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Die regionale Gesundheitsversorgung in Deutschland

Eine Erkundungsstudie

©2008 Diplomarbeit 175 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Das Gesundheitssystem befindet sich in einem ständigem Wandel. Dies ist eine weit verbreitete und immer wieder gern verwendete These, wenn es darum geht, die Einleitung in ein gesundheitswirtschaftliches Thema herzustellen. Sich allein dieser Feststellung zu bedienen, reicht jedoch nicht aus, um das Gesundheitswesen auch dahingehend aktiv, zukunftsfähig, nachhaltig und obendrein unter wirtschaftlichen Aspekten gestalten zu können.
Schlagwörter wie Zentralisierung, Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung und Leistungskürzungen beherrschen heute mehr denn je das Gesundheitswesen. Dementsprechend scheint es nicht verwunderlich, dass die Kostendämpfung seit dem Jahre 1977 ein integraler Bestandteil der Gesundheitspolitik ist, deren Agenda schon alleine bis zum Jahr 2000 über 40 Gesetze und Verordnungen und rund 6.800 Vorschriften zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verzeichnen konnte. All die Jahre einer sog. "Politik ohne Kompass" haben nichts anderes gebracht als eine ständige Zunahme des Missbehagens der in der GKV Versicherten.
So zeigt die Geschichte der Kostendämpfungsgesetze und ihrer Misserfolge deutlich, dass im Gesundheitswesen zwischen Wollen und Erfolg riesige Lücken bestehen.
Festzuhalten ist jedoch, dass die "Zentralisierung und Ökonomisierung [des Gesundheitswesens] (..) der falsche Weg für eine sachgerechte Medizin [ist].". Richtiger wäre es hierbei die Public Health- und Versorgungsforschung weiter voranzutreiben. Deshalb muss "das Gesundheitswesen (..) durch eine neue Qualität der Kooperation, eine Intensivierung der Kommunikation und innovative Veränderungen der Prozesse, Organisationsformen und technologischen Infrastruktur der demographischen und medizintechnischen Entwicklungen angepasst werden.".
Mit dem Inkrafttreten des Wettbewerbsstärkungsgesetzes am 01.04.2007 und dem Vertragsarztänderungsgesetzes vom 01.01.2007 sind viele Änderungen in der Gesetzeslandschaft vorgenommen worden, die innovative Möglichkeiten eröffnen, um neue Versorgungsstrukturen entstehen zu lassen. Diesbezüglich kann eine regional organisierte Gesundheitsversorgung einen entscheidenden Platz im Gesundheitswesen einnehmen.
Ziel der Arbeit:
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die "Regionale Gesundheitsversorgung" explorativ darzustellen und gleichzeitig zu erforschen, welche Relevanz das Thema für einzelne Akteure im Gesundheitswesen besitzt. Weiterführend soll die Forschungsarbeit aufzeigen, wie sich die RGV auf […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltverzeichnis

0 Einleitung

1 Ziel der Arbeit
1.1 Gang der Untersuchung

2 Heranführung an ein gemeinsames Verständnis von "Region" bzw. "Regionalität"
2.1 Das Konzept der Regionalität
2.2 Das Konzept der Lebensqualität
2.3 Die regionale Lebensqualität und ihre Einflussfaktoren
2.4 Regionale Versorgung beeinflusst die medizinische Ergebnisqualität
2.5 Die regionale Gesundheitsversorgung als bedeuts. Infrastrukturmerkmal
2.6 Exkurs: Die "Hamburger Erklärung"
2.7 Regionale Gesundheitsversorgung als Chance für eine ökonomische Überlegenheit

3 Definition: Regionale Gesundheitsversorgung (RGV)

4 Die wirtschaftliche Entwicklung im Gesundheitsmarkt
4.1 Ausgangspunkt der Diskussion
4.1.1 Die Theorie der langen Wellen
4.1.2 Exkurs: Der Themenkomplex "Gesundheit" als Basisinnovation
4.1.3 Der 6. Kondratieffzyklus
4.2 Die gesundheitswirtschaftliche Entwicklung in Deutschland
4.2.1 Hessen als Paradebeispiel der Zulieferindustrie
4.2.2 Einflüsse auf das Wachstumspotenzial des Gesundheitsmarktes

5 Perspektiven regionaler Entwicklung und ihre Auswirkung auf den Gesundheitsmarkt
5.1 Die regionale Entwicklung in Deutschland
5.2 Das Konzept der Metropolregionen
5.3 Beeinflussende Trends einer zukünftigen Regionalentwicklung
5.4 Die Regionalentwicklung beeinflusst die Gesundheitsversorgung

6 Einfluss der regionalen Gesundheitsversorgung auf die Regionalentwicklung
6.1 Die "Gesundheit" als Wirtschaftstreiber der Regionen
6.2 Das Zusammenspiel von Wirtschaft und Gesundheit
6.3 BMBF-Wettbewerb: "Gesundheitsregionen der Zukunft"

7 Methodik der empirischen Untersuchung
7.1 Ziel der empirischen Untersuchung
7.2 Forschungsdesign
7.3 Auswahl der Probanden
7.4 Erhebungsinstrument der Befragung
7.5 Datenerfassung
7.6 Auswertung und Ergebnisdarstellung
7.7 Diskussion

8 Fazit der Untersuchungen

9 "Further Implications"

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: "Die wichtigsten Gesundheitsreform-Gesetze im Überblick"

Abb. 2: "Die 4 Leitkriterien einer regional vorgetragenen Gesundheitsversorgung: Lebensqualität der Betroffenen, medizinische Ergebnisqualität, Ausprägung einer regionalen Infrastruktur (Standortmerkmal) und ökonomische Effizienz"

Abb. 4: "Die langen Wellen der Konjunktur und ihre Basisinnovationen"

Abb. 5: Das "Schichtenmodell der Gesundheitswirtschaft"

Abb. 6: Leitbild "Wachstum und Innovation" der zukünftigen Raumentwicklung

Abb. 7: Zusammenhang zwischen Regionalentwicklung und Gesundheitsförderung

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Mögliche Folgen der sozialrechtlichen Veränderung

Tabelle 2: Die 20 Gewinner des BMBF-Wettbewerbs "Gesundheitsregionen der Zukunft"

Tabelle 3: Ergebnistabelle der empirischen Studie

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Das Gesundheitssystem befindet sich in einem ständigem Wandel. Dies ist eine weit verbreitete und immer wieder gern verwendete These, wenn es darum geht, die Einleitung in ein gesundheitswirtschaftliches Thema herzustellen. Sich allein dieser Feststellung zu bedienen, reicht jedoch nicht aus, um das Gesundheitswesen auch dahingehend aktiv, zukunftsfähig, nachhaltig und obendrein unter wirtschaftlichen Aspekten gestalten zu können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schlagwörter wie Zentralisierung, Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung und Leistungskürzungen beherrschen heute mehr denn je das Gesundheitswesen. Dementsprechend scheint es nicht verwunderlich, dass die Kostendämpfung seit dem Jahre 1977 ein integraler Bestandteil der Gesundheitspolitik ist, deren Agenda schon alleine bis zum Jahr 2000 über 40 Gesetze und Verordnungen und rund 6.800 Vorschriften zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verzeichnen konnte. All die Jahre einer sog. "Politik ohne Kompass" haben nichts anderes gebracht als eine ständige Zunahme des Missbehagens der in der GKV Versicherten.

Abb. 1: "Die wichtigsten Gesundheitsreform-Gesetze im Überblick"[1]

So zeigt die Geschichte der Kostendämpfungsgesetze und ihrer Misserfolge deutlich, dass im Gesundheitswesen zwischen Wollen und Erfolg riesige Lücken bestehen.[2]

Festzuhalten ist jedoch, dass die "Zentralisierung und Ökonomisierung [des Gesundheitswesens] (..) der falsche Weg für eine sachgerechte Medizin [ist]."[3] Richtiger wäre es hierbei die Public Health- und Versorgungsforschung weiter voranzutreiben.[4] Deshalb muss "das Gesundheitswesen (..) durch eine neue Qualität der Kooperation, eine Intensivierung der Kommunikation und innovative Veränderungen der Prozesse, Organisationsformen und technologischen Infrastruktur der demographischen und medizintechnischen Entwicklungen angepasst werden."[5]

Mit dem Inkrafttreten des Wettbewerbsstärkungsgesetzes am 01.04.2007 und dem Vertragsarztänderungsgesetzes vom 01.01.2007 sind viele Änderungen in der Gesetzeslandschaft vorgenommen worden, die innovative Möglichkeiten eröffnen, um neue Versorgungsstrukturen entstehen zu lassen. Diesbezüglich kann eine regional organisierte Gesundheitsversorgung einen entscheidenden Platz im Gesundheitswesen einnehmen.

