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Konsumentenboykott

Ein empirischer Vergleich verhaltenswissenschaftlicher Modellansätze

©2007 Diplomarbeit 96 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Es gibt eine ganze Reihe von Szenarien, auf die sich Manager von Unternehmen einstellen müssen, um in Krisensituationen mit dem notwendigen Wissen reagieren zu können. Doch gehört der Verbraucherboykott wohl noch nicht zu den wahrgenommenen Bedrohungen eines Unternehmens. Wie ließe sich sonst die sehr überschaubare Anzahl an Beiträgen zur Boykottforschung erklären? Dabei kann ein gut organisierter Verbraucherboykott in Verbindung mit publizierten Slogans wie ‘Nestlé tötet Babys!’, ‘McDonalds zerstört den Regenwald!’ oder ‘Deine Sportschuhe wurden in Kinderarbeit hergestellt!’ nicht nur zu enormen Umsatzeinbußen führen, sondern auch nachhaltig das Image schädigen, welches nur durch teure Marketingaufwendungen wiederhergestellt werden kann. Aufgrund der Globalisierung und der rasanten Entwicklung von Informationstechnologien ist der Wirkungsbereich eines Boykotts nicht mehr regional beschränkt, sondern kann auf transnationalem Niveau ausgeweitet werden. Unternehmen, die sich in einem ständigen Konkurrenzkampf befinden, sind auf ein gutes Image und eine gute Reputation angewiesen um ihre ökonomische Existenz zu sichern. Verhält sich jedoch ein Unternehmen verantwortungslos und wird unzureichend von seitens der Justiz zur Rechenschaft gezogen, so können diese Missstände über die verschiedenen Medien (Internet, TV, Printmedien) kommuniziert werden. Viele bekannte Firmen wurden seit den siebziger Jahren zur Zielscheibe von Menschenrechts- und Umweltaktivisten. So veröffentlichen mittlerweile alle großen Konzerne im Rahmen der ‘Corporate Social Responsibility’ (CSR) ausführliche Sozial- und Umweltberichte um den Wert der Marke zu erhalten.
Verbraucher haben den Boykott als legale operative Möglichkeit des Konsumentenwiderstandes entdeckt, um Unternehmen für ihre unverantwortlichen Geschäftsmethoden zu bestrafen oder wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten entgegenzuwirken. Man kann auch von einem Disziplinierungsinstrument sprechen, das in Zeiten der Konsumentensouveränität das gesellschaftliche Marktgleichgewicht, sowie soziale, ökologische und ethische Grundwerte aufrechterhalten soll. Neben instrumentellen Argumenten, wie zum Beispiel dem Entgegenwirken einer ungerechten Preispolitik, gibt es für Konsumenten auch emotionale oder expressive Motiven für eine Beteiligung an einem Boykott, (wie Unmut zu signalisieren) und dadurch das Unternehmen zu bestrafen oder durch den öffentlichen Akt sein Selbstwertgefühl zu steigern. Die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Patric Dokter
Konsumentenboykott
Ein empirischer Vergleich verhaltenswissenschaftlicher Modellansätze
ISBN: 978-3-8366-1632-4
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Freiburg im Breisgau, Deutschland,
Diplomarbeit, 2007
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2008
Printed in Germany

I
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ...
I
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
... III
1. Einleitung ...
1
2. Eigenschaften, Funktionen und Protagonisten des
Verbraucherboykotts
...
4
2.1
Historischer Hintergrund
...
4
2.2
Definition und Systematisierung
...
5
2.3
Auswirkungen und Effektivität von Boykottaktionen
...
9
2.4 Der Boykottinitiator und die Informationsgestaltung
...
12
2.5 Forschungsüberblick bisheriger Beiträge
...
13
3. Verhaltenswissenschaftliche Modellansätze
...
18
3.1 Psychologische Theorien des Konsumentenverhaltens
...
18
3.1.1 Der individuelle Entscheidungsprozess
...
19
3.1.2 Soziale Variablen des kollektiven Handelns
...
22
3.1.2.1 Das soziale Dilemma
...
22
3.1.2.2 Die Referenzgruppentheorie
...
.
27
3.1.3 Die Persönlichkeitsdeterminanten
...
28
3.2 Das Verhaltensmodell: ,,Theory of Planned Behavior"
...
29
3.2.1 Einleitung und Übersicht
...
29
3.2.2 Die Determinanten des Verhaltens
...
31
3.2.3 Die Einflussfaktoren der Handlungsabsicht
...
32
3.3 Das instrumentelle Modell
...
34
3.3.1 Modellübersicht
...
34
3.3.2 Erwartete Beteiligung
...
35
3.3.3 Wahrgenommene Erfolgswahrscheinlichkeit
...
36
3.3.4 Boykottkosten
...
37
3.4 Das ,,Arousal: Cost-Reward"-Modell
...
38
3.4.1 Einleitung und Modellübersicht
...
38

II
3.4.2 Aktivierung
...
40
3.4.3 Motivation
...
40
3.4.4 Ökonomische Nutzen-Kosten-Relation
...
41
3.4.5 (Gegen)Argumente
...
42
4. Ein empirischer Modellvergleich
...
44
4.1 Studiendesign ­ Teilnahme an einem Stromboykott
... 44
4.1.1 Variablen und Items
...
44
4.1.2 Fragebogendesign
...
45
4.1.3 Probanden
...
46
4.2 Ergebnisse
... 46
4.2.1 Mittelwerte und Varianzanalyse
...
46
4.2.3 Regressionsanalyse
...
50
4.2.3.1 Theory of Planned Behavior
...
50
4.2.3.2 Instrumentelles Modell
...
52
4.2.3.3 Das ACR-Modell
...
53
4.2.3.4 Das aggregierte Boykottmodell
...
55
4.3 Diskussion und Fazit
... 56
4.3.1 "Theory of Planned Behavior"
...
56
4.3.2 Instrumentelles Modell
...
57
4.3.3 Das ACR-Modell
...
59
4.3.4 Der singuläre Modellvergleich
...
60
4.3.5 Das aggregierte Boykottmodell
...
61
4.3.6 Fazit
...
63
5. Zukünftiger Forschungsbedarf und Ausblick
...
64
Literaturverzeichnis
...
V
Anhang
...
XIV

III
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1: Determinanten des Konsumentenverhaltens
... 19
Abbildung 2: Spieltheoretischer Erklärungsansatz des sozialen Dilemmas im
Kontext eines instrumentellen Verbraucherboykotts und mit
ökonomischen Motiven bei Konsumenten ... 24
Abbildung 3: Spieltheoretischer Erklärungsansatz des sozialen Dilemmas im
Kontext eines instrumentellen Verbraucherboykotts und mit
emotionalen Motiven bei Konsumenten ... 26
Abbildung 4: Übersicht der Variablen der ,,Theory of Planned Behavior"
... 30
Abbildung 5: Übersicht der Wirkungszusammenhänge des instrumentellen
Modells
... 35
Abbildung 6: Die Variablen des ,,Arousal: Cost-Reward" Modells
... 39
Tabellenverzeichnis:
Tabelle 1: Übersicht über einige theoretischen Konstrukte der individuellen
Boykottforschung
... 17
Tabelle 2: Übersicht der Variablen und Wirkung auf die Handlungsabsicht
... 45
Tabelle 3: Mittelwertanalyse nach dem Kriterium der Boykottabsicht
... 49
Tabelle 4: Globale Gütemaße und ANOVA vom TPB Modell
... 51
Tabelle 5: Koeffizienten der Regressionsanalyse des TPB Modells
... 52
Tabelle 6: Globale Gütemaße und ANOVA des instrumentellen Modells ... 52
Tabelle 7: Koeffizienten der Regressionsanalyse des instrumentellen Modells
53
Tabelle 8: Globale Gütemaße und ANOVA des ACR-Modells
... 54
Tabelle 9: Koeffizienten der Regressionsanalyse des ACR-Modells
... 54
Tabelle 10: Globale Gütemaße und ANOVA des (partiell) aggregierten
Boykottmodells
... 55
Tabelle 11a: Verwendete Fragen für das TPB Modell nach der
Reliabilitätsanalyse
... XIV
Tabelle 11b: Verwendete Fragen für das instrumentelle Modell nach der
Reliabilitätanalyse
... XV
Tabelle 11c: Verwendete Fragen für das ACR-Modell nach der
Reliabilitätsanalyse ... XVI

