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Biomasseanbau und Naturschutz

©2007 Examensarbeit 127 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Nicht erst seit der Veröffentlichung des Klimafolgenberichts des Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC 2007) ist der Klimaschutz weltweit zu einer der wichtigsten Zukunftsaufgabe der internationalen Gemeinschaft geworden. Aktuell aufgelegte Programme der EU und der Bundesregierung planen als Gegenmaßnahme zu befürchteten Klimaänderungen eine massive Stärkung der Erneuerbaren Energien. Die Zielvorgaben für den Ausbau Erneuerbarer Energien wurden dafür laufend nach oben korrigiert. Bis 2020 soll in Deutschland der Anteil der Erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch im Wärmesektor auf 14 Prozent, bei den Kraftstoffen auf 17 Prozent und im Stromsektor auf 27 Prozent ansteigen.
Dies soll unter anderem durch eine starke Steigerung des Einsatzes von Biomasse erfolgen. Biomasse ist weltweit verfügbar und in Deutschland, in der EU und auch weltweit eine der wichtigsten erneuerbaren Energiequellen. Ihr Hauptvorteil liegt darin, dass sie als einzige Form Erneuerbarer Energien sowohl für die Strom- als auch für die Wärme- und Kraftstofferzeugung eingesetzt werden kann. Der Einsatz von Biomasse wird aber nicht nur aus klimapolitischen Gründen gefördert, sondern er dient auch der Einkommenssicherung im ländlichen Raum und der langfristigen Versorgungssicherheit insbesondere im Hinblick auf die politische Instabilität der erdölfördernden Länder.
Bis vor kurzer Zeit wurde Biomasse vor allem in Form von Holz für die Wärmegewinnung energetisch genutzt. Doch seit der Novellierung des Erneuerbaren Energiengesetzes (EEG) kam es zu einem regelrechten Boom von landwirtschaftlichen Biogasanlagen, der nach gängigen Prognosen noch lange anhalten wird. Aber auch im Mineralölbereich ist durch das Mineralölsteuergesetz und die Europäische Richtlinie „zur Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen“, die einen Mindestanteil von 5,75 Prozent bis 2010 (EU Biokraftstoffrichtlinie 2003) vorsieht, ein weiteres Wachstum im Kraftstoffmarkt vorherzusehen. Voraussehbar ist, dass sich als Folge die Ausdehnung des Anbaus von nachwachsenden Rohstoffen in nächster Zeit gewaltig verstärken wird. Die Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe geht davon aus, dass in Deutschland bis 2030 ausgehend von 1,75 Million Hektar über 4 Millionen Hektar (von insgesamt 12 Millionen) Ackerfläche für die Produktion von nachwachsenden Energieträgern benötigt werden wird. Das Kapitel 1 dieser Arbeit widmet sich ganz der zunehmenden Bedeutung des Anbaus von […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltverzeichnis

Einleitung

1. Zunehmende Bedeutung des Anbaus von Biomasse für Strom-, Wärme- und Kraftstoffgewinnung in Deutschland
1.1 Stromerzeugung durch Biomasse in Deutschland – Zustand und Entwicklung
1.2 Wärmeerzeugung durch Biomasse- Zustand und Entwicklung
1.3 Kraftstoffproduktion durch Biomasse - Zustand und Entwicklung
1.4 Flächenmäßige Bedeutung des landwirtschaftlichen Biomasseanbaus- Zustand und Entwicklung

2. Analyse und Bewertung der Auswirkungen des Biomasseanbaus auf Natur und Landschaft
2.1 Auswirkungen auf Naturhaushalt und Naturausstattung
2.1.1 Beeinträchtigung von Boden, Arten und Wasser durch Pflanzenschutzmitteleinsatz
2.1.2 Eutrophierung von Gewässer und Biotopen
2.1.3 Erosionsgefährdung des Bodens
2.1.4 Verdichtung des Bodens
2.1.5 Beeinträchtigungen von Arten und Lebensgemeinschaften
2.1.6 Gewässerbelastungen
2.1.7 Vergleich der Auswirkungen auf Natur und Landschaft von Biomasseanbauverfahren mit anderen Anbauverfahren
2.2 Auswirkungen der Biomasseproduktion auf Landschaftsstruktur und Landschaftsbild
2.2.1 Beeinflussung des Landschaftsbildes durch hochwüchsige Kulturen (wie Mais) oder Aufforstung (Kurzumtriebswäldern)
2.2.2 Beeinträchtigung der Vielfalt der landwirtschaftlichen Kulturen durch Biomasseanbau
2.3 Befragung von Naturschutzbehörden bezüglich festgestellter Auswirkungen des zunehmenden Biomasseanbaus auf Natur und Landschaft
2.4 Fazit Auswirkung des Biomasseanbaus auf Natur und Landschaft

3. Prognostizierte Folgewirkungen eines weiter zunehmenden Biomasseanbaus auf die Bodennutzung: Die Flächenkonkurrenz
3.1 Gefährdung der traditionellen Kulturlandschaft zur Nahrungsmittelproduktion
3.2 Zurückdrängen des ökologischen Landbaus
3.3 Konkurrenz zur Schutzgebietsausweisung (Grunderwerb, Vertragsnaturschutz)
3.4 Empirische Untersuchungen der Flächennutzungskonkurrenzen durch den Biomasseanbau

4. Entwicklung ökologischer Standards für den Biomasseanbau
4.0 Einführung
4.1 Nachhaltige Nutzungsverfahren für den Biomasseanbau
4.1.1 Nutzung von Grünland für die Biomassenutzung
4.1.2 Nutzung von Waldholz als Biomasse
4.1.3 Biomasseanbau auf Standorten mit niedrigen Erträgen
4.1.4 Möglichkeit der Nutzung von anfallenden Reststoffen als Biomasse
4.1.5 Biomassenutzung von Brachflächen
4.2 Ökologische Maßnahmen beim Biomasseanbau
4.2.1 Anlage von Blühstreifen
4.2.2 Extensivierte Ackerrandstreifen
4.2.3 Anlage von verknüpfenden Landschaftselementen
4.2.4 Anpassung der Zeitpunkte der Ernte
4.3 Reduzierung des Anbaus von Biomasse mit schlechter Klimabilanz
4.4 Ökologischen Landbau für die Produktion von Biomasse
4.5 Tabellarische Darstellung von ökologischen Umweltstandards für den Biomassenanbau
4.5.0 Einführung
4.5.1 Standards zur Vielfalt der landwirtschaftlichen Kulturarten und dem Erhalt des Grünlandes
4.5.2 Standards für den Boden- und Wasserschutz
4.5.3 Standards für die Vielfalt von Strukturen und des Landschaftsbildes
4.5.4 Standards für den Artenschutz
4.5.5 Standards für die Vermeidung von Flächenkonkurrenzen mit Naturschutz, Ökolandbau, Kulturlandschaft
4.5.6 Standards für Holz als Biomasse
4.5.7 Standards für Reststoffnutzung
4.5.8 Standards zur Zertifizierung
4.5.9 Klimapolitische Standards
4.5.10 Sonstige Standards

5. Möglichkeiten zur Steuerung des Biomasseanbaus in Deutschland
5.0 Einführung
5.1 Lenkung der Biomassenutzung mit Instrumenten aus dem Bereich des Landwirtschaftsrechts
5.1.1 Der Biomasse-Aktionsplan der EU
5.1.2 Flächenstilllegungsprämie
5.1.3 Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) Reform und Änderung der Flächenstilllegungsquote
5.1.4 Cross-Compliance Regelungen, auch den Biomasseanbau betreffend
5.1.5 Weitere Richtlinien und Verordnungen auf EU-Ebene den Biomasseanbau betreffend
5.1.6 Landwirtschaftsgesetz BRD
5.2 Lenkung der Biomassenutzung mit Instrumenten aus dem Naturschutzrecht
5.2.1 Bundesnaturschutzgesetz
5.2.2 Lenkung des Biomasseanbaus mittels Flächenschutz
5.2.3 Lenkung des Biomasseanbaus über die Landschaftsplanung
5.3 sonstige Instrumente der Lenkung des Biomasseanbaus
5.3.1 Quoten für Biokraftstoffe
5.3.2 Steuerbefreiung zur Förderung von Biokraftstoffen
5.3.3 Erneuerbares Energien Gesetz
5.3.4 Biomasseverordnung
5.3.5 Marktanreizprogramm
5.3.6 Markteinführungsprogramm biogene Treib- und Schmierstoffe
5.3.7 Lenkung des Biomasseanbaus über die Regionalplanung
5.3.8 Lenkung des Biomasseanbaus im Bundesbodenschutzgesetz
5.3.9 Lenkung der Biomassenutzung mittels Bundeswaldgesetz
5.3.10 Regelungen bezüglich Biomasse im Bundesimmissionsschutzgesetz

