Inflationsanleihen und Inflationserwartungen
Zusammenfassung
Inflation spielt vor allem bei der langfristigen Vermögensanlage eine entscheidende Rolle. Eine unerwartete steigende Inflation führt bei traditionellen Kapitalanlagen, deren Zins- und Tilgungszahlungen zu nominalen Werten erfolgen, zu einem realen Wertverlust - im Extremfall sogar zu einer negativen Realverzinsung.
In den letzten zwei Jahrzehnten bestand seitens der Anleger zwar keine Sorge über eine zu hohe Geldentwertung, jedoch gehen aktuell die Meinungen über zukünftige Teuerungsraten auseinander. Einerseits wird von keinem wirklichen Inflationsrisiko für den Euro-Raum ausgegangen, wie es beispielsweise Frankreichs Finanzminister Thierry Breton oder Alfred Steinherr, Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, verkünden. Andererseits deuten aktuelle Entwicklungen auf steigende Inflationsraten hin. Dazu sind die Mehrwertsteuererhöhung in Deutschland um drei Prozentpunkte, die zunehmende Staatsverschuldung westlicher Länder und vor allem die erheblich gestiegenen Öl- und Rohstoffpreise zu zählen. Auch potenzielle Lohnerhöhungen nach Jahren moderaten Wachstums innerhalb des Euro-Raumes, die zur Inflation tendenziell positiv korreliert sind, könnten auf steigende Inflation hindeuten. Umfragen der Europäischen Kommission unter Verbrauchern stützen diese Aussage steigender Inflationserwartungen. Auch in einer Umfrage unter Bankvolkswirten und Finanzmarktteilnehmern erwarten 47,3 Prozent der Befragten, dass die Inflationsrate in fünf Jahren bei zwei oder mehr Prozent liegen wird.
Vor diesem Hintergrund hat sich die Bundesrepublik Deutschland, als letztes der G7-Staaten, im März 2006 zur Emission von inflationsindexierten Anleihen entschlossen. Das ursprüngliche Volumen betrug 5,5 Milliarden Euro und wurde mittlerweile auf 9 Milliarden Euro aufgestockt. Bis zur Einführung des Euros im Jahr 1999, zunächst nur als Giralgeld, war dies aufgrund des Paragrafen drei des Währungsgesetzes vom 20. Juni 1948, der die Indexierung von Geldschulden untersagte, nicht möglich.
Die neue Assetklasse sichert den Anlegern eine reale Rendite zu und soll daher optimalen Schutz vor der Inflation bieten. Das Interesse auf Nachfragerseite ist vor allem bei institutionellen Investoren, wie Versicherungen oder Pensionskassen, groß. Mithilfe dieser Anlageform lassen sich künftige Zahlungsverpflichtungen besser an die Ertragsstruktur anpassen. Aber auch Privatanleger profitieren davon. Denn angesichts der Probleme in der […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1 Einleitung
2 Marktüberblick
2.1 Internationaler Marktüberblick
2.2 Deutscher Marktüberblick
3 Analyse inflationsindexierter Anleihen
3.1 Fisher-Theorem
3.2 Funktionsweise
3.3 Verschiedene Arten von Inflationsanleihen
3.3.1 Capital Indexed Bond (CIB)
3.3.2 Interest Indexed Bond (IIB)
3.3.3 Current Pay Bond (CPB)
3.3.4 Indexed Annuity Bond (IAB)
3.3.5 Indexed Zero Coupon Bond (IZCB)
3.4 Ausstattungsmerkmale
3.4.1 Preisindex
3.4.2 Zinszahlungen
3.4.3 Deflation Floor
3.4.4 Besteuerung
3.5 Preisstellung im Handel
4 Motive für Emittenten und Investoren
4.1 Motive für Emittenten
4.1.1 Nutzen für die Geldpolitik
4.1.2 Langfristige Kapitalaufnahme bei schwierigem wirtschaftlichen Umfeld
4.1.3 Erschließung neuer Investorenkreise
4.1.4 Kostenersparnis
4.1.5 Verbesserung des Risikomanagements
4.2 Motive für Investoren
4.2.1 Reduzierung des Inflationsrisikos
4.2.2 Verbesserung des Asset-Liability-Managements (ALM)
4.2.3 Bessere Diversifikation des Portfolios
5 Ableitung von Inflationserwartungen
5.1 Methoden zur Messung von Inflationserwartungen
5.1.1 Das „einfache“ Verfahren
5.1.2 Breakeven-Inflation
5.2 Breakeven-Inflationskurve
5.2.1 Approximation mittels kubischer Splines
5.2.2 Herleitung der Breakeven-Inflationskurve für England
5.3 Schwächen der Breakeven-Inflationsrate
6 Zusammenfassung und Fazit
Anhang mit Anhangsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Marktkapitalisierung von Inflationsanleihen
Abb. 2: Allokationsstruktur nach InvestorengruppeN
Abb. 3: Allokationsstruktur nach Regionen
Abb. 4: Inflationsanleihen Deutschland
Abb. 5: Auszahlungsstruktur Capital Indexed Bond
Abb. 6: Auszahlungsstruktur Interest Indexed Bond
Abb. 7: Auszahlungsstruktur Current Pay Bond
Abb. 8: Auszahlungsstruktur Indexed Annuity Bond
Abb. 9: Auszahlungsstruktur Indexed Zero Coupon Bond
Abb. 10: BIP-Deflator versus Verbraucherpreisindex
Abb. 11: Wägungsschema
Abb. 12: Übersicht Indexierungsverzögerung
Abb. 13: Indexierungsverzögerung
Abb. 14: Übersicht Kuponzahlungen
Abb. 15: Indexierungsverzögerung der Kuponzahlungen
Abb. 16: Ausstattung mit „deflation floors“
Abb. 20: Übersicht Motive für Emittenten und Investoren
Abb. 21: tatsächliche Inflation versus erwarteter Inflation
Abb. 22: Breakeven-Inflation
Abb. 23: Breakeven-Inflationskurve
Abb. 24: Jährliche Inflationsraten
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Übersicht Inflationsanleihen weltweit
Tabelle 2: Anteil Inflationsanleihen an gesamter Staats- verschuldung
Tabelle 3: Übersicht Inflationsanleihen Deutschland
Tabelle 4: Vergleich Konventionelle Anleihe mit Inflationsanleihe unter Eintritt der Inflationserwartungen
Tabelle 5: Vergleich Konventionelle Anleihe mit Inflationsanleihe bei einem unerwarteten Inflationsanstieg
Tabelle 6: Vergleich Konventionelle Anleihe mit Inflationsanleihe bei einem unerwarteten Inflationsrückgang
Tabelle 7: Inflationsanleihe bei einer Deflation
Tabelle 8: Steuerwirkung bei einer Inflationsanleihe
Tabelle 9: Reale Nachsteuerrendite einer Inflationsanleihe
Tabelle 10: Reale Nachsteuerrendite einer Nominalanleihe
