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Die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung in der neueren Wissenschaftstheorie

©2007 Examensarbeit 124 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Das Thema der vorliegenden Arbeit ist die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung in der neueren Wissenschaftstheorie. Mit dieser Unterscheidung wird eindeutiger Bezug auf eine Debatte genommen, die seit den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts unter der Bezeichnung Realismus-Antirealismus-Debatte bekannt ist. Das Anliegen dieser Arbeit ist systematischer Natur. Es wird eine Aufarbeitung der zentralen Positionen und Argumente der Kontroverse um die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung vorgenommen werden, die der zentrale Ausgangs- und Streitpunkt (des epistemologischen Aspekts) der Realismus-Antirealismus-Debatte ist.
Ziel der Arbeit ist eine möglichst genaue Analyse von van Fraassens Thesen, um auf dieser Grundlage eine ausführliche Diskussion gegnerischer Positionen und Einwände durchzuführen. Es sollen die zentralen Einwände und Kritikpunkte an van Fraassens Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung diskutiert werden, um so zu einer systematischen Aufarbeitung der Kontroverse um diese Unterscheidung zu gelangen. Während der Diskussion der einzelnen Kritiken sollen die Einwände gegen van Fraassens Position auf ihre Stichhaltigkeit überprüft werden, bzw. eine Untersuchung der Plausibilität von van Fraassens Entgegnungen durchgeführt werden. Somit werden eigene Überlegungen und Stellungnahmen zum Konzept der Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung und ihrer Kritik mit in diese Arbeit einfließen. Allerdings kann im Rahmen dieser Untersuchung keine Strategie zur endgültigen Verteidigung einer der Positionen in der Realismus-Antirealismus-Debatte vorgelegt werden, sondern es wird lediglich das weniger weit reichende Ziel ins Auge gefasst, die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung als das inhaltliche Scharniergelenk der Realismus-Antirealismus-Debatte einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.
Gang der Untersuchung:
Ich möchte an dieser Stelle kurz die einzelnen Etappen nennen, die ich innerhalb dieser Untersuchung zurücklegen möchte. In Kapitel 2 wird, als Grundlage für die weitere Diskussion, die Position des wissenschaftlichen Realismus erarbeitet werden, von der der Antirealismus abgegrenzt werden soll.
In Kapitel 3 wird anhand der im vorigen Kapitel erarbeiteten Folie die antirealistische Position van Fraassens, der konstruktive Empirismus, vorgestellt. Seine Position ist für die Untersuchung dieser Arbeit zentral, da in ihr van Fraassens Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung eingeführt wird. […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt

1. Einleitung

2. Wissenschaftlicher Realismus
2.1 Die wissenschaftstheoretische Realismusdebatte im Kontext der allgemein-philosophischen Realismusdebatte
2.2 Die Thesen des wissenschaftlichen Realismus
2.2.1 Schematische Darstellung der Realismusthesen
2.2.2 Das Verhältnis der Thesen zueinander
2.3 Die Angriffe auf den wissenschaftlichen Realismus
2.3.1 Die Kritik an den ontologischen Thesen des Realismus
2.3.2 Die Kritik an den epistemologischen Thesen des Realismus

3. Der konstruktive Empirismus Bas van Fraassens
3.1 Das Ziel der Wissenschaften und das Verhältnis von Theorien zur Welt
3.1.1 Die empiristischen Vorgängertheorien
3.1.2 Die Minimalbestimmung des wissenschaftlichen Realismus
3.2 Die Hauptthese des konstruktiven Empirismus
3.3 Die semantische und die pragmatische Komponente wissenschaftlicher Theorien
3.4 Zusammenfassung

4. Beobachtung und Beobachtbarkeit
4.1 Alltagsweltliche Beobachtung
4.2 Wissenschaftliche Beobachtung
4.3 Die Theoriebeladenheit der Beobachtung
4.4 Begriffliche Klärungen

5. Die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung
5.1 Maxwells Kritik als Referenztext für van Fraassen
5.2 Die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung van Fraassens
5.2.1 Die epistemische Gemeinschaft
5.2.2 Beobachtbarkeit als objektive Eigenschaft
5.3 Zusammenfassung

6. Zwischenstand

7. Die Kritik an der Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung
7.1 Die Willkürlichkeit der Grenzziehung
7.2 Die vitiöse Zirkularität
7.2.1 Das internalistische Beobachtungskonzept
7.2.2 Der Zirkelvorwurf
7.2.3 Die Inkonsistenz der Unterscheidung
7.3 Der selektive Skeptizismus und die epistemische Gemeinschaft
7.3.1 Die Zirkularität des Konzeptes der epistemischen Gemeinschaft
7.3.2 Epistemische Eingemeindung
7.4 Die Daten/Phänomen-Unterscheidung
7.5 Die inadäquate Berücksichtigung der wissenschaftlichen Praxis
7.5.1 Die Erweiterung des Beobachtungsbegriffs
7.5.2 Die Unangemessenheit des van Fraassenschen Beobachtungsbegriffs
7.6 Zusammenfassung

8. Der epistemische Unterschied von Beobachtungen und Messungen
8.1 Realistische Strategien
8.2 Ein Verteidigungsversuch des van Fraassenschen Beobachtungsbegriffs
8.2.1 Ein wissenschaftshistorisches Argument
8.2.2 Das Argument der Rechtfertigung von Beobachtungsaussagen
8.3 Schlussfolgerungen

9. Resümee

10. Literaturverzeichnis

11. Erklärung

1. Einleitung

Das Thema der vorliegenden Arbeit ist die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung in der neueren Wissenschaftstheorie. Mit dieser Unterscheidung wird eindeutiger Bezug auf eine Debatte genommen, die seit den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts unter der Bezeichnung Realismus-Antirealismus-Debatte bekannt ist. Das Anliegen dieser Arbeit ist systematischer Natur. Es wird eine Aufarbeitung der zentralen Positionen und Argumente der Kontroverse um die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung vorgenommen werden, die der zentrale Ausgangs- und Streitpunkt (des epistemologischen Aspekts) der Realismus-Antirealismus-Debatte ist.[1]

Zunächst sollen an dieser Stelle einige einleitende, inhaltliche Überlegungen folgen.[2] Für viele Naturwissenschaftler (und auch Wissenschaftstheoretiker) stellt der Diskussionsgegenstand der Realismus-Antirealismus-Debatte eine implizite Voraussetzung ihrer theoretischen Überlegungen und praktischen Arbeit dar, die ein wesentlicher Bestandteil ihres Weltbildes ist. Sie setzen ein realistisches Verständnis der Naturwissenschaften, gemäß dem die am besten bestätigten Theorien und Forschungsergebnisse der reifen, modernen Naturwissenschaften eine zumindest annäherungsweise wahre Beschreibung der vom Menschen und seinen Theoriebildungen unabhängigen physischen Wirklichkeit liefern, oft unhinterfragt voraus.[3] Ein entscheidendes Merkmal wissenschaftlicher Erkenntnis ist es dabei, dass sie uns etwas über die Beschaffenheit der Welt mitteilt, die weit über das, was wir beobachten können, hinausgeht. Dabei wird es als das Ziel von Wissenschaften[4] angesehen, uns solche Erkenntnisse zu liefern und es wird angenommen, dass Wissen über Dinge, die über das direkt Beobachtbare hinausgehen, möglich ist. Diese Haltung umfasst in etwa das, was unter wissenschaftlichem Realismus verstanden wird.[5] Der Realismus erscheint besonders vielen Wissenschaftstheoretikern als intuitiv plausibel, da sie z.B. der Ansicht sind, dass sich der Erfolg wissenschaftlicher Theorien nicht erklären lasse, wenn diese Theorien nicht als Ganze (also in Hinblick auf ihren beobachtbaren und unbeobachtbaren Teil) wahr seien. Mit dem Status der naturwissenschaftlichen Theorien und insbesondere der Frage, ob diese Theorien wirklich als Ganze wahr sind, befasst sich die Realismus-Antirealismus-Debatte. Sie klärt damit eine Vielzahl von ontologischen, epistemologischen und methodischen Fragen, die für das Bild der Naturwissenschaften im Allgemeinen, und auf einer den Einzelwissenschaften übergeordneten Ebene, von höchster Relevanz sind.

Die Standardauffassung innerhalb der Debatte ist dabei nicht zwingend – auch wenn dies vordergründig so erscheinen mag – ein realistisches Verständnis naturwissenschaftlicher Theorien, sondern auch antirealistische Haltungen, denen zufolge wissenschaftliche Theorien als Instrumente interpretiert werden, mit deren Hilfe sich Probleme lösen lassen und taugliche Vorhersagen über zukünftige Ereignisse gemacht werden können, aber die gerade keine zutreffende und annäherungsweise wahre Beschreibung der physischen Wirklichkeit liefern, sind durchaus populäre Positionen, die den Einstellungen vieler Wissenschaftler und Wissenschaftstheoretikern entsprechen.[6] Populärwissenschaftliche Darstellungen legen hingegen oftmals ein, gerade auch bei Nichtwissenschaftlern verbreitetes, realistisches und von optimistischem Fortschrittsglauben geprägtes Bild der Naturwissenschaften nahe, welches impliziert, dass uns unsere wissenschaftlichen Theorien die ‘wahren’ Gegenstände und Zusammenhänge, die ‘hinter’ den Phänomenen liegen, offenbaren. Mit der Fragestellung, ob dies wirklich zutrifft, befasst sich die wissenschaftstheoretische Realismusdebatte. Damit beschäftigt sie sich, wie alle wissenschaftstheoretischen Überlegungen, mit meta-theoretischen Fragestelllungen, die nicht in den Einzelwissenschaften und ihren (experimentellen) Praktiken behandelt werden. Der Untersuchungsgegenstand der Wissenschaftstheorie sind die Wissenschaften selbst, die durch die systematische Reflexion ihrer Methoden, begrifflichen Strukturen und im Lichte der breiteren Konsequenzen ihres Lehrinhaltes, von einem übergeordneten Standpunkt aus betrachtet werden.[7] Die Frage nach einem realistischen Verständnis einer naturwissenschaftlichen Theorie wird nicht von der Theorie selbst oder der ihr zugrunde liegenden Einzelwissenschaft beantwortet, sondern erst die wissenschaftstheoretische Meta-Theorie beschäftigt sich mit der Analyse der Methoden, Ziele und Geltung von wissenschaftlichen Theorien. Sie zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie besonders den epistemischen Anspruch der Wissenschaft und ihren Theorien in den Blick nimmt.[8] Die Realismusdebatte spielt daher eine fundamentale Rolle für die Einordnung und Bewertung naturwissenschaftlicher Erkenntnis.

