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Werttreiber- vs. Branchenorientierte Auswahl von Vergleichsunternehmen

Eine empirische Untersuchung von Multiplikatorverfahren

©2008 Diplomarbeit 88 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Der Markt für Unternehmenstransaktionen, seien es Fusionen, Käufe oder Verkäufe ganzer Unternehmen oder auch nur einzelner Unternehmensteile, ist seit den Krisenjahren 2001/2002 durch deutliche Wachstumsraten charakterisiert. Dies ist zum einen auf den aktuellen Trend der Branchenkonsolidierung zurückzuführen. So wurde erst kürzlich neben der geplanten Fusion von Microsoft und Yahoo bekannt, dass auch die Postbank in Deutschland die Bankenmarktkonsolidierung vorantreiben möchte.
Zum anderen trennen sich immer mehr Firmen zwecks Konzentration auf ihr Kerngeschäft von ihren nicht strategischen Beteiligungen. Ebenfalls hat die Aktivität von Private Equity Gesellschaften als Käufer und Verkäufer von Unternehmen in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen, was ihren Teil zum Anstieg der Transaktionen beitrug.
Unternehmensbewertungen stellen ein fundamentales Element im Rahmen von Unternehmenstransaktionen dar. Bewertungen können durch die in Deutschland und international weit verbreiteten Ertragswert- oder Discounted-Cashflow-Verfahren erfolgen. Neben diesen, oft als komplex und undurchsichtig bezeichneten Ansätzen erfreuen sich vergleichsorientierte Bewertungen, sogenannte Multiplikatorverfahren, aufgrund ihrer intuitiven Verständlichkeit steigender Beliebtheit.
Bei Multiplikatorverfahren werden vergleichbare Unternehmen, Unternehmenstransaktionen oder Börsengänge identifiziert, um über deren Wert auf den Wert des zu bewertenden Unternehmens schließen zu können. Das Kriterium der Vergleichbarkeit sowie dessen, in der wissenschaftlichen Literatur fehlende explizite Definition, stellt den Anwender dieser Methode in der Praxis vor zu lösende Probleme.
Vor diesem Hintergrund setzt sich die vorliegende Arbeit mit der Theorie und den Methoden der Unternehmensbewertung auseinander, wobei der Schwerpunkt auf dem in der wissenschaftlichen Literatur bislang relativ wenig beachteten Multiplikatorverfahren liegt.
Ziel der Arbeit ist es, neben dem Aufzeigen der Methodik und möglicher Problemfelder der Multiplikatorbewertung, existierende Ansätze zur Bestimmung von Vergleichsunternehmen anhand empirischer Befunde kritisch auf ihre Effizienz hin zu evaluieren. Dabei ist es nicht Ziel der Arbeit der Frage nachzugehen, nach welchen Ansätzen vergleichbare Transaktionen oder Börsengänge bestimmt werden sollten oder welchen Multiplikatoren in der Praxis aufgrund der Qualität der Bewertungsergebnisse der Vorzug gewährt werden […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltverzeichnis

Darstellungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
1.2 Gang der Untersuchung

2 Grundlegendes zur Unternehmensbewertung
2.1 Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung
2.2 Werttheorien
2.2.1 Abgrenzung der Begriffe Wert und Preis
2.2.2 Objektive Unternehmensbewertung
2.2.3 Subjektive Unternehmensbewertung
2.2.4 Funktionale Unternehmensbewertung
2.3 Anlässe einer Unternehmensbewertung
2.4 Funktionen einer Unternehmensbewertung
2.5 Zwischenfazit

3 Methoden der Bewertung
3.1 Zusammenhang zwischen Funktion und Methodik einer Unternehmensbewertung
3.2 Einzelbewertungsverfahren
3.3 Gesamtbewertungsverfahren
3.3.1 Überblick
3.3.2 Ertragswertverfahren
3.3.3 DCF-Verfahren
3.3.3.1 Bedeutung und Definition der DCF-Verfahren
3.3.3.2 WACC-Verfahren
3.3.3.3 APV-Verfahren
3.3.3.4 Equity-Verfahren
3.4 Kritische Würdigung der DCF-Verfahren

4 Vergleichsorientierte Unternehmensbewertung
4.1 Konzeption
4.2 Funktionen der Multiplikatorbewertung
4.3 Klassifizierung von Multiplikatoren
4.4 Herleitung ausgewählter Multiplikatoren
4.4.1 EV/Sales-Multiplikator
4.4.2 EV/EBIT(DA)-Multiplikator
4.4.3 Price/Earnings-Multiplikator
4.4.4 Weitere Multiplikatoren
4.5 Durchführung der Multiplikatormethode
4.5.1 Systematisierung der Multiplikatorbewertung
4.5.2 Analyse des Bewertungsobjektes
4.5.3 Ermittlung der Vergleichsunternehmen
4.5.4 Bestimmung eines geeigneten Multiplikators
4.5.5 Auswahl der Bewertungsperiode
4.5.6 Datenerhebung und Bereinigung
4.5.7 Aggregierung der Vergleichsunternehmen
4.5.8 Ergebnisermittlung
4.5.9 Bewertungszu- und -abschläge
4.6 Problemfelder der Multiplikatormethode
4.6.1 Ansatz zur Vergleichsgruppenbestimmung
4.6.2 Vorzunehmende Bereinigungen
4.6.2.1 Finanzierungsstruktur der Vergleichsunternehmen
4.6.2.2 Rechnungslegungsvorschriften und Steuern
4.7 Bestimmung von Vergleichsunternehmen anhand fundamentaler Werttreiber
4.8 Würdigung der Multiplikatormethode

5 Empirische Untersuchung zur Vergleichsgruppenbestimmung
5.1 Gegenstand und Ziele der Untersuchung
5.2 Methodik der Untersuchung
5.2.1 Datenerhebung
5.2.1.1 Beschreibung der Grundgesamtheit
5.2.1.2 Erhobene Finanzdaten der Grundgesamtheit
5.2.1.3 Bereinigungen der Grundgesamtheit
5.2.2 Definition der Vergleichsgruppen
5.2.2.1 Einleitung
5.2.2.2 Branchenorientierte Vergleichsgruppe
5.2.2.3 Werttreiberorientierte Vergleichsgruppen
5.2.2.4 Marktvergleichsgruppe
5.2.3 Analyse der Daten
5.3 Ergebnisse der Untersuchung
5.4 Interpretation der Ergebnisse
5.5 Kritische Würdigung der Ergebnisse

6 Schlussbetrachtung und Ausblick

Anhang

Literaturverzeichnis

Quellenverzeichnis

Darstellungsverzeichnis

Darstellung 1. GICS Branchenklassifizierung

Darstellung 2. Ergebnisse der Untersuchung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit

Der Markt für Unternehmenstransaktionen, seien es Fusionen, Käufe oder Verkäufe ganzer Unternehmen oder auch nur einzelner Unternehmensteile, ist seit den Krisenjahren 2001/2002 durch deutliche Wachstumsraten charakterisiert. Dies ist zum einen auf den aktuellen Trend der Branchenkonsolidierung zurückzuführen. So wurde erst kürzlich neben der geplanten Fusion von Microsoft und Yahoo bekannt, dass auch die Postbank in Deutschland die Bankenmarktkonsolidierung vorantreiben möchte.