Tabelle 11: Reale Nachsteuerrendite einer Inflationsanleihe bei niedrigerer Besteuerung bei Fälligkeit
Tabelle 12: Einfluss der angenommenen Inflationsrate auf die Realrendite einer Inflationsanleihe
Tabelle 13: Berechnung der Breakeven-Inflation bei Annahme einer Inflationsrate von 3 Prozent
Tabelle 14: Berechnung der Breakeven-Inflation bei Annahme einer Inflationsrate von 5 Prozent
Tabelle 15: Restlaufzeiten englischer Anleihen
Tabelle 16: Breakeven-Inflationsraten englischer Anleihen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Inflation spielt vor allem bei der langfristigen Vermögensanlage eine entscheidende Rolle. Eine unerwartete steigende Inflation führt bei traditionellen Kapitalanlagen, deren Zins- und Tilgungszahlungen zu nominalen Werten erfolgen, zu einem realen Wertverlust - im Extremfall sogar zu einer negativen Realverzinsung.[1]
In den letzten zwei Jahrzehnten bestand seitens der Anleger zwar keine Sorge über eine zu hohe Geldentwertung, jedoch gehen aktuell die Meinungen über zukünftige Teuerungsraten auseinander. Einerseits wird von keinem wirklichen Inflationsrisiko für den Euro-Raum ausgegangen, wie es beispielsweise Frankreichs Finanzminister Thierry Breton oder Alfred Steinherr, Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, verkünden.[2] Andererseits deuten aktuelle Entwicklungen auf steigende Inflationsraten hin. Dazu sind die Mehrwertsteuererhöhung in Deutschland um drei Prozentpunkte, die zunehmende Staatsverschuldung westlicher Länder und vor allem die erheblich gestiegenen Öl- und Rohstoffpreise zu zählen. Auch potenzielle Lohnerhöhungen nach Jahren moderaten Wachstums innerhalb des Euro-Raumes, die zur Inflation tendenziell positiv korreliert sind, könnten auf steigende Inflation hindeuten.[3] Umfragen der Europäischen Kommission unter Verbrauchern stützen diese Aussage steigender Inflationserwartungen.[4] Auch in einer Umfrage unter Bankvolkswirten und Finanzmarktteilnehmern erwarten 47,3 Prozent der Befragten, dass die Inflationsrate in fünf Jahren bei zwei oder mehr Prozent liegen wird.[5]
Vor diesem Hintergrund hat sich die Bundesrepublik Deutschland, als letztes der G7-Staaten, im März 2006 zur Emission von inflationsindexierten Anleihen entschlossen. Das ursprüngliche Volumen betrug 5,5 Milliarden Euro und wurde mittlerweile auf 9 Milliarden Euro aufgestockt.[6] Bis zur Einführung des Euros im Jahr 1999, zunächst nur als Giralgeld, war dies aufgrund des Paragrafen drei des Währungsgesetzes vom 20. Juni 1948, der die Indexierung von Geldschulden untersagte, nicht möglich.[7]
Die neue Assetklasse sichert den Anlegern eine reale Rendite zu und soll daher optimalen Schutz vor der Inflation bieten. Das Interesse auf Nachfragerseite ist vor allem bei institutionellen Investoren, wie Versicherungen oder Pensionskassen, groß. Mithilfe dieser Anlageform lassen sich künftige Zahlungsverpflichtungen besser an die Ertragsstruktur anpassen.[8] Aber auch Privatanleger profitieren davon. Denn angesichts der Probleme in der gesetzlichen Rentenversicherung gewinnt die private Altersvorsorge und der Kaufkrafterhalt des Ersparten immer mehr an Bedeutung.[9] Für die genannten Investorengruppen verkörpert die neue Assetklasse einen perfekten Proxy für eine risikolose Anlage.[10] Aber nicht nur Investoren, sondern auch Emittenten profitieren angeblich von inflationsindexierten Anleihen. So sollen sich dadurch unter anderem die Höhe der Schuldenaufnahme verringern oder das Risikomanagement verbessern.[11] Des Weiteren besteht die Möglichkeit, mithilfe der Realrendite von Inflationsanleihen künftige Inflationserwartungen abzuleiten. Dazu bedient man sich des Fisher-Theorems, das die Beziehung zwischen dem Realzinssatz, dem Nominalzinssatz und der erwarteten Inflation beschreibt.[12]
Ziel dieser Diplomarbeit ist es, das Instrument der Inflationsanleihe kritisch zu durchleuchten und eventuelle Schwachstellen im Hinblick auf den optimalen Inflationsschutz aufzudecken. Darauf aufbauend werden die Vor- und Nachteile für Investoren und Emittenten herausgearbeitet. Des Weiteren soll der Nutzen der Inflationsanleihe zur Messung der vorherrschenden Inflationserwartungen am Markt untersucht werden.
Die vorliegende Arbeit untergliedert sich neben der Einleitung in die folgenden Kapitel zwei bis sechs: Das zweite Kapitel soll die Bedeutung der neuen Anlageklasse verdeutlichen, indem der Markt für Inflationsanleihen näher betrachtet wird. Zunächst wird dabei auf den internationalen Markt eingegangen, bevor der Blick auf den deutschen Inflationsanleihenmarkt gerichtet wird. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Analyse von inflationsindexierten Anleihen. Zuerst wird als Basiswissen für das weitere Vorgehen das Fisher-Theorem beschrieben. Anhand eines Vergleiches von inflationsindexierten Anleihen mit traditionellen Anleihen, wird deren Funktionsweise veranschaulicht. Bevor näher auf die Ausstattungsmerkmale eingegangen wird, folgt zunächst ein Überblick über die verschiedene Arten von Inflationsanleihen. Dieses Kapitel endet mit der Bestimmung des Preises bzw. des Abrechnungsbetrages. Das vierte Kapitel gibt Aufschluss über die Vorteile, sowohl für Emittenten als auch für Investoren. Im fünften Kapitel wird ein Modell für die Berechnung der künftigen erwarteten Inflationsraten vorgestellt. Darauf aufbauend werden verschieden Erweiterungen des Modells, die die Vorhersehkraft von Inflationserwartungen verbessern, betrachtet. Angewendet wird das Modell bzw. dessen Erweiterungen auf den englischen Anleihenmarkt. Das sechste und letzte Kapitel gibt eine kurze Zusammenfassung des Erarbeiteten wieder.
