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Thematisierte Erlebnis- und Konsumwelten

Fluch oder Segen für Anbieter und Konsumenten?

©2008 Diplomarbeit 84 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Themenkomplex der Erlebnis- und Konsumwelten. Das Angebot an Ferienparks, Freizeitparks, Urban-Entertainment-Centern und ähnlichen Einrichtungen hat sich in den vergangenen Jahren ausgeweitet. Kennzeichnend ist die Verknüpfung von Erlebnis- und Konsumkomponenten in virtuellen und nicht-virtuellen Ausprägungen. Die zentrale Fragestellung lautet, ob Erlebnis- und Konsumwelten ein Fluch oder ein Segen für Anbieter und Konsumenten sind. Die Basis zur Annäherung an die Fragestellung bildet im ersten Kapitel die Auseinandersetzung mit dem Freizeitbegriff in historischer und definitorischer Form. Seit Mitte der 1950er Jahre hat es diverse Zeitzäsuren gegeben, mit denen Veränderungen der gesellschaftlichen Arbeits- und Wertstrukturen einhergingen. Der Einzug des Fernsehens in private Haushalte und die Fortentwicklung multimedialer Möglichkeiten bilden die Basis des Aufstiegs vielfältiger Erlebnis- und Konsumangebote. Dieses wird im zweiten Kapitel dargelegt. Viele Anbieter in diesem Feld zeichnen sich durch ein hohes Maß an standardisierten Strukturen aus.
Die Theorie der „McDonaldisierung der Gesellschaft“ (RITZER, 1995) analysiert diese Ausgestaltungen kritisch. Im dritten Kapitel werden die Prinzipien des Mc Donald´s Systems hinsichtlich ihrer Funktions- und Wirkungsweisen untersucht. Zusammengenommen bilden der Freizeitbegriff und die Theorie der McDonaldisierung das theoretische, makrosoziologische Grundgerüst der Arbeit. In einem zweiten Schritt werden diverse Einrichtungen aus dem Feld der Erlebnis- und Konsumwelten strukturell aus mikrosoziologischer Perspektive analysiert. Im vierten Kapitel wird der Blick auf virtuelle Angebote gerichtet. Standardisierung begegnet uns in der modernen Welt in mehrdimensionaler Art und Weise. Einerseits findet sie Anwendung als Mittel der Unternehmensorganisation, andererseits bietet sie Orientierungsmöglichkeiten für den Konsumenten. Dieses Phänomen wird im fünften Kapitel am Beispiel von Klassifizierungen im Hotel- und Beherbergungsgewerbe diskutiert. In diesem Zusammenhang wird ein besonderes Augenmerk auf die vielfältigen Wirkungsweisen der Angebote gelegt. Diese stehen in direktem Zusammenhang mit der Beantwortung der Kernfrage.
Natur-, Kultur-, Freizeit- und Konsumerlebnisse überlagern sich zunehmend. Der Begriff der Erlebniswelt dient als Oberbegriff für eine Vielzahl klassischer und neuartiger Einrichtungen. In diesem Zusammenhang […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Definition von Freizeit
1.1 Historische Entwicklung der Freizeit
1.2 Verortung der Begriffe Spiel, Muße, Arbeit und Freizeit im Erlebniskontext
1.3 Der Zusammenhang zwischen Freizeit und Freiheit
1.4 Zeitzäsuren in der Freizeitentwicklung
1.5 Der Begriff der Obligationszeit

2. Freizeitumfang
2.1 Die zeitliche Verortung des Feierabends
2.2 Der Einfluss des medialen Wandels auf die Freizeit
2.3 Der Stellenwert des Fernsehens und des Internets im Freizeitbezug
2.4 Standardisierte Freizeitmöglichkeiten

3. McDonaldisierung
3.1 Unternehmensstruktur McDonald´s
3.1.1 Die Entstehung und Entwicklung der Leitsätze von McDonald´s
3.1.2 McDonald´s in Zahlen
3.2 McDonaldisierung nach George Ritzer
3.2.1 Erfolgselemente des McDonald´s-Systems
3.2.2 Positive Effekte der McDonaldisierung
3.2.3 Die Irrationalität rationaler Systeme auf der Makro-Ebene
3.2.4 Die Rationalisierung der Freizeit
3.2.5 Fordismus und die vier Elemente formaler Rationalität
3.2.6 Vorläufer der McDonaldisierung
3.2.7 Der Kunde als günstigste Arbeitskraft
3.2.8 Rückbesinnungsphänomene
3.2.9 Entmenschlichte Dienstleistungen

4. Virtuelle Konsumwelten
4.1 QVC: Deutschlands größter Shoppingsender
4.2 Teleshoppinganbieter in Deutschland
4.3 TV-Produktpräsentationen
4.4 TV- und Internetauktionen

5. Standardisierung im Hotel- und Beherbergungsgewerbe
5.1. Hotelklassifizierung in Form von Sternen
5.2 Kriterien der Hotelklassifizierung in Deutschland
5.3 Pauschalangebote durch Reiseveranstalter
5.4 Hotelbewertungsportale als Antwort auf Pauschalangebote
5.5 Zusatznutzen in Form von Kundenbindungsprogrammen
5.6 Die Irrationalität des Rationalen auf der Mikro-Ebene
5.7 Der Bezug der Postmoderne zur McDonaldisierung

6. Kathedralen des 21. Jahrhunderts
6.1 Kultur oder Kulisse?
6.2 Inszenierte Authentizität
6.3 Frühe Kritiker der Erlebnisorientierung
6.4 Wertewandel als Steuerungsfaktor der Erlebnis- und Konsumwelten
6.5 Konsumententypologien
6.6 Das Armut-Wohlstand-Paradox und der Begriff der Luxese

7. Definition Erlebniswelt
7.1 Akteure der Erlebnis- und Konsumwelten
7.1.1 Konfliktmanagement in der Planungsphase als kooperatives Mittel
7.2 Mixed-Use-Center
7.3 Die besucherstärksten Freizeitparks in Deutschland
7.3.1 Freizeitparks – Ein krisensicheres Geschäft?
7.3.2 Parkeigene Hotelbetriebe
7.3.3 Sind Themenparkbesucher distanzempfindlich?
7.3.4 Wieso kehren die Besucher zurück?
7.4 Brand-Lands und Corporate-Lands
7.5 Urban-Entertainment-Center in Deutschland
7.5.1 Einkaufszentren im Ruhrgebiet
7.5.2 Deutschlands größtes UEC, das CentrO in Oberhausen
7.5.2.1 Auswirkungen des CentrO auf die traditionelle Innenstadt
7.6 Klassische Innenstädte vs. Einkaufszentren

8. Erlebnis- und Konsumwelten – Fluch oder Segen für Anbieter und Konsumenten?
8.1 Künstlichkeit und Massenhaftigkeit von Erlebnis- und Konsumwelten
8.2 Eventkultur vs. Hochkultur
8.3 Erlebnis- und Konsumwelten – Fluch oder Segen?

9. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Themenkomplex der Erlebnis- und Konsumwelten. Das Angebot an Ferienparks, Freizeitparks, Urban-Entertainment-Centern und ähnlichen Einrichtungen hat sich in den vergangenen Jahren ausgeweitet. Kennzeichnend ist die Verknüpfung von Erlebnis- und Konsumkomponenten in virtuellen und nicht-virtuellen Ausprägungen. Die zentrale Fragestellung lautet, ob Erlebnis- und Konsumwelten ein Fluch oder ein Segen für Anbieter und Konsumenten sind. Die Basis zur Annäherung an die Fragestellung bildet im ersten Kapitel die Auseinandersetzung mit dem Freizeitbegriff in historischer und definitorischer Form. Seit Mitte der 1950er Jahre hat es diverse Zeitzäsuren gegeben, mit denen Veränderungen der gesellschaftlichen Arbeits- und Wertstrukturen einhergingen. Der Einzug des Fernsehens in private Haushalte und die Fortentwicklung multimedialer Möglichkeiten bilden die Basis des Aufstiegs vielfältiger Erlebnis- und Konsumangebote. Dieses wird im zweiten Kapitel dargelegt. Viele Anbieter in diesem Feld zeichnen sich durch ein hohes Maß an standardisierten Strukturen aus. Die Theorie der „McDonaldisierung der Gesellschaft“ (Ritzer, 1995) analysiert diese Ausgestaltungen kritisch. Im dritten Kapitel werden die Prinzipien des Mc Donald´s Systems hinsichtlich ihrer Funktions- und Wirkungsweisen untersucht. Zusammengenommen bilden der Freizeitbegriff und die Theorie der McDonaldisierung das theoretische, makrosoziologische Grundgerüst der Arbeit. In einem zweiten Schritt werden diverse Einrichtungen aus dem Feld der Erlebnis- und Konsumwelten strukturell aus mikrosoziologischer Perspektive analysiert. Im vierten Kapitel wird der Blick auf virtuelle Angebote gerichtet. Standardisierung begegnet uns in der modernen Welt in mehrdimensionaler Art und Weise. Einerseits findet sie Anwendung als Mittel der Unternehmensorganisation, andererseits bietet sie Orientierungsmöglichkeiten für den Konsumenten. Dieses Phänomen wird im fünften Kapitel am Beispiel von Klassifizierungen im Hotel- und Beherbergungsgewerbe diskutiert. In diesem Zusammenhang wird ein besonderes Augenmerk auf die vielfältigen Wirkungsweisen der Angebote gelegt. Diese stehen in direktem Zusammenhang mit der Beantwortung der Kernfrage.

Natur-, Kultur-, Freizeit- und Konsumerlebnisse überlagern sich zunehmend. Der Begriff der Erlebniswelt dient als Oberbegriff für eine Vielzahl klassischer und neuartiger Einrichtungen. In diesem Zusammenhang wird auch von den „Kathedralen des 21. Jahrhunderts“ (Opaschowski, 2000) gesprochen. Diese sind Gegenstand der Diskussion des 6. Kapitels. Ein Überblick der subsumierten Angebote wird im 7. Kapitel erfolgen. Darüber hinaus werden die an Erlebnis- und Konsumeinrichtungen beteiligten Akteure vorgestellt und Umgangsoptionen mit möglichen Konfliktpotentialen diskutiert. Die Begrifflichkeiten von Einrichtungen im Themenkomplex der Konsumwelten sind vielfältig. Dies macht spezifische Definitionen und Abgrenzungen notwendig. So werden beispielsweise die Begriffe Mixed-Use-Center und Urban-Entertainment-Center definiert, ihre Spezifika herausgearbeitet und voneinander abgegrenzt. Die Struktur von Freizeitparks, ihre innere Ausgestaltung, die Erweiterung des Angebots und die Wirkung auf den Besucher bilden einen weiteren Themenkomplex. Während Freizeitparks ursprünglich als Tagesausflugsziele konzipiert waren, geht der Trend zu mehrtägigen Aufenthalten. Investitionen in parkeigene, meist thematisierte, Hotelbetriebe wurden notwendig. Es wird der Frage nachgegangen, worin der Reiz eines Themenparkbesuchs liegt und wieso viele Besucher mehrfach auf die Gelände zurückkehren. Nach der strukturellen Analyse des größten deutschen Einkaufszentrums, des CentrO in Oberhausen, wird im 8. Kapitel die Kritik an Konsum- und Erlebniswelten aufgegriffen. In diesem Zusammenhang wird resümierend der Frage nachgegangen, ob Erlebnis- und Konsumwelten einen Fluch oder Segen für Anbieter und Konsumenten darstellen.

1. Definition von Freizeit

1.1 Historische Entwicklung der Freizeit

Der Begriff Freizeit geht auf den spätmittelalterlichen Rechtsbegriff frey-zeyt zurück, der im 14. Jahrhundert die Marktfriedenszeit beschrieb. In jenem Zeitabschnitt wurde Marktreisenden und Besuchern Sicherheit vor Gewalt und Störungen aller Art, einschließlich Zwangshandlungen wie Verhaftungen und Vorladungen, gewährleistet. Zuwiderhandlungen wurden doppelt geahndet. Frey-zeyt war damals somit temporäre Friedenszeit.