IV
Tabelle 12: Häufigkeitsanalyse der Eigenschaften der Probanden nach dem
Kriterium der bisherigen Boykottteilnahme ... XVII
Tabelle 13: Häufigkeitsanalyse der Eigenschaften der Probanden nach ihrem
Erregungsniveau ... XVIII
Tabelle 14: Kolmogorov-Smirnov-Anpassungstest
... XIX
Tabelle 15: Mittelwerte der Variablen nach Altersgruppen
... XX
Tabelle 16: Mittelwerte der Variablen nach Geschlecht
... XXI
Tabelle 17: Mittelwerte der Variablen nach Schulabschluss
... XXII
Tabelle 18: Mittelwerte der Variablen nach bisheriger Boykotterfahrung und der
Frage Stromrechung ... XXIII
Tabelle 19: Mittelwerte der Variablen unterteilt nach dem Erregungsniveau der
Unerhörtheit ... XXIV
Tabelle 20: Koeffizienten der 1. Modellvariante des aggregierten
Boykottmodells ... XXV
Tabelle 21: Koeffizienten der 2. Modellvariante des aggregierten
Boykottmodells ... XXV
Tabelle 22: Koeffizienten der 3. Modellvariante des aggregierten
Boykottmodells ... XXVI
Tabelle 23: Koeffizienten des vollständig aggregierten Boykottmodell
... XXVII

1
1. Einleitung
Es gibt eine ganze Reihe von Szenarien, auf die sich Manager von Unternehmen
einstellen müssen, um in Krisensituationen mit dem notwendigen Wissen
reagieren zu können. Doch gehört der Verbraucherboykott wohl noch nicht zu den
wahrgenommenen Bedrohungen eines Unternehmens. Wie ließe sich sonst die
sehr überschaubare Anzahl an Beiträgen zur Boykottforschung erklären?
1
Dabei
kann ein gut organisierter Verbraucherboykott in Verbindung mit publizierten
Slogans wie ,,Nestlé tötet Babys!", ,,McDonalds zerstört den Regenwald!" oder
,,Deine Sportschuhe wurden in Kinderarbeit hergestellt!" nicht nur zu enormen
Umsatzeinbußen führen, sondern auch nachhaltig das Image schädigen, welches
nur durch teure Marketingaufwendungen wiederhergestellt werden kann.
Aufgrund der Globalisierung und der rasanten Entwicklung von Informations-
technologien ist der Wirkungsbereich eines Boykotts nicht mehr regional
beschränkt, sondern kann auf transnationalem Niveau ausgeweitet werden.
Unternehmen, die sich in einem ständigen Konkurrenzkampf befinden, sind auf
ein gutes Image und eine gute Reputation angewiesen um ihre ökonomische
Existenz zu sichern. Verhält sich jedoch ein Unternehmen verantwortungslos und
wird unzureichend von seitens der Justiz zur Rechenschaft gezogen, so können
diese Missstände über die verschiedenen Medien (Internet, TV, Printmedien)
kommuniziert werden. Viele bekannte Firmen wurden seit den siebziger Jahren
zur Zielscheibe von Menschenrechts- und Umweltaktivisten. So veröffentlichen
mittlerweile alle großen Konzerne im Rahmen der ,,Corporate Social
Responsibility" (CSR) ausführliche Sozial- und Umweltberichte um den Wert der
Marke zu erhalten.
2
Verbraucher haben den Boykott als legale operative Möglichkeit des
Konsumentenwiderstandes
entdeckt,
3
um
Unternehmen
für
ihre
unverantwortlichen Geschäftsmethoden zu bestrafen oder wirtschaftlichen
Ungerechtigkeiten
entgegenzuwirken.
4
Man
kann
auch
von
einem
1
Vgl. Garret (1987), S. 48-49 und Klein et al. (2002), S. 363. Jackson / Schantz (1993), S. 33 berichteten,
dass weniger als 60 Prozent der erfolgreichsten Unternehmen einen Notfallplan im Falle eines Boykotts
besitzen.
2
Sen / Bhattacharya (2001), S. 225. Das Geschäftsfeld einer Firma beschränkt sich nicht nur auf
betriebswirtschaftliche Kriterien, es umfasst auch eine gesellschaftliche Verantwortung. In den
Jahresberichten der Unternehmen sind sogenannte ,,Codes of Conduct" etabliert, welche Verhaltensnormen
zur Beachtung ökologischer und sozialer Grundregeln enthalten. In einer Studie fand GMI (2005) eine
signifikante Verbesserung des weltweiten Images von amerikanischen Firmen, nachdem sie die Opfer, vom
Tsunami Unglück in Süd Asien, unterstützt haben.
3
Vgl. Herrman (1993), S. 130 und Fournier (1998), S. 88.
4
Vgl. Miller / Sturdivant (1977), S. 7. Smith (2005), S. 494 berichtet von 25.000 Personen aus 23 Ländern,
die in einer Studie zum Thema Boykott befragt wurden. 40 Prozent haben schon einmal darüber nachgedacht
ein Unternehmen für sein Fehlverhalten zu bestrafen und 20 Prozent von ihnen vermeiden jetzt schon
bestimmte Produkte und Marken.

2
Disziplinierungsinstrument sprechen, das in Zeiten der Konsumentensouveränität
das gesellschaftliche Marktgleichgewicht, sowie soziale, ökologische und ethische
Grundwerte aufrechterhalten soll.
5
Neben instrumentellen Argumenten, wie zum
Beispiel dem Entgegenwirken einer ungerechten Preispolitik, gibt es für
Konsumenten auch emotionale oder expressive Motiven für eine Beteiligung an
einem Boykott, (wie Unmut zu signalisieren) und dadurch das Unternehmen zu
bestrafen oder durch den öffentlichen Akt sein Selbstwertgefühl zu steigern. Die
Verbraucher entwickeln dabei ein negatives Markenimage, dass Unternehmen
zwingen soll sich ökologischer und demokratischer zu verhalten.
Es gibt viele Gründe, warum das Marketing sich mehr mit der Boykottthematik
auseinander setzen sollte. Es kann durch Erkenntnisse aus der Forschung das
Risiko besser einschätzen und gegebenenfalls effiziente Gegenmaßnahmen
einleiten.
6
Zum einen steigt die Anzahl der organisierten Boykotts stetig,
7
da
Boykottkampagnen, besonders im Zeitalter der Kommunikation, schnell und
günstig durch immer erfahrenere Boykottinitiatoren organisiert werden können.
8
Zudem stellt der Boykott eine friedliche Möglichkeit des Protestes dar, welcher
durch die Gesetzgebung in den meisten Ländern als legitim gilt. Kaum ein
Unternehmen ist heutzutage vor solch einem Szenario geschützt, welches
ernstzunehmende
Schäden
in
der
Geschäftsbeziehung
zwischen
dem
Unternehmen und den anderen Marktteilnehmern verursacht.
9
So wurde im Jahr
2003 bei 54 Prozent der weltweiten Topmarken zum Boykott aufgerufen.
10
Bekannte Beispiele aus der Vergangenheit sind der Nestlé-, Nike- und der
Shellboykott, die ein internationales Medienecho verursachten.
11
Für eine
effiziente und vorrausschauende Marketingpolitik ist es notwendig, das
individuelle Verhalten von Konsumenten zu verstehen und die verschiedenen
Einflussfaktoren zu kennen, welche das Konsumentenverhalten bestimmen.
12
Nicht nur für das Management von Unternehmen sind diese Erkenntnisse
Vgl. Troßman (2005): Laut einer weltweiten Umfrage mit 15.550 Probanden des US Marktforschungsinstitut
GMI, boykottieren mehr als ein Drittel der Verbraucher weltweit mindestens eine Marke. Angeführt wird die
Statistik von den Chinesen (57%), während die Quote in Deutschland bei 42 % liegt.
5
Smith (1987), S. 12 ff. zeigt anhand von drei Beispielen, dass der Boykott als Konsumentenverhalten
ausgelegt werden kann, welcher sich aus der Konsumentensouveränität ableiten läßt.
6
Vgl. Garret (1987), S. 47 und Ettenson / Klein (2005), S. 200.
7
Vgl. Friedman (1991), S. 150. Während es 1990 zwischen 200 und 300 Boykotte gab (Putnam / Muck
(1991) und Jackson / Schantz (1993)), stieg deren Zahl 1997 auf 700 an (Ferguson (1997)). Herrmann (1993),
S. 130 beobachtet, dass sich die Anzahl der Boykottteilnehmer innerhalb von 8 Jahren verdoppelt hat.
8
Vgl. Sen et al. (2001), S. 399 und Davidson (1995), S. 77.
9
Zu den Marktteilnehmern gehören nicht nur Konsumenten, sondern auch andere Unternehmen, wie zum
Beispiel Lieferanten oder Vertriebshändler.
10
Vgl. John / Klein (2003), S. 1196: Die Quote basiert auf einer Suche im Internet über ,,google". Troßman
(2005): Einer Umfrage von GMI Poll zufolge sind die am stärksten boykottierten Marken Nike, Coca Cola,
McDonald's und Nestlé.
11
Vgl. Post (1985), Pagan (1986), Backer (2001), S. 237.
12
Vgl. Böcker (1994), S. 31.