1 Ziel der Arbeit

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die "Regionale Gesundheitsversorgung" explorativ darzustellen und gleichzeitig zu erforschen, welche Relevanz das Thema für einzelne Akteure im Gesundheitswesen besitzt. Weiterführend soll die Forschungsarbeit aufzeigen, wie sich die RGV auf einzelne Institutionen des Gesundheitsmarkts auswirkt. Hierbei werden wechselseitige Einflüsse einer regionalen Gesundheitsversorgung auf ihr direktes Umfeld erkennbar.

1.1 Gang der Untersuchung

Aufgrund einer intensiven Literaturrecherche und des daraus resultierenden Forschungsstands des Themas erwies sich eine explorative Orientierung bzw. Herangehensweise an das Thema als maßgeblich.[6] Hierzu ist es von Vorteil die Untersuchung in zwei Teile zu gliedern.[7]

In einem ersten theoretischen Teil werden unter Gliederungspunkt zwei zunächst die "4 Leitkriterien"[8] nach George vorgestellt, die entscheidende Grundüberlegungen einer regionaler Gesundheitsversorgung darstellen. Mittels diesem hypothetischen Konstrukt soll ein gemeinsames Verständnis geschaffen werden, welches zu einer einheitlichen Definition von "Regionaler Gesundheitsversorgung" führt.

Des Weiteren wird anhand der "Theorie der langen Wellen"[9] die wirtschaftliche Entwicklung des Gesundheitsmarktes beschrieben. Es folgt eine Dimensionierung des deutschen Gesundheitsmarktes.

Auf Grundlage der gemeinsamen Definition und den vorangegangen Überlegungen erörtert ein weiterführendes Kapitel die Wechselwirkungen einer regionalen Gesundheitsversorgung auf die Regionalentwicklung und verdeutlicht gesundheitspolitische Tendenzen anhand einer Wettbewerbsausschreibung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

Der zweite Teil der Diplomarbeit umfasst die empirische Untersuchung der Relevanz von regionaler Gesundheitsversorgung anhand von "Erkundungsgesprächen"[10]. Wesentliche Bestandteile dieser Studie sind die geführten Interviews mit fünf Experten aus verschiedenen Bereichen des Gesundheitsmarkts, die daraus resultierenden Ergebnisse und deren anschließende Auswertung. Die Methodik dieser empirischen Forschungseinheit wird in Kapitel sieben explizit erläutert.

Den Schluss der empirischen Forschungsarbeit bildet ein Gesamtfazit, welches u. a. von den vorangegangen Untersuchungen genährt wird und weitere Ausblicke eröffnet.

2 Heranführung an ein gemeinsames Verständnis von "Region" bzw. "Regionalität"

Im folgenden Kapitel geht es darum, eine gemeinsame Basis herzustellen, die das Verständnis von dem Begriff "Region" bzw. "Regionalität" schärft und anschließend in eine gemeinsame Definition von "Regionaler Gesundheitsversorgung" mündet.

Nach George existieren vier maßgebliche Argumente bzw. Kriterien, die eine regionale Gesundheitsversorgung begründen können. Diese "4 Leitkriterien" gliedern sich wie folgt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: "Die 4 Leitkriterien einer regional vorgetragenen Gesundheitsversorgung: Lebensquali- tät der Betroffenen, medizinische Ergebnisqualität, Ausprägung einer regionalen Infra- struktur (Standortmerkmal) und ökonomische Effizienz"[11]

Die folgenden Beiträge sollen dabei helfen, dieses Leitbild einer regionalen Gesundheitsversorgung zu untersuchen und es dahingehend auf seine Gültigkeit zu prüfen.

2.1 Das Konzept der Regionalität

Nach George wird "bei Betrachtung des Begriffs Regionalität (..) erkennbar, dass bis heute kein einheitliches Wortverständnis darüber besteht, was dieser Begriff exakt bedeutet."[12] Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Darstellungen von George.[13] Im Wesentlichen lässt sich der Begriff Regionalität auf die topologischen Dimensionen des Regionalbegriffs reduzieren, indem Regionalität verstanden wird als:

- räumliche Wertschöpfungskette,
- kausale Verbindung zwischen Produktion und Konsum,
- Merkmal eines Produktes oder einer Dienstleistung,
- Ländlichkeit oder geographische Herkunft.

Erweitert wird dieses Verständnis um eine weitere soziale Dimension. So soll durch eine erhöhte regionale Sozialität, die insbesondere durch die Leistungserbringer vorgetragen wird, ein spezifischer Mehrwert entstehen, der Regionalität auszeichnet.

Dies bedeutet für die Gesundheitsdienstleister, von einem Versorgungsprozess auszugehen, der sich über die verschiedenen Lebensphasen erstreckt, Patienten also nicht als anonym oder austauschbar wahrzunehmen.

George zufolge hat die Leistung des Patienten zu regionalen Leistungsanbietern über den Behandlungswert hinaus auch einen sozial-psychologischen Wert, der geprägt ist durch kurze Wege, Transparenz, Partizipation, Abstimmung, Information und Kommunikation. Durch diese sozial-psychologischen Vorteile wird also die objektive Qualität der Gesundheitsversorgung erhöht.

Ein Großteil der hierzu erhobenen Studien zeigt, dass eine positive subjektive Bewertung der Güte der Behandlung durch die Patienten und deren Angehörige für den tatsächlichen Erfolg von entscheidender Bedeutung ist.[14] Auch George betont, "dass für den Wert einer Versorgungsleistung die subjektive Wertschätzung durch den Patienten ausschlaggebend ist."[15]

Des Weiteren wird eine Dienstleistung als regional entwickeltes Produkt immer auch als Element einer Region wahrgenommen. Je mehr Dienstleistungen diesen Weg durchlaufen, desto mehr wächst ein intellektuelles Verständnis zu solch entwickelten Leistungen. Darüber hinaus entsteht auch gleichzeitig eine emotionale Beziehung zu diesem Produkt.[16]

George ist der Auffassung, dass die Region auf diesem Wege "ein spezifisches, im Erfolgsfall positives Image erwerben" kann, von dem auch weitere regionale Produkte profitieren.[17]

2.2 Das Konzept der Lebensqualität

Glatzer beschreibt Lebensqualität als "eine vorherrschende Leitidee in modernen Gesellschaften für die Gestaltung individueller und kollektiver Lebensverhältnisse."[18] Dieses Verständnis beinhaltet sowohl die "objektiven" Lebensbedingungen bzw. Lebensstandards als auch die "subjektiv" empfundene Lebensqualität der Betroffenen. Somit kann Lebensqualität "als die Verbindung objektiver Lebensbedingungen mit subjektiver Bewertung und dem daraus resultierenden subjektiven Wohlbefinden verstanden werden."[19] Dabei sei hervorzuheben, dass der Begriff nicht gleichzusetzen ist mit Begriffen wie Lebensbedingungen, Lebensverhältnissen und Lebensstil.[20]

In Deutschland begann die wissenschaftliche Erforschung von Lebensqualität Ende der 70er Jahre. Ihre international organisierte Ausrichtung zeigt sich in den Vereinigungen der "International Society for Quality of Life Research" und der "International Society for Quality of Life Studies". Des Weiteren sind internationale Organisationen wie die UN, die OECD und die EU ebenfalls an der Untersuchung der Lebensqualität beteiligt.

Glatzer erläutert, dass Lebensqualität die Berücksichtigung von Werten wie politischer Beteiligung, Sicherheit, Solidarität, Freiheit u. a. m. sowohl im innergesellschaftlichen als auch im internationalen Rahmen erfordert.[21] Dass der Begriff sich nicht in der "Summe der Wohlfahrt von Individuen" erschöpfe.[22] Dem zufolge stellt "Lebensqualität (..) als Leitbild einen mehrdimensionalen Wohlfahrtsbegriff dar, der Wohlbefinden beinhaltet und neben der individuellen Bedürfnisbefriedigung auch die kollektive Wohlfahrt mit einbezieht."[23]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: "Übersicht zum Konzept der Lebensqualität und ihrer Aspekte"[24]

Im obigen Modell entspricht die subjektive Lebensqualität somit dem Konzept des Wohlbefindens. Diese beinhaltet mindestens drei voneinander unabhängige Aspekte:

- Positives Wohlbefinden (z. B. Zufriedenheit und Glück),
- Negatives Wohlbefinden (z. B. Sorgen und Ängste),
- Zukunftserwartungen (Optimismus und Pessimismus).

Alle drei Begriffe können vielfältig - auch abhängig vom jeweiligen sprachlichen Instrumentarium - ausdifferenziert werden. In Deutschland sei - so Glatzer - die "Lebenszufriedenheit" der bevorzugte Begriff zur Beschreibung der wahrgenommenen Lebensqualität.