Zum anderen trennen sich immer mehr Firmen zwecks Konzentration auf ihr Kerngeschäft von ihren nicht strategischen Beteiligungen. Ebenfalls hat die Aktivität von Private Equity Gesellschaften als Käufer und Verkäufer von Unternehmen in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen, was ihren Teil zum Anstieg der Transaktionen beitrug.

Unternehmensbewertungen stellen ein fundamentales Element im Rahmen von Unternehmenstransaktionen dar. Bewertungen können durch die in Deutschland und international weit verbreiteten Ertragswert- oder Discounted-Cashflow-Verfahren erfolgen. Neben diesen, oft als komplex und undurchsichtig bezeichneten Ansätzen erfreuen sich vergleichsorientierte Bewertungen, sogenannte Multiplikatorverfahren, aufgrund ihrer intuitiven Verständlichkeit steigender Beliebtheit.

Bei Multiplikatorverfahren werden vergleichbare Unternehmen, Unternehmenstransaktionen oder Börsengänge identifiziert, um über deren Wert auf den Wert des zu bewertenden Unternehmens schließen zu können. Das Kriterium der Vergleichbarkeit sowie dessen, in der wissenschaftlichen Literatur fehlende explizite Definition, stellt den Anwender dieser Methode in der Praxis vor zu lösende Probleme.

Vor diesem Hintergrund setzt sich die vorliegende Arbeit mit der Theorie und den Methoden der Unternehmensbewertung auseinander, wobei der Schwerpunkt auf dem in der wissenschaftlichen Literatur bislang relativ wenig beachteten Multiplikatorverfahren liegt.

Ziel der Arbeit ist es, neben dem Aufzeigen der Methodik und möglicher Problemfelder der Multiplikatorbewertung, existierende Ansätze zur Bestimmung von Vergleichsunternehmen anhand empirischer Befunde kritisch auf ihre Effizienz hin zu evaluieren. Dabei ist es nicht Ziel der Arbeit der Frage nachzugehen, nach welchen Ansätzen vergleichbare Transaktionen oder Börsengänge bestimmt werden sollten oder welchen Multiplikatoren in der Praxis aufgrund der Qualität der Bewertungsergebnisse der Vorzug gewährt werden sollte.

1.2 Gang der Untersuchung

Nach der Einführung, der Beschreibung der Problemlage sowie der Definition des Ziels dieser Arbeit, werden in Kapitel 2 zunächst Grundsätze der Unternehmensbewertung und allgemeine Bewertungstheorien behandelt, wodurch ein Grundverständnis der Materie vermittelt werden soll.

Gegenstand des Kapitels 3 ist es, einen kurzen Überblick über ausgewählte, am Markt gängige Bewertungsmethoden zu schaffen und mögliche Problemfelder der Methoden aufzuzeigen. Es wird das Ertragswert- und Discounted-Cashflow-Verfahren einführend dargelegt, wobei eine detaillierte und umfassende Diskussion der einzelnen Methoden nicht Gegenstand dieser Arbeit ist.

In Kapitel 4 wird anschließend das Multiplikatorverfahren, als Alternative zu den vorgestellten Ertragswert- und Discounted-Cashflow-Verfahren, ausführlich beschrieben. Es werden hinsichtlich der Werthaltigkeit der Aussagen des Multiplikatoransatzes ein formeller Bezug dieses Verfahrens zu den in Kapitel 3 behandelten Bewertungsmethoden hergestellt sowie praktische Problemfelder des Verfahrens identifiziert.

Von denen in Kapitel 4 angesprochenen Problemfeldern der Multiplikatorbewertung wird in Kapitel 5 das Problem der Bestimmung einer geeigneten Vergleichsgruppe erneut aufgegriffen. Anhand einer eigenen empirischen Untersuchung zum Einfluss der Art der Vergleichs-gruppenbestimmung auf die Schätzgenauigkeit der Multiplikatorbewertung wird versucht, Lösungsansätze für selbiges Problem aufzuzeigen.

In Kapitel 6 werden abschließend die Ergebnisse der Arbeit hinsichtlich der Zielsetzung zusammengetragen, relativiert und weiterführende Forschungs-themen bezüglich Multiplikatorbewertungen eruiert.

2 Grundlegendes zur Unternehmensbewertung

2.1 Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung

Ziel einer Unternehmensbewertung ist es, den ökonomischen Wert eines Unternehmens zu bestimmen. Dieser Wert ist durch den zukünftigen Nutzen gekennzeichnet, den das Unternehmen einem kaufinteressierten Subjekt stiftet. In der wissenschaftlichen Diskussion hat sich der Zukunftserfolgswert als für die Unternehmensbewertung maßgeblich herauskristallisiert. Dieser leitet sich aus dem Barwert der finanziellen Überschüssen her, die ein Unternehmen unter Fortführung der Geschäftstätigkeit in der Zukunft erwirtschaften wird. Der Zukunftserfolgswert kann durch das Ertragswertverfahren oder durch das Discounted-Cashflow-Verfahren (DCF-Verfahren) ermittelt werden. Auf beide Verfahren wird in Kapitel 3 näher eingegangen.

