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Der Alltag der Mönche

Studien zum Klosterplan von St. Gallen

©2006 Doktorarbeit / Dissertation 563 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Am Anfang dieser Darstellung steht eine ebenso schwierige wie elementare Frage: Wie war es um den Alltag der Mönche in einem frühmittelalterlichen Kloster bestellt? Der Alltag in einem mittelalterlichen Kloster übt auf uns noch immer den Reiz des Geheimnisvollen und Unbekannten aus, zumal die Bewohner dort nach eigenen Regeln und Richtlinien lebten, zu denen viele Zeitgenossen keinen Zugang hatten. Zeugnisse dieser Zeit sind die Chroniken, Urkunden, Pläne und Bauwerke, die bis heute noch überliefert und erkennbar sind. Diese bedeutenden Vermächtnisse der klösterlichen Kultur geben uns einen Hauch von der Vergangenheit wieder und rufen gleichzeitig unzählige Fragen hervor. Wie haben wir uns den alltäglichen Betrieb um die Klosterkirche im frühen Mittelalter vorzustellen? Traten hier doch die Mönche ebenso wie die Pilger gemeinsam in Erscheinung. Welcher Anblick bietet sich dem Besucher, der ein Kloster erwartungsvoll betritt? Wie leben die Bewohner dort? Wie meistern sie den Alltag? Wer oder welche Gruppen lebten und arbeiteten im Kloster? Welchen Bezug hatte die Welt außerhalb des Klosters zu ihnen und sie zu ihr? Das sind die grundlegenden Fragen, die uns hier interessieren und die nun diese Untersuchung zu beantworten versucht.
Grundlage dieser Arbeit ist der Klosterplan von St. Gallen, der eine herausragende Quelle darstellt, um Antworten auf derartige Fragen zu suchen. Mein Untersuchungsansatz geht nicht allein von Regel- und Brauchtexten aus, und es geht auch nicht nur um die Auswertung von Urbaren und Urkunden, vielmehr wird hier in erster Linie anhand des „St. Galler Klosterplans“ der Bauplan eines Großklosters studiert, und es soll versucht werden, diesen mit Leben zu erfüllen.
Diese Studie möchte einen Beitrag zur Alltags-, Kultur- und damit zu einem ganz speziellen Aspekt der Kirchengeschichte leisten. Jeder Raum und jeder Wirkungsbereich in einem frühmittelalterlichen Großkloster, alle seine Bewohner im Zusammenhang mit ihrem persönlichen Tätigkeitsfeld bilden das Objekt der Darstellung. Im Fokus der Untersuchung findet sich demnach der Mönch und sein Wirkungskreis, dies bedeutet, es geht um die unmittelbare Umwelt der Mönche, die Lage sowie den Aufbau des Klosters und um die internen und externen Verflechtungen eines Großklosters. Überdies wird natürlich auch die Art und Weise des klösterlichen Lebens in den Vordergrund gerückt: Wie leben sie als Gemeinschaft, wie organisiert sich ihr Zusammenleben? Bei […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Andrea zur Nieden
Der Alltag der Mönche
Studien zum Klosterplan von St. Gallen
ISBN: 978-3-8366-1425-2
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland, Dissertation /
Doktorarbeit, 2006
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2008
Printed in Germany

Der Alltag der Mönche
1
Einleitung ... 5
Der St. Galler Klosterplan... 22
1. Forschungsstand... 22
2. Die
Widmung
im Plan... 25
3. Darstellung
des
Plans ... 26
4. Beschreibung des Plans... 28
5. War der Plan auf Funktionalität ausgerichtet? ... 30
6. Idealplan oder realer Bauplan?... 31
7. Vergleichbare Klosteranlagen zum Plan... 34
8. Reformen und Regel ... 35
1. Das Handwerk in den großen Abteien ... 39
1.1 Im
Klosterplan... 39
1.2
Die Werkstatt im Kloster ... 42
1.2.1 Die famuli im Kloster ... 45
1.2.2 Die verschiedenen Arten der Werkstätten im Kloster.. 47
1.2.3 Der Drechsler ... 49
1.2.4 Der Schmied... 52
1.2.5 Der Waffenschmied ... 56
1.2.6 Der Glockengießer ... 59
1.2.7 Bäcker und Brauer... 62
1.3
Das Kunsthandwerk der Mönche... 65
1.4
Das Bauhandwerk im Kloster ... 71
1.5 Das
Textilhandwerk ... 80
1.6
Über den Arbeitsbegriff der Mönche ... 84
Exkurs: Die Grundherrschaft des Klosters... 94
a.) Die Bauernstellen... 98
b.) Landwirtschaft und Handwerk ... 104
c.) Pflanzen, Saatgut und Arbeitsgeräte der Mönche... 109
d.) Die Mühle und der Müller ... 113
Die Landerschließung und Verwaltung der frühen Abteien ... 118
Die Mönche als Händler... 129
2. Klosterkirche... 135
2.1 Im
Klosterplan... 135
2.2
Kirchenbauten in St. Gallen und zeitgenössischen Klöstern ... 141
2.3
Über den Eifer der Äbte in Fulda, Reichenau und Cluny ... 148
2.4
Ein Blick in das Heiligtum... 152
2.5
Die Brüder feiern die Messe ... 157
2.6
Memoria oder der Toten gedenken ... 163
2.7 Heiligenverehrung
und
Reliquienkult... 180
2.8 Der
Friedhof... 186
2.9 Ein
Todesfall ... 192
3. Die Abtspfalz ... 200
3.1 Im
Klosterplan... 200
3.2
Im Haus des Abtes ... 202
3.3
Die Brüder versammeln sich zur Wahl ... 204
3.3.1 Wahlstatuten nach dem Magister und nach Benedikt 211
3.3.2 Der Herrscher nimmt Einfluß... 213
3.3.3 Die Beispiele Cluny und Lobbes ... 216
3.4 Der
Abt... 219
3.4.1 Der Abt versammelt die Brüder zum Rat... 224

Der Alltag der Mönche
2
3.4.2 Der Abt in Waffen... 225
3.4.3 Die bautätigen Äbte des Gallusklosters ... 231
3.4.4 Der Abt als Verwalter und Grundherr... 234
3.4.5 Die Förderer von Wissenschaft und Bildung... 240
3.5
Abt und Konvent, eine schwierige Beziehung? ... 242
4. Das Klaustrum... 249
4.1 Im
Klosterplan... 249
4.2 Der
Kapitelsaal... 255
4.2.1 Vita contemplativa ... 258
4.3 Das
Dormitorium ... 259
4.3.1 Kleidung und Aussehen ... 261
4.3.2 Die Beispiele Gorze und Cluny ... 267
4.4
Wärmeraum, Waschraum und Bäder ... 269
4.5
Der ideale Mönch, der makellos lebt und das Rechte tut... 271
4.5.1 Die Keuschheit... 276
4.5.2 Die Askese ... 280
4.5.3 Sich dem Treiben der Welt entziehen ... 285
4.5.4 Die Demut der Mönche... 286
4.5.5 Nicht trunksüchtig, nicht gefräßig, nicht schlafsüchtig,
nicht faul sein ... 287
4.6
In Amt und Würden ... 289
4.6.1 Der Praepositus ... 290
4.6.2 Der Dekan ... 292
4.6.3 Cellerar und Camerarius ... 294
4.6.4 Der Pförtner... 296
4.6.5 Ministeriale ... 297
4.7 Im
Refektorium ... 297
4.8 Die
Fastenordnung ... 310
4.9
Die Küche und der Vorratsraum ... 313
4.9.1 Die Hostienbäckerei... 315
4.9.2 In der Küche... 316
5. Die Bildungseinrichtungen der Brüder ... 318
5.1 Im
Klosterplan... 319
5.2 Die
Bibliothek ... 320
5.2.1 Das Buch in der Fastenzeit... 321
5.2.2 Das Schriftgut in der Bibliothek ... 323
5.2.3 Der Bibliothekar... 326
5.2.4 Die Bibliothek brennt... 330
5.3 Das
Skriptorium ... 332
5.3.1 Schreiben und Schreiber ... 335
5.3.2 Ein Buch entsteht ... 344
5.3.3 Die herausragenden Werke der Schreiber... 346
5.4 Die
Klosterschule... 347
5.4.1 Innere und äußere Schule? ... 348
5.4.2 Schüler und Lehrer... 351
5.4.3 Wer besuchte die Schule? ... 357
5.4.4 Was wurde gelehrt?... 360
5.4.5 Die umstrittenen klassischen Autoren... 363
5.4.6 Latein im Unterricht... 368
5.4.7 Die Fragmente der griechischen Sprache... 374

Der Alltag der Mönche
3
5.4.8 Die Musik... 375
5.5 Das
Noviziat... 377
5.5.1 Im Klosterplan... 377
5.5.2 Die Aufnahme ... 379
5.5.3 Der Novizenmeister und seine Zöglinge... 385
Exkurs: Ein kleines Paradies-Der Garten der Mönche ... 391
a) Im Klosterplan ... 391
b) Die Pflanzen im Garten ... 394
c) In den Gärten der Abteien Lorsch und Reichenau... 399
d) Das Unkraut wird gejätet- die Arbeit im Garten... 400
6. Christus dienen-Die sozialen Einrichtungen der Brüder... 403
6.1
Das Hospital im Klosterplan ... 403
6.1.1 Die Sorge für die Kranken steht über allem (RB 36,1)
... 408
6.1.2 Ein Blick in das Hospital... 409
6.2 Die
Klostermedizin ... 412
6.2.1 Der Mönchsarzt... 413
6.2.2 Eine Begegnung mit dem St. Galler Arzt Notker ... 416
6.2.3 Die medizinische Literatur in St. Gallen... 419
6.2.4 Fähige Diagnostiker?- Diagnose und Behandlung... 423
6.2.5 Die Kräuterapotheke- Kräuter und ihre Wirkung ... 426
6.2.6 Die Heiligen als letzte Rettung- Wunderheilungen ... 430
6.3
Die Gästeunterkünfte im Klosterplan... 432
6.3.1 Alle Fremden aufnehmen (RB 53)- Die Benediktsregel
... 437
6.3.2 Gast in St. Gallen ... 437
6.3.3 Als Pförtner in St. Gallen... 438
6.3.4 Die Versorgung der Gäste unter Adalhard in Corbie. 440
6.4
Die Gäste treffen ein ... 442
6.4.1 Wer war Gast im Kloster?... 442
6.4.2 Die Gastfreundschaft im Alltag und in der Regel
Benedikts... 444
6.4.3 Die Brüder empfangen einen Gast ... 447
6.4.4 Ein vornehmer Gast in St. Gallen ... 448
6.5
Arme bewirten (RB 4,14)-Arme und Armenfürsorge... 453
6.5.1 Keiner habe etwas als Eigentum (RB 33,3) ... 453
6.5.2 Das Richtmaß der Brüder für die Armenfürsorge... 456
6.5.3 Die Armenfürsorge in der Praxis ... 457
6.5.4 Der Loskauf der Seele- Abgaben für die Armen ... 461
6.6
Der Dienst der Fußwaschung im Kloster... 463
6.7
Die praktizierte Armenfürsorge in St. Gallen und Cluny ... 464
Zusammenfassung... 468
Abkürzungsverzeichnis... 473
Quellen- und Literaturverzeichnis ... 474
1. Quellenverzeichnis... 474
2. Literaturverzeichnis ... 484
Abbildungsnachweis: ... 545

Der Alltag der Mönche
4
Diese Arbeit entstand als Dissertation, die von Prof. Dr. Laudage betreut wurde.
Herrn Prof. Dr. Laudage, Frau Prof. Dr. Haupt und natürlich meinen Eltern gilt
mein ganz besonderer Dank.

Der Alltag der Mönche
5
Einleitung
Am Anfang dieser Darstellung steht eine ebenso schwierige wie
elementare Frage: Wie war es um den Alltag der Mönche in einem
frühmittelalterlichen Kloster bestellt? Der Alltag in einem mittelalterlichen
Kloster übt auf uns noch immer den Reiz des Geheimnisvollen und Unbekannten
aus, zumal die Bewohner dort nach eigenen Regeln und Richtlinien lebten, zu
denen viele Zeitgenossen keinen Zugang hatten. Zeugnisse dieser Zeit sind die
Chroniken, Urkunden, Pläne und Bauwerke, die bis heute noch überliefert und
erkennbar sind. Diese bedeutenden Vermächtnisse der klösterlichen Kultur geben
uns einen Hauch von der Vergangenheit wieder und rufen gleichzeitig unzählige
Fragen hervor. Wie haben wir uns den alltäglichen Betrieb um die Klosterkirche
im frühen Mittelalter vorzustellen? Traten hier doch die Mönche ebenso wie die
Pilger gemeinsam in Erscheinung. Welcher Anblick bietet sich dem Besucher, der
ein Kloster erwartungsvoll betritt? Wie leben die Bewohner dort? Wie meistern
sie den Alltag? Wer oder welche Gruppen lebten und arbeiteten im Kloster?
Welchen Bezug hatte die Welt außerhalb des Klosters zu ihnen und sie zu ihr?
Das sind die grundlegenden Fragen, die uns hier interessieren und die nun diese
Untersuchung zu beantworten versucht.
Grundlage dieser Arbeit ist der Klosterplan von St. Gallen, der eine
herausragende Quelle darstellt, um Antworten auf derartige Fragen zu suchen.
Mein Untersuchungsansatz geht nicht allein von Regel- und Brauchtexten aus,
und es geht auch nicht nur um die Auswertung von Urbaren und Urkunden,
vielmehr wird hier in erster Linie anhand des ,,St. Galler Klosterplans" der
Bauplan eines Großklosters studiert, und es soll versucht werden, diesen mit
Leben zu erfüllen.
Diese Studie möchte einen Beitrag zur Alltags-, Kultur- und damit zu
einem ganz speziellen Aspekt der Kirchengeschichte leisten
1
. Jeder Raum und
1
Vgl. folgende Arbeiten: Harry Kühnel (Hg.), unter Mitarbeit von Helmut Hundsbichler, Gerhard
Jaritz, Elisabeth Vavra, Alltag im Spätmittelalter, Graz/Wien/Köln 1984; Mensch und Objekt
im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Leben ­ Alltag ­ Kultur (Veröffentlichungen des
Instituts für Realienkunde 13/Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist.
Klasse, Sitzungsberichte 568) Wien 1990; Gerhard Jaritz, Zwischen Augenblick und Ewigkeit.
Einführung in die Alltagsgeschichte des Mittelalters, Wien/Köln 1989; Hans-Werner Goetz,

Der Alltag der Mönche
6
jeder Wirkungsbereich in einem frühmittelalterlichen Großkloster, alle seine
Bewohner im Zusammenhang mit ihrem persönlichen Tätigkeitsfeld bilden das
Objekt der Darstellung. Im Fokus der Untersuchung findet sich demnach der
Mönch und sein Wirkungskreis, dies bedeutet, es geht um die unmittelbare
Umwelt der Mönche, die Lage sowie den Aufbau des Klosters und um die
internen und externen Verflechtungen eines Großklosters. Überdies wird natürlich
auch die Art und Weise des klösterlichen Lebens in den Vordergrund gerückt:
Wie leben sie als Gemeinschaft, wie organisiert sich ihr Zusammenleben? Bei
einer solchen Fragerichtung muss allerdings die Spiritualität etwas in den
Hintergrund rücken, da ein großer Teil des alltäglichen Lebens aus der
Verrichtung der notwendigen Arbeiten und Aufgaben der Brüder bestand. So
scheuten sich die Bewohner eines frühmittelalterlichen Großklosters nicht, für
ihren Lebensunterhalt selbst Hand anzulegen. Doch mit welchen alltäglichen
Angelegenheiten und Pflichten sahen sie sich konfrontiert? Bestanden diese nur
aus Beten und Arbeiten? Daher soll sich nun das Auge des Betrachters nicht nur
auf die Spiritualität richten, sondern auch auf das Spektrum der übrigen
Lebensbereiche der Bewohner.
Gerade das Alltagsleben der Mönche soll hier, gestützt auf die
Überlieferung, imaginiert werden. Für dieses Vorhaben ist ein Ausblick auf den
derzeitigen Stand der Mediävistik unerläßlich. Es gilt, die Forschungslage zu
umreißen und die Quellen des Historikers aufzuarbeiten. So soll, bevor wir das
frühmittelalterliche Benediktinerkloster von Nahem betrachten, ein Blick auf die
Forschung zum Alltag gerichtet werden. In erster Linie sind die Beobachtungen
aus der Soziologie zu berücksichtigen, denn besonders dort haben sich die
Geschichte des mittelalterlichen Alltags. Theorie ­ Methoden ­ Bilanz der Forschung, in:
Mensch und Objekt im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Leben ­ Alltag ­ Kultur
(Veröffentlichungen des Instituts für Realienkunde 13/Österreichische Akademie der
Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, Sitzungsberichte 568) Wien 1990, S. 67-101; Helmut
Hundsbichler, Geschichte ­ Realien ­ Alltag. Der Mensch im Zentrum der
Sachkulturforschung, in: Ulf Dirlmeier/ Gerhard Fouquet (Hg.), Menschen, Dinge und
Umwelt in der Geschichte. Neue Fragen der Geschichtswissenschaft an die Vergangenheit
(Sachüberlieferung und Geschichte. Siegener Abhandlungen zur Entwicklung der materiellen
Kultur 5) St. Katharinen 1989, S. 128-151; Helmut Hundsbichler, Sachen und Menschen,
Alltag und Geschichte. Faust und die Erkenntnis der Realität, in: Realienforschung und
Historische Quellen. Ein Symposium im Staatlichen Museum für Naturkunde und
Frühgeschichte Oldenburg vom 30. Juni bis 1. Juli 1995 (Archäologische Mitteilungen aus
Nordwestdeutschland, Beihefte 15) Oldenburg 1996, S. 11-28. Zur Einordnung der
Alltagsgeschichte in die Mediävistik vgl. außerdem Hans-Werner Goetz, Moderne
Mediävistik. Stand und Perspektiven der Mittelalterforschung, Darmstadt 1999, S. 299-310.