2 Marktüberblick
Zu Beginn der Arbeit wird ein kurzer Marktüberblick der Inflationsanleihen gegeben. Zunächst wird ausgehend von der Historie auf den internationalen Markt eingegangen. Dabei werden ausschließlich staatlichen Inflationsanleihen betrachtet. Anschließend wird der deutsche Markt für Inflationsanleihen gesondert analysiert.
2.1 Internationaler Marktüberblick
Die Ursprünge der Anleihenindexierung reichen bis ins 18. Jahrhundert zurück, als der amerikanische Bundesstaat Massachusetts im Jahr 1742 eine Schuldverschreibung emittierte, deren Zahlungsströme an den Silberkurs der Londoner Börse gekoppelt waren.[13] Durch die Indexierung an ausschließlich ein bestimmtes Gut, in diesem Fall an das Gut Silber, handelte es sich um eine so genannte Sachwertanleihe.[14] Allerdings stieg in den Jahren nach der Emission der Kurs von Silber im Vergleich zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten überproportional an, so dass die reale Belastung des Staates aus der Emission der genannten Anleihe extrem zunahm. Aufgrund dieser Erfahrung emittierte der Bundesstaat im Jahr 1980 eine indexierte Anleihe, deren Wertentwicklung nicht auf der Grundlage eines einzelnen Gutes berechnet wird, sondern von der Entwicklung eines ganzen Warenkorbs abhängig ist. Die folgende Textpassage zeigt einen Ausschnitt der originalen Schuldverschreibung aus dem Jahr 1980:[15]
„Both Principal and Interest to be paid in the term current Money of said State, in a greater or less Sum, according as Five Bushels of Corn, Sixty-eight Pounds and four-seventh Parts of a Pound of Beef, Ten Pounds of Sheeps Wool, and Sixteen Pounds of Sole Leather shall then cost more or less than One Hundred and Thirty Pounds current Money, at the then current Prices of said Articles.”[16]
Diese Form der Indexanleihe entspricht im Wesentlichen den heutigen emittierten Inflationsanleihen, wenngleich der zugrunde liegende Warenkorb sich damals im Vergleich zu heute nur auf einige wenige Güter bezog.[17] Man spricht nun nicht mehr von einer Sachwertanleihe, sondern vielmehr von einer Preisindexanleihe.[18] Obwohl in der Folgezeit die Thematik der Indexierung unter vielen anerkannten Ökonomen diskutiert wurde, erfreute sich dieses Finanzierungsinstrument erst ab Mitte des 20. Jahrhunderts an den Finanzmärkten wachsender Beliebtheit. Island, als eines der ersten Länder, emittierte in den 50er-Jahren einen Inflationsbond. Anschließend folgten vor allem jene Länder, wie Brasilien, Argentinien, Mexico und Kolumbien, die mit Hyperinflationen zu kämpfen hatten. Die einzige Möglichkeit der genannten Staaten Geld am Kapitalmarkt zu beschaffen, bestand darin, inflationsgeschützte Anleihen zu begeben. In der kürzeren Geschichte emittierten nahezu alle bedeutenden Wirtschaftsgrößen, wenn auch aus anderen Gründen[19], Inflationsanleihen.[20] Einen Überblick aktueller Inflationsanleihen gibt die nachfolgende Tabelle 1 wieder.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Übersicht Inflationsanleihen weltweit
(Quelle: Barclays Capital (Hrsg.) (2006); Bloomberg[21] )
Während England schon 1981 die ersten Inflationsanleihen begab, schlossen sich die anderen G7-Länder erst 10 bis 20 Jahre später an. Obwohl die USA erst im Jahr 1997 an den Markt kam, emittierten sie in der kurzen Zeit die mit Abstand meisten Inflationsanleihen.[22] Der Eintritt der USA in den indexierten Anleihenmarkt hatte die Bedeutung eines Startschusses. In der Folgezeit verzeichnete der Markt einen enormen Boom. Betrug der Marktwert der weltweit umlaufenden Inflationsanleihen im Jahr 1997 noch knapp 115 Milliarden US-Dollar, so hat sich dieser bis heute auf über eine Billion US-Dollar knapp verzehnfacht.[23]
Spricht man in Deutschland von Inflationsanleihen, sind im internationalen Kontext Begriffe wie „inflation-linked bonds“, „inflation-indexed bonds“, „index-linked bonds“, „real return bonds“ oder nur „inflation bonds“ gebräuchlich. Auch der Begriff des „linkers“ wird des Öfteren verwendet.[24]
Die folgende Abbildung 1 stellt die weltweite Marktkapitalisierung von Inflationsanleihen in Milliarden US-Dollar dar. Dabei werden ausschließlich staatliche Inflationsanleihen berücksichtigt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Marktkapitalisierung von Inflationsanleihen
(Quelle: Bloomberg[25] )
Wie die Abbildung 1 zeigt, sind die USA, trotz ihres vergleichsweise erst späten Eintritts, mit einem Ausgabevolumen von ungefähr 360 Milliarden US-Dollar der mit Abstand größte Emittent von inflationsindexierten Anleihen. Dies entspricht einem Marktanteil von rund 34 Prozent. Es folgen England, das die längste Tradition unter den in Tabelle 1 aufgeführten Ländern vorweisen kann, mit einem Marktanteil von ungefähr 21 Prozent, Frankreich mit 13 Prozent, Italien mit 7 Prozent und Brasilien mit 6 Prozent Marktanteil. Damit hat die Eurozone mit Frankreich, Italien und auch Deutschland, nach dem Marktführer USA, zum bisher zweit größten Emittenten England aufgeschlossen.[26]
