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Die Einkommenssteuer in Deutschland und Frankreich

Eine terminologische Untersuchung

©2008 Diplomarbeit 238 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Einführung und Eingrenzung des Sachgebiets:
Jedem, der eine berufliche Tätigkeit ausübt und damit seinen Lebensunterhalt bestreitet, ist die Einkommensteuer ein Begriff. Arbeitnehmer kennen sie als Lohnsteuer, Anleger als Kapitalertragsteuer, Selbständige als Veranlagungssteuer. Jeder, der sein Heimatland verlässt, um in einem anderen Staat eine Arbeit zu finden, muss sich mit einkommensteuerrechtlichen Regelungen auseinander setzen.
Steuereinnahmen decken den Großteil des öffentlichen Finanzbedarfs. Der Einkommensteuer kommt in dieser Hinsicht eine herausragende Bedeutung zu, da sie sowohl in Deutschland als auch in Frankreich nach der Umsatzsteuer die aufkommensstärkste Einzelsteuer ist. Ein Drittel der gesamten Steuereinnahmen werden durch sie erbracht. Wichtige wirtschafts- und sozialpolitische Ziele könnten ohne die Einkommensteuer nicht konsequent verfolgt werden.
In Deutschland betrug ihr Anteil an den staatlichen Gesamteinnahmen 2007 allein in der Form der veranlagten Einkommensteuer und der Lohnsteuer 21, 9 %, wie aus dem umseitig abgedruckten Schaubild hervorgeht:
Auch in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bietet sich ausnahmslos das gleiche Bild. In Frankreich wurde das Steueraufkommen für 2007 auf rund 267, 2 Milliarden Euro geschätzt, wobei die Einkommensteuer mit 57, 1 Milliarden Euro zu dieser Summe beitragen sollte.
Diese Zahlen verdeutlichen, dass eine Beschäftigung mit den öffentlichen Finanzen eines Staates unausweichlich auch über die Einkommensteuer führen muss.
Entsprechend der Vielfalt der verschiedenen Lebens- und Arbeitssituationen von Einzelpersonen sind auch die Normen, die die Einkommensteuer regeln, von einer großen Komplexität gekennzeichnet. Einkünfte aus verschiedenen Tätigkeiten, selbständiger Arbeit oder Dienstverhältnissen, Unterhaltsleistungen, Geldanlagen, Zinsen, aus Veräußerung von Besitzwerten - um nur einige wenige Beispiele zu nennen - sind allesamt gesetzlich definiert und unterliegen speziellen Besteuerungsmechanismen.
Daher kann der Gegenstand der vorliegenden Arbeit nicht die erschöpfende Darstellung aller Sachverhalte, die eine Steuerschuld begründen, aller Verwaltungsverfahren und Einzelregelungen, aller Steuersätze und Tarife sein. Wer tiefer in die Materie der Einkommensteuer eindringt, wird schnell bemerken, dass ein eigentlich so konkreter Rechtsbereich einen Umfang annimmt, der nicht im Rahmen einer Diplomarbeit behandelt werden kann. Das […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Thomas Meyers
Die Einkommenssteuer in Deutschland und Frankreich
Eine terminologische Untersuchung
ISBN: 978-3-8366-1560-0
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Universität des Saarlandes, Saarbrücken, Deutschland, Diplomarbeit, 2008
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2008
Printed in Germany

Geleitwort
Mit dem Abschluss dieser Arbeit schließt sich für mich auch ein Lebensabschnitt, der
von vielen Schwierigkeiten, Zweifeln, bitteren Erfahrungen, aber auch von schönen
Erlebnissen und vor allem von einer Fülle von Wissen und Arbeit geprägt war, so dass
er meine Persönlichkeit enorm bereichert und mir erlaubt hat, mich selbst
weiterzuentwickeln. Diese Zeit wird mir sicher nicht als die schönste meines Lebens in
Erinnerung bleiben, aber dennoch als die intensivste, die ich bis zum heutigen Tag
erleben durfte. Vielen Menschen gebührt daher mein Dank dafür, dass sie mich ein
Stück weit begleitet haben, mir in kritischen Situationen beigestanden haben, und ein
Geleitwort reicht wohl nicht aus, um alle die Geschichten zu erzählen, die es wert
wären, gehört zu werden.
Wenn ich zurückblickend auf mein Studium schaue, kann ich nicht umhin, zwei Namen
zu erwähnen: Elisabeth Gillois, die mir so unendlich viele Denkanstösse gegeben hat,
ohne die ich meine Französischkenntnisse wohl nie auf das heutige Niveau hätte
bringen können, und die ich noch heute um ihre Kompetenz beneide, sowie Prof. Dr.
Alberto Gil, der mich von Anfang an inspiriert und mir einen Weg in die Welt der
Sprachwissenschaft gezeigt hat, der nicht nur über die Beanspruchung der grauen
Zellen, sondern auch über Herz und Leidenschaft führt (Ich bin mir sicher, dass er trotz
dieser Worte des Lobes seine Aufgabe als Zweitkorrektor gewissenhaft und objektiv
wahrnimmt).
Ich muss auch meine ,,zweite Familie", meine Freunde aus der Heimat erwähnen, die
mir und denen ich trotz jahrelanger Abwesenheit nie fremd geworden bin, und mit
denen ich viele der schönsten Momente meines bisherigen Lebens habe teilen dürfen.
Diese Arbeit hat mir sehr viel abverlangt. Wochenlang saß ich von morgens bis abends
am Computer, schindete meinen Rücken, meine Augen, meine Finger und sah zu, wie
meine Muskeln langsam aber sicher atrophierten. Wie oft habe ich das
Textverarbeitungsprogramm zum Teufel gewünscht! Wie oft meine schlechte Laune an
anderen ausgelassen! Und wie oft tat es mir im Nachhinein wahrscheinlich mehr weh
als ihnen! Dank auch an unsere polnischen Gastarbeiter, die mich regelmäßig am
Samstag Abend auf Ideen brachten, die von der Wissenschaft wohl Lichtjahre entfernt
liegen, aber mir den dringend benötigten Ausgleich brachten. Jemand, über den ich nun
wirklich gar nichts positives schreiben kann, ist die Katze meiner Mitbewohnerin, die
auf der Suche nach Streicheleinheiten regelmäßig auf meine Tastatur sprang und mich
anscheinend hartnäckig von meiner Arbeit abhalten zu wollen schien. Wieso ich nicht
einfach die Tür schloss? Dieses liebenswerte Geschöpf hat schon vor langer Zeit das
Geheimnis der Klinken gelüftet.
Danken möchte ich auch Frau Andrea Wurm, deren Anregungen mir stets wichtig und
aufschlussreich waren, sowie Sara Lisa Schmidt und Katharina Jansen für das
aufmerksame Korrekturlesen. Euren Adleraugen entgeht einfach nichts!
Der letzte Absatz soll meinen lieben Eltern gebühren. Ohne sie wäre ich heute nicht
hier. Ohne sie wäre ich nicht der, der ich bin. Ohne sie hätte ich dieses Gefühl der
Sicherheit nie gekannt. Sie waren immer bei mir, obwohl hunderte Kilometer entfernt
und ich weiß, dass sie nicht eine Sekunde gezögert hätten, um mir in Notlagen zu Hilfe
zu eilen. Es war nicht immer leicht mit mir, aber ich weiß, dass ich in ihnen stets
bedingungslosen Rückhalt finde. Ich liebe euch! Ihr habt mich auf diese Welt
vorbereitet. Nun wird diese Welt sich auf mich vorbereiten müssen.

1
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ... 4
1. Einleitung... 5
1.1 Einführung und Eingrenzung des Sachgebiets... 5
1.2 Ziel der Arbeit ... 7
1.3 Aufbau der Arbeit ... 8
2. Fachsprache ... 9
2.1 Grundgedanken ... 9
2.2 Abstufungen und Jargon ... 11
2.3 Merkmale der Fachsprache(n)... 15
2.4 Fachsprache und Umgangssprache... 17
2.5 Fachsprache des Rechts... 21
3. Terminologie ... 24
3.1 Grundgedanken ... 24
3.2 Terminologiearbeit... 29
3.3 Grundelemente der Terminologielehre ... 32
3.3.1 Terminus... 33
3.3.1.1 Gegenstand... 34
3.3.1.2 Begriff und Merkmal... 35
3.3.1.3 Begriffe im Recht ... 41
3.3.1.4 Benennung ... 43
3.3.2 Definition... 45
3.3.3 Kontext ... 48
3.3.4 Erläuterung ... 49
3.3.5 Quelle ... 50
3.3.6 Anmerkung ... 50
3.3.7 Notation ... 51
3.3.8 Begriffsbeziehungen ... 51
3.3.9 Begriffssysteme... 53
3.3.9.1 Begriffssysteme im Recht ... 55
3.3.9.2 Vergleich von Begriffssystemen ... 56
3.3.10 Äquivalenz ... 57
3.3.10.1 Äquivalenz in Sprachwissenschaft und Terminologie ... 57
3.3.10.2 Äquivalenz im Recht ... 60

2
4. Sachgebiet ... 62
4.1 Fachsprache des Steuerrechts... 62
4.1.1 Deutschland ... 62
4.1.2 Frankreich... 67
4.1.3 Zusammenfassung... 70
4.2 Einkommensteuer in Deutschland und Frankreich... 71
4.2.1 Einkommensteuer in Deutschland... 72
4.2.1.1 Zur Geschichte der Einkommensteuer ... 72
4.2.1.2 Wesen der deutschen Einkommensteuer ... 73
4.2.1.3 Rechtsquellen ... 74
4.2.1.4 Grundlegende Besteuerungsprinzipien... 76
4.2.1.5 Voraussetzungen der Besteuerung ... 78
4.2.1.5.1 Persönliche Steuerpflicht ... 79
4.2.1.5.2 Sachliche Steuerpflicht ... 80
4.2.1.5.2.1 Gewinneinkünfte... 80
4.2.1.5.2.1.1 Betriebsvermögensvergleich... 81
4.2.1.5.2.1.2 Bilanzielle Gewinnermittlung... 82
4.2.1.5.2.1.3 Einnahmen-Überschussrechnung... 82
4.2.1.5.2.2 Überschusseinkünfte ... 83
4.2.1.6 Ermittlung des zu versteuernden Einkommens... 84
4.2.1.6.1 Altersentlastungsbetrag... 84
4.2.1.6.2 Entlastungsbetrag für Alleinerziehende ... 84
4.2.1.6.3 Sonderausgaben... 85
4.2.1.6.4 Verlustabzug... 85
4.2.1.6.5 Außergewöhnliche Belastungen... 86
4.2.1.6.6 Freibeträge... 86
4.2.1.6.7 Sonstige abzuziehende Beträge ... 87
4.2.1.7 Erhebung und Festsetzung der Steuer ... 87
4.2.2 Einkommensteuer in Frankreich... 88
4.2.2.1 Zur Geschichte der Einkommensteuer ... 88
4.2.2.2 Wesen der französischen Einkommensteuer ... 89
4.2.2.3 Rechtsquellen ... 90
4.2.2.4 Grundlegende Besteuerungsprinzipien... 91
4.2.2.5 Voraussetzungen der Besteuerung ... 93
4.2.2.5.1 Steuerpflichtige (personnes imposables) ... 93
4.2.2.5.2 Erfüllung des Steuertatbestandes (fait générateur)... 94
4.2.2.5.3 Ermittlung der Bemessungsgrundlage ... 94
4.2.2.6 Gewinne aus Industrie und Handel (bénéfices industriels et
commerciaux) ... 96
4.2.2.7 Gewinnermittlungsarten (régimes d'imposition) ... 97
4.2.2.8 Bruttoeinkommen (revenu brut global) ... 97
4.2.2.9 Nettoeinkommen (revenu net global) ... 98
4.2.2.10 Berechnung (liquidation) der Einkommensteuerschuld ... 99
4.2.2.11 Bruttosteuerschuld (impôt brut) ... 99
4.2.2.12 Zu zahlende Einkommensteuerschuld ...100
4.2.2.13 Festsetzung und Zahlung der Einkommensteuer ...102

