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Führung im interkulturellen Kontext

Führung vor dem Hintergrund chinesischer Kulturdimensionen

©2008 Diplomarbeit 97 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Transaktionale und transformationale Führung gehören, seit ihrer Beschreibung zu Beginn der achtziger Jahre, zu einem der Interessenschwerpunkte in der Führungsforschung. Während vornehmlich BASS et al. (1995, 1999) sich intensiv mit der Umsetzung und den ethischen Grundätzen dieser Führungstheorie beschäftigten, steht seit wenigen Jahren auch die Übertragbarkeit von Führungskonzepten in andere Kulturkreise im Interessenfokus. Die Beschreibung einer universellen Führungstheorie ist die Herausforderung für die zukünftige Führungsforschung.
Der Hintergrund dafür liegt in einer globalisierenden Wirtschaft und in den auf kulturellen Unterschieden basierenden Problemen und Konflikten, mit welchen sich international tätige Unternehmen zunehmend konfrontiert sehen. Daraus folgte eine stärkere Berücksichtigung kultureller Unterschiede bei der Gestaltung von Organisationsformen, Führungsinstrumenten und Entlohnungssystemen.
In diesem Bezug wird immer wieder das Interesse an der Volksrepublik China (VRC), der größten Volkswirtschaft der Erde, bekundet. Seit der Öffnung des Landes im Jahre 1978 durch DENG XIAO PING, bis zum Beitritt Chinas zur WTO im Jahre 2003, zeichnete sich das Land durch sein rasantes Wirtschaftswachstum aus. Dies gelang, unter anderem, durch die Zulassung ausländischer Investitionen und dem Wandel der Wirtschaft von einer Planwirtschaft zu einer Marktwirtschaft.
Die westlichen Industriestaaten zeigten von Beginn an ein reges Interesse und engagierten sich umfangreich. Viele Investitionen scheiterten allerdings schon nach wenigen Jahren, weil die westlichen Unternehmen die kulturellen Unterschiede unterschätzten. Sie versuchten, die in westlichen Kulturen entwickelten und bewährten Managementmethoden in diesem neuen Kulturkreis anzuwenden, was häufig zu Konflikten und zusätzlichen Kosten führte. Probleme entstanden bei der Führung von Mitarbeitern und bei Vertragsverhandlungen. Vor allem im täglichen Umgang mit chinesischen Mitarbeitern traten Missverständnisse auf, welche für die, nach westlichen Methoden ausgebildeten Vorgesetzten, neu waren. Mangelndes gegenseitiges Vertrauen und fehlerhafte Kommunikation in der Vorgesetzten-Mitarbeiter-Beziehung stellten die Hauptursachen der Missverständnisse dar.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich deshalb mit der Führung von Mitarbeitern im interkulturellen Kontext, in dem die transaktionale und transformationale Führung, in Verbindung mit der Leader-Member […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Alexander Gruchmann
Führung im interkulturellen Kontext
Führung vor dem Hintergrund chinesischer Kulturdimensionen
ISBN: 978-3-8366-1359-0
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Greifswald, Deutschland, Diplomarbeit,
2008
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2008
Printed in Germany

5
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ... 9
2. Führung ... 12
2.1.1 Organisatorischer Rahmen ... 12
2.1.2 Lokomotionsfunktion... 13
2.1.3 Kohäsionsfunktion ... 14
2.1.4 Führung als Prozess... 15
2.2 Führungseigenschaften... 15
2.3 Führungsstil... 17
2.3.1 Aufgabenorientiertes Führungsverhalten ... 19
2.3.2 Personenorientiertes Führungsverhalten ... 20
2.4 Implizite Führungstheorien ... 21
2.5 Transaktionale Führung ... 22
2.6 Transformationale Führung... 23
2.6.1 Charisma ... 24
2.6.2 Inspirierende Motivation... 25
2.6.3 Intellektuelle Stimulation ... 25
2.6.4 Individuelle Hinwendung... 26
2.7 Leader-Member Exchange (LMX) ... 26
3. Interkultureller Kontext... 29
3.1 Kultur und Interkulturalität ... 30
3.2 Kulturdimensionen... 33
3.3 Kulturell bevorzugte implizite Führungstheorien ... 37
3.4 Interkulturelle Kompetenz ... 39
3.4.1 Individuelle Kompetenz ... 40
3.4.2 Soziale Kompetenz... 41
3.4.3 Fachliche Kompetenz... 41
3.4.4 Strategische Kompetenz... 41
3.4.5 Definition interkultureller Kompetenz ... 42
4. Führung und Kultur im ,,Confucian-Asia" Cluster ... 44
4.1 Führen im chinesischen Kontext... 45
4.1.1 Einflüsse auf chinesische Führungsleitbilder... 51
4.1.2 Konfuzianismus ... 52
4.1.3 Maoismus ... 54

6
4.1.4 Führungseigenschaften im chinesischen Kontext... 55
4.2 Transaktionale Führung im chinesischen Kontext ... 59
4.3 Gegenseitigkeit in Austauschbeziehungen ... 63
4.4 Transformationale Führung im chinesischen Kontext... 65
4.4.1 Charisma und Konfuzianismus... 66
4.4.2 Inspirierende Motivation und Konfuzianismus ... 68
4.4.3 Intellektuelle Stimulation und Konfuzianismus ... 70
4.4.4 Individuelle Zuwendung und Konfuzianismus... 72
4.4.5 Zusammenfassung ... 74
4.5 Perspektive der Geführten ... 75
4.5.1 Kulturell bevorzugte Führungstheorie im Confucian-Asia Cluster... 76
4.5.2 LMX und Konfuzianismus ... 81
4.5.3 GUANXI und LMX... 84
5.
Abschlussbetrachtung... 88
LITERATURNACHWEIS... 91
INTERNETQUELLEN: ... 97