In der Öffentlichkeit und in den Medien wird häufig betont, dass der Freizeitumfang zugenommen habe. Der Vergleich stützt sich jedoch ausschließlich auf die Frühzeit der wirtschaftlichen Expansion in Westeuropa und den USA. Zudem beziehen sich nur auf Phänomene der Industrialisierung. In der Antike gab es zahlreiche Festtage und Festzeiten, an denen nicht gearbeitet wurde. „In der Mitte des 4. Jahrhunderts zählte man in der römischen Republik nicht weniger als 175 Ruhetage“ (Opaschowski,1997, S. 26). Seit dem 15. Jahrhundert nahm die Zahl der Ruhetage stetig ab. Mit der Geburt der modernen Industriegesellschaft entwickelte sich die Trennung von Arbeitszeit und Freizeit.

Wenn wir uns dem Begriff der Freizeit im 21. Jahrhundert definitorisch nähern wollen, ist die Beschäftigung mit dem Arbeitsbegriff unabdingbar. Im alltäglichen Vorverständnis bedingen sich Arbeitszeit und Freizeit gegenseitig. Sie bilden eine Art Gegensatz. Im Alltagskontext beginnt Freizeit dann, wenn Menschen nicht Arbeiten. „Aus einem arbeitsabhängigen Zeitbegriff, der Freizeit negativ als Abwesenheit von Arbeit definierte, hat sich heute ein positives Freizeitverständnis entwickelt: Freizeit ist eine Zeit, in der man frei für etwas ist“ (Opaschowski, 1997, S. 31). Freizeit ist eher ein positives Lebensgefühl als eine arbeitsabhängige Zeitkategorie. Ob sich Arbeiten lediglich auf Erwerbsarbeit bezieht oder ob auch andere Formen wie zum Beispiel Hausarbeit, Gartenarbeit, Kindererziehung u.s.w. zur Arbeitszeit zählen bleibt eine Frage der individuellen Perspektive. Die Beschäftigung mit Kindern beispielsweise, wird primär von Hausfrauen als Pflichtbeschäftigung angesehen und nicht als freizeitzugehörige Aktivität gewertet. Gleiches gilt für die Hausarbeit. Der Grad der Fremdbestimmung bildet ebenfalls einen zentralen Faktor der Zuordnung.

„Freizeit ist das, was die Mehrheit als Freizeit empfindet“ (Opaschowski, 1997, S. 23). Der Begriff der Mehrheit kann sich auf die Gesamtbevölkerung als auch auf einzelne Bevölkerungsgruppen beziehen. „Einen Roman lesen kann für Studenten Freizeitcharakter haben, für Industriearbeiter aber anstrengende Arbeit sein“ (Opaschowski 1997, S. 23). Je weniger zwanghaft oder verpflichtend eine Tätigkeit ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit diese der Freizeit zuzurechnen. Eine eindeutige Definition und trennscharfe Abgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit ist daher problematisch.

1.2 Verortung der Begriffe Spiel, Muße, Arbeit und Freizeit im Erlebniskontext

Der Schweizer Sozialwissenschaftler Dieter Hanhart hat in den 1960er Jahren den Erlebnisgehalt der Begriffe Spiel, Muße, Arbeit und Freizeit näher zu bestimmen und miteinander zu vergleichen versucht. Hanhart kam bereits 1964 zu folgenden Erkenntnissen:

- Spiel wird als etwas Frisches, Frohes, Gutes und Wildes betrachtet und als der Inbegriff von Lebensfreude und Lebenslust erlebt
- Muße gilt als etwas Warmes, Rundes, Gelöstes und Tiefes und erscheint als der Inbegriff der Geborgenheit, Entspanntheit und Gelöstheit
- Arbeit gilt (in der Rangfolge) als aktiv, voll, groß, stark, gesund, mutig, klar und gespannt. Arbeit wird somit als starker Gegensatz zu Spiel und Muße empfunden
- Freizeit werden die Eigenschaften frisch, schön, gut, voll, gesund, froh, aktiv, mutig, stark, hoch, klar und warm zugeschrieben (Opaschowski, 1997, S.22)

Wenn man dieser Darstellung folgt, neigt die Freizeit weder eindeutig zum Spiel noch eindeutig zur Arbeit. Freizeit kann als Rahmenbegriff angesehen werden, der im Gegensatz zur Muße, nicht auf konkrete Inhalte hinweist. Arbeit und Spiel sind sich bedeutungsähnlicher als Muße und Spiel. Den Begriffen gemein ist die mögliche Wettkampfsituation. Den ausgeprägtesten Gegensatz bilden nicht Arbeit und Freizeit, sondern Muße und Arbeit. Wenn Freizeit als Rahmenbegriff verstanden wird, ergibt sich eine Zeiteinheit, die gestaltet werden muss. Beim Begriff der Muße ist der Zustand bereits erreicht und die Zeiteinheit gefüllt. Die Redewendung „sinnvolle Freizeit“ ist in der Literatur existent, „sinnvolle Muße“ jedoch nicht (vgl. Opaschowski, 1997, S.23).

1.3 Der Zusammenhang zwischen Freizeit und Freiheit

Freizeit ist nicht zwangsläufig etwas rein Positives, dies macht die Reflektion Opaschowskis deutlich. Freizeit besitzt zwei unterschiedliche Seiten.

Zu den positiven Aspekten gehören für ihn beispielsweise schlafen, gemütlich essen, kochen, Musik hören, Musik machen, klönen, Sexualität, spazieren gehen, Kultur (...).

Der negativen Seite schreibt er Stress, Langeweile, Staus, überfüllte Veranstaltungen, Gewalt (...) zu (vgl. Opaschowski, 1997, S.18).

Opaschowski kommt zu dem Schluss, dass Freizeit nicht mit Freiheit gleichzusetzen ist. „Unter der dünnen Glitzerschicht stellt die Freizeit einen psychologisch hochkonflikthären Bereich dar“ (Opaschowski, 1997, S.21). Freizeit ruft Emotionen und Assoziationen hervor, die häufig traumhafte Wunschvorstellungen enthalten. Die Alltagsfreizeit wird diesen idealisierten Traumvorstellungen jedoch oft nicht gerecht. Dem Wunsch nach Freisein und Ungebundenheit stehen Ruhe und Erholung gegenüber. Anders gesagt, Freizeit enthält auf Aktivität beruhende Wünsche und auf Passivität zielende Bedürfnisse. Vielfach gewinnt die Passivität die Oberhand vor Tatendrang und Aktivität. Oft sind Menschen in ihrem Alltag viel zu eingespannt um bewusst ausspannen zu können. „Freizeit par excellence“ sieht Opaschowski im Urlaub, wo eine zeitliche und teilweise auch räumliche Trennung von der Arbeit stattfindet. „Für Nichtstun und Fernsehen ist im Freizeit-Ideal kaum Platz- dafür um so mehr in der Realität!“ (Opaschowski, 1997, S.20).

