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Nutzungs- und Gestaltungskonzeption für eine Lückenschließung in der Stralsunder Altstadt

©2006 Masterarbeit 92 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
In der vorliegenden Arbeit wurde ein Quartier innerhalb der historischen Altstadt der Hansestadt Stralsund untersucht, welches seit 1944 als ungenutzte Brachfläche existiert. Dieses befindet sich östlich des Nikolai –Viertels, zum Teil außerhalb des historischen Verlaufs der Stadtmauer.
Die Arbeit gliedert sich in einen theoretischen Teil, welcher sich auf die Erforschung der historischen Bebauung bezieht sowie in einen planerischen Teil, in dem ich versuchte ein Nutzungskonzept für dieses innerstädtische Areal, in Form eines dem Charakter der Altstadt entsprechenden Gebäudeensembles zu entwickeln.
Innerhalb des theoretischen Teils fasste ich zuerst die Stadtgeschichte kurz zusammen um dem Leser mit der Stadt und Ihrer einzigartigen Struktur vertraut zu machen, welche bereits seit dem 14. Jahrhundert nahezu unverändert erhalten geblieben ist. Darauf aufbauend wurde die Vorgeschichte des zu beplanenden Grundstücks näher erläutert. Dabei untersuchte ich die Lage des Quartiers innerhalb der Altstadt und ging auch auf bedeutende Straßen sowie auf den Ursprung der Straßennamen ein. Um die Parzellierungen der einzelnen Gebäude nachvollziehbar zu gestalten, nutzte ich Aufzeichnungen der Schwedischen Stadtaufnahme, archivarische Zeichnungen und griff auf Untersuchungen von Stefan Kroll und Gyula Pàpay zurück, die die Grundstücksgrößen zu dieser Zeit in einem -Historischen Stadtinformationssystem-Wohnen und Wirtschaften in Stralsund um 1700 - beschreiben. An Hand der Literaturrecherchen konnte ich auch Aussagen zu den ursprünglichen Haustypologien machen. Zur Eingruppierung in Steuerklassen wurde der Verwaltungsterminus Häuser, Buden und Keller verwendet.
Die Gebäude auf dem von mir zu untersuchenden Gelände sind allesamt als Buden in den Steuerregistern eingetragen.
Im Anschluss daran fasste ich zu jedem der ehemals sechs Gebäude die Eigentümerfolge nachvollziehbar zusammen und stellte die baulichen Veränderungen in chronologischer Reihenfolge dar. Diese Auswertung erfolgte durch ausgiebige Akten- Recherche im Stralsunder Stadtarchiv und Bauamt. Dabei wurde nicht nur auf größere Veränderungsmaßnahen der Gebäude eingegangen. Es wurden auch kleinere Um- und Ausbaumaßnahmen mit berücksichtigt um eine möglichst lückenlose und nachvollziehbare Abfolge der baulichen Veränderungen wiedergeben zu können. Dabei wurden auch Korrespondenzen zwischen den Eigentümern und den zuständigen Ämtern zur Erforschung herangezogen. Diese […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Swen Krause
Nutzungs- und Gestaltungskonzeption für eine Lückenschließung in der Stralsunder
Altstadt
ISBN: 978-3-8366-1326-2
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Hochschule Wismar, Wismar, Deutschland, MA-Thesis / Master, 2006
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2008
Printed in Germany

Während dieses zweijährigen Studiums konnte ich
viele neue Erkenntnisse im Umgang mit histori-
scher Bausubstanz erlernen und in praktischen
Übungen vertiefen.
Dadurch wurde meine baugeschichtliche und
denkmalpflegerische Sichtweise geschärft und
das Verständnis über die Notwendigkeit zum Erhalt
historischer Gebäude weiter bestärkt.
Durch den richtigen Umgang mit diesen Gebäuden
kann die Geschichte jedes einzelnen wieder zum
Leben erweckt und neu erzählt werden. Bereits
wiederhergestellte Bauwerke zeigen die Möglich-
keiten und das Potential, welches in ihnen steckt.
Sie liefern Einblicke in die kulturelle und bauge-
schichtliche Vergangenheit. Daher stellen sie eine
große Bereicherung der jeweiligen Region dar und
sind prägender Bestandteil der regionalen
Identität.
Wir Planer sind gemeinsam mit den Bauherren
aufgefordert mit Fachkenntnis und Respekt vor
diesen Zeitzeugen dem Verfall entgegenzuwirken,
die »Fußabdrücke« vieler Generationen anzuneh-
men und das Leben mit den Spuren der Zeit zu
genießen.
In der vorliegenden Masterarbeit möchte ich
mich mit meinem Thema dem Bauen im histori-
schen Kontext widmen. Denn nicht nur der Erhalt
von Bauwerken sondern auch das Einfügen moder-
ner Bauten in bestehende Strukturen trägt zur
Wiederherstellung der typischen Merkmale einer
Region bei. Diese Arbeit zeigt die mögliche
Ausführung und Gestaltung einer Lückenschlie-
ßung innerhalb der Stralsunder Altstadt unter
Berücksichtigung historischer Kenntnisse sowie
städtischer Vorgaben.
Mein Dank gilt allen an der Arbeit beteiligten
Personen und Institutionen.
Ich bedanke mich besonders bei Herrn Prof. Dipl.-
Ing. Jasper Herrmann. Er machte mich auf das
städtebauliche Problem in Stralsund aufmerksam
und unterstützte mich während der gesamten Be-
arbeitung tatkräftig.
Des Weiteren möchte ich mich für die Hilfe und
Unterstützung bei Herrn Prof. Dr.- Ing. Frank Braun
und bei Frau Dipl.- Ing. Bärbel Hollatz bedanken. Sie
standen mir immer mit Anregungen und fach-
lichen Diskussionen zur Seite.
Ferner danke ich den Mitarbeiter/innen des Stadt-
archivs, der unteren Denkmalschutzbehörde sowie
dem Bauamt Stralsund für die freundliche, kompe-
tente und unkomplizierte Zusammenarbeit.
Durch diese konnten viele Informationen gewon-
nen und gebäudegeschichtliche Zusammenhänge
hergestellt werden.
Auch Birgit Kulessa, die mir Einblicke in Ihre
Forschungsergebnisse gestattete, möchte ich für
Ihre freundliche Unterstützung danken.
Ganz besonderer Dank gilt meiner Freundin
Claudia Bürmann. Durch Ihre Unterstützung in
Form von stetiger Motivation, der Anfertigung von
Bildmaterial, sowie der Hilfe bei der Manuskript-
gestaltung- und durchsicht, konnte ich diese Arbeit
letztlich zum Abschluss bringen.
vorwort