7
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
CCPC
Chinese Communist Party Constitution - Konstitution der kommunistischen Partei
China
CI
Consideration Structure - Mitarbeiterorientierung
CLT
Culturally endorsed implicit leadership Theory
CVS
Chinese value survey
et al.
et alii, und andere
FDI
Foreign direct investment - Ausländische Direktinvestition
GLOBE
Global leadership and organizational behavior Effectiveness
HRM
Human Ressource Management
IDV Individualismusindex
IK Interkulturelle
Kompetenz
ILT
Implicit leadership Theory - Implizite Führungstheorie
IS
Initiation Structure - Aufgabenorientierung
Jun
Junior
JV Joint
Venture
Kap.
Kapitel
KPCh
Kommunistische Partei China
LMX Leader-Member
Exchange
MbE Management
by
Exception
MbO Management
by
Objectives
MDI Machtdistanzindex
Mid
Middle - Mittlere
NVK Nationaler
Volkskongress
o.g. oben
genannte
Plex Complex
S.
Seite
Sen
Senior
sog. sogenannt
u.a.
unter anderem
vgl.
Vergleiche
VR Volksrepublik
VRC Volksrepublik
China
VW Volkswagen
WTO Welthandelsorganisation

8
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Nr.
Bezeichnung
Seite
Abbildung Nr. 1 -
Leadership skill requirements Strataplex Modell
16
Abbildung Nr. 2 -
Komponenten der Führung
19
Abbildung
Nr.
3
-
Führungsstile
20
Abbildung Nr. 4 -
Machtdistanz und Führungsstile
47
Abbildung Nr. 5 -
Der Confucian-Asia Cluster
80
Abbildung
Nr.
6
-
Hypothesenmodell
86

9
,,Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Männer zusammen,
um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten,
Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen,
sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer."
(Antoine de Saint-Exupéry)
1. Einleitung
Dieser viel zitierte Spruch wird häufig benutzt, um auszudrücken, dass man durch Über-
zeugung und Vorbild jedes Ziel erreichen kann. Wenn man seine Vision beschreibt und
andere dafür begeistern kann, erzeugt das eine sehr starke Motivation und Verbundenheit
untereinander. Denn die `Männer´, handeln dann aus eigener Überzeugung. Durch die
Vision, werden sie zum Mitdenken angeregt, arbeiten selbständig und zielführend. Damit
dient dieser Satz als zweckmäßiges literarisches Beispiel, um zu verdeutlichen, was trans-
formationale Führung erzeugen kann.
Transaktionale und transformationale Führung gehören, seit ihrer Beschreibung zu Be-
ginn der achtziger Jahre, zu einem der Interessenschwerpunkte in der Führungsforschung.
Während vornehmlich BASS et al. (1995, 1999) sich intensiv mit der Umsetzung und den
ethischen Grundätzen dieser Führungstheorie beschäftigten, steht seit wenigen Jahren
auch die Übertragbarkeit von Führungskonzepten in andere Kulturkreise im Interessenfo-
kus. Die Beschreibung einer universellen Führungstheorie ist die Herausforderung für die
zukünftige Führungsforschung.
Der Hintergrund dafür liegt in einer globalisierenden Wirtschaft und international tätige
Unternehmen sehen sich zunehmend mit Problemen und Konflikten konfrontiert, die auf
kulturellen Unterschieden basieren. Daraus folgte eine stärkere Berücksichtigung kultu-
reller Unterschiede bei der Gestaltung von Organisationsformen, Führungsinstrumenten
und Entlohnungssystemen.
In diesem Bezug wird immer wieder das Interesse an der Volksrepublik China (VRC), als
größte Volkswirtschaft der Erde, bekundet. Seit der Öffnung des Landes im Jahre 1978
durch DENG XIAO PING, bis zum Beitritt Chinas zur WTO im Jahre 2003, zeichnete
sich das Land vor allem durch sein rasantes Wirtschaftswachstum aus. Dies gelang, unter
anderem, durch die Zulassung ausländischer Investitionen und dem Wandel der Wirt-
schaft von einer Planwirtschaft zu einer Marktwirtschaft.

10
Ausländische Investitionen dienten dabei vor allem dem Technik- und Wissenstransfer.
Dies war nötig, um die technisch veralteten und maroden Produktionskapazitäten der chi-
nesischen Wirtschaft auf den neusten Stand zu bringen. Denn das Ziel der chinesischen
Regierung ist es, wirtschaftlich mit den westlichen Industriestaaten aufzuschließen, durch
Einrichtung einer sozialistischen Marktwirtschaft.
Die westlichen Industriestaaten zeigten von Beginn an ein reges Interesse und engagierten
sich umfangreich. Viele Investitionen scheiterten allerdings schon nach wenigen Jahren,
weil die westlichen Unternehmen auch die kulturellen Unterschiede unterschätzten. Sie
versuchten, die in westlichen Kulturen entwickelten und bewährten Managementmetho-
den in diesem neuen Kulturkreis anzuwenden, was häufig zu Konflikten und zusätzlichen
Kosten führte. Probleme entstanden bei der Führung von Mitarbeitern und bei Vertrags-
verhandlungen. Vor allem im täglichen Umgang mit chinesischen Mitarbeitern traten
Missverständnisse auf, welche für die, nach westlichen Methoden ausgebildeten Vorge-
setzten, neu waren. Mangelndes gegenseitiges Vertrauen und fehlerhafte Kommunikation
in der Vorgesetzten-Mitarbeiter-Beziehung stellten die Hauptursachen der Missverständ-
nisse dar.
Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich deshalb mit der Führung von Mitarbeitern
im interkulturellen Kontext, in dem die transaktionale und transformationale Führung, in
Verbindung mit der Leader-Member Exchange Theorie (LMX), vor dem Hintergrund der
chinesischen Kultur untersucht wird.
Um ein einheitliches Verständnis von Mitarbeiterführung zu erreichen, werden im ersten
Teil die der Arbeit zugrunde liegenden Begriffe und Theorien definiert. Dabei wird neben
der grundlegenden Literatur, vor allem auf aktuelle Studien zurückgegriffen. Besondere
Erwähnung hierin finden die Anforderungen an die Führungseigenschaften. Die Dicho-
tomie der Mitarbeiter- oder Aufgabenorientierung in der Führung wird, um die morali-
schen Grundsätze des Führenden erweitert, weil diese, gerade im chinesischen Kontext,
von besonderer Bedeutung sind.
Im nächsten Schritt wird die Definition von Kultur hergeleitet. Vor allem in amerikani-
schen Forschungsarbeiten trifft man häufig auf Teildefinitionen des Kulturbegriffs, die
innerhalb des Forschungsdesigns einer Studie gelten, jedoch einem Anspruch auf Ganz-
heitlichkeit nicht genügen. Deshalb wird auf einen Definitionsentwurf von THOMAS
(2003b) zurückgegriffen, der damit, im deutschsprachigen Raum, eine engagierte wissen-
schaftliche Diskussion über die Definition von Kultur auslöste. Diese Diskussion führte