6. Anpassung des Landwirtschaftsrechts und Naturschutzrechts zur Absicherung eines natur- und landschaftsverträglichen Biomasseanbaus
6.0 Einführung
6.1 Anpassung des Landwirtschaftsrechts
6.1.1 Erarbeitung einer „guten fachliche Praxis“ für den Biomasseanbau
6.1.2 Reform der Förderinstrumente des Biomasseanbaus
6.1.3 Verknüpfung von Biomasseanbau mit dem Vertragsnaturschutz
6.1.4 Erweiterung der Idee des Cross-Compliance
6.1.5 Integration eines umweltgerechten Anbaus von Biomasse in die Agrarstrukturelle Entwicklungsplanung
6.1.6 Betriebsindividuelle Förderung von Maßnahmen für Natur und Landschaft mittels Biomasseanbau
6.1.7 Sonstige Anpassungen im Landwirtschaftsrecht
6.2 Anpassung des Naturschutzrechts
6.2.1 Nachhaltiger Anbau von Biomasse als Kompensationsmöglichkeit der Eingriffsregelung
6.2.2 Umweltverträglicher Biomasseanbaus in Schutzgebieten über Pflege- und Entwicklungspläne
6.2.3 Biomasselenkung über Landschaftsplanung
6.3 sonstige Steuerungsmöglichkeiten
6.3.1 Genehmigungspraxis von zusätzlichen Biogasanlagen ändern
6.3.2 Raumplanerische Lenkung des Biomasseanbaus
6.3.3 Regionale Potenzialanalyse und Festlegung von Nutzungsgrenzen als Vorbeit für die raum- und landschaftsplanerische Lenkung
6.3.4 Weiterentwicklung des EEG nach ökologischen Kriterien
6.3.5 Weiterentwicklung der Biokraftstoffförderung
6.3.6 Import von Biomasse und Einführung eines international anerkannten Zertifizierungssystems
6.3.7 Änderung der Kriterien für die Förderung mittels zinsgünstiger Kredite über die KfW
6.4 Zusammenfassung der Reformüberlegungen nach Ansatzpunkten

Resümee

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Klimapolitische Ziele der Bundesregierung

Abbildung 2 Struktur der Endenergiebereitstellung aus erneuerbaren Energien in Deutschland im Jahre 2005

Abbildung 3 Anteil der Energiebereitstellung aus erneuerbaren Energien in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2006 mit Prognosen für 2010, 2020 und 2030

Abbildung 4 Stromerzeugung durch Biomasse in Deutschland

Abbildung 5 Biogasanlagen in Deutschland

Abbildung 6 Struktur der Wärmebereitstellung aus Erneuerbaren Energien in Deutschland

Abbildung 7 Menge von bereitgestellter Wärmeenergie durch Biomasse in Deutschland

Abbildung 8 Biokraftstoffleistungen im Vergleich

Abbildung 9 Anbau nachwachsender Rohstoffe in Deutschland

Abbildung 10 Flächenpotenzial für nachwachsende Rohstoffe verschiedener Studien

Abbildung 11 Zukünftige Flächenkonkurrenz

Abbildung 12 Flächennutzung in Deutschland 2006

Abbildung 13 Landwirtschaftlich genutzte Fläche in Deutschland

Abbildung 14 Änderung der Landnutzung in Niedersachsen

Abbildung 15 Hauptkulturen mit prozentualem Flächenumfang der befragten Betriebe vor Umstellung auf Biomassenanbau

Abbildung 16 Prozentuale Darstellung der Nutzungsänderungen bei beteiligten Landwirten durch den Betrieb von Biogasanlagen

Abbildung 17 Abnahme von Grünland seit 2003

Abbildung 18 Entwicklung des Bodenverkaufswertes- Steigerung in Ostdeutschland in 2007

Abbildung 19 Befragung NABU über Bedeutung des Biomasseanbaus

Abbildung 20 Befragung NABU über Konflikte zwischen Biomasseanbau und Naturschutz

Abbildung 21 Befragung NABU nach Herkunft der Lieferanten des Gärsubstrats

Abbildung 22Befragung NABU nach Erhöhung der Pachtpreise durch die Errichtung der Biogasanlagen

Abbildung 23 Befragung NABU zu Intensivierungen von artenreichen Grünlandstandorten durch Biogasanlage

Abbildung 24 Abnahme des Artenreichtums durch die Biogasanlage

Abbildung 25Tatsächliche Veränderungen in der Landschaft durch Biomasseanbau

Abbildung 26 Reststoffpotenziale

Abbildung 27 Biotopverbund über Ackerrandstreifen im Biomasseanbau

Abbildung 28Potenziale zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bei verschiedenen Biokraftstoffen

Abbildung 29 Bestandsentwicklung ökologischer Biomasseanbau

Abbildung 30 Nachhaltige Biomassestrategie auf Landkreisebene

Abbildung 31 Komponenten zur natur- und raumverträglichen Optimierung des energetischen Biomasseanbaus

Abbildung 32Rückzug der Landwirtschaft als Chance für den Biomassenbau

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Arten und Herkunft der Biomasse

Tabelle 2 Biokraftstoffe 1. Generation

Tabelle 3 Biokraftstoffe 2. Generation

Tabelle 4 Kraftstoffbereitstellung (Endenergie)

Tabelle 5 Zukünftiges Potential der Biomasseproduktion an der Gesamtproduktion in Deutschland (2020-2030)

Tabelle 6 Negative Auswirkungen des heute üblichen Biomasseanbaus auf Natur und Landschaft

Tabelle 7 Umweltbelastungen ausgewählter Anbaupflanzen in Europa

Tabelle 8 Vergleich Auswirkungen Kulturarten und ökologische Auswirkungen

Tabelle 9 Risiken von Bewirtschaftungsweisen

Tabelle 10 Befragung unterer Naturschutzbehörden

Tabelle 11Befragung von ULBs über die Bedeutung der Biomassenutzung

Tabelle 12 Befragung ULBs über Änderung der landwirtschaftlichen Flächennutzung durch den zunehmenden Anbau von Biomasse

Tabelle 13 Geplante Entwicklung der Biomasse nach Aktionsplan Biomasse

Tabelle 14 Ausschluss von Biomasseanbau im Ackerbereich in für den Naturschutz benötigten Flächen

Tabelle 15 Ausschluss für den Biomasseanbau im Grünlandbereich

Tabelle 16 Potenzielle Steuerungsinstrumente für den Biomasseanbau

Tabelle 17 Szenarien der Flächenbegrenzungen aus ökologischen Gründen

Einleitung

Nicht erst seit der Veröffentlichung des Klimafolgenberichts des Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC 2007) ist der Klimaschutz weltweit zu einer der wichtigsten Zukunftsaufgabe der internationalen Gemeinschaft geworden. Aktuell aufgelegte Programme der EU und der Bundesregierung planen als Gegenmaßnahme zu befürchteten Klimaänderungen eine massive Stärkung der Erneuerbaren Energien. Die Zielvorgaben für den Ausbau Erneuerbarer Energien wurden dafür laufend nach oben korrigiert. Bis 2020 soll in Deutschland der Anteil der Erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch im Wärmesektor auf 14 Prozent, bei den Kraftstoffen auf 17 Prozent und im Stromsektor auf 27 Prozent ansteigen.

Abbildung 1 Klimapolitische Ziele der Bundesregierung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Hey 2007, 2)

Dies soll unter anderem durch eine starke Steigerung des Einsatzes von Biomasse erfolgen. Biomasse ist weltweit verfügbar und in Deutschland, in der EU und auch weltweit eine der wichtigsten erneuerbaren Energiequellen. Ihr Hauptvorteil liegt darin, dass sie als einzige Form Erneuerbarer Energien sowohl für die Strom- als auch für die Wärme- und Kraftstofferzeugung eingesetzt werden kann. Der Einsatz von Biomasse wird aber nicht nur aus klimapolitischen Gründen gefördert, sondern er dient auch der Einkommenssicherung im ländlichen Raum und der langfristigen Versorgungssicherheit insbesondere im Hinblick auf die politische Instabilität der erdölfördernden Länder.