2.3 Die regionale Lebensqualität und ihre Einflussfaktoren

Nach George ist "das Konzept der regionalen Lebensqualität (..) auch in Deutschland zu einer verbindlichen Zielgröße kommunalen und öffentlichen Handelns geworden."[27] Dem Faktor Gesundheit kommt in Bezug auf die (regionale) Lebensqualität eine hohe Bedeutung zu. Nach Glatzer ist Gesundheit eine Vorraussetzung, für hohes Wohlbefinden.[28] Alle an der regionalen Wohlfahrtsproduktion beteiligten Instanzen werden somit von Gesundheit beeinflusst.[29]

Somit stellen folgende Sozialindikatoren wichtige Einflussfaktoren für die Beobachtung einer (regionalen) Gesundheitsentwicklung bzw. einer (regionalen) Gesundheitsversorgung dar:

- Indikatoren einer (regionalen) Gesundheitsversorgung (Ressourcen bzw. Kostenindikatoren), z. B.: Ärztedichte (objektiv), durchschnittliche Verweildauer im Krankenhaus (objektiv), finanzielle Aufwendungen je Einwohner (objektiv), Compliance (subjektiv),
- Indikatoren zu Gesundheitsursachen (analytische Indikatoren), z.B.: Arbeits- und Wegeunfälle (objektiv), Berufskrankheiten (objektiv), Übergewicht (objektiv), Schmerzempfinden (subjektiv),
- Indikatoren des Gesundheitszustandes (Output-Indikatoren), z. B.: andauernde Erkrankung oder Behinderung (objektiv), regelmäßige Medikamenteneinnahme (objektiv), große Sorgen um die Gesundheit haben (subjektiv), Zufriedenheit mit der Gesundheit (subjektiv).[30]

Die öffentlichen Diskussionen über das Gesundheitswesen beziehen sich vergleichsweise wenig auf das Niveau der Gesundheit, sondern stärker auf Fragen bezüglich der Kosten von Gesundheitsversorgung. Daher ist die Diskussion von gesundheitsbezogener Lebensqualität eine Fachdiskussion, in der sich viele verschiedene Player, z. B. Wissenschaftler aus verschiedenen Fachdisziplinen, Studienauftraggeber und Beratungsunternehmen gegenüberstehen. Den Ausführungen von George zufolge besteht bei ihnen eine weitgehende Einigkeit bezogen auf die Faktoren, welche die regionale Lebensqualität maßgeblich beeinflussen, nämlich:

- Umweltbedingungen und Verkehr
- materieller Wohlstand und Lebenshaltungskosten
- Kulturelle und Freizeitangebote
- Sicherheit und soziale Befriedigung
- Sozial- und Bildungsmanagement
- Gesundheits- und Krankheitsmanagement
- Zukunftsinvestitionen[31]

Die entscheidende Determinante hierbei ist, dass "ein Optimum regionaler Lebensqualität nur dann zu erreichen und dauerhaft zu erhalten ist, wenn diese sich als Resultat eines systematischen Managementprozesses entwickeln kann."[32] Kennzeichnend hierfür sind eine systematische Zielführung und die Bündelung verschiedener Elemente der Lebensqualität.[33]

2.4 Regionale Versorgung beeinflusst die medizinische Ergebnisqua- lität

Nach George sind es die "epidemiologische[n] Ergebnisse und die mit ihnen verbundenen Erfahrungen, die deutliche Hinweise auf eine regional moderierte Beeinflussung von Krankheiten (…) nahe legen."[34] Im "Krebsatlas der Bundesrepublik Deutschland 1981-1990 (Atlas of Cancer Mortality in the Federal Republic of Germany)" werden regionale Unterschiede in Bezug auf die Sterberate und die Anzahl der Neuerkrankungen verschiedener Krebsformen beschrieben. Diesbezüglich werden regional differierende Präventions-, Behandlungs- und Rehabilitationsstrategien belegt.[35]

George fügt an, dass dieser Ansatz einer geographischen Epidemiologie durch Knorr und Wahrendorf 1997 begründet wurde, welche zusätzlich unterschiedliche Lebensgewohnheiten und physikalische Umweltgeschehen als determinierende Variablen einfügen.[36] Es kristallisiert sich heraus, dass die Risikofaktoren, die zu den Krankheitsbildern führen, eine räumliche Struktur besitzen. Dieses Ergebnis wird gestärkt durch verschiedene Arbeiten des Robert Koch Instituts (RKI), bei denen für einige Krankheitsbilder deutliche (regionale) Verteilungsunterschiede festgestellt werden konnten.[37]

Des Weiteren kann "auch die Prognose einer Erkrankung (..) regional unabhängig von der Qualität der medizinischen Leistungserbringung variieren."[38] Dementsprechend "zeigen wissenschaftliche Untersuchungen geographische Unterschiede bezüglich der Anwendung evidenzbasierender Therapieverfahren und einer davon abhängigen Überlebensrate der in diese Behandlung einbezogenen Patienten."[39] Bisher fehlt eine einheitliche Definition von "medizinischer Ergebnisqualität"[40] und diesbezüglich auch ein qualifiziertes Instrumentarium zur Messung. Somit besteht eine erhebliche Skepsis darüber, ob die derzeitigen [vom Gesetzgeber vorgegebenen] Qualitätssicherungssysteme in der Lage sind Qualitätsverbesserungen der medizinischen Versorgung zu dokumentieren.[41] Nach George et al beziehen sich "die Messungen von Qualität (…) überwiegend auf verschiedene Indikatoren der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität."[42]

Somit bleibt festzuhalten, dass sich das medizinische Gesamtergebnis aus verschieden Faktoren zusammensetzt. Nicht zuletzt spielen hier auch Umweltfaktoren, kulturelle Unterschiede, Genussorientierung und die persönliche Lebensorientierung eine große Rolle. Die medizinische Ergebnismessung muss sich somit neben der Erfassung traditioneller Endpunkte also auch an subjektiven Qualitäten orientieren. Folglich beschreiben Kopp, Albert & Lorenz in ihren Ausführungen, dass es das Ziel von qualitätssichernden Maßnahmen sein muss, die Versorgungsqualität über das Gesamtergebnis zu erfassen. Der Patient nimmt hier eine wesentliche Schlüsselrolle ein.[43] Somit können gerade regionale Netzwerke in besonderer Weise umfassende Dienstleistungspakete anbieten, welche mit Hilfe eines professionellen Schnittstellenmanagements den Bedürfnissen der Patienten gerecht werden und eine umfassende Evaluation der Versorgungsqualität gewährleisten.[44]

2.5 Die regionale Gesundheitsversorgung als bedeutsames Infra- strukturmerkmal

Die Raum- und Planungswissenschaft hat u. a. die Aufgabe regionale Entwicklungsprozesse zu beobachten, zu analysieren und zu bewerten. Sie beschäftigt sich auch mit (elementaren) Steuerungsmethoden und den dazu gehörenden Organisations- und Managementstrukturen. Daher ist regionale Gesundheitsvorsorge Bestandteil einer querschnittsorientierten und ganzheitlichen Regionalentwicklung. Die Kernfrage lautet daher, wie Gesundheitsversorgung und -entwicklung in den Gesamtkontext regionaler Entwicklungsprozesse einbezogen und vernetzt werden kann.[45]

Ziel ist hierbei eine Verbesserung der Koordination.[46] Hierzu existieren viele Erfahrungsberichte[47] von den verschiedensten Forschungsgruppen, Modellen und Landes-/ kommunalpolitischen Aktivitäten.

Im Folgenden soll anhand des Beispiels der "Hamburger Erklärung" aufgezeigt werden, wie eine solche Einbettung des Gesundheitssektors vollzogen werden kann bzw. inwiefern sich Kommunen aktiv an einer regionalen Infrastruktur beteiligen können.