11
letztendlich zu einer Definition von Kultur, welche auch dieser Untersuchung zugrunde
liegt.
Aufbauend auf dieser Definition, werden weitere Begriffsbestimmungen getroffen, die
notwendig sind, um Forschungsdesigns und Forschungsergebnisse darstellen zu können.
Auf die Ergebnisse der GLOBE
1
-Studie wird dabei im Besonderen eingegangen. Diese
Studie untersuchte die Eigenschaften und Ausprägungen bestimmter Kulturdimensionen.
Unter Bezugnahme auf deren Ausprägung, wurden in der Studie Kultur-Cluster gebildet.
Diese Kultur-Cluster fassten Kulturen, mit ähnlichen oder gleichen Ausprägungen der
Kulturdimensionen, zusammen, was eine Beschreibung der Kulturen, sowie die Beschrei-
bung von Unterschieden zwischen ihnen, ermöglichte. Die vorliegende Untersuchung
beschränkt sich auf den Confucian-Asia, und wird in diesem Rahmen, explizit auf die VR
China eingehen. Um ein genaueres Bild des chinesischen Kontextes darzustellen, wird
kurz auf die historischen Hintergründe und die aktuelle politische Situation eingegangen.
Dies dient vor allem dazu, einen Überblick über den Rahmen zu verschaffen, in welchem
die anfänglich beschriebenen Führungstheorien gewürdigt werden.
Die Theorien der transaktionalen und der transformationalen Führung, sowie die LMX-
Theorie, werden dabei in Verbindung mit den Kulturdimensionen des Confucian-Asia
Clusters gewürdigt. Auf wichtige Kulturstandards wird in diesem Rahmen an geeigneter
Stelle besonders eingegangen. Dadurch ist es möglich, Handlungs- und Verhaltensemp-
fehlungen für effektive Führung und Zusammenarbeit in diesem interkulturellen Kontext
zu formulieren.
Ziel dieser Untersuchung ist es, ein Verständnis für die Unterschiede zwischen den Kultu-
ren zu erzeugen. Damit kann eine kulturelle Sensibilität erreicht werden, welche in dem
Konzept der interkulturellen Kompetenz beschrieben wird. Interkulturelle Sensibilität und
die Wahrnehmung von Unterschieden, basieren auf Interesse und Verständnis für andere
Kulturen. Dies sind außerdem wesentliche Eingangsvoraussetzungen dafür, den zukünfti-
gen Herausforderungen einer immer enger zusammenwachsenden Welt, adäquat zu be-
gegnen. Die Auswirkungen wirtschaftlicher und umweltpolitischer Probleme beschränken
sich heutzutage nicht mehr nur auf einzelne Länder, was eine internationale Zusammen-
arbeit, in bestimmten Aspekten, notwendig macht.
1
GLOBE steht für: Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness Research Program.

12
2. Führung
In diesem Kapitel soll das zugrunde liegende Verständnis von Führung dargestellt wer-
den. Dazu werden, nach einführenden Begriffsbestimmungen, die Ausprägungsrichtungen
nach Personenorientierung oder Aufgabenorientierung kurz erläutert. Eine Dichotomie
lässt sich in verschiedenen Führungstheorien wiederfinden, auch wenn sich die Begriffs-
paare teilweise unterscheiden.
2
In Anlehnung daran werden die Führungstheorien der
transaktionalen und transformationalen Führung aufgezeigt. Sie bilden einen Interessen-
schwerpunkt in der Führungsforschung. Ergänzt werden diese Theorien durch die Darstel-
lung der ,,Leader-Member Exchange"-Theorie, welche die dyadische Beziehung zwischen
dem Vorgesetzten und Mitarbeiter in ihren Interessensmittelpunkt stellt.
,,Führung ist überall dort erforderlich, wo das Verhalten einer Vielzahl von Menschen auf
ein Ziel hin koordiniert werden muss" (JUNG 2006, S. 410). Die Koordination der men-
schlichen Arbeitskraft innerhalb eines organisatorischen Rahmens steht hierbei im Vor-
dergrund. Sie findet in einer sozialen Interaktion zwischen dem Führenden und dem Ge-
führten statt. Die Koordinationsfunktion lässt sich durch eine Lokomotions- und Kohäsi-
onsfunktion beschreiben (vgl. JUNG 2006, S. 410).
2.1.1 Organisatorischer Rahmen
Der organisatorische Rahmen, in welchem die soziale Interaktion stattfindet, kann als
Oberbegriff für jede Form einer wechselseitigen Beeinflussung definiert werden. In dieser
Untersuchung soll der organisatorische Rahmen als ein Vorgesetzten-Mitarbeiter-
Verhältnis verstanden werden, wodurch Führung grundsätzlich als Mitarbeiterführung
anzusehen ist. Führung ist dabei nicht gleichzusetzen mit Management. Management be-
schreibt einen funktionalen Ansatz in der Organisation der sich durch Planung, Organisa-
tion, Führung und Kontrolle beschreiben lässt (vgl. STAEHLE 1990, S. 65).
2
Siehe hierzu ,,Ohio-Studie" von FLEISHMAN et al., ,,Michigan-Studie" von LIKERT et al., sowie dem
,,Managerial Grid Modell" von BLAKE und MOUTON. Einführende Darstellung in: WEINERT, ANS-
FRIED B.: Organisations- und Personalpsychologie, 5. vollständig überarbeitete Auflage 2004, Beltz Ver-
lag Weinheim, Basel, Kapitel 9.5.1, Seite 470-478.