Gemessen an der gesamten Staatsverschuldung verzeichnet England mit 22,52 Prozent den größten Inflationsanleihenmarkt. Der Quotient aus Inflationsanleihen und gesamter Staatsverschuldung liegt bei den restlichen G7-Ländern ausnahmslos unter 10 Prozent. Frankreich ist mit 9,23 Prozent noch erheblich vor den USA, Italien, Kanada, Deutschland und Japan.[27] Die nachstehende Tabelle 2 zeigt die Daten im Überblick.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Anteil Inflationsanleihen an gesamter Staatsverschuldung
(Quelle: Bloomberg, Villaume, S. (2006))
In naher Zukunft ist ein Ende des Booms im inflationsindexierten Anleihenmarkt nach wie vor nicht absehbar. Unsichere Inflationserwartungen und steigende Lebenserwartungen in den Industrieländern führen zu einer anhaltenden Nachfrage nach inflationsgeschützten Anleihen. Aus diesem Grund wird das Angebot weiterhin zunehmen.[28] Auch das Verhältnis zu den konventionellen Anleihen wird weiter anwachsen.[29]
2.2 Deutscher Marktüberblick
Wie in der Einleitung bereits erwähnt, hat sich nun auch die Bundesrepublik Deutschland, im März des letzten Jahres dazu entschlossen, eine Inflationsanleihe auf den Markt zu bringen. Sie ist damit das letzte der G-7 Länder. Nach der ersten Aufstockung im September 2007 beträgt das Volumen der ausgegebenen Inflationsanleihe mittlerweile neun Milliarden Euro, das in den nächsten Jahren weiter auf 15 Milliarden Euro aufgestockt werden soll. Um die Liquidität der Anleihe am Sekundärmarkt sicherzustellen, behielt der Bund bei der Erstemission und der ersten Aufstockung jeweils 500 Millionen Euro zurück.[30]
Weitere Einzelheiten der Erstemission sind in Tabelle 3 dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: Übersicht Inflationsanleihen Deutschland
(Quelle: Deutsche Finanzagentur (Hrsg.) (2006b); Deutsche Finanzagentur (Hrsg.) (2006d))
Der Referenzindex der inflationsindexierte Anleihe ist der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI), der in Kapitel 3.4.1 ausführlich erklärt wird. Die Laufzeit ist auf zehn Jahre beschränkt und die Kuponzahlungen erfolgen im Gegensatz zu den halbjährlichen Zinszahlungen des englischen oder amerikanischen Marktes jährlich am 15. April.[31]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Allokationsstruktur nach Investorengruppen
(Quelle: Deutsche Finanzagentur (Hrsg.) (2006a); Deutsche Finanzagentur (Hrsg.) (2006c))
Die Abbildungen 2 und 3 zeigen die Allokationsstrukturen differenziert nach Investorengruppe und nach Regionen. Den Daten liegen sowohl die Erstausgabe als auch die erste Aufstockung der Inflationsanleihe zugrunde. Die größten Abnehmer der Inflationsanleihen waren mit Abstand Fonds Manager mit 35 Prozent und diverse Banken mit 33 Prozent. Gefolgt von Pensionfonds, Hedge Fonds, Zentralbanken und Versicherungen.[32]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Allokationsstruktur nach Regionen
(Quelle: Deutsche Finanzagentur (Hrsg.) (2006a); Deutsche Finanzagentur (Hrsg.) (2006c))
Der Schwerpunkt der geografischen Verteilung lag bei europäischen Investoren. Vor allem England und Frankreich mit 22 Prozent und 18 Prozent bekundeten am meisten Interesse an der deutschen Inflationsanleihe. Deutsche Investoren halten ungefähr 12 Prozent der Inflationsanleihe.[33]
Neben der Anleihe des Bundes sind in Deutschland schon seit längerem Inflationsanleihen anderer Emittenten, auch nicht staatlicher, am Markt dotiert. Allerdings betrug das bisher im Umlauf befindliche Volumen insgesamt nur ungefähr 2,2 Milliarden Euro. Mit gut einer Milliarde Euro emittierte die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW), die eine Anstalt des öffentlichen Rechts darstellt, ungefähr die Hälfte des Volumens. Weitere Emittenten sind die Bundesländer Berlin, Nordrhein Westfalen und Schleswig Holstein, sowie mehrere Landesbanken.[34]
Die folgende Abbildung 4 stellt die Marktkapitalisierung von Inflationsanleihen in Millionen Euro in Deutschland vor der Emission des Bundes dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Inflationsanleihen Deutschland
(Quelle: Bloomberg[35] )
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Markt für Inflationsanleihen in Deutschland im internationalen Kontext mit ungefähr einem Prozent Marktanteil bisher noch keine große Rolle spielt. Aufgrund des späten Eintritts ist dies auch nicht weiter verwunderlich. Allerdings wird die Bundesrepublik Deutschland in den kommenden Jahren mit weiteren Neuemissionen versuchen, ein liquides Marksegment aufzubauen.[36]
3 Analyse inflationsindexierter Anleihen
Die Untersuchung der Marktkapitalisierung im vorigen Kapitel hat gezeigt, dass inflationsindexierte Anleihen in den vergangenen Jahren einen enormen Boom verzeichnen konnten. Dieses Kapitel widmet sich nun genauer dieser Assetklasse. Zunächst wird das bekannte Fisher-Theorem als Basiswissen für das weitere Verständnis erklärt. Das anschließende Unterkapitel geht darauf ein, wie Inflationsanleihen im Vergleich zu konventionellen Anleihen vor den Auswirkungen der Inflation schützen. Da Inflationsanleihen in einer Vielzahl unterschiedlicher Formen auftreten können, werden diese im Anschluss mathematisch und anschaulich dargestellt. Daraufhin folgt die Analyse der Ausstattungsmerkmale wie Preisindex, Zinszahlungen, Deflation Floor und Besteuerung. Zuletzt wird noch auf die Preisstellung im Handel eingegangen.