1. Einleitung
6
2.
Stadtgeschichtliche und städtebauliche Quartiersuntersuchung
10
2.1
Die Stadtgeschichte der Hansestadt Stralsund
10
2.1.1
Frühgeschichte 10
2.1.2
Die Zeit der Hanse
12
2.1.3
Die Schwedenzeit
14
2.1.4
Die Preußenzeit
16
2.1.5
Der Nationalsozialismus
18
2.1.6
Stralsund nach dem Krieg und heute
20
2.2
Zur Vorgeschichte des Grundstücks (historische Quartiersbeschreibung)
21
2.2.1
Die Lage in der Stadt
21
2.2.2
Die Parzellierung
21
2.2.3
Straßenbezeichnungen
22
2.2.4
Die ursprüngliche Haustypologie
26
2.2.5
Eigentümerfolge und Bauphasen
27
2.2.6
Städtebauliche Bewertung
42
2.2.7
Denkmalpflegerische Bewertung
43
2.3
Vorangegangene Untersuchungen
45
2.3.1
Archäologische Grabungen
45
2.3.2
Baugrundgutachten 45
2.4
Ziele der geplanten Neubebauung und städtische Vorgaben
46
2.4.1
Stellungnahme zur Bebauung des Landesamts für Bodendenkmalpflege
46
2.4.2
Stadtbildplanung der Hansestadt Stralsund
46
2.4.3
Parameter der LEG
47
2.4.4
Zusammenfassung
47
inhaltsverzeichnis

3. Nutzungskonzept in
Varianten
(Variantendiskussion)
49
3.1
Vorüberlegungen
49
3.2
Vorentwürfe
50
3.2.1
Variante 1
50
3.2.2
Variante 2
52
3.2.3
Variante 3
54
3.3
Gegenüberstellung der Varianten
56
3.4
Vorzugsvariante
57
4.
Entwurfs- und Genehmigungsplanung für die Vorzugsvariante
60
4.1
Erläuterung und Begründung
60
4.2
Baubeschreibung Haus 5
60
4.3
Bauphysikalische Untersuchung ausgewählter Bauteile
69
4.3.1
Fassade West
69
4.3.2
Deckenauskragung Erdgeschoss
72
4.3.3
Terrasse Dachgeschoss
75
4.3.4 Dach
79
5.
Ausführungsplanung - Detailplanung für ein Gebäude
83
6.
Zusammenfassung
84
Literaturverzeichnis
87
Quellenverzeichnis
87
Abbildungsnachweis
90
Anhang
Ordner 1:
Anhang 1 t Unterlagen zur ursprünglichen Bebauung
Anhang 2 t Unterlagen zu vorangegangenen Untersuchungen
Ordner 2:
Anhang 3 t Unterlagen zur Variantendiskussion
Anhang 4 t Unterlagen zur Vorzugsvariante
Anhang 5 t Unterlagen zur Detailplanung
inhaltsverzeichnis

6
In der vorliegenden Arbeit sind die Ergebnisse einer
theoretischen sowie planerischen Quartiersunter-
suchung eines innerstädtischen Gebietes der
Hansestadt Stralsund dargestellt. Die vorliegenden
Ausführungen beruhen auf Rechercheergebnissen
aus Literatur, dem Internet sowie der Einsicht-
nahme in historische Unterlagen.
Diese können auf Grund des Bearbeitungszeit-
raumes aber nur einen Teil aller verfügbaren Infor-
mationen zu Geschichte der einzelnen Grund-
stücke innerhalb des Bebauungsgebietes wieder-
geben. Die Arbeit zeigt daher im theoretischen Teil
die bis dahin ermittelten Untersuchungsergebnisse.
Die beiden Teile sind auf zwei Ordner verteilt. Im
ersten Ordner befindet sich das Manuskript mit
den Ausarbeitungen der stadt- und gebäudekund-
lichen Untersuchung sowie die Anhänge 1 und 2.
Der zweite Ordner enthält die zeichnerischen
Ausführungen zur Bebauung des Grundstückes in
den Anhängen 3, 4 und 5.
Das von mit zu untersuchende Areal befindet sich
im östlichen Nicolai-Viertel und wurde durch den
Verlauf der einstigen Stadtbefestigung in Nord-
Südrichtung geteilt. Das bedeutet, dass sich die
westliche, ehemalige Bebauung innerhalb der
einstigen Stadtbefestigung und deren östlich lie-
gender Teil außerhalb, in der Hafenvorstadt,
befand. Insgesamt gab es dort sechs Gebäude, wel-
che entlang der Mauerstraße, der Badenstraße
sowie der Wasserstraße verliefen und einen
Innenhof umgaben. Diese Gebäude wurden auf
ihre Haustypologie, deren Parzellierung und einsti-
ge Ausrichtung hin untersucht. Zudem war die Art
ihrer Nutzung, deren Dachformen und Gebäude-
höhen sowie ihre Bedeutung in der Stadt
Bestandteil der Forschung um im planerischen Teil
ein Neubauensemble schaffen zu können, welches
dem Charakter der historischen Altstadt gerecht
wird.
In der Luftaufnahme sowie den Fotografien ist
das Bebauungsgebiet dargestellt.
1
. einleitung
Abb. 1
Luftaufnahme der Stralsunder
Altstadt mit gekennzeichnetem
Bebauungsgebiet

1.
einleitung
7
Abb. 2
Ansicht des Grundstücks
von Westen (Mauerstraße)
Abb. 3
Ansicht des Grundstücks
von Westen (Mauerstraße)