3
bedeutsam, sondern auch für die Boykottinitiatoren
13
, die dadurch ihre Boykott-
kampagnen effektiver gestalten können.
Da es in der Forschung der individuellen Boykottentscheidung noch nicht sehr
viele empirisch fundierte Beiträge gibt und die Relevanz der Thematik für das
Management beständig steigt, soll diese Arbeit dazu beitragen, die Faktoren der
individuellen Boykottentscheidung besser zu verstehen. Dazu werden die
wichtigsten Boykottmodelle mit einer eigenen empirischen Studie analysiert und
miteinander verglichen. Zusätzlich soll das allgemeine Verhaltensmodell ,,Theory
of Planned Behavior" Erkenntnisse liefern, weshalb Konsumenten an
Verbraucherboykotts teilnehmen und welche psychologischen Einflussfaktoren
für die Boykottbereitschaft besonders relevant sind.
14
In Kapitel 2 wird auf den Begriff des Verbraucherboykotts eingegangen und seine
verschiedenen Dimensionen und Wirkungen erläutert. Danach folgt ein Überblick
über die bisherigen Beiträge aus der allgemeinen und individuellen
Boykottforschung. Anschließend werden im dritten Kapitel allgemeine
psychologische Konstrukte des individuellen und kollektiven Konsumenten-
verhaltens zusammengefasst, welche als Grundlage der darauf folgenden Modelle
dienen. Die vorliegende Arbeit wird die persönlichen und sozialen Determinanten
der Verhaltensabsicht aus der ,,Theory of Planned Behavior" im Kontext eines
Verbraucherboykotts untersuchen und deren empirischen Einfluss auf die
Boykottentscheidung analysieren. Zuvor jedoch werden die theoretischen
Zusammenhänge der Variablen dieses Modells vorgestellt.
Das zweite Konstrukt mit dem sich diese Arbeit auseinander setzt, ist das
instrumentelle Boykottmodell.
15
Hierbei werden primär instrumentelle und
persönliche Faktoren der individuellen Boykottentscheidung untersucht. Danach
wird das ,,Arousal-Cost-Reward" Boykottmodell
16
erklärt, welches empirisch
fundierten Erkenntnisse der individuellen Boykottentscheidung liefert. Dabei
werden expressive und emotionale Variablen sowie Faktoren aus der mikro-
ökonomischen Nutzenfunktion mit einbezogen. Alle Modelle werden im Rahmen
der Theorie des sozialen Dilemmas und der Referenzgruppentheorie betrachtet,
die durch ihre Forschungserkenntnisse einen großen Beitrag zum Verständnis
menschlichen Verhaltens bei kollektivem Handeln geleistet haben. Inwiefern eine
13
Die Boykottinitiatoren sind zum größten Teil sogenannte Nicht-Regierungs-Organisationen, welche die
Konsumenten über das unerhörte Verhalten informieren. In fast keinem Forschungsbeitrag gehörte der
Boykottinitiator einer Regierungsform an.
14
Vgl. Ajzen (1985, 1988, 1991), Das Modell basiert auf dem psychologischen Konstrukt ,,Theory of
Reasonable Action" von Fishbein / Ajzen (1975) und Ajzen / Fishbein (1980).
15
Vgl. Sen et al. (2001).
16
Vgl. Klein et al. (2004) und John / Klein (2003).

4
Abhängigkeit zwischen der Boykottentscheidung und den Variablen aus den
vorhergehenden Modellen besteht, wird in Kapitel 4 in einer eigenen empirischen
Studie untersucht. Dabei werden im Rahmen einer Varianzanalyse die
verschiedenen Mittelwerte der unterschiedlichen Variablen nach bestimmten
Kriterien betrachtet. Mit Unterstützung der Regressionsanalyse wird der Einfluss
der Determinanten auf die Handlungsabsicht gemessen. Nach einer singulären
Analyse werden alle Einflussvariablen in ein aggregiertes Boykottmodell
zusammengefasst und untersucht, welche Determinanten in einem direkten
Vergleich den größten Einfluss besitzen. Im letzten Kapitel werden die Ergebnisse
zusammengefasst und ein Überblick über bisherige Forschungslücken gegeben.
2.
Eigenschaften,
Funktionen
und
Protagonisten
des
Verbraucherboykotts.
2.1 Historischer Hintergrund
Das Wort ,,Boykott" wurde vom Namen des englischen Grundstücksverwalters
Charles Cunningham Boycott (1832 - 1897) abgeleitet, der in Irland Bauern mit
sehr hohen Steuern belastete.
17
Anstatt mit Gewalt vorzugehen, beschloss die
irische Landliga im Jahr 1880 die zukünftige wirtschaftliche Zusammenarbeit mit
ihm zu verweigern. Seitdem steht der Ausdruck Boykott für einen friedlichen und
organisierten Widerstand. Der Ursprung des Boykotts liegt nicht nur in den
Politikwissenschaften, sondern wurde auch durch die Arbeiterbewegungen
geprägt.
18
Es gibt viele historische Beispiele, wie auch die Hanse (ein loser
Städtebund von Kaufleuten), die schon im Mittelalter (zeitweise) boykottiert
wurde. Zu den größten Verbraucherboykotts in der Geschichte zählen jene, bei
denen der Import der Waren eines ganzen Landes verweigert wurde. Dies geschah
beispielsweise während der Kolonialzeit vor dem amerikanischen Unabhängig-
keitskrieg gegen England Ende des 18. Jahrhunderts. Dabei wurde die Einfuhr
von Farben, Papier, Glas und Tee boykottiert, um materialistischen Komfort und
patriotische Wertvorstellungen zu verteidigen,
19
Auch im frühen 20. Jahrhundert
boykottierten Inder britische Ware wie Salz und Textilien.
20
In der jüngsten
Vergangenheit schlossen sich sogar ganze Staaten aus der islamischen Welt
zusammen um gegen die Weltmacht USA zu boykottieren.
21
Viele dieser
17
Vgl. Friedmann (1999 a), S. 5 ­ 6.
18
Vgl. Gelb (1995), S. 70: Am Anfang wurden viele Boykotte durch Gewerkschaften eingeleitet.
19
Vgl. Witkowski (1989), S. 216 ff. Es entstanden Konflikte zwischen alten patriotischen Wertevorstellungen
und der Entwicklung von Konsumentenpräferenzen, welche zur Verweigerung von Importwaren führte.
20
Vgl. Smith (1990), S. 201.
21
Zum Beispiel boykottieren islamische Bürger, aufgrund der umstrittenen amerikanischen Außenpolitik, den
Coca Cola Konzern durch ein Substitut namens Mecca-Cola. Siehe hierzu wikipedia.de