Bis vor kurzer Zeit wurde Biomasse vor allem in Form von Holz für die Wärmegewinnung energetisch genutzt. Doch seit der Novellierung des Erneuerbaren Energiengesetzes (EEG) kam es zu einem regelrechten Boom von landwirtschaftlichen Biogasanlagen, der nach gängigen Prognosen noch lange anhalten wird (Ammermann 2007, 11). Aber auch im Mineralölbereich ist durch das Mineralölsteuergesetz und die Europäische Richtlinie „zur Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen“, die einen Mindestanteil von 5,75 Prozent bis 2010 (EU Biokraftstoffrichtlinie 2003) vorsieht, ein weiteres Wachstum im Kraftstoffmarkt vorherzusehen. Voraussehbar ist, dass sich als Folge die Ausdehnung des Anbaus von nachwachsenden Rohstoffen in nächster Zeit gewaltig verstärken wird. Die Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe geht davon aus, dass in Deutschland bis 2030 ausgehend von 1,75 Million Hektar über 4 Millionen Hektar (von insgesamt 12 Millionen) Ackerfläche für die Produktion von nachwachsenden Energieträgern benötigt werden wird (siehe Abb. 10). Das Kapitel 1 dieser Arbeit widmet sich ganz der zunehmenden Bedeutung des Anbaus von Biomasse für die Strom-, Wärme- und Kraftstoffgewinnung. Wie auch in allen anderen Kapiteln der Arbeit stehen dabei die Verhältnisse in Deutschland im Mittelpunkt.

Die bisher vorherrschende euphorische Sichtweise auf den Anbau und den Einsatz von Biomasse muss nach neuesten Untersuchungen aber einer kritischen Evaluierung unterzogen werden. Nicht nur die immer häufiger diskutierte möglicherweise negative Klimabilanz von Biosprit (Chemie-Nobelpreisträger Crutzen spricht sogar vom Biokraftstoff als Klimakiller), sondern auch die mit dem Anbau von Biomasse verbundenen Risiken für Böden, Wasser und die Artenvielfalt müssen trotz aller möglichen klimapolitischen Vorteilen mitbedacht werden. Deutschland hat sich z.B. international nicht nur zum Klimaschutz, sondern auch zum Erhalt der biologischen Vielfalt verpflichtet, um den Artenrückgang bis 2010 zu stoppen (Übereinkommen über die biologische Vielfalt – CBD 1992). Der Biomasseanbau und die Verwertung der Biomasse zu energetischen Zwecken ist nur eines der möglichen Instrumente zur Erreichung von Klimaschutzzielen. Jedes vorgegebene Klimaschutzziel sollte aber mit den geringst möglichen gesellschaftlichen Kosten erreicht werden. Sobald der Biomassenanbau Naturschutzziele, die sich in gesellschaftlich erwünschten Naturhaushalten, Naturausstattungen, Landschaftsstrukturen und Landschaftsbildern niederschlagen, negativ beeinflusst, entstehen auch hier gesellschaftliche Kosten, die mit zu berücksichtigen sind. In Kapitel 2 wird deshalb aufgezeigt, welche Auswirkungen der Biomasseanbau ganz allgemein auf obige Naturschutzziele hat und wie diese Auswirkungen zu beurteilen sind.

Dass von dem erwarteten gewaltigen Ausbau des Biomasseanbaus eine starke Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion und zum Naturschutz ausgehen kann, da die Anbauflächen ja nicht vermehrbar sind, sollte stärker ins Blickfeld der politisch Verantwortlichen rücken. Die möglicherweise negativen Auswirkungen eines immer weiter anwachsenden Anbaus meist monokultureller Energiebiomasse auf die Kulturlandschaft, den Ökolandbau, die Schutzgebiete und den Vertragsnaturschutz steht in Kapitel 3 im Mittelpunkt. Darüber hinaus ist die Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion insbesondere in den Ländern des Südens ein Problem, wo es in diesem Zusammenhang schon zu regelrechten Aufständen gekommen ist wie z.B. dem Tortilla Aufstand in Mexiko wegen der Maispreiserhöhungen durch verstärkte Nachfrage aus dem Bioenergiebereich. Der Anbau von Biomasse sollte nicht durch zusätzlichen Hunger in der Welt erkauft werden. Obendrein dämpfen Preissteigerungen für die Rohstoffe die Attraktivität der Biomasseproduktion im Vergleich zu anderen Instrumenten der Klimaschutzpolitik ganz erheblich. Diesen gesellschaftlich wichtigen Aspekt sollte man bei der Bestimmung des optimalen Niveaus und der optimalen Struktur der Biomasseproduktion immer im Auge behalten, auch wenn im Rahmen dieser Arbeit nur diejenigen Konflikte in den Mittelpunkt rücken, die mit den Naturschutzzielen im weiteren Sinne zusammenhängen (Kapitel 2 und 3).

Als Maßnahme gegen diese ökologisch negativen Folgen des Biomasseanbaus sollte eine Strategie entwickelt werden, wie der weitere Ausbau der Biomasseproduktion in optimale Bahnen gelenkt werden kann. So sollte z.B. der Anbau zukünftig so gestaltet werden, dass er auch bestimmten Nachhaltigkeitskriterien genügt. Eine Möglichkeit solcher Strategien ist darin zu sehen, dass man qualitative und quantitative ökologische Standards entwickelt, die es einzuhalten gilt, und dass man Vorkehrungen trifft, die bei gegebenem Biomasseanbau die negativen Auswirkungen auf die Ziele des Naturschutzes ceteris paribus, also bei sonst gleichen Kosten, minimieren.

Eine Übersicht über solche Standards und Vorkehrungen liefert das Kapitel 4 der Arbeit. Sie können als eine Art Daumenregel interpretiert werden, um bei Konflikten zwischen den Zielen des Biomasseanbaus und des Naturschutzes möglichst nahe an das gesellschaftliche Optimum zu kommen, dass den Wünschen und Bedürfnissen der Bürger (heute und morgen) entspricht. Angesichts der Schwierigkeiten, solche Präferenzen insbesondere auch zukünftiger Generationen zuverlässig zu erfassen, werden vor allem die Standards stets umstritten bleiben. Dies dürfte allerdings dann am wenigstens der Fall sein, wenn die Standards als eine Art Untergrenze des Naturschutzes entwickelt werden, dessen Unterschreitung gesellschaftlich ganz offenkundig große Nachteile verursacht

Definiert Kapitel 4 konkrete Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes, soweit es um die Eingrenzung des Biomasseanbaus geht, analysiert Kapitel 5 die Möglichkeiten, solche Ziele durch Steuerung des Biomasseanbaus mit Hilfe der heute existierenden Institutionen auch zu erreichen. In den Mittelpunkt rücken dabei die bestehenden Regelungen des Landwirtschafts- und Naturschutzrechts. Eine Reihe von Regelungen sind dabei materiell sowohl dem Landwirtschafts- als auch dem Umweltschutzrechts zuzurechnen. Soweit sich hier Defizite bei den Institutionen zeigen, weil bei Planung, Entscheidung und Durchführung von Maßnahmen die Vertreter der Naturschutz – und/oder der Klimaschutzziele nicht hinreichende Einwirkungsmöglichkeiten haben, liegt eine Analyse institutioneller Reformmöglichkeiten nahe.

Mit solchen Reformmöglichkeiten vor allem zur Absicherung der Ziele des Natur- und Umweltschutzes wird das Thema „Biomasse und Naturschutz“ im letzten Abschnitt der Arbeit abgeschlossen (Kapitel 6). Die legislativen Vorgaben und förderpolitischen Maßnahmen müssen dergestalt umgebaut werden, dass für alle Ansprüche an die Natur und Landschaft, wie sie im Bundesnaturschutzgesetz vorgesehen sind, ein angemessener Platz bleibt. Auch bei der räumlichen Lenkung der Biomasseproduktion und -nutzung durch die Planung muss eine Beurteilung möglicher Auswirkungen auf andere Raumnutzer und auf Natur und Landschaft mit in die Abwägung einbezogen werden. Hier geht es vor allem darum, bestimmte Kontingente und Flächenvorschläge in den Planungsbereichen zu bestimmen. Dies könnte insbesondere im Rahmen der Landschaftsplanung erfolgen.