2.6 Exkurs: Die "Hamburger Erklärung"

In der sog. "Hamburger Erklärung" haben sich nahezu alle Krankenhäuser in Hamburg für einen patientenorientierten Umgang mit Beschwerden verpflichtet.[48] So wurde in Hamburg das Projekt "Patientenunterstützung im Krankenhaus" ins Leben gerufen.[49] Im Vordergrund steht die Etablierung von Patientenanlaufstellen in Krankenhäusern, die zum Ausdruck bringen, dass Patientenanliegen für sie einen hohen Stellenwert besitzen. Für die Durchführung dieses Modells besteht eine Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale, die für die Auswertung von Beschwerden zuständig ist, um die bestehenden Mängel bzw. Missstände durch eigene Interventionen überwinden zu können.[50]

Die teilnehmenden Krankenhäuser haben sich gegenüber ihrer Patienten verpflichtet, sechs Punkte zum patientenorientierten Umgang mit Beschwerden einzuhalten:

- Leichte Zugänglichkeit: Die teilnehmenden Krankenhäuser weisen auf eine geeig- nete Form der Beschwerdemöglichkeit hin, bei der die Patienten sich jederzeit tele- fonisch und/oder schriftlich beschweren können.
- Zügige Bearbeitung: Die Teilnehmer verpflichten sich zu einer zeitnahen Bearbei- tung der Beschwerde. Hierbei wird der Beschwerdeeingang bestätigt und bei kom- plexeren Sachverhalten sogar eine Zwischennachricht erteilt.
- Unabhängigkeit: Hierbei werden Vorraussetzungen für ein unabhängiges Bearbeiten durch das Beschwerdemanagement geschaffen. Dieses erfolgt durch klare Richtlinien in der Bearbeitung der Beschwerden und den Einsatz unabhängiger und qualifizierter Mitarbeiter.
- Transparenz: Die Krankenhäuser stellen Transparenz über die Wege des Beschwer- demanagements her, die von der Annahme bis hin zu einer Interventionsempfehlung reichen. Diese werden in einem Jahresbericht veröffentlich.
- Verantwortung: Hierbei werden Pflichten und Befugnisse der Beschwerdemanage- mentmitarbeiter klar definiert und schriftlich in einer Vereinbarung festgehalten.
- Unternehmenskultur: Dies beinhaltet das Ziel, die Beschwerdekultur im jeweiligen Haus fortlaufend zu optimieren.[51]

Es stellte sich heraus, dass der Verbraucherschutz eine entscheidende Rolle für die Einschätzung der Qualität der erbrachten medizinischen Leistungen am Standort einnimmt.[52] Diese Beteiligung stellt ein klares Merkmal für eine regionale Infrastruktur dar.

Auch der Kostenaspekt für Gesundheitsdienstleistungen liegt bei den Hamburgern im Fokus. Geleitet wird dieser durch die Zielsetzung, dass das Gesundheitswesen am Standort für alle Bürger transparent erstellt und mit Nachhaltigkeit versehen werden soll.

Nach George wird somit "die Gesundheitsversorgung (..) als Element lokaler Lebensqualität erkannt und offensiv als Standortfaktor vermarktet."[53] Dieses Vorhaben wird unterstützt durch die Beratung und die Information der Bevölkerung von gesundheitsrelevanten Fragen. Somit wird eine "erfolgreiche Gesundheitsversorgung (..) zum gemeinsamen regionalen Ziel und damit zu einem Standortvorteil."[54]

2.7 Regionale Gesundheitsversorgung als Chance für eine ökono- mische Überlegenheit

Ein weiteres Ziel einer regional organisierten Gesundheitsversorgung ist ihre ökonomische Überlegenheit. Die regionale Gesundheitsversorgung wird durch die enge Beziehung zu integrierten Versorgungsverträgen gerechtfertigt.[55] Ausschlaggebend für diese Betrachtung sind die Tatsachen, dass

- eine unzureichende Verbindung zwischen den einzelnen Leistungserbringern besteht, die sich beispielsweise in Form von Schnittstellen- und Überleitungsproblematik ausdrückt und
- eine mangelhafte Koordination und Steuerung dieser Leistungserbringer existiert.

Hierdurch werden nicht nur die Ergebnisse der Versorgungsleistung beeinträchtigt, sondern darüber hinaus auch noch die Lebensqualität der jeweiligen Patienten verringert. Die Folge dieser Misere ist eine ganz klare Destabilisierung des Gesundheitssystems.[56]

Die Bundesregierung hat nach zahlreichen Studien[57] die Problematik erkannt und sich für eine Stärkung der Integrierten Versorgung sowie einer verbesserten Abstimmung zwischen dem ambulanten und stationären Sektor ausgesprochen.[58] Das Resultat dieses Engagement ist das zum 01.04.2004 in Kraft getretene GKV-Modernisierungsgesetz, welches den Leistungserbringern weit reichende Chancen für eine innovative und effizientere Gestaltung der Versorgungsmöglichkeiten eröffnet.[59]

Folgende potenzielle Möglichkeiten sprechen dafür:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Mögliche Folgen der sozialrechtlichen Veränderung[60]

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass "bis 2020 20% des Gesundheitsmarktvolumens durch Integrierte Versorgungssysteme abgedeckt werden könnten", gewinnt die Budgetverantwortung als vertragliche Form an entscheidender Bedeutung.[61] Diese beinhaltet sowohl Praxisnetze als auch Krankenhäuser mit Budgetverantwortung.[62] Damit ähnelt sie in ihrer Vertragslogik dem bekannten amerikanischen Versorgungsansatz Managed Care.[63] Nach George stellt "dieser Vertragstyp (..) die umfassendste Herausforderung und zugleich die Chance einer nachhaltigen Versorgungsentwicklung im durch den Gesetzgeber intendierten Sinn dar."[64]

So bleibt festzuhalten, dass neben dem Markt der Gesundheitsleistungen ein weiterer Markt entstehen wird, der Markt der Versorgungsverträge.[65] Den Ausführungen von George zufolge besitzen "regional abgestimmt kooperierende Anbieter (..) hier potenziell die beste Ausgangsposition, sowohl hinsichtlich der Kosten- als auch der Leistungsstruktur."[66]

3 Definition: Regionale Gesundheitsversorgung (RGV)

Folgt man dem Gedankengang der vorangegangenen Kapitel, so lässt sich hieraus ein einheitliches Verständnis dahingehend schaffen, dass Regionale Gesundheitsversorgung folgendermaßen definiert werden kann:

"Unter RGV werden all diejenigen koordiniert vorgetragenen Aktivitäten einer Region (oder auch Stadt) verstanden, die dem Ziel dienen die gesundheitliche Versorgungsqualität (a), die Lebensqualität der Betroffenen (b) und die Attraktivität einer Region (c) bestmöglich zu organisieren. Dabei wird eine Praxis gewählt, die sich zunächst auch an dem Kriterium ökonomische Überlegenheit gegenüber zentral vorgetragenen Versorgungsstrategien orientiert (d)."[67]

4 Die wirtschaftliche Entwicklung im Gesundheitsmarkt

Im folgendem Kapitel soll anhand der "Theorie der langen Wellen" (Nefiodow) die steigende Bedeutung des Themas Gesundheit und dessen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung erörtert werden. Anschließend erfolgt eine Dimensionierung der deutschen Gesundheitswirtschaft.

4.1 Ausgangspunkt der Diskussion

Wirtschaftswissenschaftler prognostizieren ein erhebliches Wachstumspotenzial in der Gesundheitswirtschaft, dies wird u. a. auch von Müller belegt.[68]

Nefiodow bezeichnet das Gesundheitswesen sogar als die "Wirtschaftslokomotive des 21. Jahrhunderts"[69] und bezieht sich hierbei auf die "Theorie der langen Wellen", welche in der folgenden Abbildung zu erkennen sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: "Die langen Wellen der Konjunktur und ihre Basisinnovationen"[70]

4.1.1 Die Theorie der langen Wellen

Im Jahre 1926 schrieb der russische Wissenschaftler Nicolai Kondratieff in einer angesehenen deutschen Fachzeitschrift einen Artikel, der den Titel "Die langen Wellen der Konjunktur" trug.[71] Er "behauptete darin, dass die wirtschaftliche Entwicklung Westeuropas und der USA nicht nur durch das Auftreten kurzer und mittlerer Konjunkturschwankungen gekennzeichnet sei, sondern dass in den kapitalistischen Ländern auch lange Phasen von Prosperität und Rezession periodisch auftreten."[72]

Kondratieff gab somit den Anstoß für einen neuen Denkansatz, der weltweit unter dem Titel "Theorie der langen Wellen" bzw. "Kondratieffzyklen" bekannt wurde.[73] Diese Zyklen wurden laut Nefiodow "erst seit der Entstehung der Marktwirtschaft im 18. Jahrhundert zuverlässig beobachtet."[74]

Es wird davon ausgegangen, dass ein Langzyklus[75] jeweils durch eine sog. Basisinnovation ausgelöst wird. Basisinnovationen sind bestimmte technisch-wirtschaftliche Neuerungen, die eine große Bedeutung für die Gesellschaft beinhalten.[76] In der Vergangenheit war der Kondratieffzyklus in erster Linie ein Thema der Konjunkturforschung, welches von der Öffentlichkeit überwiegend als ein rein ökonomisches Phänomen angesehen wurde.[77] Nach Nefiodow jedoch "darf (..) [der] Langzyklus nicht auf seine ökonomische Erscheinungsweise reduziert werden, sonst geht das Wesentliche an ihm verloren."[78] Grund hierfür ist die enge Verflechtung zwischen Wirtschaft und Gesellschaft. Folgt man den Ausführungen von Perez, ist "der Kondratieffzyklus (..) wesentlich mehr als ein Konjunkturzyklus, er ist ein Reorganisationsprozess der gesamten Gesellschaft, der mit dem Ziel stattfindet, ein oder mehrere große Knappheitsfelder zu erschließen."[79]