3
5. Begriffssysteme ...103
5.1 Erläuterung der Begriffssysteme...103
5.2 Erläuterung der graphischen Mittel ...108
5.3 Deutsches Begriffssystem...110
5.4 Französisches Begriffssystem ...117
6. Zusammenführung der Begriffssysteme ...124
7. Arbeit mit Multiterm 5.5 und Aufbau der Datenbank...128
8. Glossar ...131
8.1 Deutsches Wortgut ...131
8.2 Französisches Wortgut...177
8.3 Quellkürzelverzeichnis ...221
9. Schlussbemerkung ...223
10. Literaturverzeichnis ...224
10.1 Fachsprachen ...224
10.2 Terminologie...225
10.3 Deutsche Literatur zum Sachgebiet ...227
10.4 Französische Literatur zum Sachgebiet ...228
10.5 Gesetzestexte ...229
10.6 Nachschlagewerke ...230
10.7 Internet ...231
Alphabetischer Index der Glossareinträge ...233

4
Abkürzungsverzeichnis
AO
Abgabenordnung
Art.
Artikel / Article
AStG
Außensteuergesetz
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BFH
Bundesfinanzhof
bspw.
beispielsweise
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
CGI
Code général des impôts
DBA
Doppelbesteuerungsabkommen
DGI
Direction générale des impôts
EStDV
Einkommensteuer-Durchführungsverordnung
EStG
Einkommensteuergesetz
FVG
Finanzverwaltungsgesetz
gem.
gemäß
GG
Grundgesetz
HGB
Handelsgesetzbuch
h. M.
herrschende Meinung
IR
Impôt sur le revenu
i. d. R
in der Regel
i. V. m. in Verbindung mit
KStG
Körperschaftsteuergesetz
LStDV
Lohnsteuer-Durchführungsverordnung
z. T.
zum Teil
§
Paragraph

5
1. Einleitung
1.1 Einführung und Eingrenzung des Sachgebiets
Jedem, der eine berufliche Tätigkeit ausübt und damit seinen Lebensunterhalt bestreitet,
ist die Einkommensteuer ein Begriff. Arbeitnehmer kennen sie als Lohnsteuer, Anleger
als Kapitalertragsteuer, Selbständige als Veranlagungssteuer. Jeder, der sein Heimatland
verlässt, um in einem anderen Staat eine Arbeit zu finden, muss sich mit
einkommensteuerrechtlichen Regelungen auseinander setzen.
Steuereinnahmen decken den Großteil des öffentlichen Finanzbedarfs.
Der Einkommensteuer kommt in dieser Hinsicht eine herausragende Bedeutung zu, da
sie sowohl in Deutschland als auch in Frankreich nach der Umsatzsteuer die
aufkommensstärkste Einzelsteuer ist. Ein Drittel der gesamten Steuereinnahmen werden
durch sie erbracht. Wichtige wirtschafts- und sozialpolitische Ziele könnten ohne die
Einkommensteuer nicht konsequent verfolgt werden.
In Deutschland betrug ihr Anteil an den staatlichen Gesamteinnahmen 2007 allein in der
Form der veranlagten Einkommensteuer und der Lohnsteuer 21, 9 %, wie aus dem
umseitig abgedruckten Schaubild hervorgeht:

6
Abb. 1: Einnahmenstruktur des Bundes
1
Auch in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bietet sich ausnahmslos
das gleiche Bild
2
. In Frankreich wurde das Steueraufkommen für 2007 auf rund 267, 2
Milliarden Euro geschätzt, wobei die Einkommensteuer mit 57, 1 Milliarden Euro zu
dieser Summe beitragen sollte
3
.
Diese Zahlen verdeutlichen, dass eine Beschäftigung mit den öffentlichen Finanzen
eines Staates unausweichlich auch über die Einkommensteuer führen muss.
Entsprechend der Vielfalt der verschiedenen Lebens- und Arbeitssituationen von
Einzelpersonen sind auch die Normen, die die Einkommensteuer regeln, von einer
großen Komplexität gekennzeichnet. Einkünfte aus verschiedenen Tätigkeiten,
selbständiger Arbeit oder Dienstverhältnissen, Unterhaltsleistungen, Geldanlagen,
Zinsen, aus Veräußerung von Besitzwerten - um nur einige wenige Beispiele zu nennen
- sind allesamt gesetzlich definiert und unterliegen speziellen
Besteuerungsmechanismen.
Daher kann der Gegenstand der vorliegenden Arbeit nicht die erschöpfende Darstellung
aller Sachverhalte, die eine Steuerschuld begründen, aller Verwaltungsverfahren und
Einzelregelungen, aller Steuersätze und Tarife sein. Wer tiefer in die Materie der
1
Quelle: Bundesministerium der Finanzen; Finanzplan des Bundes 2006 bis 2010
2
Quelle: Statistisches Amt der Europäischen Union (Eurostat)
3
vgl.: Ministère de l'économie, des finances et de l'emploi ; D'où vient l'argent de l'État ?

7
Einkommensteuer eindringt, wird schnell bemerken, dass ein eigentlich so konkreter
Rechtsbereich einen Umfang annimmt, der nicht im Rahmen einer Diplomarbeit
behandelt werden kann. Das Sachgebiet musste demnach sinnvoll eingegrenzt werden.
Nach welchen Verfahren wird die Einkommensteuer ermittelt und wie gehen die
Behörden Deutschlands und Frankreichs bei der Berechnung der zu zahlenden
Einkommensteuerschuld vor? Wie wird sie erhoben und bezahlt? Was sind die
Voraussetzungen, die es einem Staat erlauben, seine Steuerhoheit auszuüben? Diese
Fragestellungen waren ausschlaggebend für die Auswahl eines Ausschnitts aus diesem
komplizierten Teil des Steuerrechts. Trotz des Versuchs, möglichst alle für die
gestellten Fragen relevanten Elemente zu berücksichtigen, kann hier kein Anspruch auf
Vollständigkeit erhoben werden.
1.2 Ziel der Arbeit
In Zeiten der Globalisierung und der Entstehung supranationaler Gebilde wie der
Europäischen Union, die immer mehr Einfluss auf Staatsfinanzen und Steuerpolitik
nehmen, ist der Vergleich zweier Steuersysteme in mehrfacher Hinsicht interessant. Er
kann die Grundlage für eine weitere Harmonisierung des Steuerrechts liefern und
denjenigen, die mit beiden Rechtssphären in Berührung kommen, eine wichtige
Orientierungshilfe sein.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine terminologische Datenbank sowie ein Glossar
erstellt, das wichtige Begriffe zum Thema enthält. Die graphisch dargestellten
Begriffssysteme gewährleisten einen schnell zu erfassenden Überblick über die Materie.
Sowohl Datenbank und Glossar als auch die Begriffssysteme zielen darauf ab, einem
Übersetzer oder Dolmetscher, der in diesem Bereich tätig wird, nutzungsorientiert einen
terminologischen Wortbestand an die Hand zu geben, ihm so die Arbeit zu erleichtern
sowie zu helfen, eventuell folgenschwere Fehler zu vermeiden. Ein weiteres Ziel war es,
die Grundzüge der Einkommensteuer jedem verständlich zu machen, der sich für dieses
Gebiet interessiert. So sollten Deutsche, die nach Frankreich ziehen, um dort einen
Beruf auszuüben, Franzosen, die nach Deutschland kommen, und alle, die der deutschen
Sprache mächtig sind und in einem von beiden oder sogar in beiden Staaten arbeiten
wollen, durch diese Arbeit die Möglichkeit bekommen, sich grundlegendes Wissen über
die Einkommensteuer anzueignen.

8
Schließlich soll auch die Frage beantwortet werden, ob die beiden Steuersysteme
überhaupt miteinander verglichen werden können.
1.3 Aufbau der Arbeit
Jede terminologische Arbeit basiert auf den in der Forschung gewonnenen
Erkenntnissen und davon abgeleiteten Richtlinien. Das behandelte Sachgebiet muss in
Abhängigkeit von diesen Vorgaben erfasst werden. Die Terminologiewissenschaft ist
eng mit der Fachsprachenforschung verbunden, da das Wortgut eines abgrenzbaren
Fachbereichs immer auch ein Teil eines bestimmten Ausschnitts einer umfassenderen
Fachsprache ist.
Dementsprechend gliedert sich die vorliegende Arbeit in zwei große Teile:
einen theoretischen (Kapitel 2 und 3) und einen praktischen (4 bis 8).
Im ersten Teil soll die theoretische Grundlage für die Untersuchung des Sachgebiets
und die Erstellung der terminologischen Datenbank geschaffen werden. Nach einer
eingehenden Beschäftigung mit der Forschung im Bereich der Fachsprachen folgt eine
Vorstellung der wichtigsten Bestandteile der Terminologielehre. Entsprechend dem
Thema dieser Arbeit wird das Recht, dessen Sprache und Terminologie, in beiden
Kapiteln in besonderer Weise berücksichtigt. Es werden weiterhin die Grundprinzipien
für den Vergleich der beiden Sprach- und Sachsphären erörtert.
Der praktische Teil umfasst neben einer kurzen Untersuchung der Rechtssprache im
Bereich des Steuerrechts eine detaillierte Beschreibung des Realitätsausschnitts, der für
diese Arbeit gewählt wurde. Im Anschluss daran werden die hier angestellten
Überlegungen im jeweiligen Begriffssystem zusammengefasst, wobei vorher dessen
Form und Inhalt nochmals erläutert wird. Die Begriffssysteme werden sodann
zusammengeführt und verglichen.
Das eigentliche Kernstück dieser Arbeit, das Glossar, in dem die Begriffe einzeln
aufgeführt und von Definitionen, Erläuterungen sowie Übersetzungsvorschlägen
begleitet werden, bildet den Schlusspunkt.
Eine Beschreibung der Arbeit mit dem Programm Multiterm 5.5 von Trados, das zur
Erarbeitung der Datenbank bzw. des Glossars diente, geht dem Glossar voran.
Ein alphabetischer Index der enthaltenen terminologischen Einträge erleichtert das
Konsultieren dieser Arbeit als nützliches Nachschlagewerk.

9
2. Fachsprache
2.1 Grundgedanken
Man könnte anführen, dass das Phänomen Fachsprache bereits hinreichend erörtert
wurde, ja selbsterklärend ist und keiner weiteren Überlegung bedarf. Diesen Gedanken
stützt auch die DIN-Norm 2342 Teil 1, die eine für den deutschen Sprachraum
festgelegte Definition von Fachsprache beinhaltet, nach der Fachsprache ein ,,Bereich
der Sprache [ist], der auf eindeutige und widerspruchsfreie Kommunikation in einem
Fachgebiet gerichtet ist und dessen Funktionieren durch eine festgelegte Terminologie
entscheidend unterstützt wird" (1992:1). Was genau unter ,Terminologie' zu verstehen
ist und welche unterschiedlichen Auffassungen hier vorherrschen, soll Gegenstand des
nächsten Kapitels sein.
Beschäftigt man sich mit der fachsprachlichen Literatur, so wird deutlich, dass das, was
eine Fachsprache ausmacht, Objekt oft gegenläufiger Meinungen und kontroverser
Diskussionen ist, und eine terminologische Arbeit aus diesem Grund nicht darauf
verzichten kann, den Begriff im Hinblick auf Zielsetzung und Sachgebiet näher zu
beleuchten.
Dass dieser nicht einfach auf eine allgemeingültige Definition - so sinnvoll eine solche
auch sein mag - reduziert werden kann, illustriert bereits das breite Spektrum der
Forschungsbereiche, die sich damit befassen. Lexikalische Semantik, Stilistik,
Textlinguistik, funktional-kommunikative Sprachbetrachtung oder Soziolinguistik -
wobei diese Aufzählung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt - untersuchen
jeweils spezifische Aspekte eines Phänomens, dass durch diese mannigfaltigen
Ansatzpunkte bereits erahnen lässt, welcher Komplexitätsgrad sich dahinter verbirgt.
Das immer weiter zunehmende Wissen und die fortschreitende Spezialisierung in allen
Bereichen der Forschung und Entwicklung finden zwangsläufig auch in der Sprache
ihren Niederschlag. Für diejenigen, die in einem klar abgrenzbaren Tätigkeitsbereich
arbeiten, sind die für Außenstehende äußerst kompliziert erscheinenden,
konventionalisierten und sich ständig weiter entwickelnden kommunikativen Vorgänge
von entscheidender Bedeutung.