13
Die Mitarbeiterführung stellt somit nur einen Teil der Managementaufgaben dar. Durch
sie gestaltet sich die Einflussbeziehung in führungsorganisatorisch differenzierten Rollen
im Rahmen von Arbeitsverträgen (vgl. WUNDERER 2001, S. 4).
Jedes Mitglied geht freiwillig eine arbeitsrechtliche Vertragsverpflichtung ein und wird
damit Teil der Organisation. Die Organisation bildet dabei den Kernbestandteil des Auf-
baus und des Ablaufs der Tätigkeiten eines Unternehmens.
3
Das Eingehen dieser Ver-
pflichtung kann als Einwilligung in ein Hierarchie- oder Weisungsverhältnis verstanden
werden. Es besteht demnach eine grundsätzliche Bereitschaft, sich an Anweisungen in-
nerhalb dieses organisatorischen Rahmens zu halten, welche den Organisationsinteressen
dienen, und eigene Interessen zurück zu stellen. Es ist außerdem jedem Organisationsmit-
glied die Möglichkeit gegeben, die Interaktion durch Vertragskündigung abzubrechen und
aus der Organisation auszuscheiden.
2.1.2 Lokomotionsfunktion
Führung
4
ist im Rahmen einer Organisation eine Situation ungleicher Machtverteilung, in
welcher derjenige mit mehr Macht den anderen dazu bringen kann, seine Aktivitäten auf
ein bestimmtes Ziel auszurichten. Der Begriff der Macht ist hier gleichzusetzen mit der
Möglichkeit und der Fähigkeit einer Person, ihre Handlungsentscheidung bzw. ihre Inte-
ressen gegenüber anderen, auch gegen deren Willen, durchzusetzen (vgl. JUNG 2006, S.
410). Als ein Teil der Führung ist deshalb ,,... der Versuch zu verstehen, Einfluss zu neh-
men, um Gruppenmitglieder zu einer Leistung und damit zum Erreichen von Gruppen-
oder Organisationszielen zu motivieren." (WEINERT 2004, S. 458). Diese Lokomotions-
funktion beinhaltet die Aktivierung und Motivierung von Gruppenmitgliedern, um so ihre
Handlungen auf die Organisationsziele auszurichten.
3
Auf die Vielfältigkeit des Organisationsbegriffs soll im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter eingegangen
werden. Einführende Darstellung dazu bei STAEHLE 2001 und MATSCHKE 2002.
4
Im weiteren Verlauf der Arbeit ist Führung als Mitarbeiterführung zu verstehen. Findet sie in einem ande-
ren Zusammenhang statt, wird dies ausdrücklich erwähnt.

14
2.1.3 Kohäsionsfunktion
Ein anderer Teil der Führung beinhaltet die Kohäsionsfunktion. Durch Führung sollen die
Kompetenzen der einzelnen Mitglieder gebündelt und für die Organisation zu effizienten
Gruppen zusammengestellt werden. Diese Gruppen sind auf der untersten Organisations-
ebene kleine, zweckgebundene Arbeitsgruppen. Abhängig von der Organisationsform und
dem Organisationszweck, ergeben sich weitere Gruppen, die nach Personalumfang und
Aufgaben unterschieden werden können.
Die Kohäsion innerhalb einer Gruppe beschreibt das Maß für die Stärke des Wunsches
der Mitglieder, Teil der Gruppe zu bleiben (vgl. WEINERT 2004, S.407). Der Zusam-
menhalt innerhalb einer Gruppe wird vor allem durch drei Faktoren gebildet: 1.) Interper-
sonale Attraktivität, 2.) Commitment mit der Gruppeaufgabe und 3.) Stolz, auf die Leis-
tungen der Gruppe und Teil dieser Gruppe zu sein (siehe MULLEN/COPPER 1994).
Interpersonale Attraktivität ist die gegenseitig verspürte Anziehungskraft die Interaktion
mit dem Gruppenmitglied aufrecht zu erhalten, weil diese subjektiv als Nutzenstiftend
angesehen wird. Commitment ist als Selbstverpflichtung zu verstehen, das gesetzte Grup-
penziel zu verfolgen und zu erreichen (vgl. WUNDERER 2001, S. 605). Je stärker das
Commitment ausgeprägt ist, desto höher ist die Identifikation mit der Gruppe, bzw. Orga-
nisation. Der empfundene Stolz ist ein individuelles Gefühl der Bestätigung, welches aus
der Gewissheit entspringt, etwas Besonderes geleistet zu haben. Dieses Anerkennungsge-
fühl der Besonderheit kann, muss aber nicht zwingend, auch durch das soziale Umfeld
bestätigt werden.
Führung soll Zusammenhalt in der Gruppe erzeugen, Commitment mit den Gruppenzielen
erzeugen und damit auch Verbundenheit mit den Organisationszielen erreichen. Empi-
risch konnte nachgewiesen werden, dass Commitment und Leistung positiv miteinander
verbunden sind. Je stärker das Commitment zu einer Organisation ist, desto besser ist die
Arbeitsleistung. Die Reziprozität konnte jedoch nicht bestätigt werden, so dass eine hohe
Arbeitsleistung nicht unbedingt mit hohem Commitment verbunden sein muss (siehe JA-
RAMILLO et al. 2005).