1.
einleitung
8
Abb. 4
Ansicht des Grundstücks
von Osten (Wasserstraße)
Abb. 5
Ansicht des Grundstücks
von Osten (Wasserstraße)

Die vorliegende Arbeit gliedert sich, wie bereits
erwähnt, in einen theoretischen und einen planeri-
schen Teil. Im theoretischen Teil fanden stadt- und
quartiergeschichtliche Untersuchungen zu dem
Bebauungsgebiet statt. Auf die Stadtgeschichte soll
nur kurz eingegangen werden. Den weitaus größe-
ren Anteil nimmt die Quartiersuntersuchung ein.
Es wurde versucht, anhand der ursprünglichen
Parzellen- und Grundstücksverläufe der einzelnen
Gebäude, deren bauliche Veränderungen nachvoll-
ziehbar darzustellen. Dazu ist zu jedem Gebäude
eine chronologische Zusammenfassung dieser
Veränderungen verfasst worden und in den
Anhängen 1 und 2 mit den entsprechenden Zeich-
nungen belegt.
Im zweiten Teil versuchte ich durch eine
Nutzungs- und Gestaltungskonzeption dieses
Grundstück mit einer Neubebauung zu versehen.
Das Ziel dieser Neubebauung ist es, auf diesem seit
1944 unbebauten Gebiet einen Gebäudekomplex
zu schaffen, welcher sich nach denkmalpflegeri-
schen, städtebaulichen und gestalterischen Ge-
sichtspunkten in das bestehende Stadtgefüge ein-
gliedert. Dabei wurden besonders die städtischen
Vorgaben und deren Ziele einer Neubebauung
berücksichtigt.
Die Herausforderung im planerischen Teil bestand
also darin, einen Entwurf umzusetzen, welcher auf
die Forderungen der Stadt eingeht aber auch mir
als Planer einen Freiraum für eigene Intentionen
lässt. Dabei spielte während der Planung nicht nur
die historische Bebauung innerhalb des Baugrund-
stücks, sondern auch die heutige umgebende
Bebauung eine entscheidende Rolle. Denn sie stellt
als Diskussionsgrundlage, z. B. für die Gebäude-
höhen der neuen Baukörper einen wichtigen Faktor
dar. Zudem hat die besondere Lage des Gebietes in
der Nähe des Strelasundes sowie des sich im Bau
befindlichen Ozeanums Einfluss auf die Gestaltung
und Nutzung der zukünftigen Gebäude. Denn die
Badenstraße wird in Zukunft einen großen
Besucherstrom von der Stadt in die Richtung des
Ozeaneums, vorbei an dem neuen Gebäudekom-
plex, führen. Daraus ergeben sich z. B. auch wirt-
schaftliche Überlegungen zur Nutzung der Erd-
geschosszonen für diesen Besucherverkehr.
Das entstandene Gebäudeensemble ist ein Bei-
spiel für den Umgang mit einer modernen inner-
städtischen Bebauung im historischen Umfeld der
Hansestadt Stralsund.
1.
einleitung
9
Abb. 6
Ansicht des Grundstücks
von Osten (Wasserstraße)

2.1
DIE STADTGESCHICHTE DER HANSESTADT
STRALSUND
2.1.1
Frühgeschichte
Für die Entstehung Stralsunds waren verschiedene,
begünstigende Faktoren ausschlaggebend. Einen
entscheidenden Einfluss hatte dabei die Lage der
entstehenden Stadt am Strelasund. Von dort aus-
gehend bot sich in westlicher und östlicher
Richtung ein Zugang zur offenen See. Der entste-
henden Stadt war eine kleine Insel - »Strale« oder
»Strela« - vorgelagert, die später Dänholm genannt
werden sollte. Sie schuf einen natürlichen Hafen an
welchem schon im 12. Jahrhundert Dänische
Schiffe anlegten.
1
Zu dem liess sich der Ort, an dem die Stadt ent-
stehen sollte, von der Landseite her gut gegen
Angriffe verteidigen. Das umgebende Sumpf- und
Teichgelände bot dabei eine gut geschützte Lage.
Da sich hier außerdem alte Handelsstraßen
2
kreuzten war dieser Platz hervorragend zur
Besiedelung geeignet. Auch die Nähe zu sehr ertra-
greichen Heringsfanggründen in den Gewässern
um Rügen ist wohl der Grund für die frühe
Besiedlung.
Natürlich lassen sich die Anfänge der Stadt nicht
genau rekonstruieren. Dennoch existierte bereits
vor der späteren Stadtgründung ein slawisches
Fährdorf. Vermutlich trug es den Namen Stralow.
Wie lange diese Ansiedlung am Strelasund schon
bestand und wo genau sich diese befand, ist nicht
mehr nachvollziehbar. Wahrscheinlich lag sie auf
einer südöstlichen Halbinsel der ursprünglichen
Altstadtinsel im Bereich der unteren Langen- und
Heiligeiststraße. Archäologische Befunde für eine
derartige Siedlung stehen bisher aber noch aus.
Dem kleinen slawischen Fischerdorf Stralow
wurde 1234 das Stadtrecht nach Lübischen Recht
vom rügenschen Fürsten Witzlaw I. verliehen und
trat somit unmittelbar unter dessen Hoheit. Damit
war Stralesund, wie die Stadt damals hieß, gegrün-
det. Am 26. Februar 1240 wiederholte er die Stadt-
rechtsprechung. Über seine Beweggründe gibt es
von Historikern nur Vermutungen und unterschied-
liche Deutungen.
Wahrscheinlich spielten Rostocker Bürger - vor
allem wohl Kaufleute - bei der Gründung Stralsunds
eine entscheidende Rolle, die für die Zeit des
Heringsfangs auf dem späteren Stadtgründungs-
gebiet Saisonniederlassungen besaßen. Gefolgt
von weiteren Zuwanderern wuchs die Bevölkerung
schnell an. Ausgezeichnetes Material über deren
geografische Herkunft liefern Aufzeichnungen des
ältesten Stadtbuchs
3
von 1270 sowie des ersten
Bürgerbuches aus dem Jahre 1319. Ausgangspunkt
der Stadtentwicklung war vermutlich der Alte
Markt
4
an den sich dann das Gebiet der heutigen
Altstadt anschloss, wobei der Appolonienmarkt
5
- Papenstraße
6
die Grenze des Altstadtgebietes dar-
stellte. Der Markt wurde von Bauten wie der
St. Nikolai Kirche (1276 erstmalig im Stadtbuch
erwähnt) beherrscht. Sie ist die Hauptkirche der
Altstadt. Neben der Nikolaikirche befindet sich der
wichtigste Profanbau der Stadt, das Rathaus. In ihm
wurde nicht nur Recht und Gesetz gesprochen, son-
dern auch Handel betrieben. In Stralesund lebte vor
allem Kaufleute, die sich das ertragreiche Umland
und den Fischreichtum der Boddengewässer der
Insel Rügen zu Nutze machten. Dadurch brachte es
Stralsund bald zu Wohlstand und zu einer ansehn-
lichen Größe.
2
.
stadtgeschichtliche und städtebauliche quartiersuntersuchung
1
Ewe, Herbert (Hrsg.): Geschichte der Stadt Stralsund:
Veröffentlichungen des Stadtarchivs Stralsund, Bd. X; Weimar.
1984, S. 10.
2
Die Handelsstraßen, welche von Lübeck nach Rostock ins
Odermündungsgebiet verliefen, kreuzten sich mit dem von
Demmin und Tribsees nach Rügen gerichteten Verkehrswegen.
Eine der wichtigsten Handelsstraßen war wohl die »via regia«.
Außerdem existierte bereits seit wendischer Zeit eine Fährstelle
nach Rügen. (Ewe, Weimar, 1984)
3
Dieses Buch enthält u. a. Eintragungen wie Rechts- und
Schuldgeschäfte aus den Jahren 1270 - 1310, sowie das städti-
sche Einnahmeregister von 1278 - 1308 und ist in lateinischer
Sprache verfasst. (Ewe, Weimar, 1984, S.195.)
4
Die Bezeichnung »forum anticuum« für den Alten Markt
taucht erstmals 1288 in schriftlichen Quellen auf. Er war der
Mittelpunkt des städtischen Lebens und diente als Zentrum des
Handels innerhalb der Stadt. Das wichtigste Gebäude am Alten
Markt war das Rathaus. (Hansestadt Stralsund(Hrg.): Illustrierte
Denkmalliste, Stralsund 1999, S. 62.)
10