Im Resümee der Arbeit werden zunächst die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst. Abschließend werden aber auch noch einmal die Grenzen dieser Ergebnisse verdeutlicht. Sie hängen vor allem mit einem Mangel an sicheren Erkenntnissen zusammen. Dies gilt zwar zum Teil auch im naturwissenschaftlichen Bereich mit den unterstellten Wirkungen des Biomassenanbaus auf die einzelnen Schutzgüter, vor allem aber bei den unterstellten Präferenzen der Bürger in Umweltschutz- und Klimaschutzfragen. Da hier anders als bei privaten Gütern eine Präferenzaufdeckung durch Angebot und Nachfrage auf einem Markt nicht zustande kommen kann, wird man systembedingt häufig auf vage Vermutungen angewiesen bleiben. Dies rechtfertigt aus wissenschaftlicher Perspektive generell eine gewisse Vorsicht und Zurückhaltung bei Propagierung von Standards, Normen oder ähnlichen Vorgaben.

Die einzelnen Gliederungspunkte (Kapitel) der Arbeit sind durch die genauere Aufgabenstellung des Oberprüfungsamtes vorgegeben, der Aufbau der Arbeit ergibt sich aus den sachlogischen Zusammenhängen zwischen diesen Punkten. Einzig im zweiten und dritten Kapitel gibt es interdependente Zusammenhänge, die den ansonsten folgerichtigen Aufbau etwas erschweren. Will man in Kapitel 2 die Auswirkungen des Biomasseanbaus auf den Naturhaushalt, die Naturausstattung, die Landschaftsstruktur und das Landschaftsbild ermitteln, muss zwangsläufig eine Annahme darüber gemacht werden, was auf den Flächen sonst geschehen wäre. Die vermuteten Wirkungen in Deutschland, die sich in diesem Kapitel auf die Vergangenheit und Zukunft beziehen, sind wenigstens für die Zukunft auch von Flächenkonkurrenz mit den Schutzgebieten, den ökologischem Landbau usw. abhängig, die aber erst in Kapitel 3 behandelt werden. Hinzu kommt, dass die in Kapitel 2 behandelten Wirkungen auf die Landschaftsstruktur und das Landschaftsbild in gewissem Maße die Folgewirkung einer Ausbreitung des Biomasseanbaus für die Erhaltung der traditionellen Kulturlandschaft aus Kapitel 3 vorwegnimmt. Versucht wurde, so gut wie möglich, diese Interdependenzen zu beachten und Redundanzen bei der Analyse der Auswirkungen auf das Landschaftsbild und die Landschaftsstruktur einerseits und auf die traditionelle Kulturlandschaft andererseits zu minimieren.

Wenn es in Kapitel 5 und 6 um die Steuerungsmöglichkeiten des Biomasseanbaus geht, dürften Gesetze und Verordnungen wie das Erneuerbare Energien Gesetz und Gesetze zur Förderung des Biokraftstoffes, die sich wenigstens teilweise auch auf den Biomasseanbau beziehen und diesen wesentlich beeinflussen, eine gewichtige Rolle spielen. Begründet werden die Regelungen meistens nicht nur klimapolitisch und umweltpolitisch, sondern auch landwirtschaftspolitisch. Selbst wenn diese Instrumente formal weder dem Landwirtschaftsrecht noch dem Naturschutzrecht zugehören, die nach der Aufgabenstellung des Oberprüfungsamtes im Mittelpunkt stehen sollen, verdienen sie wegen ihrer zentralen Bedeutung auch für Umfang und Struktur des Biomasseanbaus Beachtung. Dies lässt sich obendrein dadurch rechtfertigen, dass diese Gesetze und Verordnungen ebenfalls landwirtschaftspolitische Zielsetzungen verfolgen und deshalb materiell auch dem Landwirtschaftsrecht entsprechend Art. 74 Absatz 1 Ziffer 17 GG zugerechnet werden könnten.

1. Zunehmende Bedeutung des Anbaus von Biomasse für Strom-, Wärme- und Kraftstoffgewinnung in Deutschland

1.0 Einführung

Biomasse ist organisches Material, bestehend aus Lebewesen, abgestorbenen Organismen und organischen Stoffwechselprodukten. Die Pflanzen bauen mittels Photosynthese Biomasse auf. Die damit biochemisch gespeicherte Sonnenenergie ist ein sich selbst erneuernder Energielieferant. Biomasse war schon in der Steinzeit Hauptenergielieferant für den Menschen. Auch heute noch nimmt sie in einigen Entwicklungsländern die wichtigste Rolle als Energieträger ein. Sie kann durch den Anbau von nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden, aber auch als Reststoff anfallen. Bisher ist die ökologisch gegenüber dem Anbau meist vorteilhafte Reststoffnutzung bei der Betrachtung der Biomassepotentiale sehr kurz gekommen. Für die Zukunft werden hier noch große Potenziale von vermutet (SRU 2007, 21-25). Die Definition der Biomasse im Sinne des § 2 Nr. 1 des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare Energien Gesetz - EEG) vom 01.04.2000 lautet: „Biomasse sind feste und flüssige organische Stoffe sowie deren Umwandlungsprodukte, die zur Gewinnung von Strom geeignet sind.“ Einen umfassenden Überblick über die Arten der Biomasse gibt Tab.1.

Tabelle 1 Arten und Herkunft der Biomasse

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(SRU 2007, Abb. 2-1, nach Knappe et al 2007)

Beim Biomassenanbau, dem Gegenstand der vorliegenden Arbeit, geht es um die nachwachsenden Rohstoffe, also um land- oder forstwirtschaftliche Rohstoffe, die nicht als Nahrungs- oder Futtermittel genutzt werden. Die Biomasse kann sowohl einer energetischen als auch stofflichen Nutzung dienen (SRU 2007, 4-37). Da der in dieser Arbeit zu behandelnde Biomasseanbau vor allem deshalb im Fokus der Diskussion steht, weil er einen Beitrag zum Klimaschutz, z.T. aber auch zur Sicherung der Rohstoffversorgung angesichts möglicher politischer Turbulenzen in den Erdölländern leisten soll, wird im Weiteren die energetische Nutzung ganz in den Mittelpunkt gerückt. Dabei lässt sich die energetische Nutzung aufteilen in eine Nutzung für die Strom-, die Wärme- und die Kraftstoffgewinnung.

Ein erster Einblick in die heutige Bedeutung der energetischen Nutzung von Biomasse und die vergangene und die vermutete zukünftige Entwicklung dieser Nutzung kann mit Hilfe der Abbildungen 2 und 3 gewonnen werden. Im Jahre 2007 machte in Deutschland der Anteil erneuerbaren Energien 6,4 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs aus (SRU 2007, 13), der Anteil der Biomasse an den regenerativen Energien betrug dabei 68 Prozent. Dieser Anteil der Biomasse an den erneuerbaren Energien dürfte nach vorliegenden Prognosen bis zum Jahr 2030 in etwa konstant bleiben (SRU 2007, 13). In Abb. 3 werden in Diagrammen die tatsächliche Entwicklung des Anteils der Erneuerbaren Energien am gesamten Energieverbrauch zwischen den Jahren 2000 und 2006 und die prognostizierte Entwicklung für 2010, 2020 und 2030 aufgezeigt. Für die Vergangenheit wird dieser Anteil am Endverbrauch noch differenziert nach Wärme, Strom und Kraftstoff dargestellt. Berücksichtigt man jetzt noch zusätzlich, welchen Anteil die energetische Nutzung von Biomasse (ohne biogenen Anteil des Abfalls) an den erneuerbaren Energien bei Wärme (2000: 89,5 Prozent, 2006, 89,3 Prozent), Treibstoff (100 Prozent) und Stromverbrauch (2000: 6,2 Prozent, 2006: 21,8 Prozent) (BMU 2007a, 14,15,17) in der Vergangenheit hatte, wird deutlich, welche relative Expansion die energetische Biomassenutzung in allen Bereichen schon seit 2000 genommen hat und mit welcher Expansion insgesamt noch in Zukunft zu rechnen ist. Von der relativen Expansion des Anteils am gesamten Energieverbrauch ist zumindest in der Vergangenheit auch mittelbar auf die absolute Expansion zu schließen, weil der Endenergieverbrauch in Deutschland mit gut neuntausend Petajoule schon seit 1990 ziemlich konstant geblieben ist (BMWi 2007, Tab. 5). Für die Zukunft wird allerdings bis 2030 beim Gesamtverbrauch mit einem Rückgang zwischen 15 Prozent und 30 Prozent gerechnet (SRU 2007, 11), so dass die prozentuale Prognose für das Jahr 2030 etwas zurückgenommen werden muss, wenn auf das prozentuale Wachstum des absoluten Energieverbrauchs durch Biomasse geschlossen werden soll.