15
2.1.4 Führung als Prozess
Neben den o.g. Funktionen sollte Führung aber auch als Prozess verstanden werden. Die-
ser weist drei Kernkomponenten auf, die in einer komplexen Menge von Interaktionen
miteinander verbunden sind. ,,Der Prozess des Führens umfasst die Beeinflussung, das
Planen und Strukturieren von Aufgaben, Zielen und Strategien einer Organisation und die
Gruppe der Menschen in einer Organisation, welche diese Strategien umsetzen und Ziele
erreichen..." (WEINERT 2004, S. 458). Der Führungsprozess darf dabei nicht als me-
chanistischer Ansatz gesehen werden, bei welchem je nach Reiz, immer bestimmte glei-
che Reaktionen ausgelöst werden. Auch die Kommunikation zwischen dem Vorgesetzten
und dem Mitarbeiter lässt sich nicht auf ,,Command-and-Response"-Aktionen beschrän-
ken. Die Menschen in der Organisation werden nicht zu Objekten der zugrunde liegenden
Theorien (siehe NEUBERGER 1995).
2.2 Führungseigenschaften
Stellt man die genannten Funktionen der Führung zusammen, so lässt sich ein typischer
Aufgabenkatalog erstellen. Um die Aufgaben erfüllen zu können, muss der Führende über
bestimme Kompetenzen und Fähigkeiten verfügen. Diese können zum Teil aus Veranla-
gung vorhanden sein, oder müssen ausgebildet werden. Ob und welche Eigenschaften
erlernt werden können oder aus Veranlagung vorhanden sein müssen, ist in der einschlä-
gigen Literatur eine viel diskutierte Frage (vgl. u. a. STAEHLE 1990, S. 306). Auch die
zugrunde liegenden Werte und Absichten eines Führenden rücken dabei näher in die Be-
trachtung der Forschung (siehe BASS/STEINDLMEIER 1999 und NEUBERGER 1995,
Kap.3).
Eine interessante Antwort auf diese Frage, unabhängig von einer Führungstheorie, gibt
eine zusammenfassende Auswertung verschiedener Studien über Führungseigenschaften
von MUMFORD et al. (2007). Es wurde ein Modell entworfen, welches als ,,leadership
skill requirements strataplex" bezeichnet wird. ,,Skill" kann mit Fähigkeit oder Fertigkeit
übersetzt werden und bedeutet in diesem Kontext, dass ein Individuum in der Lage ist,
Aufgaben sachgerecht und effektiv zu meistern. Im Deutschen wird dies mit dem Begriff
der Kompetenz beschrieben.

16
Ziel dieser Untersuchung war es, notwendige Fähigkeiten eines Führenden über drei or-
ganisatorische Ebenen
5
in ihrer Anspruchstiefe darzustellen. Dazu wurde die Hypothese
aufgestellt, dass die Anspruchstiefen über die organisatorischen Ebenen variieren. Der
Name ,,Strataplex" leitet sich aus den Wortteilen Strata = Lagen und plex = Komplex ab.
6
Senior
Mid
Junior
Cognitive Skill requirements
Interpersonal skill requirements
Business skill requirements
Strategic skill requirements
Abbildung 1: Leadership skill requirements strataplex.
Aus: Mumford, T.V. et al.: The Leadership skill strataplex: Leadership skill requirements
across organizational levels, The Leadership Quarterly, Vol. 18 (2007), Elsevier, Seite
154 - 166.
Durch Auswertung und Analyse der in früheren Studien gefundenen Führungseigenschaf-
ten, wurden Kategorien gebildet. Diese vier generellen Kategorien von Führungseigen-
schaften lauten: 1.) Kognitive Fähigkeiten, 2.) Zwischenmenschliche Fähigkeiten, 3.)
Unternehmerische Fähigkeiten und 4.) Strategische Fähigkeiten.
5
Junior, Middle und Senior Management.
6
Strata ist Plural von lat. Stratum = Schicht, Lage; Plex als Abkürzung von engl. Complex, um die Kom-
plexität auszudrücken.

17
Diese Kategorien werden im Modell so dargestellt, dass die abgebildeten Flächen die An-
spruchstiefen der Ebenen wiedergeben. Je größer dabei die zusammengenommene Fläche
einer Kategorie auf einer Ebene ist, desto höher sind die Ansprüche an die Fähigkeiten
(vgl. MUMFORD et al. 2007, S. 155).
Die Hypothesen dieser Untersuchung wurden zum Teil nicht vollständig bestätigt. Es
wurde untersucht, ob eine Rangliste der Fähigkeiten besteht und ob sie über die organisa-
torischen Ebenen stabil bleibt. Diese Rangliste konnte innerhalb der organisatorischen
Ebenen nicht eindeutig bestätigt werden. Dennoch erfasst dieses Modell alle Anspruchs-
arten an die Fähigkeiten eines Führenden und bildet damit die Unterschiede zwischen den
organisatorischen Ebenen ab (vgl. MUMFORD et al. 2007, S. 162-165).
2.3 Führungsstil
Der Führungsstil eines Vorgesetzten kann als im Zeitablauf stabiles, situationsinvariantes
Verhalten des Führenden verstanden werden (vgl. NEUBERGER 2002, S. 422). Dabei
sind Führungsstil und Führungsverhalten keineswegs gleichzusetzen. Das Führungsver-
halten bezieht sich lediglich auf Aktivitäten der Führungsperson, welche in hohem Maße
von der Situation abhängig sind (vgl. WEINERT 2004, S. 465). Die Art der verbalen und
non-verbalen Kommunikation in bestimmten Situationen, sowie der Einfluss der Um-
weltbedingungen prägen dieses Verhalten (vgl. NEUBERGER 2002, S. 424). Der Füh-
rungsstil bezieht sich auf die, dem Verhalten zugrunde liegenden Bedürfnisse, welche
über verschiedene Situationen hinweg, relativ stabil bleiben und das Verhalten in unter-
schiedlichen Situationen motivieren (vgl. WEINERT 2004, S. 467). Bestimmte Situatio-
nen werden dabei als gleich kategorisiert und verlangen deshalb die gleichen Reaktionen,
woraus die Stabilitätsannahme folgt. Wandeln sich aber die zugrunde liegenden Bedürf-
nisse oder die Umweltbedingungen, können die Reaktionen auch andersartig ausfallen, so
dass auch ein Führungsstil nicht eine unumstößliche Verhaltensregel für Vorgesetzte de-
finiert, sondern durchaus auch eine gewisse Dynamik aufweisen kann (vgl. NEUBER-
GER 2002, S. 352). ,,Eine Führungstheorie ist ein Gerüst, das dazu dient, Beziehungen
zwischen verschiedenen Variablen begrifflich zu erfassen und damit die Forschung in
Richtung auf ein besseres Verstehen des Führungsphänomens hin zu lenken. Mit einer
Theorie macht der Forscher Vorhersagen darüber, wie bestimmte Merkmale oder Verhal-
tensmuster der Führung systematischer Weise Messungen der Führungseffizienz beein-
flussen" (vgl. WEINERT 2002, S. 461).