Reimers und Remdisch erläutern, dass sich "zwischen den einzelnen Zyklen (…) ein angespanntes Verhältnis zwischen Wirtschaft und Gesellschaft [entwickelt]"[80], welches daraus resultiert, dass eine Gesellschaft neuen Erfordernissen gegenübersteht, auf die sie allerdings zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorbereitet ist.[81] Somit stellt sich heraus, dass das Bedürfnismuster der Gesellschaft ein zeitabhängiges Phänomen ist, welches sich mit einem Strukturwandel herausbildet. In einem Kondratieffzyklus verwirklicht sich die Nachfrage, die sich während des vorangehenden angestaut hat.[82]

Wie Abb. 4 zeigt, sind bisher fünf Zyklen inklusive deren Bedarfsfelder nachvollziehbar. Folgt man den Ausführungen von Nefiodow, so könnte der Themenkomplex "Gesundheit" den nächsten Zyklus und damit auch die Gesundheitswirtschaft maßgeblich prägen und beeinflussen.[83]

4.1.2 Exkurs: Der Themenkomplex "Gesundheit" als Basisinnovation

Wie bereits erwähnt, ist eine Basisinnovation Auslöser und Träger der Kondratieffzyklen. Nefiodow erläutert, dass "ihre Rolle als Träger langer Phasen der Prosperität (..) weiterhin unterschätzt [wird]."[84] Somit spielen Basisinnovationen nicht die Rolle in Politik und Unternehmenspraxis, die ihnen eigentlich zukommen müsste.

Nach Nefiodow gilt technischer Fortschritt als Basis für Wirtschaftwachstum und Steigerung des Wohlstands.[85] Folglich entscheiden nicht Menschenmassen und Rohstoffvorkommen über den Wohlstand einer Nation, sondern Fachkompetenz, Kapital, Organisation, Kreativität, Motivation und Kooperation.[86] Augenscheinlich wird dies auch im Vergleich von Ländern wie Japan, Deutschland und die Schweiz mit Ländern wie China, Indien oder Brasilien.[87]

Den Erläuterungen zufolge, ist "seit dem dritten Kondratieffzyklus (..) der technische Fortschritt immer stärker von wissenschaftlichen Erkenntnissen und ihrer Umsetzung in Innovationen abhängig geworden."[88] Innovationen führen zu Umsätzen, Arbeitsplätzen und zur Verbesserung der Produktivität. Sie lösen Modernisierungsimpulse aus und prägen den Strukturwandel.[89]

Der Themenkomplex Gesundheit kann als Basisinnovation eingestuft werden, da er die folgenden drei entscheidenden Kriterien erfüllt:

1. Die Gesundheitsbranche besteht aus einem Bündel eng vernetzter Technologien, die in der Lage sind, das Tempo und die Richtung des Innovationsgeschehens für mehrere Jahre zu bestimmen. Kern des Technologienetzes ist hierbei die Computertechnologie.
2. Sie übernimmt die Rolle einer Lokomotive für die gesamte Wirtschaft und bestimmt das Wachstum der Weltwirtschaft über mehrere Jahrzehnte maßgeblich. Diese Forderung ist erfüllbar, da die Basisinnovation Gesundheit ein großes Knappheitsfeld der Gesellschaft erschließt. Um deren Bedeutung gewichten zu können, muss ihr Umsatz herangezogen werden. Allein im Jahre 2003 hatte der deutsche Gesundheitsmarkt ein Volumen in Höhe von ca. 239,4 Mrd.[90] Euro. Dies entspricht einem Anteil in Höhe von 10,7 %[91] des deutschen Bruttoinlandsprodukts und lässt das Gesundheitswesen zum zweitgrößten Arbeitgeber nach dem Handwerk werden.
3. Schließlich ist die Basisinnovation Gesundheit dadurch gekennzeichnet, dass sie zu einer weit reichenden Reorganisation der Gesellschaft führt. Im Gesundheitswesen drückt sich die Kondratieffwelle u. a. in einer Reorganisation der Gesundheitsversorgung aus und macht sich durch eine Fülle von neuen Produkten und Dienstleistungen bemerkbar.[92]

Nefiodow zeigt, dass sich eine Gesellschaft auf das neue Erfolgsmuster einstellen muss, um das volle Potenzial einer Kondratieffwelle nutzen zu können.[93] Unter der Vorraussetzung, dass die entsprechende Reorganisation zum richtigen Zeitpunkt stattfindet, kann eine Innovation in einem Kondratieffzyklus wie eine "Wachstumslokomotive" wirken und lange Prosperität zur Folge haben.[94]

Im Gegensatz hierzu führt ein ausgeschöpftes Nutzungspotenzial bzw. die "Nichterkennung" neuer Basisinnovationen zunächst in eine Rezession der Wirtschaft, die später in eine Depression mündet. Brisanz gewinnt dieser Aspekt, wenn bedacht wird, dass "die bis 1996 vorliegenden Daten (…) darauf hin [deuten], dass [sic] der Höhepunkt des fünften Kondratieff in Europa und Japan bereits überschritten ist und in den USA in wenigen Jahren erreicht sein wird."[95]

4.1.3 Der 6. Kondratieffzyklus

Nefiodow geht davon aus, dass der moderne Industrialisierungsprozess mit dem ersten Kondratieff begann und mit dem fünften Kondratieff seinen Höhepunkt überschritten haben wird. Jedoch bedeutet dies nicht, dass der Industrie in Zukunft keine Bedeutung mehr zukommen wird. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass sie ihre dominierende Rolle verliert, welches sich deutlich am Arbeitsmarkt bemerkbar machen wird. Ressourcenknappheit, Marktsättigung und schließlich die Gesundheit der Menschen setzen dem Ausbau des Industriesektors klare Grenzen.[96] So stiegen bereits im fünften Kondratieff "die Kosten im Gesundheitssektor beträchtlich und sind kaum noch finanzierbar."[97] Die Grenzen der Kostensozialisierung ist endgültig erreicht und erfährt im sechsten Kondratieff eine radikale Wende.[98]

Neben den somatischen Erkrankungen spielen auch psychische Erkrankungen hierbei eine große Rolle.[99] Schätzungen des Berufsverbandes der praktischen Ärzte und Ärzte für Allgemeinmedizin Deutschlands ergeben, dass mindestens 30-40% aller körperlichen Beschwerden psychosomatischen Ursprungs sind.[100]

Betrachtet man im Umkehrschluss die Entwicklung des Arbeitsvolumens als Indikator zur Beurteilung der Zukunftsaussichten einer Branche, so bleibt festzuhalten, dass das Gesundheitswesen die höchsten Zuwachsraten überhaupt verzeichnen kann. Allein zwischen den Jahren 1983 und 1993 nahm in Deutschland die Zahl der Erwerbstätigen im Gesundheitssektor um über 600% zu. Dieses ist ein Trend, der auch in anderen Industrieländern bestätigt wird.[101]

Bei näherer Betrachtung des Arbeitsmarktes, kristallisiert sich schnell die Sozialkompetenz als ein weiterer zukunftsweisender Indikator heraus. So zeigte eine "systematische Auswertung von Stellenanzeigen im Hinblick auf gefragte Kompetenzbereiche (..), dass soziale Kompetenzen die am häufigsten gesuchte Qualifikation war."[102] Der Arbeitsmarkt braucht also psychisch gesunde Menschen. Jedoch stellen "die Dynamik und die Komplexität des modernen Lebens (..) hohe Ansprüche an die körperlichen, seelischen und geistigen Kräfte des Menschen."[103] Demzufolge ist es nicht verwunderlich, dass "viele Berufstätige (…) [nicht mehr] mit dem raschen Wandel der Berufsanforderungen (…) [mitkommen]."[104] Hinzu kommt, dass der private Bereich[105] immer seltener in der Lage ist den nötigen Ruhepol darzustellen um dieses Ungleichgewicht beheben zu können.[106] Ein möglicher Burnout des Beschäftigten "ist oft die Reaktion auf chronische, hauptsächlich zwischenmenschliche Stressbedingungen (…)."[107]

Aus dieser Situation heraus erwächst in der Bevölkerung ökonomisch entwickelter Länder die Bereitschaft, "mehr Geld für Ihre Gesundheit auszugeben."[108] Nach Nefiodow wird es "im sechsten Kondratieff deshalb zu einem Paradigmenwechsel von einer auf Krankheiten ausgerichteten kurativen Medizin zu einer gesundheitsorientierten kommen."[109] Reimers und Remdisch gehen somit davon aus, dass der sechste Kondratieffzyklus von der Thematik der ganzheitlichen Gesundheit geprägt sein wird.[110]

Für Deutschland sind die Ausgangsbedingungen für die Teilnahme am "Megamarkt Gesundheit" sehr günstig, da die europäische Wirtschaft in der Medizintechnik, der pharmazeutischen Industrie und in anderen, der Gesundheit zugewandten Branchen führend ist.[111]

4.2 Die gesundheitswirtschaftliche Entwicklung in Deutschland

Die gesundheitswirtschaftliche Bedeutung des deutschen Gesundheitsmarktes ist größer denn je. Es ist zu erwarten, dass dieser Trend in den kommenden Jahrzehnten nicht abreißen und sogar in Zukunft weiter zunehmen wird. Im Wesentlichen können für diese Nachfrageentwicklung nach Gesundheitsleistungen zwei Treiber identifiziert werden:

- Die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung, die gleichzeitig eine Multimor- bidität hervorruft.
- Der medizin-technische Fortschritt, der die Behandlungsmöglichkeiten und die Behandlungskosten erhöht.