10
Arbeitsteilung und Spezialisierung bedingen, dass die Kommunikationsmittel den
Anforderungen angepasst werden, um größtmögliche Effizienz in Entwicklung und
Produktion zu garantieren (vgl. Baumann, 1987:10). Das Ausmaß der Spezialisierung
der Vorgänge in Wirtschaft und Forschung spiegelt sich analog in der Differenziertheit
des fachspezifischen Wortgutes wider.
Mit ihren spezifischen syntaktischen, semantischen und pragmatischen Eigenheiten ist
Fachsprache im allgemeinen Sinne ein Kommunikationsmedium auf nationaler und
internationaler Ebene, das parallel zum Wissensstand sowohl qualitativ und als auch
quantitativ eine starke Expansionstendenz aufweist:
,,Die Ausbreitung der Fachsprachen ist (..) die logische Konsequenz der
Informationsexplosion (...)" (Wilss, 1979:177).
Um der Flut neuer Erkenntnisse und Errungenschaften Herr zu werden, hat Fachsprache
im Gegensatz zu Umgangssprache, zur Sprache der Kunst oder Poesie einen deutlich
instrumentalen Charakter angenommen, der dem Ziel dient, möglichst präzise und
ökonomische Verständigung zu ermöglichen (vgl. Fluck, 1996:12).
Soll die Wesensart des Forschungsgegenstandes Fachsprache eingegrenzt werden, so ist
es ratsam, von einem negativen Ansatz aus zunächst einmal zu beschreiben, was sie
nicht ist: nämlich kommunikativ unbestimmt, interpretatorisch offen und konnotativ
beladen. Ihr Streben gilt der Eindeutigkeit und sie bezieht ihre kommunikative Energie
aus ihrer Normativität.
Reglementierung, Standardisierung und Hierarchisierung von Wortbeständen und
Ausdrucksweisen verleihen ihr einen operationellen Charakter, an dem die
Fachkommunikation als entpersonalisierte Form der menschlichen Verständigung
deutlich zu erkennen ist (vgl. Wilss, 1979:83).
Jede Fachsprache lebt von strukturierten, konventionalisierten Wortbeständen, die einen
klar bestimmbaren Bereich der Realität abdecken.

11
2.2 Abstufungen und Jargon
Der Ausdruck ,jede Fachsprache' deutet bereits darauf hin, dass notwendigerweise
Abstufungen vorzunehmen und Unterschiede zwischen den unzähligen parallel
existierenden Fachsprachen herauszustellen sind.
In der Literatur trifft man in dieser Hinsicht auf den Begriff der Schichtung der
verschiedenen Arten von Fachsprachen.
Horizontale Schichtung bezeichnet die Abgrenzung einzelner Fachsprachen
untereinander, während vertikale Schichtung den Abstraktionsgrad feststellt, d. h.
bestimmt, auf welcher sprachlichen Ebene die betreffende Fachsprache anzusiedeln ist.
Das Spektrum reicht hier von standardsprachlicher über populärwissenschaftliche bis
hin zu hoch formalisierter, entverbalisierter Ausdrucksweise in Kunst- oder
Symbolsprachen wie etwa der der Logik, Mathematik oder generativen
Transformationsgrammatik (vgl. Wilss, 1979:179).
In einem allgemeinen Klassifikationsversuch unterscheidet Sandrini in diesem
Zusammenhang 5 Abstraktionsstufen (vgl. 1996:6), die Eigenheiten und Merkmale
einer Fachsprache prägen:
1. Höchste Abstraktionsstufe. Für Elemente und Relationen werden künstliche
Symbole zum Gebrauch in den theoretischen Grundlagenwissenschaften
verwendet. Auf dieser Stufe erfolgt Kommunikation von Wissenschaftler zu
Wissenschaftler.
2. Sehr hohe Abstraktionsstufe. Neben künstlichen Symbolen für Elemente enthält
diese Art der Fachkommunikation auch Merkmale der natürlichen Sprache,
deren syntaktische Mittel zur Darstellung von Relationen dienen.
Anwendungsbereich sind die experimentellen Wissenschaften. Kommunikation
erfolgt von Wissenschaftlern oder Technikern zu anderen Technikern oder
wissenschaftlich-technischen Hilfskräften.
3. Hohe Abstraktionsstufe. Kennzeichen dieser Stufe ist die Verwendung
natürlicher Sprache mit einem sehr hohen Anteil an Fachterminologie und einer
streng determinierten Syntax. Als Geltungsbereich nennt Sandrini die
angewandten Wissenschaften und die Technik. Wissenschaftler oder Techniker
kommunizieren hier mit wissenschaftlichen und technischen Leitern der
materiellen Produktion.

12
4. Niedrige Abstraktionsstufe. Wie unter Punkt 3 ist auch hier der Gebrauch
natürlicher Sprache charakteristisch, jedoch mit einem hohen Anteil an
Fachterminologie und einer relativ ungebundenen Syntax. In der materiellen
Produktion verständigen sich so wissenschaftliche und technische Leiter mit
Meistern und / oder Facharbeitern.
5. Sehr niedrige Abstraktionsstufe. Vertreter der materiellen Produktion treten auf
dieser Ebene in Kontakt mit Vertretern des Handels, diese ihrerseits mit den
Endkonsumenten und Endkonsumenten untereinander. Hier kommt natürliche
Sprache mit einigen Fachtermini und ungebundener Syntax zum Einsatz.
Beling / Wersig hingegen sprechen nicht von Abstraktionsstufen, sondern von
Kommunikationsebenen (1979:147), von denen sie insgesamt 7 zählen:
1. Kommunikation von Wissenschaft mit sich selber
2. Transfer wissenschaftlicher Erkenntnis in die Anwendungssphäre
3. Kommunikation innerhalb der Anwendungssphäre
4. Transfer von der Anwendungssphäre in die Vertriebssphäre
5. Kommunikation innerhalb des Vertriebsbereichs
6. Transfer vom Vertriebsbereich in den Verbrauchsbereich
7. Kommunikation innerhalb des Verbrauchsbereichs über in diesen induzierte
wissenschaftliche Ergebnisse und darauf basierende Produkte und
Dienstleistungen.
Zusätzlich sind auf jeder Kommunikationsebene noch 3 Handlungs- oder
Anwendungsbereiche voneinander zu trennen, nämlich:
- die Produktion von Gütern
- die Erstellung von Dienstleistungen
- der Bereich des Überbaus z.B. in Politik und Journalismus
Es handelt sich bei den beiden vorgestellten Modellen um Beschreibungsversuche der
sprachlich-kommunikativen Charakteristika in der Wissenschafts-, Produktions-,
Vertriebs- und Konsumsphäre, die den in dieser Arbeit behandelten Fachbereich nicht
abdecken. An späterer Stelle wird daher auf die Eigenheiten der juristischen

13
Fachsprache einzugehen sowie anhand von Sandrinis modifiziertem Modell (s. Kapitel
2.5) zu prüfen sein, welcher Stufe sich die Sprache des Steuerrechts zuweisen lässt.
Die hier vorgenommenen Abstufungen widersprechen der Aussage Wilss', der 1979
noch von einer obligatorischen Unterscheidung ,,zwischen einer allgemeinen
Wissenschaftssprache und einer Menge von relativ selbständigen und deshalb
prinzipiell voneinander abgrenzbaren Fachsprachen" (178) sprach, die in der neueren
Fachsprachenforschung einer mehr versprechenden Einordnung auf einer gleitenden
Skala gewichen ist.
Für Beling / Wersig dient deren Abstufung vor allem dazu, die Gründe für misslingende
Kommunikation zu finden. In diesem Sinne sehen sie ,,Bruchstellen", d. h.
Kommunikationsstörungen, a) beim Übergang von einer Ebene in die andere, b) beim
Übergang von internen in öffentliche Kommunikationszusammenhänge und c) beim
Übergang von einem Handlungsbereich in einen anderen (vgl. 1979:147).
Demselben Ziel folgend, nennt Dubuc 3 spezielle Klassifikationsebenen für
Fachsprache (vgl. 1985:70 f.):
-
die Werkstattsprache (,,jargon d'atelier")
-
die technisch-wissenschaftliche Ebene (,,niveau techno-scientifique")
-
die Sprache des Handels (,,niveau commercial")
Die Durchdringung der Umgangssprache mit fachsprachlichen Elementen geht aus
dieser Einordnung jedoch nicht hervor, während die beiden ersten Modelle diese
explizit nennen. Ihre Relevanz rührt daher, dass auch Fachsprache beizeiten von
unqualifizierten Sprechern verwendet wird, was zu einer Jargonisierung derselben und
zur Verkomplizierung von Umgangssprache führt. Unter Jargonisierung wird ebenso
eine bewusst angestrebte Isolierung, d.h. eine Abgrenzung von anderen
Sprechergruppen verstanden, die die meisten Autoren als negative Erscheinung werten.
Wer auf Jargon zurückgreift, tut das laut Wilss aus einem von zwei Gründen oder aus
beiden zugleich: ,,Er betreibt bewusst sprachliche Geheimbündelei oder sprachliche
Einschüchterungspolitik" (1979:181) oder versucht, ,,einen außersprachlichen
Sachverhalt zu verschleiern oder zu verdecken" (182). Auch Seibicke nennt als eine von
zwei Tendenzen des Fachjargons die ,,Auflösung der fachlichen Nüchternheit und
Isolierung vom Menschen her" (1981:60), und fasst die zweite mit dem Wort
,,Expertismus" (60) zusammen, womit die bewusste Ausweitung fachsprachlicher

14
Elemente auf die Gemeinsprache gemeint ist. Er siedelt jedoch nicht die u. a. vom
Handel oder der Werbung herbeigeführte pseudo-fachsprachliche Verständigung unter
Endverbrauchern hier an, sondern nennt Amts- oder Journalistenjargon als
Erscheinungsbereiche von Expertismus.
Dem widerspricht Fluck mit der Aussage ,,Fachsprachen sind auf bestimmte
Sprachgruppen beschränkt, von der Gemeinsprache isoliert, bilden ein eigenes
Sprachsystem" (1996:11). Bei der näheren Beleuchtung des Verhältnisses zwischen
Fach- und Umgangssprache wird noch gezeigt, dass diese Aussage leicht widerlegt
werden kann.
Ob man Expertismus wirklich als ein Amtssprache kennzeichnendes Charakteristikum
betrachten kann, hängt sicher auch vom Grad der Mündlichkeit oder Schriftlichkeit ab.
Da die behördliche Erhebung von Steuern ihre Rechtfertigung durch in Fachsprache
verfasste Gesetzestexte bezieht, soll diese Hypothese an späterer Stelle noch einmal
aufgegriffen werden.
Vom Fachjargon und dessen Merkmalen sind in jedem Fall so genannte Sondersprachen
zu unterscheiden, die als soziologische Erscheinungen zu betrachten sind, und in einem
bestimmten Bereich des menschlichen Zusammenlebens vorkommen. Diese dienen der
Identifikation mit oder der Bestätigung des Zusammenhalts innerhalb von einer Gruppe.
Soldaten- oder Schülersprache sind Beispiele von Sondersprachen.
Im Bereich der Fachsprache müssen also mehrere Erscheinungsformen voneinander
unterschieden werden. Fachjargon sowie Sondersprachen sind im engeren Sinne nicht
den Fachsprachen zuzurechnen. Welche konstitutiven Merkmale Fachsprache aus- und
erkennbar machen, soll im nächsten Abschnitt erörtert werden.