5
Verbraucherboykotts haben einen politischen und sozialen Hintergrund. Ihr
Zweck ist der Schutz von Minderheiten, wie zum Beispiel beim ,,Busboykott" in
den USA aus dem Jahr 1955, der durch eine Bürgerrechtsbewegung initialisiert
wurde, um gegen den herrschenden Rassismus anzugehen.
22
Ein großer
Konsumentenboykott, der sich nur auf ein einzelnes Unternehmen beschränkte,
war der weltweite Aufruf, den Ölkonzern Shell zu boykottieren, da er bereit war,
trotz Warnungen von Umweltschutzverbänden die Ölplattform ,,Brent Spar" 1995
in der Nordsee zu versenken. In Amerika geriet der Lebensmittelkonzern Nestlé
wegen der Anwendung international geächteter Vermarktungsmethoden im
Handel mit Babynahrung in die Schlagzeilen.
23
2.2 Definition und Systematisierung
Als Verbraucherboykott wird der Versuch einer oder mehrerer Gruppen definiert,
durch Konsumverzicht die Marketingtransaktionen des Unternehmens mit der
Wirtschaft fundamental zu stören.
24
Dabei sollen weitere Konsumenten motiviert
werden auf den Konsum des Produktes zu verzichten, ohne dabei in einer
rechtsverbindlichen Beziehung zum Boykottinitiator oder der Gruppierung zu
stehen.
25
Der Boykottbegriff stammt einerseits aus der Politikwissenschaft, da er
Ende des 18. Jahrhunderts tendenziell eher von Gewerkschaften, Arbeiter-
bewegungen und Menschenrechtsorganisationen verwendet wurde.
26
Andererseits
ist ein Boykott ein ökonomisches Phänomen, bei dem das Kaufverhalten der
Konsumenten als Disziplinierungsinstrument gegen unerwünschte Unternehmens-
praktiken eingesetzt wird, unabhängig davon, ob der Boykottinitiator aus
politischen, ökonomischen oder gewerkschaftsorientierten Motiven handelt.
Ein Boykott ist ein ökonomisches Phänomen, welches auch dem Konsumenten-
widerstand oder der Konsumentenbewegung zugeordnet werden kann, bei dem
die Verbraucher die Möglichkeit besitzen sich moralisch auszudrücken und
unethisches Verhalten zu bestrafen.
27
Dabei gilt es der eigenen individuellen
sozialen Verantwortung nachzukommen und das Kauf- und Konsumverhalten
langfristig den eigenen und gesellschaftlichen Normen anzupassen.
28
22
Vgl. wikipedia.de
23
Es gibt einige Fallstudien, die sich mit dem Boykott bestimmter Marken beschäftigen: zu Nestlé: Post
(1985), Smith (1987) und Pagan (1986), zur Barclays Financial Bank: Smith (1987), zu Pepsi: Yao (1990), zu
General Electric: Zack (1991), zu Nike: Jackson / Schantz (1993), zu Philip Morris: Offen et al. (2003).
24
Vgl. Friedman (1985), S. 97 ­ 98.
25
Vgl. Garret (1987), S. 47.
26
Vgl. Gelb (1995), S. 70.
27
Vgl. Kozinets / Handelman (1998), S. 477 und Kozinets / Handelman (2004), S. 691 ­ 692.
28
Vgl. Sen / Morwitz (1996), S. 27 ­ 28.

6
Manchmal macht aber auch ein Boykott keinen Sinn, da die Konkurrenz nicht
wesentlich besser ist. Daher gibt es auch noch andere Formen des Konsumenten-
aktivismus, deren Vorgehensweise die Firmen direkt mit den Missständen
konfrontieren soll um dadurch auf das Fehlverhalten aufmerksam zu machen. So
luden einige amerikanische Kids ihre gesammelten abgetragenen Schuhe vor der
New Yorker Nike-Town ab und machten eine öffentliche Kampfansage gegen die
Kinderarbeit im Konzern.
29
Das Antonym des Boykottbegriffs ist der ,,Buykott", bei dem der stimulierte Kauf
eines bestimmten Produktes ein vorbildliches Verhalten belohnen soll, weil der
Produzent die Ziele der Aktivisten unterstützt und mit deren Grundwerten
konform ist.
30
Es gibt verschiedene Boykottformen, die sich am besten nach ihren Zielen
klassifizieren lassen. So hat ein ökonomischer oder marketingorientierter
Verbraucherboykott zum Ziel, die Marketingpraktiken von Unternehmen, wie
zum Beispiel die Preispolitik, dauerhaft zu verändern
31
, während ein politisch
oder sozial-ethisch orientierter Boykott zu einem größeren demokratischen und
ökologischen Verantwortungsgefühl bewegen soll.
32
Der Konsumentenboykott
kann für die verschiedenen Zwecke und Ziele als Durchsetzungsmittel eingesetzt
werden, unabhängig von der Charakterisierung der Boykottinitiatoren.
Ökonomischer Boykott. Ein ökonomischer Boykott ist marketingorientiert und
richtet sich in erster Linie gegen die Geschäftspraktiken eines einzelnen
Unternehmens. Das Ziel der Boykottinitiatoren ist dabei primär die Veränderung
der Marketingstrategien, welche so modifiziert werden sollen, dass ein monetärer
Nutzen auf Konsumentenseite entsteht. Der Theaterboykott im Frühling 1997 in
der USA oder der Lebensmittelboykott in den siebziger Jahren hatte den
ökonomisch motivierten Zweck, dass die Preiserhöhung der Eintrittspreise wieder
zurück genommen werden mußten.
33
Sozial-Ethischer-Boykott. Diese Form des Boykotts wird in den meisten Fällen
von Organisationen initiiert, welche das unethische Verhalten von Unternehmen
anprangern. So hat ein sozial-ethischer Boykott zum Ziel, gesellschaftliche
Missstände in Fabriken zu beseitigen (z.B. bei Umweltbelastungen oder bei
Menschenrechtsverletzungen). Ein gutes Beispiel für einen sozial-ethischen
Boykott ist der bereits zitierte, aus der Menschenrechtsbewegung entstandene
29
Vgl. Werner / Weiss (2001), S.288.
30
Vgl. Friedman (1996 b), S. 125 ­ 126, Friedman (1996 c), S. 442.
31
Vgl. Sen et al. (2001), S. 400.
32
Baron (2003), S. 34 bezeichnet den Boykott als private Möglichkeit, sich politisch zu engagieren und im
öffentlichen Rahmen gegen Unternehmen vorzugehen.
33
Vgl. Friedman (1999 a), S.78.