Für diese Debatte (und speziell für ihren epistemologischen Aspekt) ist die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung, die der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist, eine fundamentale Unterscheidung. Sie bezieht sich auf die kontrovers diskutierte Frage, ob die physische Wirklichkeit für uns vollständig epistemisch zugänglich ist und wir daher gerechtfertigte Aussagen darüber machen können, ob unsere Theorien die Wirklichkeit annäherungsweise korrekt oder inkorrekt beschreiben.[9] Da sich unsere Theorien – wie bereits angedeutet wurde – nicht ausschließlich auf einen Bereich beziehen, der sich unseren Sinnen erschließt, sondern gerade auch Aussagen über Entitäten gemacht werden, die die Beobachtungsmöglichkeiten unserer Sinne transzendieren, entsteht die Kontroverse um den wissenschaftlichen Realismus. Der Gegenstandsbereich der Naturwissenschaften zerfällt damit auf den ersten Blick in einen beobachtbaren und einen unbeobachtbaren Teil der physischen Wirklichkeit. Während der beobachtbare Teil im Allgemeinen als epistemisch zugänglich angesehen wird, wird der unbeobachtbare Teil von den Antirealisten als epistemisch nicht zugänglich angesehen, woraus sie eine gewisse Skepsis gegenüber unbeobachtbaren (theoretischen) Entitäten ableiten.[10] Wissenschaftliche Realisten hingegen behaupten, dass auch der Bereich der Naturwissenschaften, der unsere direkten Beobachtungsmöglichkeiten transzendiert, prinzipiell epistemisch zugänglich ist und teilen somit die Skepsis der Antirealisten bezüglich unbeobachtbarer Entitäten nicht. Bei ihrem Versuch, zu zeigen, dass unsere reifen naturwissenschaftlichen Theorien eine zumindest annäherungsweise wahre Beschreibung der physischen Wirklichkeit liefern, greifen sie die u.a. Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung an, die von den vornehmlich empiristischen Gegnern des wissenschaftlichen Realismus als wirkungsvolles Instrument zur Verteidigung ihrer antirealistischen Position eingesetzt wird.

Aufgrund der vielfältigen Forschungsliteratur kann diese Untersuchung nur unter zahlreichen Beschränkungen geführt werden. Die erste Beschränkung ergibt sich durch die zeitliche Eingrenzung, die der Titel der Arbeit nahe legt. Es wird um die neuere Wissenschaftstheorie gehen, die ungefähr ab dem Jahre 1960 zu verorten ist.[11] Damit wird das Augenmerk auf die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung von Bas van Fraassen gelegt, die er in seinem 1980 erschienenen Werk The Scientific Image[12] entwickelt hat und bis heute noch immer verteidigt. Die von van Fraassen etablierte Unterscheidung kann für die epistemologische Seite der Debatte als zentral angesehen werden. Alle Autoren, die sich mit dieser Thematik beschäftigen, entwickeln ihre Thesen vor dem Hintergrund der Position van Fraassens, die als Folie für die gesamte Kontroverse dient. Damit steht die Position van Fraassens im Mittelpunkt dieser Arbeit.

Es ergeben sich hieraus weitere thematische Beschränkungen, die an dieser Stelle erwähnt werden sollen. Abrisse von zeitlich vorher liegenden Positionen werden nur sehr begrenzt erfolgen, wenn sie für die Rekonstruktion bestimmter Positionen oder Argumente relevant sind. Auf wissenschaftshistorische Analysen und Einzelfallstudien muss darüber hinaus ebenso verzichtet werden, wie auf eine Behandlung von übergeordneten philosophischen Gesichtspunkten, die sich von den spezifisch wissenschaftstheoretischen Überlegungen abgrenzen lassen.

Ziel der Arbeit ist eine möglichst genaue Analyse von van Fraassens Thesen, um auf dieser Grundlage eine ausführliche Diskussion gegnerischer Positionen und Einwände durchzuführen. Es sollen die zentralen Einwände und Kritikpunkte an van Fraassens Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung diskutiert werden, um so zu einer systematischen Aufarbeitung der Kontroverse um diese Unterscheidung zu gelangen. Während der Diskussion der einzelnen Kritiken sollen die Einwände gegen van Fraassens Position auf ihre Stichhaltigkeit überprüft werden, bzw. eine Untersuchung der Plausibilität von van Fraassens Entgegnungen[13] durchgeführt werden. Somit werden eigene Überlegungen und Stellungnahmen zum Konzept der Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung und ihrer Kritik mit in diese Arbeit einfließen. Allerdings kann im Rahmen dieser Untersuchung keine Strategie zur endgültigen Verteidigung einer der Positionen in der Realismus-Antirealismus-Debatte vorgelegt werden, sondern es wird lediglich das weniger weit reichende Ziel ins Auge gefasst, die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung als das inhaltliche Scharniergelenk der Realismus-Antirealismus-Debatte einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.

Ich möchte an dieser Stelle kurz die einzelnen Etappen nennen, die ich innerhalb dieser Untersuchung zurücklegen möchte. In Kapitel 2 wird, als Grundlage für die weitere Diskussion, die Position des wissenschaftlichen Realismus erarbeitet werden, von der der Antirealismus abgegrenzt werden soll.

In Kapitel 3 wird anhand der im vorigen Kapitel erarbeiteten Folie die antirealistische Position van Fraassens, der konstruktive Empirismus, vorgestellt. Seine Position ist für die Untersuchung dieser Arbeit zentral, da in ihr van Fraassens Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung eingeführt wird.

Kapitel 4 beschäftigt sich mit der Frage, was unter einer Beobachtung bzw. unter Beobachtbarkeit zu verstehen ist. Dies ist für die Darstellung der Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung van Fraassens, die ich in Kapitel 5 vornehmen möchte, eine unerlässliche Voraussetzung.

Mit Kapitel 5 schließt der erste Teil dieser Arbeit, in dem die Grundlagen für eine kritische Diskussion der Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung gelegt worden sind, ab. Nach einer kurzen Rekapitulation des ersten Teils der Arbeit, die in Kapitel 6 durch die Erarbeitung eines Zwischenstandes geschehen soll, widmet sich der zweite Teil meiner Untersuchung den Einwänden, die gegen die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung vorgebracht werden; diese werden in Kapitel 7 ausführlich dargestellt sowie einer kritischen Betrachtung unterzogen werden.

Kapitel 8 beschäftigt sich mit der zentralen Frage, ob es einen epistemisch relevanten Unterschied zwischen beobachtbaren und unbeobachtbaren Entitäten bzw. zwischen Beobachtungen mittels unserer Sinnesorgane und Beobachtungen (oder Messungen) mittels technischer Hilfsmittel gibt. Auf diese prinzipielle Frage läuft ein Großteil der Einwände gegen van Fraasen hinaus, so dass sich eine endgültige Stellungnahme zu seinem Konzept erst vor dem Hintergrund der Beantwortung dieser Frage abgeben lässt. Nachdem die Argumente für und gegen einen epistemisch relevanten Unterschied diskutiert wurden, sollen die Schlussfolgerungen betrachtet werden, die sich daraus für die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung ergeben.

Im abschließenden Kapitel 9 werden die wesentlichen Ergebnisse dieser Arbeit in einem Resümee noch einmal rekapituliert, sowie an die Ausführungen zum wissenschaftlichen Realismus zurückgebunden, indem ich darauf eingehe, welche Konsequenzen sich aus meinen Erkenntnissen über die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung für die wissenschaftstheoretische Realismusdebatte ergeben.

2. Wissenschaftlicher Realismus

In diesem Kapitel sollen die zentralen Thesen des wissenschaftlichen Realismus[14] näher betrachtet werden, um damit das nötige Hintergrundwissen für die Kontroverse um die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung bereitzustellen, die eindeutigen Bezug auf die wissenschaftstheoretische Realismus-Antirealismus-Debatte nimmt. Zunächst soll die wissenschaftstheoretische Debatte kurz in die übergeordnete allgemein-philosophische Debatte um den Realismus eingeordnet werden. Anschließend erfolgt eine möglichst allgemeine Beschreibung der Thesen des wissenschaftlichen Realismus, von dem der Antirealismus abgegrenzt werden soll.[15] Daran anschließend wird näher auf die verschiedenen Arten der antirealistischen Angriffe auf den wissenschaftlichen Realismus eingegangen; hier sollen auch die zentralen Argumente und Strategien beider Seiten zur Verteidigung ihrer Position Erwähnung finden.[16]

2.1 Die wissenschaftstheoretische Realismusdebatte im Kontext der allgemein-philosophischen Realismusdebatte

Die wissenschaftstheoretische Realismusdebatte muss von einer allgemein-philosophischen Debatte um den Realismus unterschieden werden. Der Frage, ob man Realist ist, bedarf es bezüglich des Gegenstandsbereiches in vielerlei Hinsicht einer Präzisierung, da man eine realistische (oder antirealistische) Einstellung gegenüber verschiedenen zu betrachtenden Einheiten einnehmen kann. So kann man sowohl bezüglich alltagsweltlicher Gegenstände und ihrer Eigenschaften sowie wissenschaftlicher Entitäten, moralischer Werte oder mathematischer Gegenstände etc. Realist bzw. Antirealist sein. Ebenso ist es üblich, dass man die Thesen des Realismus nicht in Bezug auf alle Einheiten des gesamten Gegenstandsbereiches akzeptiert oder zurückweist (wenngleich dies trotzdem möglich ist), sondern dass man eine realistische Einstellung selektiv gegenüber bestimmten Einheiten einnimmt. Daher kann man z.B. bezüglich alltagsweltlicher Gegenstände und ihren Eigenschaften Realist sein, während man gegenüber moralischen Werten oder wissenschaftlichen Entitäten Antirealist ist (umgekehrt ist dies auch möglich).[17] Innerhalb der Philosophie haben sich daher spezifische Fachdiskurse herausgebildet, von denen einer die wissenschaftstheoretische Realismus-Antirealismus-Debatte ist. Die grundlegende Fragestellung in allen Debatten beschäftigt sich mit der Existenz von bestimmten Entitäten und Gegenständen sowie mit ihrer Unabhängigkeit vom menschlichen Bewusstsein und geistigen Prozessen.[18]