Abbildung 2 Struktur der Endenergiebereitstellung aus erneuerbaren Energien in Deutschland im Jahre 2005

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(SRU 2007, 14)

Abbildung 3 Anteil der Energiebereitstellung aus erneuerbaren Energien in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2006 mit Prognosen für 2010, 2020 und 2030

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(SRU 2007, 15)

1.1 Stromerzeugung durch Biomasse in Deutschland – Zustand und Entwicklung

Die Biomassen kann in verschiedenen Verfahren zur Stromgewinnung genutzt werden. Die beiden bereits marktfähigen Verfahren basieren auf Dampfkraftprozessen durch Einsatz fester Bioenergieträger und auf der Nutzung von Biogas. Die übrigen Verfahren mittels Vergasung oder Pyrolyse bedürfen hingegen bis zur Marktfähigkeit noch einiger weiterer Forschung. Beim Dampfkraftprozess werden holzartige Festbrennstoffe eingesetzt. Dabei wird vor allem auf Altholz gesetzt. Wie sich die Nutzung von Holz für die Stromgewinnung in Zukunft entwickeln wird, hängt auch von der Preisentwicklung und diese stark von der Nachfrage im Wärmebereich ab. Die Nutzung von halmartigen Energiepflanzen ist bisher erst im Versuchsstadium. Dies hängt neben den ungünstigen Brennstoffeigenschaften auch mit emissionschutzrechtlichen Vorschriften zusammen. Anlagen zur Nutzung von Stroh und ähnlichen Halmgütern sind technisch schwieriger und teurer als Anlagen zur Holznutzung. Größere Potentiale werden in diesem Bereich in der Nutzung von Ganzpflanzengetreide (z.B. Triticale, einer Kreuzung aus Weizen und Roggen) erwartet. Stroh könnte in Zukunft eher noch Chancen als Beimischprodukt z.B. bei der Kohleverfeuerung erhalten. Dies ist allerdings heute noch nicht über das EEG vergütbar.

Technisch ist aber die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen zur Stromgewinnung in Biogasanlagen bereits ausgereift. Bisher wird dafür überwiegend Mais genutzt. Die Nutzung von Rapsöl und Rapsölmethylester spielt hingegen bisher für die Stromerzeugung eine untergeordnete Rolle. Diese werden vor allem im Treibstoffbereich genutzt (Rode et al 2005, 156ff.). Die Entwicklung der installierten elektrischen Leistung durch Biomasse (differenziert nach festen, gasförmigen und flüssigen Bioenergieträgern) verdeutlicht die Abb. 4:

Abbildung 4 Stromerzeugung durch Biomasse in Deutschland

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Installierte elektrischen Leistung von festen, gasförmigen und flüssigen Bioenergieträgern in Deutschland (Ammermann 2007, 10)

Schaut man noch weiter zurück, so hat sich die installierte Leistung insgesamt von 1990 bis 2006 sogar verfünfzehnfacht von 190 MW auf 2740 MW (BMU 2007a, 15). Die Endstromerzeugung durch Biomasse ist im selben Zeitraum (ohne biogenen Anteil des Abfalls) sogar von 222 Gigawattstunden auf 16.138 Gigawattstunden gestiegen. Sie hat sich damit versiebzigfacht (BMU 2007a, 14). Besonders dynamisch haben sich Anzahl und Leistung der Biogasanlagen entwickelt, die ganz auf den Anbau von Biomasse angewiesen sind. Einen Überblick dazu liefert Abb.5.

Abbildung 5 Biogasanlagen in Deutschland

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Ammermann 2007, 11)

Die ganze Tragweite dieser Entwicklung auch für den Biomasseanbau wird vor allem dann deutlich, wenn man den Anteil der Biomasse (ohne biogenen Anteil des Abfalls) an der tatsächlichen Stromerzeugung (Endenergie), die selbst von 1990 bis 2006 nur um 11 Prozent gestiegen ist (BMWi 2007, Tab. 6), ins Auge fasst. Hat sich der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch von 3,4 Prozent im Jahr 1990 auf 12,0 Prozent im Jahr 2006 erhöht, so stieg gleichzeitig der Anteil der (überwiegend angebauten) Biomasse am Stromverbrauch aus erneuerbarer Energie in derselben Zeit von 4,1 Prozent auf 8,9 Prozent (BMU 2007a, 15 und 17). Hinzu kommt, dass sich der Energieverbrauch durch Strom am (relativ konstant bleibenden) Gesamtenergieverbrauch von 17,3 Prozent im Jahre 1990 auf 19,7 Prozent im Jahre 2006 erhöht hat (BMWi 2007, Tab. 6). Die zu beobachtende Dynamik im Biomasseanbau in Deutschland wird aus dieser Perspektive leicht verständlich. Die Prognose der weiteren Entwicklung ist naturgemäß relativ unsicher. Den politischen Zielen der Bundesregierung entsprechend (BMU 2007a, 8 und 9) sollte der Anteil der regenerativen Energien bei der Stromerzeugung im Jahr 2010 mindestens 12,5 Prozent betragen. Er hat bereits 2006 einen Anteil von 12 Prozent erreicht. Bis 2020 soll er auf mindestens 20 Prozent gestiegen sein, angestrebt werden sogar 30 Prozent. Bis 2050 soll der Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch auf mindestens 50 Prozent gestiegen sein. Da das Biomassesegment innerhalb der erneuerbaren Energien beim Strom vor allem in den letzten fünf Jahren eine relativ große Dynamik aufwies, ist mit diesen Zielen auch ein ganz erheblicher Ausbau des Anbaus von Biomasse vorprogrammiert.

1.2 Wärmeerzeugung durch Biomasse- Zustand und Entwicklung

Die Wärmeherstellung mittels Biomasse macht heute schon einen nicht unwesentlichen Anteil an der Wärmeproduktion in privaten Haushalten aus. In Deutschland gab es 2005 bereits 9 Millionen Holzheizungsanlagen (bei steigender Tendenz), größtenteils nutzen diese Scheitholz (94 Prozent), der Anteil von Pellets und Hackgut liegt bei 4 bzw. 2 Prozent (FNR 2007a, 4) .

Eine weitere Möglichkeit der Nutzung von Biomasse für den Wärmebereich ist die Kraft-Wärme-Koppelung. Hier wird die Biomasse per Nah- oder Fernwärmeleitung sozusagen als „Abfallprodukt“ der Stromproduktion zu den angeschlossenen Haushalten geleitet. Diese zentralen Heizwerke sind im Vergleich zu den privaten Kleinanwendungen in den Haushalten sogar günstiger und umweltfreundlicher. Allerdings fehlt für die massenhafte Anwendung noch häufig die Logistik, vor allem die Fernwärmeleitungen. Bei diesen zentralen Anwendungen entfällt auch ein wesentlicher Nachteil von privaten Holzöfen, die Kunden brauchen nämlich kein eigenes großvoluminöses Kraftstofflager in ihrem Haus. Bei der Nutzung von Stroh sind vor allem Wärmeanlagen interessant, die die Strohballen zuerst vergasen, um sie dann schadstoffarm zu verbrennen. Dies könnte für Großabnehmer bereits heute wirtschaftlich sein. Eine weitere Möglichkeit bietet das Verbrennen von Getreideganzpflanzen.

Ein bereits erprobtes und marktverfügbares Verfahren im Wärmebereich ist die anaerobe Vergärung mit anschließender Biogasnutzung in Blockheizkraftwerken. Eine viel versprechende Technik für die Zukunft ist auch die Vergasung von fester Biomasse. Diese feste Biomasse wird aber auch bei der Feuerung von Dampfmotoren und im ORC-Prozess zum Einsatz. Dieser ORC-Prozess („Organic Rankine Cycle”) basiert auf einem Verfahren, welches dem Wasser-Dampf-Prozess ähnlich ist. Aber statt Wasser wird dabei ein organisches Arbeitsmedium verwendet, welches günstigere Verdampfungseigenschaften hat. Ein großes Potenzial schreiben die Forscher auch noch der Brennstoffzelle zu. Hierbei wird nicht Strom, sondern Wasserstoff produziert. Allerdings ist hier Voraussage zufolge nicht vor 2020 mit einer Serienreife zu rechnen (BMU 2004, 17ff). Betrachtet man die Gesamtstruktur der Wärmebereitstellung durch Biomasse, so erkennt man, dass die Nutzung von Festbrennstoffen in privaten Haushalten bisher eine stark dominierende Rolle einnimmt.

Die dominante Stellung der Biomasse für die Wärmebereitstellung aus erneuerbaren Energien verdeutlicht Abb. 6.