2. 1
die stadtgeschichte der hansestadt stralsund
Die von West nach Ost verlaufenden und zugleich
die ältesten Straßen (Baden-, Knieper-, Fähr-,
Semlowerstraße) stellten die Verbindungen von
Markt zum Hafen hin dar. Die später in Nord- Süd-
Richtung verlaufenden und die Altstadt mit der
Neustadt verbindenden Straßen (Mönch-, und
Ossenreyerstraße) spielten in ihrer frühen Ge-
schichte eine eher untergeordnete Rolle.
7
Ihre Bedeutung beginnt sich erst zu Beginn des
19. Jahrhunderts zu ändern. Und als sich die Stadt
im 20. Jahrhundert mehr an den Landseiten orien-
tiert und dadurch ihren Inselcharakter verliert,
nimmt die Bedeutung der zum Hafen verlaufenden
Straßen ab und die der von Nord nach Süd verlau-
fenden zu.
8
Die Nachbarstadt Lübeck zerstörte 1249 die
Stadt völlig, da sich Stralsund zu einer ernst zu neh-
menden, konkurrenzfähigen Stadt entwickelte.
Lübeck besaß bereits im Jahre 1224 ein Privileg für
Handel im Fürstentum Rügen und konnte sich
somit die rügischen Heringsfangrechte sichern.
Durch die Entstehung der neuen Stadt, wurde das
Privileg der Lübecker zwar nicht aufgekündigt, den-
noch verlor es stetig an Wert, wodurch sich schließ-
lich ein Konkurrenzstreit entwickelte. Nach dem
Überfall bauten die Einwohner ihre Stadt wieder
auf und bereits 1254, 20 Jahre nach der Stadt-
rechtsverleihung, wurde mit der ersten Stadt-
erweiterung begonnen und die Stadt entwickelte
sich weiter in südlicher Richtung. Ungefähr gleich-
zeitig mit dieser Erweiterung erfolgte die Begrün-
dung der Neustadt (1256 zum ersten Mal urkund-
lich erwähnt). Neuere Forschungen haben ergeben,
dass es sich bei der Neustadt vermutlich um eine
zweite, parallel gegründete Stadt namens »Schade-
gard« handelt, der man aber sehr früh die Stadt-
rechte wieder entzogen hatte. Über diese Stadt exi-
stieren nur zwei Aufzeichnungen, eine Urkunde aus
dem Jahre 1269 und eine Notiz im Stralsunder
Stadtbuch von 1271. Vermutlich handelte es sich
um eine Burg- oder Befestigungsanlage nordwest-
lich der Altstadt am Ufer des Strelasundes, welche
zum Schutz von Stralsund errichtet wurde. 1256
begann man mit dem Bau der Stadtmauer, die
letztlich auf einer Länge von 3.100 Metern die
gesamte Stadt umgab und ursprünglich aus Erd-
wällen bestand. Um 1320 war die Stadtmauer fer-
tig gestellt. Bereits vor Vollendung der Stadtmauer
und auch während deren Erbauung entstanden
zehn Tore, sechs Wassertore und vier Landtore.
Diese ermöglichten den Zu- und Ausgang durch die
Mauer, welche von etwa 30 Türmen gekrönt wurde.
Der Mauergürtel und der die Stadt umgebende
Ring von Teichen verlieh Stralsund den Charakter
einer Wasserburg.
Entlang der Straßenzüge wurden, da ein Mangel
am Baustoff Holz sowie an Lehm und Ton nicht
bestand, die Gebäude vermutlich in Fachwerkbau-
weise errichtet. 1271 zerstörte ein Großbrand
große Teile der aufblühenden Stadt. Beim anschlie-
ßenden Neuaufbau bedienten sich die Stralsunder
im stärkeren Maße der Ziegelbauweise - so ge-
nannte Steinhäuser - entstanden.
9
Um 1283 gab es
bereits drei Ziegeleien.
1289 wurde mit dem Bau der Marienkirche (in
der Neustadt) begonnen. Um diese Zeit fügten sich
die beiden Stadtteile - Alt- und Neustadt - zu einer-
baulichen Einheit, innerhalb der Stadtmauer
zusammen. Die Entwicklung Stralsunds ging rasch
voran.
5
Diese Bezeichnung taucht zum ersten mal im Stadtkataster
von 1789 auf und beruht vermutlich auf einer Fehlinterpreta-
tion der Bezeichnung »plunde, plunne«. Dies bedeutete soviel
wie »schlechtes oder altes Zeug/Gerümpel« und war der gängi-
ge Begriff für alte Kleider. Der Verfertigter des Katasters hielt
den Begriff »plunne« vielmehr für das ähnlich lautende Wort
»plonnie«, der niederdeutschen Form für »Appolonia«. (Hanse-
stadt Stralsund (Hrg.): Illustrierte Denkmalliste, Stralsund 1999,
S.14.)
6
Mit Pape oder auch Pfaffe bezeichnete man früher die
Geistlichkeit. Diesen Namen führten einige Zeit zwei Parrallel-
straßen gleichzeitig. Seit 1446 wurde der Straßenabschnitt zwi-
schen heutiger Filterstraße und Jakobiturmstraße Papenstraße
genannt. (Hansestadt Stralsund(Hrg.): Illustrierte Denkmalliste,
Stralsund 1999, S. 62.)
7
Kroll, Stefan; Pápay, Gyula: Wohnen und Wirtschaften in
Stralsund um 1700. Ein Historisches Stadtinformationssystem.
In: Krüger, Kerstin; Kroll Stefan; Pápay, Gyula (Hrsg.): Stadt-
geschichte und Historische Informationssysteme. Der Ostsee-
raum im 17. und 18. Jahrhundert, Beiträge des wissenschaft-
lichen Kolloquiums in Rostock vom 21. und 22. März 2002,
Münster 2003.
8
Hansestadt Stralsund (Hrg.): Stadtbildplanung, 2. Auflage,
Stralsund April2 001, S. 9.
11

