün oder Landschaftspflege nicht mit einfließen. „Energiepflanzen“ werden definiert als Pflanzen, „die ausschließlich zur energetischen Nutzung produziert werden“.[39]

In der Literatur finden sich verschiedenste Darstellungen zu Herkunft, Formen, Zuständen, Verfahren, Endprodukten und Nutzungen bei der Prozesskette von Biomasse. Die stoffliche Nutzung ist dabei durchaus vielfältiger und reicht von Schmierstoffen, Farben und Lacken, pharmazeutischen und kosmetischen Produkten, Verpackungen, Faserverbundwerkstoffen und Biokunststoffen sowie Textilien bis hin zu Bau- und Dämmmaterialien und Möbeln.[40] Der Anteil stofflicher Nutzung bei der Flächenbelegung Deutschlands von Nawaro lag im Jahr 2006, bei abnehmender Tendenz, etwa um 20 %.[41] Die Nawaro-Nutzung in Deutschland weist einen deutlichen energetischen Schwerpunkt auf, was auch die politische Zielsetzung aufzeigt. Daher soll bei der Darstellung der Verwendung auf die sehr vielfältige stoffliche Nutzung nicht detaillierter eingegangen und sich stattdessen auf die energetischen Nutzungspfade konzentriert werden.

Als Quellen wie als Nutzungsendprodukte können für energetische Biomasse jeweils drei Segmente unterschieden werden. Als Quellen können die Land-, Forst- und Abfallwirtschaft, als Endprodukte Strom, Wärme und Kraftstoffe ausgemacht werden. Daneben ist die Nutzung aquatischer Rohstoffe in Form von Algen in Algenfarmen und Bioreaktoren in Zukunft denkbar.[42] Einen groben Überblick über die Biomassenutzungspfade liefert die folgende Abbildung.

Abb. 3.1: Überblick über energetische Biomassequellen und Biomassepfade

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Simon (2007)

Die tatsächlichen biogenen Rohstoffe als Bestandteil der jeweils genutzten Pflanzen sind

Zucker (z.B. Zuckerrübe, Zuckerhirse, Topinambur),

Stärke (z.B. Kartoffel, Mais, Weizen, Hülsenfrüchte, Maniok),

Öle und Fette (z.B. Raps, Sonnenblume, Öllein, Senf, Soja),

Cellulose (z.B. Flachs, Hanf, Baumwolle, Laub- und Nadelhölzer) und

Lignin (z.B. Pappeln, Birken, Weiden).[43]

Im Herstellungsprozess werden die verschiedenen nachwachsenden Rohstoffe entsprechend ihrer spezifischen Eigenschaften und der späteren Nutzung unterschiedlichen technischen Umwandlungen unterzogen. Als Ergebnis von thermochemischen, physikalisch-chemischen und biochemischen Umwandlungen erhält man feste, flüssige und gasförmige Brennstoffe. Diese reichen von einfachen Festbrennstoffen (z.B. Holzpallets) und Kohle über Pflanzenöle, Biodiesel und Ethanol bis hin zu Biogas.[44]

Da der Schwerpunkt dieser Arbeit auf der Betrachtung von Flächeneffekten und –belegungen liegt und insbesondere auf die Konkurrenzsituation zur nahrungsmittelbasierten landwirtschaftlichen Produktion fokussiert werden soll, soll auf die Nutzung von Holz und Reststoffen (Erntereste, Schnittreste, Gülle, Klärschlamm, Hausmüll) im Weiteren weniger eingegangen werden. Der flächenwirksame Anbau von Energiepflanzen kann detaillierter in

- einjährig (Getreide, Öl-, Zucker-, Stärkepflanzen) und
- mehrjährig (Kurzumtriebsplantagen, Energiegräser)

unterschieden werden.[45]