Abbildung 6 Struktur der Wärmebereitstellung aus Erneuerbaren Energien in Deutschland

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Ammermann 2007, 16 nach BMU 2007a, 12)

Der Anteil der Biomasse (wieder unter bewusster Vernachlässigung des biogenen Anteils des Abfalls) beträgt ca. 90 Prozent. Davon wird wieder fast 80 Prozent in den Haushalten auf der Basis biogener Festbrennstoffe verbraucht. Allein das verdeutlicht, dass heute ganz der Energieträger Holz die entscheidende Rolle (im Wärmebereich) spielt.

Die Entwicklung im letzten Jahrzehnt hat auch hier zu einer großen Dynamik in der Bedeutung der Biomasse geführt. Während sich der Endenergieverbrauch insgesamt, der Anteil des Energieverbrauchs für Wärmeproduktion an der Endenergie und der Anteil der Biomasse an der Wärmeproduktion der erneuerbaren Energieträger kaum geändert hat (BMU 2007a, 16f), ist die Wärmebereitstellung durch die Biomasse wie in Abb. 7 dargestellt, doch absolut gewaltig gestiegen. Diese Expansion um 73 Prozent ist so gut wie alleine darauf zurückzuführen, dass der Anteil der Wärmebereitstellung aus erneuerbaren Energien an der gesamten Wärmebereitstellung von 3,5 Prozent auf 6 Prozent eine ähnliche prozentuale Erhöhung erfahren hat (BMU 2007a, 13). Angesichts der in 1.1 schon angedeuteten Zielsetzung der Bundesregierung, den Anteil des Energieverbrauchs aus regenerativen Quellen von heute 8 Prozent (Anteil am Endenergieverbrauch) bis 2050 auf 50 Prozent zu erhöhen, dürften Zweifel an der weiteren Dynamik des Biomasseeinsatzes auch bei der Wärmeproduktion kaum aufkommen.

Abbildung 7 Menge von bereitgestellter Wärmeenergie durch Biomasse in Deutschland

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Ammermann 2007, 16)

1.3 Kraftstoffproduktion mit Biomasse - Zustand und Entwicklung

Der Raps als ölhaltige Pflanze ist durch die Zunahme der riesigen gelb leuchtenden Felder zum Inbegriff der Biomassenutzung für Biodiesel geworden. Dabei ist inzwischen aber auch die Nutzung von Zuckerrüben oder Weizen für die Herstellung von Bioethanol interessant. Die „alten“ Biokraftstoffe haben eine inzwischen eine wesentliche Fortentwicklung erfahren („Biokraftstoffe der 2. Generation). Diese Biomass-to-Liquids sind sehr saubere Designerkraftstoffe, die sowohl Benzin als auch Diesel ersetzen können. Sie können aus einer Vielzahl von Biomasseprodukten (wie z.B. Holz oder Stroh) durch Vergasung und anschließende Syntheseschritte erzeugt werden. Sie stehen in ihrer technischen Entwicklung noch am Anfang, dürften längerfristig gegenüber den herkömmlichen Biokraftstoffen aber wesentlich größere Potenziale haben, obwohl sie derzeit preislich noch nicht konkurrenzfähig sind (BMU 2007a, 23). Eine weitere Option der Kraftstoffproduktion durch Biomasse ist die Nutzung von Biogas. Dieses könnte wie Erdgas in PKW und Bussen eingesetzt werden. Dafür ist allerdings eine Anpassung der Infrastruktur an den Tankstellen nötig. Den Zusammenhang zwischen der Kraftstoffproduktion aus regenerativen Quellen, die zu 100 Prozent aus Biomasse bestehen, und den einzelnen Rohstoffen und Produktionsprozessen, verdeutlichen die Tabellen 2 und 3.

Tabelle 2 Biokraftstoffe 1. Generation

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(BMU 2007a, 32)

Tabelle 3 Biokraftstoffe 2. Generation

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(BMU 2007a, 32)

Die energetische Ausbeute der verschiedenen Energiepflanzen in den obigen Produktionsprozessen ist sehr unterschiedlich. So werden aus den Biomasseprodukten eines Hektars Kraftstoffe sehr unterschiedlicher Reichweite gewonnen, wie Abb.8 anhand der PKW-Kilometerleistungen sehr anschaulich verdeutlicht.

Abbildung 8 Biokraftstoffleistungen im Vergleich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(FNR 2007c, 20)

Wie in Tabelle 4 verdeutlicht, hat sich die gesamte durch Biokraftstoffe produzierte Energiemenge von nur 2 Gigawattstunden im Jahr 1991 auf fast 40.000 Gigawattstunden im Jahr 2006 erhöht. Damit hat sie, beginnend von Null, bereits die Hälfte der Endenergieleistung erreicht, die die Biomasse bei der Wärmeproduktion erzeugt, und ist gut doppelt so hoch wie die Energieproduktion durch Biomasse bei der Stromerzeugung (BMU 2007a, 14 und 16). Da in diesem Zeitraum sowohl der gesamte Endenergieverbrauch als auch der Anteil der Kraftstoffe an diesem Endenergieverbrauch in etwa konstant geblieben ist (BMWi 2007, Tab.6), ist diese Expansion so gut wie allein auf die Anteilserhöhung der Kraftstoffe durch Biomasse an den gesamten Kraftstoffen zurückzuführen: Dieser Anteil erhöhte sich seit 1998 um das gut dreißigfache und erreichte im Jahre 2006 6,6 Prozent des gesamten Kraftstoffverbrauchs.

Tabelle 4 Kraftstoffbereitstellung (Endenergie)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1) entspricht für 2006: Biodiesel: 2.800.000 Tonnen, ca. 3.200 Mio. Liter; Pflanzenöl: 710.000 Tonnen, ca. 770 Mio. Liter; Bioethanol: 480.000 Tonnen, ca. 600 Mio. Liter

(BMU 2007a, 17)

Damit trägt die Biomasse bei der Kraftstoffproduktion einen größeren Prozentsatz am Gesamtenergieverbrauch in diesem Bereich bei als beim Wärme- und Stromverbrauch (BMU 2007a, 11). Der Beitrag der Biomasse bei der Kraftstoffproduktion weist die vergleichsweise größte Dynamik in den letzten 15 Jahren auf. Ob man eine Fortschreibung dieser Dynamik in der Zukunft vornehmen kann, ist trotz der angestrebten Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energieproduktion an der Gesamtenergieproduktion auf 50 Prozent im Jahre 2050 doch fraglicher als im Wärme- und Stromenergiebereich. Das hängt u.a. damit zusammen, dass die Biokraftstoffe in letzter Zeit immer mehr in die Kritik geraten sind. So werden sie sogar schon wegen einer vermuteten Minusbilanz bei den Treibhausgasen schon als „Klimakiller“ bezeichnet (Bayern innovativ 2007). Deshalb könnte sich für die Zukunft eine Schwächung der politischen Unterstützung abzeichnen. Auf der anderen Seite könnte das Ziel einer größeren Unabhängigkeit von Erdölimporten aus politisch unstabilen Regionen im Zeitablauf auch noch an Gewicht zunehmen. Wie auch bei den anderen Energiebereichen hängt die Prognose zukünftiger Entwicklungen letztlich wesentlich von der politischen Unterstützung durch Normen (z.B. das Biokraftstoffquotengesetz) und/oder Subventionen ab. Aus diesem Grunde ist eine verlässliche Prognose hier auch nur schwer zu erstellen.

1.4 Flächenmäßige Bedeutung des landwirtschaftlichen Biomasseanbaus- Zustand und Entwicklung

Sowohl im Bereich der Wärme- als auch in den Bereichen der Strom- und Kraftstoffgewinnung wurde vorangehend eine starke Expansion und Dynamik der Biomasse als Energieträger analysiert. Die meist positive Grundeinstellung zu dieser Entwicklung beruht vor allem auf vermuteten klimapolitischen Folgen eines erhöhten Anteils regenerativer Energien. Angesichts des weit verbreiteten Wunsches in Deutschland, die Rolle der Atomenergie herunterzufahren, und angesichts der nicht mehr konkurrenzfähigen Kohleproduktion steht hinter dieser positiven Einschätzung aber auch das Gefühl, dadurch in Deutschland und Europa ein Minimum an politischer und wirtschaftlicher Sicherheit zu erhalten.

Aus der Sicht des Naturschutzes rückt aber ein ganz anderer Aspekt dieser expansiven Entwicklung in den Mittelpunkt, nämlich der steigende Flächenbedarf zum Anbau der benötigten Biomasse. Da es in Deutschland bisher „Energiewälder“ erst in Anfangsstadien gibt (Bens et al 2006, 6), und die Steigerung des Potenzials energetisch genutzten Waldholzes derzeit noch eher skeptisch beurteilt wird (Rode 2006b, 85), kann man sich bei der Analyse des Flächenbedarfs zum Anbau energetischer Biomasse ganz auf die landwirtschaftliche Produktion konzentrieren.