So ist der Gesundheitsmarkt im Zeitraum von 1996 bis 2005 um 44,5 Mrd Euro gewachsen, was einer nominalen Zunahme von fast 23 % entspricht.[112]

Diese Zahlen werden besonders verstärkt, wenn man den Gesundheitsmarkt als ganzheitliches Modell betrachtet:[113]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Das "Schichtenmodell der Gesundheitswirtschaft"[114]

Neben dem Gesundheitswesen als "klassische Determinante", die sich in seiner ursprünglichen Form aus den Dienstleistungen in der stationären und ambulanten Gesundheitsversorgung sowie dem Pflegebereich ergibt[115], müssen zunehmend auch folgende Bereiche berücksichtigt werden:[116]

- Vorleistungs- und Zulieferindustrien
- Pharmazeutische Industrie
- Medizinprodukte und Medizintechnik
- Gerontotechnik
- Bio- und Gentechnologie
- Gesundheitshandwerk
- Groß- und Facheinzelhandel mit medizinischen und orthopädischen Produkten
- Randbereiche des Gesundheitsmarktes
- Gesundheits- und gesundheitssystembezogene Forschungseinrichtungen
- Gesundheitswirtschaftsbezogene Informationsangebote
- Herstellung und Vertrieb von funktionellen Nahrungs- und Nahrungs- ergänzungsmitteln
- Catering und Reinigung für bzw. in Unternehmen der Gesundheits- wirtschaft
- Beratung von Unternehmen und Einrichtungen der Gesundheitswirt- schaft
- Planung- und Bauleistung für die Gesundheitswirtschaft
- Arbeitsmarkt und Gesundheitsbereiche
- Arbeitsmarkt für die Gesundheitsberufe im engeren Sinne
- Arbeitsmarkt für soziale Berufe
- Arbeitsmarkt für sonstige Berufe und Tätigkeiten auf dem Gesund- heitsmarkt bzw. im Umfeld des Gesundheitsmarktes[117]

Fügt man die rein sozialpolitische Betrachtung des Gesundheitswesens mit den wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Betrachtungen zusammen, ergibt sich hieraus der Begriff der Gesundheitswirtschaft.[118]

So besitzt der deutsche Gesundheitsmarkt in dieser Abgrenzung ein Marktvolumen von 260 Mrd. Euro im Jahre 2003.[119]

4.2.1 Hessen als Paradebeispiel der Zulieferindustrie

Hervorzuheben in Hessen ist der enorm hohe Anteil der Beschäftigten in der Zulieferindustrie des Gesundheitsmarktes, welcher einen Anteil von 3 % aller im Land Beschäftigten ausmacht.[120] Allein in Hessen erwirtschaftet die pharmazeutische Industrie mit 9,5 Mrd. Euro (2006) ein Viertel des Gesamtumsatzes der Branche in Deutschland. Dieser Ertrag verteilt sich auf 42 in Hessen ansässige Betriebe mit insgesamt ca. 26.000 Beschäftigten.[121]

Auch die Biotechnologiebranche steht dem nicht nach. Durch ihre Stärke in der Produktion füllt sie Entwicklungs- und Produktpipelines der pharmazeutischen Industrie mit Biopharmazeutika. In Deutschland erzielten 253 hessische Biotechnologieunternehmen, davon 52 Kernbiotechnologieunternehmen, einen Umsatz von 2,81 Mrd. Euro.[122] Auch die Produktion an genetisch erzeugten Arzneimitteln in Hessen belegt Deutschland Platz 1 im europaweiten und Platz 2 im weltweiten Vergleich.[123]

Ein Blick auf den deutschen Markt für Medizinprodukte verspricht eine ähnliche Tendenz. Er ist nach den USA der zweitgrößte Teilmarkt mit einem Umsatzvolumen von 14,8 Mrd. Euro und bundesweit 150.000 Beschäftigten. Hessen trägt auch hier mit seinen 900 Medizintechnikherstellern einen entscheidenden Umsatzanteil von 4 Mrd. Euro.[124]

4.2.2 Einflüsse auf das Wachstumspotenzial des Gesundheitsmarktes

Nach Riehl hängt "das Wachstumspotenzial des Gesundheitsmarktes (..) in hohem Maße von den Rahmen- und insbesondere den Finanzbedingungen der Gesetzlichen Krankenversicherung ab."[125] Aufgrund des Ziels der Beitragsstabilität ist das Wachstum des Marktes vom Wachstum der Einkommensbasis abhängig. Jedoch wächst die Einkommensbasis erheblich langsamer als die Nachfrage. Folglich kommt es immer wieder zu Kostendämpfungsmaßnahmen seitens der Regierung und diesbezüglich auch zu einer immer wiederkehrenden Begrenzung des Wachstumspotenzial.[126]

Riehl vertritt die Auffassung, dass schnelleres Wachstum des Gesundheitsmarktes nur möglich ist, über die Zunahme der Beitragssätze oder privat finanzierter Gesundheitsausgaben.[127] Auffällig ist hierbei, dass das Wachstum nicht regional gleichmäßig erfolgt, da es zu einem erhöhten Konkurrenzdruck unter den Akteuren des Gesundheitsmarkts kommt. Somit sind diese aufgefordert, sich aktiv an der Ausgestaltung der regionalen Gesundheitsversorgung zu beteiligen.[128]

5 Perspektiven regionaler Entwicklung und ihre Aus- wirkung auf den Gesundheitsmarkt

Das Gesundheitswesen wird in der heutigen Zeit mehr denn je als Teil einer komplexen, öffentliche und private Dienstleistungen und Produkte umfassende Gesundheitswirtschaft begriffen.[129] Dieser Aspekt hat zur Folge, dass zunehmend nach "neuen" Abhängigkeiten einzelner Wirtschaftsbereiche von anderen volkswirtschaftlich relevanten Sektoren auftreten.[130] Räumliche Einflussfaktoren, Raumwirksamkeiten und strukturpolitische Handlungsoptionen spielen zunehmend eine entscheidende Rolle.[131] Im folgenden Kapitel sollen Perspektiven regionaler Entwicklung und deren Auswirkungen auf den Gesundheitsmarkt aufgezeigt werden.

5.1 Die regionale Entwicklung in Deutschland

Mit Beginn der Globalisierung der Wirtschaft hat sich das Gesicht der Regionallandschaft maßgeblich verändert. Regionen sind "mehr und mehr in das Netz globaler Transformationsprozesse gerückt."[132] So haben sich im Laufe der Zeit neue Standortpräferenzen herauskristallisiert, die die Entwicklung in Deutschland und Europa deutlich beeinflussen.[133]

Die regionale Entwicklung wird weniger durch ihre eigenen Potenziale bestimmt, als durch den gesamträumlichen Kontext von dem die Region umschlossen ist. Wichtige Determinanten sind hierbei ihre Lage und ihre Nähe zu zentralen Orten bzw. die Nachbarschaft zu wirtschaftlichen Kernräumen.[134]

Nach Grabski-Kiron/Löwer trägt "zur Ausdifferenzierung regionaler Entwicklungstypen (..) heute jedoch auch der demographische Wandel mit seinen anerkannten und diskutierten Folgewirkungen für Siedlungsentwicklung, für regionale wie auch kommunale Infrastrukturausstattung, für Arbeitsmärkte, Land- und Flächennutzung maßgeblich bei."[135] Weiterführend fügen sie hinzu, dass "die regionale Entwicklung im Zeichen einer veränderten Planungskultur und eines gewandelten Verständnisses planerischer Steuerung [steht], was mit dem Begriff 'regional governance' umschrieben wird."[136]