Im Jahr 2006 wurden in Deutschland ungefähr 2.500.000 GWh Energie verbraucht (Endenergieverbrauch). Davon stammen acht Prozent aus erneuerbaren Energiequellen. In Tabelle 3.1 ist die Aufteilung der Mengen und Anteile auf die Sektoren Strom, Wärme und Kraftstoff dargestellt. Die nachwachsenden Rohstoffe machten demnach ca. 2/3 der gesamten EE aus. Die Anteile flächenrelevanter Energieerzeugung aus Energiepflanzen stellen sich bei Strom und Wärme vergleichsweise gering dar. Inklusive Kraftstoff kommen die Energiepflanzen jedoch auf etwa ein Viertel anteilig an erneuerbaren Energien. Sie stellten in 2006 bezogen auf den gesamten Endenergieverbrauch aber nur zwei Prozent.

Tab. 3.1: Anteile erneuerbarer Energien, nachwachsender Rohstoffe und Energiepflanzen am gesamten Endenergieverbrauch in Deutschland (2006)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach BMU (2007)

Für die Sektoren Strom und Kraftstoffe liegen für den Energiepflanzenanbau im Jahr 2006 entsprechende Daten zur Flächeninanspruchnahme vor. Demnach beanspruchten die Biokraftstoffe 2,8 Mio. ha, wovon 2,1 Mio. ha auf Pflanzen für Biodieselanbau entfallen. Die rasant gestiegene Nachfrage konnte nur durch Importe befriedigt werden, 56 % der Anbauflächen lagen im Ausland. Die Flächenbelegung zur Stromerzeugung ist mit 0,34 Mio. ha deutlich geringer. Der Auslandsanteil liegt hier gerade einmal bei gut sechs Prozent (Palmöl).[46] Die Auflistung der letzten Verwendung der Energiepflanzen in Tab. 3.1 weist auf deren Wichtigkeit im Rahmen der Nutzung erneuerbarer Energien hin, insbesondere im Kraftstoffsektor.

3.2 Vor- und Nachteile energetischer Nutzungen

Die Eckpfeiler bei der Zieldefinition der Bundesregierung zur Nutzung von Biomasse wie auch der anderen erneuerbaren Quellen zur Energieerzeugung sind die Sicherung endlicher Ressourcen sowie der Umwelt- und Klimaschutz. Aus diesen Gründen wurde die Förderung der Biomassenutzung in 2004 u.a. im EEG gesetzlich verankert.[47] Zu den oben aufgeführten Zielen reihen sich bei der Biomasse noch eine Vielzahl weiterer Erwartungen wie Hoffnungen. Doch nicht nur für die Bundesregierung ist die Biomassenutzung ein Hoffnungsträger, auch Bauernverbände, die Agrarindustrie, die Automobil- und Mineralölwirtschaft, ländliche Gemeinden und Regionen und nicht zuletzt viele Entwicklungs- und Schwellenländer sehen für sich zahlreiche Vorzüge. Die entstandene Euphorie der letzten Jahre wird jedoch durch die Mehrung kritischer Stimmen teils stark gedämpft.

Wie vieles, so hat auch die Nutzung von Biomasse durch nachwachsende Rohstoffe positive, aber auch negative Auswirkungen auf lokaler, nationaler, regionaler und globaler Ebene. Neben teils umfassenden Ausführungen zu positiven[48] und negativen[49] Effekten in der Literatur fokussiert sich die Diskussion zunehmend auch an Nachhaltigkeitsaspekten.[50] Die Zusammenstellung in Tabelle 3.2 soll möglichst umfassend die derzeit diskutierten Aspekte aufzeigen.

[...]