15
2.3 Merkmale der Fachsprache(n)
Die Kennzeichnung der spezifischen Eigenschaften von Fachsprache(n) erfordert
zweifelsohne, das Hauptaugenmerk auf die Textlinguistik zu richten. Abgesehen von
den Formelsprachen mit sehr hohem Abstraktionsgrad sind hier die greifbarsten
Ergebnisse zu erwarten.
Die Forschung ist sich weitgehend darin einig, dass Fachsprachen (im Folgenden: FS)
kein eigenes Sprachsystem bilden und zur Satzbildung auf die Syntax der
Gemeinsprache zurückgreifen. Die Ausdrucksweise im Bereich der FS weist jedoch
eine Reihe von Besonderheiten und Vorlieben auf.
Lerat nennt hier beispielsweise ,,le fameux style impersonnel des sciences" (1995: 29)
oder berufsspezifische Phraseologien wie ,,les formules stéréotypées des
administrations" (29). Die berühmte Rotkäppchen-Parodie
4
auf Amtsdeutsch greift
genau diese starren und unveränderlichen Formulierungskonventionen auf, um
besonders die Bevorzugung von Funktionsverbgefügen, die oft mit einer Sinnentleerung
der Verben verbunden ist (Bsp.: in Rechnung stellen, zur Durchführung bringen) in
einem ironisch-höhnischen Licht erscheinen zu lassen.
Die Gebrauchsfrequenz bestimmter - gemeinsprachlicher - grammatischer,
morphologischer oder syntaktischer Mittel hat für die FS Struktur bildende Bedeutung.
Seibicke nennt als (Struktur-) Merkmale von FS den Nominalstil, die Häufung von
Substantiven sowie die Versachlichung und damit einhergehende Entpersonalisierung
(Bsp.: ,,Humanressourcen"). Vor allem für FS des technisch-wissenschaftlichen
Bereichs ist des Weiteren eine Tendenz zur Internationalisierung zu bemerken, da im
Zeitalter der Globalisierung die in diesem Bereich geprägten Benennungen eine
,,universalité potentielle" (Lerat, 1995: 29) anstreben. Neben den Benennungen sind
Wendungen ein FS stabilisierendes Element, das ihren Charakter in hohem Maße prägt.
Von den Satz bildenden Wendungen abzugrenzen sind Fügungen und
Standardformulierungen. Fügungen wie ,,aus Kostengründen", ,,zum vollen Preis" etc.
sind ,,fest gefügte Strukturen von terminologischem Wert unterhalb der Satzebene zur
Bezeichnung klar umrissener Sachverhalte von großem Bekanntheitsgrad (...), die sich
nur als ganze Einheiten und nicht als die Summe ihrer Bestandteile" (Hohnhold,
1990:35) betrachten lassen.
4
Zu finden z. B. unter
http://baetzler.de/humor/rotkaeppchen_amtsdeutsch.html

16
Standardformulierungen zielen darauf ab, Texte schneller erstellen und damit umgehen
zu können. Zusätzlich zu dieser Funktion erfüllen sie noch eine weitere, nämlich die
,,Sicherstellung eindeutiger Verständigung" (Hohnhold, 1990:37). Diese Eindeutigkeit
als wesensbestimmende Eigenschaft von FS ist eine Konsequenz des Effizienzgebots.
Jede FS ist daher um prinzipielle Synonymitätsfreiheit sowie um Kürze und Präzision
bemüht. Mehrdeutige Wörter sind in der fachlichen Kommunikation nicht zielführend.
Nach Auswertung der Literatur kann allerdings nur bestätigt werden, dass
fachsprachliche Phraseologie und ihre terminologische Verarbeitung ein Gebiet
darstellt, das noch relativ wenig erforscht wurde (vgl. Sandrini, 1996:256).
Es wurde bereits gesagt, dass fachsprachliche Benennungen für FS wesenskonstitutiv
sind. Man spricht gleichbedeutend von Fachwörtern oder Fachausdrücken.
Im Vergleich zu Wendungen, Fügungen etc. hat das Fachwort - der Terminus - den
Vorteil, dass er sich zwecks Sicherung einförmiger und eindeutiger Kommunikation
besser für die Festlegung einer Definition eignet. Definitionen und
Konventionalisierung sind von größter Bedeutung, da sie die geforderte Präzision
sichern. Neben einem hohen Präzisionsgrad zeichnen sich Fachwörter im Gegensatz zu
Wendungen dadurch aus, dass sie weitgehend kontextunabhängig sind (vgl. Fluck,
1996:47).
Zur Typologisierung von Fachwörtern oder Fachausdrücken soll folgendes Schaubild
von Wiegand (vgl. 1979:32) dienen:
Fachausdrücke
Abb. 2: Typlogisierung von Fachausdrücken
Die Theorie der Terminologie, die Gegenstand des nächsten Kapitels sein soll,
unterscheidet zwischen normierten und nicht normierten Termini. Diese Einteilung ist
Definierte
Fachausdrücke
(Termini)
nicht definierte,
pragmatisch
eingespielte
Fachausdrücke
normierte
Untertypen,
je nach
Fachsprache
verschieden
nicht-normierte

17
auch für das in dieser Arbeit zu untersuchende Thema wichtig, da nicht alle Termini,
die im Bereich der Einkommensteuer verwendet werden, durch Legaldefinitionen
festgelegt sind. In der Erläuterung des Glossars wird dieser Punkt noch einmal
gesondert angesprochen.
Die hier beschriebenen Merkmale von FS:
-
Abstraktionsstufe
-
Expertismus
-
Nominalstil
-
Versachlichung
-
Stereotype Formulierungen
-
Synonymitätsfreiheit
-
Konventionalisierte Wendungen, Fügungen, Standardformulierungen
bilden die Untersuchungskriterien, anhand derer die Sprache des Steuerrechts an
späterer Stelle geprüft werden soll.
2.4 Fachsprache und Umgangssprache
In welchem genaueren Verhältnis FS zu Umgangs- oder Gemeinsprache steht, wird in
diesem Abschnitt versucht zu klären.
Vor allem in der Literatur älteren Datums trifft man oft auf das Opponentenpaar
Fachmann-Laie (vgl. Hoffmann, 1997:158). Wenn dieses Postulat auf die eigentliche
Sprache übertragen wird, müsste man folglich auch von Laien- und Expertensystemen
sprechen, womit die Aussage Flucks, es handele sich bei FS um eigene Sprachsysteme
(s.o.), wieder an Gültigkeit gewinnen würde.
Jedoch stellt Hoffmann bereits für die 70er Jahre eine Abkehr von derartigen
Polarisierungsversuchen fest, die neben ,,der Erweiterung des Gegenstandsbereiches der
Fachsprachenforschung über die Fachlexik hinaus (...) [ihre] Ursachen in der stärkeren
Berücksichtigung handlungstheoretischer und textlinguistischer Aspekte [findet]"
(Hoffmann, 1997:159).
Pragmatisch-kommunikative Faktoren spielen hier laut Hoffmann ebenso eine Rolle.
Die Erforschung der Fachlexik brachte auch selbst Ergebnisse hervor, die in dieselbe
Richtung deuten. Zur Erörterung lexikalischer Fragen in diesem Spannungsfeld soll
folgendes Modell dienen:

18
Abb. 3: Lexikalisches Spannungsfeld zwischen Gemein- und Fachsprache
5
Unter fachbezogener Lexik fasst Heller die Gesamtheit aller lexikalischen Einheiten
zusammen, die ,,bei isolierter Nennung im Bewußtsein der meisten Sprachteilhaber
zuerst mit einem fachlichen Bezug verstanden, also sofort als dem Wortschatz des
Fachmannes zugehörig erkannt werden" (222). Dabei bedarf es einer Ausweitung des
Begriffes Fachmann auch auf solche Disziplinen wie Hobbies oder
Freizeitbeschäftigungen, die kein oder kaum Gegenstand beruflicher Aktivität sind.
Die unterschiedlichen Schraffuren veranschaulichen den Verständlichkeitsgrad der
Fachausdrücke, wobei das Spektrum von allgemeinverständlich (hell) bis nicht
allgemeinverständlich (dunkel) reicht.
Auch in der nicht fachbezogenen Lexik sind demnach Wörter anzusiedeln, die nicht
allgemeinverständlich sind. Fremdwörter, die keinem bestimmten Fachbereich
zuzuordnen sind sowie Jargonismen, unter denen Heller vor allen Dingen Wörter
versteht, die in den weiter oben beschriebenen Sondersprachen verwendet werden, und
Dialektismen sind u. a. nicht jedem Mitglied einer Sprachgemeinschaft geläufig.
5
Entnommen aus Heller, 1981:221

19
Jeder Fachausdruck müsste einzeln in das Modell eingeordnet werden, da oft subjektive
Faktoren wie persönliches Empfinden darüber entscheiden, inwieweit ein Ausdruck
eher der fachbezogenen oder der nicht fachbezogenen Lexik zugerechnet werden muss.
Savigny untermauert die Grundaussage dieses Modells durch die Feststellung, dass,
wenn ,,die Sprache des Alltags (...) Umgangssprache gegenüber der Sprache im Labor
eines Internisten oder einer Technischen Hochschule ist, (...) die Laborsprachen
Umgangssprachen gegenüber den Sprachen der Gastroenterologie bzw. der
Experimentalphysik [sind]" (1981:347).
Für eine Definition von Umgangssprache schlägt Savigny vor, die Umgangssprache ,,als
eine Art Basissprache zu definieren - eine Sprache des Alltags, der gegenüber alle
Fachsprachen (...) Fachsprachen sind und die gegenüber keiner Sprache Fachsprache
ist" (348). Mit Blick auf die Lexik ist es jedoch so gut wie unmöglich, Gemeinsprache
genau zu fixieren, ihre Bestandteile vollständig zu registrieren und gegenüber einer
beliebigen FS abzugrenzen (vgl. Hoffmann, 1997:62). Aus diesem Grund schlägt
Hoffmann auch eine Abkehr von der Verwendung des Begriffs ,,Gemeinsprache" vor
und postuliert die Einführung des Begriffes ,,Gesamtsprache" (62).
Die Wechselwirkung, die zwischen den beiden Sprachvarianten besteht, drückt sich
auch darin aus, dass wissenschaftliche Sprachen stets ein System darstellen, das aus
natürlicher Sprache und zusätzlichen Kunstsprachen oder Terminologien besteht (vgl.
Bense, 1984:3).
Auch hoch stilisierte Formelsprachen können ohne die Vermittlung von Grundlagen, die
wiederum mit Hilfe der natürlichen Sprache vorgenommen werden muss, nicht
existieren. Lerat geht sogar so weit zu sagen, dass man im eigentlichen Sinne gar nicht
von FS sprechen kann:
,,Comme il n'existe pas d'activités humaines entièrement cloisonnées, il ne saurait
exister à proprement parler de ,langues de spécialité'" (1995: 19).
Diesen Standpunkt schwächt wiederum die Aussage ab, dass in der Gemeinsprache die
Welt zum ,,Eigentum des Geistes" (Seibicke, 1981:58) wird, wobei die FS lediglich zur
Registrierung und Katalogisierung der Welt dient.
Eine Grenze kann jedenfalls nicht anhand von Lautkörpern oder Wortgestalt
ausgemacht werden. Ein solches Vorhaben müsste bei der Sprachverwendung ansetzen.
Vor diesem Hintergrund erscheint die Forderung nach quantitativ anwendbaren
Kriterien zur Unterscheidung von Fachsprache und Gemeinsprache
Dringlichkeitscharakter zu besitzen. Wie hoch muss der fachsprachliche Anteil sein, um