In der Literatur wird der heutige Umfang und die Zunahme freier Zeit überwiegend mit der Frühzeit der wirtschaftlichen Expansion in England, Frankreich und Amerika verglichen. Die direkte Gegenüberstellung führt zu dem Schluss, dass es heute sehr viel mehr an freier Zeit für den Einzelnen gibt als in der Industrialisierungsphase des 19. Jahrhunderts. Es handelt sich um die Wiedergewinnung von Freizeit, die in der vorindustriellen Gesellschaft gegeben war, auch wenn der Bereich nicht eigenständig betitelt, sondern in das Leben integriert wurde. Der moderne Lebensstil führt dazu, dass ein höheres Maß an Freizeit durch typische Belastungen wie beispielsweise längere Arbeitswege und Leistungsdruck teilweise wieder aufgehoben wird. „Der Kampf um substantiell mehr freie Zeit, größere Dispositionsspielräume, mehr persönlichen Freiraum und größere Freiheitschancen geht weiter“ (Opaschowski, 1997, S. 28).

1.4 Zeitzäsuren in der Freizeitentwicklung

In der historischen Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg lassen sich vier Zeitzäsuren bestimmen.

Erste Zeitzäsur:

In den 1950er Jahren war das Leben primär durch Arbeiten bestimmt. Es existierte die 6 Tage und 48 Stunden Woche. Die 15 Tage Erholungsurlaub wurden meist zu Hause oder bei Verwandten verbracht. „Man lebte in der Arbeitsgesellschaft und lebte mit und von der Arbeit“ (Opaschowski, 1997, S. 29).

Zweite Zeitzäsur:

Bis in die 1970er Jahre war Arbeit noch das bestimmende Strukturmerkmal. Die Freizeit wurde jedoch durch die Einführung der 5-Tage Woche (42 Stunden Arbeitszeit) stetig mehr. Trotzdem blieb das Arbeitsquantum dominierend. Derjenige, der viel arbeitete, konnte sich in der Freizeit mehr leisten. Das Wochenende diente nicht mehr nur als reine Regenerationszeit, sondern bekommt „... einen eigenen Erlebniswert für Geselligkeit und außerhäusliche Unternehmungen“ (Opaschowski, 1997, S. 29).

Dritte Zeitzäsur:

Um 1990 veränderte sich der Struktur- und Wertewandel. Freizeit und Freunde besitzen eine ähnliche Wertigkeit wie Arbeit und Geld verdienen. Die 5 Tage Woche blieb bestehen, die 40 Stunden Woche wurde unterschritten. Daraus ergibt sich, dass 2043 Stunden Arbeitszeit 2100 Stunden Freizeit gegenüber standen. Arbeit und Freizeit nähern sich in den 1990er Jahren in bezug auf Quantität und Qualität an.

Aus der Arbeitsgesellschaft entwickelt sich mehr und mehr eine Leistungsgesellschaft.

Vierte Zeitzäsur:

Eine reine Freizeitgesellschaft wird es jedoch nicht geben. „Arbeit als Symbol für sinnvolle menschliche Tätigkeit wird auch inmitten wachsender freier Zeit ihren Wert behalten“ (Opaschowski, 1997, S. 30). Leistung ist das zentrale Merkmal, sie steht für Qualität im gesamten beruflichen und privaten Leben.

1.5 Der Begriff der Obligationszeit

Mit diesem Prozess geht eine Veränderung der Zeitbudgetentwicklung einher, die Erfüllung obligatorischer Alltagsaufgaben nimmt mehr Zeit in Anspruch als bisher. Zu dieser aufzubringenden Obligationszeit gehören beispielsweise:

- Haushalts- und Reparaturarbeiten
- Einkäufe und Konsumentscheidungen
- Behördengänge, Erledigungen und Besorgungen
- Familiäre und soziale Verpflichtungen
- Gemeinnützige Tätigkeiten und Freiwilligenarbeit (vgl. Opaschowski, 1997, S. 30)

Insgesamt wird von einer Entwicklung von der primär erwerbsorientierten Arbeitsgesellschaft, hin zur tätigkeitsorientierten Leistungsgesellschaft gesprochen. Dieser Übergang bietet Konfliktpotential, da sich Produktivitäts- und Nützlichkeitsansprüche nicht mehr nur auf das Arbeitsleben beziehen.

2. Freizeitumfang

2.1 Die zeitliche Verortung des Feierabends

Das Zeitbudget an frei verfügbarer Zeit hat seit 1950 stetig zugenommen. Die tägliche Arbeitszeit nahm ab, das Wochenende verlängerte sich und die Zahl der Urlaubstage hat sich nahezu verdreifacht. Nach einer Erhebung aus dem Jahr 1991, in der 7200 Tagesablaufprotokolle deutscher Haushalte vom Statistischen Bundesamt ausgewertet wurden, ergab sich ein durchschnittlicher Freizeitumfang, für alle Personen ab 12 Jahren, von rund fünf Stunden pro Tag (vgl. Opaschowski, 1997, S. 33). In dieser Erhebung zählen Mediennutzung, Gespräche und Geselligkeit, Spiel und Sport sowie Musik und Kultur zur Freizeit. Einige Bevölkerungsgruppen, wie beispielsweise Schüler, Studenten und Rentner kommen auf rund sechs Stunden, Familien mit Kindern unter 6 Jahren auf vier Stunden Freizeit pro Tag.