Der Alltag der Mönche
7
Forscher ausführlich der Untersuchung der Alltagskultur gewidmet.
2
Als ein
Zweig der Geschichtsforschung erschien die Alltagsgeschichte in Deutschland
bereits in den achtziger Jahren als Antwort auf die bis dahin eher unzureichende
Entwicklung der Forschung, die vielmehr eine schematisierte und meist
realitätsferne Interpretation der Arbeitergeschichte pflegte. Diese
Alltagsgeschichte hob sich jetzt besonders als Gegenpol zu der von der
,,Bielefelder Schule" beherrschten Sozialgeschichte und deren Hervorhebung
allgemeiner Strukturen heraus, die quasi das Handeln der Einzelnen beinahe
völlig bestimmen. Es soll hier nun ein Versuch unternommen werden, das
Handeln der Menschen zu erschließen und verständlich zu machen, deren Leben
bis dahin, außer vor dem Hintergrund von sozialgeschichtlichen Kategorien wie
Klasse, Religion, Staat oder Gesellschaft, in der Geschichtsforschung zu wenig
beachtet wurde. Ein Ziel der neueren Forschung zum Alltag war es, die
Sichtweise neu zu öffnen, um geschichtliches Handeln auf eine andere Weise zu
begreifen und die Frage zu stellen, in welcher Beziehung der Einzelne und
kleinere Gemeinschaften zu den Strukturen standen, in denen sie lebten und an
denen sie beteiligt waren. So gehören zu den Ansätzen der Alltagsgeschichte etwa
die Betrachtung des Elternhauses, der Ausbildung, der Arbeit, der Ernährung, der
Bekleidung, der medizinischen und hygienischen Situationen, der Religion,
Handwerkstechniken, sowie Kriegserfahrungen. Somit liegen auch
Berührungspunkte und Überschneidungen mit Fachrichtungen wie beispielsweise
der Sozialgeschichte, der Demographie, der Genealogie, der Kulturgeschichte, der
Medizingeschichte, der Regionalgeschichte, Heimatgeschichte und historischer
Geographie auf der Hand.
3
2
Viele Soziologen befassten sich mit dem Alltagsbegriff, unter ihnen die Franzosen Henri
Lefebvre, mit Werken wie ,,Das Alltagsleben in der modernen Welt", Frankfurt am Main,
1972; ,,Kritik des Alltagslebens: Grundrisse einer Soziologie der Alltäglichkeit", Frankfurt am
Main, 1987 oder Roland Barthes mit ,,Mythen des Alltags", Frankfurt am Main 2003 (erstmals
1964).
3
Berliner Geschichtswerkstatt (Hrsg.): Alltagskultur, Subjektivität und Geschichte. Zur Theorie
und Praxis von Alltagsgeschichte, Münster 1994; Volker Böge (Hrsg): Geschichtswerkstätten
gestern ­ heute ­ morgen. Bewegung! Stillstand. Aufbruch? München/ Hamburg 2004;
Hartwig Brandt/ Ewald Grothe (Hrsg.), Quellen zur Alltagsgeschichte der Deutschen 1815-
1870, Darmstadt 2005 (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit. Freiherr
vom Stein-Gedächtnisausgabe, Bd. 44); Siegfried Grosse/ Martin Grimberg/ Thomas
Hölscher/ Jörg Karweick, ,,Denn das Schreiben gehört nicht zu meiner Beschäftigung". Der
Alltag kleiner Leute in Bittschriften, Briefen und Berichten aus dem 19. Jahrhundert. Ein
Lesebuch, Bonn; Hannes Heer/ Volker Ullrich, Geschichte entdecken. Erfahrungen und
Projekte der neuen Geschichtsbewegung, Reinbek 1985; Rüdiger Hitz/ Hillard von Thiessen,

Der Alltag der Mönche
8
Die historische Alltagsforschung als eine Forschungsrichtung in der
Geschichtswissenschaft situiert sich, wie im Folgenden dargelegt wird, im
Spannungsfeld interdisziplinärer Ansätze und Methoden. Ein unmittelbarer
Forschungsgegenstand ist dabei die individuelle Ausprägung der
Lebensverhältnisse und des Lebensgefühls in vergangenen Epochen. Unter dem
Schlagwort ,,Geschichte von unten" wurde die Alltagsgeschichte ein wesentlicher
Teil der historischen Anthropologie. Diese sieht das Handeln, Denken, Fühlen
und Leiden des realen Menschen als Mittelpunkt ihrer Betrachtungen.
4
Durch
ihren Bezug zur Mikrogeschichte erklärt sich das Bestreben, das Alltagsleben
etwa von verschiedenen Schichten, Geschlechtern, Altersgruppen sowie
regionalspezifischen Gruppen der Vergangenheit mit allen seinen Einflüssen zu
rekonstruieren. Geprägt wird dies von dem Wechsel der sozialen Verhältnisse und
den allgemeinen geschichtlichen Rahmenbedingungen, aber auch von religiösen
und kulturellen Traditionen sowie sozialen Gewohnheiten. So kann man die
Alltagsgeschichte auch an die älteren Forschungen der Volkskunde und
Arbeitslehre, der deutschsprachigen Universal- und Kulturgeschichtsschreibung
sowie der Kunstgeschichte anschließen. Der Alltag wird in seinen Auswirkungen
auf den Menschen differenziert dargestellt beispielsweise anhand der
Arbeitsbedingungen, des Familiens- und des Gemeinschaftslebens, der Festkultur
und der Geselligkeit, der Traditionen in Sitten und Gebräuchen.
5
Familie, Arbeit und Alltag in Hinterzarten, Konstanz 1998; Sigrid Jacobeit/ Wolfgang
Jacobeit, Illustrierte Alltagsgeschichte des deutschen Volkes 1550 - 1810. Mit einem Vorwort
von Jürgen Kuczynski, Köln 1987; Jürgen Kuczynski, Geschichte des Alltags des deutschen
Volkes (5 Bände), Köln 1981; Sven Lindqvist, Grabe wo du stehst. Handbuch zur Erforschung
der eigenen Geschichte, Bonn 1989; Alf Lüdtke, Alltagsgeschichte, Frankfurt/ New York
1989, Neuausgabe 2002.
4
Richard van Dülmen, Historische Anthropologie. Entwicklung ­ Probleme ­ Aufgaben, Köln/
Weimar/ Wien 2000, S. 10-11/ 32-40.
5
Historishe Anthropologie: Die französische ,,École des Annales" konzentrierte sich schon ab
Ende der 20er-Jahre auf die Erforschung von" Lebens-Welten" und ,,Mentalitäten" (,,Histoire
des Mentalités"; Mentalitätsgeschichte). Auch in Großbritannien hat die Untersuchung der
Alltagsgeschichte bereits Tradition (,,People's history") und aus Italien und Frankreich kamen
beispielsweise von Carlo Ginzburg (* 1939) und Emmanuel Le Roy (* 1929) Anregungen zur
Erforschung der Alltagsgeschichte und der historischen Volkskultur, etwa der bäuerlichen und
städtischen Unterschichten des 16.­19. Jahrhunderts. Die historische Anthropologie gewann
seit den 70er-Jahren mit dem historischen Perspektivenwechsel in der Geschichtswissenschaft
an Bedeutung, jedoch in Deutschland erst ab Ende der 70er-Jahre. Unzweifelhaft war dies ein
Zuwachs für die interdisziplinäre Forschung, etwa durch die Fragestellungen und Methoden
der historischen Soziologie, der Kultursoziologie sowie der Sozialanthropologie,
Kulturgeschichtsschreibung sowie der Kunstgeschichte. Vgl. Geschichte von unten, hg. von
Hubert Christian Ehalt, Wien 1984; Gerhard Jaritz, Zwischen Augenblick und Ewigkeit.
Einführung in die Alltagsgeschichte des Mittelalters, Wien 1989; Sozialgeschichte,
Alltagsgeschichte, Mikro-Historie, hg. von Winfried Schulze, Göttingen 1994; Richard van

Der Alltag der Mönche
9
Nun gibt es bisher zwar zahlreiche, auf bestimmte Zeitabschnitte
bezogene, meist regional und lokal begrenzte Einzel- und Mikrostudien und
Forschungsergebnisse zu fast allen Zeitperioden, Völkern und Kontinenten,
dennoch fehlt es in vieler Hinsicht an grundlegenden Kenntnissen über den Alltag
der Menschen in der Geschichte. Wenig beachtet wurde die Alltagskultur
hinsichtlich der Orte, wo Menschen arbeiten, wohnen und ihre Freizeit
verbringen, dazu gehören etwa Handwerksbetriebe, Bauernhöfe, Städte, Abteien,
Schulen und das Haus, aber auch die Art, wie Menschen arbeiten und ihre Zeit
verbringen, gehört hierzu, wie sie denken und fühlen, wie sie den Alltag durch
Traditionen und Konventionen prägen oder dem Alltäglichen das Nichtalltägliche
entgegensetzen.
6
Richtet man den Blick auf den Begriff des ,,Alltags" in
Geschichtswissenschaft und Soziologie, wird die Vielfalt an Definitionen
deutlich. Norbert Elias lieferte schon 1978 einen Überblick über die Forschung,
die sich intensiv mit dem Begriff des ,,Alltags" beschäftigt hatte; dabei wies er
ausdrücklich daraufhin, dass es in der Geschichtswissenschaft viele verschiedene
Definitionen von ,,Alltag" gibt.
7
In jüngerer Zeit formuliert und definiert Hans-
Werner Goetz das Wesentliche zum Alltagsbegriff folgendermaßen: ,,Alltag ist
das Handeln und Gestalten des Menschen in seiner Lebenswelt und gleichzeitig
die Prägungen, die der Mensch durch seine Lebenswelt erfährt; Alltag steht
Dülmen, Kultur und Alltag in der frühen Neuzeit, 3 Bde., München 1999; Alltagsgeschichte.
Zur Rekonstruktion historischer Erfahrungen und Lebensweisen, hg. von Alf Lüdtke,
Frankfurt am Main 1989; Geschichte des privaten Lebens, hg. von Philippe Ariés und
anderen, 5 Bde., Frankfurt am Main 1991 (Neuausgabe 2000).
6
Sozialgeschichte der Freizeit. Untersuchungen zum Wandel der Alltagskultur in Deutschland, hg.
von Gerhard Huck, Wuppertal 1982; Rolf Schwendter, Tag für Tag. Eine Kultur- und
Sittengeschichte des Alltags, Hamburg 1996; Cultural Studies. Grundlagentexte zur
Einführung, hg. von Roger Bromley (aus dem Englischen) Lüneburg, 1999; Claus J. Tully,
Mensch, Maschine, Megabyte. Technik in der Alltagskultur, Opladen 2003.
7
Norbert Elias, Zum Begriff des Alltags, in: Kurt Hammerich/ Michael Klein (Hg.), Materialien
zur Soziologie des Alltags (Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie,
Sonderheft 20), Opladen 1978, S. 22-29; Hans-Werner Goetz, Kirchenfest und weltliches
Alltagsleben im früheren Mittelalter, in: Mediävistik 2, 1989 (erschienen 1991), S. 123-171;
Hans-Werner Goetz, Alltag im Mittelalter. Methodische Überlegungen anläßlich einer
Neuerscheinung, Archiv für Kulturgeschichte 67, 1985, S. 207-225; Hans-Werner Goetz,
Leben im Mittelalter vom 7. bis zum 13. Jahrhundert, München 1986, 6. Aufl. 2002; Hans-
Werner Goetz, Geschichte des mittelalterlichen Alltags. Theorie - Methoden - Bilanz der
Forschung, in: Mensch und Objekt im Mittelalter und in der frühen Neuzeit.
(Veröffentlichungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit 13
= Sitzungsberichte Wien 568), Wien 1990, S. 67-101; Otto Borst, Alltagsleben im Mittelalter,
Frankfurt am Main 1983.

Der Alltag der Mönche
10
demnach für die Wechselbeziehung des Menschen und seiner Lebensumwelt."
8
Doch Goetz wird noch etwas genauer und geht auf die Bereiche ein, in denen
,,Alltag" stattfindet: ,,Einmal umfaßt der Alltag jene Bereiche im Leben des
Menschen, die- trotz aller individuellen Einmaligkeit- eine gewisse Regel-
mäßigkeit aufweisen. Dazu gehören unzweifelhaft auch Standardinhalte der alten
Kulturgeschichte wie Wohnen, Essen, Kleiden, Arbeiten, Spielen, Lieben,
Zeitvertreib, Geselligkeit, Hygiene, Familienleben oder der Lebenslauf selbst."
9
Dann gehört zum Alltag all das, was ein Mensch in seiner Umgebung mit einer
gewissen Beständigkeit und Gewohnheit ausführt.
Inwiefern läßt sich diese Definition auf den Alltag in einem Kloster
beziehen? Ein beträchtlicher Teil der genannten Einzelaspekte könnte sich in jeder
größeren Abtei wieder finden, weist doch gerade der Tagesablauf der Mönche
durch seine strengen Regeln eine gewisse Regelmäßigkeit auf, etwa bei den
Gebetszeiten oder auch beim Empfang von Gästen. Selbst die besagten
Standardinhalte der alten Kulturgeschichte lassen sich wohl an keinem Ort so
komprimiert betrachten, wie auf dem engen Raum des Klosters. Gab es nicht hier
den gut strukturierten Wohnbereich aus Dormitorium, Refektorium und
Wärmeraum, oder den zusammengefaßten Eßbereich aus Refektorium und
Küche? Auch wurde fast überall im Kloster gearbeitet, sei es in der Küche, im
Garten, im Skriptorium oder in den Werkstätten, selbst die Geselligkeit kam bei
so vielen Menschen auf engen Raum nicht zu kurz, besonders nicht, wenn Gäste
im Kloster empfangen wurden. Das Familienleben, Lieben und den Zeitvertreib
nach unserem heutigen Verständnis suchte man sicherlich vergeblich, denn als
Zeitvertreib kannten die Mönche hauptsächlich das Lesen. Der Lebenslauf der
8
Vgl. zu dieser Definition Goetz, Geschichte des mittelalterlichen Alltags, S. 73; Siehe auch die
Definition von Bergmann/ Thurn: Alltag ist die ,,Lebenswelt, ... in der sich Menschen
tagtäglich oder regelmäßig in Aktionen, Interaktionen und Reaktionen mit der von ihnen
vorgefundenen Wirklichkeit auseinandersetzen, um in ihr zu überleben, zu leben und sie ihren
Bedürfnissen anzuverwandeln." Vgl. Klaus Bergmann/ Susanne Thurn,:Alltag, in: Klaus
Bergmann, u. a. (Hg.), Handbuch der Geschichtsdidaktik 1, Düsseldorf ³1985, S. 239-242, hier
S. 239; Goetz ergänzt hier um den wichtigen Aspekt des Einflusses der Lebenswelt auf den
Menschen. Aber Alltag ist nach ihm nicht mit der Lebensumwelt gleichzusetzen, sondern
Alltag findet in ihr statt. Vgl. dazu ebenfalls die Rezension zu Otto Borst, Alltagsleben im
Mittelalter, Frankfurt am Main 1983; Hans-Werner Goetz, Alltag im Mittelalter. Methodische
Überlegungen anläßlich einer Neuerscheinung, in: Archiv für Kulturgeschichte 67 (1985), S.
207-225.
9
Goetz, Geschichte des mittelalterlichen Alltags. Theorie-Methoden-Bilanz der Forschung, in:
Gerhard Jaritz (Hg.), Mensch und Objekt im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Wien 1990,
S. 67-101, hier S. 75.

Der Alltag der Mönche
11
einzelnen Mönche bot also wenig Spielraum zum Abweichen und so war der Weg
vom Novizen zum Mönch genau festgeschrieben.
Die Veranschaulichung des Alltags der Menschen, in unserem Fall der
Mönche, geschieht von einer anthropologischen Grundlage aus
10
, etwa anhand
von konkreten Einzelbeispielen aus den Quellen. Diese Einzelbeispiele bilden,
miteinander verbunden, dann ein facettenreiches Abbild, in dem wir die
frühmittelalterlichen Lebensumstände in einem Großkloster zu erkennen
vermögen. Daher sind keine Thesen und Theorien, die bereits in dem Einzel-
forschungsbereich zur genüge behandelt wurden, das Resultat dieser
Untersuchung, sondern eine einfache, greifbare, aber quellengestützte
Beschreibung.
Als Grundlage der Bearbeitung steht ein neuer methodischer Ansatz im
Vordergrund, bei dem das äußere Erscheinungsbild eines Klosters in der Zeit
zwischen 800 und 1100 als Informationsträger fungiert. Dies bedeutet, die
Erschließung der funktionalen Lebenszusammenhänge erfolgt von der
Topographie der Anlage aus, denn das Erscheinungsbild eines Klosters setzt uns
über Wesenszüge und Organisation des Alltags der Bewohner in Kenntnis, es legt
das Zusammenspiel der verschiedenen Lebensbereiche innerhalb der Abtei offen
und dazu die unmittelbare Lebensumwelt der Mönche. Darüber hinaus vermittelt
die Topographie dem Betrachter einen eigenen Standpunkt, informiert ihn
darüber, welche Rolle eigentlich die Welt außerhalb der klösterlichen Bauten und
Wohnhäuser in einer frühmittelalterlichen Abtei wie St. Gallen spielte.
11
Dies ist
nun ein Versuch, Alltags- und Kirchengeschichte in einer Studie über ein
10
Vgl. zur Darstellung des menschlichen Alltags vor dem Hintergrund von Lebensräumen, wie z.
B. Klöster, Grundherrschaften, Höfe oder Städte: Arno Borst, Lebensformen im Mittelalter,
Frankfurt/ Main/ Berlin 1997 (Neuausgabe); Hans-Werner Goetz, Leben im Mittelalter vom 7.
bis zum 13. Jahrhundert, München 1994; Ernst Schubert, Alltag im Mittelalter. Natürliches
Lebensumfeld und menschliches Miteinander, Darmstadt 2002; Goetz, Moderne Mediävistik.
Stand und Perspektiven der Mittelalterforschung, Darmstadt 1999, S. 238-287; Goetz,
Geschichte des mittelalterlichen Alltags, S. 75; van Dülmen, Historische Anthropologie, S.
10-11/ 32-40.
11
Siehe hierzu die später im Text ausgeführten Probleme zwischen der erwünschten Welt-
abgeschiedenheit der Mönche und dem notwendigen Kontakt zur Außenwelt, z.B. bei der
Verwaltung der klösterlichen Grundherrschaft. La Règle de saint Benoît, Bd.I / II, c. 53,22, S.
614-616; Thomas Schuler, Ungleiche Gastlichkeit. Das karolingische Benediktinerkloster,
seine Gäste und die christlich-monastische Norm, Bielefeld 1979, S. 57-58/ 210; Jutta Maria
Berger, Gastfreundschaft im Kloster St. Gallen im 9. und 10. Jahrhundert (Teil 1), in: SMGB
104, 1993, S. 41-134, hier S. 51.