2. 1
die stadtgeschichte der hansestadt stralsund
12
Eine Voraussetzung für die ständig anwachsende
Bevölkerung war eine leistungsfähige Entfaltung
der Wirtschaft. Es entstanden verschiedenste Ge-
werke um die Stadt um deren Bürger zu versorgen.
So zum Beispiel Kaufleute, Handwerker, Maurer,
Zimmerleute und Böttcher.
2.1.2
Die Zeit der Hanse
Aus wirtschaftlichen Gründen besiegelte Stralsund
zusammen mit Greifswald, Rostock, Lübeck und
Wismar im Jahre 1293 den Städtebund der Hanse.
Im Zeitraum ihrer Mitgliedschaft in der Hanse lag
auch die Blütezeit Stralsunds, wodurch sie im
Schiffbaugewerbe bis heute hohes Ansehen er-
reichte. Kaufleute trieben Handel in Russland,
Skandinavien und Westeuropa. Die Stadt entwi-
ckelte sich in kurzer Zeit zu einer aufstrebenden
Zwischenhandels- und Kaufmannsstadt. Die alten
Bürgerhäuser im gotischen Baustil waren ganz auf
die Aktivitäten ihrer Bewohner als Handelskontor
und Warenlager zugeschnitten. In dieser Zeit ent-
standen viele der prächtigen Giebelhäuser, die
Wohnhaus und Speicher zugleich waren.
Charakteristisch für Stralsund waren geschlos-
sene Baufluchtlinien, die auf Grund des lübischen
Stadtrechts
10
entstanden. Die Straßen verliefen in
gerader Linienführung in Richtung Hafen, was
typisch für eine Handelsstadt ist.
Während des 13. und 14. Jahrhunderts stieg die
Bevölkerung sprunghaft an. Dieses Wachstum
wurde allerdings immer wieder durch das Auftre-
ten der Pest und anderer Seuchen unterbrochen.
Natürlich kam es in dieser Zeit auch oft zu kriegeri-
schen Auseinandersetzungen. So besiegte Anfang
des 14. Jahrhunderts der dänische König Erik
Menved die Städte Lübeck, Wismar und Rostock
und belagerte auch die Stadt Stralsund. Doch berei-
teten Stralsunds Bürger den Feinden eine militäri-
sche Niederlage. Auch der dänische König Walde-
mar IV. Atterdag versuchte die Vormachtstellung
der Hanse zu brechen, unterlag aber den vereinig-
ten Städten. Am 24. Mai 1370 wurde Frieden zwi-
schen den hansischen und holländischen Städten
und dem Reichsrat des Königreichs Dänemark ge-
schlossen. Der berühmte »Stralsunder Frieden«
beendete das fast zehnjährige Ringen zwischen
den Hansestädten und dem dänischen König
Waldemar IV. In diesen zehn Jahren kam es in den
Jahren von 1361 bis 1362 und 1367 bis 1370 zu
zwei kriegerischen Auseinandersetzungen. Um
diese Zeit nahmen die Handelsbeziehungen zwi-
schen Stralsund und England besonderen Auf-
schwung, welche jedoch stetig von Piraterie gestört
wurden. Um 1400 zählte Stralsund etwa 13.000
Einwohner.
Von 1426 bis 1435 kam es zum Krieg zwischen
Stralsund und Dänemark um die Vorherrschaft um
den Nord- und Ostseehandel. Nach dem Tod des
Herzogs Gerd von Schleswig versuchte das däni-
sche Königtum das herscherlose Herzogtum anzu-
eignen. Dies scheiterte aber am Widerstand durch
die Grafen von Holstein. Beide Parteien suchten
Unterstützung durch die wendischen Handels-
städte. Diese schlossen letztlich 1243 einen
Bündnisvertrag mit dem dänischen König Erich ab,
in der Hoffnung ihre Handelsbeziehungen nach
Norden wieder verbessern zu können. Jedoch erließ
der dänische König ein Ausfuhrverbot für Waren
und beschlagnahmte hansische Schiffe. Die Lage
spitze sich zu und alle diplomatischen Versuche den
Ausbruch des Krieges noch zu verhindern blieben
erfolglos.
9
Ewe, Herbert, Das alte Stralsund. Kulturgeschichte einer
Ostseestadt, 2. Auflage, Weimar 1995, S. 80.
10 Lübisches Baurecht: Bestandteil des lübischen Stadtrechts
sind die Verordnungen über das Baurecht, dessen ursprüng-
licher Leitgedanke die Feuerverhüttung durch Ziegel - an Stelle
von Holzbau in der Stadt war. Insbesondere aber die seit der
Mitte des 13. Jahrhunderts nachweisbare Baufluchtvorschrift ist
für die Grundrisse und das Bild einer mittelalterlichen Stadt mit
von entscheidender Bedeutung. Die Fluchtlinie, hauptsächlich
festgelegt, um Behinderungen im Straßenverkehr zu vermeiden,
wies den Straßen ihren gleichmäßigen Zug und den
Grundstücken ihre Begrenzung zu. (...) Bauliche Neuerungen
aller Art, durften dabei nicht von an gleicher Stelle zuvor vor-
handenen abweichen. Darin liegt wohl der wichtigste Grund für
die Unveränderlichkeit des Mittelalterlichen Stadtbilds. (Ewe,
Herbert (Hrsg.): Geschichte der Stadt Stralsund: Veröffentli-
chungen des Stadtarchivs Stralsund, Bd. X; Weimar. 1984.)