Innerhalb der allgemein-philosophischen Realismusdebatte gibt es zwei generelle Aspekte des Realismus, die hier anhand des Realismus bezüglich alltagsweltlicher, mittelgroßer Gegenstände und ihren Eigenschaften betrachtet werden sollen. Der erste Aspekt dreht sich um die Frage der Existenz. Der Realist behauptet, dass Gegenstände, wie Tische oder Berge, existieren und ihnen bestimmte Eigenschaften zugeordnet werden können (wie z.B., dass der Tisch quadratisch ist). Der zweite Aspekt des Realismus beschäftigt sich mit der Frage der Unabhängigkeit der Wirklichkeit von der physischen Außenwelt und unserem Bewusstsein. Wenngleich alltagsweltliche Gegenstände in einer bestimmten Weise häufig empirisch abhängig von uns Menschen sind (da der Tisch z.B. von Menschen entworfen wurde, die ihn qua-dratisch konstruieren wollten), behaupten die Realisten, dass die Gegenstände in einem anderen, weiteren Sinn nicht von uns Menschen sowie unseren sprachlichen Praktiken und begrifflichen Schemata etc. abhängig sind.[19] Alexander Miller skizziert in einem Artikel die generelle Behauptung des Realismus wie folgt:

„In general, where the distinctive objects of a subject-matter are a, b, c, … , and the distinctive properties are … is F, … is G, … is H and so on, realism about that subject matter will typically take the form of a claim like the following:

Generic Realism:

a, b, and c and so on exist, and the fact that they exist and have properties such as F-ness, G-ness, and H-ness is (apart from mundane empirical dependencies of the sort sometimes encountered in everyday life) independent of anyone's beliefs, linguistic practices, conceptual schemes, and so on.“[20]

In Anlehnung daran wird von den Antirealisten zumeist einer der beiden Aspekte des Realismus bestritten. Wichtig zu beachten ist auch hier, dass sich die Formen des Antirealismus innerhalb der verschiedenen Fachdiskurse um die Realismusfrage deutlich unterscheiden können. Während die allgemein-philosophische Debatte nach der grundsätzlichen Denk- und Geistunabhängigkeit der Wirklichkeit insgesamt fragt, befasst sich die wissenschaftstheoretische Debatte mit der Frage nach der Unabhängigkeit der physischen Wirklichkeit. Hier wird die Realismusfrage auf den Gegenstandsbereich der Naturwissenschaften eingegrenzt.[21] Die Realismusdebatte kreist zusammengefasst um folgende Fragen: (1.) Sind die in den naturwissenschaftlichen Theorien beschriebenen Entitäten vom Menschen und seinen Theoriebildungen unabhängig (d.h. geist- und theorieunabhängig)? (2.) Liefern die Forschungsergebnisse und am besten bestätigten Theorien der reifen, modernen Naturwissenschaften eine mindestens annäherungsweise[22] wahre Beschreibung der physischen Wirklichkeit?

2.2 Die Thesen des wissenschaftlichen Realismus

Die Haltung des wissenschaftlichen Realismus lässt sich, wie oben anhand der beiden Fragen bereits angedeutet wurde, grundsätzlich in zwei Thesen unterteilen.[23] Diese Thesen werden als ontologische These (1) und epistemologische These (2) bezeichnet.[24] Unter wissenschaftlichem Realismus wird dabei die Position verstanden, dass sich (1.) die zentralen Begriffe wissenschaftlicher Theorien und die in ihr postulierten Entitäten typischerweise auf tatsächlich existierende Objekte und Prozesse beziehen, die vom Menschen und seinen Theoriebildungen unabhängig sind und dass (2.) die Theorien und Forschungsergebnisse der reifen, modernen Naturwissenschaft typischerweise eine annäherungsweise wahre Beschreibung der physischen Wirklichkeit liefern. So gibt Richard Boyd in einem Eintrag der Stanford Encyclopedia of Philosophy folgende Definition des wissenschaftlichen Realismus:

„Scientific realists hold that the characteristic products of successful scientific research is knowledge of largely theory-independent phenomena and that such knowledge is possible (indeed actual) even in those cases in which the relevant phenomena are not, in any non-question-begging sense, observable. […] Scientific realism is thus the common sense (or common science) conception that, subject to a recognition that scientific methods are fallible and the most scientific knowledge is approximate, we are justified in accepting the most secure findings of scientists at ‘face value’.“[25]

Die ontologische These geht von der Geist- und Theorieunabhängigkeit der in den naturwissenschaftlichen Theorien beschriebenen Gegenständen aus, und schlägt sich in Boyds Formulierung „the characteristic products of successful scientific research is knowledge of largely theory-independent phenomena“ nieder. In Hinblick auf diese These kann die wissenschaftstheoretische Realismusdebatte als ein Ausschnitt der allgemein-philosophischen Debatte betrachtet werden, da der Blick jeweils auf den Wirklichkeitshorizont gerichtet ist.[26] Während der Schwerpunkt der allgemein-philosophischen Realismusdebatte auf der Frage nach dem Wirklichkeitshorizont liegt, so steht in der wissenschaftstheoretischen Realismusdebatte (besonders in jüngster Zeit) die epistemologische Frage im Vordergrund. Allgemein-philosophisch erscheint es durchaus befremdlich, mit dem Realismus eine epistemologische These zu verknüpfen; in der Wissenschaftstheorie steht diese jedoch an vorderster Stelle. Laut der epistemologischen These können wir wissen, ob unsere Theorien über die physische Wirklichkeit annäherungsweise wahr sind (Möglichkeit von Wissen). Mit dieser These ist meist die Behauptung verbunden, dass dies der Fall ist, und die am besten bestätigten Theorien der reifen Naturwissenschaften in weiten Teilen zumindest annäherungsweise und hinsichtlich wesentlicher Eigenschaften die Wirklichkeit korrekt beschreiben (Vorliegen von Wissen).[27] Dies fängt der restliche Teil von Boyds Beschreibung des Realismus ein, in dem er behauptet, „we are justified in accepting the most secure findings of scientists at ‘face value’“.

In seinem mittlerweile als klassisch geltenden Aufsatz zum wissenschaftlichen Realismus mit dem Titel On the Current Status of the Issue of Scientific Realism[28] expliziert Boyd die Thesen des Realismus genauer und nennt vier zentrale Thesen des Realismus:[29]

„By ‘scientific realism’ philosophers typically understand a doctrine which we may think of as embodying four central theses:

(i) ‘Theoretical terms’ in scientific theories (i.e., non-observational terms) should be thought of as putatively referring expressions; scientific theories should be interpreted ‘realistically’.
(ii) Scientific theories, interpreted realistically, are confirmable and in fact often confirmed as approximately true by ordinary scientific evidence interpreted in accordance with ordinary methodological standards.
(iii) The historical progress of mature sciences is largely a matter of successively more accurate approximations to the truth about both observable and unobservable phenomena. Later theories upon (observational and theoretical) knowledge embodied in previous theories.
(iv) The reality which scientific theories describe is largely independent of our thoughts or theoretical commitments.“[30]

Die Thesen (i) und (iv) beziehen sich auf die unter (1) genannte ontologische These des Realismus, die behauptet, dass sich Theorien auf eine von uns unabhängige Wirklichkeit beziehen. In These (i) legt Boyd den Schwerpunkt auf unbeobachtbare Entitäten und die Referenz theoretischer Terme auf solche Entitäten. Mit der These ist die Forderung verbunden, dass wissenschaftliche Theorien realistisch oder wörtlich zu interpretieren sind. Dabei wird davon ausgegangen, dass theoretische Aussagen wahrheitsdefinite Sätze sind. Bestimmte Aussagen einer Theorie referieren dabei mutmaßlich auf unbeobachtbare Entitäten und die Wahrheit oder Falschheit einer Theorie wird als abhängig von der Beschaffenheit der Wirklichkeit begriffen. In These (iv) drückt sich die Auffassung aus, dass es eine physische Wirklichkeit gibt, die von unseren Theorien und ihren methodischen Voraussetzungen unabhängig ist. Dabei drückt Boyd sowohl den für die allgemein-philosophische Realismusdebatte entscheidenden Aspekt der Geistesunabhängigkeit als auch die für die wissenschaftstheoretische Realismusdebatte entscheidenden Komponente der Theorieunabhängigkeit aus.

Die Thesen (ii) und (iii) beziehen sich auf die unter (2) genannte epistemologische These des Realismus, die behauptet, dass wir wissen können, ob unsere am besten bestätigten Theorien annäherungsweise wahr sind. Mit These (ii) wird behauptet, dass dies tatsächlich der Fall ist; sie spiegelt den oben bereits genannten Aspekt des Vorliegens von Wissen wider. Mit dieser These ist der Gedanke verbunden, dass sich unsere Theorien kontinuierlich in dem Sinne weiterentwickeln, dass sie die Wirklichkeit zunehmend besser erfassen und sich der Wahrheit immer mehr annähern. Dabei müssen einmal gewonnene wissenschaftliche Einsichten grundsätzlich nicht wieder zurückgenommen werden. Zwar kann es sein, dass der Gültigkeitsbereich eines Naturgesetzes durch neue Erfahrungen eingeschränkt werden muss, aber innerhalb dieses Gültigkeitsbereiches bleiben die Erkenntnisse bestehen. Es wird davon ausgegangen, dass die Theorien der reifen Wissenschaft an das Wissen ihrer Vorgängertheorien anschließen und so zu einer immer näher an der Wahrheit liegenden Beschreibung der Wirklichkeit gelangen. Diese Sichtweise wird auch als Akkumulationstheorie der Wissenschaftsgeschichte bezeichnet.[31]

2.2.1. Schematische Darstellung der Realismusthesen

Wir haben durch die oben erfolgte Beschreibung der Realismusthesen einen Überblick darüber erhalten, was im Allgemeinen unter wissenschaftlichem Realismus verstanden wird.[32] Zur besseren Übersicht sollen die Thesen in schematischer Form noch einmal zusammengefasst werden.