3.1 Fisher-Theorem
Dem Fisher-Theorem liegen verschiedene vereinfachende Annahmen zugrunde, die in einen Zustand ohne Risiko und Unsicherheit münden. Die erste Annahme besagt, dass an allen Finanzmärkten bzw. von allen Marktteilnehmern bestimmte Erwartungen bezüglich künftiger Preisveränderungen gebildet werden. Diese Preiserwartungen werden laut Annahme zwei vollkommen korrekt antizipiert, d.h., die erwartete Preisveränderungsrate Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten sagt die tatsächliche Preisveränderungsrate Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten exakt voraus. Daraus resultiert, dass alle Marktteilnehmer die gleichen Erwartungen über die zukünftige Inflation haben. Letztlich wird noch vollkommene Transparenz auf den Finanzmärkten angenommen. Es existieren weder Risikozuschläge, wie zum Beispiel das Ausfallrisiko oder das Liquiditätsrisiko, noch Transaktionskosten, die in den verschiedenen Zinssätzen berücksichtigt werden müssen.[37]
Fisher bedient sich in seinem Theorem der im Folgenden aufgeführten Größen. Die Größe i bezeichnet den Nominalzinssatz, der zwischen Schuldnern und Gläubigern auf dem Finanzmarkt vereinbart wird. Dieser wird auch Marktzinssatz oder Geldzinssatz genannt. Der Zinssatz bezieht sich auf die im Vertrag vereinbarte Laufzeit und stellt deshalb ein ex ante Zinssatz dar. Allerdings verkörpert er keine Erwartungsgröße, da er in der Höhe schon bei Vertragsvereinbarung festgelegt wird. Die Größe r gibt den Realzinssatz an, der die Zunahme der reinen Kaufkraft widerspiegelt. Auch dieser Zinssatz entspricht einem ex ante Zinssatz. Zudem stellt er eine Erwartungsgröße dar, da seine Höhe nicht schon im Vertrag festgelegt werden kann, sondern vielmehr von der Inflationsentwicklung während der Laufzeit abhängt. Aufgrund der obigen Annahme der perfekten Voraussicht der Preisentwicklung, entspricht jedoch auch der erwartete Realzinssatz dem tatsächlichen Realzinssatz. Somit gilt neben Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten auch Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. Die Größe Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten bezeichnet, wie bereits erwähnt, die erwartete Inflationsrate. Infolgedessen spielt die symbolische Unterscheidung zwischen erwarteten und tatsächlichen Inflationsraten und Realzinssätzen keine Rolle.[38] Des Weiteren werden Verzinsungen, nominal sowie real, mit dem Effektivzinssatz (engl. redemption yield to maturity) gemessen.[39] Der Effektivzinssatz entspricht der Diskontrate, mit dem alle zukünftigen Zahlungen auf den heutigen Zeitpunkt diskontiert werden, damit der so erhaltene Preis dem aktuellen Marktpreis entspricht. In der Regel muss zur Ermittlung des Effektivzinssatzes auf ein iteratives Verfahren, wie das Newtonverfahren, zurückgegriffen werden.[40]
In Erwartung steigender zukünftiger Preise, d.h., positiver Inflationsraten, wird ein Gläubiger eine höhere Normalverzinsung als bei konstanten Preisen verlangen, um seinen Kaufkraftverlust auszugleichen. Unter den genannten Umständen erklären sich Schuldner damit einverstanden, einen höheren Zins zu zahlen. Denn einerseits können Kreditnehmer durch den Erwerb von Sachvermögen von den Preissteigerungen profitieren und andererseits vermindern sich dadurch ihre realen Zins- und Tilgungskosten.[41]
Für den am Markt herrschenden Nominalzinssatz ergibt sich dadurch nachfolgender, als vollständiges Fisher-Theorem bezeichneter Zusammenhang (3.1).[42]
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] (3.1)
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten](3.2)
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] (3.3).[43]
Der zweite Summand Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltender rechten Seite der Gleichung (3.2) kompensiert den erfahrenen Kaufkraftverlust der Darlehenssumme während der Laufzeit. In der Literatur wird der letzte Summand Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, der den Kaufkraftverlust der Verzinsung ausgleicht und relativ klein ist, oft weggelassen.[44] Die resultierenden Gleichungen werden als vereinfachtes Nominalzinstheorem (3.2’) bzw. vereinfachtes Realzinstheorem (3.3’) bezeichnet.[45]
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten](3.2’)
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten](3.3’)
Der Unterschiedsbetrag zwischen den Gleichungen (3.1) und (3.1’) fällt umso höher aus, je geringer die Anzahl der Zinszahlungen in einem bestimmten Intervall ist. Erfolgt die Verzinsung kontinuierlich, so erleiden die Zinszahlungen keinen inflationsbedingten Wertverlust und die vereinfachten Fisher-Theoreme entsprechen den vollständigen Theoremen. In der Praxis kommen allerdings so gut wie keine kontinuierlichen Verzinsungen vor.[46] Insbesondere erfolgen die Kuponzahlungen, der in dieser Arbeit verwendeten herkömmlichen Anleihen und Inflationsanleihen, in der Regel jährlich oder halbjährlich.[47] Aus diesem Grund werden im weiteren Verlauf ausschließlich die vollständigen Fisher-Theoreme verwendet.
3.2 Funktionsweise
Ausgehend von den vorhergehenden Überlegungen lässt sich nun die Funktionsweise von Inflationsanleihen durch einen Vergleich mit einer konventionellen Anleihe darstellen. Konventionelle Anleihen werden zu nominalen Werten dotiert, d.h., sie sind mit einem nominalen Zinskupon ausgestattet. Folglich steht die absolute Höhe der Zinszahlungen und des Rückzahlungsbetrages in der jeweiligen Währung beim Kauf der Anleihe bereits fest. Wie oben gesehen spiegeln sich in der Nominalverzinsung unter anderem die aktuellen Inflationserwartungen des Marktes wider. Kommt es während der Laufzeit der Anleihe zu einer Abweichung von der erwarteten Inflationsrate bei gleichbleibendem Realzinssatz, so ändern sich die realen Zahlungen aus der konventionellen Anleihe.[48] Inflationsindexierte Anleihen hingegen sind in realen Größen dotiert und schützen sowohl Anleger als auch Emittenten vor dieser unerwarteten Inflationsentwicklung, indem die Zahlungen mit einer Index-Verhältniszahl multipliziert werden. Diese Indexverhältniszahl, auch Indexratio genannt, bildet die Inflationsentwicklung seit Beginn der Laufzeit ab und wird laut Formel (3.4) berechnet. Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Anleihe stehen bei einer Inflationsanleihe demgemäß die realen Zahlungsströme, nicht aber die absolute Höhe der Zahlungen fest.[49]