2. 1
die stadtgeschichte der hansestadt stralsund
13
Am 22. September 1426 schlossen Lübeck, Ham-
burg, Lüneburg, Wismar, Rostock und Stralsund ein
Kriegsbündnis gegen König Erich ab.
Während dieser Auseinandersetzung entwickel-
ten sich verschiedene Handelsruten auf dem Über-
landweg zwischen dem Ost- und Nordseeraum
sowie auf dem Stecknitzkanal zwischen Trave und
Elbe, welcher als erste künstliche Wasserstraße
Deutschlands 1398 in Betrieb genommen wurde.
Leider sollten diese Verbindungen keinerlei Nutzen
für Stralsund haben. Die Handelsbeziehungen zu
den skandinavischen Ländern und Mitgliedern des
hansischen Bundes normalisierten sich erst als
König Erich im Jahre 1435 Frieden mit den Hanse-
städten schloss.
Auch im 15. Jahrhundert war die wirtschaftlich
wichtigste Industrie der Fernhandel und die Schiff-
Fahrt. Besonders der Handel mit Schottland wurde
weiter ausgedehnt. Innerstädtisch zeichnete sich
rege Bautätigkeit ab. Die Stadtbefestigungen wur-
den ausgebaut und neue Außenbastionen entstan-
den. Entlang dem Frankentor wurde die gesamte
Stadtmauer neu errichtet. Auch das Frankentor und
Kütertor wurden erneuert. Sein heutiges Aussehen
erhielt das Kniepertor ebenfalls bereits zu dieser
Zeit. Giebelhäuser mit Geschäfts-, Wohn- und Wirt-
schaftsräumen entstanden. Einige dieser Zeitzeu-
gen existieren heute noch. So zum Beispiel die
Häuser Badenstraße 40, Mühlenstraße 3 und 21,
die Jacobikirche, 1464 die Marienkirche und natür-
lich die Nordfassade des Rathauses. Gegen Ende
des 15. Jahrhunderts erreichte die mittelalterliche
Stadt mit der Vollendung der großen Backsteinbau-
ten ihren Höhepunkt in der Stadtentwicklung und
die Bautätigkeit stagnierte.
Wie schon im 15. Jahrhundert spielten auch im
16. Jahrhundert die Handelsbeziehungen nach
Skandinavien eine große Rolle. Im Stralsunder
Hafen legten vor allem Schiffe aus den Niederlan-
den, Schweden und aus Dänemark an. [[Abb. 7, S.13]]
Auch ein Handel ins Landesinnere bestand, wobei
hauptsächlich landwirtschaftliche Erzeugnisse
exportiert wurden.
Die Abbildung zeigt die älteste überlieferte
Stralsunder Stadtansicht, samt Hafenbereich. Es
stammt aus der »Cosmographia« des Sebastian
Münster, welches erstmals 1592 veröffentlicht
wurde. Jedoch wurde dieser Holzschnitt bereits
deutlich früher angefertigt, denn die noch erhalte-
nen Holzstöcke datieren um 1548/1549.
Abb. 7
Stadtansicht aus der
»Cosmographia« von
Sebastian Münster
(Holzschnitt 16. Jahrhundert)