20
von Fachsprache bzw. Umgangssprache sprechen zu können ? Analog zu Hellers
Modell zur Ein- und Abstufung der Fachlexik fordert auch Hoffmann eine gleitende
Skala zur Feststellung der Fachsprachlichkeit von Texten, wobei die Skala von (extrem)
merkmalarm bis (extrem) merkmalreich reichen sollte (vgl. Hoffmann, 1997:163).
Viele Autoren sind der Meinung, dass Gemeinsprache als Basis für FS zu werten ist:
,,Fachsprache besteht aus der für Verständigung auf Fachgebietsebene notwendigen
Menge terminologischer Bausteine und Baugruppen (das sind die Benennungen und
fachsprachlichen Wendungen und Fügungen) und dem diese verbindenden und
erläuternden gemeinsprachlichen Gerüst" (Hohnhold, 1990:39 f.).
Fachsprache kann sich laut Wilss nicht von dem für jede Sprachgemeinschaft
maßgeblichen Primärkode lösen, was bedeutet, dass keine FS als ein autonom
funktionierendes Sprachsystem betrachtet werden kann, sondern als ,,ein sekundäres
,parasitäres' syntaktisches und lexikalisches System, genauer ein Sub-
System"(1979:179) angesehen werden muss.
Tinnefeld hält dagegen, dass es ,,anachronistisch" wäre, Gemeinsprache als Basis von
Fachsprache anzuführen, ,,da die beiden sich weit voneinander entfernt haben"
(Tinnefeld, 2003:3).
In jedem Fall ist festzuhalten, dass die beiden sich nicht wie zwei gegensätzliche Pole
gegenüberstehen, sondern dass FS Gemeinsprache durchdringt, und zwar besonders
dort, wo wissenschaftlicher Fortschritt über die Produktion auf das alltägliche Leben
zurückwirkt. Als Transportmittel nennt Fluck beispielsweise die Massenmedien, Fach-
und Sachbücher und Wirtschaftswerbung (vgl. 1996:161).
Oft kommt es dabei zu Verständnisschwierigkeiten, die bestimmten
Bevölkerungsschichten Zugang zu Informationen erschweren. Sandrini sieht die
,,Kehrseite einer eindeutigen und widerspruchsfreien Kommunikation durch festgelegte
Sprache (...) in einer zunehmenden Unverständlichkeit nach außen hin bzw. zwischen
Fachmann und Laien" (1996:4).
,,Und das Aneinandervorbeireden ist heute selbst unter Wissenschaftlern eines einzigen
Faches keine Seltenheit mehr." (Fluck, 1996:37)
Der vorliegende Abschnitt hat die Kontroverse um das Verhältnis zwischen Fachlexik
und allgemeinsprachlicher Lexik einerseits und zwischen FS und Gemein- oder
Umgangssprache andererseits in kurzer Form veranschaulicht. Besonders in der Sprache
des Rechts, die nachfolgend behandelt wird, kann man von einer engen Verzahnung der

21
beiden sprachlichen Erscheinungsformen ausgehen, da hier besonders häufig Ausdrücke
der Gemeinsprache aufgegriffen und mit einem juristischen Bedeutungsinhalt versehen
werden.
2.5 Fachsprache des Rechts
In den exakten Wissenschaften gelten die Bemühungen vor allem dem Streben nach
allgemeingültigen Gesetzen, nach empirisch beweisbaren Grundsätzen. Anders in den
Geisteswissenschaften - worunter auch die Rechtswissenschaft fällt -, die einen
hermeneutischen Ansatz verfolgen und der Interpretation und Regelung der
menschlichen Wirklichkeit dienen (vgl. Sandrini, 1996:8). Hier besitzt Sprache nicht
nur eine rein deskriptive Funktion, sondern sie hat die Eigenschaft eines
Informationsträgers:
Begriffsinhalte werden auf Grundlage der Interpretation von Wirklichkeit bestimmt,
festgelegt und anschließend in Worte gefasst, d.h. benannt. Der so untersuchte
Gegenstandsbereich kann also im Gegensatz zu konkreten, fassbaren Sachverhalten in
den Naturwissenschaften oder in der Technik nicht von Sprache losgelöst werden (vgl.
Sandrini, 1996:11).
Die Sprache bildet demnach das ,,Grundinstrument" (Arntz, 2001:206) des Rechts.
Das soziale Zusammenleben wird registriert und durch Rechtsnormen geregelt,
folgerichtig ist auch die FS des Rechts - ebenso wie bspw. die der Technik - auf
größtmögliche Präzision ausgerichtet. Diese Präzision zu erreichen ist schwierig, da die
Rechtssprache in weitaus größerem Maße als andere FS mit der Gemeinsprache
verflochten ist. Vorgänge und Sachverhalte des täglichen Lebens müssen in abstrakter
Form in Rechtsnormen subsumiert werden, damit diese einen möglichst großen, jedoch
genau festgelegten Anwendungsbereich eröffnen. Das erschwert auch die Abgrenzung
zwischen einem im Recht verwendeten Terminus und solchen Wörtern, die zwar auch
in der Rechtssprache vorkommen, jedoch nicht genau definiert sind (vgl. Sandrini,
1996:15). ,,Einnahmen" und ,,Einkünfte" bspw. sind aus Sicht der Umgangssprache
synonym, sie erhalten im Steuerrecht hingegen eine klar festgelegte Bedeutung, die den
meisten Menschen unbekannt sein dürfte.

22
In der heutigen schnelllebigen Zeit muss auch das Recht ständig an neue Gegebenheiten
angepasst werden. Das macht die Rechtssprache besonders offen für normative
Eingriffe (vgl. Arntz, 2001:75). Unbeweglichkeit kann sich die Sprache des Rechts
nicht leisten, da sie sonst ihre Existenzberechtigung, nämlich die Gewährleistung von
Sicherheit und Ordnung in der menschlichen Gesellschaft, schnell einbüßen würde.
Immer wieder wird Kritik an der Rechtssprache laut, da diese für breite Schichten der
Bevölkerung nur schwer verständlich ist. Diese Kritik ist berechtigt, denn im
Unterschied bspw. zur Technik gibt es im Bereich der Rechtssprache zwei
gleichberechtigte Adressatengruppen, nämlich Juristen und Bürger.
Aus oben genannten Gründen wäre eine Vereinfachung der Rechtssprache dennoch der
Sache nicht dienlich, da die Maxime der Effizienz, die am Anfang des vorliegenden
Kapitels erwähnt wurde, hier ebenso Gültigkeit besitzt wie die Maxime der Genauigkeit
zur Gewährleistung der Gleichheit aller Bürger vor dem Recht.
Auch bei der juridischen Fachsprache müssen Unterscheidungen zwischen einzelnen
Erscheinungsformen vorgenommen werden, da es die eine Rechtssprache nicht gibt.
Das Modell der verschiedenen Abstraktionsstufen, das weiter oben beschrieben wurde,
kann für den Bereich des Rechts jedoch nicht vorbehaltlos übernommen werden. Aus
diesem Grund nimmt Sandrini (vgl. 1996:14 f.) eine Anpassung vor und beschreibt die
5 Abstraktionsstufen der Rechtssprache wie folgt:
1. nicht vorhanden
2. Sehr hohe Abstraktionsstufe. In diesen Bereich fällt die Rechtstheorie, also
Gesetzesinterpretation und Gesetzeskommentare. Kommunikation erfolgt auf
dieser Stufe vor allem zwischen Rechtsexperten und Universitätsprofessoren.
3. Hohe Abstraktionsstufe. Diese Stufe weist den Gebrauch von natürlicher
Sprache mit einem sehr hohen Anteil an Fachterminologie und einer streng
determinierten Syntax auf und kann in Rechtsstreitigkeiten, Dokumenten und
Verträgen festgestellt werden. Als Träger der Sprache dieser Stufe identifiziert
Sandrini Richter oder Anwälte, den Gesetzgeber oder
Gesetzgebungskommissionen.
4. Niedrige Abstraktionsstufe. Der Unterschied zur nächsthöheren Stufe besteht
darin, dass die Syntax relativ ungebunden ist. Es handelt sich um die Stufe der
Gesetzesanwendung, wo beispielsweise Anwälte mit Angeklagten
kommunizieren.

23
5. Sehr niedrige Abstraktionsstufe, gekennzeichnet durch natürliche Sprache mit
einigen Fachtermini und ungebundener Syntax. Anwendungsbereich ist die
Divulgation von Gesetzesvorschriften. Die Sprache von Volksanwälten,
kundigen Bürgern oder Politikern ist hier ebenso anzusiedeln wie die medialer
Berichte zu Rechtsfragen oder Prozessen.
Im Hinblick auf den Gegenstand der vorliegenden Arbeit müsste die Sprache des
Steuerrechts, jedenfalls die in den einschlägigen Normen verwendete Sprache, demnach
auf der hohen Abstraktionsstufe liegen. Vor der Behandlung des Sachgebiets und damit
konkret auch der darin zu findenden Sprache, wo diese Frage zu klären sein wird, soll
vorerst noch auf die Theorie der Terminologie eingegangen werden. Als Eigenschaften
der FS des Rechts festzuhalten sind vor allem die enge Verflechtung der Rechts- mit der
Umgangssprache, das Postulat hoher Präzision sowie das Abstrahierungsstreben, das
darauf ausgerichtet ist, mannigfaltige Erscheinungsformen von oft gleich gearteten
Phänomenen unter einer Norm zusammenzufassen.

24
3. Terminologie
,,'A' sagt er, 'B' schreibt er (...),
'C' meint er, und 'D' ist richtig."
6
3.1 Grundgedanken
Was eigentlich ist Terminologie? Obwohl auch die Antwort auf diese Frage auf den
ersten Blick einfach erscheint, muss hier ebenso differenziert vorgegangen werden wie
bei der Erörterung des Wesens der Fachsprache.
Die DIN-Norm 2342 Teil 1 hält folgende Definition bereit:
,,Terminologie (auch Fachwortschatz) [ist der] Gesamtbestand der Begriffe und ihrer
Benennungen in einem Fachgebiet" (1992:3). Jumpelt spaltet terminologische Elemente
nicht in Begriffe und Benennungen auf, sondern nennt Terminologie schlicht ,,Die
Gesamtheit der Fachworte" (1981:69) oder die Lehre von Fachworten.
Bei Hoggenmüller ist zu lesen, dass Terminologie als ,,konkreter fachsprachlicher
Wortschatz" zu definieren ist (1996:4). Budin ersetzt das Wort ,,Benennungen" durch
,,Repräsentationen" und spricht so von der strukturierten ,,Gesamtheit der Begriffe und
der diesen zugeordneten Repräsentationen eines Fachgebiets" (1996:16).
Ein letzter Definitionsversuch, der das Wesen der Terminologie noch genauer
eingrenzen will, soll noch ergänzt werden:
,,Die Terminologie ist die Gesamtheit aller Termini als umrissenes Subsystem innerhalb
des lexikalischen Gesamtsystems einer Sprache; sie untergliedert sich ihrerseits in
(Sub-)Subsysteme: die Terminologien der einzelnen wissenschaftlichen und technischen
Fachgebiete" (Hoffmann, 1988:105).
Angesichts dieser vielfältigen Erklärungsvorschläge wird klar, dass es keine leichte
Aufgabe ist, eine allgemeingültige Definition von Terminologie zu liefern.
Alle genannten Definitionen blenden jedoch einen wichtigen Aspekt der Terminologie
aus, denn die reine Existenz von Fachbegriffen in einem bestimmten Fachbereich kann
nicht ausreichend sein, um von der Terminologie dieses Fachbereichs zu sprechen.
6
aus: Wüster, 1959 / 60:199