Unter Grundsätzen ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung ist nach Moxter ein System von Bewertungsnormen zu verstehen. Dieses System soll eine Anleitung zu zweckentsprechender Unternehmensbewertung geben und sowohl den Bewertenden vor „Kunstfehlern“ als auch die Adressaten der Bewertung vor wirtschaftlichen Nachteilen schützen.[1] Moxter, der als erster grundlegende Ansätze zur ordnungsmäßigen Unternehmensbewertung verfasste, definiert 24 Grundsätze.[2] Neben den Ansätzen von Moxter, die bis zum heutigen Tag in Theorie und Praxis ihre Relevanz nicht verloren haben, definiert das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) sieben Grundsätze zur Ermittlung von Unternehmenswerten, welche den Rahmen für die Problemlösung jedes einzelnen Bewertungsfalls abstecken.[3]

Standardisierte, von allen Seiten anerkannte Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung können im Hinblick auf die wissenschaftliche Literatur zu diesem Themengebiet nicht definiert werden, da Art und Umfang der Grundsätze in der Literatur stark variieren und keine Standardisierung zulassen.

2.2 Werttheorien

2.2.1 Abgrenzung der Begriffe Wert und Preis

Bevor im Folgenden auf die verschiedenen Konzeptionen der Bewertungstheorie eingegangen wird, soll der Unterschied zwischen den Begriffen „Wert“ und „Preis“ kurz dargelegt werden.[4]

Der Wert eines Unternehmens leitet sich aus den zukünftigen Zahlungsströmen zwischen dem Unternehmen und dessen Anteilseignern ab. Es kann zwischen dem Gebrauchswert, Tauschwert und Ertragswert differenziert werden. Güter, die Leistungen hervorbringen und damit ihrem Eigentümer einen Wert stiften, haben einen Ertragswert, der damit für die Unternehmensbewertung maßgeblich ist.

Im Gegensatz zum Wert eines Unternehmens bildet sich dessen Preis auf dem Kapitalmarkt durch Aufeinandertreffen von Angebot und Nachfrage, wobei selbige wesentlich von der Grenznutzenschätzung der Marktteilnehmer beeinflusst werden.[5]

2.2.2 Objektive Unternehmensbewertung

Im Rahmen der objektiven Unternehmensbewertung ist es die Absicht des Bewertenden, das Unternehmen möglichst losgelöst von den Bewertungs-interessen einer Einzelperson zu bewerten. Der objektiv ermittelte Wert soll dem Unternehmen wie eine Eigenschaft anhaften, und ist von jedem Marktteilnehmer realisierbar.[6] Diese entpersonifizierte Wertermittlung ist z.B. Aufgabe eines Wirtschaftsprüfers, wenn dieser die Funktion eines neutralen Gutachters wahrnimmt.[7]

2.2.3 Subjektive Unternehmensbewertung

Bei dieser Form der Unternehmensbewertung finden die subjektiven Planungen und Vorstellungen des Bewertungsinteressenten Beachtung.[8] Der ermittelte Unternehmenswert kann in Folge dessen nur von dem spezifischen Bewertungsinteressenten realisiert werden. Ein Unternehmen hat somit nicht einen allgemeingültigen Wert wie bei der objektiven Bewertung, sondern für jedes Bewertungssubjekt „[…] grundsätzlich [einen] verschiedenen, spezifischen Wert […]“[9], da auch Synergieeffekte in die Bewertung mit einbezogen werden. Der subjektiven Unternehmensbewertung liegen die Prinzipien der Zukunftsbezogenheit und der Gesamtbewertung zugrunde, der adäquate Wertansatz ist der Zukunftserfolgswert.

2.2.4 Funktionale Unternehmensbewertung

Die funktionale Unternehmensbewertung versucht, die kontroversen Sichtweisen der objektiven und subjektiven Bewertung zu überwinden.[10]

Zentraler Aspekt dieser Bewertungsform ist die Zweckabhängigkeit des (subjektiven) Unternehmenswerts. So gibt es nach Moxter „[…] den schlechthin richtigen Unternehmenswert [nicht]: Da Unternehmenswertmitteilungen sehr unterschiedlichen Zwecken dienen können, ist der richtige Unternehmenswert der jeweils zweckadäquate“[11]. So kann ein Unternehmen für ein und denselben Bewertungsadressaten verschiedene Werte haben, je nach dem vorgegebenen Zweck der Bewertung. Da die Bewertung zweckabhängig erfolgt, „[existiert] der Unternehmenswert und das Verfahren zu seiner Ermittlung [..] nicht“[12].

2.3 Anlässe einer Unternehmensbewertung

Unternehmensbewertungen werden in der Praxis auf Basis verschiedener Bewertungsanlässe durchgeführt. In der Literatur finden sich verschiedene Klassifizierungen, nach denen sich die Anlässe ordnen lassen.

Die Notwendigkeit der Analyse der Bewertungsanlässe begründen Matschke/Brösel damit, dass der Bewertungszweck[13], das daraus folgende zweckmäßige Bewertungsverfahren und das daraus resultierende Bewertungsergebnis nur mit Blick auf den Bewertungsanlass sinnvoll konkretisiert werden können, da sie mit ihm in Zusammenhang stehen bzw. von ihm determiniert werden.[14]

Das IDW unterscheidet drei Bewertungsanlässe: Bewertungen aufgrund gesetzlicher Regelungen, vertraglicher Vereinbarungen oder aus sonstigen Gründen.[15]

Bewertungen aufgrund gesetzlicher Regelungen haben ihren Ursprung insbesondere in den Vorschriften des Aktiengesetzes und des Umwandlungsgesetzes.[16]

Bewertungen auf vertraglicher Grundlage betreffen z.B. den Eintritt und Austritt von Gesellschaftern aus Personengesellschaften sowie Erbauseinandersetzungen und Abfindungsfälle im Familienrecht.

Unter sonstigen Gründen für eine Unternehmensbewertung fasst das IDW Bewertungen im Zusammenhang mit unternehmerischer Initiative zusammen. Hierzu zählen Käufe und Verkäufe von Unternehmen, Börsengänge, Buy Out-Transaktionen, Bewertungen im Rahmen von wertorientierten Managementkonzepten sowie Bewertungen aus steuerrechtlichen Gründen.

Peemöller und Seppelfricke schlagen vor, dass eine mögliche Klassifizierung der Bewertungsanlässe auch in Anbetracht des Lebensphasenzykluses eines Unternehmens getroffen werden kann.[17]

Matschke/Brösel schlagen des Weiteren vor, die Bewertungsanlässe nach der Änderung der Eigentumsverhältnisse des Unternehmens zu klassifizieren.[18] Besonderes Augenmerk legen sie auf die Unterscheidung zwischen Konfliktsituationen vom Typ Kauf/Verkauf und Fusion/Spaltung einerseits und in dominierte und nicht dominierte Konfliktsituationen andererseits. Eine nicht dominierte Konfliktsituation liegt vor, wenn jede Partei die Verhandlungen jederzeit abbrechen kann. Entsprechend hat bei einer dominierten Konfliktsituation nur eine der involvierten Parteien diese Option.