Der klassische Feierabend beginnt um 18 Uhr und endet gegen 22 Uhr. Männer haben generell mehr freie Zeit als Frauen und sind somit in fast allen Freizeitbereichen überrepräsentiert. Aufgrund der Explosion des Konsum- und Medienangebots hat sich das subjektive Gefühl der Zeitnot verstärkt. Diese Zeitnot wird durch weniger Schlaf kompensiert. Die durchschnittliche Schlafmenge nimmt tendenziell ab. Unter Studenten beträgt die Schlafzeit im Mittel knapp sieben Stunden. Opaschowski prognostiziert als langfristige Folge ein erhöhtes Gesundheitsrisiko. Zu den gesellschaftlichen Auswirkungen äußert er: „Hyperaktive Menschen, die in Zukunft mit wenig Schlaf auskommen, werden gesellschaftlich auch noch hoch eingeschätzt. Und im Umkehrschluss gilt: Wer viel schläft, lebt – vermeintlich – am Leben vorbei.“ (Opaschowski, 1997, S.35).

Im Jahr 1950 begann der Feierabend im Schnitt gegen 20 Uhr, heutzutage bereits gegen 17.30 Uhr. Die Medien haben sich auf diese Veränderungen eingestellt, schon im Jahr 1973 verlegte das Zweite Deutsche Fernsehen die Nachrichtensendung „heute“ von 20 Uhr auf 19 Uhr. Opaschowski vermutete eine Streckung des Hauptprogramms, diese Vermutung ist eingetreten, da viele quotenstarke Fernsehsendungen schon vor 18 Uhr, aber auch nach 22 Uhr beginnen.

Diese zeitlichen Angaben bilden jedoch kein repräsentatives Abbild der gesellschaftlichen Feierabendstruktur. In vielen Branchen besteht ein Zwang zur Schicht- Nacht- und Wochenendarbeit. Auch Branchen, die früher einer klaren, zeitdimensionalen Struktur unterlagen, erfahren heute eine größer werdende Dynamik. Als Beispiel ist die Änderung des Ladenschlussgesetzes und die daraus resultierende Verlängerung der Öffnungszeiten zu nennen.

Mit dem Verlassen des Arbeitsplatzes beginnt jedoch noch nicht der Feierabend, vielfach sind Arbeitnehmer nach Dienstende mit Übergangsaktivitäten wie beispielsweise dem Pendeln zum Wohnort, Hausarbeiten oder Einkaufen beschäftigt. Der zeitliche Aufwand der Übergangsaktivitäten hat tendenziell zugenommen.

„Trotz deutlicher Arbeitszeitverkürzungen in den letzten zwanzig Jahren wächst das subjektive Gefühl, über zu wenig Freizeit zu verfügen“ (Opaschowski, 1997, S. 36). Anders ausgedrückt, die Obligationszeit des Einzelnen nimmt zu. Dieses subjektive Gefühl lässt sich zur Verdeutlichung noch pointierter ausdrücken: „Berufstätige können eigentlich nie genug Freizeit haben, da ihnen acht Stunden am Tag fehlen.“ (Opaschowski, 1997, S. 36). Diese generalisierte These lässt sich industriesoziologisch mit den international differierenden Einstellungen zur Arbeit stützen. Im internationalen Vergleich leben die Deutschen von der Arbeit, die Amerikaner mit der Arbeit und die Japaner für die Arbeit. Aus dieser These schließen Industrie- und Organisationssoziologen Rückschlüsse auf den Stellenwert der Arbeit innerhalb einer Gesellschaft.

Freizeit lässt sich vielfältig gestalten, da sich das Angebot ständig erweitert. Im Umkehrschluss wächst das Bewusstsein in der Bevölkerung, dass ein Zuviel an Freizeit unmöglich ist.

2.2 Der Einfluss des medialen Wandels auf die Freizeit

Das Freizeitverhalten hat sich gewandelt, ein Hauptfaktor ist die Zunahme der medialen Möglichkeiten. Bevor das Fernsehen seinen Siegeszug in Privathaushalte begann, zählte „Aus dem Fenster schauen“ zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen. Heute dominieren Fernsehen, sowie die geradezu unbegrenzten Möglichkeiten des Internets und der Telekommunikation das Freizeitverhalten. Die Menschen haben sich sehr schnell daran gewöhnt, ein breit gefächertes und 24-stündiges Fernsehprogramm empfangen zu können, dieses wurde erst 1990 eingeführt. Kritiker behaupten, dass ein Mehr an Möglichkeiten zu weniger Intensität führt.

„Mehr, schneller, weniger intensiv: Die Schnelllebigkeit hat Oberflächlichkeit zur Folge. Der Medienkonsum ist davon am meisten betroffen.“ (Opaschowski, 1997, S.40). Vielfältige Möglichkeiten der Freizeitgestaltung führen jedoch zeitgleich dazu, dass der Einzelne, spezifische Entscheidungen treffen muss, womit er sich beschäftigen möchte. Dies erfordert eine stärkere und intensivere Selektion. Es wird notwendig, eine individuelle Struktur in das teilweise unüberschaubare Angebot zu bringen. Der Stellenwert des Grades der Transparenz des Angebots wird im Laufe der Arbeit noch thematisiert werden. Er bildet einen zentralen Faktor in der Diskussion der Frage, ob die Expansion von Erlebnis- und Konsumwelten eher positiv oder negativ zu bewerten ist.

2.3 Der Stellenwert des Fernsehens und des Internets im Freizeitbezug

Das stabilste Freizeitelement ist das Fernsehen, rund 90 % der Jugendlichen nutzen es intensiv. Daran ändert sich bis ins hohe Alter wenig, denn auch bei älteren Menschen liegt die Quote ebenfalls bei rund 90%.

Der Einzug von Computern und Internetanschlüssen in Privathaushalten führt zu Verschiebungen. Die Anbieter stellen sich mehr und mehr auf die Bedürfnisse verschiedener Zielgruppen ein, auch ältere Menschen entdecken das World-Wide-Web für sich. Erlebnis und Konsum findet somit nicht mehr nur in der realen, sondern mehr und mehr auch in der virtuellen Welt statt. Daraus ergeben sich einerseits Chancen, andererseits individuelle und soziale Risiken. Bedürfnisse verschiedenster Art können nicht mehr nur real, sondern auch virtuell befriedigt werden und das, falls gewünscht, mit einem hohen Maß an Anonymität. Das Internet ist die Basis einer neuen Art der Kommunikation, in dem Zusammenhang wird in der Literatur auch vom „globalen Dorf“ gesprochen. Geprägt wurde der Begriff durch Marshall Mc Luhan, der bereits im Jahre 1962 das Buch „The Gutenberg Galaxy“ veröffentlichte. Mc Luhan sah den Begriff jedoch nicht positiv, er warnte vor Totalitarismus und Terrorismus. Das Thema ist aktueller denn je, wenn wir an die jüngste Diskussion über den staatlichen Eingriff und die Überwachung privater Internetnutzung im terroristischen Verdachtsfall denken. Allgemein wird vom elektronischen Zeitalter gesprochen, welches die Gutenberg-Galaxis ablöst.