2. 1
die stadtgeschichte der hansestadt stralsund
14
( vgl. Kulessa, 2003, S. 35.) Obwohl darauf eindeutig
Stralsund abgebildet ist, trägt das Bild die Über-
schrift »der herrlichen und weitberhümpten Statt
Stettin in Pommern wahrhaffte abcontrafactur«.
Vermutlich war mangelnde Ortskenntnis die Ur-
sache für diesen Irrtum. Wichtige Stralsunder
Bauten, wie z. B. das Rathaus und die Kirchen sind
recht detailliert argestellt und mit entsprechenden
Beschriftungen versehen. Der Hafenbereich zeigt
Schiffe und Anlegebrücken sowie realistisch darge-
stellte Stadttore. Eine Hafenvorstadt ist allerdings
nicht
abgebildet. Zwischen dem Ufer und der
Stadtmauer ist nur ein schmaler, unbebauter
Streifen zu sehen.
Das Stadtbild änderte sich in dieser Zeit durch
den niederländischen Renaissanceeinfluss. Ursprüng-
lich spätgotische Grundformen wurden durch Ver-
putzen der Giebel und mit vertikalen, horizontalen
und geschwungenen Elementen neu gestaltet.
Damit wurde diese neue Bauepoche in der Stral-
sunder Architektur eingeleitet.
Zum Beispiel am Haus Badenstraße 12 oder am
Hause Semlowerstraße 13 lässt sich diese neue Ent-
wicklung erkennen. Diese Stilelemente finden bis
hinein ins 17. Jahrhundert Anwendung.
Zu dieser Zeit gab es in Stralsund ca. 2400 Wohn-
gebäude und etwa 14 - 15.000 Einwohner.
2.1.3 Die
Schwedenzeit
Die Schwedenzeit begann, als vor den Toren der
Stadt die Heerscharen des Generals Albrecht von
Wallenstein standen.
Von Mai bis Juli 1628 belagerten die kaiserlichen
Truppen die Stadt. Bei der Verteidigung der Stadt
kamen den Einwohnern dänische und schwedische
Truppen zur Hilfe. Am 24. Juli scheiterten Wallen-
steins Bestrebungen die Stadt zu erobern und er
musste seinen Rückzug antreten. Mit der Unter-
zeichnung des Allianzvertrages zwischen der Stadt
und dem Königreich Schweden begann 1628 für
Stralsund die Schwedenzeit. Am 10. September
1630 traf der Schwedenkönig Gustav Adolf II. in
Stralsund ein. Zwischen 1630 und 1640 wurden
umfangreiche Erneuerungen an den Befestigungs-
anlagen der Stadt vorgenommen. So entstanden
Bollwerke, Palasidierungen und Erdschanzen am
Hafen und auf den Dämmen. Diese Bastionen
umgaben wie ein Festungsgürtel die Stadt.
Abb. 8
Staudeplan
»Sciagraphica Stralesundis
Pomeranie« von 1647

Die Bautätigkeit war vorrangig auf diese Baumaß-
nahmen begrenzt. Wie aus einer Zeichnung aus
dem Jahre 1647 des Schweden Johannes Staude
11
[[Abb. 8, S. 14, ]] zu ersehen ist, war das innerhalb
der Stadtmauer liegende Stadtgebiet nahezu voll-
ständig bebaut, weshalb sich im Stralsunder Bau-
wesen kaum Aktivität zeigte.
Der Staudeplan zeigt Stralsund aus der Vogel-
perspektive. Er wurde im Auftrag der Schwedischen
Regierung angefertigt. Auf diesem Plan sind alle
Gebäude der Stadt eingezeichnet. Er gilt als reali-
stischste Abbildung der historischen Altstadt und
stellt, da auf dieser Zeichnung mittelalterliche
Anlagen sowie die historische Bausubstanz dieser
Zeit sehr exakt abgebildet sind, eines der bedeu-
tendsten Dokumente Stralsunds dar. 1650 wurde
eine Kopie dieser Zeichnung in der »Cosmographia«
des Matthäus Merian, als so genannter Merianplan,
veröffentlicht. (vgl. Kulessa, 2003, S. 38.)
Durch den 1648 geschlossen »Westfälischen
Frieden«, gehörte Stralsund , so wie ganz Vorpom-
mern, völkerrechtlich zu Schweden. Stralsund ge-
hörte nun bis 1815 zum schwedischen Königreich.
Im Juli 1675 erklärte das Deutsche Reich
Schweden den Krieg und bereits im Oktober dessel-
ben Jahres stand der Kurfürst von Brandenburg vor
den Toren Stralsunds. Dieser verbündete sich mit
der Armee des Königs von Dänemark und der
Dänenkönig landete am 7. September 1676 auf
Rügen, um von hier aus Stralsund einzunehmen.
Nach dem Beschuss der Stadt im Jahre 1678
zeigten alle Stadtteile Spuren der Zerstörung.
Ein Brand zwei Jahre später stellte zudem einen
weiteren Tiefpunkt in der Entwicklung der Stadt
des 17. Jahrhunderts dar. Jedoch setzte nach diesen
Ereignissen keine intensive Bautätigkeit ein, so dass
auch zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch viele
freie Plätze existierten. Doch nach und nach verän-
derten Bauten der Renaissance und des Barock (z. B.
Fährstraße 29) das Bild der Stadt. Dabei bezog sich
diese Bautätigkeit ausschließlich auf Wohnhäuser,
da öffentliche Gebäude zu dieser Zeit nicht errich-
tet wurden.
Ein Bild von Stralsund zu dieser Zeit zeigt die
Schwedische Stadtaufnahme von 1706/1707.
12
Das Kataster wies, trotz der Auswirkungen der
Zerstörungen von 1678/1680, bereits 1601 Grund-
stücke aus. Demnach befanden sich 1392 innerhalb
der Stadtbefestigung und 209 auf den Dämmen,
den suburbanen Siedlungen. Die häufigste Bebau-
ung verzeichnete das Marien -Viertel mit 431 und
die geringste Bebauung das St. -Jürgen -Viertel mit
192 Grundstücken. Besonders im Nicolai-Viertel mit
386 - und Jakobi -Viertel mit 383 Grundstücken
ging der Neuaufbau rasch voran und neben Giebel-
häusern traten immer mehr Traufhäuser in das
Stralsunder Stadtbild. Siedlungsschwerpunkte der
Kaufleute waren besonders das Nikolai- und
St.-Jürgen-Viertel, was sicher auch aus den vorhan-
denen freien Stellen, auf Grund der Zerstörungen
von 1678 und 1680 resultierte.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts betrug die
Einwohnerzahl, auf Grund von Pocken- und Pest-
epidemien, nur noch rund 8000.
Nach anfänglicher Belagerung zwischen
1711/1712 zerstörten von 1713 bis 1715 Truppen
aus Sachsen, Dänemark und Russland, die
Vorstädte der Stadt, schnitten die Landzufahrts-
wege ab, legten den Schiffsverkehr lahm und zwan-
gen schließlich Stralsund zur Kapitulation. Durch
diesen Nordischen Krieg, in dem Schweden die
Vorherrschaft über die Ostsee verlor, wurde der
Seehandel für längere Zeit unterbrochen, so dass
die Stadt bald ihre Bedeutung als Hauptexporteur
von Malz und Getreide verlor und nur noch pom-
mersche Produkte ausfuhr. Zudem bewirkten die
Abtritte landwirtschaftlicher Anbauflächen eine
Verringerung des Handelsvolumens.
Seit etwa 1720 erholte sich die Situation wieder
und es kam zu neuen Handelsbeziehungen nach
Holland, England, Frankreich, Spanien und Portu-
gal. Dies war aber auch nur eine kurze Episode des
Aufschwungs, denn im Allgemeinen blieb die Situ-
ation eher unbefriedigend und fand erst mit der
2. 1
die stadtgeschichte der hansestadt stralsund
15
11 Ewe, Herbert: Das alte Stralsund: Kulturgeschichte einer
Ostseestadt, 2. Auflage, Weimar 1995; S. 22; vgl. auch Kulessa,
2003, S. 38.
12 Nähere Informationen dazu von Hacker, Hans -Joachim.
S. 193 ff und Kusch, Reinhard 222 ff. In: Ewe, Herbert (Hrsg.):
Geschichte der Stadt Stralsund. Veröffentlichungen des Stadt-
archivs Stralsund, Bd. X, Weimar. 1984.