Laut Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe (FNR) sind in Deutschland im Jahr 2007 über 2 Mio. Hektar Ackerfläche mit Pflanzen belegt, die nicht der Nahrungs- oder Futtermittelproduktion dienen. Somit werden bereits heute auf 17 Prozent der gesamten Ackerfläche Nachwachsende Rohstoffe (NaWaRos) angebaut, wobei gut 90 Prozent energetisch verwertet werden (SRU 2007, 16). Prognosen gehen für die Zukunft von einer weiteren Verdoppelung dieser Fläche aus. Allein die Anbaufläche für Energiemais wuchs von 2005 bis 2006 um 92.000 Hektar und damit um 132 Prozent. Im Jahre 2007 sind Schätzungen zufolge weitere 110.000 Hektar dazugekommen. Wenn die Bedingungen für die Förderung nicht geändert werden, gehen Prognosen von einem Zuwachs allein der Energiemaisflächen auf bis zu 1,8 Millionen Hektar aus (Schöne 2007, 2). Die gesamte Flächeninanspruchnahme für den Biomasseanbau stieg von etwa 400.000 Hektar (1997) auf über 2 Millionen Hektar in 2007 (Abb. 9).

Abbildung 9 Anbau nachwachsender Rohstoffe in Deutschland

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(FNR 2007b, 11)

Von der gesamten landwirtschaftlichen Fläche weist der Raps, der hauptsächlich für den Kraftstoffbereich genutzt wird, mit über 1 Million Hektar den größten Anteil landwirtschaftlicher Anbaufläche für energetische Nutzung (63 Prozent) auf. Stark steigend ist aber auch der Flächenbedarf von Mais und Getreide für den Einsatz in Biogasanlagen. Er beträgt aktuell im Jahre 2007 nach obiger Angabe 210.000 Hektar und macht damit aktuell 15,4 Prozent aus.

Die prognostizierte Expansion des Anbaus in Deutschland ist wesentlich durch politische Vorgaben bestimmt, angesichts der Richtlinienkompetenz der EU durch Vorgaben der EU-Institutionen wie z.B. durch den Europäischen Biomasse-Aktionsplan (EU 2005: Biomass Action Plan).

Vor diesem Hintergrund sieht z.B. der deutsche Rat für Landespflege folgende Ausbaupotenziale für die Anteile der Energieerzeugung (Wärme, Strom, Kraftstoffe):

Tabelle 5 Zukünftiges Potential der Biomasseproduktion an der Gesamtproduktion in Deutschland (2020-2030)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(DRL 2006, 20)

Der zukünftige Flächenbedarf wird vor allem durch den Energiepflanzenbau bestimmt, der beim Strom 47 Prozent, bei der Wärme 62 Prozent und beim Kraftstoff 68 Prozent der gesamten Produktion durch Biomasse abdecken sollen. Das ist beim Strom eine gute Verdoppelung des Anteils durch Energiepflanzenanbau, der heute durch die gesamte Biomasse erzeugt wird. Bei der Wärme geht man von einer Verdreifachung aus, während bei den Kraftstoffen dieser Anteil nur um 27 Prozent steigen würde (BMU 2007a, 11). Schon daran ersichtlich ist die gewaltige Expansion der benötigten Fläche für den Energiepflanzenanbau. Verschieden Studien schätzen die im Jahre 2030 benötigte Fläche für nachwachsende Rohstoffe zwischen den heute fast erreichten 2 Million Hektar und 5,5 Million Hektar ein (Abb.10). (siehe auch Petzold 2007, 6 und Fritsche/Wiegmann 2005).

Abbildung 10 Flächenpotential für nachwachsende Rohstoffe verschiedener Studien

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Hey 2007, 6)

Geht es um mögliche Konflikte (oder auch Synergien) der Flächenexpansion mit Naturschutzzielen, spielt auch die Art der Nutzung der Flächen (Prognosen z.B. von Rode 2006, 3 und Petzold 2007, 6) und die räumliche Verteilung eine Rolle. Auch wäre zunächst immer zu prüfen, ob nicht durch eine verstärkte Nutzung der sonstigen Biomasse (siehe auch Tab. 5) die Expansion der angebauten Energiepflanzen etwas gemindert werden kann. Diese Fragen werden aber vor allem in Kapitel 4 bei der Diskussion der Standards und Verfahren zur Minimierung negativer Auswirkungen eine Rolle spielen.

2. Analyse und Bewertung der Auswirkungen des Biomasseanbaus auf Natur und Landschaft

2.0 Einführung

Der Biomasseanbau ist bereits heute ein flächenmäßig bedeutendes Phänomen und seine Auswirkungen auf Natur und Landschaft bedürfen von daher einer genauen Untersuchung. Bisher ist das Wissen vor allem über die landschaftsbezogenen Auswirkungen des zunehmenden Anbaus von Biomasse gering. Besonders die Auswirkungen auf die gewachsene Kulturlandschaft und deren nachhaltige Nutzung sollten dabei betrachtet werden. Die Biomasseproduktion erfolgt heute fast ausschließlich mittels einer „industrialisierten“ Landwirtschaft, während man in der Forstwirtschaft noch ganz am Anfang steht. Dabei werden große Mengen an Energie verbraucht, so für Dünger und Chemikalien, für den Maschinenpark, für die Bewässerung, Trocknung und die Endverarbeitung der Produkte. Außerdem liegt anschließend oft noch ein weiter Transportweg vor. Um die Biomasseproduktion zur Erhöhung des Anteils regenerativer Energien zwar ökonomisch, aber unter Berücksichtigung der ökologischen Konsequenzen zu betreiben, müssen sowohl diese Energiebilanzen als auch die Auswirkungen auf Natur und Landschaft in die Betrachtungen mit einbezogen werden.

Ein offensichtliches Problem besteht heute darin, dass trotz der Vielzahl von zur Verfügung stehenden Arten und Kulturtechniken eine eindeutige Konzentration allein auf den Maisanbau für die Biogasnutzung (SRU 2007, 44) sowie den Rapsanbau für Biodiesel erfolgt. Im Jahre 2005 nahm Raps (nach Statistiken des FNR) mit 1,06 Million Hektar 76 Prozent der Gesamtfläche ein, auf denen nachwachsende Rohstoffe angebaut wurden. Nach Abb. 9 ist dieser Anteil bis 2007 zwar gefallen, er beträgt aber immer noch 63 Prozent der Fläche, die für die energetische Nutzung bebaut wird, und absolut ist die Rapsanbaufläche weiterhin gewachsen. Mais nimmt 2007 bereits 15,4 Prozent der energetisch genutzten Anbaufläche in Anspruch, mit der früher beschriebenen gewaltigen Dynamik (siehe Abschnitt 1.4) Wenn die weitere Analyse vor allem für die beiden Fruchtgruppen gilt und erst in 2.1.7 auch auf andere Fruchtgruppen eingegangen wird, deren Anbau möglicherweise verdrängt wurde, so vor allem, weil man über die verdrängten Fruchtgruppen und Fruchtarten wenig weiß. Sowohl der Anteil der Maisproduktion, vor allem aber der Rapsproduktion lag 2007 bei der Bodennutzung für energetische Zwecke immerhin über dem Anteil in der Landwirtschaft insgesamt (2006 Maisanteil 13,8 Prozent, Rapsanteil 12 Prozent) (Statistisches Bundesamt 2007, Bodennutzung). Auch spricht nicht viel für die Vermutung im neuesten Gutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen, dass der Maisanbau für energetische Zwecke den Maisanbau insgesamt gar nicht erhöht habe (SRU 2007, 44). Zwischen 2005 und 2007 ist die energetisch genutzte Fläche des Maisanbaus um 202.000 Hektar gestiegen, im gleichen Zeitraum stieg nach den Statistiken des Deutschen Maiskomitees die Gesamtfläche, auf der Mais angebaut wurde, um 153.000 Hektar (Deutsches Maiskomittee 2007).

Durch diese Konzentration kam es in den vergangenen Jahren zu immer großflächigeren Monokulturen für den Energiepflanzenanbau, die wachsende Belastungen des Bodens durch Verdichtung und Erosion bewirken. Die einseitige Ausrichtung begünstigt obendrein eine stärkere Verbreitung von Krankheiten und Schädlingen. Auch die ohnehin schon eingeschränkte Biodiversität in den Lebensräumen des landwirtschaftlichen Anbaus nimmt weiter ab. Dabei kann das Landschaftsbild durch den großflächigen und im Eindruck „erdrückenden“ Maisanbau Schaden nehmen.