Wissenschaftlicher Realismus[33]

ontologische These (1):

Die zentralen Begriffe wissenschaftlicher Theorien und die in ihr postulierten Entitäten beziehen sich typischerweise auf tatsächlich existierende Objekte und Prozesse, die vom Menschen und seinen Theoriebildungen unabhängig sind.

epistemologische These (2):

Die Theorien und Forschungsergebnisse der reifen, modernen Naturwissenschaft liefern typischerweise eine annäherungsweise wahre Beschreibung der physischen Wirklichkeit.

Teilthese (i):

Semantische These: Theoretische Terme beziehen sich auf unbeobachtbare Entitäten und wissenschaftliche Theorien sollen realistisch interpretiert werden.

Teilthese (ii):

These des Vorliegens von Wissen: Wir können wissen, ob unsere am besten bestätigten Theorien annäherungsweise wahr sind und dies ist tatsächlich der Fall.

Teilthese (iv):

Unabhängigkeitsthese: Die Wirklichkeit ist unabhängig von mentalen Vorkommnissen und theoretischen Voraussetzungen.

Teilthese (iii):

Forschrittsthese: Theorien entwickeln sich in dem Sinne kontinuierlich weiter, dass sie die Wirklichkeit zunehmend besser erfassen und sich der Wahrheit immer mehr annähern.

2.2.2 Das Verhältnis der Thesen zueinander

Die beiden Thesen des wissenschaftlichen Realismus bilden keine natürliche Allianz, sondern stehen meist in einem Spannungsverhältnis zueinander, da die ontologische Unabhängigkeit der physischen Wirklichkeit (die auch viele Antirealisten annehmen) es fraglich erscheinen lässt, ob uns diese auch vollständig epistemisch zugänglich ist. In der allgemein-philosophischen Realismusdebatte wird unter dem Ausdruck ‘Realismus’ besonders die ontologische These samt ihrer Ausdifferenzierungen verstanden; ontologischer Realismus und epistemologischer Skeptizismus sind hier durchaus miteinander verträglich. In der Wissenschaftstheorie hingegen ist besonders die epistemologische These des Realismus relevant. Besonders in den letzten Jahrzehnten hat sich das Hauptaugenmerk der Debatte von der ontologischen Dimension des Realismus hin zur epistemologischen Dimension verschoben. Als Vertreter des wissenschaftlichen Realismus kann nur gelten, wer die These vertritt, dass die physische Welt für uns epistemisch zugänglich ist und wir gerechtfertigte Aussagen darüber machen können, ob unsere Theorien die Wirklichkeit zutreffend und besser als konkurrierende Theorien beschreiben. Vertreter einer realistischen Auffassung versuchen die Vorstellung einer geist- und theorieunabhängigen Wirklichkeit mit der Annahme zu verknüpfen, dass sich in empirisch wohl bestätigten Theorien mindestens partielles Wissen ausdrückt und wir die theoretischen Entwicklungen der Naturwissenschaften als Forschritt begreifen können (im Sinne einer Annäherung an eine wahre Beschreibung der Wirklichkeit).[34] Die antirealistische Herausforderung besteht, neben dem Versuch, die durch unsere naturwissenschaftlichen Theorien erfasste Wirklichkeit als theorieabhängig zu beschreiben, vor allem darin, zu zeigen, dass es schlagkräftige Argumente gegen die Annahme der annäherungsweisen Wahrheit von wissenschaftlichen Theorien gibt. Diese Argumente greifen den Realismus an seiner epistemologischen Flanke an.

2.3 Die Angriffe auf den wissenschaftlichen Realismus

Der wissenschaftliche Realismus ist von vielen Vertretern einer antirealistischen Position scharf kritisiert worden. An dieser Stelle möchte ich auf einige der Kritiken am wissenschaftlichen Realismus eingehen, indem ich eine knappe Übersicht über antirealistische Positionen gebe, die den Realismus an verschiedenen Stellen attackieren. So weit dies klar abgrenzbar ist, werde ich mich dabei auf die Thesen des Realismus beziehen, die ich im vorigen Kapitel in Anlehnung an Boyd herausgearbeitet habe. Bei der Behandlung der Kritiken am wissenschaftlichen Realismus wird auf die zentralen Argumente für eine realistische bzw. antirealistische Auffassung sowie die Gegenargumente eingegangen werden. Außerdem soll die besondere Bedeutung der Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung für die Debatte um den wissenschaftlichen Realismus und speziell für die epistemologische Komponente dieser Debatte herausgestellt werden.

2.3.1 Die Kritik an den ontologischen Thesen des Realismus

Zunächst beginnen wir mit den antirealistischen Positionen, die die ontologischen Thesen des Realismus in irgendeiner Form bestreiten. An dieser Stelle möchte ich zwei Positionen nennen, die dies tun und die prominenten antirealistischen Vertretern zugeordnet werden können.[35] Die logischen Empiristen verneinen These (i) des wissenschaftlichen Realismus und gehen somit nicht davon aus, dass Theorien realistisch zu interpretieren sind. Sie sind der Ansicht, dass sich Theorien als sprachliche Gebilde verstehen lassen, deren theoretische Ausdrücke sich nicht auf eine beobachtungstranszendente Wirklichkeit beziehen. Es kommt für sie nur den Begriffen einer Theorie Bedeutung zu, die entweder direkt durch Beobachtungen bestätigt werden können (Beobachtungsbegriffe) oder denjenigen, die auf Beobachtungsbegriffe zurückführbar sind. These (iv) des wissenschaftlichen Realismus, die sich auf den ontologischen Aspekt der Debatte konzentriert, wird von den logischen Empiristen weder verneint noch bejaht, sondern für sinnlos erklärt.[36] Der logische Empirist hält die Frage, ob eine ontologisch so oder so beschaffene Wirklichkeit existiert für unverständlich, da sie jeglichen empirischen Gehalts entbehrt. So ist z.B. Rudolf Carnap der Ansicht, dass zwischen den fraglichen Thesen keine Entscheidung fallen könne, da es keine mögliche Erfahrung gäbe, die diese Entscheidung stützten kann. Damit kommt Carnap zu dem Schluss:

„Die Wissenschaft kann in der Realitätsfrage weder bejahend noch verneinend Stellung nehmen, da die Frage keinen Sinn hat.“[37]

Mit dem Namen Thomas Kuhn wird eine Position in Verbindung gebracht, die er in seinem Werk The Structure of Scientific Revolutions[38] entwickelt hat und die in der Nähe des Konstruktivismus zu verorten ist.[39] Von Paul Feyerabend, der einige Ideen Kuhns in seinem Werk Against Method. Outline of an Anarchistic Theory of Knowledge[40] aufgriff, wurde diese Position radikalisiert.[41] Kuhns Position erweist sich als ontologischer Antirealismus in doppelter Hinsicht, da beide Teilthesen des ontologischen Zweigs bestritten werden. Einerseits wird bestritten, dass die Wirklichkeit unabhängig von mentalen Vorkommnissen und theoretischen Voraussetzungen ist (iv) und andererseits verteidigt Kuhn eine antirealistische Semantik; d.h., die referierenden Ausdrücke einer Theorie werden als Bezug nehmend auf eine konstruierte, theorieabhängige Wirklichkeit begriffen. Damit verneint er auch die semantische These (i) des ontologischen Zweigs der Debatte.[42]

Kuhn rückt besonders die historische Entwicklung der Wissenschaften in den Vordergrund seiner Betrachtungen und orientiert sich stark an wissenschaftshistorisch ausgearbeiteten Fallstudien.[43] Er entwickelt dabei eine Theorie der ‘wissenschaftlichen Revolutionen’ bzw. ‘Paradigmenwechsel’. Seine Theorie basiert auf der (konstruktivistischen) Annahme, dass wir mit Hilfe von wissenschaftlichen Theorien keine von uns unabhängige Wirklichkeit entdecken, sondern dass die Wirklichkeit durch theoretische und methodologische Vorgaben konstruiert wird.[44] Dabei spielt besonders das von einer wissenschaftlichen Gemeinschaft akzeptierte Paradigma sowie die damit verbundenen Regeln eine entscheidende Rolle.[45] Ein Paradigma ist ein übergreifender theoretischer Rahmen, der als ein bestimmtes Weltbild aufgefasst werden kann, in dem die Mitglieder der wissenschaftlichen Gemeinschaft beheimatet sind. Dieses Weltbild gibt den Wissenschaftlern vor, wie sie die Welt zu sehen haben. In ihm drücken sich bestimmte Verpflichtungen aus, die die wissenschaftliche Gemeinschaft teilt. Hierbei handelt es sich um die inhaltlichen Vorstellungen von der Beschaffenheit eines Sachbereiches. Innerhalb dieses Sachbereiches werden bestimmte Problemlösungen als mustergültig (paradigmatisch) angesehen und es werden bestimmte Qualitätsmaßstäbe für Erklärungen angenommen.[46] Auch die Art und Weise des weiteren wissenschaftlichen Vorgehens wird durch ein Paradigma festgelegt. Kuhns These ist es nun, dass, wenn ein Paradigma einmal als gültiger Theorierahmen vorausgesetzt wird, dieses nicht mehr auf den Prüfstand der Erfahrung gestellt wird.[47] Die Wissenschaftler sind Kuhn zufolge so stark in ihr Weltbild (Paradigma) involviert, dass es in hohem Maße immun gegen auftretende Anomalien ist.[48]

Wenn diese Immunität gegen Anomalien jedoch an ihre Grenzen stößt, da sich die auftretenden Probleme und Schwierigkeiten häufen, so schwindet die Glaubwürdigkeit des herrschenden Paradigmas.[49] Es folgt eine Phase der professionellen Unsicherheit, die durch die Suche nach einer alternativen Sichtweise gekennzeichnet ist. Die Krise endet mit einer ‘wissenschaftlichen Revolution’ oder einem ‘Paradigmenwechsel’; d.h., es findet ein radikaler Umbruch statt, der mit der Annahme eines anderen Paradigmas einhergeht. Dabei wandelt sich das Weltbild einer Forschergemeinschaft völlig.[50] Ein wichtiger Aspekt eines solchen Wandels ist es laut Kuhn, dass die Wissenschaften bzw. einzelne Teildisziplinen nicht kontinuierlich voranschreiten. Ihre Kontinuität besteht nicht darin, dass Theorien im Großen und Ganzen an die wahren Gehalte ihrer Vorgängertheorien anschließen und somit nur die falschen oder empirisch inadäquaten Teile älterer Theorien ausgeschieden werden.[51] Daher kann es nach einem Paradigmenwechsel Probleme geben, die durch das alte Paradigma gelöst werden, aber durch das neue nicht. Daraus folgt für Kuhn, dass es keine eindeutigen Kriterien gibt, mit deren Hilfe sich entscheiden lässt, ob das neue Paradigma besser ist als das alte.[52] Durch eine solche Sichtweise gibt Kuhn die Akkumulationstheorie der Wissenschaftsgeschichte explizit auf.