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten](3.4)
Im Einzelnen berechnet sich der nominale Kupon der Inflationsanleihe als fester Prozentsatz des Produktes aus Nennwert und der Indexratio zum aktuellen Zeitpunkt. Bei Fälligkeit der Anleihe wird im Gegensatz zur konventionellen Anleihe, nicht nur der Nennwert, sondern der Nennwert multipliziert mit der dann gültigen Indexratio, zurückgezahlt.[50]
Anhand eines fiktiven Beispiels werden im Folgenden in verschiedenen Szenarien die Zahlungsströme einer konventionellen und einer inflationsindexierten Anleihe unter variierenden Inflationsentwicklungen miteinander verglichen. Die Inflationsanleihe entspricht einem Capital Indexed Bond, der im anschließenden Kapitel 3.3 zusammen mit anderen Formen der Inflationsanleihe näher vorgestellt wird. Die konventionelle Anleihe ist mit einem nominalen Kupon von 4,0 Prozent ausgestattet. Die Inflationsanleihe mit gleicher Laufzeit hat einen realen Zinskupon von 1,5 Prozent und die Zinszahlungen beider Anleihen erfolgen jährlich am Jahresende.[51]
Im ersten Szenario entspricht die Inflationsentwicklung während der Laufzeit der Inflationserwartung zum Zeitpunkt der Emission in Höhe von 2,5 Prozent. D.h., es besteht keine Unsicherheit bezüglich der erwarteten Inflation.[52] Die folgende Tabelle 4 gibt die reale und nominale Entwicklung der Tilgung und der Kuponzahlungen beider Anleihen wieder.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 4: Vergleich Konventionelle Anleihe mit Inflationsanleihe unter Eintritt der Inflationserwartungen
(in Anlehnung an: Warncke, J. / Letzgus, O. (2006), S. 49-51)
Der Nominalwert der konventionellen Anleihe bleibt konstant bei 100 Euro, wohingegen der reale Wert von Jahr zu Jahr aufgrund der Inflation abnimmt, bis zur Fälligkeit um ungefähr 22 Prozent. Identisch verhält es sich mit den Kuponzahlungen. Bei der Inflationsanleihe wächst sowohl der Nominalwert mit der Inflation, als auch der nominale Kupon. D.h., die Kaufkraft bleibt erhalten. Mit einem Geldbetrag von 100 Euro am Anfang des ersten Jahres kann dieselbe Menge an Gütern und Dienstleistungen bezogen werden, wie mit dem Geldbetrag in Höhe von 128,01 Euro nach zehn Jahren. Die realen Werte hingegen bleiben konstant. Der höhere Nominalwert der Inflationsanleihe bei Fälligkeit wird im Gegensatz zur konventionellen Anleihe durch die geringeren Zinszahlungen während der Laufzeit wieder ausgeglichen.[53] Entscheidend ist, dass die reale Rendite der konventionelle Anleihe, bzw. der reale Effektivzinssatz, berechnet auf der Basis der realen Zahlungen, der realen Rendite der inflationsindexierten Anleihe in Höhe von 1,5 Prozent entspricht. Mithilfe der vollständigen Fisher-Formel (3.3) lässt sich die reale Rendite der konventionellen Anleihe wie folgt berechnen: Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. Der Wert von 0,04 entspricht dabei der nominalen Rendite der konventionellen Anleihe, die iterativ berechnet wurde.
In der Realität aber herrscht bezüglich der zukünftigen Inflationsrate Unsicherheit. Im zweiten Szenario wird deshalb untersucht, wie sich eine steigende Inflation auf fünf Prozent unmittelbar nach der Emission der Anleihen auf die Zahlungsströme auswirkt. Diese Erhöhung der Inflationsrate bleibt während der kompletten Laufzeit der Anleihen bestehen.[54] Die Tabelle 5 zeigt wieder die Entwicklung derselben Größen wie oben auf.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 5: Vergleich Konventionelle Anleihe mit Inflationsanleihe bei einem unerwarteten Inflationsanstieg
(Quelle: eigene Darstellung)
Wie in Tabelle 5 zu sehen ist, sinkt der reale Wert der Tilgung der konventionellen Anleihe auf ungefähr 60 Prozent des Nominalwertes. Auch die Kuponzahlung von vier Euro im zehnten Jahr hat nur noch einen realen Wert von 2,46 Euro. Der Sprung der Inflation auf fünf Prozent hat laut der vollständigen Fisher-Formel (3.3) zu einer negativen Realverzinsung in Höhe von Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, d.h., Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten,0 Prozent geführt. Die nominale Verzinsung bleibt konstant bei 4 Prozent. Die inflationsindexierte Anleihe hingegen hat auch bei erhöhter Inflation eine Realrendite von 1,5 Prozent. Durch die regelmäßige Anpassung des Nominalwertes um die Inflation bleibt der reale Nominalwert bzw. der reale Kupon in Höhe von 100 Euro bzw. 1,5 Euro erhalten.
Im dritten Szenario sinkt die Inflationsrate kurz nach der Emission auf 0,5 Prozent und bleibt während der kompletten Laufzeit konstant.[55] Tabelle 6 veranschaulicht wieder die Auswirkungen der Inflation auf die Zahlungsströme beider Anleihen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 6: Vergleich Konventionelle Anleihe mit Inflationsanleihe bei einem unerwarteten Inflationsrückgang
(Quelle: eigene Darstellung)
Da die Inflationsrate deutlich geringer als erwartet ausfällt, sinken die realen Werte nicht so stark wie angenommen. Dies führt zu einer Realverzinsung der konventionellen Anleihe von Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, d.h., 3,5 Prozent. Die Realrendite der inflationsindexierten Anleihe hingegen bleibt wiederum bei 1,5 Prozent.
Die letzten beiden Szenarien zeigen das Inflationsrisiko von herkömmlichen Anleihen auf. Fällt die Inflation höher als erwartet aus, so sinkt die Realrendite der Nominalanleihe. Und umgekehrt, wenn die Inflationsrate sinkt, so steigt die Realrendite der Nominalanleihe. Inflationsanleihen bieten dagegen Schutz vor einer unerwarteten Inflationsentwicklung. Wie gesehen bleibt in allen Szenarien die Realrendite gleich. Im ersten Szenario wäre also der Kauf einer Inflationsanleihe vorteilhaft, während es sich im zweiten Szenario genau umgekehrt verhält. Entspricht die Inflationsentwicklung während der Laufzeit der Inflationserwartung zum Emissionszeitpunkt, so ist der Anleger indifferent zwischen einer Inflationsanleihe und einer konventionellen Anleihe mit identischer Laufzeit. D.h., die Realrendite beider Anleihen ist identisch.[56] Da es in der Praxis allerdings fast unmöglich erscheint, die Inflationsentwicklung über einen langen Zeitraum hinweg korrekt zu prognostizieren, ist ein risikoaverser Anleger, der vor allem den Kaufkrafterhalt seines Vermögens zum Ziel hat, mit dem Kauf von inflationsindexierten Anleihen wesentlich besser beraten.