7
Busboykott oder der Verbraucherboykott gegen den Nike-Konzern, der angeblich
asiatische Arbeiter und Kinder aus Profitgier ausbeutete. Verschiedene
Organisationen haben durch Boykottkampagnen auch die Möglichkeit gefunden,
gesellschaftliche Themen, wie zum Beispiel AIDS, Rassismus oder Umweltschutz
anzusprechen und dadurch auf diese aufmerksam zu machen.
34
Besonders weil der
in der Sozialwissenschaft beobachtete soziale Wandel mit dem damit
einhergehendem Wachstum individueller sozialer Verantwortung voranschreitet
und die Initiatoren den Boykott als Solidaritätsbühne für sich entdeckt haben, ist
der sozial-ethische Boykott für die Forschung besonders interessant.
Politischer Boykott. Bei einem politischen Boykott wirken die Maßnahmen nicht
nur gegen einzelne Unternehmen, sondern auch gegen ganze Gruppen, ganze
Nationen oder politische Gemeinschaften (Länderverbünde). So richtet sich ein
Verbraucherboykott entweder gegen ein bestimmtes Land, gegen eine bestimmte
Region oder einen Kontinentenabschnitt (wie z.B. gegen die westliche Welt) oder
gegen eine religiöse Glaubensgemeinschaft.
35
Dabei geht es jedoch nicht primär
um das Erreichen eines ökonomischen Zieles (wie z.B. eine Preissenkung),
sondern vielmehr um expressive und politisch-orientierte Motive, die das
Bedürfnis beinhalten, das Boykottziel zu bestrafen oder seine politische
Einstellung zu verändern. Durch politische Boykotts haben die Individuen die
Möglichkeit, soziale Verantwortung zu zeigen und können auch auf inter-
nationaler Ebene gesellschaftliche Normen und Menschenrechte aufrecht halten.
36
Eine weitere Dimension des Verbraucherboykotts ist die Boykotttiefe, die sich
nach einem direkten und indirekten Boykott differenzieren läßt.
37
Direkter und indirekter Boykott. Von einem direkten (primären) Boykott
spricht man, wenn der Konsument ein bestimmtes Produkt oder die gesamte
Marke des Unternehmens meidet, welches selbst für den öffentlichen Unmut
verantwortlich ist. Nur durch den Konsumverzicht des Produkts dieses
Unternehmens kann das Boykottziel erreicht werden. Da die Geschäftsführung
ihre Unternehmenspolitik jederzeit modifizieren kann, besitzt sie die Möglichkeit
den Marketingplan so zu verändern, dass sie dem Boykott entgegenwirken kann.
Bei einem indirekten (sekundären) Boykott steht das Unternehmen mit dem
Boykottziel in einer bestimmten Beziehung
38
und ist nicht selbst für das
34
Vgl. Offen et al. (2003), S. 205 ­ 206.
35
Vgl. Friedman (1996 a), S. 164, Fershtman / Gandal (1998) untersuchen den arabischen Boykott im Jahr
1922/1945 gegen jüdische Geschäfte in Palästina.
36
Der Beitrag von Yao (1990) beschäftigt sich mit der Frage, ob Unternehmen dabei helfen sollen,
Grundrechte wie zum Beispiel die Redefreiheit zu bewahren.
37
Vgl. Smith (1990), S. 209.

8
angeprangerte Verhalten verantwortlich. Da einige Boykotts keinen direkten
Einfluss auf das Boykottziel haben, müssen sie den Druck indirekt über Andere
ausüben. So kann zum Beispiel das politische Fehlverhalten einer Landes-
regierung dafür verantwortlich sein, dass alle Wirtschaftsorgane dieser Nation
zum Boykottziel werden.
39
Boykottinitiatoren haben kaum eine Chance, politische
Institutionen auf direkten Wege für ihr Verhalten und ihre Politik zu bestrafen.
Die betroffenen und meist unschuldigen Unternehmen haben nur die Möglichkeit,
durch politischen Druck auf ihre Regierung dem Boykott entgegenzuwirken.
Dadurch werden dann die Verantwortlichen indirekt zur Rechenschaft gezogen.
40
Jedoch besitzen die Unternehmen nur einen beschränkten politischen Einfluss auf
ihre Landesregierung. Aufgrund dessen ist die Effektivität der Boykottkampagne
gering und das Risiko, Unschuldige zu treffen größer als bei einem direkten
Boykott.
41
Konsumenten haben verschiedene Gründe für eine Boykottteilnahme, die in
instrumentelle und expressive (nicht-instrumentellen) Motiven unterteilt werden
können.
Instrumenteller und expressiver Boykott. Friedman (1991, S. 153) klassifiziert
den ,,Zielerreichungsgrad" der Boykottabsicht in zwei unterschiedliche Haupt-
merkmale, den instrumentellen und expressiven (emotionalen) Boykott.
42
Der instrumentelle oder auch funktionelle Boykott zielt explizit darauf ab, die
Geschäftspraktiken eines Unternehmens langfristig zu verändern und besitzt eine
konkrete Zieldeklaration. Bei einem instrumentellen Boykott sind Ziele und Er-
folge wesentlich einfacher zu messen als bei einem nicht-instrumentellen Boykott,
da die Zielgrößen in den meisten Fällen numerisch definiert werden können.
43
Bei den expressiven oder nicht-instrumentellen Faktoren sprechen wir von
Motiven, welche sich aus der komplexen menschlichen Psyche ableiten lassen.
Dabei entsteht der Nutzen nicht aus der erreichten Verhaltensänderung des
Unternehmens, sondern primär aus dem Abbau der eigenen psychischen
38
Unternehmen, die mit dem Boykottziel in einer wechselseitigen Beziehung stehen, werden in einer
sogenannten öffentlichen schwarzen Liste aufgeführt. Troßman (2005):
Die Deutschen haben weltweit
insgesamt die meisten Marken auf ihrer schwarzen Liste, angeführt von Müller und McDonalds.
39
Vgl. Ettenson / Klein (2005) S. 201: Ein gutes Beispiel ist der Boykott von australischen Konsumenten,
welche französische Unternehmen boykottierten, weil die französische Regierung im September 1995
Nukleartests, im Südpazifik durchführte. Troßman (2005): 33,40 %, der Spanier, 39,76 % der Italiener und
bereits 35,20 % der Chinesen kaufen kein Produkt aus einem Land, das nicht das Kyotoprotokoll respektiert.
GMI (2004) fand heraus dass 20% der europäischen Konsumenten amerikanische Produkte, aufgrund der
einseitigen US-Außenpolitik und der Wiederwahl von President Bush, boykottieren wollen.
40
Da hierbei Unternehmen als Ersatz für das eigentliche Ziel dienen, bezeichnet Friedman (1999 b) S. 33
solch einen Boykott als Surrogatboykott.
41
Vgl. Friedman (1985), S. 109.
42
Vgl. Friedman (1999 a), S. 12 und Friedman (1991), S. 153.
43
Beispiel: Der Erfolg einer angestrebten Preisänderung lässt sich einfach durch die Differenz zwischen dem
alten und neuen Preis ermitteln. Der Wert einer Emotion dagegen ist schwerer zu messen.