25
Es bedarf einer Registrierung und Auszeichnung der verwendeten Fachwörter, bevor
diese einer bestimmten Sphäre zugeordnet werden können. So kann Terminologie nicht
nur mit einer finiten Menge von Fachausdrücken oder Fachwörtern gleichgesetzt
werden, sondern beinhaltet mehrere Aspekte, und hat somit als logische Konsequenz
auch mehrere Bedeutungen, nämlich:
- die Gesamtheit der Termini eines Fachbereichs
- die Untersuchung von Benennungen, Begriffsbezeichnungen
- im wissenschaftlichen Sinne die Untersuchung und Analyse von Prozessen der
Begriffs- und Benennungsbildung sowie von Beziehungen (vgl. Goffin, 1985:11)
Da ein Fachwort Anspruch auf höchste Präzision erhebt, mag es verwunderlich sein,
dass gerade der Begriff, der die Gesamtheit bzw. die Lehre von Fachwörtern bezeichnet,
dermaßen vieldeutig ist.
Goffin ist zuzustimmen, wenn er zu dem Ergebnis kommt, dass ,Terminologie'
gleichzeitig Aktivität und das Objekt eben dieser Aktivität bezeichnet:
,,Là où la lexicologie s'oppose à son objet, le lexique ou le vocabulaire (...), la
terminologie s'oppose analogiquement à terminologie (...)" (1985:12).
Wenn Terminologie als wissenschaftliche Aktivität begriffen wird, so führt dies
unweigerlich zu der Frage, in welchem Wissenschaftszweig die Terminologie
anzusiedeln ist. Begriffe und Benennungen als Untersuchungsgegenstand deuten auf die
(angewandte) Sprachwissenschaft, insbesondere die Lexikographie, hin, der Aspekt des
Fachworts auf die Fachsprachenforschung, die Analyse der Gesamtheit der Termini
eines Fachgebiets auf das Informations- und Dokumentationswesen. Bedenkt man, dass
Terminologie oft im übersetzerischen Zusammenhang benötigt wird, muss zwangsläufig
auch das Übersetzungswesen dazu gezählt werden.
,,Terminologie ist all das zugleich und noch viel mehr!" (Budin, 1996:122 f.)
Es lässt sich kein konkreter Wissenschaftszweig nennen, der ein Monopol auf
Terminologie oder deren Theorie und Anwendung anmelden könnte. Im Gegenteil, es
entsteht eher der Eindruck, als sei Terminologie nichts anderes als eine
Hilfswissenschaft, die die Verständigungsmechanismen in einzelnen
Wissenschaftszweigen stützt und normiert, dies jedoch nicht ursächlich, sondern erst
nach Entstehung eines solchen Bedarfs. Im folgenden Modell tritt eine weitere
Beschreibungsmöglichkeit hinzu:

26
Abb. 4: Funktionen der Terminologie
7
Links unten im Modell wird der Terminologie im Hinblick auf ihre Funktion der Status
eines Hilfsmittels oder einer Methode verliehen. Die Funktion der Fixierung und
Ordnung des Wissens in verschiedenen Fachbereichen sowie der Aspekt der
Information und Dokumentation wurden bereits angesprochen.
Anhand all dieser Erkenntnisse kann zusammenfassend festgehalten werden, dass die
eingangs gestellte Frage, was denn nun eigentlich Terminologie ist, eine umfassende
Antwort erfordert: Terminologie bezeichnet sowohl die Gesamtheit aller
Fachausdrücke, d. h. Begriffe und Benennungen, innerhalb eines Fachbereichs als auch
die Lehre von Begriffen und Benennungen. Terminologie ist sowohl Aktivität als auch
Objekt dieser Aktivität. Innerhalb der vielfältigen Sachbereiche, die in der
menschlichen Gesellschaft eine gezielte und eindeutige Verständigung erfordern, ist
Terminologie eine Methode, die diese Verständigung sichert. Terminologie ist keine
eigene Wissenschaftsdisziplin, sondern eine Hilfswissenschaft, die strukturierend und
normend den Sprachgebrauch innerhalb eines bestimmten Sprach(sub-)systems
erleichtert. ,,Der Bezug auf fachliche Handlungsbereiche ist eine wesentliche
extensionale Beschränkung für den Begriff der Terminologie" (Budin, 1996:17).
7
Entnommen aus: Laurén / Myking / Picht, 1998:27

27
Da Terminologie oft fälschlicherweise als Synonym von Lexikologie oder Nomenklatur
benutzt wird (vgl. Goffin, 1985:11), müssen diese Begriffe voneinander abgegrenzt
werden.
Während Terminologie u. a. die Beziehungen zwischen Begriffen und Benennungen
durch Zeichen sowie Fachsprache und konkrete Anwendungssituationen für
terminologische Einheiten untersucht, ist die Erfassung der lexikalischen Einheiten des
Gesamtwortschatzes einer Sprache, die für das Funktionieren von Sprache notwendig
sind, Aufgabe der Lexikologie. Wie bereits im vorangegangenen Kapitel festgestellt,
besteht auch hier eine mehr oder weniger enge Verbindung zwischen dem
Gesamtwortschatz einer Sprache und den verschiedenen Fachsprachen, wobei dieser
besonders im Recht offensichtlich wird.
Die Aufzeichnung der Ergebnisse der lexikologischen oder terminologischen Arbeit
wird Lexikographie bzw. Terminographie genannt. In Anlehnung an das bereits
vorgestellte Modell Hellers kann man den Unterschied zwischen den beiden Begriffen
auch mit dem Grad der Fachlichkeit der behandelten lexikalischen Elemente erklären.
Die folgende Zeichnung veranschaulicht Unterschied und Zusammenhang auf einfache
Weise:
Abb. 5: Lexikographie vs. Terminographie
8
8
Entnommen aus: Laurén / Myking / Picht, 1998:345

28
Mit wissensbasierten Systemen soll hier auf die Integrationsmöglichkeiten von
terminographischen Ergebnissen in größere, komplexere wissensverarbeitende Systeme
hingewiesen werden.
Laurén / Myking / Picht zählen detailliert alle Unterscheidungsmerkmale auf, durch die
sich Lexikographie und Terminographie voneinander abgrenzen lassen (vgl. 1998:343
f.). Davon sollen hier nur drei genannt werden: Die Lexikologie bzw. -graphie geht im
Allgemeinen von einem semasiologischen Ansatz aus, d.h. sie untersucht ein
bestimmtes Wort und ordnet ihm seine unterschiedlichen Bedeutungen zu, während die
Terminologie bzw. ­graphie einen onomasiologischen Ansatz verfolgt, denn sie geht
von der Bedeutung aus und ordnet dieser ein Wort oder eine Benennung innerhalb des
untersuchten Sprachsystems zu. ,,En somme, la lexicographie permet de décoder un
message, la terminologie de l'encoder, c'est-à-dire de l'exprimer rigoureusement"
(Dubuc, 1985:18).
Die Produkte der Terminographie wenden sich im Vergleich zur Lexikographie nicht
nur hauptsächlich an Fachübersetzer, sondern haben einen darüber hinausgehenden
Anwendungsbereich. Produkte der Terminographie sind meistens terminologische
Datenbanken, die Lexikographie mündet bevorzugt in Wörterbücher, die ihrerseits auch
in elektronischer Form vorliegen können (vgl. Laurén / Myking / Picht, 1998:343 f.).
Nomenklaturen hingegen sind Bestandsaufnahmen der Wirklichkeit. Im Rahmen der
Erstellung einer Nomenklatur wird nicht der Ist-Zustand des Sprachgebrauchs
festgestellt, sondern es erfolgt eine Etikettierung von Objekten, die einen bequemeren
sprachlichen Umgang mit ihnen sicherstellen soll. In diesem Sinne ist eine Nomenklatur
weitgehend von Sprache losgelöst. "Unter einer Nomenklatur versteht man ein
vollständiges, durchstrukturiertes, verbindlich festgelegtes Benennungssystem für ein
bestimmtes Fachgebiet" (Arntz, 1999:79).
Als bekanntes Beispiel einer Nomenklatur kann das Benennungssystem von Tier- und
Pflanzenarten in der Biologie genannt werden.
Als letzter Punkt in diesem Abschnitt soll noch auf einen zusätzlichen Begriff
eingegangen werden, der an mancher Stelle in der einschlägigen Literatur anzutreffen
ist: die Metaterminologie. Wie weiter oben beschrieben, muss Terminologie u. a. als
Untersuchung der Sprache eines bestimmten Fachbereichs und als Bereitstellung der
Mittel, d. h. als Lehre der Untersuchungsmethoden betrachtet werden. Deswegen
unterscheidet man sprachbezogene von begriffsbezogener terminologischer
Grundlagenforschung, die ,,sowohl übersprachlich wie überfachlich ist und darauf

29
abzielt, terminologische Grundsätze und Methoden auszuarbeiten, die für alle oder sehr
viele Fachgebiete und natürliche Sprachen gelten sollen" (Budin / Oeser, 1999:2172).
Es handelt sich dabei um die Bereitstellung der für praktische Terminologiearbeit
notwendigen theoretischen Basis. Eine weitere metaterminologische Aufgabe ist die
internationale Angleichung und Vereinheitlichung der bereits vorhandenen
Fachsprachen.
3.2 Terminologiearbeit
In diesem Unterkapitel soll verdeutlicht werden, welche verschiedenen Arten der
Terminologiearbeit existieren und welche Formen diese in der Praxis annehmen. Unter
besonderer Berücksichtigung der mehrsprachigen übersetzungsorientierten
Terminologiearbeit wird damit auch das Gerüst für die Bearbeitung des Themas dieser
Arbeit errichtet.
Terminologiearbeit muss nach Klarheit streben, und zwar nach Klarheit über das Wesen
der Begriffe, nach der Feststellung von Begriffsinhalt (Intension) und Begriffsumfang
(Extension). Des Weiteren muss grundsätzlich das Verhältnis zwischen Begriff und
seiner Repräsentationsform, d.h. dem sprachlichen oder außersprachlichen Zeichen,
bestimmt werden (vgl. Hoffmann, 1988:106). Da diese Bestimmung vornehmlich auf
Gewährleistung reibungsloser Kommunikation ausgelegt ist, kann gesagt werden, dass
das Ziel der Terminologiearbeit die vorausschauende Verhinderung von
Kommunikationskonflikten ist. ,,Dabei gilt, daß diese Normierungshandlungen nicht um
der Kommunikation willen vollzogen, sondern zweckrational begründet werden, d.h.,
sie geschehen im Dienste der Rationalisierung und Effektivierung volkswirtschaftlicher
Prozesse" (Wiegand, 1979:50).
Der Begriff ,volkswirtschaftliche Prozesse' muss hier in einem weiten Sinne verstanden
werden und ist sowohl auf die wirtschaftliche Makro- als auch auf die Mikroebene
anwendbar, bspw. bei Übersetzungsleistungen oder beim Wissenstransfer.
Hohnhold unterscheidet zwischen Terminologiearbeit und terminologischem Arbeiten,
also zwischen einem Arbeitsgebiet und einer übersetzerischen Arbeitsmethode (vgl.
1990:27).