Aufgrund der Vielzahl der in der Praxis auftretenden Bewertungsanlässe hat sich in der Literatur bislang keine von allen Seiten akzeptierte Klassifizierung durchgesetzt.

2.4 Funktionen einer Unternehmensbewertung

Die funktionale Unternehmensbewertung hat sich sowohl in der wissenschaftlichen Literatur als auch im praktischen Bewertungsalltag als maßgeblich etabliert.[19] Im Folgenden sei daher das Augenmerk auf ihre Funktionen gerichtet.

Die funktionale Unternehmensbewertung unterscheidet zwischen drei Haupt- und drei Nebenfunktionen.[20] Als Hauptfunktionen werden die Entscheidungs-, Vermittlungs- und die Argumentationsfunktion genannt. Das IDW negligiert die Argumentationsfunktion, führt jedoch die Funktion eines neutralen Gutachters als dritte Hauptfunktion der Unternehmensbewertung an.[21] Als Nebenfunktionen werden in der Literatur die Informations-, Steuerbemessungs- und Vertragsgestaltungsfunktion aufgeführt.

Coenenberg/Schultze weichen von der Abgrenzung gemäß der funktionalen Bewertungstheorie ab. Sie ordnen die einzelnen Funktionen der Bewertung vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung des Shareholder-Value-Gedankens (SHV-Gedanken) neu.[22] Im Rahmen ihrer Klassifizierung ergeben sich fünf Bewertungsfunktionen: die Gutachterliche Bewertung, beratungsorientierte Bewertung im Rahmen von Unternehmenskäufen, die relative Bewertung am Kapitalmarkt sowie gemäß des SHV-Gedankens die Bewertung für das wertorientierte Controlling und die Fair Value-Ermittlung im Reporting.

2.5 Zwischenfazit

Auch wenn in der Praxis keine offiziellen, in der Gesetzgebung verankerten Grundsätze für eine ordnungsmäßige Unternehmensbewertung existieren, so kann dennoch von einer weltweit akzeptierten „Best-Practise“ der Bewertung gesprochen werden. In dieser „Best-Practise“ lassen sich auch die Grundsätze von Moxter wiederfinden.

Von allen Seiten akzeptiert wird der Ansatz der funktionalen Unternehmensbewertung. So wird ein Subjekt den Wert eines Unternehmens jeweils anders beurteilen, wenn dieses Unternehmen entweder gekauft, verkauft oder hinsichtlich steuerlicher Belange bewertet werden muss. Dieser Ansatz macht es daher erforderlich, dass jede an einer Unternehmenstransaktion beteiligte Partei ihre eigene Bewertung durchführt. Im Folgenden sollte dann während der Vertragsverhandlungen durch die Entscheidungs-, Vermittlungs- und Argumentationsfunktion der Bewertung ein Konsens über den zu zahlenden Preis zwischen den Parteien erreicht werden.

3 Methoden der Bewertung

3.1 Zusammenhang zwischen Funktion und Methodik einer Unternehmensbewertung

Unter einer Methode zur Unternehmensbewertung ist die Art der Ermittlung eines Unternehmenswertes zu verstehen. Wie erörtert, wurde durch die Begründung der funktionalen Bewertungstheorie eine Abgrenzung nach den Funktionen einer Unternehmensbewertung möglich. Die verschiedenen Funktionen erfordern ihrerseits verschiedene Methoden um eine fundierte Bewertung durchführen zu können.

Eine Bewertungskonzeption ist durch den Bewertungszweck und die diesem Zweck jeweils dienende Methode gekennzeichnet.[23] Die unterschiedlichen Bewertungszwecke werden in der Praxis durch unterschiedliche Bewertungsmethoden gelöst, wobei nachhaltig zu überprüfen ist, ob die gewählte Methode und die ihr zugrundeliegenden Prämissen mit dem Bewertungszweck vereinbar sind, und ob die eventuell durch eine zweckmäßigere Bewertungsmethode erzielbaren Verbesserungen[24] bezüglich des Unternehmenswert vernachlässigt werden können.[25] Eine Bewertungs-methode gilt als überlegen, wenn deren Informationsgehalt der situativen Zielsetzung der Bewertung am besten gerecht wird.[26]

Grundsätzlich werden die Methoden der Unternehmensbewertung in drei Kategorien eingeteilt: Einzelbewertungsverfahren, Gesamtbewertungs-verfahren und Misch- bzw. kombinierte Bewertungsverfahren.[27]

Im Rahmen einer Einzelbewertung wird der Unternehmenswert aus der Summe der einzelnen Bestandteile des Unternehmens errechnet. Es muss somit für jeden einzelnen Unternehmensbestandteil dessen Wert berechnet werden. Als problematisch erweist sich dabei, dass positive und negative Verbund- und Synergieeffekte nur schwer zu erfassen und zu bewerten sind.

Beim Gesamtbewertungsverfahren wird das Unternehmen hingegen als Bewertungseinheit angesehen, dessen zukünftiger Gesamtertrag für die Bewertung maßgeblich ist.

Mischverfahren ziehen nicht nur die Substanz eines Unternehmens, wie Einzelbewertungsverfahren, mit in die Bewertung ein, sondern berücksichtigen ebenfalls dessen Ertragskraft. Zu den Mischverfahren zählen das Mittelwert-, das Übergewinn- und das Stuttgarter Verfahren.[28] Da das Stuttgarter Verfahren lediglich zur Klärung steuerrechtlicher Fragen angewandt wird, und sowohl das Mittelwert- als auch das Übergewinnverfahren keine bedeutende Praxisrelevanz aufweisen, werden diese Verfahren nicht näher betrachtet.