9
Spannungen (Wut, Ärger), indem die Individuen ihren Unmut nach außen kehren.
Man kann den expressiven Boykott auch als friedlichen Protest bezeichnen, bei
dem es nicht relevant ist, ob der Boykott tatsächlich zum Erfolg führt, da allein
schon die Teilnahme und das damit verbundene Gefühl, das Unternehmen zu
bestrafen, einen emotionalen Nutzen enthält. Zu den nicht-instrumentellen
Determinanten gehört auch die Steigerung des Selbstwertgefühls, der Wunsch
nach Individualität und moralischer Selbstverwirklichung. In der heutigen
Forschung der individuellen Boykottabsicht vermischen sich diese verschiedenen
Motivationsfaktoren, so dass die Beteiligungsmotive sowohl instrumenteller als
auch expressiver Art sind.
44
Es existiert noch eine dritte Motivationsform der Boykottbeteiligung, die den
nicht-instrumentellen Faktoren zugeordnet werden kann. Dabei handelt es sich um
negative Emotionen, wie beispielsweise Schuldgefühle
45
, die beim Kauf eines
Produktes entstehen, dessen Produktionsprozess moralisch nicht vertretbar ist
oder Unternehmen bereichert, die der Umwelt Schaden zugefügt haben.
2.3 Auswirkungen und Effektivität von Boykottaktionen
Auswirkungen. Durch mehrmalige oder langfristige Boykottkampagnen können
sich Kaufgewohnheiten und politische Verhältnisse so stark verändern, dass
Konsequenzen für die ganze Gesellschaft entstehen
46
: Neben dem individuellen
und gesellschaftlichen Nutzen können dabei auch volkswirtschaftliche Kosten für
die gesamte Gemeinschaft anfallen, da die Boykottteilnehmer zu wenig
konsumieren und der Markt somit aus dem ökonomischen Gleichgewicht gebracht
wird, was wiederum zu Wohlfahrtsverlusten führt.
47
Der aggregierte Nutzen
beziehungsweise Verlust für die Gesellschaft ist von der Beteiligung und Dauer
des Boykotts abhängig, sowie vom Preisniveau und den Elastizitäten von Nach-
frage und Angebot.
48
Der Grund, warum sich Verbraucher trotz individueller
Kosten und signifikanter gesellschaftlicher Wohlfahrtsverluste auf Konsumenten-
seite einem Boykott anschließen, liegt hauptsächlich in der Natur von expressiven
44
Vgl. Belch / Belch (1987), S. 236: Während bei den Boykottteilnehmern eher emotionale Faktoren für eine
starke Beziehung zwischen Einstellung und Boykottabsicht verantwortlich sind, sind Unentschlossene eher
ökonomisch nutzenorientierter eingestellt.
45
Vgl. Klein et al. (2002), S. 364 und 366: Diese Form wird als ,,dirty hands", bzw. bei einer
Boykottteilnahme als ,,clean hands" (gutes Gewissen) bezeichnet.
46
Vgl. wikipedia.de: ein langanhaltender Boykott in Südafrika sollte, aus Protest gegen die Apartheid, durch
eine Reform der Märkte langfristig strukturelle Veränderungen mit sich bringen.
47
Signifikante volkswirtschaftliche Schäden können aber erst auf internationaler Ebene im Rahmen eines
globalen politischen Boykotts entstehen, da hierbei eine ganze Wirtschaft boykottiert wird und nicht nur ein
einzelnes Unternehmen. Fershtman / Gandal (1995), S. 212 beobachteten einen signifikanten
Wohlfahrtsverlust durch den arabischen Boykott.
48
Vgl. Rea (1974), S. 91 - 92.

10
(emotionalen) Teilnahmemotiven.
49
Eine empirische Studie von Tyran und
Engelman (2005) konnte jedoch nicht bestätigen, dass ein Boykott einen
makroökonomischen Einfluss auf den Marktpreis besitzt und dadurch dauerhaft
die Konsumentenrente steigert.
Besteht das Boykottziel lediglich aus einem einzelnen Unternehmen, wird die
Konsumzurückhaltung wohl kaum einen spürbaren Schaden auf die gesamte
Wirtschaft eines Landes haben. Anders hingegen sieht es mit den Verlusten aus
unternehmerischer Sicht aus: Ein erfolgreicher Boykott hat einen negativen
Einfluss auf den Absatz und kann somit den Umsatz spürbar verringern.
50
Jedoch
hält der Druck auf die Marketingpraktiken, aufgrund der meist relativ kurzen
Boykottzeiten nicht langfristig an.
51
Dagegen können Imageschäden, verursacht
durch die Kommunikation des unethischen Verhaltens von Boykottinitiatoren und
Medien, langfristige Folgen haben.
52
Sollte sich der Boykott nur gegen ein
einzelnes Produkt einer Multiproduktfirma richten, kann sich der Imageschaden
auch auf die gesamte Marke verbreiten.
53
Die meisten der größten und
erfolgreichsten Unternehmen weltweit, unabhängig von ihrer Branche, sind an der
Börse involviert. Da der Verbraucherboykott auch einen signifikanten negativen
Einfluss auf den Aktienkurs am Finanzmarkt haben kann, ist er ein
hervorragendes Mittel, um das Management zu disziplinieren und für seine
unerwünschten Handlungsweisen zu bestrafen.
54
So kann allein schon die
Ankündigung eines Boykotts zu einem signifikanten Einbruch des Börsenwertes
führen.
55
In einer anderen Studie beobachtete man entgegen aller Erwartungen
sogar einen marginalen Anstieg des Aktienkurses nach einem Boykott.
56
Die
Erklärung dafür lag in den überproportionalen Anstrengungen des Unternehmens,
dem Boykott entgegenzuwirken.
57
49
Vgl. Tyran und Engelman (2005), S. 11-12.
50
Vgl. Smith (1991), S. 21: Bei einer Analyse des Weintraubenboykotts 1965-1970 in den USA beobachtete
man einen Nachfragerückgang von 20 Prozent.
51
Friedman (1995) beobachtet bei einem ökonomischen Lebensmittelboykott, dass der Preis nach dem
Boykott wieder auf sein ursprüngliches Niveau stieg. Friedman (1999 a), S. 12: Die Dauer der Boykotte, die
aus expressiven Motiven entstanden, waren eher kurzweilig (ein paar Tage bis höchstens eine Woche).
52
In der empirischen Studie von Klein et al. (2004), S. 104 - 105 wurde eine signifikante Beziehung zwischen
dem Niveau der Unerhörtheit und dem Image gemessen. Belch / Belch (1987) fanden bei einer schriftlichen
Umfrage heraus, dass lediglich das Image die Kaufabsichten der Boykottteilnehmer beeinflusste.
53
Weinberger (1986) untersucht den Zusammenhang zwischen dem negativen Einfluss auf ein einzelnes
Produkt und dem gesamten Image eines Multiproduktunternehmens. Miller / Sturdiant (1977) fanden in ihrer
empirischen Studie heraus, dass sozial fragwürdiges Verhalten eines Unternehmensbereiches auch einen
negativen Effekt, ( ,,spill-over-effects") auf die Verkäufe anderer Bereiche des Unternehmens hat.
54
Vgl. Davidson III et al. (1995), S. 190 - 191 und Pruitt / Friedman (1986), S. 382.
55
Friedman (1985), Pruitt / Friedman (1986) und Pruitt et al. (1988) fanden Beweise, dass
Boykottkampagnen den Marktwert eines Unernehmens signifikant reduzieren können.
56
Vgl. Koku et al. (1997), S. 20, Pruitt et al. (1988), S. 289: Das alte Kursniveau pendelte sich nach kurzer
Zeit wieder ein. Teoh et al. (1999) fanden keine signifikanten Effekte des Süd-Afrika Boykotts auf den
Handel von US-Firmen-Anteilen.
57
Vgl. Koku et al (1997), S. 19.