Seine Theorie des Paradigmenwechsels besagt darüber hinaus, dass bei den wissenschaftlichen Revolutionen Beurteilungsunsicherheiten (wie die oben beschriebenen Probleme) auftreten können. Mit dem Konzept der Inkommensurabilität wendet sich Kuhn gegen einen realistischen Wahrheitsbegriff und die Annahme, dass es einen objektiven Standpunkt gibt, von dem aus beurteilt werden könnte, ob eine Theorie oder ein Paradigma der Wahrheit näher kommt als eine andere.[53] Zwei Theorien stehen dann in einem Inkommensurabilitätsverhältnis zueinander, wenn sie nicht ohne eine Bedeutungsverschiebung oder Bedeutungsverlust ineinander übersetzt werden können.[54] So kann es vorkommen, dass Forscher, die in verschiedenen Paradigmen beheimatet sind, nicht problemlos miteinander kommunizieren können, da sich mit einem Paradigmenwechsel der theoretische Bezugsrahmen bestimmter Ausdrücke völlig wandelt, so dass bestimmte Ausdrücke eine unterschiedliche Bedeutung erhalten.[55]

2.3.2 Die Kritik an den epistemologischen Thesen des Realismus

In neuerer Zeit sind besonders diejenigen antirealistischen Positionen in den Vordergrund getreten, die die epistemologischen Thesen des wissenschaftlichen Realismus angreifen. Ich möchte mich hier zunächst mit zwei einschlägigen Argumenten gegen den wissenschaftlichen Realismus befassen, die ihn an dieser Flanke attackieren und auch innerhalb der gesamten Debatte immer wieder als Standardargumente gegen ihn vorgebracht werden. Die realistischen Gegenargumente werden ebenfalls Erwähnung finden.

Das erste Argument geht auf einen sehr einflussreichen Aufsatz von Larry Laudan mit dem Titel A Confutation of Convergent Realism[56] zurück und wird als ‘pessimistische Meta-Induktion’ bezeichnet. Dieses Argument kritisiert die Fortschrittsthese des wissenschaftlichen Realismus (iii). Wie wir schon gesehen haben, gehen Antirealisten davon aus, dass der Realismus etwas beanspruchen will, was (ihrer Ansicht nach) vernünftiger Weise nicht verteidigt werden kann, nämlich das Wissen über unbeobachtbare Entitäten. Ihre Zweifel verstärken sich durch einen Blick in die Wissenschaftsgeschichte. Hier gab es viele Theorien, die als erfolgreich und wahr galten, aber die widerlegt wurden. Beispiele für solche Theorien sind die elektromagnetische Äthertheorie, die Teilchentheorie des Lichts und die Phlogistontheorie.[57] Hier argumentieren die Antirealisten, dass sich beliebig viele Theorien aus der traurigen Geschichte der Wissenschaften nennen ließen, die als empirisch erfolgreich galten, aber nach heutiger Auffassung grundlegend falsch sind, da ihre zentralen theoretischen Terme als referierend angenommen wurden, sie aber tatsächlich gar nicht referieren.[58] Die Antirealisten können darüber hinaus geltend machen, dass diejenigen Teile der Theorien, die auf Beobachtungen basierten, beibehalten wurden. Damit sei der überdauernde Teil der Wissenschaft derjenige, der auf Beobachtungen basiert.[59] Laudans Argumentation umfasst noch einen weiteren Teil, der zeigen soll, dass es neben den Theorien, deren unbeobachtbare Entitäten de facto nicht referieren, aber die erfolgreich waren, auch Theorien gibt, die approximativ wahr sind und deren zentrale Terme referieren, die aber nicht erfolgreich waren.[60] Damit ist die Referenz der theoretischen Terme einer Theorie kein Garant für ihren Erfolg und umgekehrt der Erfolg einer Theorie kein Garant für die Referenz ihrer zentralen Terme. Die wissenschaftshistorische Argumentation Laudans will demnach den meta-induktiven Schluss auf die Falschheit des wissenschaftlichen Realismus ziehen, da der Realismus Laudan zufolge der Wissenschaftsgeschichte nicht gerecht wird. Damit müsse zumindest die epistemologische Komponente zurückgewiesen werden.[61]

Da Laudans Argumentation eine Form der Induktion beinhaltet, nämlich den meta-induktiven Schluss auf die Falschheit des wissenschaftlichen Realismus, stellt sie kein zwingendes Argument für die Falschheit der jeweils aktuellen Theorien der reifen Naturwissenschaft dar; denn nur weil viele Theorien sich in der Wissenschaftsgeschichte als falsch herausgestellt haben, müssen die heutigen Theorien dies nicht zwingend auch tun, sondern es liegt nur nahe, dass es so sein wird.

Die wissenschaftlichen Realisten, die bekanntlich der Ansicht sind, dass unsere heutigen Theorien der reifen Naturwissenschaften annäherungsweise wahr sind, erheben folgenden Standardeinwand gegen die pessimistische Meta-Induktion. Sie versuchen sich die Vorhersagekraft von Theorien zu Nutze zu machen und formulieren das sog. no miracle-Argument, indem sie fragen, wie es möglich sei, dass Theorien so erfolgreich in der Vorhersage sind, wenn sie nicht annähernd wahr seien. Wären die Theorien nicht wahr, so würde es an ein Wunder grenzen, dass sie bezüglich der Vorhersage so fruchtbar sind – so das Argument. Hillary Putnam hat dies in prägnanter Form formuliert:

„The positive argument for realism is that it is the only philosophy that doesn’t make the success of science a miracle.“[62]

Dieses Argument ist besonders stark, wenn Theorien zur erfolgreichen Vorhersage von neuen Phänomenen führen. Dabei sind die Realisten in der Lage, eine Reihe von positiven Beispielen zu nennen. Einsteins Relativitätstheorie hat z.B. die sog. Zeitdilatation vorhergesagt, die später experimentell bestätigt wurde.

Die Antirealisten entgegnen diesem Einwand, dass die Tatsache, dass Theorien oft zur Vorhersage von neuen Phänomenen führen, kein Indikator dafür sei, dass sie wahr sind. Sie gestehen sogar zu, dass es zu den Gütekriterien von Theorien zählt, erfolgreiche Vorhersagen machen zu können, dennoch zeige die Wissenschaftsgeschichte, dass auch (aus heutiger Sicht) falsche Theorien zu fruchtbaren Vorhersagen geführt haben, so hat z.B. Maxwells Äthertheorie zur Vorhersage von Radiowellen geführt. Während die Realisten durch das no miracle-Argument ihre Sichtweise des wissenschaftlichen Fortschritts stützen wollen und insbesondere von der historischen Kontinuität der Entwicklung ausgehen, so sind die Antirealisten der Ansicht, dass diese historische Kontinuität nicht gegeben ist. Dies wurde bereits von Kuhn durch die Zurückweisung der Akkumulationstheorie deutlich gemacht.[63] Ein gutes Beispiel für diese fehlende Kontinuität in der Entwicklung ist die Theorie der Optik. Sie hat einen fundamentalen Wandel durchgemacht. Zuerst wurde Licht als Partikel charakterisiert, dann als Wellen in einem elastischen Medium, dann als fluktuierende Felder und jetzt schließlich als Photon.[64] Diese Entwicklung lasse nach Ansicht der Antirealisten keine ontologische Konvergenz erkennen, da dem Licht auf ontologischer Ebene im Laufe der Geschichte völlig verschiedene Charaktere zugeschrieben wurden. Die Wissenschaft scheine daher nach keinem erkennbaren Ziel zu streben, sondern eher ein richtungsloses Schwanken zu sein.[65] Allerdings müssen auch die Antirealisten zugestehen, dass die Realisten auf andere Beispiele, wie die Geschichte des Elektrons, zurückgreifen können, die ihrer fortschrittlichen Sichtweise besser entsprechen.[66]

Die Realisten nehmen zur Stützung des no miracle-Arguments und ihres gesamten realistischen Programms immer wieder ein bestimmtes Schlussverfahren, den Schluss auf die beste Erklärung, zu Hilfe. Dabei wird davon ausgegangen, dass die beste Erklärung für den Erfolg wissenschaftlicher Theorien ihre Wahrheit sei und dass die beste Erklärung für einen Sachverhalt wahrscheinlich wahr ist.[67] Damit stützen sich die Realisten auf ein Schlussverfahren, von dem sie glauben, dass es sehr zuverlässig ist. Tatsächlich gibt es unendlich viele Beispiele, in denen dies der Fall ist. So sehe ich Fußspuren im Sand und schließe, dass dort ein Mensch entlang gelaufen ist. Eine andere Erklärung für dieses Phänomen wäre zwar möglich, aber äußerst unwahrscheinlich. Allerdings muss bei dem Schluss auf die beste Erklärung (ebenso wie bei dem no miracle-Argument) betont werden, dass er, selbst wenn er sich als gültiges Schlussprinzip erweisen sollte, keine Gewissheit gewährleisten kann. Er kann nur gute Gründe für eine Hypothese liefern bzw. dafür, diese Hypothese für wahr zu halten. Die Realisten glauben, dass er ein verlässliches Schlussprinzip darstellt, d.h. von wahren Prämissen wahrscheinlich zu einer wahren Konklusion führt. Es gibt auch Fälle, in denen der Schluss auf die beste Erklärung zwar gute Gründe dafür geliefert hat, eine bestimmte wissenschaftliche Theorie für wahr zu halten, diese Theorie sich jedoch als falsch herausgestellt hat (wie z.B. die Phlogistontheorie). Auf diese Beispiele stützt sich die pessimistische Meta-Induktion.