3.2 Einzelbewertungsverfahren

Der Unternehmenswert wird bei diesem Verfahren durch eine isolierte Bewertung der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden des Unternehmens zu einem bestimmten Stichtag ermittelt. Dabei leitet sich der so genannte Substanzwert des Unternehmens durch Subtraktion des Schuldenwerts vom Wert der einzelnen Vermögensgegenstände ab.[29] Der Substanzwert kann dabei auf Basis von Reproduktions- oder Liquidationswerten errechnet werden.[30]

Grundannahme des Substanzwertverfahrens auf Reproduktionswerten ist es, dass das zu bewertende Unternehmen weitergeführt wird (Going Concern- Prinzip), und dass alle betriebsnotwendigen Vermögensgegenstände entsprechend ihrer Wiederbeschaffungs- oder Zeitwerte reproduziert werden. Eine besondere Problematik stellt dabei die Bewertung der immateriellen Vermögensgegenstände, wie z.B. Kundenbeziehungen oder die Qualität der Mitarbeiter, sowie der fehlende Bezug zu den zukünftigen finanziellen Überschüssen des Unternehmens dar. Als Rechtfertigungsgrundlage für das Substanzwertverfahren gilt die Normalwerthypothese.[31]

Aufgrund der genannten Problemfelder kommt dem Substanzwertverfahren in der Bewertungspraxis und nach den IDW Standards keine eigenständige Bedeutung in der Unternehmensbewertung zuteil.[32]

3.3 Gesamtbewertungsverfahren

3.3.1 Überblick

Zu den Gesamtbewertungsverfahren zählen das Ertragswertverfahren, die aus der angloamerikanischen Bewertungstheorie stammenden DCF-Verfahren und die relative Bewertung von Unternehmen durch die verschiedenen Ausprägungen der Multiplikatorverfahren.

Ebenfalls zu den Gesamtbewertungsverfahren zählen Realoptions-bewertungen. Im Rahmen dieser Arbeit soll auf dieses Verfahren jedoch nicht näher eingegangen werden. Zur Erklärung wird auf die angegebene Literatur verwiesen.[33]

Nachfolgend sollen die Grundkonzeptionen des Ertragswert- und DCF-Verfahrens verdeutlicht werden. Der Konzeption, Funktionsweise und Anwendung der Multiplikatorverfahren wird in Kapitel 4 im Detail Rechnung getragen.

3.3.2 Ertragswertverfahren

Das Ertragswertverfahren zielt auf die zukünftig zu erwartenden Erträge aus dem Unternehmen ab. Durch deren Diskontierung mit einem risikoadäquaten Diskontierungssatz wird der Barwert der künftigen Erträge des Unternehmens bestimmt. Deren Summe, unter Addition des Barwerts der erwarteten Liquidationserlöse des nicht betriebnotwendigen Vermögens, resultieren im gesuchten Wert des Unternehmens. Formell, unter der Annahme einer unendlichen Unternehmensdauer, errechnet sich der Unternehmenswert UW nach dem Ertragswertverfahren wie folgt:[34]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (1)

Et künftig erwarteter Unternehmensertrag in der Periode t

r Kalkulationszinsfuß

N0 Barwert der erwarteten Liquidationserlöse aus der Veräußerung des
nicht betriebnotwendigen Vermögens

Nach Moxter ist unter dem Unternehmensertrag Et „[…] [die] Summe aller Vorteile, die der Unternehmenseigner aus dem Unternehmen erwarten darf [zu verstehen]“[35]. Genau wie der Unternehmensertrag, ist auch der Kalkulationszinsfuß aus der Sicht des (potentiellen) Unternehmenseigners zu bestimmen und bemisst sich an dessen bester alternativer Kapitalanlage. Es ist hierbei auf Laufzeit- und Risikokongruenz zu achten.

Das Ertragswertverfahren kann demnach als entscheidungsorientiertes und individualistisches Verfahren interpretiert werden, welches das Bewertungs-subjekt in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt.

Die Definition des Unternehmensertrags nach Moxter lässt erheblichen Spielraum für Interpretationen, so dass sich in der Literatur und in der Bewertungspraxis verschiedene Ertragsbegriffe herausgebildet haben.[36]

Legt man die Erkenntnisse der Investitionstheorie zugrunde, so stellen die Netto-Cashflows zwischen Eignern und Unternehmen einerseits und zwischen dem Unternehmen und Dritten andererseits den richtigen Ertragsbegriff dar. Diese Ansicht vertritt auch das IDW in seiner Definition des bewertungsrelevanten Unternehmensertrags.[37] Alle von dieser Definition abweichenden Ertragsbegriffe stellen lediglich eine Bewertungsvereinfachung und Komplexitätsreduzierung dar, die mit einer größer werdenden Ungenauigkeit des Bewertungsergebnisses einhergehen.[38]

Sowohl in der Praxis als auch in den IDW Standards wird zur Prognose der zukünftigen Erträge in der Regel ein Zwei-Phasen-Modell empfohlen. Die erste Planungsphase (Detailplanungsperiode) berücksichtigt meist die kommenden drei bis fünf Geschäftsjahre. Ihr schließt sich die zweite Planungsphase an, die als Continuing Value (CV) bezeichnet wird. Im Rahmen des Zwei-Phasen-Modells wird eine unendliche Lebensdauer des Unternehmens unterstellt, wobei der CF die Zeitspanne vom Ende der Detailplanungsperiode bis in die, unterstellte, unendliche Zukunft abdeckt.[39]

Die Unsicherheit der zukünftigen Unternehmenserträge schlägt sich, genau wie die geforderte Mindestrendite des Bewertungssubjektes, im Kalkulationszinsfuß nieder. Dieser kann durch Anwendung der Sicherheitsäquivalenzmethode oder der Risikozuschlagsmethode an das empfundene Risiko des Eintritts der erwarteten Unternehmenserträge angepasst werden.[40] Sowohl vom IDW als auch international wird die Risikozuschlagsmethode präferiert. Wenn die Risikozuschläge marktorientiert, z.B. über das Capital Asset Pricing Model[41] (CAPM) ermittelt werden, und die abgezinsten Unternehmenserträge den Ausschüttungen an die Unternehmenseigner entsprechen, kann das Ertragswertverfahren mit dem im Folgenden dargestellten Equity-Approach des DCF-Verfahrens gleichgesetzt werden.[42]

3.3.3 DCF-Verfahren

3.3.3.1 Bedeutung und Definition der DCF-Verfahren

Die aus dem angloamerikanischen Raum stammenden DCF-Verfahren stellen international die am häufigsten verwendeten Bewertungsverfahren dar.[43] Die weltweit hohe Akzeptanz dieser Verfahren begründet sich unter anderem darin, dass die Anzahl internationaler Unternehmenstransaktionen, die häufig von angloamerikanischen Investmentbanken begleitet werden (welche diese Verfahren präferieren), in den vergangenen Dekaden einen starken Anstieg verzeichneten. Auch in der nationalen Bewertungspraxis hat ein Umdenken stattgefunden, sodass das IDW neben dem Ertragswert- nun auch das DCF-Verfahren in seinen Bewertungsstandards anerkennt.[44]