2.4 Standardisierte Freizeitmöglichkeiten

Das Voranschreiten des elektronischen Zeitalters führt mehr und mehr zu einem Leben in und mit virtuellen Welten. Realität und Virtualität vermischen sich zunehmend. Virtuelle Welten bieten nahezu grenzenlose Angebote. Eine Flut von Informationen und Möglichkeiten wird von den Nutzern nach eigenen Vorlieben selektiert. Zeitgleich finden Standardisierungsprozesse statt, Filialisten halten Einzug in die Innenstädte, Einkaufszentren entstehen und Systemgastronomien wie Mc Donald´s gehören für viele Menschen inzwischen zum täglichen Leben. Als Basis zur kritischen Auseinandersetzung mit den „Kathedralen des 21. Jahrhunderts“ (Opaschowski, 2000) gehört die Theorie der „McDonaldisierung der Gesellschaft“ (Ritzer, 1995) Opaschowski kam zu der Erkenntnis, dass Freizeit nicht mit Freiheit gleichzusetzen ist. Es wird der Frage nachgegangen, wie hoch der Grad der Freiheit innerhalb der Freizeit ist. Die Theorie der McDonaldisierung gibt darauf eine klare Antwort: „Die Freizeit ist schlicht zu einer weiteren Domäne der Rationalisierung geworden und stellt keinen Ausweg mehr dar.“(Ritzer 1995, S.49).

3. McDonaldisierung

3.1 Unternehmensstruktur McDonald´s

3.1.1 Die Entstehung und Entwicklung der Leitsätze von McDonald´s

Der Begriff der McDonaldisierung geht auf den Soziologen George Ritzer zurück, der im Jahre 1993 das Buch „The McDonaldisation of Society“ veröffentlichte. Bevor die Inhalte und Hintergründe der McDonaldisierung dargestellt werden, möchte ich einen Blick auf die Geschichte und die aktuelle Entwicklung des Unternehmens richten.[1]

Der Grundstein wurde im Jahre 1948 in Kalifornien gelegt, als Maurice und Richard McDonald ein Schnellrestaurant eröffneten. Ihr gesetztes Ziel war die frische Zubereitung und schnelle Bedienung der Kunden zu einem günstigen Preis. Ray Kroc wollte den McDonald-Brüdern ursprünglich nur einige Milchshakemaschinen verkaufen und war von der Geschäftsidee so begeistert, dass er im Jahre 1954 das Exklusivrecht der Lizenzvergabe kaufte. Ein Jahr später eröffnete Kroc das erste McDonald´s Restaurant in Des Plaines im Bundesstaat Illinois.

Im Jahre 1961 wurde Kroc Alleininhaber des McDonald´s-Systems. Sechs Jahre später begann die Expansion über die Grenzen der USA hinaus, es wurden Filialen in Kanada und Puerto Rico eröffnet.

Kroc erfand weder die Prinzipien von McDonald´s noch die Franchise-Idee neu. Das Nähmaschinenunternehmen Singer entwickelte das Franchise-Prinzip, einige Automobilfirmen und die Getränkeindustrie nutzten das System seit Ende des 19. Jahrhunderts. Auch andere heutzutage in Europa bekannte Gastronomieketten sind älter als McDonald´s. Die Fastfood Ketten Burger-King und Kentucky-Fried-Chicken wurden im Jahre 1954 gegründet. Ray Kroc erfand kaum etwas wirklich Neues, er kombinierte bereits bestehende Systeme und wandte sie auf die Fastfood Branche an. Er bediente sich dem Franchise-Prinzip um McDonald´s zu einem zunächst national, später dann international agierenden Unternehmen zu entwickeln.

Dem Unternehmer war die Ausübung zentralisierter Kontrolle sehr wichtig. Es wurden keine regionalen Untergruppierungen zugelassen, die Lizenzgebühr lag lediglich bei 950 Dollar, dafür verlangte Kroc 1,9% Umsatzbeteiligung. Daraus ergab sich ein dauerhaftes Interesse an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Restaurants. Diese Handhabung unterscheidet sich von anderen Franchise-Ketten, bei denen die Lizenzgebühr um ein vielfaches höher lag. Teilweise ging dies mit geringem Interesse des Lizenzgebers an den Franchisenehmern und deren wirtschaftlichen Erfolg einher. Im McDonald´s-System bekam ein Franchisenehmer im Regelfall nur eine Lizenz zugeteilt. Heutzutage betreibt ein Lizenznehmer durchschnittlich 3,4 Restaurants. Aktuell liegt die Investitionssumme für ein neu zu eröffnendes McDonald´s Restaurant bei rund 600.000 Euro. Franchise-Rechte werden nur an Einzelpersonen vergeben, die ihre gesamte unternehmerische Aktivität auf den Betrieb richten. Neben der Einhaltung der Unternehmensgrundsätze wird überdurchschnittliches, soziales Engagement gefordert. So fördern Franchisenehmer örtliche Sportvereine, Kindergärten und andere, öffentliche Institutionen. Sie folgen damit dem Leitsatz des Unternehmensgründers Ray Kroc: „Gebt der Gemeinschaft, in der ihr lebt, etwas von dem zurück, was sie euch gibt“ (Quelle: McDonald´s Deutschland Inc., München, 2007).

Es wurde ein einheitliches System geschaffen, in dem Franchisenehmer jedoch Vorschläge für das Gesamtunternehmen einbringen können. So wurden einige, heute sehr erfolgreiche, Produkte nicht in der Unternehmenszentrale, sondern von Franchisenehmern entwickelt.