Die Realisten gehen trotz einiger Gegenbeispiele jedoch davon aus, dass der Schluss auf die beste Erklärung ein gültiges Schlussverfahren und in der Regel zuverlässig ist. Er stellt ein für die gesamte Debatte zentrales Element in der Strategie der Realisten dar. Damit ist es nahezu selbstverständlich, dass eine der beiden fundamentalen Strategien der Antirealisten darin besteht, an der Zuverlässigkeit des Schlusses auf die beste Erklärung zu zweifeln. Dabei versuchen sie entweder dieses Schlussverfahren als fehlerhaft zu erweisen oder sie sind bestrebt, zu zeigen, dass die beste Erklärung für den Erfolg wissenschaftlicher Theorien nicht ihre Wahrheit als Ganzes ist.

Ein weiteres Argument, das immer wieder als Angriff gegen die epistemologische Komponente des wissenschaftlichen Realismus vorgebracht wird, ist die empirische Unterbestimmtheit von Theorien. Die These der empirischen Unterbestimmtheit lässt sich wie folgt beschreiben:

„Call two theories empirically equivalent just in case exactly the same conclusions about observable phenomena can be deduced from each. Let T be any theory which posits unobservable phenomena. There will always be infinitely many theories which are empirically equivalent to T but which are such that each differs from T, and from all the rest, in what it says about unobservable phenomena […]. Evidence in favor of T 's conception of unobservable phenomena (‘theoretical entities’) would have to rule out the conceptions represented by each of those other theories. But, since T is empirically equivalent to each of them, they all make exactly the same predictions about the results of observations or experiments. So, no evidence could favor one of them over the others. Thus, at best, we could have evidence in favor of what all these theories have in common--their consequences about ‘observables’ […] but we could not have any evidence favoring T 's conception of unobservable theoretical entities.“[68]

Das Argument der empirischen Unterbestimmtheit sagt aus, dass es zu jeder Theorie, die in Bezug auf einen bestimmten Gegenstandsbereich empirisch adäquat ist, mindestens eine Theoriealternative gibt. Dabei muss diese Theoriealternative im selben Maße bestätigt und bewährt sein. Beide Alternativtheorien treffen in Bezug auf beobachtbare Phänomene die gleichen Aussagen, aber hinsichtlich ihrer unbeobachtbaren Konsequenzen unterscheiden sie sich. Aus dem Argument ergibt sich die Schlussfolgerung, dass zwischen beiden Theorien keine begründete Wahl fallen könne, sondern eine Theorie nur aus pragmatischen Gründen der anderen vorzuziehen sei.

Pragmatische Gründe haben jedoch nichts mit der Wahrheit einer Theorie zu tun. Die Antirealisten leiten aus dem Argument die weiterreichende Schlussfolgerung ab, dass daher Wissen über unbeobachtbare Entitäten nicht möglich ist und wir uns ihnen gegenüber skeptisch verhalten sollten.

Die bisherige Untersuchung dieses Abschnitts hat gezeigt, dass zwei Elemente (besonders für die epistemologische Seite der Realismusdebatte) von besonderer Bedeutung sind. Ein Element ist der Schluss auf die beste Erklärung.[69] Über dieses Element hinaus, ist es von besonderer Bedeutung zwischen beobachtbaren und unbeobachtbaren Entitäten zu unterscheiden, da die Antirealisten bestrebt sind, durch die Etablierung einer epistemisch gerechtfertigten Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung, eine strikte Trennung zwischen Entitäten, über die wir sicheres Wissen haben können und denen, über die wir kein sicheres Wissen erlangen können, herbeizuführen. Eine solche Trennung wird erst möglich, wenn sich eine generelle Dichotomie zwischen beobachtbaren und unbeobachtbaren Entitäten etablieren lässt. Sie stellt gewissermaßen eine unverzichtbare Voraussetzung für den Antirealisten dar.

Die Angriffe auf die epistemologische Seite des Realismus verlaufen in der Regel so, dass die Antirealisten durch eine Reihe von Argumenten zeigen wollen, dass eine solche Dichotomie epistemisch gerechtfertigt ist und Wissen über unbeobachtbare Entitäten nicht möglich ist. Der Realist versucht hingegen die skeptischen Konsequenzen, die Vertreter des Antirealismus bezüglich der Sphäre des Unbeobachtbaren folgern, abzuwenden. Besonders stützt er sich dabei auf den Versuch, die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung anzufechten. An dieser Stelle wird deutlich, dass diese Unterscheidung eine maßgebliche Schnittstelle darstellt, die das inhaltliche Scharniergelenk des epistemischen Aspekts der Debatte ist. Vom Status und der Bedeutung dieser Unterscheidung hängt die Plausibilität einer Fülle von Argumenten der gesamten Realismusdebatte ab. Die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung wird damit, trotz der Kritik der Realisten an ihr, als gewichtiger Ausgangspunkt der Debatte auch von ihnen akzeptiert.[70]

An dieser Stelle sei angemerkt, dass, auch wenn sich die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung vornehmlich auf die epistemologische Teilthese des Realismus bezieht, sie nicht ausschließlich für diese Komponente maßgeblich ist, sondern ihr auch in Bezug auf die ontologische These des Realismus eine gewisse Bedeutung zukommt. So könnte man die ontologische Unabhängigkeit des beobachtbaren Teils der Wirklichkeit, auf den sich Theorien beziehen können, für unproblematisch halten, da diese Objekte in der Regel mittelgroße Alltagsgegenstände sind, bezüglich denen man vielleicht eine realistische Einstellung einnimmt. Ob sich die theoretischen Terme einer Theorie jedoch auf eine unabhängige Wirklichkeit beziehen, mag recht fragwürdig erscheinen, wenn man sie z.B. als theoretische Konstrukte begreift, die eine ausschließlich instrumentelle Funktion erfüllen und die besonders von den verschiedenen Hintergrundannahmen einer Theorie abhängig sind.[71]

Auch wenn es keinen logischen Zusammenhang zwischen Denk- und Theorieunabhängigkeit und Beobachtbarkeit gibt, erscheint es dennoch nicht unplausibel, dass man bezüglich beobachtbarer Entitäten eine realistische Einstellung einnimmt, aber die unbeobachtbaren Entitäten einer Theorie als Konstruktionen auffasst, die gerade nicht unabhängig von den Theorien sind. So kann man in ontologischer Hinsicht bezüglich beobachtbarer Entitäten (im selben Sinne wie bezüglich alltagsweltlicher Gegenstände) wissenschaftlicher Realist sein, ohne jedoch auch bezüglich der unbeobachtbaren Entitäten eine realistische Einstellung einzunehmen und somit im vollen Sinne wissenschaftlicher Realist zu sein.[72] Eine solche Position vertritt Bas van Fraassen, dessen Position im nächsten Kapitel erläutert werden soll.

3. Der konstruktive Empirismus Bas van Fraassens

Bas van Fraassen setzt sich in seinem für die neuere Wissenschaftstheorie höchst bedeutungsvollen Werk The Scientific Image das Ziel, eine Alternative zum wissenschaftlichen Realismus zu entwickeln, die nicht den Schwierigkeiten und Problemen seiner Vorgängerpositionen, besonders der des logischen Empirismus, ausgeliefert ist. In den ersten beiden Kapiteln, die – wie er selbst sagt – als eine Einführung in die Debatte um den wissenschaftlichen Realismus gelesen werden können,[73] entwickelt er als Abgrenzung zu den von ihm selbst noch einmal skizzierten Thesen des Realismus, eine antirealistische Alternative, die den wissenschaftlichen Realismus an seiner epistemologischen Seite (2) angreift. Diese Alternative bezeichnet er als konstruktiven Empirismus.[74] Er teilt mit den Realisten die ontologische These (1), die sich in der Auffassung ausdrückt, dass sich unsere Theorien auf eine von uns Menschen und unseren Theorien unabhängige physische Wirklichkeit beziehen (iv) und dass diese Theorien realistisch interpretiert werden sollen (i). Er bestreitet jedoch die epistemologische These des wissenschaftlichen Realismus und den damit verbundenen epistemologischen Optimismus der Realisten. Seine Argumentation umfasst einen positiven Teil, der zeigen soll, dass eine antirealistische Interpretation wissenschaftlicher Theorien und Praxis im Sinne des konstruktiven Empirismus eine angemessene Interpretation ist und einen negativen Teil, der zahlreiche Argumente für den wissenschaftlichen Realismus zu entkräften versucht.[75]

3.1 Das Ziel der Wissenschaften und das Verhältnis von Theorien zur Welt

Van Fraassens eigene antirealistische Position zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er das Ziel der Wissenschaften[76] und das Verhältnis, das Theorien zur Welt haben, anders bestimmt als die Realisten. Bevor er seine eigene Position erläutert und beschreibt, wie er diese beiden Komponenten verstanden wissen möchte, geht er auf diese Aspekte bei seinen Vorgängertheorien ein. Darüber hinaus gibt er anhand dieser beiden Aspekte eine Minimalbestimmung des wissenschaftlichen Realismus.