18
Durch eine Führungstheorie soll, innerhalb eines theoretischen Rahmens, das Verhalten
des Führenden, vor dem Hintergrund bestimmter Annahmen und Vorgaben beschrieben
werden. Diese Annahmen betreffen die Führungssituation und die Geführten, um daraus
abzuleiten, welches Verhalten effizient ist und am ehesten Erfolg (Führungserfolg) ver-
spricht (vgl. NEUBERGER 2002, S. 390-393.). Effizienz beschreibt die Wirksamkeit der
Führung, ist aber nicht mit Führungserfolg gleichzusetzen. Dieser bemisst sich nach ver-
schiedenen Prämissen und kann nicht allein durch Führende und Geführte bewertet wer-
den. Führung dient nicht sich selbst, sondern dient dazu, die Organisationsziele zu verfol-
gen und zu erreichen. Zum einen, kann nach diesem Zielerreichungsgrad, der Führungser-
folg bemessen werden, zum anderen, gelten auch personale Effizienzkriterien (vgl.
WEIBLER 2001, S. 83-94). Allein die Beobachtungen, dass die Mitarbeiter die Anwei-
sungen befolgen und Leistung erbringen, reichen nicht aus, um Führungserfolg anzuneh-
men. Führungserfolg muss unter anderem auch die Bedürfnisse und Erwartungen der Mi-
tarbeiter berücksichtigen (vgl. WEINERT 2002, S. 463), vorgegebene Zielsysteme in
gewünschten Ausprägungstiefen erreichen und langfristig mit der Strategie und dem
Zweck der Organisation übereinstimmen (vgl. NEUBERGER 1995, S. 147).
Auf der Grundlage der Basisliteratur über Führungstheorien kann eine Dichotomie zwi-
schen personen-/ mitarbeiterbezogenem (consideration structure - CI) und aufgaben-
/produktionsbezogenem (initiation Structure - IS) Verhalten des Führenden unterschieden
werden. Während ältere Darstellungen diese Einteilung als diametrales Modell darstellen,
gibt es auch Modelle, welche diese Dimensionen als unabhängig voneinander sehen.
Stellt man die Führung als Interaktionsmodell zwischen den drei Kernkomponenten Füh-
rungsperson, Geführte und Situation dar, so entspricht eine auf die Geführten ausgerichte-
te Handlungsorientierung des Vorgesetzten der personenbezogenen Führung. Liegt der
Schwerpunkt der Führung bei der Ausgestaltung der Arbeitssituation, liegt eine aufga-
benbezogene Führung vor.
Neuere Untersuchungen schlagen vor, dieses Modell um ethische Gesichtspunkte zu er-
weitern. Davon sind insbesondere die moralischen Überzeugungen des Führenden betrof-
fen. Führung, welche Mitarbeiter entmündigt oder entwürdigt, soziale Grenzkosten er-
zeugt oder sozialpolitische Ziele missachtet, verstößt gegen ethische Grundsätze. Damit
kann sie nicht als erfolgreich angesehen werden. Werden in der Führung allerdings sozi-
alpoltische Ziele berücksichtigt, Mitarbeiter gerecht entlohnt und am Unternehmenserfolg
beteiligt, ist dies ein Ausdruck der Internalisierung ethischer Grundsätze. Diese morali-

19
Persönlichkeit
Position Erfah-
rungen
Werte, Normen
und Einstellungen,
Anreizstruktur
sche Reife und ihre Umsetzung in der Führung beschreiben unter anderem
BASS/STEINDLMEIER (1999).
Führungsperson
Personenbezogen
Aufgabenbezogen
Moral
Überzeugungen
Geführte
Situation
Abbildung Nr.2: Das Modell der drei Komponenten des Führungsprozesses, ergänzt mit
Richtungspfeilen des personen- bzw. aufgabenbezogenen Verhaltens und dem morali-
schen Überzeugungsrahmen des Führenden. In Anlehnung an: WEINERT (2004), S. 459.
2.3.1 Aufgabenorientiertes Führungsverhalten
Das Verhältnis zwischen dem Führenden und dem Geführten ist vor allem durch den en-
gen Bezug zur Aufgabe geprägt. Das Verhalten des Führenden ist bestimmt durch Pla-
nung, Organisation, Koordination und Kontrolle der Arbeitsabläufe. Die Verantwortung
und Entscheidungskompetenz liegen beim Führenden. Arbeitsergebnisse und das Verhal-
ten am Arbeitsplatz werden durch den Führenden überwacht und beurteilt. Die soziale
Interaktion findet allein im Rahmen der Aufgabenerfüllung statt und lässt keine emotiona-
le Bindung zu. Die Kommunikation ist formal und beschränkt sich auf den, zur Erfüllung
der Aufgaben erforderlichen Informationsaustausch.
Der Führungsstil kann, aufgrund der Konzentration der Kompetenzen beim Führenden
und einer geringen Partizipation der Geführten an Entscheidungssituationen, autoritär bis
beratend sein (vgl. YUKL 2002, S.50-53).
Arbeitsumfeld,
Arbeitsaufgabe,
Stress