Um die größtmögliche Menge an Pflanzenmasse zu produzieren, und nur darauf kommt es bei einer reinen Biomasseproduktion ohne ökologisch gesetzte Grenzen an, werden auch weiterhin große Mengen an Düngemittelgaben eingesetzt, die durch Auswaschung dann als Nitrateinträge ins Grundwasser gelangen können. Dabei könnten schon bei Einhalten der bereits heute gesetzlich geregelten „guten fachlichen Praxis“ (siehe BNatSchG und BBodSchG) viele dieser Probleme verhindert werden.

Ökologisch empfehlenswert erscheint dahingegen der Mehrkulturenanbau. Gegenüber dem Mais sind Nutzungssysteme, die auf einen vielfältigen Anbau in abgestimmter Fruchtfolge setzen, aber bisher kaum zum Einsatz gekommen. Hierfür fehlen (außerhalb weniger Demonstrationsprojekten) noch langjährigen Erfahrungswerte, die verlässliche Aussagen über die ökologischen und zugleich ökonomische Seite dieser Produktionsweise zulassen. Außerdem ist beim Mehrkulturenanbau eine anspruchsvoller Planung und Bewirtschaftung von Nöten. Die Übernahme der dadurch entstehenden Kosten scheuen die Landwirte derzeit noch. Vorteilhaft an derartigen Systemen sind die geringere Erosionsgefahr und Eutrophierungsneigung. Auch kann bei geschickter Planung der Einsatz von Herbiziden und Pestizide zumindest stark reduziert werden.

Weiterhin sollte auch eine verstärkte Toleranz gegenüber Ackerwildkräutern gerade beim Biomasseanbau eingefordert werden. Dies kann z.B. durch einer Verringerung der Pflanzenschutzmittelgabe erreicht werden. Außer der extensiveren Nutzung der „Normalstandorte“ kann eine weitere Lösung für die ökologischen Biomasseprobleme in der Bewirtschaftung zusätzlicher bisher nicht genutzter ertragsarmer Flächen liegen. Diese Standorte bieten noch ein großes Potenzial (Rode et al 2005, 139ff.).

Doch vor der Erarbeitung solcher Lösungsstrategien sollen die einzelnen Auswirkungen eines verstärkten Biomasseanbaus auf Natur und Landschaft näher analysiert werden. Die Auswirkungen auf die unterschiedlichen Schutzgüter lassen sich nach Schultze 2004 wie folgt differenzieren.

Tabelle 6 Negative Auswirkungen des heute üblichen Biomasseanbaus auf Natur und Landschaft

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(verändert nach Schultze 2004, 75)

Die in Tab. 6 aufgeführten Wirkfaktoren auf die Schutzgüter beziehen sich durchwegs auf negative Auswirkungen, die der Verursacher (für den Anbau von Biomasse) nicht in vollem Umfang selbst zu spüren bekommt. Man spricht deshalb in der ökonomischen Disziplin auch von externen Kosten, die die eigentliche Rechtfertigung öffentlicher Interventionen in Gestalt von Subventionen oder Ver- und Geboten abgeben sollten. Wenn z.B. der großflächige Monokultur-Maisanbau zum Verlust von ästhetisch wertvollen Landschaftselementen führt, so können sich die davon Betroffenen nicht individuell wehren (ein normaler Markt versagt). Auch in der ökonomischen Theorie ist anerkannt, dass bei Vorliegen solcher Externalitäten kollektive (öffentliche) Eingriffe aus wohlfahrtsökonomischer Sicht notwendig sind. Das rechtfertigt deshalb auch beim Biomasseanbau selbst aus ökonomischer Perspektive Maßnahmen, die dem Natur- und Landschaftsschutz dienen (Mankiw 1999, 217-261).

Bisher liegen diesen Wirkungen der Energiepflanzenproduktion (zu den externen Kosten) erst wenige Untersuchungsergebnisse vor. Allerdings laufen derzeit eine Reihe von Forschungsvorhaben, die sich diesem Themenfeld widmen (Rode 2005, 411 und Wiehe 2007, 14).

Der Biomasseanbau in heutiger Produktionsweise wirkt einerseits auf die Anbaufläche selbst, andererseits strahlen die Auswirkungen auch auf Schutzgüter außerhalb der Anbaufläche selber aus. Auf den Flächen kommt es ökologisch nachteilig zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, verstärkter Düngung, einer Verdichtung des Bodens und Bodenerosion. Außerhalb des Gebietes kommt es zusätzlich zu einer Veränderung der Grundwasserneubildung und der Grund- und Oberflächenwasserqualität. Weiterhin wirkt sich der Intensiv-Biomasseanbau negativ auf die Arten und Biotope und das Landschaftsbild aus (Bemann et al 2004, 37f).

Peters nennt in seiner Untersuchung 2007 zusätzlich noch die Verluste von Arten, die Minderung der Erholungsfunktion und die Verschlechterung der Humusbilanz als Begleiterscheinung des verstärkten Biomasseanbaus (Peters 2007, 10).

Den vielfachen energiepolitischen Chancen durch den Biomassenanbau stehen also zahlreiche naturschützerische Bedenken entgegen. So sollten z.B. Monokulturen aus Mais oder Pappelschnellwuchsplantagen vermieden werden. Auch muss die Konzentration des einseitigen Anbaus rund um die Biogasanlagen entzerrt werden, um der Verödung des Landschaftsbildes entgegenzuwirken. Nährstoffeinträge in Böden und Gewässer sollten begrenzt werden. Ein vielfältiges Landschaftsbild wäre zu wahren, damit die Naherholung und der Tourismus nicht durch öde Landschaften geschädigt werden (Beckmann 2007, 16ff.).

2.1 Auswirkungen auf Naturhaushalt und Naturausstattung

In Landschaften, in denen bisher eine vielfältige, kleinstrukturierte Landwirtschaft betrieben wurde, ändert sich durch die Umstellung in meist großflächigen, monokulturellen Biomasseanbau nicht nur das Arteninventar, sondern auch das gesamte Landschaftsbild. Im Regelfall geht die Umstellung auf den Biomasseanbau auch mit einer Intensivierung der Produktion einher und verstärkt damit die negativen Auswirkungen der Intensivlandwirtschaft. Der ehemalige Präsident des Wuppertal Instituts v. Weizsäcker sieht die Artenvielfalt durch die riesigen Monokulturen bedroht und geht sogar soweit, zu sagen: „Biotreibstoffe sind der größte Angriff auf die Biodiversität!“ (Weizsäcker 2007).

Während die positive Klimabilanz bei der Biomasse zur Treibstoffproduktion noch nicht einmal geklärt ist (siehe Kapitel 4.3), ist aus Sicht des Naturschutzes vor allem die Flächenkonkurrenz zu Naturschutzgebieten und zu den bisher extensiv genutzten Äckern und Wiesen zu betrachten. Dazu die Vorsitzende des SRU v. Haaren: Insbesondere der Umbruch von Grünland muss strenger unterbunden werden, da durch ihn der Verlust der Artenvielfalt verstärkt und in erheblichem Maße Klimagase freigesetzt werden.“ (SRU 2007a, 2)

Den zunehmenden Anbau von Biomasse werden also folgende negativen Auswirkungen zugeschrieben:

- zunehmende Bodenerosion durch Monokulturen von Mais etc.
- Eutrophierung von Biotopen durch verstärkten Düngemitteleinsatz
- Belastung durch verstärkten Pflanzenschutzmitteleinsatz
- Belastungen des Grundwassers und Oberflächenwassers (Pflanzenschutzmittel, Nitrat)
- Verlust von Landschaftselementen (Hecken, Saumstrukturen) in der Kulturlandschaft (durch größere Schläge)
- Verlust von Lebensräumen und der Vielfalt an Arten

(Bemann et al 2004, 3)

Im Folgenden sollen die einzelnen Auswirkungen auf die Schutzgüter etwas näher betrachtet werden.

[...]

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836615761
DOI
10.3239/9783836615761
Dateigröße
5.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Oberprüfungsamt für den höheren technischen Verwaltungsdienst Bonn – Landespflege
Erscheinungsdatum
2008 (Juli)
Note
1,3
Schlagworte
biomasseanbeu naturschutz erneuerbare energien standards gesetzliche grundlage
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Titel: Biomasseanbau und Naturschutz
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