30
Ob es notwendig ist, hier eine Trennlinie zu ziehen, sei dahingestellt. Diese begriffliche
Nuance soll hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden.
Es lassen sich mehrere Arten der Terminologiearbeit auseinander halten (vgl.
Hoffmann, 1988:107):
1. Die Standardisierung existierender Terminologien
2. Die Schaffung neuer nationaler Terminologien
3. ihre Angleichung untereinander, d.h. die internationale Terminologiearbeit
Standardisierung existierender Terminologien wird auch als Terminologienormung
bezeichnet. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von präskriptiver
Terminologiearbeit, da hier Begriffsinhalte auf der Grundlage eines Konsens' zwischen
verschiedenen Auffassungen durch spezielle nationale oder internationale Gremien, wie
z.B. den Ausschuss für Terminologienormung im internationalen Normverband (ISA),
verbindlich festgelegt werden.
Von Schaffung neuer Terminologien zu sprechen ist etwas irreführend, da dies die
Verwechslungsgefahr mit der Entwicklung einer Nomenklatur in sich birgt. Was hier
getan wird, ist eine Analyse des Ist-Zustandes in einem bestimmten Fachbereich mit
anschließender terminographischer Fixierung der Ergebnisse. Es werden also im
engeren Sinne keine neuen Terminologien geschaffen, sondern neue Bereiche erfasst
und deren Wortgut systematisiert. Hier spricht man von deskriptiver
Terminologiearbeit.
Weitere Klassifikationskriterien für Terminologiearbeit sind Einsprachigkeit oder
Mehrsprachigkeit, Textbezogenheit oder systematisches Vorgehen,
benennungsorientiertes (semasiologisches) oder begriffsorientiertes
(onomasiologisches) Arbeiten, wobei benennungsorientiertes Arbeiten vor allem der
terminologischen Lexikographie zuzuordnen ist (vgl. Schmitz, 1999:83).
Systematische Terminologiearbeit erfasst die buchstäbliche Gesamtheit aller Fachwörter
eines gegebenen Gebiets, während punktuelle Terminologiearbeit sich auf Teilsysteme
konzentriert. Die Aufspaltung eines Gesamtgebiets in mehrere Teilgebiete und die
spätere Zusammenführung der Ergebnisse in einer Datenbank stellen Teilschritte eines
Gesamtprojekts dar, so dass man sagen kann, dass systematische Terminologiearbeit
punktuelle bedingt.

31
Am Anfang jeder praktischen Tätigkeit auf diesem Gebiet steht die
Sachgebietsklassifikation, womit die Einteilung in kleinere Einheiten gemeint ist. Auch
das weitläufige Gebiet des Steuerrechts wurde so zu Beginn des im Rahmen dieser
Arbeit durchgeführten Projekts auf den Bereich der Einkommensteuer eingegrenzt.
Bei der Auswahl des zu untersuchenden Materials muss besonderes Augenmerk auf
Fachkompetenz des Autors und Aktualität sowie bei mehrsprachiger Terminologiearbeit
auf Gleichartig- und Gleichwertigkeit der Quellen gelegt werden.
Fachwörterbücher kommen als Quellenmaterial nicht in Betracht, sie können aber als
Kontrollinstanz die Überprüfung der aus dem einsprachigen Material gewonnenen
Ergebnisse erleichtern. Auch Übersetzungen sollten nicht für ein Terminologieprojekt
verwendet werden. ,,Die grundsätzliche Forderung an jede Terminologiearbeit, nur
originale Quellen auszuwerten, verweist Übersetzungen in die Rolle des Notbehelfs"
(Hohnhold, 1990:97).
Die Verwendung einsprachiger Originalquellen soll sicherstellen, dass der
Bedeutungsgehalt der Begriffe vor Erstellung eines Datenbankeintrags so genau wie
möglich erfasst wird.
Ein mehrsprachiges Terminologieprojekt ist also durchzuführen:
- Das Sachgebiet muss ausgewählt und eingegrenzt werden.
- Dokumentationsmaterial muss in beiden Arbeitssprachen beschafft werden und darf
keinesfalls unterschiedlichen sprachlichen und fachlichen Ebenen zuzuordnen sein.
- Das Material muss zuverlässig sein. Die Autoren sollten Fachleute sein und der letzte
Stand der Forschung berücksichtigt werden.
- Keine Übersetzungen, sondern muttersprachliches Material sollte herangezogen
werden.
Diese Vorgehensweise bezeichnet Hohnhold auch als ,,Weg über die Sprache"
(1990:23). Dieser Weg besteht im Wesentlichen aus mehrsprachiger vergleichender
Textauswertung.
Eine multilinguale terminologische Untersuchung nimmt regelmäßig den Ist-Zustand
von Begriffen und Benennungen in einem Fachgebiet auf und ist somit eine
"synchronische Arbeit" (Sandrini, 1996:165). Eine Trennlinie kann zwischen
parallelsprachiger Terminologieerfassung, bei der Teilinformationen zu einem Begriff
in beiden Arbeitssprachen gesucht und in einem terminologischen Eintrag erfasst

32
werden, und getrenntsprachiger Erfassung gezogen werden. Hier werden zwei
verschiedene Einträge erstellt, die den Fachausdruck in der Ausgangssprache und sein
(vielleicht nur vermutetes) Äquivalent in der Zielsprache mit den jeweils wichtigen
Begriffsinformationen enthalten (vgl. Hohnhold, 1990:70).
Ein terminologischer Eintrag ist eine ,,offene Sammelstelle zur Aufnahme von
Informationen" oder ein ,,breit angelegtes Informationsreservoir" (Hohnhold, 1990:115)
und bildet den Endpunkt der terminologischen Arbeit.
Ein mehrsprachiges Terminologieprojekt besteht demnach aus 3 Stufen, namentlich der
Sammelstufe, der Festlegungsstufe, die Strukturierung der Begriffe und Bestätigung des
einheitlichen Gebrauchs beinhaltet, sowie der Äquivalenzierung, der Zuordnung der
Begriffe zweier Sprachen auf der Grundlage des Begriffsinhalts und / oder des
Begriffsumfangs (vgl. Hohnhold, 1990:109). Dabei sollte nie die eigentliche
Zielsetzung außer Acht gelassen werden, die regelmäßig den Ausdrucksbedarf der
Nutzer einer terminologischen Datenbank umfasst.
3.3 Grundelemente der Terminologielehre
Nachdem nun in allgemeiner Weise Terminologie und Terminologiearbeit beschrieben
wurden, werden in diesem Abschnitt die grundlegenden Begriffe der Terminologielehre
behandelt, und so der für die Bearbeitung des Sachthemas dieser Arbeit notwendige
theoretische Hintergrund abgerundet. Wie schon zu Beginn der letzten beiden Kapitel,
kann bereits im Voraus gesagt werden, dass in der Literatur wenig Einigkeit über die
Begriffe der Terminologie herrscht, obwohl diese meist sowohl international als auch
national genormt sind (vgl. Budin / Oeser, 1999:2179).
Der zentrale Begriff der Terminologie - worauf bereits die morphologisch-
ethymologische Verwandtschaft schließen lässt - ist der Terminus, der an erster Stelle
behandelt werden soll. Die Unterbegriffe Gegenstand, Begriff, Merkmal und
Benennung werden in den entsprechenden Unterkapiteln geklärt.
Wichtige Begriffe im Zusammenhang mit dem Erstellen terminologischer Einträge
schließen sich daran an. Definition, Kontext, Erläuterung, Quelle, Anmerkung und
Notation sind in diesem Zusammenhang die für den praktischen Teil der Arbeit
relevanten Elemente. Bevor das umstrittene Thema der Äquivalenz angeschnitten wird

33
und für diese Arbeit festgelegt wird, was unter Äquivalenz zu verstehen ist, werden die
Möglichkeiten der Herstellung von Beziehungen zwischen den Begriffen expliziert.
Auch die Datenverarbeitung z. B. in Terminologiemanagementsystemen gehört zur
Theorie der Terminologie. Dieser Aspekt fließt an späterer Stelle in die Beschreibung
der Arbeit mit Multiterm ein.
3.3.1 Terminus
Ein Terminus ist das ,,zusammengehörige Paar aus einem Begriff und seiner Benennung
als Element einer Terminologie" (DIN 2342 Teil 1, 1992:3).
In der Terminologielehre wird zwischen Zeichenbedeutung (Signifikat) und
Zeichenkörper (Signifikant) unterschieden (vgl. Arntz, 1999:78). Demnach ist eine
Abweichung vom umgangssprachlichen Gebrauch des Wortes festzustellen, wo
,Terminus' oft mit Fachwort oder Fachausdruck gleichgesetzt wird. Ein weiteres
Merkmal des Terminus ist seine Eindeutigkeit. In diesem Sinne schreibt Vermeer:
,,Ein Terminus (...) ist ein (...) wissenschaftlich, d.h. möglichst exakt definiertes
Sprachzeichen (und zwar in seinem doppelten Aspekt als Form wie Inhalt (...))"
(1971:20). In gleicher Weise stellt Schrader heraus, dass Termini mit besonderen,
deutlichen und feststehenden Bedeutungen versehen sind (1990:93). Termini sind
kontextinvariant normiert, um ihre Verwendung zu vereinheitlichen und die in
Fachsprachen benötigte Präzision zu garantieren. ,,Der Terminus ist eines der
wichtigsten Werkzeuge wissenschaftlichen, technischen und sonstigen fachlichen
Denkens" (Hoffmann, 1988:103).
Effiziente Verständigung kann nur dann funktionieren, wenn ein Wort von jedem
Sprachbenutzer mir dem gleichen Gegenstand in Verbindung gebracht wird.
Schrader nennt in seiner Aufzählung der Sprachelemente mit feststehender Bedeutung
Fachwörter und Kunstwörter als Quasi-Synonyme von ,Terminus', wohingegen
Hohnhold eine Abgrenzung zwischen Terminus und Fachwort vornimmt. Das Fachwort
zeichnet sich dadurch aus, dass es in der nicht-fachlichen Kommunikation der
Gemeinsprache auftritt und so die funktionale Bedeutung des Wortes hervorhebt.
Dagegen ist ein Terminus begrifflich klar abgegrenzt, seine Benennung bezeichnet
einen eindeutig definierten Begriff. Hohnhold räumt aber ein, dass eine Einteilung vom
jeweiligen Blickwinkel abhängt und die Grenzen zwischen den beiden fließend sind

34
(vgl. 1990:31). Die Benennungsseite des Terminus wird hervorgehoben durch Lerats
Aussage, der Terminus sei ein physischer Reiz:
,,le terme est un symbole, stimulus physique représentant conventionellement une
notion ou un objet individuel" (Lerat, 1995: 20).
Man unterscheidet Einworttermini von Mehrworttermini. Unter erstere fallen Simplizia,
also einfache Wörter, Derivativa, Komposita und Abbreviaturen. Unter letztere fallen
Wortverbindungen, seien es freie oder feste, phraseologische Elemente oder
Verbindungen mehrerer Abkürzungen (vgl. Hoffmann, 1988:104).
Im Folgenden werden die Unterbegriffe, die der Terminus ,Terminus' beinhaltet, näher
erläutert.
Die Realisierungsform der zwei konstitutiven Elemente, die Benennung, kann erst nach
der sich weitaus komplexer gestaltenden Betrachtung der Bedeutungsform, des Begriffs,
angesprochen werden.
3.3.1.1 Gegenstand
Gegenstände bilden die Grundlage der Begriffsbildung. Um zu verdeutlichen, was im
terminologischen Sinn unter Gegenstand zu verstehen ist, soll einmal mehr eine in der
DIN-Norm 2342 Teil 1 enthaltene Definition den Auftakt bilden. Demnach ist ein
Gegenstand ein beliebiger ,,Ausschnitt aus der wahrnehmbaren oder vorstellbaren Welt"
(1992:1). Ein Gegenstand kann also materiell oder immateriell sein. Man spricht zudem
von individuellen Gegenständen, denen eine Raum-Zeit-Komponente anhaftet und die
aus diesem Grund nicht mit anderen Gegenständen zu verwechseln sind, und
Allgemeingegenständen, die diese Komponente nicht aufweisen. Abstrakter formuliert
ist ein Gegenstand alles, ,,worauf sich das Denken eines Menschen richtet oder richten
kann" (Wüster, 1959 / 60:183), wobei dieses Verständnis vor allem in der Philosophie
vorherrscht.
Unter Gegenstand ist folglich jede auf welche Weise auch immer wahrnehmbare
materielle oder immaterielle Einzelerscheinung zu verstehen. ,,Jeder Erkenntnisprozess
geht vom Gegenstand aus" (Sandrini, 1996:36).
Im Recht sind besonders immaterielle Gegenstände relevant, da es hier nicht um
konkret fassbare Objekte, sondern um ,,Konstruktionen des menschlichen Geistes"
(Sandrini, 1996:39) geht. Gegenstände werden hier mit abstrakten Situationen, die einen