11
Der Boykott kann besonders dann eine effektive und mächtige Waffe sein, wenn
er gegen schwache Ziele eingesetzt wird. Dabei müssen sich die Boykott-
initiatoren ihrer moralischen Verantwortung bewusst sein und berücksichtigen,
welche Auswirkungen ihr Boykottaufruf noch haben kann.
58
So können auch
unschuldige Mitarbeiter, kooperative Firmen oder andere Konsumenten mit
hineingezogen werden, die keine Verantwortung für das Handeln des Boykottziels
besitzen.
59
In einer großen Gesellschaft wird es immer verschiedene Meinungen
und Ansichten zwischen den Wirtschaftsakteuren geben. So besteht hier die Pro-
blematik, dass die Bedrohung durch potentielle Boykottinitiativen die Rede- und
Meinungsfreiheit von Unternehmen und Organisationen einschränken könnte.
60
Effektivität. Wie effektiv ein Boykott letztendlich ist, leitet sich aus dem
Zielerreichungsgrad ab.
61
So ist für einige Boykottinitiatoren schon das Ziel
erreicht, wenn sie langfristig dazu beitragen können, dass die gesellschaftlichen
Grundwerte gewahrt werden, indem die Organisationen mit potentiellen Boykotts
drohen oder möglichst viele Konsumenten an Boykotts teilnehmen, um
gesellschaftliche Zeichen zu setzen.
62
Bei einer ökonomischen Zieldefinition, die
eine nachhaltige Änderung von Geschäftspraktiken bezweckt, ist es wesentlich
einfacher zu messen, inwiefern der Boykott Erfolg hatte. So wird ein Boykott als
effizient und erfolgreich eingestuft, wenn die angestrebte Veränderung der Ver-
haltenspolitik des Unternehmens eingetreten ist.
63
Es gibt verschiedene Variablen,
welche die Effektivität eines Boykotts beeinflussen können. Durch einen Boykott
kann es passieren, dass plötzlich dem Unternehmen relevante Wirtschaftspartner
wie Lieferanten, Händler und anderen Arten von Geschäftsbeziehungen für
ökonomische Handlungen nicht mehr zur Verfügung stehen. Aufgrund der
Befürchtung von Kooperationspartnern, dass durch negative ,,spill-over"-Effekte
auch ihre Erfolgsaussichten unvorteilhaft beeinflusst werden könnten, entsteht ein
ökonomischer Druck seitens der Geschäftspartner, der sich aus den drohenden
Effizienzverlusten ableiten lässt. Je größer die potentiellen Verluste und somit der
ökonomische Druck ist, desto effizienter ist der Boykott.
64
Ist der Kauf oder Konsum des Boykottproduktes für andere Konsumenten
sichtbar, so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Referenzgruppe den Verstoß
58
Vgl. Garret (1986), S. 18.
59
Putnam / Muck (1991), S.8: Der angesprochene Dominoeffekt kann auch in die negative Richtung wirken.
60
Vgl. Jackson / Schantz (1993), S. 30.
61
Vgl. Friedman (1996 a), S. 163: Es ist nicht immer einfach, den Erfolg zu messen und nachzuweisen.
62
Vgl. Friedman (1985), S. 106 ff. und Friedman (1991), S. 155 ff.
63
Vgl. Davidson III et al. (1995), S. 190: Von 59 Unternehmen gaben über 33 Prozent bekannt, ihr Verhalten
zu ändern. Friedman (1999 a) schätzt dass ungefähr 40 Prozent der beobachtete 24 Boykotte erfolgreich
waren.
64
Garret (1987) konnte durch eine empirische Analyse einen signifikanten positiven Einfluss von
ökonomischem und sozialem Druck auf die Effektivität eines Boykotts bestätigen.

12
gegen die gesellschaftlichen Normen realisiert. Dadurch wächst der individuelle
soziale Druck auf den Konsumenten und die potentielle Beteiligung am Boykott
steigt. Die meisten Boykotts basieren eher auf expressiven Motiven und sind
zudem nur von geringer Dauer.
65
Daher ist die Größe der Boykottbeteiligung
besonders relevant, weil das Unternehmen die Nachfrageschwankungen erst ab
einem bestimmten Absatzeinbruch realisiert. Zudem sind Produkte mit einer
hohen Kauffrequenz besser zum Boykott geeignet, als jene welche nur selten
gekauft werden.
66
2.4 Der Boykottinitiator und die Informationsgestaltung
Boykottinitiatoren. Verzichtet ein Konsument aus eigener Motivation heraus auf
ein Produkt, ohne dass dabei im Vorfeld ein Boykottinitiator auf unethisches
Verhalten des Unternehmens hingewiesen hat, kann die Individualhandlung nicht
einem organisierten Boykottverhalten zugeordnet werden.
67
Es handelt sich dann
eher um eine Beschwerdeform unzufriedener Kunden, die ihre Konsumenten-
souveränität ausüben.
Friedman (1971) beobachtete in einer deskriptiven Studie, dass die Initiatoren
tendenziell jung und gut gebildet sind, aus dem Mittelstand kommen und zum
größten Teil aus Hausfrauen bestehen.
68
Die typischen Boykottgruppierungen
bestehen aus gesellschaftlichen Gruppen oder sogenannten Nicht-Regierungs-
Organisationen, welche sich nach Verbraucherverbänden, Gewerkschaften,
Organisationen für politische oder religiöse Minderheiten, Umweltschützern und
Menschenrechtsorganisationen klassifizieren lassen, abhängig davon, welche
politisch, ethisch oder gewerkschaftlich orientierten Ziele verfolgt werden.
69
Die Anzahl der Teilnehmer an einem Boykott ist davon abhängig, wie
glaubwürdig die Initiatoren auftreten und wie gut sie die Wünsche und Interessen
der Konsumenten vertreten können.
70
Dabei wird es jedoch für die Organisationen
immer schwieriger, trotz umfangreicher Auswahl an Kommunikationsmedien, auf
die Missstände und unerwünschten Handlungsweisen aufmerksam zu machen.
71
65
Vgl. Friedman (1999 a), S.12.
66
Vgl. Rea (1974), S. 92.
67
Vgl. Lindenmeier / Tscheulin ( vorauss. 2008).
68
Vgl. Friedman (1971), S. 22: Individuen mit diesen Eigenschaften waren bei Demonstrationen und
Boykottaktionen in der Mehrheit.
69
Vgl. Friedman (1991), S. 152 und Friedman (1985), S. 101.
70
Vgl. Herrman (1991), S. 129.
71
Friedman (1996 a), S. 156 ff. gibt einen Überblick über beobachtete Vorgehensweisen bisheriger
Boykottkampagnen. Siehe hierzu auch Friedman (1991), S. 158 sowie Friedman (1999 a), S. 8. Neben den
Medien gibt es aber noch andere Handlungsmöglichkeiten, um auf das unethische Verhalten aufmerksam zu
machen. Dazu gehören zum Beispiel öffentliche Protestdemonstrationen vor den Vertriebs- und
Produktionsstätten, die direkt in das Marktgeschehen eingreifen sollen.

13
Menschen besitzen nur eine begrenzte Aufnahmekapazität und sind durch die
heutige Informationsflut aus Internet, Fernsehen, Presse und anderen Medien
bereits überladen.
72
Aufgrund dessen ist es für den Boykottinitiator von
besonderem Interesse, welche Informationsgestaltung die größte Wirkung auf die
Aufmerksamkeit der Konsumenten hat.
Informationsgestaltung. Das Interesse an einem Boykott wird im Allgemeinen
am ehesten geweckt, wenn die Information über das unethische Handeln den
Konsumenten auf emotionale Weise berührt.
73
So haben visuelle Gestaltungs-
komponenten, bei denen Kinder und junge Tiere miteinbezogen werden, ein
besonders hohes Potential, die Aufmerksamkeit auf die Problematik zu lenken.
74
Es wird jedoch immer schwieriger, die Gefühle der potentiellen Aktivisten zu er-
regen, da immer mehr Menschen gegen schockierende und skandalisierende
Nachrichten abgehärtet sind.
75
So sollte zusätzlich die relative Bedeutung des
sozialen gesellschaftlichen Gemeinnutzens kommuniziert werden und gezeigt
werden wie einfach es ist, sich dem kollektiven Handeln anzuschließen.
76
Ob die
Botschaft positiv oder negativ formuliert werden sollte, ist abhängig von den
jeweiligen Eigenschaften der Zielgruppe.
77
Sen et al. (2001) beobachteten in ihrer
Studie, dass nach einer positiv formulierten Botschaft andere individuelle
Entscheidungsfaktoren, wie beispielsweise die erwartete Beteiligung oder die
eigene empfundene Effizienz, an Relevanz verlieren. Dagegen konstatiert
Carvalho (2003) keinen signifikanten Einfluss der Boykottbotschaft auf die
Teilnahmeentscheidung.
2.5 Forschungsüberblick bisheriger Beiträge
Konzeptionelle und makroökonomische Beiträge zum Thema Boykott. Um
einen konzeptionellen Überblick über das ökonomische Phänomen des Boykotts
zu erhalten, empfehlen sich die wissenschaftlichen Arbeiten von Gelb (1995) und
Friedman (1985 - 1999). In diesen Beiträgen werden Ursprung, Definition und
Bedeutung eines Boykotts erläutert, es wird der Begriff kategorisiert und von
anderen ökonomischen Konstrukten abgegrenzt. Weitere Erkenntnisse über
Verbraucherboykotts und Merkmale der Boykottsponsoren, sowie deren
Vorgehensweisen und Erfolge finden sich in der umfangreichen Arbeit von
72
Backer (2001) beschäftigt sich mit dem Einfluss der Medien auf den Boykott und beschreibt diesen auf
S. 237 anhand von 4 Boykottbeispielen.
73
Vgl. Zack (1991), S. 13.
74
Vgl. Friedman (1991), S. 162.
75
Vgl. Herrman (1993), S. 133.
76
Vgl. Wiener / Döscher (1991), S. 44 ff.
77
Vgl. Lindenmeier / Tscheulin ( vorauss. 2008).