Im Jahr 1958 wurden Regeln zum Führen eines Restaurants in einem Handbuch festgeschrieben und Kontrollmechanismen verankert. Ziel und Zweck lag in der Uniformität der Produkte und deren Zubereitung. 1961 eröffnete das erste Vollzeitausbildungszentrum, auch „Hamburger-Universität“ (Ritzer, 1995, S. 63) genannt. Den Mitarbeitern wurden vom Firmengründer genaue Anweisungen zur Herstellung und Zubereitung der Produkte gegeben, sogar das Gewicht der Zwiebeln pro Burger wurde festgeschrieben.

3.1.2 McDonald´s in Zahlen

Das erste McDonald´s Restaurant in Deutschland eröffnete am 4. Dezember 1971 in München. Neun Jahre später sind es weltweit 6000, davon 100 im deutschen Bundesgebiet. Zur Jahrtausendwende existieren weltweit über 25.000 McDonald´s-Filialen. Anfang der 1990er Jahre wurde die Idee entwickelt, das übliche Burger- und Pommes- Angebot um Cafés zu erweitern. Es handelt sich dabei um ein Shop-in-Shop Konzept. Die Cafés werden in bereits bestehende McDonald´s Restaurants integriert. Das erste McCafé Deutschlands eröffnete 2003, also zehn Jahre nach der Entwicklung der Ursprungsidee. Zum Ende des Jahres 2006 existierten in Deutschland bereits über 200 Mc Cafés, weitere 160 werden bis Ende des Jahres 2008 fertiggestellt sein. Im Jahr 2003 wurde eine in Deutschland entwickelte Marketingkampagne auf den Weg gebracht. Der Slogan „Im lovin it! – Ich liebe es!“ soll Kraft, Jugendlichkeit, Genuss und Lebensfreude vermitteln. Diese Attribute sind kennzeichnend für den emotional geladenen Verkauf von Konsumgütern und Unterhaltungsdienstleistungen in neuartigen Unternehmen, wie beispielsweise Einkaufszentren. Darauf wird im Kapitel über Urban-Entertainment-Center noch näher eingegangen werden. Momentan werden immer mehr bestehende McDonald´s Filialen umgestaltet und um ein McCafé erweitert. Das in den meisten Restaurants bisher vorherrschende, bunte, Plastikinterieur, wird durch gemütlichere Sitzgelegenheiten und eine wertigere Optik ausgetauscht. Es entsteht ein gemütlicheres und moderneres Ambiente, welches zum Verweilen einlädt. Eine verlängerte Aufenthaltsdauer gehörte bislang nicht zum Konzept von Fastfood-Restaurants.

Nach Angaben von McDonald´s Deutschland existieren zur Zeit 1276 Restaurants, die im vergangenen Jahr einen Nettoumsatz von 2,57 Milliarden Euro erwirtschafteten. Daraus ergibt sich ein Umsatz Plus von 6,2 % im Vergleich zum Vorjahr und den größten Zugewinn seit 1993. McDonald´s betreibt 356 Restaurants in Eigenregie, die restlichen 920 Filialen werden von 265 Franchisenehmern bewirtschaftet. Rund 52.000 Mitarbeiter kümmern sich täglich um mehr als 2,4 Millionen Gäste. Das Unternehmen zählt zur Zeit 1949 Auszubildende zum Fachmann/Fachfrau für Systemgastronomie. Das entspricht einer Ausbildungsquote von knapp vier Prozent (Quelle: McDonald´s Deutschland Inc., München, 2007).

3.2 McDonaldisierung nach George Ritzer

George Ritzer wurde 1940 geboren und war Professor der Soziologie an der Collegepark Universität in Maryland. Von ihm stammt die These der McDonaldisierung der Gesellschaft. Seine theoretische Orientierung entwickelte er in den 1970er Jahren, beeinflusst von den Arbeiten Max Webers zum Rationalisierungsprozess. „Seit Anfang der achtziger Jahre stellte ich Webers Theorie der Rationalisierung in Zusammenhang mit meinem Interesse am Wachstum der Fast-Food-Branche und meiner Besorgnis darüber.“ (Ritzer, 1995). Ritzer stellt fest, dass fast alle gesellschaftlichen Institutionen Prinzipien von McDonald´s auf ihre Handlungsweise übertragen haben. Ehemals kommunistisch geführte Länder eröffneten Filialen und es bildeten sich lange Schlangen, die auch lange Wartezeiten zur Folge hatten. Ein Phänomen, welches für ein Schnellrestaurant untypisch ist. Besonders auffällig war dies in Russland. „Die Russen stürzen sich kopfüber in die McDonaldisierung, offenbar ohne sich um die Probleme zu kümmern, die sie mit sich bringen könnte.“ (Ritzer, 1995, S.10). McDonald´s genießt bei vielen Russen einen fast heiligen Status und wird als positiv gerichtetes Sinnbild des Amerikanischen verstanden.

McDonaldisierung soll eine moderne Übersetzung des von Weber beschriebenen Rationalisierungsprozesses darstellen. So verbindet Ritzer in seinen Ausführungen traditionelle, durch Max Weber geprägte, Ausdrucksweisen mit modernen Begrifflichkeiten. Sein Ziel ist es, die Leser zum Nachdenken zu Animieren und „aus dem eisernen Käfig der McDonaldisierung ein menschlicheres Arbeits- und Lebensumfeld zu machen“ (Ritzer, 1995, S. 13).

McDonald´s ist zum Sinnbild für Fastfood geworden, viele weitere Unternehmen aus diversen, auch gastronomiefremden Branchen, übernahmen die Prinzipien.

3.2.1 Erfolgselemente des McDonald´s-Systems

Es stellt sich die Frage, wie dieser Erfolg zu erklären ist und warum so viele Unternehmer das Prinzip nachahmen. Ritzer nennt vier Kernpunkte, die dieser Frage nachgehen.