3.3 Verschiedene Arten von Inflationsanleihen
Inflationsanleihen können eine Vielzahl von verschiedenen Formen mit unterschiedlicher Auszahlungsstruktur annehmen. Im folgenden Kapitel werden diese aufgezählt und grafisch dargestellt. Zusätzlich zum bereits verwendeten Capital Indexed Bond, werden der Interest Indexed Bond, der Current Pay Bond, der Indexed Annuity Bond und der Indexed Zero-Coupon Bond erklärt.
3.3.1 Capital Indexed Bond (CIB)
Der Capital Indexed Bond, auch bekannt als das „kanadische“ Modell, ist das am weitesten verbreitetste Modell einer Inflationsanleihe.[57] Dabei wird der Nennwert bzw. Nominalwert von Jahr zu Jahr um die Inflationsrate erhöht. Die jährliche Kuponzahlung erfolgt durch Multiplikation des um die Inflationsrate erhöhten Nominalwertes mit dem realen Kupon. Der Rückzahlungswert entspricht dem inflationsangepassten Nominalwert.[58]
Mathematisch ausgedrückt, ergeben sich für die jährlichen Kuponzahlungen und den Rückzahlungswert die Formeln (3.5) und (3.6):[59]
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] (3.5)
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] (3.6)
Diese Art der inflationsindexierten Anleihe wurde bereits von den Regierungen Australiens, Kanadas, Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Neu Seelands, Südafrikas, Schwedens, Englands und der USA emittiert.[60]
Grundlage für die grafischen Darstellungen der verschiedenen Arten von Inflationsanleihen und deren Auszahlungsstrukturen ist eine fiktive inflationsindexierte Anleihe mit einem Nennwert von 100 Euro, einem Realkupon von 6,0 Prozent und einer Laufzeit von zehn Jahren. Die Inflation pro Jahr beträgt gleichbleibend 4,0 Prozent.
Anhand der folgenden Abbildung 5 lassen sich die Zahlungsströme pro Jahr verdeutlichen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Auszahlungsstruktur Capital Indexed Bond
(Quelle: Deacon, M. / Derry A./ Mirfendereski, D. (2004), S. 17)
Wie Abbildung 5 zeigt, steigen die jährlichen Kuponzahlungen aufgrund steigender Inflationsraten stetig an. Bei der Rückzahlung Ende des zehnten Jahres macht der Inflationsausgleich für den Kaufkraftverlust der Kupon-zahlungen und des Nennwertes ein wesentlicher Teil aus.
3.3.2 Interest Indexed Bond (IIB)
Beim Interest Indexed Bond erfolgt die Kompensation für den Kaufkraftverlust ausschließlich über die jährlichen Kuponzahlungen. Neben dem realen Kupon erhält der Käufer dieser Anleihe eine jährliche Inflationsprämie in Höhe des Nominalwertes multipliziert mit der Inflationsrate des zurückliegenden Jahres. Der Rückzahlungswert bei Fälligkeit ist nicht gegen Inflation geschützt und erfolgt daher zum Nominalwert. Auch findet kein Ausgleich für den Kaufkraftverlust des realen Kupons statt. Vergleichen lässt sich diese Art der Anleihe mit Floating Rate Notes, kurz Floater genannt.[61] Auch bei diesen Anleihen sind die Zinszahlungen variabel und vorher nicht bekannt, da sich die Zinszahlungen an einem Referenzzinssatz, meist FIBOR (Frankfurt Inter Bank Offered Rate) oder LIBOR (London Inter Bank Offered Rate), orientieren.[62]
Die Cashflows des Interest Indexed Bonds lassen sich mathematisch mit den Formeln (3.7) und (3.8) ausdrücken:[63]
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] (3.7)
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] (3.8)
Abbildung 6 zeigt die einzelnen Zahlungsströme auf. Grundlage bildet wiederum die obige fiktive Anleihe mit einem Nominalwert in Höhe von 100 Euro, einem Realkupon von 6,0 Prozent und einer gleichbleibenden Inflationsrate in Höhe von 4,0 Prozent.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6: Auszahlungsstruktur Interest Indexed Bond
(Quelle: Deacon, M. / Derry A./ Mirfendereski, D. (2004), S. 19)
Wie in Abbildung 6 zu sehen ist, bleibt im Gegensatz zu dem CIB der jährliche Inflationsausgleich konstant, da zusätzlich zu den gleichbleibenden Inflationsraten als Referenz jeweils nur die Inflationshöhe des zurückliegenden Jahres herangezogen wird. Interest Indexed Bonds wurden in den 80er Jahren von der australischen Regierung emittiert, konnten sich aber gegen die zeitgleich ausgegebenen Capital Indexed Bonds nicht durchsetzen.[64]
3.3.3 Current Pay Bond (CPB)
Die Ausgleichszahlungen für die entgangene Kaufkraft des Current Pay Bonds erfolgen ähnlich zu denen des Interest Indexed Bonds komplett über die regelmäßigen Kuponzahlungen. Der Rückzahlungswert am Ende der Laufzeit entspricht hingegen dem nicht inflationsangepassten Nominalwert. Die Höhe der jährlichen Inflationsprämie des Current Pay Bonds, wie auch des Interest Indexed Bonds, berechnen sich jeweils aus dem Produkt des Nominalwertes und der Inflationsrate des zurückliegenden Jahres. Der Unterschied besteht darin, dass neben dem realen Kupon, der Käufer des Current Pay Bonds zusätzlich noch eine Prämie für den Kaufkraftverlust des realen Kupons erhält, indem diese ebenfalls mit der zurückliegenden Inflationsrate multipliziert werden.[65] Mathematisch lassen sich die einzelnen Zahlungsströme wie in den Formeln (3.9) und (3.10) berechnen:[66]
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] (3.9)
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] (3.10)
Current Pay Bonds wurden Ende der 90er Jahre von der türkischen Regierung emittiert.[67]
[...]
[1] Vgl. Warncke, J. (2004), S. 17.
[2] Vgl. Welter, P. (2006a), S. 11; Luca, C. de (2006), S. 26.
[3] Vgl. Nielsen, E. (2006).
[4] Vgl. o.V. (2006).
[5] Vgl. Welter, P. (2006b), S.10.