Der Alltag der Mönche
12
mittelalterliches Großklosters zu verbinden. Die Lebensbereiche im Kloster und
ihre Bewohner mit ihrer Beziehung zu diesen Räumen bilden den Schwerpunkt
der Darstellung. Genauer gesagt, die Mönche und ihre Lebensbedingungen in
einem frühmittelalterlichen Großkloster der Benediktiner sind der Untersuchungs-
gegenstand, dazu gehören ebenso die Infrastrukturen und die Verbindung mit der
Außenwelt. In dieser Untersuchung wird der ,,St. Galler Klosterplan"
zugrundegelegt, das ist der Plan nicht etwa einer unwesentlichen kleinen Abtei,
sondern der eines Großklosters, vergleichbar dem Aufbau anderer Großklöster
wie der Reichenau, Fulda oder Cluny. Das Muster, das der Plan vorgibt, ist durch
weitere Quellen aus zeitgenössischen Klöstern auszufüllen. Somit ist das hier
dargestellte Kloster ein Idealtyp, den es in dieser Form niemals gegeben hat, der
aber eine Annäherung an die historische Wirklichkeit darstellt.
12
Einfach gesagt:
Es handelt sich bei dieser Untersuchung um die Modellstudie einer Abtei, die
durch Betrachtung, Beschreibung und Analyse des ,,St. Galler Kosterplans"
angefertigt wird.
Der ,,Klosterplan von St. Gallen" dient mir als Ordnungsmuster, um das
Leben in einem mittelaalterlichen Großkloster zu beleuchten. Der Plan liefert
auch das Gerüst dieser Untersuchung, und demzufolge gliedert sich die Arbeit,
abgesehen von Einleitung und Zusammenfassung, in sechs große Kapitel. Die
Gliederung erscheint auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich, beginnt sie doch
nach einer kurzen Darstellung des Klosterplans aus St.
Gallen mit den
Werkstätten und den wirtschaftlichen Gegebenheiten. Jedoch erkannte ich den
Schwerpunkt und die Stärke der Abteien zunehmend in der Wirtschaft, ohne die
reichen Grundherrschaften in ihrer Verwaltung konnten die Brüder nicht
entsprechend sorgenfrei und sicher leben. Dies sicherte ihnen einen übersichtlich
organisierten Tagesablauf mit Beten und kleineren Arbeiten, finanzierte ihnen
aber auch ihre sozialen, insbesondere caritativen Tätigkeiten. Dieser Bereich war
am engsten mit der Welt außerhalb des Klosters verbunden. Der Einstieg über den
Wirtschaftsbereich vermittelt die Strukturen einer kleinen Stadt, dem Besucher
12
Max Weber definiert als einen Idealtyp ein ,,Gedankenbild, welches nicht die historische
Wirklichkeit oder gar die eigentliche Wirklichkeit" wiedergibt. Danach ermöglicht der
Idealtyp die geistige Bewältigung ,,des empirisch Gegebenen". Max Weber, Gesammelte
Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1951, S. 190-191, hier S. 208. Zur weiteren
Diskussion vgl. Schieder, Theodor: Geschichte als Wissenschaft. Eine Einführung, München/
Wien 1965, S. 179; Karl-Georg Faber, Theorie der Geschichtswissenschaft, München 1974,
S. 89-96/ 98-106.

Der Alltag der Mönche
13
wird wohl als erstes der Lärm und die Geschäftigkeit aus diesem Bereich
aufgefallen sein.
Die Erschließung des ,,St. Galler Klosterplans" erfolgt in der Weise, dass
ein fiktiver Besucher imaginiert wird, mit dessen Augen das Kloster
wahrgenommen wird. Dieser fiktive Besucher soll das Kloster dann quasi vor den
inneren Augen des Lesers entstehen lassen. Diesen Besucher wird, nach den
Werkstätten, dann vor allem die große Kirche ins Auge fallen. Dies ist der Anlaß,
auf den spirituellen Bereich im Leben der Brüder einzugehen, auch auf das Gebet,
die Messe und nicht zuletzt auf die verschiedenen seelsorgerischen Tätigkeiten
der Mönche.
Ein drittes Kapitel widmet sich dem Abtshaus, denn eine so große Abtei
kam nicht ohne eine ,,Chefetage" aus. Unmittelbar auf den Abt folgen dann im
vierten Abschnitt seine Mönche. Die umfangreiche Darstellung geht aus von dem
Klausurbereich der Mönche, der den Mönchen eine Rückzugsmöglichkeit, die
Möglichkeit zur Kontemplation bot, und in dem sie einen erheblichen Teil ihrer
Zeit verbrachten. Von der Klausur aus öffnet sich dann der Blick auf die
vielfältigen alltäglichen Geschäftigkeiten.
Das fünfte Kapitel behandelt den Raum der Brüder für Wissenschaft und
Bildung, wofür sie bis heute noch überall bekannt sind. Bibliothek, Skriptorium
und Schule sind zentrale Einrichtungen der Abteien, die ebenfalls einen eigenen
Platz verdienen. Aber auch das Noviziat teilt die Gliederung diesem Abschnitt zu,
da dort die Ausbildung begann und die Schule eng mit den Novizen verbunden ist.
Es schließt sich ein Exkurs über die Gärten der Mönche an. Besonders die vielen
Arten von Gartenanlagen im Plan sind eine nähere Betrachtung wert. Im letzten
und sechsten Kapitel stehen die sozialen, d.h. vor allem die caritativen
Einrichtungen der Brüder im Vordergrund. Wie erlebten fremde Pilger, Arme
oder Mönche die Anlage und die Gastfreundschaft der Brüder? Welche
Räumlichkeiten standen ihnen zur Verfügung? Aber auch die Klostermedizin
spielte im Leben der Mönche eine erhebliche Rolle, daher erhält sie in diesem
Kapitel eine eigene Betrachtung.

Der Alltag der Mönche
14
Ein Teil der Klosterforschung widmet sich einem speziellen Kloster, ein
anderer Teil beschäftigt sich mit einer bestimmten Quellenform, wie Urbaren,
Urkunden oder Professbüchern, ein dritter Zweig untersucht Begriffe. Hier gibt
eine Vielzahl an Werken, die Antworten zum Klosterleben bieten, besonders die
Bildung, die Liturgie und die Wirtschaft stellen die Themenschwerpunkte der
bisherigen Forschung. Einzelne ältere Studien haben durchaus auch den Reiz der
Medizingeschichte für sich entdeckt, bildeten doch die Mönchsärzte die Basis
einer frühen medizinischen Versorgung. Dennoch gewähren uns alle diese
Einzelstudien gleichsam wie eine Lupe nur einen Blick auf einige vergrößerte
Ausschnitte aus dem Leben der Bewohner, zeigen dem Betrachter jedoch nicht
das umfassende Bild. Im Unterschied zu bisherigen Untersuchungen arbeite ich
quasi mit einem zeitgenössischen Wahrnehmungs- und Deutungsmuster. Die
Bestandteile des ,,St. Galler Klosterplans" haben zwar für mich dieselbe Funktion
wie moderne Ordnungsbegriffe für die bisherige Forschung, jedoch hat der Plan
den großen Vorzug, aus dem Mittelalter selbst zu stammen, somit wird es
möglich, ihn anstelle moderner Begriffe als Scheinwerfer zu nutzen, der das
Leben der Mönche beleuchtet. Die alltäglichen Funktionszusammenhänge lassen
sich neu begreifen. Dies ist demnach ein Versuch, den Alltag anhand bestimmter
Quellen und vorrangig am ,,St. Galler Klosterplan" zu rekonstruieren. Dieser
Klosterplan ist vielfach in der Forschung bearbeitet worden.
13
Er wurde bislang
insbesondere aus bautechnischer, sowie kunsthistorischer Sicht untersucht, soll
13
Konrad Hecht, Der St. Galler Klosterplan, Simaringen 1983; ders., Zur Geometrie des St.
Gallener Klosterplanes, in: Abhandlungen der Braunschweigischen Wissenschafts-Geschichte
29 (1978), S. 57-98; Günther Binding, Köln - Aachen - Reichenau, Bemerkungen zum St.
Galler Klosterplan von 817-818, in: Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 9 (1981), S.
129-143; Alfons Zettler, Die frühen Klosterbauten der Reichenau. Ausgrabungen-
Schriftquellen ­ St. Galler Klosterplan. Sigmaringen 1988; ders., Der St.Galler Klosterplan.
Überlegungen zu seiner Herkunft und Entstehung, in: Charlemagne's Heir. New Perspectives
on the Reign of Louis the Pious (814-840), hrsg. von Peter Godman und Roger Collins,
Oxford 1990, S. 655-687; Adolf Reinle, Neue Gedanken zum St. Galler Klosterplan, in:
Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 23, 1963/64, S. 91-109; Hans
Bessler, Der Plan für das Kloster St. Gallen vom Jahr 820, in: Schweizer Beiträge zur
Allgemeinen Geschichte 9, l95l, S. 246-251; ders., Stand der Forschung um den
karolingischen Klosterplan in St. Gallen. Ebd. 16, 1958, S. 229-240; Der St. Galler
Klosterplan, in Rorschacher Neujahrsblatt 1950, 40. Jahrgang., S. 23-26; Bernhard Bischoff,
Die Entstehung des Sankt Galler Klosterplanes in paläographischer Sicht, in: Bischoff,
Mittelalterliche Studien Bd. I, Stuttgart 1966, S. 41-49; Walter Berschin, Der St. Galler
Klosterplan als Literaturdenkmal, in: Euphrosyne N.S. 22, 1994, S. 283-290; Johannes Duft
(Hg.), Studien zum St. Gallener Klosterplan, St. Gallen 1962; reichhaltige Informationen zur
Literatur finden sich weiter unten in ,,Der St. Galler Klosterplan".

Der Alltag der Mönche
15
aber hier auf das Alltagsleben der Mönche hin betrachtet werden und dem
Besucher einen Blick auf das Leben der Mönche freigeben.
14
Dieser typisierte Grundriss aus der Abtei St. Gallen ist neben den
erzählenden Quellen früh in die Kritik der älteren Forschung geraten, besonders
Alfons Dopsch bezweifelte seinen Quellenwert für die klösterliche Wirtschaft. So
meinte er, das Capitulare de villis und der ,,St. Galler Klosterplan" seien für die
Forschung über die mittelalterliche Wirtschaft unbedeutend, nichtsdestoweniger
handelte es sich hier eigentlich um zwei maßgebliche Quellen zum Klosterleben
und zur Organisation einer Grundherrschaft. Dopsch bemängelt hauptsächlich,
dass der Plan nicht der Wirklichkeit entsprach, denn er zeige nur den
wirtschaftlichen Bedarf der Mönche, der durch Handwerker und Werkstätten
gedeckt wurde. Es existierte aber sicher auch eine Nachfrage nach einem
selbstständigen Handwerk außerhalb des Klosters und der klösterlichen
Wirtschaft, was Dopsch völlig unbeachtet ließ. Ähnliches gilt für das Capitulare
de villis. Zweifellos spiegeln, wie Dopsch richtig bemerkt, die Urkunden und
Urbare ein reichhaltigeres Wirtschaftsleben wider als diese beiden Quellen.
15
Allerdings darf der Klosterplan von St. Gallen als beispielhaft angesehen werden
für die Anlage eines mittelalterlichen Großklosters, wie im Vergleich mit den
Grabungsfunden aus der Reichenau und den Plänen von Cluny zu ersehen ist. Für
eine detaillierte Darstellung der Wirtschaft sollten jedoch tatsächlich die
Urkunden und Urbare hinzugenommen werden, um hier ein eindeutiges Bild zu
erhalten. Inwieweit aber aus den wenigen Quellen eine vom Kloster unabhängige
14
Vgl. Konrad Hecht, Der St. Galler Klosterplan, Sigmaringen 1983; Zettler, Die frühen
Klosterbauten der Reichenau; ders., Der St.Galler Klosterplan. Überlegungen zu seiner
Herkunft und Entstehung, in: Charlemagne's Heir. New Perspectives on the Reign of Louis the
Pious (814-840), hrsg. von Peter Godman und Roger Collins, Oxford 1990, S. 655-687; Adolf
Reinle, Neue Gedanken zum St. Galler Klosterplan, in: Zeitschrift für schweizerische
Archäologie und Kunstgeschichte 23, 1963/64, S. 91-109; Hans Bessler, Der Plan für das
Kloster St. Gallen vom Jahr 820, in: Schweizer Beiträge zur Allgemeinen Geschichte 9, l95l,
S. 246-251; ders., Stand der Forschung um den karolingischen Klosterplan in St. Gallen. Ebd.
16, 1958, S. 229-240; Der St. Galler Klosterplan, in Rorschacher Neujahrsblatt 1950, 40. Jg.,
S. 23-26; Bernhard Bischoff, Die Entstehung des Sankt Galler Klosterplanes in
paläographischer Sicht, in: ders., Mittelalterliche Studien Bd. I, Stuttgart 1966, S. 41-49;
Walter Berschin, Der St. Galler Klosterplan als Literaturdenkmal, in: Euphrosyne N.S. 22,
1994, S. 283-290; Johannes Duft (Hg.), Studien zum St. Gallener Klosterplan, St. Gallen
1962; Leo Hugot, Das Kloster Inda und der Klosterplan von St. Gallen, in: Zeitschrift des
Aachener Geschichts-Vereins 84/85 (1977/78), S. 473-498.
15
Vgl. Alfons Dopsch, Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit. Vornehmlich in Deutsch-
land, Teil 2, Darmstadt 1962 (Dritte Auflage nach der zweiten von 1922 Wien), S. 174-175.

Der Alltag der Mönche
16
Wirtschaft sichtbar wird, ist fraglich, zumal alle vorhandenen Quellen aus den
Abteien selbst stammen, die bis ins 12. Jahrhundert am Schriftmonopol des
Klerus teilhatten.
16
Ergänzend zu dem Klosterplan wurden auch historiographische Quellen
herangezogen, speziell Ekkehard IV. vermittelt in den ,,Casus sancti Galli" ein
informatives aber auch unterhaltsames Bild von dem Leben der Mönche. So
schildert er im Gegensatz zu Ratpert, dem ersten Autor der Klosterchronik Casus
sancti Galli, das Klosterleben anhand einzelner bekannter Mönche im
biographischen Stil, dabei legt er besonderen Wert auf die mündliche
Überlieferung der älteren Mönche, wie er selbst im Vorwort erklärt. Als ein
Bruder St. Gallens kannte er die Abtei besonders gut, der er in großer
Verbundenheit sein Werk ,,Casus sancti Galli" widmete. Seine Geburt liegt noch
vor dem Jahr 1000, der Zeitpunkt wird ungefähr auf 980 geschätzt.
17
Ekkehard
war Schüler Notkers des Deutschen und sammelte nach dessen Tod weitreichende
Erfahrungen als Lehrer in Mainz und im Rheingebiet. Um 1022 lehrte er in Mainz
an der Domschule, kehrte dann aber nach dem Tod des Erzbischofs Aribo von
Mainz im Jahr 1031 als Lehrer nach St. Gallen zurück, wo er bis zu seinem Tod
am 21.10.1060 lebte.
18
Sein Vorhaben, die Erzählungen und Erinnerungen seiner
Mitbrüder in einem Buch aufzuzeichen, führte jedoch auch zu Verzerrungen von
Tatsachen, z.B. wenn ihm ein bereits achtzigjähriger Mönch alte Geschichten aus
seiner Jugend im Kloster erzählte, oder wenn er sogar Geschichten widergab, die
er schon als junger Bruder gehört hatte. Ekkehards Werk beginnt immerhin fast
zweihundert Jahre vor seiner Zeit in St. Gallen, so beschreibt er in seiner
16
Vgl. Alfons Zettler, Die frühen Klosterbauten der Reichenau. Ausgrabungen- Schriftquellen- St.
Galler Klosterplan, Sigmaringen 1988. Siehe die Pläne von Cluny, in: Kristina Krüger, Die
romanischen Westbauten in Burgund und Cluny. Untersuchungen zur Funktion einer
Bauform, Berlin 2003, Abb. 15/ 16, S. 139; Der Klosterplan ist mit den ,,Leges" oder dem
,,Capitulare de villis" zu vergleichen, zumal er nicht nur für St. Gallen als allgemeiner
Vorschlag für einen idealen Klosterbau betrachtet werden kann, sondern sich im Verlauf eng
an die Aachener Synode anlehnt, die richtungsweisend für das Mönchtum war. Hierzu sollte
ausdrücklich erwähnt werden, dass der Plan nicht detailgenau in St. Gallen umgesetzt wurde.
Vgl. Fred Schwind, Zu karolingischen Klöstern als Wirtschaftsorganismen und Stätten
handwerklicher Tätigkeit, in: Institutionen, Kultur und Gesellschaft im Mittelalter, hrsg. von
Lutz Fenske/ Werner Rösener/ Thomas Zotz, Sigmaringen 1984, S. 103-123, hier S. 103-104.
17
Eberhard Url, Das mittelalterliche Geschichtswerk ,,Casus sancti Galli", in: 109. Neujahrsblatt,
1969, S. 18; Hans F. Haefele, Ekkehart IV. von St. Gallen, in: VL 2, Berlin/New York 1980,
Sp. 462-463.
18
Helena Leithe-Jasper, Ekkehart IV. von Sankt Gallen und seine versus ad picturas domus
Domini Moguntinae, Konstanz 1999, S. 2; Url, Das mittelalterliche Geschichtswerk ,,Casus
sancti Galli", S. 19.