20
Entscheidungsspielraum
beim Vorgesetzten
Entscheidungsspielraum der Gruppe
1 2 3 4 5 6 7
Vorgesetzter
entscheidet
und ordnet
an
Vorgesetzter
entscheidet;
er ist aber
bestrebt die
Untergebe-
nen von
seinen Ent-
scheidungen
zu überzeu-
gen, bevor er
sie anordnet
Vorgesetzter
entscheidet;
er gestattet
jedoch Fra-
gen zu sei-
nen Ent-
scheidungen,
um durch
deren Be-
antwortung
deren Ak-
zeptanz zu
erreichen
Vorgesetzter
informiert
seine Unter-
stellten über
seine beab-
sichtigten
Entscheidun-
gen; die Un-
tergebenen
haben die
Möglichkeit
ihre Meinung
zu äußern,
bevor er die
Entscheidung
trifft
Die Gruppe
entwickelt
Vorschläge;
aus der Zahl
der gemein-
samen gefun-
denen und
akzeptierten
Problemlö-
sungen ent-
scheidet sich
der Vorgesetz-
te für die vom
ihm favorisier-
te.
Die Gruppe
entscheidet
nachdem der
Vorgesetzte
zuvor das
Problem
aufgezeigt
und die
Grenzen des
Entschei-
dungsraumes
festgelegt
hat.
Die Gruppe
entscheidet;
der Vorge-
setzte fungiert
als Koordina-
tor nach innen
und nach
außen.
Autoritär
Patriarcha-
lisch
Beratend
Konsultativ
Partizipativ
Delegativ
Autoritärer Führungsstil
Kooperativer Führungsstil
Abbildung Nr.3: Autoritärer bis kooperativer Führungsstil.
(TANNENBAUM/SCHMIDT 1958, S. 96, zitiert nach STAEHLE 1990, S. 312.)
2.3.2 Personenorientiertes Führungsverhalten
Das personen- oder mitarbeiterorientierte Verhalten eines Führenden wird durch seine
Aufmerksamkeit, für die persönlichen Belange und Bedürfnisse der Geführten gezeigt
(vgl. WEINERT 2002, S. 472). Die Mitarbeiter und nicht die Aufgabe stehen im Mittel-
punkt der Führung. Die Geführten haben mehr Freiheit und können ihre Aufgaben mit-
bestimmen. Sie werden in Entscheidungsprozesse eingebunden oder entscheiden, inner-

21
halb gewisser Grenzen, selbst. Damit kommen Partizipation und Delegation zur Anwen-
dung, was dazu führt, dass die Geführten auch einen Teil der Verantwortung für ihre Ar-
beit übernehmen. Durch die Einbindung in Entscheidungsprozesse, wird dem Mitarbeiter
seine Wichtigkeit vermittelt (vgl. YUKL 2002, S. 50-52). Dies stärkt das Selbstbewusst-
sein und die Arbeitszufriedenheit. Emotionale Bindung in der Führungsbeziehung wird
zugelassen und ist auch anzutreffen. Die Kommunikation kann dabei über das formale
Maß hinaus gehen. Der Zugriff auf Informationen und Ressourcen wird ausgeweitet. Der
Führungsstil ist kooperativ.
2.4 Implizite Führungstheorien
In der Führungsforschung fanden neben der o.g. Dichotomie noch weitere Einflüsse Ein-
gang. So wurde untersucht, wann und wie jemand als Führender wahrgenommen wurde
oder wie Individuen effektive von uneffektiven Führenden unterschieden. Dabei wurde
zugrunde gelegt, dass jeder Mensch seine Umwelt individuell wahrnimmt, bewertet und
kategorisiert.
Die Wahrnehmung wird unter anderem davon beeinflusst, welche Erfahrungen in glei-
chen oder ähnlichen Situationen bisher gemacht wurden. Ebenso wird die Wahrnehmung
durch die Erwartungshaltung des Individuums an die andere Person und an die Situation
beeinflusst (vgl. WEINERT 2004, S. 139). Die Bewertung erfolgt dann durch den Ver-
gleich der bisherigen Erfahrungen mit dem aktuell erlebten und der Suche nach Ähnlich-
keiten und Divergenzen (vgl. KELLER 1999, S. 590). Die kognitive Kategorisierung
dient der Entlastung und verhindert eine Reizüberflutung. Durch den Vergleich mit be-
kannten Bildern, können Situationen kurzfristig erfasst und beurteilt werden, was Voraus-
setzung für eine schnelle Reaktion ist (vgl. LORD/MAHER 1991, S. 16-17).
In einer Studie von EDEN/LEVIATHAN (1975) wurden Probanden gebeten unvorberei-
tet eine fiktive Organisation zu beschreiben. Obwohl viele der Teilnehmer keine oder nur
geringe Erfahrungen mit Arbeitgebern oder Autoritäten hatten, war es ihnen möglich, ein
Bild dieser fiktiven Organisation zu beschreiben. Damit kam man zu dem Schluss, dass es
ein implizites Leitbild und damit auch eine implizite Führungstheorie geben muss.
Diese Beobachtung gab Anlass zur Erforschung der impliziten Führungstheorie. Sie be-
schreibt, dass jedes Individuum ein unbewusstes Leitbild eines Führenden vorhält, durch
welches es ihm möglich ist, einen Führenden von den anderen zu unterscheiden (vgl.