- Das erste Element ist die Effizienz, die Entwicklung einer optimalen Methode zur Erreichung eines bestimmten Zustandes. „Das Vorbild des Fastfood bietet uns eine effiziente Methode zur Befriedigung vieler Bedürfnisse – oder zumindest scheint es so.“ (Ritzer, 1995, S.28)
- Das zweite Element ist die leichte Quantifizier- und Berechenbarkeit. Quantität wird mit Qualität gleichgesetzt, die Kunden erhalten viel für eine verhältnismäßig geringe Geldmenge. Dieses Phänomen ist subjektiv und nach Ritzer eine Illusion. Seiner Ansicht nach sind die Firmenbesitzer in jedem Fall die Gewinner. Hinzu kommt die meist nur gefühlte Zeitersparnis beim Fastfood-Konsum.
- Das dritte Element ist die Vorhersagbarkeit. Durch die Standardisierung der Produkte erlebt der Kunde keine großen Überraschungen hinsichtlich des Preises, der Qualität und der Quantität.
- Das vierte Element ist die Kontrolle; die Zubereitung des Produkts ist arbeitsteilig organisiert, jeder Mitarbeiter hat „eine sehr begrenzte Zahl von Tätigkeiten in genau vorgeschriebener Weise auszuführen.“

(vgl. Ritzer, 1995, S.30)

Die hier beschriebene Kontrolle erinnert sehr stark an die Arbeitsstrukturen des Taylorismus und Fordismus mit standardisierten Produkten und der optimalen Ausschöpfung der Ressource Arbeitskraft. Es existieren zahlreiche, wissenschaftliche Veröffentlichungen, die der Frage nachgehen, wie bedeutsam der Taylorismus in unserer heutigen Gesellschaft ist. Die Beschäftigung mit der Arbeitsstruktur in Systemgastronomien bildet ein Argument, welches dafür spricht. Der Faktor Mensch kann unter Umständen systemstörend sein, sodass immer mehr technische Kontrollmechanismen eingesetzt werden. Beispiele dafür sind selbstabschaltende Getränkeautomaten, klingelnde Friteusen und vorprogrammierte Registrierkassen.

„Letztlich muss man sich fragen, ob die Schaffung dieser rationalen Systeme nicht eine noch größere Zahl irrationaler Folgen nach sich zieht.“ (Ritzer, 1995, S.33). Eine nicht rationalisierte Welt soll und kann nicht Folge dieser Kritik sein, Ritzer spricht sich vielmehr für eine Abschwächung der mcdonaldisierten Systeme aus, um dem Einzelnen ein Mehr an Gestaltungsspielräumen und ein besseres Erschließen und Ausleben des eigenen Potentials zu ermöglichen.

3.2.2 Positive Effekte der McDonaldisierung

Obwohl das Buch in erster Linie die negativen Aspekte der McDonaldisierung hervorhebt, gibt es auch positive Effekte, die Ritzer sehr konkret am Beispiel der Fastfood Restaurants, aber auch anderer Branchen darlegt.

- Erweiterung des Angebots und leichterer Zugang zu landesspezifischen Gerichten (chinesisch, italienisch, mexikanisch...)
- Zusammenstellung des Salats nach eigenem Geschmack an Salatbars
- Mikrowellenmahlzeiten, die schnell zubereitet sind
- Supermärkte und Ladenpassagen ermöglichen effizientes und schnelles Einkaufen
- Einrichtung von Lieferdiensten
- Hochtechnologie in profitorientierten Krankenhäusern
- Telefonische Servicedienstleistungen (Banken)
- Touristikangebote, insbesondere Pauschalreisen
- Wohneigentum in einer Reihenhaussiedlung

(vgl. Ritzer, 1995, S. 35)

McDonaldisierung ist kein Synonym für die moderne Welt an sich, da die Entwicklungen weiter gehen und teilweise eine Rückbesinnung stattfindet. Vielmehr muss vom Grad der McDonaldisierung gesprochen werden, es existieren Bereiche, in denen diese sehr stark ausgeprägt ist, in anderen Bereichen weniger oder gar nicht. Das Phänomen ist nicht neu, eine Reihe früherer Neuerungen ermöglichte sie. „Zu den wichtigsten Vorläufern der McDonaldisierung gehören Bürokratie, wissenschaftliche Betriebsführung, das Fließband und die erste Hamburgerbude der Brüder McDonald.“ (Ritzer, 1995, S. 38).

3.2.3 Die Irrationalität rationaler Systeme auf der Makro-Ebene

Die Kernfrage Webers ist der Grad der Irrationalität des Rationalen. Er wertete sie negativ, ging sogar noch einen Schritt weiter und äußerte sich verärgert darüber. Rationalität ist kein neues Phänomen, sie tauchte bereits in früheren Gesellschaftsordnungen auf. Die moderne westliche Welt hat jedoch einen besonderen Typus der Rationalität hervorgebracht, den Weber formale Rationalität nennt. Diesen Terminus setzt Ritzer in Beziehung zur McDonaldisierung: „Wenn ich von der McDonaldisierung oder ganz allgemein von Rationalisierung rede, meine ich damit die Weiterentwicklung der formalen Rationalität.“ (Ritzer, 1995, S.43).

Der optimale Weg zum Erreichen eines Ziels muss in einer formal rationalisierten Gesellschaft von den Menschen nicht mehr gesucht werden. Der Weg ist bereits in Form von Regeln, Vorschriften und Strukturen institutionalisiert. Die formale Rationalität ist durch vier Grundelemente definiert: Effizienz, Vorhersagbarkeit, Quantifizierung und Kontrolle. Daraus ergibt sich nach Weber und Ritzer gleichermaßen das problembehaftete Phänomen der Irrationalität des Rationalen. Die Arbeit und die Anwendung der formalen Rationalität führt zur Entmenschlichung. Bürokratie führt jedoch nicht zwangsläufig zur Effizienz, sie kann auch ineffizient sein. Weber spricht in diesem Zusammenhang vom „eisernen Käfig der Rationalität“. In diesem Käfig sind die Menschen gefangen und suchen einen Ausweg aus den rationalen Strukturen. Nach Ritzer gab es zunächst den Fluchtweg der Freizeit, aber auch diese Wege wurden nach und nach rationalisiert. „Die Freizeit ist schlicht zu einer weiteren Domäne der Rationalisierung geworden und stellt keinen Ausweg mehr dar“ (Ritzer 1995, S.49).

[...]


[1] Die folgenden Ausführungen beziehen auf die Informationen der McDonald´s-Pressemappe.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836613989
DOI
10.3239/9783836613989
Dateigröße
528 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ruhr-Universität Bochum – Sozialwissenschaften
Erscheinungsdatum
2008 (Juni)
Note
2,7
Schlagworte
erlebniswelt mcdonaldisierung konsum einkaufszentrum freizeitpark
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