Der Alltag der Mönche
17
Fortsetzung der Klosterchronik den Zeitraum von 883 bis zum Besuch Kaiser
Ottos I. 973. Dennoch sind seine Geschichten hier nicht unerheblich, zeigen sie
doch das Leben der Mönche in St. Gallen aus der Erinnerung von Zeitgenossen.
Da spielt es auch keine allzu große Rolle, dass die ältere Forschung, insbesondere
Gerold Meyer von Knonau, Ekkehard IV. die Glaubwürdigkeit fast vollständig
abspricht.
19
Ekkehards Vorgänger Ratpert schrieb als erster Autor die
Klosterchroniken Casus sancti Galli, die er mit der Ankunft Columbans im
Bodenseeraum um 560 beginnt und bis zur Abtwahl Bernhards im Dezember 883
fortsetzt. Der Schwerpunkt für Ratpert waren die wirtschaftlichen und politischen
Ereignisse um das Kloster, vor allem der Konflikt mit Konstanz prägt seine
Chronik.
20
Neben Ratpert verfaßte zu der Zeit noch ein weiterer Bruder in
St. Gallen ein bis heute bekanntes Werk, dies waren die ,,Taten Kaiser Karls des
Großen". Notkers Gesta Karoli behandeln zwar nicht das Klosterleben, aber seine
Anekdoten enthalten auch paränetisch-didaktische Aspekte, die auf ein
normgerechtes Leben im Kloster ausgerichtet waren.
21
Neben diesen einzigartigen Überlieferungen aus St.
Gallen treten
vergleichend die Abtsviten und Regeln aus ähnlich großen Abteien dieser Zeit
hervor. So ist Fulda als eine herausragende Stätte der Bildung unbedingt zu
berücksichtigen, maßgeblich waren hier die Schriften Hrabans.
22
Die Geschichte
Fuldas nimmt in der Forschung einen beträchtlichen Platz ein, hierzu sei nur das
monumentale Fulda-Werk genannt.
23
19
Url, Das mittelalterliche Geschichtswerk ,,Casus sancti Galli", S. 18-19; Haefele, Ekkehart IV.
von St. Gallen, Sp. 462-463; Leithe-Jasper, Ekkehart IV. von Sankt Gallen, S. 2; Wiech, Das
Amt des Abtes im Konflikt, S. 112-113; Ekkehard IV. Casus sancti Galli, ed. Meyer von
Knonau (Mitteilungen zur Vaterländischen Geschichte), St. Gallen 1877; Gerold Meyer von
Knonau, Die Ekkeharte von St. Gallen, Basel 1876.
20
Hannes Steiner, Überlegungen zur Person des Verfassers und zur causa scribendi. der Casus
sancti Galli Ratperts, hrsg. von Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte,
Konstanz 2000, S. 3; Hans F. Haefele, Zum Aufbau der Casus sancti Galli Ekkehards IV., in:
Typologia Litterarum, hrsg. von Stefan Sonderegger/ Alois M. Haas/ Harald Burger, Zürich
1969, S. 158; Url, Das mittelalterliche Geschichtswerk ,,Casus sancti Galli", S. 12-13;
Ratpert's Buch über den Ursprung des Klosters des heiligen Gallus und die verschiedenen
Vorfälle in demselben, ed. Gerold Meyer von Knonau, in: Mitteilungen zur vaterländischen
Geschichte, St. Gallen 1872, S. V.
21
Notker der Stammler, Taten Kaiser Karls des Großen, hrsg. von Hans F. Haefele, MGH
Scriptores rerum Germanicarum nova series Bd. 12, Berlin 1959.
22
Thomas Martin, Gelehrte Bildung in Fulda: das Kloster als mittelalterliches Bildungszentrum
744-1571, München 200.
23
Die Klostergemeinschaft von Fulda im frühen Mittelalter, hrsg. von K. Schmid, Bd. 2,2,
München 1978.

Der Alltag der Mönche
18
Mehrere Klöster wählten für die Aufzeichnung ihrer Geschichte die
Abtsviten als Quellengattung. Einige Äbte verdienten nach Meinung der Brüder
eine eigene Biographie, so bot neben St. Gallen mit den Heiligenviten von Gallus
und Otmar
24
auch Fulda mit den Viten seiner bekannten Äbte Sturmi und Eigil
25
eine ausführlichere Darstellung von deren Leben. St. Wandrille, Fontanelle, sowie
Lobbes legten dagegen größeren Wert auf eine vollständige Biographie ihrer
Äbte.
26
Abgesehen davon verfaßten die Klöster auch Aufzeichnungen über alle
verstorbenen Brüder und verschickten die Namen an verbrüderte Klöster, mit
denen sie Gebetsverpflichtungen eingingen.
27
Ausführlicher befaßten sich
insbesondere Schmid und Oexle mit dieser Quellenagattung der Nekrologe und
der libri memoriales.
28
Nicht nur diese genannten Quellen verdichten das Bild oder werfen
vielleicht sogar noch weitere Fragen auf, auch die Regeln und Vorschriften der
Mönche reflektieren in ihrem engen Rahmen das Leben in einer großen Abtei.
Speziell die Regel des Namensgebers und Ordensgründers Benedikt von Nursia
muss als Leitfaden der Brüder angesehen werden, da sie ein weiteres Licht in das
Dunkel bringt. Aber wie lassen sich Regel und Plan in Einklang bringen?
Stammen sie doch aus unterschiedlichen Jahrhunderten. Gab es vielleicht eine
Entwicklung seit der Entstehung der Regel, die sich dann im Plan zeigt? War die
Regel übertragbar auf den Plan oder hatte sich das Leben der Mönche soweit
verändert, dass die Regel nur noch eine grobe Richtschnur war? Konnte Benedikt
von Nursia, dem die Regel zugeschrieben wurde, überhaupt ahnen, wohin das
24
Vita sancti Otmari abbatis Sangallensis, ed. Ildefons ab Arx, MGH SS II, S. 40-47; Vita sancti
Galli, ed. Ildefons ab Arx, MGH SS II, S. 5-34.
25
Die Vita Sturmi des Eigil von Fulda. Literaturkritisch-historische Untersuchung und Edition,
Pius Engelbert (Hrsg.), Marburg 1968; Vita Eigilis abbatis Fuldensis auctore Candido, hg. v.
Georg Waitz, MGH SS 15/1, Hannover 1887, S. 221-233.
26
Gesta abbatum fontanellensium, ed. F. Lohier/. J. Laporte, in: Gesta sanctorum patrum
Fontanellensis coenobii, Rouen 1936; Folcuini Gesta abbatum Lobiensium, in: ed. G. H. Pertz,
MGH SS 4, Hannover 1841, S. 52-74; Gesta abbatum Lobbiensium, ed. Wilhelm Arndt, in:
MGH SS 21, Hannover 1869, S. 307-333; Iotsald von Saint-Claude, Vita des Abtes Odilo von
Cluny, hg. von Johannes Staub (MGH Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum
separatim editi, 68, Hannover 1999; Wilhelm Diekamp (Hrsg.), Die Vitae Sancti Liudgeri,
Münster 1881.
27
MGH libri memoriales et necrologia NS 1, Hannover 1979; Der Liber vitae der Abtei Corvey,
ed. Schmid, Wollasch, Teil 1.
28
Otto Gerhard Oexle, Memoria und Memorialüberlieferung im früheren Mittelalter, in: FMSt Bd.
10, 1976, S. 70-95; Schmid, Bemerkungen zur Anlage des Reichenauer Verbrüderungsbuches,
zugleich ein Beitrag zum Verständnis der ,,Visio Wettini", Stuttgart 1977; Schmid/ Wollasch,
Die Gemeinschaft der Lebenden und Verstorbenen in Zeugnissen des Mittelalters, FMSt 1,
1967, S. 365-405.

Der Alltag der Mönche
19
Leben die Brüder im Kloster während der nächsten Jahrhunderte führen würde?
Dies sind Fragen, die hier eine wesentliche Rolle spielen.
29
Die reichhaltigen Quellen fanden in der Forschung bereits eine ausgiebige
Betrachtung und spiegeln sich in dem derzeitigen Stand der Forschung zweifellos
wider. Daher lohnt sich ein Blick auf die moderne Forschung: Ein sehr altes
mehrbändiges Werk von de Montalembert aus den Jahren 1860-1868 behandelt
das Mönchtum, angefangen bei den Vätern. So erscheint in Band zwei eine
Biographie des heiligen Benedikt und eine Darstellung seiner Regel. Viele weitere
Namen, die entscheidenden Einfluß auf das Schicksal des abendländischen
Mönchtums nahmen, prägen die umfangreichen Werke, etwa der Ire Columban.
30
Gudrun Gleba faßte dann in einem kurzen Werk 2002 das Leben im Kloster
knapp zusammen.
31
Ein ganz aktuelles Werk zum Kloster St. Gallen verfaßte
Rupert Schaab, von dem hier ein wesentlicher Impuls für die Forschung ausging,
dennoch konzentriert er sich in seinem Werk auf anderweitige Schwerpunkte. Er
arbeitet im Gegensatz zu mir prosopographisch. Dabei beachtet er nicht die
abwechslungsreichen erzählenden Darstellungen in den Klostergeschichten. Was
berichtet beispielsweise Ekkehard IV. über den Abt? Er führt in seinem neuen
Werk ,,Mönch in St. Gallen" von 2003
32
zwar an, dass er eine Art innere
Geschichte des Klosters St. Gallen aufzeigen will, allerdings arbeitete er
hauptsächlich statistisch anhand des Professbuchs und des Nekrologs die
Personen mit Amt und Verweildauer heraus. Fast die Hälfte seiner Arbeit befasst
sich mit dem Professbuch und den Formeln in dem Codex. Die Aufgaben der
Amtsinhaber versucht er dann in Verbindung mit dem Text der Regula Benedicti
näher darzustellen, aber ihn interessiert nicht die Seite des Klosterlebens, die in
den unterhaltsamen Erzählungen zu erkennen ist. Was erzählte Ekkehard IV. über
den Abt, wie sollte er sein und wie führte er sein Amt? Um dies zu einzugrenzen,
diente mir als Ausgangspunkt zunächst der Klosterplan, der die nötigen Räume
und Bauten wiedergibt, und seine Verbindung zur Regel. Zusätzlich äußern sich
29
Siehe Martina Wiech, Das Amt des Abtes im Konflikt. Studien zu den Auseinandersetzungen
um Äbte früh- und hochmittelalterlicher Klöster unter besonderer Berücksichtigung des
Bodenseegebiets, Siegburg 1999, S. 29.
30
Charles Forbes René de Montalembert, Die Mönche des Abendlandes vom h. Benedikt bis zum
h. Bernhard, Bd. 1-5, Regensburg 1860-1868.
31
Gudrun Gleba, Klöster und Orden im Mittelalter, Darmstadt 2002.
32
Rupert Schaab, Mönch in St. Gallen. Zur inneren Geschichte eines frühmittelalterlichen
Klosters, Ostfildern 2003.

Der Alltag der Mönche
20
in einer unterhaltsamen Form die Chronisten und Erzähler der großen Abteien zu
ihrem Leben, allen voran Ekkehard IV., der auch bauliche Einzelheiten seines
Klosters aufschrieb. Hier darf dennoch nicht übersehen werden, dass er sein
Kloster im 11. Jahrhundert sah, aber der Plan die Zeit des 9. Jahrhunderts
abbildet.
Abschließend sollen die für mich wichtigen Autoritäten der neueren
Forschung genannt werden. Zu den Werken, die diese Arbeit in hohem Maße
beeinflusst haben, gehören die Arbeiten von Josef Semmler, der sich ausgiebig
mit der Reform der Klöster und dem Leben der Mönche befasst hat. Insbesondere
seine Arbeit über die ,,traditio" der Klöster gewährte mir einen Einblick in die
politischen Beziehungen, in welche die großen Klöster und Abteien dieser Zeit
eingebunden waren.
33
Ebenso aufschlußreich waren seine reichhaltigen Werke
über die Klosterreform Benedikts von Aniane, vorwiegend um die Beziehungen
und Verhältnisse im Kloster zu klären
34
. Speziell über St. Gallen und den
Bodensee informieren die zahlreichen Werke von Johannes Duft, Peter
Ochsenbein und Karl Schmuki, die hervorragend den kulturellen Bereich
behandeln. Hans F. Haefele widmet sich vorrangig Ekkehard IV.
35
. Zu der
memoria im Kloster und zur Armenpflege war das Werk von Marie-Luise
Laudage über die caritas und memoria der Bischöfe eine beachtliche Hilfe. Zum
religiösen Verständnis der Mönche sind die Werke von Arnold Angenendt
aufschlussreich, da er sich ausführlich mit den religiösen Begrifflichkeiten, zum
Beispiel der ,,kultischen Reinheit", befasste.
36
33
Josef Semmler, Traditio und Königsschutz. Studien zur Geschichte der königlichen monasteria,
in: ZRG kan. Abt. 76 (1959), S. 1-33.
34
Josef Semmler, Institutiones Aquisgranenses, in: Lex.MA 5, München 1991, Sp. 451; ders., Zur
Überlieferung der monastischen Gesetzgebung Ludwigs des Frommen, in: DA 16 (1960), S.
309-388; ders., Das Erbe der karolingischen Klosterreform im 10. Jahrhundert, in:
Monastische Reformen im 9. und 10. Jahrhundert, hrsg. von Raymund Kottje/ Helmut Maurer,
1989, S. 29-77.
35
Haefele, Ekkehart IV. von St. Gallen, Sp. 463-464; ders., St. Galler Klostergeschichten,
Darmstadt 1980, S. 7-8; Johannes Duft, Ekkehardus-Ekkehart. Wie Ekkehart IV. seinen
Namen geschrieben hat, in: Variorum munera florum. Latinität als prägende Kraft mittel
Kultur, hrsg. von Adolf Reinle/ Ludwig Schmugge/ Peter Stotz, Sigmaringen 1985, S. 83-84.
36
Marie-Luise Laudage, Caritas und Memoria mittelalterlicher Bischöfe, Köln 1993; Arnold
Angenendt, Das Frühmittelalter. Die abendländische Christenheit von 400 bis 900, Stuttgart/
Berlin/ Köln 1995; ders., Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997; ders.,
Monachi Peregrini. Studien zu Pirmin und den monastischen Vorstellungen des Frühen

Der Alltag der Mönche
21
Zu dem mittelalterlichen Kloster St. Gallen gibt es noch viele weitere
Werke, die hier unzweifelhaft einen Platz verdienen. Allein zu einem Kernpunkt,
der Wissen und Bildung im Kloster, erschien gerade erst ein Sammelband von
Nathalie Kruppa und Jürgen Wilke.
37
Speziell mit der Schule in St. Gallen
befaßten sich in neuerer Zeit Christoph Dette, Peter Ochsenbein und Madge
Hildebrandt, schon etwas älter ist die Arbeit von Gabriel Meier.
38
Die Bibliothek
wurde sowohl in sehr allgemeinen Studien als auch im besonderen für die Abtei
St. Gallen eingehend untersucht.
39
Mittelalters, München 1972; ders., Kloster und Stift. Das Motiv der kultischen Reinheit als
Ferment ihrer Entwicklung, Duisburg 1992.
37
Nathalie Kruppa/ Jürgen Wilke (Hrsg.), Kloster und Bildung im Mittelalter, Göttingen 2006.
38
Christoph Dette, Schüler im frühen und hohen Mittelalter. Die St. Galler Klosterschule des 9.
und 10. Jahrhunderts, in: SMGB 105, 1994, S. 7-64; Peter Ochsenbein, Die St. Galler
Klosterschule, in: Das Kloster St. Gallen im Mittelalter. Die kulturelle Blüte vom 8. bis zum
12. Jahrhundert, hrsg. von Peter Ochsenbein, Darmstadt 1999, S. 95; Madge M. Hildebrandt,
The external school in Carolingian Society, Leiden/New York/ Köln 1992; P. Gabriel Meier,
Geschichte der Schule von St. Gallen im Mittelalter, in: Jahrbuch für Schweizerische
Geschichte 10, 1885, S. 33-127.
39
Ein Verzeichnis der Bibliothek von Fulda verfaßte Karl Christ. Vgl. Karl Christ, Die Bibliothek
des Klosters Fulda im 16. Jahrhundert, Leipzig 1933; Elke Wenzel, Die mittelalterliche
Bibliothek der Abtei Weißenau, Frankfurt/Main 1998; Raymund Kottje, Claustra sine armario,
in: Consuetudines Monasticae, hrsg. von Joachim F. Angerer/ Josef Leinweger, Rom 1982;
Florentine Mütherich, Buchmalerei in den Klosterschulen des frühen Mittelalters, in:
Raymund Kottje, Monastische Reform, Sigmaringen 1989; Karl Schmuki, Hand und
Handschriften-Katalogisierung vom 9. bis zum 21. Jahrhundert, in: Geschichte und Hagio in
Sanktgaller Handschriften, hrsg. von Ernst Tremp und Karl Schmuki, St. Gallen 2003, S. 24-
36; Ralf M. W. Stammberger, Scriptor und Scriptorium. Das Buch im Spiegel mittelalterlicher
Handschriften, Graz 2003; Beat von Scarpatetti, Das St. Galler Scriptorium, in: Das Kloster
St. Gallen im Mittelalter. Die kulturelle Blüte vom 8. bis zum 12. Jahrhundert, hrsg. von Peter
Ochsenbein, Darmstadt 1999, S. 31-68.