Die als kapitalmarkttheoretisch zu bezeichnenden DCF-Verfahren beruhen auf dem Gegenwarts-, Barwert- oder Kapitalwertkalkül. Zur Begriffsabgrenzung führen Matschke/Brösel an, dass DCF-Verfahren nicht auf investitionstheoretischen Modellen aufbauen. Die in den Verfahren angewandten Diskontierungssätze werden aus kapitalmarkttheoretischen Ansätzen und Gleichgewichtsmodellen, im Wesentlichen aus dem CAPM und der von Modigliani/Miller begründeten Irrelevanzthese, abgeleitet.[45]

Es wird zwischen drei verschiedenen Ausprägungen des DCF-Verfahrens unterschieden, wobei die drei Ausprägungen nach Brutto- und Nettoverfahren zu klassifizieren sind.

Das sogenannte Weighted-Average-Cost-of-Capital-Verfahren (WACC-Verfahren) und das Adjusted-Present-Value-Verfahren (APV-Verfahren) werden als Bruttoverfahren, das Equity-Verfahren als Nettoverfahren bezeichnet. Unterschiede zwischen den drei Verfahren lassen sich in der Abgrenzung der zu diskontierenden Cashflows, der verwendeten Diskontierungssätze und der Berücksichtigung der zeitlichen Veränderungen der Kapitalstruktur finden.[46]

Im Folgenden werden die drei DCF-Verfahren anhand ihrer grundlegenden Charakteristika einführend dargestellt. Für eine detaillierte Darstellung der Verfahren wird auf die angegebene Literatur verwiesen.

3.3.3.2 WACC-Verfahren

Als eine Ausprägung des Bruttoverfahrens errechnet sich der Unternehmenswert beim WACC-Verfahren in zwei Schritten. In einem ersten Schritt wird der Marktwert des Gesamtkapitals (UWFCF) berechnet, indem die periodenspezifischen Free Cashflows (FCF)[47] mit dem WACC (ksf) diskontiert werden. Bei dem sogenannten FCF-Ansatz des WACC-Verfahrens wird bei der Herleitung des FCF unterstellt, dass das Unternehmen rein eigenfinanziert ist. Eventuelle Steuerersparnisse aufgrund der Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen werden im Cashflow nicht berücksichtigt, finden aber in der Kalkulation des Unternehmenswertes Eingang im Diskontierungssatz durch i * (1 - s), wobei s den durchschnittlichen Unternehmenssteuersatz angibt.[48] FK/GKf stellt die mit Marktwerten gemessene Fremdkapitalquote, EK/GKf die Eigenkapitalquote, rsf die Renditeforderung der Eigenkapitalgeber und i die Fremdkapitalkosten dar.

In einem zweiten Schritt wird durch Abzug des Fremdkapitals (FK) der Marktwert des Eigenkapitals (EKFCF) bestimmt.

Formell lässt sich der FCF-Ansatz im Zwei-Phasen-Modell wie folgt darstellen:[49]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (2)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (3)

Ein alternativer WACC-Ansatz basiert auf den sogenannten Total Cashflows (TCF). Bei dem TCF-Ansatz werden die Effekte der Steuerersparnis nicht im Diskontierungssatz, sondern in der Berechnung des zu diskontierenden Cashflows berücksichtigt.[50]

Hinsichtlich der Behandlung von Steuereffekten sei darauf hingewiesen, dass in allen DCF-Modellen lediglich Unternehmenssteuern Beachtung finden. Laut IDW müssen jedoch ebenfalls die Steuereffekte auf Anteilseignerseite bei der Bewertung mit in Betracht gezogen werden.[51] In der Bewertungspraxis wird des Öfteren auf die Modellierung dieses Effektes aus Gründen der Komplexitätsreduzierung verzichtet. Im Einzelfall ist zu überprüfen, ob die daraus resultierende eingeschränkte Aussagekraft der Bewertung vertretbar ist.

3.3.3.3 APV-Verfahren

Da es sich beim APV-Verfahren ebenfalls um ein Bruttoverfahren handelt, wird der Marktwert des Eigenkapitals in zwei Schritten ermittelt.[52]

Grundannahme ist, dass das zu bewertende Unternehmen vollständig eigenfinanziert ist. Die für das APV-Verfahren relevanten Cashflows (maßgeblich sind die FCF) werden daher ausschließlich mit der Renditeforderung der Eigenkapitalgeber des (fiktiven) unverschuldeten Unternehmens diskontiert. In Folge der angenommenen kompletten Eigenfinanzierung übernehmen die Eigenkapitalgeber kein finanzwirtschaftliches, sondern nur noch operatives Risiko.

Der durch Diskontierung der FCF ermittelte Gesamtwert des (fiktiv unverschuldeten) Unternehmens wird in einem zweiten Schritt durch Hinzurechnung des Barwerts der Steuervorteile (sogenanntes „Tax Shield“) aus der anteiligen Fremdfinanzierung in den Gesamtwert des verschuldeten Unternehmens überführt. In einem letzten Schritt ist der Marktwert des Fremdkapitals zu subtrahieren, um den Marktwert des Eigenkapitals des verschuldeten Unternehmens zu bestimmen.[53]

Bei der Diskontierung der Steuervorteile ist hinsichtlich der Bestimmung des Diskontierungssatzes besonderes Augenmerk auf die vom Unternehmen geplante Finanzierungsstrategie zu legen.[54]

Probleme bereitet in der Praxis regelmäßig die Ermittlung der Renditeforderung der Anteilseigner für das (fiktiv) unverschuldete Unternehmen, da am Markt in der Regel keine unverschuldeten Unternehmen zu Vergleichszwecken ausgemacht werden können. Sind die Renditeforderungen für das verschuldete Unternehmen bekannt, und wird eine autonome Finanzierungsstrategie unterstellt, so lässt sich die Renditeforderung für das unverschuldete Unternehmen bestimmen.[55]

3.3.3.4 Equity-Verfahren

Das Equity-Verfahren wird als Nettoverfahren bezeichnet, da das Ergebnis der diskontierten Cashflows ohne weitere Rechenschritte den Marktwert des Eigenkapitals widergibt. Der zu diskontierende Flow-to-Equity (FTE) beinhaltet bereits die Zahlungen an die Fremdkapitalgeber wie Zins- und Tilgungszahlungen einerseits und Einzahlungen durch Aufnahme neuer Fremdkapitalmittel andereseits.[56]