14
Friedman (1999 a). Gelb (1995) beschreibt in seiner wissenschaftlichen Arbeit die
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Boykotts in den USA. Am Anfang
standen verstärkt die Boykottinitiatoren sowie deren Ziele und Erfolge im
Zentrum der Boykottforschung und nicht etwa die Variablen des individuellen
Entscheidungsprozesses der Konsumenten. Da in Kapitel 2.1­2.2 schon auf
Arbeiten ausführlich hingewiesen wurde, die sich mit der Begriffsabgrenzung und
Systematisierung beschäftigen, soll an dieser Stelle nicht nochmals auf diese
Thematik eingegangen werden.
Eine Übersicht über große Verbraucherboykotts des 20. Jahrhunderts finden sich
in den deskriptiven Arbeiten von Friedman (1985,1990 und 1995), sowie in Smith
(1990).
78
Die Ergebnisse von diesen Studien zeigen, dass sich Konsumenten-
boykotts in den USA immer weiter verbreiten und erfolgreicher sind.
79
Einen umfassenden Überblick über bisherige Arbeiten mit allgemeinem und
makroökonomischem Fokus erhält man durch den ,,State-of-the-Art" Beitrag von
Lindenmeier und Tscheulin ( vorauss. 2008).
Es gibt aber auch zahlreiche makroökonomische Beiträge, wie zum Beispiel von
Innes (2006), der zeigt wie sich Umweltorganisationen und duopolische
Unternehmen bei symmetrischer Informationsverteilung, unvollkommenem
Wettbewerb und perfekter elastischer Nachfrage verhalten. Kritikos und Bolle
(2004) untersuchen dagegen das Verhalten von Monopolisten und analysieren die
Wirksamkeit von Boykotts gegen dominante Unternehmen. Rea (1974) leitete
einen formalen Ansatz her, welcher der Analyse von Wohlfahrtseffekten bei
Boykottkampagnen dienen soll. Tyran und Engelmann (2005) analysieren mit
einer experimentellen Studie, wie sich das Marktgleichgewicht bei einem Boykott
verändert und welche Wohlfahrtseffekte entstehen.
Die wirtschaftswissenschaftlichen Arbeiten von Putnam und Muck (1991),
Putnam (1993) sowie Friedman (1991, 1996) geben Boykottinitiatoren Tipps, wie
sie ihren Boykott effizienter gestalten können. Neben den Erkenntnissen aus der
Forschung der individuellen Boykottentscheidung, sollen Beiträge von Pagan
(1986), Davidson (1995), Jackson und Schantz (1993), sowie Maccabee (1997)
dem Management durch Handlungsempfehlungen helfen, sich auf einen
möglichen Boykott einzustellen und Krisenstrategien zu entwickeln.
78
Friedman (1985): Mit einer multiplen Methode werden 90 historische Boykotte aus dem Zeitraum von
1970 bis 1980 betrachtet, um die Eigenschaften der Boykottinitiatoren zu analysieren und den Boykotterfolg
zu bewerten. In Friedman (1995) geht es primär um den Einfluss von Boykottaktivitäten auf die
Lebensmittelpreise im Zeitraum von 1900 ­ 1970 und die Merkmalen der Boykottteilnehmer. Diese Boykotte
fanden alle in den USA statt.
79
Auch Jackson / Schantz (1993), S. 28-29 zeigen, dass einige Boykotte sehr erfolgreiche waren.

15
Beiträge zum individuellen Boykottverhalten. In einem Literaturüberblick von
Garrett (1987), Klein et al. (2004) und Lindenmeier und Tscheulin ( vorauss.
2008) wird das bisherige Schrifttum der Forschung zum individuellen
Boykottverhalten vorgestellt. Gegenstand der Forschung ist dabei die individuelle
Boykottentscheidung der einzelnen Konsumenten. Friedman (1971) erforscht in
einer explorativen Studie die persönlichen und demografischen Merkmale, sowie
die Motive von Boykottführern in 72 lokalen Protestorganisationen. Die erste
Auswertung über die Charaktereigenschaften von Boykottteilnehmern stammt von
Mahoney (1976). Er beobachtet bei einem Verbraucherboykott von 1973 den
positiven Zusammenhang zwischen dem individuellen Wertesystem und den
Glauben, zum Erfolg beitragen zu können. Zudem suggeriert er eine positive
Korrelation zwischen empfundener Effizienz und Boykottteilnahme. Eine
Feldstudie von Miller und Sturdivant (1977) widmet sich der Einstellung des
Konsumenten zur sozialen Verantwortung und kommt zum Ergebnis, dass eine
unerhörte Handlung eines Geschäftsbereiches in einem Unternehmen einen
negativen aber geringen Einfluss auf die Verkäufe in allen Bereichen dieses
Unternehmens hat. Belch und Belch (1987) beobachten, dass die Einstellung zum
Produkt bei den Konsumenten mit Boykottneigung durch das Image, bei den
anderen Konsumenten durch den funktionellen Produktnutzen beeinflusst wird.
Garrett (1987) kritisiert die bis dato veröffentlichte Forschung und fasst bisherige
Erkenntnisse in 6 Faktoren der individuellen Boykottentscheidung zusammen.
80
So müssen potentielle Boykottteilnehmer erst einmal informiert und dadurch
aktiviert werden, da sie aus einer Unwissenheit heraus keine Motivation
entwickeln können. Mit der Ausprägung der individuellen Wertevorstellungen
kann die Wahrscheinlichkeit einer Teilnahme variieren. Zudem sollten die Ziele
des Boykotts mit der individuellen Einstellung und dem persönlichen
Wertesystem der Teilnehmer übereinstimmen. Eine weitere Determinante ist die
empfundenen Teilnahmekosten bei einer Boykottbeteiligung. Zusätzlich existiert
ein sozialer Druck, der durch andere Konsumenten verursacht wird und dadurch
die individuelle Boykottentscheidung beeinflusst. Als letztes ist die
Glaubwürdigkeit der Absichten des Boykottinitiators eine wichtige Variable im
Entscheidungsprozess. Elder (1987) fokussieren in ihrer Telefonumfrage den
positiven Einfluss des sozialen Bewusstseins auf die Boykottbereitschaft. Dabei
80
Vgl. Garret (1987), S. 48: Folgende Kritikpunkte werden genannt:
1)
Nur der ökonomische Druck besitzt einen Einfluss auf die Effizienz.
2)
Die Boykottziele wurden bis dato in der Boykottforschung vernachlässigt.
3)
Es existiert keine ausreichend theoretische Fundierung der Hypothesen.
4)
Mangel an empirischem Erklärungsgehalt.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836616324
DOI
10.3239/9783836616324
Dateigröße
753 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg – Volkswirtschaftslehre, Studiengang Volkswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2008 (Juli)
Note
2,0
Schlagworte
boykott konsument verbraucher boykottmodell theory
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Titel: Konsumentenboykott
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