35
besonderen Fall betreffen, gleichgesetzt. In der Rechtssprache spricht man von
Sachverhalten.
,,Sachverhalte als zu regelnde Lebenssituationen sind im terminologischen Sinn die
Gegenstände, die den Rechtsbegriffen im materiellen Recht, wo jeder Rechtsbegriff
auch eine abstrakte Normsituation darstellt, zugrundeliegen" (Sandrini, 1996:41).
Da Sachverhalte in abstrakter Form Lebenssituationen darstellen, die ständiger
Veränderung, der das Recht Rechnung tragen muss, unterliegen, wird die bereits
postulierte Eindeutigkeit und Kontextunabhängigkeit von Termini hier relativiert.
3.3.1.2 Begriff und Merkmal
Die große Anzahl der individuellen Gegenstände, die der Mensch wahrnehmen oder
sich vorstellen kann, verlangt nach einer Kategorisierung derselben. Um sie sprachlich
bezeichnen zu können, müssen sie zunächst gedanklich erfasst werden.
Dabei kommt es zu einer Zusammenfassung, einem Ordnen, einer gedanklichen
Reduktion (vgl. Laurén / Myking / Picht, 1998:47). Hierbei werden zutreffende
Aussagen und Eigenschaften einer Reihe gleichgearteter Gegenstände gesammelt.
Das Gemeinsame dieser Gegenstände wird in der Folge zu einem Denkelement
zusammengefasst. Dieses Denkelement bildet einen Begriff.
Was der Mensch also denkt, verbindet er mit einer klaren Vorstellung der Realität.
Ebenso ist die Beziehung zwischen Begriff und Gegenstand zu betrachten (vgl.
Sandrini, 1996:38). Begriffe sind abstrahierte, mentale Repräsentationsformen von
realen Phänomenen und erlauben es, sich von der bereits erwähnten Raum-Zeit-
Komponente zu lösen, um die schier unendliche Vielzahl von individuellen
Gegenständen sprachlich und mental beherrschbar zu machen. Die Auswahl der
Gegenstände, die zusammengefasst und abstrahiert werden, erfolgt auf der Grundlage
von Merkmalen. Nicht nur für die im Geist erfolgende Begriffsbildung, sondern auch
für das Aufzeigen und Herstellen von Begriffsbeziehungen sind Merkmale sehr wichtig
(vgl. Arntz, 1999: 79). Begriffsmerkmale dienen der Darstellung von Begriffssystemen,
der Definition von Begriffen, der Formung von Begriffsbenennungen sowie der
Äquivalenzbestimmung.
In der Terminologielehre werden verschiedene Arten von Merkmalen unterschieden.
darunter wesentliche und unwesentliche Merkmale. Parallel ist von essentiellen und

36
akzidentiellen Merkmalen die Rede, d. h. solchen, die wesensbestimmend und solchen,
die zur Identifizierung eines bestimmten Gegenstandes eher nebensächlich sind.
Jeder Mensch wird z. B. aufgrund vorheriger gedanklicher Erfassung und Abstrahierung
den Gegenstand Haus als solchen identifizieren können, unabhängig davon, ob das
Dach des Hauses mit roten oder grauen Ziegeln bedeckt ist. Fehlt jedoch ein Dach
insgesamt, so würde er eher von einer Ruine oder einem im Bau befindlichen Haus
sprechen.
Nach Wüster (1991) können zudem folgende Merkmalarten auseinander gehalten
werden:
-
Ordnungsmerkmale
-
Eigenmerkmale (inhärente Merkmale)
-
Beziehungsmerkmale (Relationsmerkmale)
-
Anwendungsmerkmale
-
Herkunftsmerkmale
-
Abhängige Merkmale
-
Unabhängige Merkmale
Ordnungsmerkmale von Gegenständen werden auch Beschaffenheitsmerkmale genannt.
Typische Vertreter dieser Merkmalart sind Form, Farbe oder Abmessungen. In der
Literatur neueren Datums wird jedoch nicht mehr zwischen Anwendungs-, Herkunfts-
und Relationsmerkmalen unterschieden, sondern die ersten beiden werden letzterem
untergeordnet.
Ein Herkunftsmerkmal kann z. B. der Erfinder oder Hersteller eines bestimmten
Gegenstandes oder der Herkunftsort sein. Anwendungs- oder Gebrauchsmerkmale sind
vor allen den Gegenständen inhärente Eigenschaften wie z. B. leicht handhabbar oder
transportfähig (vgl. DIN 2330, 1993:4).
Bei abhängigen Merkmalen muss das übergeordnete Merkmal vorhanden sein, damit
durch Hinzutreten des untergeordneten Merkmals ein neuer Begriff gebildet werden
kann, d. h. die Bildung eines neuen Begriffs ist nur in Abhängigkeit von seinem
Oberbegriff möglich. Unabhängige Merkmale zeichnen sich dadurch aus, dass sie
innerhalb einer Begriffssystems beliebig kombinierbar sind. Zwei verschiedene aus
einem Oberbegriff abgeleitete Begriffe können durch erneute Merkmalsvereinigung
zum gleichen Unterbegriff führen.

37
Die DIN-Norm 2330 enthält folgendes Beispiel:
Der Oberbegriff Verkehr kann auf der 1. Stufe zu den Unterbegriffen Güterverkehr und
Nahverkehr führen, diese wiederum auf der 2. Stufe zu Güternahverkehr oder
Güternahverkehr (1993:4). Die Merkmale ,Transport von Gütern' und ,räumlich
begrenzter Transport' können also im Unterbegriff wieder miteinander verschmelzen.
Merkmale enthalten entweder nur eine Eigenschaft - in diesem Fall nennt man sie
einfache Merkmale - oder zwei oder mehrere, wodurch sie zu komplexen Merkmalen
werden.
Materielle Gegenstände werden durch Abstraktion und Subtraktion unwesentlicher,
individualisierender Merkmale zu Begriffen. Nicht materielle Gegenstände nehmen erst
die Form eines Begriffs an, nachdem durch Vergleich mehrerer
Gegenstandsbeschreibungen und Analyse der Angemessenheit einzelner Eigenschaften
eine abschließende gedankliche Konstruktion des Inhalts erfolgen kann.
Wüster unterscheidet zwei Wege der Begriffsbildung: Verringerung oder Vermehrung
der Merkmale. Erstere ist mit der bereits beschriebenen gedanklichen Reduktion von
Gegenständen auf deren Gemeinsamkeiten gleichzusetzen.
Abb. 6: Vierteiliges Wortmodell von Wüster
9
9
Entnommen aus: Laurén / Myking / Picht, 1998:104

38
In Abb. 6 gibt es ein dunkles Feld, das der ,,Welt der Individuen" (Wüster, 1959 /
60:188) entspricht, und ein helles, das die Welt der Begriffe darstellt. Nach Auswahl
zweier oder mehrerer Gegenstände aus der realen Welt und deren Überführung in die
gedankliche erfolgt Abstraktion, wodurch ein Begriff entsteht. Der weiße Kreis in der
rechten oberen Hälfte stellt einen solchen Begriff dar. Dieser wird durch ein Laut- oder
Schriftbild realisiert, von einem oder mehreren anderen Individuen perzipiert und
anschließend mit ihren persönlichen Vorstellungen des Gemeinten in Verbindung
gebracht. Es handelt sich stets um einen Weg, der von individuellen Gegenständen
ausgeht und über die implizite oder explizite Einigung über Gemeinsamkeiten führt, bis
erneut die Ebene individueller Auffassungen erreicht wird.
Der zweite Weg verläuft anders. Durch Hinzufügen von Merkmalen wird ein
bestimmter Begriff eingeschränkt. Das setzt voraus, dass der Oberbegriff bereits
existiert. Wüster nennt diesen Vorgang ,,Determination" und gibt als Beispiel die
Eingrenzung des Begriffs ,Pflanze' auf den Begriff ,Baum' an (vgl. 1959 / 60:186).
Nur bei dieser ,,absteigenden Art der Begriffsbildung können Phantasiebegriffe
geschaffen werden, deren Realisierung nie beobachtet worden ist und auch nicht
möglich ist" (1959 / 60: 184). Die mündliche oder schriftliche Realisierung solcher
Begriffe folgt jedoch wieder dem im Modell angelegten Schema.
Offensichtlich kann aber nicht ausschließlich Abstraktion oder Determination zur
Begriffsbildung führen, auch andere Wege sind dabei zu berücksichtigen. So stellt
Goffin die berechtigte Frage: ,,Les notions correspondent-elles vraiment à des entités
que l'on considère d'abord dans leur existence pour ensuite chercher la forme
linguistique qui les représente" (1985:18) ? Auch Dahlberg bezweifelt das Prinzip der
Zusammenführung von Gegenständen zu Denkeinheiten, und postuliert einen
unmittelbaren Weg von (individuellen) Dingen zum Begriff (vgl. 1976:86). Sandrini
bemerkt, dass ein Wissenschaftler Forschungen betreiben und so zu neuen Ergebnissen
kommen, neue Dinge entdecken kann und diesen sogleich ein sprachliches Zeichen
zuordnet (vgl. 1996:23), ohne vorher eine gedankliche Abstraktion vorgenommen zu
haben, was in diesem Fall auch nicht möglich wäre.
Bedeutungsübertragung kann gleichermaßen einen Weg zur Begriffsbildung darstellen,
und es ist Wüster selbst, der diesen Weg beschreibt: Die wörtliche Bedeutung eines
Zeichens, z. B. von ,Nase' (Riechorgan), wird auf andere Anwendungsbereiche
übertragen und bildet sodann einen neuen Begriff, in diesem Fall z.B. ,Nase' als Bauteil
von Maschinen o. ä.

39
,,Die Verknüpfung einer elementaren Lautform, die in ihrer Grundbedeutung verwendet
wird, mit dieser Bedeutung folgt (...) den beiden Grundarten der Assoziation:
Ähnlichkeit und Erlebnisberührung" (Wüster, 1959/60:191).
Verschiedene Bedeutungen eines Zeichens können nur auf Grundlage der Merkmale,
die seinen Inhalt ausmachen, unterschieden werden. Jedes Zeichen steht dabei nicht
unmittelbar für außersprachliche Realität, sondern für Bewusstseinsinhalte (vgl. Wojtak,
1971:26). Zeichen stehen immer in Relation zum Begriff, zum Sprachbenutzer und zu
anderen Zeichen.
Mit den bisher vorgestellten Erkenntnissen kann nun als Grundmodell der Relation
zwischen Gegenstand, Begriff und Zeichen als Quasisynonym zu Benennung das so
genannte semiotische Dreieck vorgestellt werden:
Begriff
Benennung Gegenstand
Abb. 7: Semiotisches Dreieck
10
Diesem Modell ist folgendes zu entnehmen (vgl. Budin / Oeser, 1999:2172):
- Begriff ist die Bedeutung des Zeichens.
- Begriff ist die Repräsentation des Objekts.
Die Verbindungslinie zwischen Benennung und Gegenstand müsste jedoch anders
dargestellt werden als die beiden anderen, da es zwischen Zeichen und Objekten der
Wirklichkeit keine direkte Entsprechung gibt und sich diese nur über den Umweg des
Begriffes, d. h. der Vorstellungswelt des Menschen, in Verbindung bringen lassen.
Zeichen oder Benennungen vertreten keinen fassbaren, konkreten Gegenstand, sondern
nur die Vorstellung, die mentale Repräsentation eines Gegenstandes, das ,,Zeichen ist
somit ein perzipierbarer Ersatzgegenstand für den Begriff" (Budin / Oeser, 1999:2173).
10
Entnommen aus: Wüster, 1991: 165

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836615600
Dateigröße
1.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität des Saarlandes – Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,0
Schlagworte
terminologie sprachwissenschaft einkommenssteuer deutschland frankreich
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