[6] Vgl. Deutsche Finanzagentur (Hrsg.) (2006b); Deutsche Finanzagentur (Hrsg.) (2006c).
[7] Vgl. Giersch, H. (1998), S. 31.
[8] Vgl. Oster. L. (2006), S. 19.
[9] Vgl. Warncke, J. (2004), S. 17.
[10] Vgl. Lazard Asset Management (Hrsg.) (2004), S. 4.
[11] Vgl. Deacon, M. / Derry A ./ Mirfendereski, D. (2004), S. 61-64.
[12] Vgl. Emmons, R. (2000), S. 25.
[13] Vgl. Deacon, M. / Derry, A. / Mirfendereski, D. ( 2004), S. 2.
[14] Vgl. Holdschick, M / Körnert, J / Straßner, R. (2004), S. 193.
[15] Vgl. Deacon, M. / Derry, A. / Mirfendereski, D. (2004), S. 2.
[16] ebd., S. 2.
[17] Vgl. ebd., S. 2.
[18] Vgl. Holdschick, M / Körnert, J / Straßner, R. (2004), S. 194.
[19] Siehe Kapitel 4.1.
[20] Vgl. Letzgus, O. / Warncke, J. (2006), S. 55; Deacon, M. / Derry, A. / Mirfendereski, D. (2004), S. 4.
[21] Eine detaillierte Auflistung befindet sich im Anhang I.
[22] Daten aus: Barclays Capital (Hrsg.) (2006); Bloomberg.
[23] Vgl. Letzgus, O. / Warncke, J. (2006), S. 55; Bloomberg.
[24] Vgl. Barclays Capital (Hrsg.) (2006), S. 5.
[25] Eine detaillierte Auflistung befindet sich im Anhang I.
[26] Daten aus: Bloomberg.
[27] Daten aus: Bloomberg, Villaume, S. (2006).
[28] Vgl. Letzgus, O. / Warncke, J. (2006), S. 60.
[29] Vgl. Shen, P. / Corning, J. (2001), S. 79.
[30] Vgl. Letzgus, O. / Warncke, J. (2006), S. 54; Deutsche Finanzagentur (Hrsg.) (2006b); Deutsche Finanzagentur (Hrsg.) (2006c).
[31] Vgl. Deutsche Finanzagentur (Hrsg.) (2006b); Deutsche Finanzagentur (Hrsg.) (2006d).
[32] Vgl. Deutsche Finanzagentur (Hrsg.) (2006a); Deutsche Finanzagentur (Hrsg.) (2006c).
[33] Vgl. Deutsche Finanzagentur (Hrsg.) (2006a); Deutsche Finanzagentur (Hrsg.) (2006c).
[34] Daten aus: Bloomberg.
[35] Eine detaillierte Auflistung befindet sich im Anhang II.
[36] Vgl. Deutsche Finanzagentur (Hrsg.) (2006b).
[37] Vgl. Gebauer, W. (1982), S. 3f.
[38] Vgl. Gebauer, W. (1982), S. 6f.
Im weiteren Verlauf der Arbeit wird nur die Inflationsrate als Erwartungsgröße markiert.
[39] Vgl. Christensen, I. / Dion, F. / Reid, C. (2004), S.12f.
[40] Vgl. Kruschwitz, L. (2004), S. 63.
Anstatt des Begriffes des Effektivzinssatzes wird im Anschluss häufig nur von Rendite gesprochen.
[41] Vgl. Jarchow, H.-J. (2003), S. 244.
[42] Vgl. Gebauer, W. (1982), S. 8.
[43] Vgl. Gebauer, W. (1982), S. 8.
[44] Vgl. Jarchow, H.-J. (2003), S. 245.
[45] Vgl. Gebauer, W. (1982), S. 12.
[46] Vgl. Gebauer, W. (1982), S. 12f.
[47] Siehe Abbildung 14.
[48] Vgl. Deutscher Investment Trust (Hrsg.) (2005), S. 3.
[49] Vgl. Lazard Asset Management (Hrsg.) (2004), S. 6.
[50] Vgl. Deutsche Finanzagentur (Hrsg.) (2006d).
[51] Vgl. Letzgus, O. / Warncke, J. (2006), S. 48f.
[52] Vgl. Letzgus, O. / Warncke, J. (2006), S. 48f.
[53] Vgl. Letzgus, O. / Warncke, J. (2006), S. 49-51.
[54] Vgl. Shen, P. (1995), S. 42.
[55] Vgl. Shen, P. (1995), S. 42.
[56] Vgl. Shen, P. (1995), S. 42.
[57] Vgl. Bundesverband deutscher Banken (Hrsg.) (2003), S. 4.
[58] Vgl. Deutsche Finanzagentur (Hrsg.) (2006d).
Dieses Modell entspricht der bereits im vorigen Kapitel verwendeten Art der Inflationsanleihe und bildet auch die Grundlage für die Überlegungen in den weiteren Kapiteln.
[59] Vgl. Deacon, M. / Derry, A. / Mirfendereski, D. (2004), S. 23.
In die Formeln für den Rückzahlungswert sind jeweils die letzten Zinszahlungen bei Fälligkeit der Anleihe enthalten.
[60] Vgl. Deacon, M. / Derry, A. / Mirfendereski, D. (2004), S. 18.
[61] Vgl. Deacon, M. / Derry, A. / Mirfendereski, D. (2004), S. 18.
[62] Vgl. Sparkassen Ratgeber Service (Hrsg.) (2001), S. 18.
[63] Vgl. Deacon, M. / Derry, A. / Mirfendereski, D. (2004), S. 23.
[64] Vgl. Deacon, M. / Derry, A. / Mirfendereski, D. (2004), S. 18.
[65] Vgl. Deacon, M. / Derry, A. / Mirfendereski, D. (2004), S. 19f.
[66] Vgl. Deacon, M. / Derry, A. / Mirfendereski, D. (2004), S. 23.
[67] Vgl. Deacon, M. / Derry, A. / Mirfendereski, D. (2004), S. 20.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2007
- ISBN (eBook)
- 9783836613323
- DOI
- 10.3239/9783836613323
- Dateigröße
- 657 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Ulm – Fakultät für Mathematik und Wirtschaftswissenschaften, Strategie und Finanzierung
- Erscheinungsdatum
- 2008 (Mai)
- Note
- 1,7
- Schlagworte
- inflation anleihen inflationserwartungen wirtschaft investition
- Produktsicherheit
- Diplom.de