Der Alltag der Mönche
22
Der St. Galler Klosterplan
1. Forschungsstand
Unmittelbar am Bodensee befindet sich die Stadt St. Gallen, Standort der
gleichnamigen mittelalterlichen Klosteranlage. Umgeben von modernen
Bauwerken ist heute von der Anlage nur noch die barocke Kirche und die Stifts-
bibliothek zu erkennen, während das Kloster die langen Auseinandersetzungen
um die Säkularisierung nicht überstanden hat. Überdauert hat nur ein alter
Bauplan von der Klosteranlage, der die Forschung als ältester erhaltener europä-
ischer Bauplan des Mittelalters seit Jahrhunderten beschäftigt. Dieser St. Galler
Klosterplan (Handschrift 1092) bot der Forschung vielfältige Ansatzmöglich-
keiten und sorgte für eine ausgiebige schriftliche Bearbeitung. Eine intensive
Auswertung des Planes mit einer Zusammenfassung des damaligen Forschungs-
standes nahm bereits Konrad Hecht in den achtziger Jahren vor.
40
Seit 1952 existiert die Faksimileausgabe des Plans in einem Achtfarbendruck
durch den historischen Verein des Kantons St. Gallen.
41
Auf dem Plan sind
40
Hecht, Der St. Galler Klosterplan; ders., Zur Geometrie des St. Gallener Klosterplanes, in:
Abhandlungen der Braunschweigischen Wissenschafts-Geschichte 29 (1978), S. 57-98;
Günther Binding, Köln - Aachen - Reichenau, Bemerkungen zum St. Galler Klosterplan von
817-818, in: Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 9 (1981), S. 129-143; Zettler, Die
frühen Klosterbauten der Reichenau; ders., Der St.Galler Klosterplan. Überlegungen zu seiner
Herkunft und Entstehung, in: Charlemagne's Heir. New Perspectives on the Reign of Louis the
Pious (814-840), hrsg. von Peter Godman und Roger Collins, Oxford 1990, S. 655-687; Adolf
Reinle, Neue Gedanken zum St. Galler Klosterplan, in: Zeitschrift für schweizerische
Archäologie und Kunstgeschichte 23, 1963/64, S. 91-109; Hans Bessler, Der Plan für das
Kloster St. Gallen vom Jahr 820, in: Schweizer Beiträge zur Allgemeinen Geschichte 9, l95l,
S. 246-251; ders., Stand der Forschung um den karolingischen Klosterplan in St. Gallen. Ebd.
16, 1958, S. 229-240; Der St. Galler Klosterplan, in Rorschacher Neujahrsblatt 1950, 40.
Jahrgang., S. 23-26; Bernhard Bischoff, Die Entstehung des Sankt Galler Klosterplanes in
paläographischer Sicht, in: Bischoff, Mittelalterliche Studien Bd. I, Stuttgart 1966, S. 41-49;
Walter Berschin, Karolingische Gartenkonzepte, in: Freiburger Diözesan-Archiv 104, l984, S.
5-18; ders., Der St. Galler Klosterplan als Literaturdenkmal, in: Euphrosyne N.S. 22, 1994, S.
283-290; Johannes Duft (Hg.), Studien zum St. Gallener Klosterplan, St. Gallen 1962; Leo
Hugot, Das Kloster Inda und der Klosterplan von St. Gallen, in: Zeitschrift des Aachener
Geschichts-Vereins 84/85 (1977/78), S. 473-498; Karl Schmuki, Der karolingische
Klosterplan von St. Gallen, in: Geschichte und Hagiographie in Sanktgaller Handschriften,
hrsg. von Ernst Tremp und Karl Schmuki, St. Gallen 2003, S. S. 130-133, hier S. 130.
41
Der karolingische Klosterplan von St. Gallen. Faksimile-Wiedergabe in acht Farben, hrsg. durch
den Historischen Verein des Kantons St. Gallen, St. Gallen 1952; Der Plan entsprach der
Musteranlage eines Klosters. Rund 40 Gebäude sind hier in Grundrissen mit roten Strichen
skizziert. Die Tinte war rot-bräunlich und jeweils heller und dunkler für lateinische
Beischriften. Vgl. Johannes Duft, Der karolingische Klosterplan in der Stiftsbibliothek St.
Gallen. Begleittext zur Faksimile-Ausgabe, Rorschach 1998, S. 7/ 17; ders., Aus der
Geschichte des Klosterplans und seiner Erforschung, in: Studien zum St. Galler Klosterplan,
hrsg. von Duft, St. Gallen 1962, S. 33-56, hier S. 40-41; Werner Jacobsen, Der Klosterplan
von St. Gallen und die karolingische Architektur. Entwicklung und Wandel von Form und
Bedeutung im fränkischen Kirchenbau zwischen 751-840, Berlin 1981/1992, S. 24;

Der Alltag der Mönche
23
Kirche, Klausur, Werkstätten, Herbergen, Gärten, Stallungen und die übrigen
Gebäude alle einheitlich in roten Tuschlinien dargestellt und lassen deutlich eine
architektonische Anlage erkennen.
42
Geräte und Arbeitsweise bei der Herstellung
sind ausführlich bei Hecht beschrieben, so ist beispielsweise die rote Tinte
Hauptbestandteil der Zeichnungen.
43
Ein dem heutigen Forschungsstand entsprechendes grundlegendes Werk ist
derzeit der zweite Band zu den ,,Studien zum St. Galler Klosterplan" aus dem Jahr
2002.
44
Hier hat sich besonders Josef Semmler intensiv mit der Frage beschäftigt,
welche Verbindung der Klosterplan zu der Reform der geistlichen Gemein-
schaften hatte.
45
Der erste Sammelband erschien bereits 1965, herausgegeben von
Johannes Duft
46
, der sich als einer der führenden Forscher mit dem Klosterplan
und der neuen Faksimile-Ausgabe befasst hat.
47
Bereits seit 1683 befasste sich Jean Mabillon näher mit dem Plan, den er in einem
Kupferstich um 1704 in seinen Annalen des Benediktinerordens veröffentlichte,
dieser war aber leider weder vollständig noch fehlerlos.
48
Bedauerlicherweise sind
keine genauen Pläne der tatsächlichen Verhältnisse überliefert. Erst im 18.
Jahrhundert entstanden wieder planerische und zeichnerische Arbeiten von Pater
Gabriel Hecht (1664-1745), der erstmals einen ziemlich genauen Grundriss des
Stiftsbezirks lieferte.
49
42
Jacobsen, Der Klosterplan von St. Gallen und die karolingische Architektur, S. 15; Hell- und
dunkelrote Striche sind mit schwarzlinigen Überzeichnungen an einigen Stellen des Plans zu
finden. Schmuki, Der karolingische Klosterplan von St. Gallen, S. 130.
43
Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 13-24.
44
Studien zum St. Galler Klosterplan II, hrsg. von Peter Ochsenbein
/ Karl Schmuki, St. Gallen
2002.
45
Josef Semmler, Die Reform geistlicher Gemeinschaften in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts
und der Klosterplan von St. Gallen, in: Studien zum St. Galler Klosterplan Bd. II, S. 87-105.
46
Duft, Studien zum St. Galler Klosterplan, St. Gallen 1962.
47
Duft, Der karolingische Klosterplan in der Stiftsbibliothek St. Gallen, S. 15-16; ders. (Hg.), Der
St. Galler Klosterplan, Ausstellungskatalog, Bregenz 1983, S. 1-6.
48
Jean Mabillon, Annales Ordinis S. Benedicti Occidentalium Monachorum Patriarchae, in quibus
non modo res monasticae, sed etiam ecclesiasticae historiae non minima pars continetur, in 6
Bänden, Paris 1703-1739, Bd. II nach 570; Duft, Aus der Geschichte des Klosterplans und
seiner Erforschung, in: Studien zum St Galler Klosterplan, S. 33-56, hier S. 37-38; Jacobsen,
Der Klosterplan von St. Gallen und die karolingische Architektur, S. 22-23/ S. 31-32.
49
1719 zeichnet Pater Gabriel Hecht einen Plan des Stiftsbezirks. Vgl. Werner Vogler und Hans
Martin Gubler, Der St. Galler Stiftsbezirk in den Plänen von P. Gabriel Hecht 1720-1726.
Edition und Kommentar, Rorschach 1986; August Hardegger, Die alte Stiftskirche und die
ehemaligen Klostergebäude in St. Gallen, Zürich 1917, S. 1-9; Vogler, Realplan oder
Idealplan? Überlegungen zur barocken St. Galler Klostergeschichtsschreibung über den St.
Galler Klosterplan, in: Studien zum St. Galler Klosterplan II, S. 73-86, hier S. S. 78-79; Zur
älteren Literatur gehört ebenfalls: Ferdinand Keller, Bauriss des Klosters St. Gallen vom Jahr
820 im Facsimile, herausgegeben und erläutert, Zürich 1844; Jacob Burckhardt, Rezension F.

Der Alltag der Mönche
24
Ebenfalls aus dem Jahr 1952 stammt die Arbeit Reinhardts zum Klosterplan.
50
Weiterhin prägend für die Erforschung des Klosterplans waren die Werke von
Horn und Born sowie von Jakobsen.
51
Glaubt man Horn, wurde der Plan von
einem Mönch im Skriptorium der Reichenau abgepaust, da keine Einstiche von
Zirkeln in dem St. Galler Plan zu finden waren, die seine Originalität belegt
hätten. Als Quelle sollte ein Musterplan der Reformsynode von Aachen aus dem
Jahr 817 verwendet worden sein.
52
Die Frage nach der Originalität des Planes
löste in der Forschung einige Debatten aus. Besonders in seinem Aufsatz
,,Original or Copy" widmete sich Horn dieser Problemstellung, allerdings wurde
seine These, dass es sich wegen der angeblich fehlenden Zirkeleinstiche im Plan
um eine Kopie handelte, durch die Arbeit Stachuras widerlegt. Dieser fand ein-
deutige Spuren von Zirkeleinstichen, seitdem sind diese auf dem Plan von den
meisten Forschern anerkannt.
53
Keller, "Bauriss des Klosters St. Gallen vom Jahr 820", in: Kunstblatt 100 (12. Dez. 1844), S.
417-418; ders., Nr. 101 (17. Dez. 1844), S. 421-422; ders., Nr. 102 (19. Dez. 1844), S. 425-
426; ders., Nr. 104 (26. Dez. 1844), S. 433-434; David Parsons, Consistency and the St.
Gallen plan: a review article, in: Archaeological Journal 1938, S. 259-265; Canisius, Heinrich:
Antiquae lectionis seu antiqua monumenta ad historiam mediae aetatis illustrandam nunquam
edita ... , in 6 Bänden, Ingolstadt 1601-1608, Bd. II, 780.
50
Hans Reinhardt, Der St. Gallener Klosterplan (92. Neujahrsblatt des Historischen Vereins des
Kartons St. Gallen), St. Gallen 1952; Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 13.
51
Walter Horn/ Ernst Born, The Plan of St. Gall. A Study of the Architecture and Economy of,
and Life in a Paradigmatic Carolingian Monastery, 3 Bde., Berkeley-Los Angeles-London
1979; Horn, Modell nach dem Plan von St. Gallen, in: Ausstellungskatalog: Karl der Große-
Werk und Wirkung, Aachen, 1965, S. 402-410; Jacobsen, Der Klosterplan von St. Gallen und
die karolingische Architektur; ders., Ältere und neuere Forschungen zum St. Galler Kloster-
plan, in: Unsere Kunstdenkmäler, 34 (1983), S. 134-151.
52
Bischoff, Die Entstehung des Klosterplans in paläographischer Sicht, in: Studien zum St Galler
Klosterplan, S. 67-78, hier S. 67-77; Horn, Orginal or Copy?, S. 79; Duft, Aus der Geschichte
des Klosterplans und seiner Erforschung, in: Studien zum St Galler Klosterplan, S. 33-56, hier
S. 42-43; Jacobsen sieht nur eine lockere Verbindung des Plans mit Aniane. Jacobsen, Der
Klosterplan von St. Gallen und die karolingische Architektur, S. 32; Duft, Der karolingische
Klosterplan in der Stiftsbibliothek St. Gallen, S. 9; Norbert Stachura, Der Plan von St. Gallen-
ein Orginal?, in: Architectura 8 (1978), S. 184-186, hier S. 186; Hecht, "Der St. Galler
Klosterplan-Schema oder Bauplan?," Abhandlungen der Braunschweigischen Wissenschaft-
lichen Gesellschaft, 17, 1965, 165-206, hier S. 204; Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 163-
164.
53
Horn, The Plan of St. Gall-Original or Copy?, in: Studien zum St Galler Klosterplan, S. 79-81;
Jacobsen, Besprechung von Horn und Born 1979, in: Kunstchronik 35 (1982), S. 89-96;
Stachura, Der Plan von St. Gallen-ein Orginal?, S. 184-186; ders. Der Plan von St. Gallen: Der
Westabschluß der Klosterkirche und seine Varianten, in: Architectura 10 (1980), S. 33-37;
Günter Noll, The origin of the so-called Plan of St. Gall, in: Journal of Medieval History 8,
1982, S. 191-240; Jacobsen, Der Klosterplan von St. Gallen und die karolingische Architektur,
S. 32; Hecht, "Der St. Galler Klosterplan-Schema oder Bauplan?," S. 165-206; Duft, Der
karolingische Klosterplan in der Stiftsbibliothek St. Gallen, S. 9; Hecht übernahm noch die
Theorie Horns, dass der Plan abgepaust wurde. Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 13-24;
Volker Hoffmann, Der St. Galler Klosterplan-einmal anders gesehen, in: Studien zum St.
Galler Klosterplan II, hrsg. von Peter Ochsenbein / Karl Schmuki, St. Gallen 2002, S. 299-
305.

Der Alltag der Mönche
25
Bisher war der Klosterplan zumindest vorwiegend Gegenstand kunsthistorischer
Forschungen, die sich mehr an den Formen orientierten, als sich mit den Texten
im Plan zu beschäftigen.
54
Zur Bearbeitung der Texte nahm sich Walter Berschin
des Planes an. Hierzu ging er in den einzelnen Gebäuden die zugehörigen Texte in
einer bestimmten Reihenfolge durch, angefangen beim Noviziat und abschließend
mit dem Friedhof der Mönche.
55
Zusätzlich nennt er noch einige statistische und
paläographische Daten zum Plan.
56
2.
Die Widmung im Plan
Bevor der Betrachter sich näher auf den Plan konzentrierte, hielt sein Blick
zuerst an der Widmung fest, zumal sich die Entstehung des Plans dank dieser
Widmung genauer eingrenzen lässt. Der Plan ist an Gozbert in St. Gallen
gerichtet, offenbar als Diskussionsvorschlag für die von ihm geplanten Bauten.
Der damalige Abt Gozbert sorgte um 830 für die Niederlegung der alten
Abteikirche und den Bau einer neuen großen Basilika, damit leitete er die
bauliche Erneuerung der Abtei ein. Bei dem Plan soll es sich um eine spezielle
Anfertigung zum Studium für den genannten Gozbert handeln.
57
Für St. Gallen als
Empfänger spricht weiterhin auch das Doppelpatrozinium des Hochaltars St.
Maria und St. Gallus in der geplanten Abteikirche.
58
Als Gozbert den Plan in den Händen hielt war ihm durchaus bewusst, wer der
Absender war. Bedauerlicherweise findet sich in der Widmung kein Vermerk zu
diesem.
59
Die Kontroverse über den Absender stellte anfangs für die Forscher eine
54
Walter Berschin, Der St. Galler Klosterplan als Literaturdenkmal, in: St. Galler Klosterplan Bd.
II, S. 107-150, hier S. 107-108.
55
Berschin, Der St. Galler Klosterplan als Literaturdenkmal, S. 107-150.
56
Berschin, Der St. Galler Klosterplan als Literaturdenkmal, S. 109.
57
Der Plan war aus einer mittelalterlichen Klosterbibliothek. Jacobsen, Der Klosterplan von St.
Gallen und die karolingische Architektur, S. 22-23/ S. 31-32; Duft, Aus der Geschichte des
Klosterplans und seiner Erforschung, in: Studien zum St Galler Klosterplan, S. 33-56, hier S.
42-43; Bischoff, Die Entstehung des Klosterplans in paläographischer Sicht, in: Studien zum
St Galler Klosterplan, S. 67-78, hier S. 69-70/ 74-77; Schmuki, Der karolingische Klosterplan
von St. Gallen, 130; Gesichert ist nach Jacobsen nur Abt Gozbert als Beteiligter am Plan.
Jacobsen, Der Klosterplan von St. Gallen und die karolingische Architektur, S. 33; Wegen des
Zeitraums gilt Gozbert als Abt des Empfangs. Duft, Der karolingische Klosterplan in der
Stiftsbibliothek St. Gallen, S. 7-8; Anton von Euw, Die St. Galler Kunst im frühen und hohen
Mittelalter, in: Das Kloster St. Gallen im Mittelalter. Die kulturelle Blüte vom 8. bis zum 12.
Jahrhundert, hrsg. von Peter Ochsenbein, Darmstadt 1999, S. 167-204, hier S. 167.
58
Duft, Der karolingische Klosterplan in der Stiftsbibliothek St. Gallen, S. 7-8; Schmuki, Der
karolingische Klosterplan von St. Gallen, S. 130; Berschin, Der St. Galler Klosterplan als
Literaturdenkmal, S. 107-150.
59
Duft, Aus der Geschichte des Klosterplans und seiner Erforschung, in: Studien zum St Galler
Klosterplan, S. 33-56, hier S. 42-43; Bischoff, Die Entstehung des Klosterplans in
paläographischer Sicht, S. 69-70/ S. 74-77.