Im Falle eines Zwei-Phasen Equity-Verfahrens führen Matschke/Brösel bezüglich der verwendeten Renditeforderung der Anteilseigner für das verschuldete Unternehmen als Diskontierungssatz auf, dass dieser vom Finanzierungs- und operativen Investitionsrisiko abhängig ist. [57] Im Falle einer unterstellten autonomen Finanzierungspolitik würde sich die Kapitalstruktur des Unternehmens im Zeitverlauf ändern, was zu periodenspezifischen Renditeforderungen der Anteilseigner, und damit zu einem – wie auch beim WACC-Verfahren – Zirkularitätsproblem führt. Durch eine wertorientierte Finanzierungspolitik kann zwar ein Zirkularitätsproblem vermieden werden, allerdings stellt die periodische Anpassung des Fremdkapitals zur Beibehaltung der Zielkapitalstruktur den Bewerter vor ein Problem bei der Ermittlung des zu diskontierenden FTE, da die zukünftigen Zinszahlungen separat geschätzt und modelliert werden müssen.

3.4 Kritische Würdigung der DCF-Verfahren

In der Bewertungspraxis finden die vorgestellten DCF-Verfahren als Standardinstrumente der Unternehmensbewertung international weit verbreitete Anwendung. Ihr kapitalmarkttheoretischer Bezug in Kombination mit weltweit anerkannten Risiko- und Finanzierungsmodellen wie dem CAPM oder der Irrelevanzthese von Modigliani/Miller lässt ein fundiertes Ergebnis der Unternehmenswertberechnung erwarten. Zudem sind die Verfahren mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung vereinbar.

Matschke/Brösel sehen hingegen den Nutzen der DCF-Verfahren aus einer anderen Sicht. Sie argumentieren, dass DCF-Verfahren zwar die Funktion der Ermittlung eines Argumentationswertes erfüllen, für die Entscheidungswertermittlung jedoch nicht geeignet sind, da sie „[…] das hypothetische Ziel der Marktwertmaximierung verfolgen [und] […] auf der heuristischen Synthese der kapitalmarkttheoretischen Ansätze des CAPM und von Modigliani/Miller [beruhen], welche unterschiedliche, aber generell wirklichkeitsferne Modellannahmen miteinander kombinieren“[58]. Ferner, so Matschke/Brösel „wirft die zu beobachtende pragmatische Verknüpfung des CAPM- und des Modigliani/Miller-Konzeptes […] weitere Schwierigkeiten auf, denn die konzeptionellen Annahmen dieser Konzepte weichen nicht nur wesentlich voneinander ab, sondern sind im Grunde sogar inkompatibel“[59]. Dies ist darauf zurückzuführen, dass z.B. der Betrachtungszeitraum des CAPM zwei Zeitpunkte oder eine Periode beträgt, während Modigliani/Miller in ihrem Modell die Situation einer ewigen Rente unterstellen. Ferner sind die Subjekte des CAPM risikoscheu, die der Modigliani/Miller-Welt zeichnen sich jedoch durch Präferenzfreiheit bezüglich des Risikos aus.[60]

Weitere Probleme ergeben sich in der Praxis bei den DCF-Verfahren allein aufgrund der umfangreichen und zeitaufwendigen Berechnung der zu diskontierenden Cashflows und der in diesem Zusammenhang notwendigen Erstellung von aufeinander abgestimmten Plan-Bilanzen, Plan-Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Finanzplanungen.[61] Die Simulierung dieser Planzahlen erhöht nicht nur die in der Bewertung enthaltene Unsicherheit, sondern erweitert den Spielraum zur taktischen Beeinflussung des Bewertungsergebnisses. Des Weiteren stellt die angesprochene Zirkularität der Bewertung den Anwender vor weitere Probleme.

[...]


[1] Vgl. Moxter (1983), Einleitung.

[2] Vgl. Moxter (1983), S. 1 ff.

[3] Vgl. Institut der Wirtschaftspürfer (2000), IDW S1, S. 1ff.; Peemöller (2005b), S. 29 ff.; Matschke/Brösel (2005), S. 616 ff. zur Erklärung und Kommentierung.

[4] Vgl. Matschke/Brösel (2005), S. 14 ff.

[5] Vgl. zum Zusammenhang zwischen Wert und Preis Seppelfricke (2005), S. 2, Peemöller (2005), S. 3 f. Vgl. zur Abgrenzung von Wert und Preis Institut der Wirtschaftsprüfer (2000), IDW S1, S. 6.

[6] Vgl. Peemöller (2005), S. 4 f.

[7] Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer (2000), IDW S1, S. 5.

[8] Vgl. Matschke/Brösel (2005), S. 18 ff.; Peemöller (2005), S. 6 f.

[9] Matschke/Brösel (2005), S. 18.

[10] Vgl. Matschke/Bröse l (2005), S. 22 ff.; Peemöller (2005), S. 7 f.

[11] Moxter (1983), S. 6.

[12] Matschke/Brösel (2005), S. 23.

[13] Die Begriffe Bewertungszweck und Bewertungsfunktion werden im Folgenden synonym verwendet.

[14] Vgl. Matschke/Brösel (2005), S. 75, Born (1995), S. 17 und Peemöller (2005a), S. 17.

[15] Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer (2000), IDW S1, S. 4 f.

[16] Vgl. hierzu beispielhaft § 305, § 320 AktG sowie § 19, § 29 UmwG.

[17] Vgl. Peemöller (2005a), S. 17 ff.; Seppelfricke (2005), S. 4 ff.

[18] Vgl. Matschke/Brösel (2005), S. 75 ff., Matschke (1979), S. 31. Eine ähnliche Klassifizierung findet sich bei Drukarczyk (2003), S. 122 ff.

[19] Vgl. Matschke/Brösel (2005), S. 22 ff.

[20] Vgl. hierzu grundlegend Matschke/Brösel (2005), S. 49 ff. Eine Abgrenzung der Bewertungsfunktionen auf Grundlage der objektiven und subjektiven Bewertungstheorie findet sich bei Seppelfricke (2005), S. 6 ff.

[21] Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer (2000), IDW S1 S. 5 f.

[22] Vgl. Coenenberg/Schultze (2002), S. 599 f.