22
NEUBERGER 2002, S. 252). Gibt das Verhalten einer Person Anlass dazu, sie als Füh-
rungsperson wahrzunehmen, wird ihr Verhalten mit dem impliziten Leitbild verglichen.
Stimmen Verhaltensweisen und Eigenschaften mit diesem Leitbild überein, so wird diese
Person als Führender gesehen. Die Definition von Führung in diesem Kontext bezieht
sich allein darauf, als Führender wahrgenommen zu werden. So beschreiben sie: ,,...we
define leadership as the process of being perceived by others as a leader." (LORD/ MA-
HER 1991, S. 11).
7
Das Bild, welches von einem idealen Führenden vorgehalten wird, ist nach einer Studie
von KELLER (1999), ein Abbild oder ein Ausgleich der eigenen Persönlichkeit. In einer
Studie über die Herkunft und Prägung des impliziten Führungsleitbildes wurden die Ein-
flüsse untersucht, welche dieses Bild prägen. Im Ergebnis zeigte sich, dass insbesondere
Kindheitserfahrungen und die eigene Persönlichkeit dieses Bild prägen. Die Beschreibung
des eigenen Persönlichkeitsbildes korrelierte bei Personen mit hohem Selbstbewusstsein
mit der Beschreibung eines idealisierten Führerbildes. Damit entsprach ein idealisiertes
Selbstbild am ehesten einem idealen Führenden. Bei Personen mit geringem Selbstbe-
wusstsein stellte das Führungsideal eine ausgleichende Funktion dar. Die subjektiv einge-
schätzte Mangelhaftigkeit der eigenen Persönlichkeit soll durch das Führungsideal Aus-
gleich finden (vgl. KELLER 1999, S. 600).
Damit kann festgehalten werden, dass das implizite Bild eines Führenden durch die Fami-
lie, Erziehung, Ausbildung und durch die Umwelt beeinflusst wird. Dies gibt Anlass zu
der Annahme, dass die Umweltbedingungen, in welchen man Erfahrungen sammelt und
durch welche man geprägt wird, wesentlichen Einfluss auf dieses Führungsideal haben.
Zusammenhänge und Erweiterungen zur kulturell bevorzugten impliziten Führungstheo-
rie werden weiter unten, in Verbindung mit der GLOBE-Studie, dargestellt.
2.5 Transaktionale Führung
Der transaktionale Ansatz der Führung basiert auf einer Austauschbeziehung zur Erfül-
lung der gegenseitigen Bedürfnisse zwischen dem Führenden (Vorgesetzter) und Mitar-
beiter (Unterstellter) (vgl. BASS/STEYRER 1995, S. 2053). Transaktionale Führung geht
7
Hierbei wird deutlich, dass vom Sprachverständnis her ,,leadership" nicht ohne Kontext als Führung über-
setzt werden kann. Im Deutschen Sprachgebrauch wird Führung nicht unmittelbar als eine prominente Posi-
tion innerhalb einer Gruppe verstanden.

23
auf die Theorie der bedingten Verstärkung
8
durch Belohnung bei richtigem oder ge-
wünschtem Verhalten zurück (vgl. STAEHLE 1990, S. 193 und WEINERT 2004, S.
221). Der Vorgesetzte delegiert an den Mitarbeiter einen begrenzten Verantwortungsbe-
reich oder Ermessensspielraum aus dem organisatorischen Tätigkeitsfeld, in welchem
dieser dann selbständig arbeiten kann. Maßnahmen dieser Art werden unter dem Begriff
Empowerment
9
zusammengefasst (vgl. SCHMALEN 2002, S. 279-280). Für diesen Be-
reich werden untereinander Ziele
10
und entsprechende Entlohnungen im Rahmen eines
`Contingent reinforcement´ vereinbart. Wird das Ziel in dieser Form erreicht, bekommt
der Mitarbeiter die vereinbarte positive Entlohnung. Der Mitarbeiter wird motiviert durch
das Lob und die Anerkennung des Vorgesetzten, sowie durch das Belohnungsversprechen
bei Erfolg. Wird das Ziel hingegen nicht erreicht, erfolgt keine positive Entlohnung und
das Fehlverhalten des Mitarbeiters wird durch Kritik, Tadel, Einschränkungen oder Dis-
ziplinarmaßnahmen sanktioniert. Vorgesetzter und Mitarbeiter interagieren bei dieser
Führung auf einer rationalen Ebene, mit feststehenden etablierten Zielen, klaren Rollen-
vorgaben und Rollenerwartungen (vgl. BASS 1999, S. 184 und WEINERT 2004, S. 512).
Die Methode der Delegation und des `contingent rewarding´ wird auch als Management-
by-Exception-Prinzip (MbE) beschrieben. Der Vorgesetzte kann aktives oder passives
MbE betreiben. Bei dem aktiven MbE überwacht der Vorgesetzte die Arbeit des Mitarbei-
ters und greift bei Fehlern oder Fehlentwicklungen korrigierend ein. Bei passivem MbE
wartet der Vorgesetzte, dass der Mitarbeiter ihn bei Problemen oder Fehlern einbezieht,
um korrigierend oder unterstützend einzugreifen. Ergänzend dazu, besteht auch die Mög-
lichkeit, dass der Vorgesetzte nach der Delegation völlig untätig bleibt, die Führung ver-
weigert und den Mitarbeiter sich selbst überlässt. Dieses Prinzip wird dann Laissez-Faire-
Prinzip genannt (vgl. BASS/STEYRER 1995, S. 2055 und BASS/STEINDLMEIER
1999, S. 184).
2.6 Transformationale Führung
Transformationale Führung rückt von der rationalen Austauschbeziehung ab und strebt
eine höhere Ebene der Interaktion an. Der Führende setzt hier keine klaren Ziele, sondern
8
Auch ,,operantes Konditionieren" genannt.
9
Empowerment ist die Verstärkung der Selbstkompetenz, die mit einer Ausweitung des
Verantwortungsbereichs eines Mitarbeiters im organisatorischen Rahmen verstanden werden kann.
Dazu auch: WEIBLER, JÜRGEN, Personalführung, 1. Auflage 2001, Verlag Vahlen, Seite 63 und 468
10
Als Ziel ist ein gewünschter Endzustand zu verstehen.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836613590
DOI
10.3239/9783836613590
Dateigröße
633 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald – Rechts- und Staatswissenschaften, Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2008 (Mai)
Note
2,0
Schlagworte
führung interkulturalität china interkulturelle kompetenz kulturdimensionen
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Titel: Führung im interkulturellen Kontext
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