Somit lässt sich festhalten, dass sowohl die Regionalisierung und Dezentralisierung des Verwaltungshandelns als auch die Bürgermitwirkung und Planungstransparenz wesentliche Bestandteile der "Regional Governance" sind.[137]

5.2 Das Konzept der Metropolregionen

Der Ursprung von Großstadtzentren liegt in den veränderten Dimensionen des Standortwettbewerbs und der Erweiterung räumlicher Verpflechtungsbereiche, die sich im Zuge eines wachsenden Europas ergeben. In diesem Zusammenhang steigt die Anzahl der Verkehrsbewegungen, und die Entscheidungs- und Kontrollfunktionen konzentrieren sich auf die einzelnen Metropolen. So steht das Konzept der Metropolregionen in einem direkten Zusammenhang mit dem Leitbild "Wachstum und Innovation" (siehe Abb. 6). Das Metropolkonzept bildet eine elementare Grundstruktur der Raumordnung, an welche eine Wachstums- und Wettbewerbsstrategie gebunden ist. An ihr nehmen alle Regionen teil, "die im engeren und weiteren Verpflechtungsraum solcher Metropolen liegen."[138] Es entstehen "neue Regionen", deren Zuschnitte bisher noch nicht bekannte Dimensionen entwickeln.[139]

Auf den unteren Ebenen soll das Konzept der Metropolregionen ergänzt werden durch zentrale Orte, die gerade in ländlichen Räumen die Entwicklung regionaler Wirtschaft und Infrastruktur unterstützen helfen sollen.[140]

So ergeben sich des Weiteren auch Wachstumsräume außerhalb von Metropolregionen, welche die Bedeutung verschiedener ländlicher Räume in diesem Konzept stärkt. Im Umkehrschluss dazu bilden verschiedene zentrale Städte einen polarisierten Stützpunkt in strukturschwachen Räumen. Sie dienen somit der Sicherung der Daseinsvorsorge und werden zu einem elementaren Standort der Gesundheitsinfrastruktur.[141]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Leitbild "Wachstum und Innovation" der zukünftigen Raumentwicklung[142]

5.3 Beeinflussende Trends einer zukünftigen Regionalentwicklung

Die zukünftige Regionalentwicklung ist durch zwei folgenschwere Trends beeinflusst. Zum einen resultiert aus dem entstehenden demographischen Wandel eine Abnahme[143] der Bevölkerungszahlen, welche sich in den kommenden Jahren verstärken wird und das Durchschnittsalter der Gesamtbevölkerung anheben lässt.[144] Zum anderen ist "die räumliche Verteilung der Bevölkerung für die tatsächliche Raumstruktur ausschlaggebend", sodass "die (..) zukünftige Bevölkerungsentwicklung räumlich heterogen verlaufen [wird]."[145]

So lässt sich prognostizieren, dass in den nächsten 20 Jahren Regionen unterschiedlich schnell und stark wachsen und Schrumpfen werden - Bucher et al. sprechen von einem sehr komplexen regionaldemographischen "Geschehen mit gleichzeitig konträren Entwicklungen."[146] Der demographische Wandel wird diese prekäre Situation weiterhin verschärfen.[147]

Es ist davon auszugehen, dass hauptsächlich ländliche Räume von dieser Entwicklung betroffen sind und in Folge dessen die Daseinsvorsorge in diesen Regionen vereinzelnd stark gefährdet sein wird.[148] Diese "regionalen Disparitäten"[149] zeigen deutlich, "dass bei der Suche nach Antworten für die Herausforderungen des demographischen Wandels unter anderem zur Sicherung der Daseinsvorsorge jeweils spezielle (klein-) regionale Lösungen der gegebenen Bedingungen notwendig sind."[150] Die Gesundheitswirtschaft muss somit aktiv gestaltet und auf diese Entwicklung vorbereitet sein.[151] Fakt ist jedoch, dass es keine Patentlösung für alle Regionaltypen geben wird.[152]

5.4 Die Regionalentwicklung beeinflusst die Gesundheitsversorgung

Die Folgen einer immer älter werdenden Bevölkerung wirken sich ebenfalls auf die (regionale) Gesundheitsversorgung aus. Ein Trend zu einer steigenden Nachfrage an Gesundheitsleistungen ist bereits zu verzeichnen. Brisant ist auch die im Alter steigende Zahl an Mehrfacherkrankungen bei Patienten, welche dann eine hohe medizinische Versorgung benötigen. So wirkt sich vor allem in ländlichen Regionen die Bevölkerungsabwanderung stark auf die gesundheitliche Grundversorgung aus, sodass das Angebot an Gesundheitsleistungen sinkt und sich immer weniger Ärzte in diesen Regionen niederlassen. Das bedeutet für die Patienten, dass sie häufig lange räumliche Distanzen zurücklegen müssen, um an einer medizinischen Grundversorgung teilnehmen zu können.[153]

Die qualitative und quantitative gesundheitliche Versorgung könnte bei Festsetzung dieser Entwicklung in Zukunft nicht mehr gewährleistet sein. Ebenfalls betroffen sind hiervon die Versorgungsangebote des ambulanten bzw. stationären Krankenhaussektors sowie die des Pflegebereichs.[154]

Eine solche Entwicklung kann bis zu massiven Versorgungslücken führen, welche nur durch eine von der Kassenärztlichen Vereinigung in Verbindung mit den zuständigen Landesbehörden optimierte Bedarfsplanung zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung bzw. durch einen optimierten Krankenhausplan vermieden werden könnte.[155] Somit erscheint es geboten, die räumlichen Berechnungsgrundlagen für die Bedarfsplanung anzupassen.[156]

6 Einfluss der regionalen Gesundheitsversorgung auf die Regionalentwicklung

Laut Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen gewinnt die (regionale) Gesundheit politisch sowie auch wirtschaftlich immer mehr an Bedeutung.[157] In den folgenden Kapiteln wird dargestellt, welche Auswirkung die regionale Gesundheitsversorgung auf die allgemeine Regionalentwicklung hat. Im Anschluss wird anhand des Wettbewerbs "Gesundheitsregionen der Zukunft", welcher vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ausgeschrieben worden ist, das Interesse der Politik an einer Regionalen Gesundheitsversorgung aufgezeigt.

6.1 Die "Gesundheit" als Wirtschaftstreiber der Regionen

Die Gesundheitswirtschaft hat in den Regionen Deutschlands einen besonderen Stellewert eingenommen. "Immer mehr Regionen erfahren die Gesundheitswirtschaft als einen neuen Schwerpunkt ihrer Wirtschaftsförderung."[158] So ist es nicht verwunderlich, dass bereits Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein diesen Trend erkannt haben und sich in der Gesundheitswirtschaft des eigenen Landes stark engagieren.

Auch das Niedersächsische Forschungsnetzwerk für Gesundheits- und Pflegewissenschaften veranstaltete im Juli 2006 eine Fachtagung zum Thema: Gesundheit als Schlüsselkonzept zur Regionalentwicklung - Wissenschaft und Region im Dialog, deren Ziel es war "das Gesundheitsthema als 'Motor' für die Regionalentwicklung zu erkennen und in einem Dialog zwischen Wissenschaft und Region auszubauen."[159] Die Ergebnisse dieser Fachtagung treffen klare Aussagen und stützen diese Trendentwicklung.

Eine sinnvolle und nachhaltige Regionalentwicklung ist nur zu betreiben, wenn zunächst die Alleinstellungsmerkmale der Region definiert wurden.[160] Dieses ist von entscheidender Bedeutung, da sich aus Ihnen "die notwendigen Ansatzpunkte für die Konzeption geeigneter gesundheitsfördernder Maßnahmen [ergeben]."[161] Aufgrund der Vielfältigkeit ist hierbei darauf zu achten, dass sowohl die Region als auch ihre Bevölkerung ganzheitlich betrachtet werden. Regionale Entwicklungskonzepte müssen individuell sein, eine zu starke Fokussierung würde den innovativen Impact gefährden.[162]

[...]


[1] Quelle: www.glaxosmithkline.de/images/gesundheitspolitik/gesundeminiChartZoom.jpg [Stand: 15.04.2008]

[2] Vgl. Vorlesung Gesundheitspolitik, Europafachhochschule Fresenius, Jessen [2006/07].

[3] Jessen [2007], S. 101.

[4] Vgl. ebd.

[5] Jessen [2007], S. 101.

[6] Vgl. Bortz [1984], S. 26.

[7] Vgl. ebd., S. 59.

[8] George [2007], S. 26.

[9] Nefiodow [1997], S. 2.

[10] Bortz [1984], S. 231.

[11] Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an George [2007], S. 26.

[12] George [2007], S. 27.

[13] Vgl. George [2007], S. 27.

[14] z. B. Kappauf/Gallmeier [1992], S. 191-210.

[15] George [2007], S. 27.