Der Alltag der Mönche
26
beachtliche Herausforderung dar: Als Absender wurde sogar ein Bischof oder der
Fuldaer Abt vermutet, sowie eine Person von der Reichenau. Zu den Betreffenden
zählte selbst Benedikt von Aniane. Nachdem der Plan mit dem ,,Capitulare de
villis" in der Gartenbepflanzung übereinstimmte, war laut Dopsch zumindest die
Reichenau als Ort der Entstehung gesichert. Dieses ,,Capitulare" führte er auf eine
südfranzösische Herkunft zurück und somit auf Benedikt von Aniane, allerdings
nur indirekt; denn der Plan sei im Zusammenhang mit der anianischen Reform
von 817 aus Kornelimünster nach der Reichenau gelangt und dort abschriftlich
um 820 nach St. Gallen. Diese Vorstellung wurde bereits mit der Frage nach der
Originalität des Plans entkräftet, lediglich in Bezug auf die Reichenau sind sich
die Forscher heute einig.
60
Insbesondere Bischoff sicherte mit seinen Erkennt-
nissen die Reichenau als Ausgangsort des Plans ab. Nachdem nun der Entste-
hungsort festlag, einigte sich die Forschung schnell auf den damaligen Abt Heito
als Absender.
61
3. Darstellung
des
Plans
Wie stellte der Zeichner aber den Plan dar? Welche Materialien und
Arbeitsweise wendete er an? Um die einzelnen Gebäude zu identifizieren, sind die
Zeichnungen mit schriftlichen Einträgen in karolingischen Minuskeln und
Majuskeln versehen.
62
In mühevoller Arbeit hatten zwei Schreiber im Skriptorium
diese vielen Inschriften des Plans verfasst. Vor sich ausgebreitet sah der
Betrachter auf dem Plan 333 Tituli, davon 40 in metrischer Form und 293 in
Prosaform. Zu den Tituli kommt der Widmungsbrief, so dass insgesamt 334
60
Jacobsen, Der Klosterplan von St. Gallen und die karolingische Architektur, S. 24; Alfons
Dopsch, Das Capitulare de Villis, die Brevium Exempla und der Bauplan von St. Gallen, in:
Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (VSWG) 13, 1916, S. 41-70, hier S.
63-64; Barbara Schedl, Klösterliche Architektur des Mittelalters- Neue wege des Bauens, in:
Elisabeth Vavra (Hrsg.), Die Suche nach dem verlorenen Paradies. Europäische Kultur im
Spiegel der Klöster, St. Pölten 2000, S. 103-112, hier S. 103-105; Dopsch hatte den Plan noch
als einen Musterplan für das Kloster Aniane gedeutet. Duft, Aus der Geschichte des
Klosterplans und seiner Erforschung, in: Studien zum St Galler Klosterplan, S. 33-56, hier S.
47.
61
Bischoff, Die Entstehung des Klosterplans in paläographischer Sicht, S. 74-77; Horn, Orginal or
Copy?, S. 79; Duft, Aus der Geschichte des Klosterplans und seiner Erforschung, in: Studien
zum St Galler Klosterplan, S. 33-56, hier S. 42-43; ders., Der karolingische Klosterplan in der
Stiftsbibliothek St. Gallen, S. 9-10; Jacobsen, Der Klosterplan von St. Gallen und die
karolingische Architektur, S. 26/ 32; Hecht, "Der St. Galler Klosterplan-Schema oder
Bauplan?," S. 165-206, hier S. 204; ders., Der St. Galler Klosterplan, S. 163-164.
62
Jacobsen, Der Klosterplan von St. Gallen und die karolingische Architektur, S. 15.

Der Alltag der Mönche
27
Beischriften vorhanden sind.
63
Als leitender Schreiber erscheint wohl Reginbert
von der Reichenau ( 846), von dem anscheinend 60 Tituli in der alemannischen
Minuskel verfasst wurden, der Schreiber der karolingischen Minuskel fasste
wahrscheinlich 271 Tituli und den Widmungsbrief ab. Zwei Tituli wurden von
beiden gemeinsam bearbeitet.
64
Hatte ein Besucher des Klosters das Privileg, einen Blick auf den Originalplan zu
werfen, fiel ihm erst einmal die beachtliche Größe auf. Im Hochformat war dieser
annähernd vergleichbar mit acht aneinander gefügten Din A3 oder 16 Din A4
Seiten. Maßstabgetreu entsprach der Umfang des Planes 112x77,5 cm.
65
Hierzu
wurden fünf Blätter aus Kalbspergament benötig, die ein geschickter Mönch mit
Nähten aus weißen Fäden zum Originalplan zusammenfügte. Berührte der
Betrachter des Plans die Blätter, spürte er hier noch eine feine Erhebung an den
Nähten. Auf den ersten Blick fallen die roten Linien auf, die deutlich erkennbar
die Konturen der Gebäude bezeichnen, welche später von zwei unterschiedlichen
Händen beschriftet wurden.
66
Einem aufmerksamen Betrachter werden heute die schwachen Reste von Tinte in
einer Ecke des Plans auffallen. Genau an dieser Stelle wurde ein Gebäude
63
Berschin, Der St. Galler Klosterplan als Literaturdenkmal, S. 109; Bischoff, Die Entstehung des
Klosterplans in paläographischer Sicht, S. 67-78, hier S. 69-70/ S. 74-77; Duft, Der
karolingische Klosterplan in der Stiftsbibliothek St. Gallen, S. 9; Konrad Beyerle, Die Kultur
der Abtei Reichenau, (2 Bde.), München 1925; Schmuki, Der karolingische Klosterplan von
St. Gallen, S. 130; Bischoff erbrachte den Nachweis, dass der Plan im Reichenauer
Skriptorium von zwei Schreibern beschriftet worden war. Der Verdacht liegt auf Heito von
der Reichenau als Urheber. Vgl. Jacobsen, Der Klosterplan von St. Gallen und die
karolingische Architektur, S. 26; Duft, Der karolingische Klosterplan in der Stiftsbibliothek
St. Gallen, S. 9-10.
64
Der Schreiber des Hauptanteils im Plan wurde neben Reginbert noch nicht identifiziert. Die
Zeichnungen wurden mit Zirkel konstruiert. Nach Bischoff und Zettler: Bischoff, Die
Entstehung des Klosterplans in paläographischer Sicht, S. 69-70; Berschin, Der St. Galler
Klosterplan als Literaturdenkmal, S. 109; Duft, Der karolingische Klosterplan in der
Stiftsbibliothek St. Gallen, S. 9-10; Jacobsen, Der Klosterplan von St. Gallen und die
karolingische Architektur, S. 26; Barbara Schedl, Klösterliche Architektur des Mittelalters-
Neue wege des Bauens, in: Elisabeth Vavra (Hrsg.), Die Suche nach dem verlorenen Paradies.
Europäische Kultur im Spiegel der Klöster, St. Pölten 2000, S. 103-112, hier S. 103-105.
65
Duft, Der karolingische Klosterplan in der Stiftsbibliothek St. Gallen, S. 7; Schmuki, Der
karolingische Klosterplan von St. Gallen, S. 130; von Euw, Die St. Galler Kunst, S. 168;
Gleba, Klöster und Orden im Mittelalter, S. 32.
66
Der Plan zeigt die Musteranlage eines Klosters: Rund 40 Gebäude wurden mit roten Strichen in
Grundrissen skizziert. Eine hellere und dunklere bräunliche Tinte wurde für die lateinischen
Beischriften verwendet. Duft, Aus der Geschichte des Klosterplans und seiner Erforschung, S.
34; Schmuki, Der karolingische Klosterplan von St. Gallen, S. 130; Hecht, Der St. Galler
Klosterplan, S. 13-24; Bischoff, Die Entstehung des Klosterplans in paläographischer Sicht, S.
69-70/ 74-77; von Euw, Die St. Galler Kunst, S. 168.

Der Alltag der Mönche
28
ausradiert.
67
Dabei handelte es sich um das große Haus gegenüber dem Gesinde-
haus, auf der Nordseite des Klosterzugangs. Noch im 11. Jahrhundert war es für
die Mönche deutlich zu erkennen, doch ist leider von dem Gebäude wenig übrig
geblieben, da ein Schreiber bereits im 12. Jahrhundert die Rückseite dieses
Pergaments für eine Abschrift der Martinsvita nutzte. Als aber dieser Schreiber
bei seiner Arbeit im Skriptorium merkte, dass der Platz für die letzten Sätze des
Textes nicht reichte, entschloß er sich, auf der Vorderseite des Pergaments weiter
zu arbeiten und radierte kurzerhand das nordwestlich in der Planecke liegende
Gebäude und den dazugehörigen Text aus. Die letzten verbliebenen Reste wurden
in das Faksimile Kellers im Jahr 1844 aufgenommen. Hecht unternahm nach-
träglich den Versuch, hier einen Bezug zu den Unterkünften der Diener und zum
Gästehaus herzustellen, um so das fehlende Haus als Quartier für die Reisebe-
gleiter der vornehmen Gäste auszuschildern.
68
Die Arbeitsweise des Zeichners ist für einen Bauplan eher ungewöhnlich. So
stellte er die Mauerzüge einzelner Gebäude in Linien dar ohne die Mauerstärken
einzuzeichnen. Verschiedene Einrichtungen der Gebäude zeichnete er in der Auf-
sicht, wie Tische, Altäre, Bänke und Öfen, selbst die Altarkreuze sind im Lang-
haus der Abteikirche deutlich hervorgehoben. Doppelstöckige Gebäude stellte der
Zeichner nur in einem Geschoss dar, aber die Inschrift nennt dort ein zweites
Geschoss.
69
Außerdem gewährt der Zeichner uns keine Auskunft über die Ein-
richtung der Werkstätten.
70
4. Beschreibung
des
Plans
Den Kern des Plans bildet die Abteikirche mit der im Süden angelegten
Klausur der Mönche. Südlich davon stehen Dienst- und Wirtschaftsgebäude,
östlich ist der gesonderte Teil der Novizen und Kranken, nördlich die Herrschafts-
und Gästehäuser des weltlichen Aufgabenbereiches, westlich liegen die ausge-
dehnten landwirtschaftlichen Nutzungsräume mit Scheunen und Stallungen. Diese
67
Duft, Aus der Geschichte des Klosterplans und seiner Erforschung, S. 35; ders., Der
karolingische Klosterplan in der Stiftsbibliothek St. Gallen, S. 16; Paul Lehmann, Eine
Martinsvita vom karolingischen Bauplan des Klosters St. Gallen, in: Mélanges Joseph de
Ghellinck (Museum Lessianum, sect. hist. 14), Gembloux 1951, S. 745-751.
68
Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 125-128; Faksimile nach Keller: Ferdinand Keller, Der
Bauriß des Klosters St. Gallen vom Jahr 820, Zürich 1944; Duft, Der karolingische
Klosterplan in der Stiftsbibliothek St. Gallen, S. 17.
69
Treppenläufe blieben gleichfalls unbeachtet und die Größenangabe im Plan fehlt. Jacobsen, Der
Klosterplan von St. Gallen und die karolingische Architektur, S. 21.
70
Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 114.

Der Alltag der Mönche
29
Bereiche sind genau durchdachte und auf Funktionalität bei engstem Raum
ausgelegte Anordnungen, abhängig von der Lage der Abteikirche und der Klausur
(Abb.1).
71
Vor den Augen des Betrachters erscheint bei genauem Hinsehen eine
Vierteilung im Plan. Um die Planmitte, Kirche und Klaustrum, sind vier Bezirke
verzeichnet: Der Norden verfügt über einen vornehmen Bezirk, im Osten liegt ein
stiller Bezirk, der Süden ist mit dem werktätigen Bezirk versehen und im Westen
ist der landwirtschaftliche Bezirk zu finden. Der vornehme Bezirk an der
Westapsis des Münsters bot dem edlen Gast alle Annehmlichkeiten. Ritt der
Herrscher persönlich zu einem kurzen Besuch bei seinen fleißigen Mönchen
vorbei, standen ihm dort eigene Stallungen für die Pferde und Unterkunft für die
Dienerschaft zur Verfügung. Eine Zeichnung wurde ausradiert, sodann folgt das
Gästehaus mit Küche, Bäckerei und Brauerei, dann sieht der Betrachter das
Schulhaus und das Residenzhaus des Abtes. Zu allen Gebäuden gehörte eine
außerhalb des Bauwerks angelegte Latrinenanlage, die dem Gast zur Verfügung
stand. In diesem Bezirk lagen auch die Wohnung des Pförtners, des Schul-
vorstehers und die Unterkunft für fremde Brüder. Als Gegenstück befanden sich
auf der anderen Seite der Westapsis der Kirche das einfache Pilgerhaus, sowie der
Raum für die Fußwaschung. Es stand also alles zur Verfügung, um dem ein-
flussreichen und vornehmen Gast seinen gewohnten Lebensstandard bieten zu
können und darüber hinaus noch weitere Bequemlichkeiten zu gewähren.
72
Für den Betrachter sind im Plan noch einige zusätzliche einzelne Einrichtungs-
gegenstände für Brüder und Gäste zu erkennen. Als erstes fallen hier die
Sitzgelegenheiten in der Anlage auf. In den Sakralräumen wie in den Profan-
räumen sind Wandbänke, aber keine Einzelsitze für den Abt vorgesehen, weder in
der Basilika, noch beim Kapitel oder im Refektorium. Er saß wie die Mönche und
Gäste auf der Bank, nur in der Schreibstube sind Einzelsitze für die dort Tätigen
aus praktischen Gründen eingefügt.
73
Der Plan ist außerdem auf die hygienischen
Bedürfnisse der Bewohner ausgerichtet und überliefert eine große Zahl an
71
Jacobsen, Der Klosterplan von St. Gallen und die karolingische Architektur, S. 15; von Euw,
Die St. Galler Kunst, S. 168; Schedl, Klösterliche Architektur des Mittelalters, S. 103-105.
72
Duft, Der karolingische Klosterplan in der Stiftsbibliothek St. Gallen, S. 11; Schmuki, Der
karolingische Klosterplan von St. Gallen, S. 131; Schedl, Klösterliche Architektur des
Mittelalters, S. 103-105; Mayke de Jong, Carolingian Monasticism: The Power of Prayer, in:
The New Cambridge Medieval History. Volume II c. 700-900, ed. Rosamond McKitterick,
Cambridge 1995, S. 622-653, hier S. 636-639.
73
Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 104.

Der Alltag der Mönche
30
Abtritten in den verschiedenen Gebäuden. Alle übrigen Bewohner nutzten außer-
dem die gemeinschaftlichen Abtritte.
74
Der Plan weist eine weitere bedeutende Konstruktion für eine regelgerechte
Klosteranlage auf. So wird dem aufmerksamen Betrachter eine zweite kleinere
und schmalere Sonderkirche im Plan auffallen. Damit verband die gleiche Kirche
in der Achse der großen Basilika das Noviziat und das Hospital. Diese Kirche war
im Inneren unterteilt, hatte je eine halbrunde Apsis in der je ein Altar mit Stufen
vorgesehen war, davor standen Bänke und beide Seiten besaßen einen separaten
Eingang, oben rechts das Hospital und unten links das Noviziat.
75
An der Zeichnung erkennt der Betrachter, dass die Anlage aus dem frühen
9. Jahrhundert noch ohne eine äußere Umzäunung war. Anscheinend hatte der
Zeichner bei der Herstellung des Plans mit keiner konkreten Bedrohung von
außen gerechnet, zumal zu der Zeit die Franken die Gegend längst unter ihrem
Einfluß hatten. So waren die Brüder äußerst überrascht, als eines Tages die
Ungarn vor dem Kloster standen, ohne eine Mauer konnte sich das Kloster mit
seinen Bewohnern nicht ihrem Zugriff entziehen. Eine allmähliche Ummauerung
gegen Feinde entstand in St. Gallen erst seit der Mitte des 10. Jahrhunderts, da
hatte der Klosterplan längst seine einstige Bedeutung für den Klosterbau
verloren.
76
5.
War der Plan auf Funktionalität ausgerichtet?
Der Zeichner kannte als Mönch naturgemäß die Gewohnheiten und
Abläufe im Kloster ausgesprochen gut und konnte somit auch die funktionalen
Zusammenhänge erkennen und in den Plan einarbeiten. Der Klosterplan spiegelt
demnach die Lebensgewohnheiten anschaulich wider. Funktionale Zusammen-
hänge verliefen deutlich erkennbar zwischen den einzelnen Räumen der Anlage:
Das Klaustrum für die Mönche besaß außer dem Schlafraum auch einen beheizten
Aufenthaltsraum, von diesem getrennt gab es einen Essraum, dazu standen in den
unmittelbar benachbarten Häusern Küche, Waschhaus und Bad zur Verfügung.
Die Novizen und Kranken bekamen eine eigene Klaustralanlage zugewiesen. In
74
Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 106.
75
Duft, Der karolingische Klosterplan in der Stiftsbibliothek St. Gallen, S. 26; Angelus A.
Häussling: Liturgie in der Karolingerzeit und der St. Galler Klosterplan, in: Studien zum St.
Galler Klosterplan Bd. II, St. Gallen 2002, S. 151-183.
76
Duft, Der karolingische Klosterplan in der Stiftsbibliothek St. Gallen, S. 7.