[23] Vgl. Coenenberg/Schultze (2002), S. 598.

[24] „Verbesserungen“ des Unternehmenswertes sind zweck- und subjektabhängig zu sehen.

[25] Vgl. Matschke/Brösel (2005), S. 102.

[26] Vgl. Bausch (2000), S. 448.

[27] Vgl. Matschke/Bröse l (2005), S. 103 ff.; Mandl/Rabel (2005), S. 51.

[28] Vgl. Ernst/Schneider/Thielen (2006), S. 5 ff.

[29] Vgl. Mandl/Rabel (2005), S. 79 ff. Für eine ausführlichere Darstellung der Substanzwert-methode siehe Sieben/Maltry (2005), S. 377 ff.

[30] Zur Abgrenzung und Definition der unterschiedlichen Reproduktionswerte siehe Ernst/Schneider/Thielen (2006), S. 3 ff.

[31] Vgl. Moxter (1983), S. 45 ff.

[32] Vgl. Institut der Wirtschaftspürfer (2000), IDW S1, S. 40.

[33] Zur Erklärung des Realoptions-Ansatzes siehe beispielsweise Ernst/Schneider/Thielen (2003), S. 239 ff.

[34] Vgl. Mandl/Rabel (2005), S. 52 ff. Siehe zur ausführliche Darstellung des Ertragswertverfahrens nach dem IDW Institut der Wirtschaftsprüfer (2000), IDW S1 S. 25 ff.; Peemöller/Kunowski (2005), S. 201 ff.

[35] Moxter (1983), S. 9.

[36] Vgl. Mandl/Rabel (2005), S. 53 ff.

[37] Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer (2000), IDW S1 S. 9 ff.

[38] Vgl. Mandl/Rabel (2005), S. 58.

[39] Vgl. Mandl/Rabel (2005), S. 58 f. Eine mathematische Darstellung des Zwei-Phasen-Modells erfolgt bei der Erörterung der DCF-Verfahren.

[40] Vgl. Mandl/Rabel (2005), S. 62 f.

[41] Zur Einführung und Herleitung des Capital Asset Pricing Models vgl. grundlegend
Sharp e (1964), S. 425 – 442, Lintner (1965), S. 13 – 37 und Mossin (1966), S. 768 – 783. Siehe außerdem zum CAPM, dessen Prämissen und grundlegende Kritik an dem Modell Matschke/Brösel (2005), S. 25 ff.

[42] Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer (2000), IDW S1 S. 21 ff.; Mandl/Rabel (2005), S. 62 f. Für ausführliche Erläuterungen zum Zusammenhang zwischen dem Ertragswertverfahren und dem DCF-Verfahren siehe Ballwieser (2005), S. 363 ff.

[43] Vgl. Matschke/Brösel (2005), S. 536 f.

[44] Vgl. hierzu Beatge/Niemeyer/Kümmel (2005), S. 268 ff.; Institut der Wirtschaftsprüfer (2000), IDW S1 S. 25 ff.

[45] Vgl. hierzu Matschke/Brösel (2005), S. 557 ff. Zur Irrelevanzthese von Modigliani/Miller siehe Modigliani/Miller (1958), S. 261 – 297 bzw. Matschke/Brösel (2005), S. 41 ff. für weitere Ausführungen und Kritik an der Irrelevanzthese.

[46] Vgl. zur detaillierten Darstellung und Erörterung der DCF-Verfahren Beatge/Niemeyer/Kümmel (2005), S. 268 ff.; Matschke/Brösel (2005), S. 557 ff.; Ernst/Schneider/Thielen (2006), S. 27 ff.; Drukarczyk (2003), S. 199 ff.

[47] Vgl. Beatge/Niemeyer/Kümmel (2005), S. 283 zur Herleitung der Free Cashflows.

[48] Zum Einfluss der Steuerersparnis durch die Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen siehe Modigliani/Miller (1963), S. 433 – 443.

[49] Vgl. Matschke/Brösel (2005), S. 570 ff. Hinsichtlich des bestehenden Zirkularitäts-problems siehe Beatge/Niemeyer/Kümmel (2005), S. 305 ff.

[50] Vgl. Beatge/Niemeyer/Kümmel (2005), S. 284 f. zur Herleitung der Total Cashflows bzw. Matschke/Brösel (2005), S. 576 ff. zur formellen Darstellung des TCF-Ansatzes.

[51] Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer (2000), IDW S1 S. 11. Zum Einfluss der Steuern beim Anteilseigner siehe Ernst/Schneider/Thielen (2006), S. 100 ff.

[52] Vgl. zur ausführlichen Darstellung des APV-Ansatzes Drukarczyk (2003), S. 209 ff.; Beatge/Niemeyer/Kümmel (2005), S. 309 ff.

[53] Auf eine formelle Darstellung des APV-Ansatzes wird aufgrund der Ähnlichkeit zum WACC-Ansatz verzichtet. Vgl. zum APV-Ansatz Matschke/Brösel (2005), S. 578 ff.

[54] Es ist zwischen autonomer und unternehmenswertorientierter Finanzierungsstrategie zu unterscheiden. Vgl. hierzu Beatge/Niemeyer/Kümmel (2005), S. 310 f.

[55] Vgl. Mandl/Rabe l (2005), S. 70 f. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Bewertende auch unter diesen Annahmen mit einem Zirkularitätsproblem konfrontiert ist.

[56] Vgl. Beatge/Niemeyer/Kümmel (2005), S. 285 f. zur Herleitung des FTE, Matschke/Brösel (2005), S. 582 ff. zum Zusammenhang zwischen FCF und FTE. Siehe zur formellen Darstellung des Equity-Verfahrens sowie für ausführlichen Erklärungen Drukarczyk (2003), S. 301 ff.

[57] Vgl. Matschke/Brösel (2005), S. 582 f.

[58] Matschke/Brösel (2005), S. 584.

[59] Matschke/Brösel (2005), S. 584.

[60] Vgl. Matschke/Brösel (2005). S. 47.

[61] Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer (2000), IDW S1 S. 10.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836616317
DOI
10.3239/9783836616317
Dateigröße
723 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Münster – Wirtschaft, Studiengang European Business Programme
Erscheinungsdatum
2008 (Juli)
Note
1,0
Schlagworte
unternehmensbewertung multiplikatorverfahren vergleichsunternehmen werttreiber branche
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Titel: Werttreiber- vs. Branchenorientierte Auswahl von Vergleichsunternehmen
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