[16] Vgl. George et al. [2008].

[17] George et al. [2008].

[18] Glatzer [2007], S. 110.

[19] George et al. [2008].

[20] Vgl. Glatzer [2007], S. 110.

[21] Vgl. ebd., S. 111.

[22] Glatzer [2007], S. 111.

[23] Vgl. Glatzer / Zapf [1984] zit. n. George [2007], S. 111.

[24] Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Glatzer [2007], S. 112.

[25] Vgl. George et al. [2008].

[26] Vgl. Glatzer [2007] S. 113.

[27] George [2007], S. 29.

[28] Vgl. Glatzer [2007], S. 113.

[29] Vgl. ebd.

[30] Vgl. ebd., S. 113f.

[31] Vgl. George [2007], S. 29.

[32] George [2007], S. 30.

[33] Vgl. ebd.

[34] George [2007], S. 30.

[35] Vgl. Becker et al. [2002].

[36] Vgl. Knorr/Wahrendorf [1997] zit. n. George et al. [2008].

[37] Vgl. George et al. [2008].

[38] George et al. [2008].

[39] Ebd.

[40] Vgl. Siess [2002] zit. n. George et al. [2008].

[41] Vgl. Eberlein-Gonska [2007] zit. n. George et al. [2008].

[42] George et al. [2008].

[43] Vgl. Kopp et al. [2002] zit. n. George et al. [2008].

[44] Vgl. McCabe [2004] zit. n. George et al. [2008].

[45] Vgl. George et al. [2008].

[46] Vgl. George [2007], S. 31.

[47] Bspw.: AGENDA 21, Netzwerk gesunde Städte, Unabhängige Patientenberatung, Gesund- heitshäuser.

[48] Vgl. http://fhh.hamburg.de/stadt/Aktuell/behoerden/bsg/verbraucherschutz/patientenschutz/ patienteninformation/beschwerdestellen.html [Stand: 14.05.2008].

[49] Vgl. George [2006], S. 47.

[50] Vgl. George [2006], S. 31.

[51] Vgl. Anhang I, Die "Hamburger Erklärung".

[52] Vgl. George [2006], S. 48.

[53] George [2007], S. 32.

[54] George [2006], S. 49.

[55] Vgl. George [2007], S. 32.

[56] Vgl. Neubauer [2004]; Lohmann [2004]; Lauterbach [2004] zit. n. George [2007], S. 32.

[57] Bspw. die Gutachten des Sachverständigenrates der Jahre 2000-2003.

[58] Vgl. George [2007], S. 33.

[59] Vgl. ebd.

[60] Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an George [2007], S. 33.

[61] George [2007], S. 34.

[62] Vgl. Hildebrand [2004] zit. n. George [2007], S. 34.

[63] Vgl. Amelung/Schumacher [1999] zit. n. George [2007], S. 34.

[64] George [2007], S. 34.

[65] Vgl. ebd.

[66] George [2007], S. 34f.

[67] George [2007], S. 35.

[68] Vgl. Müller [2002], S. 87f.

[69] Nefiodow [1997], S. 14.

[70] Quelle: Nefiodow [1997], S. 3.

[71] Vgl. Nefiodow [1997], S. 2.

[72] Nefiodow [1997], S. 2.

[73] Vgl. ebd.

[74] Nefiodow [1997], S. 3.

[75] Siehe hierzu Abb. 4.

[76] Vgl. Nefiodow [1997], S. 3.

[77] Vgl. ebd.

[78] Nefiodow [1997], S. 4.

[79] Vgl. Perez [1983] zit. n. Nefiodow [1997].

[80] Reimers/Remdisch [2007], S. 60.

[81] Vgl. ebd.

[82] Vgl. Nefiodow [1997], S. 219.

[83] Vgl. Nefiodow [1997], S. 97.

[84] Nefiodow [1997], S. 13.

[85] Vgl. ebd.

[86] Vgl. Nefiodow [1997], S. 13.

[87] Vgl. ebd.

[88] Nefiodow [1997], S.13.

[89] Vgl ebd.

[90] Riehl [2007], S. 11.

[91] Riehl [2007], S. 11.

[92] Vgl. Nefiodow [1997], S. 14f.

[93] Vgl. ebd., S. 15.

[94] Vgl. ebd.

[95] Nefiodow [1997], S. 96.

[96] Vgl. ebd., S. 116.

[97] Reimers/Remdisch [2007], S. 60.

[98] Vgl. Nefiodow [1997], S. 120.

[99] Vgl. Reimers/Remdisch [2007], S. 60.

[100] Vgl. Nefiodow [1997], S. 118.

[101] Vgl. ebd., S. 117.

[102] Reimers/Remdisch [2007], S. 61.

[103] Nefiodow [1997], S. 118.

[104] Ebd.

[105] Beeinflusst durch den Zerfall der Familien und einer hohen Scheidungsrate.

[106] Vgl. Nefiodow [1997], S. 118.

[107] Reimers/Remdisch [2007], S. 61.

[108] Nefiodow [1997], S. 118.

[109] Nefiodow [2000], S. 127.

[110] Vgl. Reimers/Remdisch [2007], S. 61.

[111] Vgl. Nefiodow [1997], S. 121.

[112] Vgl. Riehl [2007], S. 12.

[113] Vgl. ebd., S. 11.

[114] Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Hilbert et al. [2002], S. 36.

[115] Bspw. Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Pflegeeinrichtungen sowie niedergelassene Ärzte und Zahnärzte.

[116] Vgl. Reimers/Remdisch [2007], S. 62f.

[117] Vgl. Preusker [2006], S. 5.

[118] Vgl. Rantsch/Ostwald [2006], S. 11.

[119] Vgl. Riehl [2007], S. 11.

[120] Vgl. ebd.

[121] Vgl. Riehl [2007], S. 12.

[122] Vgl. ebd.

[123] Vgl. ebd.

[124] Vgl. ebd.

[125] Riehl [2007], S. 13.

[126] Vgl. ebd.

[127] Vgl. ebd.

[128] Vgl. Riehl [2007], S. 13.

[129] Vgl. Potratz/Hilbert [2003], S. 153.

[130] Vgl. Grabski-Kieron/Löwer [2007], S. 74f.

[131] Vgl. ebd., S. 75.

[132] Grabski-Kieron/Löwer [2007], S. 75.

[133] Vgl. ebd.

[134] Vgl. ebd.

[135] Grabski-Kieron/Löwer [2007], S. 75.

[136] Ebd.

[137] Vgl. ebd.

[138] Grabski-Kieron/Löwer [2007], S. 79.

[139] Vgl. ebd., S. 80.

[140] Vgl. ebd.

[141] Vgl. Grabski-Kieron/Löwer [2007], S. 80.

[142] Quelle: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, www.bbr.bund.de/nn22550/DE/ForschenBeraten/Raumordnung/Raumentwicklung Deutschland/LeitbildderKonzepte/Leitbild1/Leitbild1KarteRepro.html [Stand: 14.05.2008].

[143] Grund hierfür sind niedrige Geburtenzahlen und eine geringe internationale Zuwanderung nach Deutschland. Quelle: Vgl. Statistisches Bundesamt [2006/07], www.destatis.de/download/d/bevoe/bevoelkerung_in_deutschland05.pdf [Stand:23.03.2007]; www.destatis.de/presse/deutsch/pm2007/p0030021.htm [Stand: 23.03.2007]

[144] Vgl. Statistisches Bundesamt [2003].

[145] Grabski-Kieron/Löwer [2007], S. 81.

[146] Bucher et al [2004], S. 115.

[147] Vgl. Grabski-Kieron/Löwer [2007], S. 82.

[148] Vgl. Müller [2004].

[149] Grabski-Kieron/Löwer [2007], S. 82.

[150] Ebd.

[151] Vgl. Grabski-Kieron/Löwer [2007], S. 82.

[152] Vgl. Bertelsmann Stiftung [2005].

[153] Vgl. Grabski-Kieron/Löwer [2007], S. 82f.

[154] Vgl. ebd., S. 83.

[155] Vgl. ebd., S. 83ff.

[156] Vgl. ebd., S. 86.

[157] Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2005). Koordination und Qualität im Gesundheitswesen. [Stand: 07.12.2006.]

[158] Reimers/Remdisch [2007], S. 65.

[159] Vgl. ebd., S. 66.

[160] Vgl. ebd.

[161] Reimers/Remdisch [2007], S. 66.

[162] Vgl. ebd.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836613439
DOI
10.3239/9783836613439
Dateigröße
14.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Fresenius; Köln – Wirtschaft und Medien
Erscheinungsdatum
2008 (Juli)
Note
2,0
Schlagworte
gesundheitsversorgung qualität infrastruktur dezentral regionalität
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Titel: Die regionale Gesundheitsversorgung in Deutschland
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