Der Alltag der Mönche
31
der Abtspfalz nutzte man die mansio zugleich als Wohn- und Essraum, der
Schlafraum war beheizbar. Das Gästehaus, dessen domus auch als Wohn- und
Essraum diente, war ohne Bad, auch hier waren die Schlafräume heizbar.
77
Benachbart zum Aderlaßhaus ist die Küche des Krankenhauses, in der auch die
Speisen für die zur Ader gelassenen zubereitet werden. Im Arzthaus sind an das
domus drei Räume geschlossen: Der Schlafraum des Arztes, der Raum für
Schwerkranke und die Apotheke. Um das domus des Gärtnerhauses lag der
Schlafraum des Gärtners, zwei Schlafräume der Gehilfen, ein Raum für
Sämereien und Werkzeug, hinter dem Gärtnerhaus befand sich der Gemüsegarten,
daneben ruhte der Baumgarten.
78
Lärmende Werkstätten standen hier abseits von den Wohnräumen der Mönche
und Pilger, dagegen lag das Refektorium der Mönche neben den großen Werk-
stätten. Ungeachtet dieser Nachbarschaft war eine wesentliche Störung nicht zu
erwarten, solange zu Tischzeiten die Arbeit wie vorgeschrieben ruhte. Um die
Feuersicherheit in der Anlage zu gewährleisten, sind Küchen und Speiseräume im
Plan grundsätzlich von einander getrennt, nur gleich gefährdete Betriebe, wie
Bäckerei und Brauerei sind miteinander verbunden.
79
6.
Idealplan oder realer Bauplan?
Was geschah nun aber weiter mit dem Plan in St. Gallen? Wurde er
einfach in der Bibliothek vergessen? Im Kloster St. Gallen wurde noch vor der
Zeit des Abtes Grimald (841-872) in einfachen Hütten gelebt, die Abt Otmar
(719-759) bereits zu Anfang seines Abbatiats um das Bethaus errichtet hatte.
Grimald stand also nun vor der Aufgabe, die Anlage nach dem Plan seines
Vorgängers Gozberts (816-837) neu zu bauen und dabei die Vorgaben der Regula
Benedicti zu berücksichtigen.
80
Der Klosterplan erschien dem Betrachter schon
aufgrund der baulichen Anordnung als Idealbild nach der Regula Benedicti. So
ragte die Basilika als geistliches Zentrum hervor, im Kirchenraum selbst standen
77
Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 115; de Jong, Carolingian Monasticism, S. 636-638.
78
Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 117-118.
79
Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 122; Auch das Pisalis der Mönche zum Wasch- und
Badehaus hatte auf der Westseite eine Tür, von der Abtspfalz zur Basilika gab es ebenfalls
eine Verbindung auf der Ostseite. Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 123.
80
Vita sancti Galli, ed. Ildefons ab Arx, MGH SS II, S. 5-34, c. 51; Vita sancti Otmari abbatis
Sangallensis, ed. Ildefons ab Arx, MGH SS II, S. 40-47, c. 2; Ratperti Casus sancti Galli, ed.
Ildefons ab Arx, MGH SS II, hrsg. von Georg Heinrich Pertz, Hannover 1829, c. 20:
Grimaldus regularem in nostro monasterio vitam omni sagacitate mentisque alacritate
instituere coepit. Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 342-343.

Der Alltag der Mönche
32
17 Altäre, dazu waren auf beiden westlichen Rundtürmen Altäre der Erzengel
vorgesehen. Für den Betrachter sind die tief in ihrer Andacht versunkenen
Mönche, kniend vor den einzelnen Altären, geradezu bildlich fassbar.
81
Der werktätige Bezirk erfüllt bestens die Vorgabe des Arbeitens: Dort sind Haus
und Werkstatt des Kämmerers, der Kornspeicher, sowie die Arbeitsräume für
Schneider, Schuster und Schmiede. Eigene Werkshäuser waren die Mühle,
Stampfe, Darre, Küferei und Drechslerei. Die Wohnstätten lagen bei den
Werkstätten. Noch deutlicher kann die gewünschte Selbstversorgung des Klosters
nicht dargestellt werden, nach der alles innerhalb der Mauern vorhanden sein
sollte. Zur Arbeit und Selbstversorgung diente auch der landwirtschaftliche
Bezirk: Im Plan an der Viehzucht erkennbar, so gab es Ställe für Stiere, Pferde,
Kühe; Schweine, Ziegen und viele weitere Tiere. Allerdings fehlen im Plan die
dringend erforderlichen Wasseranlagen. Der gesamte Klosterplan spiegelt offen-
bar die Vorschriften der Regula Benedicti wider, da dem Anschein nach alles
Erforderliche hier verwirklicht wurde. So erscheint dem Betrachter der Plan
zunehmend als ein Resultat aus der Praxis.
82
Wurde der Plan aber auch als Bauplan umgesetzt? Als der damalige Empfänger
Gozbert den Plan entgegen nahm, musste er sich nicht mit der Frage befassen, ob
der Klosterplan nun ein realer Bauplan war. Er stand vor der alten Klosteranlage
seiner Vorgänger, die er im Sinne der Regula Benedicti gestalten wollte. Mit dem
Plan in der Hand konnte er sich an die Erneuerung der Anlage begeben und setzte
alles um, was ihm nach dem Plan sinnvoll erschien. Die Forschung beschäftigt
allerdings bis heute noch die Ungewissheit, nach der Umsetzbarkeit des Plans.
Nach der bisherigen Meinung hat der Betrachter hier das ideale ,,Bild" einer
Klosteranlage vor sich, ein Musterplan für ein reiches Kloster, das hervorragend
den Anforderungen seiner Zeit entsprach.
83
Im Barock wurde in St. Gallen der
Plan als Realplan des Gozbert-Klosters gedeutet
84
, insbesondere da das Münster
81
Duft, Der karolingische Klosterplan in der Stiftsbibliothek St. Gallen, S. 10; ders., Regula
Benedicti und abendländisches Leistungsprinzip, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte
des Benediktinerordens 91, 1980, S. 61-79; Schmuki, Der karolingische Klosterplan von St.
Gallen, S. 131; Zum Oratorium siehe La Règle de saint Benoît, Bd.I / II, edd. Jean Neufville/
Adalbert de Vogüé, Paris 1972, c. 58, S. 626-632.
82
Duft, Der karolingische Klosterplan in der Stiftsbibliothek St. Gallen, S. 12.
83
Duft, Aus der Geschichte des Klosterplans und seiner Erforschung, in: Studien zum St Galler
Klosterplan, S. 33-56, hier S. 45.
84
Vogler, Realplan oder Idealplan?, S. 73-75; Duft, Der karolingische Klosterplan in der
Stiftsbibliothek St. Gallen, S. 15-17/ 22; Gall Heer, Johannes Mabillon und die Schweitzer

Der Alltag der Mönche
33
des Abtes Gozbert um 830-837 entstand, kurz nach der vermeintlichen Entstehung
des Plans. Dennoch sind eindeutig Unterschiede im Kirchenbau nachzuweisen.
85
Bis heute wird die Vorstellung vertreten, es handelte sich um einen realen
Bauplan, der mit den angegebenen Maßen in dieser Form von den Mönchen
umsetzbar sei. Otte und Rahn stimmten mit dem Verweis auf die genauen und
ausführlichen Zeichnungen für einen übertragbaren Bauplan, im Gegensatz zu
Keller, Burckhardt und Dopsch, die vielmehr der Meinung waren, es handelte sich
um einen Idealplan, zumal sich kein Bezug auf die Geländeverhältnisse der Abtei
finden lassen.
86
Um die Umsetzbarkeit eines baufähigen Planes zu belegen, wurde die Idee eines
,,Schnurplans" aufgegriffen.
87
Besonders Konrad Hecht hat den Plan als einen
ausführbaren ,,Schnurplan" gedeutet.
88
Derselbe befasste sich ebenfalls mit den
genauen Angaben zur Raumgröße und Personenzahl, das Pisalis war für 86
Personen ausgerichtet und betrug 338,4 m², somit kam er auf die Größe von
3,9 m² pro Person.
89
Angeblich ergab sich der praktische Zweck des Plans aus
seinen Maßen, jedoch stimmten diese Zahlen nicht mit den Maßen der Kirche des
Abtes Gozberts überein.
90
Benediktiner. Ein Beitrag zur historischen Quellenforschung im 17. und 18. Jahrhundert, St.
Gallen 1938, S. 36-48; Duft, Die Abtei St. Gallen, Bd. III: Beiträge zum Barockzeitalter,
Sigmaringen 1994; Johannes Mabillon, Benediktiner von St-Germain-des-Prés, veröffentlichte
um 1704 in seinen ,,Annales Ordinis S. Benedicti" den Plan erstmals unvollkommen als
Kupferstich; Vogler, Jean Mabillon, der Begründer der kritischen Urkundenforschung, und
das Kloster St. Gallen, in: Rorschacher Neujahrsblatt 74, 1984, S. 72-82.
85
Vogler, Realplan oder Idealplan?, S. 73-75; Duft, Der karolingische Klosterplan in der
Stiftsbibliothek St. Gallen, S. 15-17/ 22; Hans Rudolf Sennhauser, Das Münster des Abtes
Gozbert (816-837) und seine Ausmalung unter Hartmut, St. Gallen 1988, S. 6.
86
Jacobsen, Der Klosterplan von St. Gallen und die karolingische Architektur, S. 24-25; Heinrich
Otte, Geschichte der deutschen Baukunst von der Römerzeit bis zur Gegenwart, Leipzig 1874,
S. 92; Rudolf Rahn, Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz, von den ältesten Zeiten
bis zum Schlusse des Mittelalters, Zürich 1876, S. 89/ 97; Ferdinand Keller, Bauriss des
Klosters St. Gallen vom Jahr 820 im Facsimile, herausgegeben und erläutert, Zürich 1844, S.
10; Alfons Dopsch, Das Capitulare de Villis, die Brevium Exempla und der Bauplan von St.
Gallen, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (VSWG) 13, 1916, S. 41-
70, hier S. 63-64.
87
Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 303-304; ders., "Der St. Galler Klosterplan-Schema oder
Bauplan?", S. 198, ders., Mass und Zahl in der gotischen Baukunst, Braunschweig, 1969­
1972. Festschrift für Otto von Simson, Berlin, 1977, S. 101­159, hier S. 79.
88
Jacobsen, Der Klosterplan von St. Gallen und die karolingische Architektur, S. 32; Horn,
Orginal or Copy?; Norbert Stachura, Der Plan von St. Gallen-ein Orginal?, in: Architectura 8
(1978), S. 184-186, hier S. 186; Hecht, "Der St. Galler Klosterplan-Schema oder Bauplan?,"
S. 204.
89
Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 141-155.
90
Reinhardt, Bemerkungen zum Klosterplan und zur Studientagung, in: Studien zum St Galler
Klosterplan, S. 57-65, hier S. 57.

Der Alltag der Mönche
34
7.
Vergleichbare Klosteranlagen zum Plan
Um der Frage nach der Einmaligkeit des Plans näher zu kommen, seien
hier die Übereinstimmungen mit zeitlich vergleichbaren Klosteranlagen erwähnt.
Auch hierzu gibt es unterschiedliche Resultate. Immerhin zeigte die Abteikirche
von St. Gallen wenig Nähe zur Plankirche. Von den Kirchenbauten des frühen
9. Jahrhunderts wurde die Plankirche oft mit der Abteikirche von Fulda
verglichen, die Baugulf und sein Nachfolger Ratgar 819 fertig stellten. Dieser
Ratgar war bereits als Mönch für die ersten Bauunternehmen verantwortlich.
Durch seine Erweiterung erhielt die Abteikirche Fuldas das doppelte Volumen.
Mit dem Plan in der Hand die Fuldaer Klosterkirche von 819 zu betreten, konnte
dem Besucher helfen, die Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten der Grundrisse
beider Kirchen zu erkennen. Besonders die ähnlichen Ausmaße beider Kirchen
fallen auf. In Fulda hatte die Kirche zwischen den Apsiden eine Länge von etwa
98 m, die Planbasilika eine Länge von 104 m, dies entsprach etwa der Länge eines
heutigen 70 m x 105 m großen Fußballfeldes. Unstrittig sind auch die Überein-
stimmungen von Querhaus und Doppelchor und der von Türmen flankierten
Eingangshalle des Atriums.
91
Auch die Abteikirche der Reichenau kam in ihrer Gestaltung und Form dicht an
die Planbasilika heran. Abt Heito begann den Bau wohl schon 806 und erstellte
als ersten Bauabschnitt das Altarhaus und die Nebenräume. Das Querhaus und der
größte Teil des Langhauses stellten die Mönche 816 fertig und Heito weihte es
noch im gleichen Jahr. Der zweite Bauabschnitt mit dem Rest des Langhauses,
dem Westquerhaus und die von Türmen flankierte Eingangshalle fiel dem
Nachfolger Abt Erlebald (823-830) zu. Dennoch bleibt die Heito-Basilika mit
62 m Gesamtlänge hinter der Länge der Planbasilika deutlich zurück. Der Grund-
riss der Heito-Basilika beinhaltete ein quadratisches von Seitenräumen flankiertes
Altarhaus, das sich ostwärts in zwei Apsiden öffnete, das Querhaus wurde aus drei
vergleichbaren Quadraten gebildet, hinzu kam ein basilikales Langhaus, dessen
Joch, wie das Westquerhaus, als Laienkirche diente, sowie eine von Türmen
91
Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 287; Werner Jacobsen, Die Abteikirche in Fulda von
Sturmius bis Eigil-Kunstpolitische Positionen und deren Veränderungen, in: Gangolf
Schrimpf (Hrsg.), Kloster Fulda in der Welt der Karolinger und Ottonen, Frankfurt a. M.
1996, S. 105-127.

Der Alltag der Mönche
35
flankierte Eingangshalle. In der Forschung wurden beide Grundrisse, sowohl die
Heito-Basilika als auch die Plankirche, als sich nahe stehend gesehen.
92
Bisher waren die Vergleiche nur auf die Plankirche bezogen, aber wie sah es mit
den übrigen Gebäuden der Klosteranlage aus? Hier sind ebenfalls Überein-
stimmungen zu finden. Bei Ausgrabungen stellte sich heraus, dass ein von
Angilbert von Saint-Riquier gestaltetes Klaustrum vergleichbar zu dem Klaustrum
des Plans war. Eine Verbindung des Plans zu den zeitgenössischen Klosterbauten
war folglich vorhanden.
93
So zeigen diese Ergebnisse, dass der Plan durchaus ein
Ideal oder Vorbild für Benediktinerklöster darstellte.
94
8.
Reformen und Regel
Welchen Zweck verfolgten aber die Schreiber des Plans? Anhand des
Plans lassen sich die Statuten für die Mönche erfassen und begreifen. Nach den
oben gewonnenen Erkenntnissen lässt sich sogar fast sagen, dass hier die Regula
Benedicti als Zeichnung dargestellt wurde.
95
K. Suso Frank äußert ganz direkt,
dass der Plan als Interpretation der Regel zu verstehen ist.
96
Noch deutlicher hat
Hafner die Gebäude betrachtet und den Bezug zu Hildemars Regelkommentar
hergestellt. Er verwendete die Aussagen Hildemars zu den einzelnen Kloster-
92
Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 291-292/ S. 294; Die Bauten der karolingischen
Bauperiode VI des Kölner Doms entsprachen angeblich dem Klosterplan. O. Doppelfeld, Der
alte Dom zu Köln und der Bauriß von St. Gallen, Das Münster 2, 1948, S. 1-12; Semmler,
Reichsidee und kirchliche Gesetzgebung, in: ZKG 71, 1960, S. 37-65, hier S. 53; Zettler,
Alfons: Die frühen Klosterbauten der Reichenau. Ausgrabungen- Schriftquellen ­ St. Galler
Klosterplan. Sigmaringen 1988; Zettler, Alfons: Der St.Galler Klosterplan. Überlegungen zu
seiner Herkunft und Entstehung, in: Charlemagne's Heir. New Perspectives on the Reign of
Louis the Pious (814-840), hrsg. von Peter Godman und Roger Collins, Oxford 1990, S. 655-
687.
93
Semmler,Die Reform geistlicher Gemeinschaften in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts und
der Klosterplan von St. Gallen, in: Studien zum St. Galler Klosterplan Bd. II, S. 87-105, hier
S. 92; H. Bernard, L' abbaye de Saint-Riquier. Evolution des bâtiments monastiques du IX
e
au
XVIII
e
siècle, in: Sous la règle de saint Benoît. Structures monastiques et sociétés en France
du moyen âge à l' époque moderne, Genf 1982, S. 518-523; Für den heiligen Liudger nimmt
man ebenfalls an, dass er einen Plan beim Bau seines honestum monasterium sub regula
canonica famulantium hatte. Vgl. Semmler, Die Reform geistlicher Gemeinschaften in der
ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts, S. 91-92; Vitae s. Liudgeri, ed. Wilhelm Diekamp, Münster
1881, S. 27-28.
94
Häussling, Liturgie in der Karolingerzeit und der St. Galler Klosterplan, S. 151-183.
95
Edward A. Segal, The Plan of St. Gall and the monastic reform councils of 816 and 817, in:
Cuyahoga Review 1, Parma/ Ohio 1983, S. 57-72; Horn/ Born, New theses about the Plan of
St. Gall, in: Maurer (Hrsg.), Die Abtei Reichenau, Sigmaringen 1974, S. 412-425; Semmler,
Die Reform geistlicher Gemeinschaften, S. 92.
96
Karl Suso Frank, Grundzüge der Geschichte des christlichen Mönchtums, Darmstadt 1975, S.
52-54/ 57-58.