3.1.1 Die empiristischen Vorgängertheorien

Zunächst befasst sich van Fraassen in knapper Form mit seinen Vorgängerpositionen, die – wie seine eigene Position – auch in der empiristischen Tradition zu verorten sind. Er stellt dazu zu Beginn zwei divergierende Ansichten über die generelle Beschaffenheit und Struktur von Theorien sowie ihrem Verhältnis der Welt gegenüber vor. Weitgehende Einigkeit bestehe in der Ansicht, dass Theorien so beschaffen sind, dass sie Phänomene (die er als beobachtbare Prozesse und Strukturen begreift)[77] erklären sollen, indem sie Aussagen über Prozesse und Strukturen machen, die ihrerseits nicht direkt beobachtbar sind.[78] Viel kontroverser hingegen werde die Frage diskutiert, welches Verhältnis Theorien zur Welt haben. Eine Möglichkeit sei es dabei, zwischen Theorie und Welt ein Wahrheitsverhältnis anzunehmen. Theorien liefern demzufolge eine wahre Beschreibung von Tatsachen und die Wissenschaften verfolgen das Ziel,[79] wahre Theorien zu finden bzw. hervorzubringen.[80] Damit verbunden werde der Anspruch, dass Theorien nicht nur die beobachtbaren Tatsachen korrekt beschreiben, sondern auch eine wahre Beschreibung von unbeobachtbaren Prozessen liefern sollen, durch die sich beobachtbare Tatsachen erklären lassen.[81] Darüber hinaus ist es eine weit verbreitete Ansicht, auf die van Fraassen an dieser Stelle jedoch nicht eingeht, dass Theorien Vorhersagen über neue Tatsachen machen, die noch nicht beobachtet wurden.[82] Demgegenüber wird im Empirismus angenommen, dass Theorien wahre Aussagen nur über beobachtbare Phänomene machen können und hinsichtlich unbeobachtbarer Phänomene nicht wahr sein müssen.[83] Diese Ansicht wird durch die Haltung des Empirismus begründet, die van Fraassen wie folgt beschreibt. Unter Empirismus versteht er:

„[…] the philosophical position that experience is a source of information about the world, and our only source.”[84]

Van Fraassens empiristische Vorgänger, die logischen Empiristen, haben in Verbindung mit dieser empiristischen Grundhaltung eine generell linguistische Ausrichtung vertreten, die van Fraassen jedoch zurückweist.[85] Der Auffassung der logischen Empiristen[86] zufolge, lassen sich Theorien als sprachliche Gebilde verstehen, die dadurch charakterisiert sind, dass sie, neben einem logischen Vokabular, Beobachtungs- und theoretische Begriffe enthalten. Während sich Beobachtungsbegriffe auf unmittelbar beobachtbare Eigenschaften beziehen und epistemologisch unproblematisch sind, beziehen sich theoretische Begriffe nicht auf unmittelbar Beobachtbares. Ihnen kommt eine empirische Relevanz dadurch zu, dass sie durch sog. Korrespondenzregeln an das Beobachtungsvokabular gekoppelt werden, wodurch das theoretische Vokabular mit empirischen Befunden in Verbindung gesetzt wird. Dadurch wird eine klare Eingrenzung dessen möglich, was erkenntnistheoretisch unproblematisch ist (da es auf Erfahrung beruht); dies ist genau das, was sich ohne Rückgriff auf theoretisches Vokabular ausdrücken lässt. Diese antirealistische Deutung von theoretischen Begriffen legt nahe, dass diese nicht über tatsächlich existierende Gegenstände reden sollen, sondern lediglich unser Wissen, welches sich den logischen Empiristen zufolge auch allein in der Beobachtungssprache ausdrücken lässt, vereinfacht und systematisch darstellen.[87] Die logischen Empiristen verneinen somit Teilthese (i) der ontologischen These (1) des wissenschaftlichen Realismus.

In den 60er Jahren geriet diese Theorieauffassung vor allem durch die Schriften von Kuhn und Feyerabend in die Kritik.[88] Sie bezweifelten, dass eine Unterscheidung zwischen theoretischen Vokabular und Beobachtungsvokabular nicht-arbiträr begründbar ist.[89] Sie vertraten jedoch trotzdem eine antirealistische Position, die in der Nähe des Konstruktivismus zu verorten ist und die Teilthese (i) ebenfalls ablehnt.

[...]


[1] Vgl. hierzu Kapitel 2.3.2 dieser Arbeit.

[2] Hierbei wird im Wesentlichen Bezug genommen auf eine Studie von Christian Suhm, die sich mit einer ähnlichen Thematik befasst. Vgl. Suhm, Christian: Wissenschaftlicher Realismus. Eine Studie zur Realismus-Antirealismus-Debatte in der neueren Wissenschaftstheorie, Frankfurt a. M. 2005, S. 7-13. Auch im weiteren Verlauf der Arbeit werden sich viele Überlegungen von Suhm finden, da in seiner Schrift u.a. die erste deutschsprachige Systematisierung der Kontroverse um die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung vorgenommen wird.

[3] Diese unhinterfragte Voraussetzung ist allerdings eine eher vorphilosophische Haltung. Ein realistisches Grundverständnis wird natürlich nicht generell von allen Wissenschaftlern (und Wissenschaftstheoretikern) geteilt.

[4] Gemeint sind die Naturwissenschaften. Nähere Ausführungen dazu folgenden in Kapitel 2.1 dieser Arbeit.

[5] Vgl. Chalmers, Alan F.: Wege der Wissenschaft. Einführung in die Wissenschaftstheorie, hrsg. und übers. von Niels Bergemann und Christine Altstötter-Gleich, sechste, verbessere Auflage, Berlin 2006, S. 181.

[6] Es zeigt sich aber, dass es eine durchaus gängige Haltung von Vertretern des Antirealismus ist, ihre Position als Abgrenzung vom wissenschaftlichen Realismus zu formulieren, so dass in dieser Hinsicht der Realismus oft Ausgangspunkt philosophischer Betrachtungen dieser Debatte ist. Auch ich werde in dieser Arbeit den Realismus als Ausgangspunkt meiner Betrachtungen annehmen und den Antirealismus von ihm abgrenzen. Ebenso werde ich die Debatte oft verkürzt als Realismusdebatte (anstelle von Realismus-Antirealismus-Debatte) bezeichnen. Dadurch soll keinerlei Vormachtstellung des Realismus gegenüber dem Antirealismus impliziert werden, sondern ich schließe mich in der Wahl der Terminologie und des Ausgangspunktes nur einem allgemein üblichen Vorgehen an.

[7] Vgl. Carrier, Martin: Wissenschaftstheorie zur Einführung, Hamburg 2006, S. 9.

[8] Vgl. Carrier (2006), S. 10.

[9] Vgl. Suhm (2005), S. 24.

[10] Ich werde im Folgenden die eine Entität bezeichnenden Begriffe ‘unbeobachtbar’ und ‘theoretisch’ synonym verwenden.

[11] Für die neuere Wissenschaftstheorie ist es ein typisches Merkmal, dass sie sich von den Idealen des logischen Empirismus abwendet; daher kann man sie ungefähr zu diesem Zeitpunkt verorten, an den die ersten Aufsätze, die sich nicht mehr im Fahrwasser der logischen Empirismus befinden, entstanden sind.

[12] Van Fraassen, Bas C.: The Scientific Image, Oxford 1980.

[13] Auf viele kritische Einwände gegen seine Position hat van Fraassen bereits Entgegnungen veröffentlicht, auf die an geeigneter Stelle zurückgegriffen werden kann.

[14] Der wissenschaftstheoretische Realismus wird oft auch als wissenschaftlicher Realismus bezeichnet. Ich verwende in dieser Arbeit beide Bezeichnungen bedeutungsgleich.

[15] Auch hier sei noch einmal darauf hingewiesen, dass dadurch dem Realismus keinerlei Vorrang eingeräumt werden soll. Lediglich erscheint mir eine Erläuterung des Antirealismus als Abgrenzung vom Realismus als besonders praktikabel. Darüber hinaus wird in den Kapiteln 3 und 5 dieser Arbeit durch die genaue Erläuterung der Position Bas van Fraassens eine antirealistische Position ausführlich dargestellt werden. Um an dieser Stelle nichts vorweg zu nehmen, sollte hier eine kurze Abgrenzung der Thesen des Antirealismus vom Realismus genügen.

[16] Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es sich hierbei um einführende Bemerkungen handelt, die den Boden für eine genaue Analyse des Programms Bas van Fraassens bereiten sollen. Die Thesen werden daher möglichst allgemein dargestellt, so dass sie weder vollständig, noch in ihren verschiedenen Spiel- und Lesarten erläutert werden können.

Einen guten Überblick über die philosophische Position des wissenschaftlichen Realismus liefert: Boyd, Richard: „Realism, Approximate Truth, and Philosophical Method“, in: The Philosophy of Science, hrsg. von David Papineau, Oxford, New York 1996, S. 215-255.

[17] Vgl. Miller, Alexander: „Realism“, in Stanford Encyclopedia of Philosophy (2005), online verfügbar unter: http://plato.stanford.edu/entries/realism/, Stand 03.02.2007.

[18] Vgl. Miller (2005).

[19] Vgl. Miller (2005).

[20] Miller (2005), Hervorhebung im Original.

[21] Die Begriffe ‘Wissenschaften’ und ‘Naturwissenschaften’ werden daher innerhalb dieser Arbeit bedeutungsgleich benutzt. Um anzudeuten, dass es innerhalb dieser Arbeit um Naturwissenschaften geht, verwende ich (sofern ich von Wissenschaft spreche) die Pluralform.

[22] Der Begriff der annäherungsweisen Wahrheit ist nicht unproblematisch, da man denken könnte, dass Theorien entweder wahr oder falsch sind und somit unklar ist, was unter annäherungsweiser Wahrheit zu verstehen ist. Geht man davon aus, dass Theorien annäherungsweise wahr sein können, so ergibt sich die Frage, wie der Begriff zu bestimmen ist. Auch wenn ich diese schwierige Frage an dieser Stelle nicht ausreichend diskutieren kann, so möchte ich eine Minimalbedingung angeben, die für die annäherungsweise Wahrheit einer Theorie erfüllt sein muss: Eine Theorie kann nur dann annäherungsweise wahr sein, wenn ihre zentralen theoretischen Therme sowie ihre Beobachtungsterme referieren, d.h., sich auf tatsächlich existierende Entitäten beziehen. Vgl. Suhm (2005), S. 75. Zum Konzept der annäherungsweisen oder approximativen Wahrheit vgl. Boyd (1996), S. 215 f und S. 238-248.

[23] Vgl. z.B. Suhm (2005), Kapitel 2. Es sei darauf hingewiesen, dass Arbeiten, die den wissenschaftlichen Realismus zum Gegenstand haben, oft eine Unterteilung in mehr als zwei Thesen nahe legen (so auch bei Suhm). Die genaue Anzahl der Thesen variiert hier. Dabei werden die beiden Hauptthesen meist noch weiter in verschiedene Unterthesen eingeteilt. Im Folgenden werde ich einen Vorschlag zur weiteren Untergliederung der Thesen vorstellen, der sich für die Untersuchung dieser Arbeit meiner Meinung nach als hilfreich erweist. Auf weitere Differenzierungsvorschläge kann im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht eingegangen werden, da ihr Gegenstand nicht der wissenschaftliche Realismus, sondern die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung ist.

[24] Die ontologische These beschäftigt sich mit der im vorigen Unterkapitel unter (1.) genannten Fragestellung; die epistemologische These mit der Fragegestellung, die unter (2.) aufgeführt wurde. Im Folgenden möchte ich diese Nummerierung beibehalten.

[25] Boyd, Richard: „Scientific Realism“, in Stanford Encyclopedia of Philosophy (2002), online verfügbar unter: http://plato.stanford.edu/entries/scientific-realism/, Stand 08.02.2007.