[1] Bethge / Wüst (2007), S. 8 – 11

[2] IPCC (2007), S. 13 – 17

[3] Stern et al. (2006), Part II, S. 164

[4] Bethge et al. (2007), S. 13

[5] Stern et al. (2006), Part II, S. 84

[6] UN (1997), Artikel 3, Absatz 1

[7] EEG (2004), 1

[8] siehe u.a.: www.mofilms.org; www.freedomfuels.com.au; www.afrec.net/freedom_fuels.htm; www.freedomfuelsllc.com; www.freedomfuels.net; www.freedomfuelsinc.com

[9] Bringezu et al. (2007)

[10] Statistisches Bundesamt (2006a), S. 73

[11] UBA 2002, S. 409

[12] Jörissen / Coenen 2006, S. 48

[13] Bundesregierung (2004), S.197

[14] UBA 2002, S. 408 - 409

[15] Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Rat für Nachhaltige Entwicklung, Enquete-Kommission des 13. Deutschen Bundestages „Schutz des Menschen und der Umwelt“, Naturschutzbund; siehe Jörissen / Coenen 2006, S. 48 - 49

[16] Statistisches Bundesamt (2006a), S. 75

[17] Jörissen / Coenen 2006, S. 55 – 74 und UBA 2002, S. 413

[18] Rat für Nachhaltige Entwicklung (2007), S. 17

[19] Leisinger 2000, S. 212

[20] Wackernagel / Rees (1997), 23

[21] http://www.fussabdruck.at, http://www.footprint.ch, http://www.earthday.net/footprint/index.asp, http://myfootprint.org

[22] WWF (2006a), S. 14

[23] WWF (2006a), S. 34

[24] Sachs (2004), S. 54

[25] Vereinte Nationen (2002), S. 17

[26] Vereinte Nationen (2002), S. 38

[27] Hendl / Liedtke (1997), S. 727

[28] FAO (2005a)

[29] BMELV (2005), S. 78 - 79

[30] Bringezu et al. (2007), S. 134

[31] FAO (2006), 33

[32] Steger (2005), 8

[33] Bringezu / Steger (2005), 69 - 70

[34] Bringezu et al. (2007), S. 9

[35] Karafyllis (2000), S. 82

[36] Leser (2005), S. 101

[37] Karafyllis (2000), S. 91

[38] KTBL (1994), S. 38

[39] Kaltschmitt / Reinhard (1997), S. 12

[40] FNR (2006), S. 3

[41] Bringezu et al. (2007), S. 108

[42] Rührmeier (2007)

[43] Karafyllis (2000), S. 62

[44] Kaltschmitt / Reinhardt (1997)

[45] Simon (2007), S. 29 - 30

[46] Bringezu et al. (2007), S. 96 – 109

[47] Deutscher Bundestag (2004), S. 20

[48] vgl.: BMELV (1997); Karafyllis (2000); KTBL (2004); Öko-Institut (2004); Raggam (2004); FAO (2005b); FNR (2005); BBR (2006); econsense (2006); Europäisches Parlament (2006); EWSA (2006); Fritsche (2006); Henke / Klepper (2006); Mathews (2006); méo (2006); Picard (2006); Seyfried (2006); Walter (2006); Hoffmann (2007); FAO (2007); UN (2007); FAO Background Paper; MITRE

[49] vgl.: WRI (2006); Bringezu et al. (2007); Bringezu / Steger (2005); Crutzen / Mosier / Smith / Winiwarter (2007); De Fraiture (2007); Ernsting (2007); Fritz (2007); Hetzer (2007); Regenwald Report (2007); SRU (2007); WWF (2007)

[50] EEA (2005); Thrän et al (2005); agroplan (2006); Cramer (2006); WWF (2006); Reinhardt / Scheurlen / Benning (2006); Bringezu (2007); BUND (2007); FAO (2007); Heißenhuber (2007); Voss (2007);

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836616379
DOI
10.3239/9783836616379
Dateigröße
913 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin – Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät, Geographisches Institut
Erscheinungsdatum
2008 (Juli)
Note
1,3
Schlagworte
rohstoff nachhaltigkeit flächenbelegung klimawandel nahrungsmittel
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Titel: Untersuchung zur nachhaltigen Nutzung nachwachsender Rohstoffe
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