Der Alltag der Mönche
36
bauten und verglich diese mit dem Inhalt des Klosterplans.
97
Im Plan war
eindeutig kein carcer vorgesehen, der aber von Hildemar entschieden gefordert
wurde. Wurde ein Bruder wegen einer schweren Schuld ausgeschlossen, sollte er
laut Hildemar mit dem carcer bestraft werden.
98
Der Anlass des Plans war allen Beteiligten während der Entstehung deutlich vor
Augen. Bisher wurde der St. Galler Klosterplan allerdings mit der Reform von
816/19 verbunden und dadurch in die Zeit um 820 gesetzt.
99
Die neuere For-
schung hat eine Nähe zwischen den Beschlüssen von Aachen und dem Plan von
St. Gallen zwar zugestanden, aber einen zeitlichen und kausalen Zusammenhang
abgestritten
100
. Es war den Forschern aufgefallen, dass nicht alles von der Reform
im Plan übernommen wurde, beispielsweise die Vorschriften, die in Aachen für
das Klaustrum getroffen wurden. Was zum Klaustrum gehörig war, legte zumeist
die Tradition fest.
101
Grundsätzlich bezog sich aber Klaustrum auf einen recht-
winkligen Hof, umgeben von miteinander verbundenen Räumlichkeiten. Diese
waren zumeist das Refektorium, die Küche und die Vorratsräume, sowie das
97
P. Wolfgang Hafner, Der St. Galler Klosterplan im Lichte von Hildemars Regelkommentar, in:
Studien zum St Galler Klosterplan, S. 177-192.
98
Hafner, Der St. Galler Klosterplan im Lichte von Hildemars Regelkommentar, S. 186; Hildemar
von Corbie-Civate, Expositio regulae, hrsg. von R. Mittermüller, Vita et regula ss. patris
Benedicti III, Regensburg 1880, 351,9/ 467,23; Juliane Ohm, Der Begriff Carcer in
Klosterregeln des Frankenreichs, in: Consuetudines Monasticae, hrsg. von Joachim F.
Angerer/ Josef Leinweger, Rom 1982, S. 145-155, hier S. 146/ 148-155.
99
Horn/ Born, The Plan of Saint Gall; Günther Binding/ Matthias Untermann, Kleine
Kunstgeschichte der
mittelalterlichen Ordensbaukunst in Deutschland, Darmstadt 1985, S. 49-
85; Rolf Legler, Der Kreuzgang - Ein Bautypus des Mittelalters, Frankfurt 1989, S. 170-179;
Semmler, Die Reform geistlicher Gemeinschaften, S. 87; Jacobsen, Der Klosterplan von St.
Gallen und die karolingische Architektur, S. 32; Horn, Orginal or Copy?; Stachura, Der Plan
von St. Gallen-ein Orginal?, S. 186; Hecht, "Der St. Galler Klosterplan-Schema oder
Bauplan?", S. 204; ders., Der St. Galler Klosterplan, S. 163-164.
100
Schwind, Zu karolingischen Klöstern als Wirtschaftsorganismen, S. 104-113; Warren
Sanderson, The plan of Saint Gall reconsidered, in: Speculum 60 1985, S. 615-632; L. Nees,
The Plan of Saint Gall and the theory of the program of early medieval art, in: Gesta 25,
1986, S. 1-8; Dieter Hägermann, Der St. Galler Klosterplan- Ein Dokument technologischer
Innovationen des Frühmittelalters?, in: Rheinische Vierteljahresblätter, 54, 1990, S. 1-18;
Zettler, Der St. Galler Klosterplan, S. 655-685; Semmler, Die Reform geistlicher
Gemeinschaften, S. 87-88; Duft, Der karolingische Klosterplan in der Stiftsbibliothek St.
Gallen, S. 9.
101
La Règle de saint Benoît, Bd.I / II, c. 4/ c. 78; Vita Filiberti abbatis Gemeticensis et Heriensis,
in: MGH SS rer Merv V, S. 589-590; Chrodegang von Metz, Regula canonicorum, c. 3/ 4,
hrsg. von J.-B. Pelt, Etudes sur la cathédrale de Metz III, 1: La liturgie, Metz 1937, S. 11-12;
Concilium Foroiuliense (796/97) can. 12, in: MGH Concilia II, S. 193-194; Capitulare
missorum generale (802) cap. 18, in: MGH Capitularia I, S. 95; Concilium Turonense (813)
can. 23-24, in: MGH Concilia II, S. 289: Institutio canonicorum Aquisgranensis (8169 capp
117 und 142-144, in: MGH Conc. II, S. 398/ 417-418; Hildemar von Corbie-Civate, Expositio
regulae, hrsg. von Ruprecht Mittermüller, Vita et Regula ss. patris Benedicti una cum
Expositione Regulae a Hildemaro tradita. III, Regensburg 1880, S. 184/ 613; Semmler, Die
Reform geistlicher Gemeinschaften, S. 89.

Der Alltag der Mönche
37
Dormitorium und die Nebenräume, allerdings ohne die Teile der Klosterkirche, zu
denen Laien, auch Frauen, Zutritt hatten.
102
Auch Hecht äußerte sich zu einer Verbindung zwischen der Reform von Aachen
und dem Klosterplan. Hauptsächlich handelte es sich dabei um einen Vergleich
mit den Beschlüssen der Synode.
103
Benedikt von Aniane legte in Aachen fest,
dass Laien zum Essen und Trinken nicht in das Refektorium der Brüder durften,
so erhielten sie gleichfalls auch im Plan ein eigenes Refektorium. Die Reform
verpflichtete die Mönche dazu, selbst Klosterarbeiten zu erledigen: bisher außer-
halb des Klosters gelegene Werkstätten wurden nun nach drinnen verlegt. Im Plan
sind die Werkstätten des Klosters vorschriftlich aufgenommen.
104
Durch das
Verbot für Abt und Mönche, gemeinsam mit den Laien im Refektorium am Tisch
zu sitzen, ergaben sich erhebliche Schwierigkeiten für die Gastfreundschaft des
Abtes. Um die Gäste ganz offiziell empfangen zu können, bekam der Abt eine
eigene Pfalz, in der er nunmehr mit den Gästen gemeinsam speisen konnte.
105
Nach den Synoden in Aachen musste für Küchen- und Tischdiener zum Mahl ein
gesonderter Raum vorhanden sein, dieser ist nicht im Plan verzeichnet, nur das
Refektorium der Mönche.
106
Auch war kein carcer im Plan und in der Regula
Benedicti vorgesehen, obwohl sich die Synode von Aachen für den Karzer
entschied. Hier stimmen der Plan und die Regula Benedicti überein, aber nicht die
Aachener Synode.
107
Auf der zweiten Sitzung wurde sich gegen Schulen im
102
Emile Lesne, Histoire de la propriété ecclésiastique en France VI, Lille 1943, S. 18-25/ 55-81;
Horn, The origins of medieval cloister, in: Gesta 12 (1973), S. 13-21; Karl Suso Frank, Die
Klosteranlage nach der Regula Magistri, in: Regula Benedicti Studia 6/7, (1977/78), S. 27-46;
Semmler, Die Reform geistlicher Gemeinschaften, S. 89.
103
Hecht, Der St. Galler Klosterplan, 163-164/ S. 166-176.
104
Den richtigen Gebrauch der Bäder stellte man nach der zweiten Synode dem Abt anheim. Auch
der Plan sieht die Bäder nicht nur für Kranke vor. Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 165;
Semmler, Das Erbe der karolingischen Klosterreform, hier S. 53; Synodi II Aquisgranensis
decreta authentica (817), c. 10, ed. Josef Semmler, CCM I, 1963, S. 475.
105
Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 168-169; Capitulare Monastica (817), in: MGH
Capitularia regum Francorum I, ed. Alfred Boretius, Hannover 1883, c. 52, S. 347; Semmler,
Die Beschlüße des Aachener Konzils im Jahre 816, in: ZKG 74, 1963, S. 15-82, hier S. 41;
P. Wolfgang Hafner, Der St. Galler Klosterplan im Lichte von Hildemars Regelkommentar,
in: Studien zum St Galler Klosterplan, hrsg. von Johannes Duft, St. Gallen 1962, S. 177-192,
hier S. 182; Siehe hierzu Hildemar von Corbie-Civate, Expositio regulae, hrsg. von R.
Mittermüller, Vita et regula ss. patris Benedicti III, Regensburg 1880, 507.14/ 611.34; Statuta
Murbacensia, rec. J. Semmler, CCM I, 1963, S. 437-450.
106
Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 171; La Règle de saint Benoît, Bd.I/ II c. 35, S. 564-568;
Synodi II Aquisgranensis decreta authentica (817), c. 10, ed. Josef Semmler, CCM I, 1963, S.
475.
107
Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 172-173; Synodi II Aquisgranensis decreta authentica
(817), c. 22/ 36, ed. Josef Semmler, CCM I, 1963, S. 463/ 468.

Der Alltag der Mönche
38
Kloster entschieden, außer für Oblaten. Im Plan war nur eine Schule verzeichnet,
übereinstimmend mit der Synode von Aachen.
108
108
Hecht, Der St. Galler Klosterplan, S. 173/ 177-181/ 262; Synodi II Aquisgranensis decreta
authentica (817), c. 5, ed. Josef Semmler, CCM I, 1963, S. 474-475.

Der Alltag der Mönche
39
1. Das Handwerk in den großen Abteien
Der Einfluss und das Ansehen des Handwerks im Kloster spiegeln sich
offenkundig in den Erzählungen der Chronisten wider, umrahmt von den Vor-
schriften, Regeln und Idealvorstellungen einer Klosteranlage in der Karolinger-
zeit. Insbesondere handelt es sich hierbei um die Statuten Adalhards von Corbie,
den Klosterplan von St. Gallen und die Regula Benedicti, in der die zumutbaren
handwerklichen Tätigkeiten der Mönche berücksichtigt werden.
109
Ausdrücklich
steht die Darstellung des Handwerks in den Abtsviten und den Casus sancti Galli
im Mittelpunkt dieser Bearbeitung. Zum Handwerk zählte vorzugsweise das
,,Kunsthandwerk", das einige Mönche vorzüglich beherrschten und das ihnen
zudem ein hohes Ansehen verschaffte.
110
1.1 Im
Klosterplan
Entfernte sich der Besucher unterdessen aus dem engeren Klosterbereich,
gelangte er bald an die Grenzen der Anlage und näherte sich sogleich einer
Gruppe einfacher Holzhäuser. Von dort erklang lautes Hämmern und das
gleichmäßige Knistern des Feuers, der Geruch nach brennendem Holz und frisch
gegerbtem Leder hing in der Luft. Dem Klosterplan zufolge lagen hier die
Werkstätten der Schmiede, Sattler und Drechsler. Wegen des durchdringenden
Geruchs standen diese Gebäude in einem größtmöglichen Abstand zu den übrigen
Gebäuden.
111
Für Außenstehende war es fast unmöglich, einen Einblick in die
109
Zum Plan von St. Gallen vgl. Hecht, Der St. Galler Klosterplan; Studien zum St. Galler
Klosterplan II, hrsg. von Peter Ochsenbein/ Karl Schmuki, St. Gallen 2002; Walter Horn, A
Catalogue of Explanatory Titles of the Plan of St. Gall, in: Walter Horn/ Ernest Born, The
Plan of St. Gall, Berkley 1979, Bd. 3, S. 1-88; Zur Regula Benedicti siehe La Règle de saint
Benoît, Bd.I/ II, edd. Jean Neufville/ Adalbert de
Vogüé, Paris 1972, c. 48, S. 598-605; Zu den
Statuten Adalhards von Corbie siehe Statuta seu Brevia Adalhardi, Consuetudines
Corbeienses, rec. Josef Semmler, in: Corpus consuetudinem monasticarum, I. Initia
consuetudine Benedictinae, hrsg. von Kassius Hallinger, Siegburg 1963, S. 355-422;
Semmler, Die Beschlüsse des Aachener Konzils im Jahre 816, in: ZKG 74, 1963, S. 31.
110
Adriaan Verhulst, Economic Organisation, in: The New Cambridge Medieval History, II,
c. 700- c. 900, ed. Rosamond McKitterick, Cambridge 1995, S. 481-509; Adriaan Verhulst/ Josef
Semmler, Les statuts d'Adalhard de Corbie de l'an 822, in: Le Moyen age, 1962, S. 233- 269;
Ekkehard IV. Casus sancti Galli.
111
Die Handwerker getrennt von den übrigen Bewohnern anzusiedeln, wird sich später am
deutlichsten in den Städten widerspiegeln. Hier entstanden im Hoch- und Spätmittelalter
ganze Straßenzüge mit verschiedenen Handwerkszweigen. Besonders der Lärm- und
Geruchsbelästigung, wie sie von Schmieden, Drechslern, Bäckern und Gerbern ausging, sollte
so Abhilfe geschaffen werden. Mit dieser Entwicklung kam es auch zu einer Verbesserung der
Hygiene und der Feuersicherheit. Die Entwicklung des Handwerks in Städten zog eine
Verbesserung der Feuersicherheit, der Hygiene, der Minimierung von Lärm- und
Geruchsbelästigung durch Verbot der Nachtarbeit, Ansiedlung von Schmieden, Böttchern,

Der Alltag der Mönche
40
Arbeitsweise der klösterlichen Handwerker zu erlangen, da Gäste offiziell keinen
Zutritt zu den Werkstätten hatten und ihnen der Kontakt zu den Brüdern verwehrt
wurde.
112
Doch aus den Erzählungen erfährt der Leser, dass zumindest Herrscher
und hochrangige Würdenträger in die Nähe der arbeitenden Mönche gelangten.
Zwar gab es für diese eigenen Gästehäuser im Kloster, aber die gewünschte
Abgeschiedenheit ließ sich nicht erreichen.
113
Dem Betrachter bot sich in jedem Fall das Bild einer abgegrenzten Anlage, mit
eigenen Wirtschaftsgebäuden. Er sah die Schmiedewerkstatt und den aufstei-
genden Rauch, die Wassermühle, deren Rad sich schwungvoll im rauschenden
Fluss drehte und roch den Geruch nach gekochten Speisen und gebackenem Brot,
der aus der Klosterküche und der Bäckerei kam. Die Klosteranlage sollte nach der
Regula Benedicti über alles verfügen, um eigenständig leben zu können, dazu
gehörten eine Kirche, Konventsgebäude und Werkstätten, beispielsweise für
Küfer, Drechsler und Schmiede, ebenso eine Bäckerei, eine Brauerei und Mühlen,
Scheunen, sowie ein Gemeinschaftshaus der Handwerker. Hierdurch sollte ein
überflüssiges Umherziehen der Mönche außerhalb der Klosteranlage unterbunden
werden, damit in der Welt kein Schaden an ihrer Seele entstehen konnte. Die
Bewohner sollten nach Möglichkeit im Eigenbedarf decken, was für sie zum
Leben notwendig war, daher gab es einen Garten für Gemüse und Obst, dank dem
Gerbern oder Färbern in bestimmten Straßenzügen nach sich. Hans-Peter Baum, Handwerk,
in: Lexikon des Mittelalters, Bd. IV, Sp. 1910-1918, hier Sp. 1912.
112
Joachim Angerer, Stifte und Klöster- in Bayern, Österreich und der Schweiz, 1987, S. 275. In
Cluny wurden die Diener (famuli) aus dem claustrum ausgeschlossen, die Mönche im
Refektorium achteten darauf, dass die Diener nicht in die Klausur gelangten. Die Laiendiener
blieben von den Mönchen fern, nur in Bezug auf die Pflege war dies nicht vollständig
möglich, so entstanden hier besondere Vorschriften. Vgl. Wolfgang Teske, Laien,
Laienmönche und Laienbrüder in der Abtei Cluny. Ein Beitrag zum ,,Konversen-Problem", in:
FmSt Bd. 10, 1976, S. 248-322, hier S. 271.
113
Ekkehard IV., Casus sancti Galli, in: St. Galler Klostergeschichten, hrsg. von Hans F. Haefele,
Darmstadt 1980, c. 38, S. 86-89: Nam rex idem cum ob caritates agendas fratribus, ut solebat,
cenobio veniret totumque truduum gratia reverentie conversantium ibidem moraretur
sanctisque nostris, ut et Ratpertus scribit, munificus, abbate iam mutato abire parasset, ille
quidem elati animi capellanus virum Die psalterio, ut solebat, assidentem praeteriens
conspexit. ... Auch eine zunehmende Zahl an verbrüderten Laien mit dem Kloster zeigt, dass
die Mönche einen gesteigerten Umgang mit der äußeren Welt erfuhren. Vgl. Karl Schmid,
Mönchtum und Verbrüderung, in: Raymund Kottje und Helmut Maurer (Hrsg.), Monastische
Reformen im 9. und 10. Jahrhundert, Sigmaringen 1989, S. 117-146, hier S. 136-137; Das
ruhige monastische Leben wurde von den Tätigkeiten der Glaubensverkündung und
Nächstenliebe gestört. Für die Pflege und Versorgung der Armen, Kranken und Gäste wurden
nun sogar die Nachtwachen, Lesungen und Meditationen unterbrochen. Die primäre Aufgabe
des Mönches war im Grunde nicht der Dienst an anderen Menschen, sondern die eigene
Vervollkommnung. Arnold Angenendt, Die christliche Vollkommenheit. Realisation im
Klosterleben, in: Karl Hengst (Hrsg.), Westfälisches Klosterbuch, Bd. 3, Institutionen und
Spiritualität, Münster 2003, S. 15-41, hier S. 32-34.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836614252
DOI
10.3239/9783836614252
Dateigröße
5.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf – Philosophische Fakultät, Geschichte und Politikwissenschaften
Erscheinungsdatum
2008 (Juni)
Note
2,0
Schlagworte
kloster gallen mittelalter mönch alltagsleben klosterstruktur
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