[26] Vgl. Suhm (2005), S. 22 f.

[27] Vgl. Suhm (2005), S. 23 und 66.

[28] Boyd, Richard: „On the Current Status of the Issue of Scientific Realism“, in: Erkenntnis 19 (1983), S. 45-90.

[29] Ich möchte diese hier nennen, da ich der Ansicht bin, dass sie die beiden bereits genannten Hauptthesen noch einmal deutlicher ausdifferenzieren. Im Verlauf der Arbeit werde ich auf einzelne dieser Thesen noch zurückkommen, u.a. wenn ich auf die verschiedenen Kritiken am wissenschaftlichen Realismus und die Position van Fraassens eingehe.

[30] Boyd (1983), S. 45, Hervorhebung im Original.

[31] Vgl. Carrier (2006), S. 139.

[32] Es sei darauf hingewiesen, dass mir bewusst ist, dass die Skizzierung der Thesen des wissenschaftlichen Realismus durch Anlehnung an einen Vertreter desselben (Richard Boyd) erfolgt ist. Damit möchte ich dem Realismus – wie bereits erwähnt wurde – keinen Vorrang einräumen. Ich bin lediglich der Auffassung, dass diese Beschreibung sehr brauchbar ist. Darüber hinaus wird in Kapitel 3.1.2 dieser Arbeit noch auf eine Skizzierung durch einen Antirealisten (Bas van Fraassen) eingegangen, die an dieser Stelle hätte auch erwähnt werden können. Um jedoch nichts vorwegzunehmen, genüge der Hinweis auf das angegebene Kapitel.

[33] Schematische Darstellung gemäß der Definition von Boyd. Vgl. Boyd (1983), S. 45 und Boyd (2002). Die Bezeichnung der Unterthesen erfolgt bei Boyd durch die angegebene Nummerierung. Die nähere Bezeichnung der Thesen wurde von mir selbst vorgenommen.

[34] Vgl. Suhm (2005), S. 24.

[35] Sicher ist die Nennung von zwei Positionen (auf der ontologischen Thesenseite) recht grob und unvollständig und es gibt zahlreiche Vertreter, die die Thesen des Realismus hier in verschiedenster Weise angreifen. Für den Rahmen dieser Arbeit dürfte ein grober Überblick (über beide Seiten der Kritik am Realismus) allerdings genügen.

[36] Vgl. Carnap, Rudolf: Scheinprobleme in der Philosophie und andere metaphysikkritische Schriften, Hamburg 2004, S. 35. Zum logischen Empirismus folgen nähere Ausführungen in Kapitel 3.1.1 dieser Arbeit.

[37] Carnap (2004), S. 35, Hervorhebung im Original. Es ist zu beachten, dass sich die Ausführungen Carnaps nicht auf den wissenschaftlichen Realismus selbst beziehen, sondern sich mit dem Realismusstreit (Realismus versus Idealismus) im Allgemeinen beschäftigen. Allerdings lassen sich die Ausführungen problemlos auch auf den wissenschaftlichen Realismus übertragen.

[38] Kuhn, Thomas S.: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen [The Structure of Scientific Revolutions dt.]. 2. revidierte und um das Postskriptum von 1969 ergänzte Auflage Frankfurt a. M. 1976.

[39] Für die Position Kuhns hat sich keine einheitliche Bezeichnung eingebürgert. Sie wird häufig als ‘historisch’, ‘relativistisch’ oder ‘konstruktivistisch’ bezeichnet. Dies gibt oft Anlass zur Verwirrung. Ich möchte mich an dieser Stelle nicht auf eine der Bezeichnungen festlegen, allerdings scheint mir eine Nähe zum Konstruktivismus nicht von der Hand zu weisen zu sein. Kuhn selbst sieht dies mitunter anders. Vgl. hierzu das Postskriptum in Kuhn (1976).

[40] Feyerabend, Paul K.: Wider den Methodenzwang [Against Method. Outline of an Anarchistic Theory of Knowledge dt.], Frankfurt a. M. 1995.

[41] Ich möchte mich hier darauf beschränken, Kuhns Ansatz in knapper Form darzustellen.

[42] Vgl. Suhm (2005), S. 53.

[43] Vgl. Carrier (2006), S. 143.

[44] Vgl. Suhm (2005), S. 51.

[45] Vgl. Suhm (2005), S. 51 f.

[46] Vgl. Kuhn (1976), S. 60 ff und 194-203 sowie Carrier ( 2006), S. 144.

[47] Vgl. Kuhn (1976), S. 93 f.

[48] Vgl. Carrier (2006), S. 145.

[49] Vgl. Carrier (2006), S. 145.

[50] Vgl. Carrier (2006), S. 146.

[51] Vgl. Suhm (2005), S. 104 f.

[52] Vgl. Kuhn (1976), S. 196.

[53] Vgl. Suhm (2005), S. 110.

[54] Vgl. Suhm (2005), S. 110.

[55] Zum Beispiel hat sich mit der Relativitätstheorie der Massebegriff völlig gewandelt. Heute wird er äquivalent mit Energie benutzt, was früher nicht der Fall war. Dementsprechend ist eine Bedeutungsveränderung eingetreten, die dazu führen kann, dass Verständigungsprobleme auftreten.

[56] Laudan, Larry: „A Confutation of Convergent Realism“, in: The Philosophy of Science, hrsg. von David Papineau, Oxford, New York 1996, S. 107-138 [erstmals abgedruckt in: Philosophy of Science 48 (1981), S. 19-49].

[57] Vgl. Chalmers (2006), S. 181.

[58] Vgl. Suhm (2005), S. 80.

[59] Vgl. Chalmers (2006), S. 181.

[60] Vgl. Suhm (2005), S. 81.

[61] Vgl. Suhm (2005), S. 83.

[62] Putnam, Hillary: Mathematics, Matter and Method, Cambridge 1975, S. 73.

[63] Vgl. Kuhn (1976), S. 104 und 108 sowie Kapitel 2.3.1 dieser Arbeit.

[64] Vgl. Chalmers (2006), S. 190.

[65] Vgl. Carrier (2006), S. 148.

[66] Vgl. Chalmers (2006), S. 190.

[67] Vgl. Chalmers (2006), S. 190.

[68] Boyd (2002), Hervorhebung im Original.

[69] Im Kontext dieser Arbeit kann dieses Element nicht weiterverfolgt werden, da ihr Gegenstand das zweite zentrale Element des Angriffs auf den wissenschaftlichen Realismus, die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung, ist. Einen guten Überblick über die Thematik des Schlusses auf die beste Erklärung findet sich in: Klärner, Holger: Der Schluss auf die beste Erklärung, Hamburg 2003 sowie in: Lipton, Peter: Inference to the Best Explanation, Second Edition, London, New York 2004.

[70] An dieser Stelle der Arbeit werde auch ich daher zunächst davon ausgehen, dass die Unterscheidung in gewisser Hinsicht sinnvoll durchführbar ist. Ich möchte im Moment noch nicht näher auf die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung selbst eingehen, da an dieser Stelle nur der Boden für eine eingehende Analyse und Kritik derselben bereitet werden soll. Diese folgt in den Kapiteln 5, 7 und 8 der vorliegenden Arbeit.

[71] Vgl. Suhm (2005), S. 32.

[72] Vgl. Suhm ( 2005), S. 33.

[73] Vgl. van Fraassen (1980), S. vii. Ich werde mich bei der Darstellung von van Fraassens Position auf die Stellen seines wissenschaftstheoretischen Hauptwerkes The Scientific Image berufen. In späteren Schriften hat van Fraassen die Formulierungen dieses Werkes oft nahezu wörtlich aufgegriffen. Ich werde die Formulierungen aus späteren Publikationen, die denen aus The Scientific Image ähnlich sind, nicht gesondert zitieren.

[74] Zu van Fraassens Verwendung des Adjektivs ‘konstruktiv’ vgl. Kapitel 3.2 dieser Arbeit.

[75] Vgl. Suhm (2005), S. 135 f.

[76] Auch van Fraassen hat hier die Naturwissenschaften im Blick, wenngleich er im Allgemeinen nicht von ‘Naturwissenschaften’ sondern von ‘Wissenschaften’ redet.

[77] Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Phänomenbegriff erfolgt in Kapitel 7.4 dieser Arbeit.

[78] Vgl. van Fraassen (1980), S. 3.

[79] Selbstverständlich können die Wissenschaften selbst bzw. ihre Theorien genau genommen keine Ziele verfolgen, da sie keine Subjekte sind, die Intentionen haben. Daher mag diese an die Umgangssprache angelehnte Formulierung van Fraassens zunächst etwas merkwürdig klingen.

[80] Vgl. van Fraassen (1980), S. 3.

[81] Vgl. van Fraassen (1980), S. 3.

[82] Diese durch den logischen Empirismus begründete Ansicht wird auch heute noch weitgehend akzeptiert, wenngleich der logische Empirismus in der Wissenschaftstheorie als überholt angesehen wird.

[83] Vgl. van Fraassen (1980), S. 3.

[84] Van Fraassen, Bas C.: Laws and Symmetry, Oxford 1989, S. 8. In neueren Arbeiten möchte van Fraassen den Empirismus eher als eine Einstellung oder Haltung (stance) verstehen und nicht so sehr als eine These. Vgl. hierzu: van Fraassen, Bas C.: The Empirical Stance, New Haven 2002, S. 40-48.

[85] Vgl. van Fraassen (1980), S. 3.

[86] Van Fraassen bezeichnet sie an dieser Stelle als logische Positivisten; vgl. van Fraassen (1980), S. 3.

[87] Vgl. Hüttemann, Andreas: „Bas van Fraassen“, in: Information Philosophie (3/2000), S. 68-73, hier S. 68 f.

[88] Vgl. Kuhn (1976) und Feyerabend (1995). Vgl. zu den Thesen Kuhns und Feyerabends auch Kapitel 2.3.1 dieser Arbeit.

[89] Vgl. Hüttemann (2000), S. 69.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836614818
Dateigröße
824 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Münster – Philosophie
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,3
Schlagworte
beobachtbar/unbeobachtbar-unterscheidung realismus-antirealismus-debatte kostruktiver empirismus fraassen beobachtungsbegriff
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Titel: Die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung in der neueren Wissenschaftstheorie
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