französischen Besatzung und mit der Kontinental-
sperre 1810 ihr Ende.
Mitte des 18. Jahrhundert lebten ca. 10.000
Einwohner in Stralsund, während sich das Stadtbild
des 18. Jahrhunderts topografisch nicht veränderte.
Bereits 1806 wurden Vorstädte abgebrochen
und 1807 besetzten Napoleons Truppen die Stadt.
In den Jahren 1808 und 1809 wurden die Mauern
auf Befehl Napoleon Bonapartes geschleift. Im
Jahre 1808 zogen sich die französischen Besatzer
aus der Stadt zurück und ersetzten diese durch eine
kleine französisch - polnische Wachtruppe. Der
preußische Major Ferdinand von Schill setzte sich
diesen Besatzern entgegen. Dennoch verlor er am
31. Mai 1809 sein Leben in der Fährstraße. Nach
weiteren politischen Rangeleien um die Länder
Schweden, Dänemark und Preußen wurde, am
7. Juni 1815 während des Wiener Kongresses, ein
für Stralsund bedeutsamer Vertrag zwischen
Schweden und Preußen abgeschlossen.
Die Schweden traten am 23. Oktober 1815 ganz
Neuvorpommern an Preußen ab. Es endete die
schwedische Zeit, es begann die preußische.
2.1.4 Die
Preußenzeit
Bei einer Preußischen Volkszählung am 1. Dezem-
ber 1815 wurden 13.209 Einwohner registriert. Das
hatte weniger zu Beginn, vielmehr erst ab Mitte des
Jahrhunderts viel Einfluss auf die wirtschaftliche
Entwicklung. Der traditionelle Seehandel mit Nord-
europa und die Landwirtschaft begannen sich neu
zu entwickeln. Der Schiffbau wurde zu einer der
wichtigsten Erwerbsquellen für die Stralsunder
Bevölkerung. Fabriken wurden errichtet und Ge-
werbetreibende trieben Handel, wobei das Hand-
werk einen bedeutenden Stellenwert einnahm. Der
Unterschied zwischen der wohlhabenden Bevöl-
kerung, zu denen besonders Kaufleute, Pädagogen
oder Ärzte gehörten und der armen Bevölkerung
wurde immer größer.
Zu dieser Zeit begannen sich die Stralsunder
Vorstädte - Frankenvorstadt, Kniepervorstadt und
Tribseer Vorstadt - immer stärker zu entwickeln.
Die Einwohner dieser Vorstädte standen dabei auf
der untersten Stufe im Sozialgefüge und durften
nicht einmal das Bürgerrecht erwerben. Dennoch
lebten 1847 bereits fast 2000 Menschen in den drei
Vorstädten.
Am Abend des 18. März 1848 kam es auch in
Stralsund zur Revolution und zum Kampf um die
Demokratisierung des kommunalen und öffent-
lichen Lebens. Angeführt wurde dieser Aufstand
durch fortschrittliche Einwohner, vor allem Arbei-
ter, die auf Miss -Stände aufmerksam machen woll-
ten und Veränderungen forderten. In einer Volks-
befragung vom 9. Juli desselben Jahres entschieden
sich die Stralsunder Einwohner gegen die alte
Stadtverfassung und für durchgreifende Reformen.
Am 19. November kam es erneut zu Unruhen,
doch wurden diese mit militärischer Macht nieder -
geschlagen und die alte Ordnung wieder herge-
stellt. Es folgte eine regelrechte Abrechnung mit
den Aufständigen und die erhoffte demokratische
Entwicklung kam nicht zu Stande. Dennoch zog
auch in Stralsund der Industriekapitalismus ein,
Schiffbau und Handel erreichten ihren Höhepunkt
und die wirtschaftlichen Beziehungen entwickelten
sich zusehends. 1848 wurde der erste deutsche
Kriegshafen auf dem Dänholm gebaut wurde.
Das war die Geburtsstunde der ersten preußisch -
deutschen Marine. Jedoch war die Stationierung
der Flotte nicht von langer Dauer, denn 1871 wur-
den die Kriegsschiffe nach Kiel verlegt. Doch schon
um 1880 kam es durch die rasante technische Ent-
wicklung des Seefahrtswesens, zu einem raschen
Verfall und zu einem starken Rückgang in der
Entwicklung der Schiff- Fahrt und dem Schiffbau,
wodurch der Stralsunder Hafen Ende des Jahrhun-
derts wirtschaftlich nur noch eine untergeordnete
Rolle spielte.
Da aber der Rückgang des Seehandels abzuse-
hen war, bemühten sich die Stralsunder schon sehr
früh um die verkehrsgeografische Anbindung der
Stadt an das Einsenbahnnetz. 1863 erfolgte die
Fertigstellung der Eisenbahnstrecke Berlin Prenzlau-
Stralsund - die so genannte Nordbahn - und 1878
lief der erste Zug in den Stralsunder Bahnhof ein.
Obwohl Stralsund in der Industriellen Entwicklung
wieder einmal hinter Städten wie Hamburg, Stettin
oder Bremen zurücklag, spiegeln doch der Ausbau
2. 1
die stadtgeschichte der hansestadt stralsund
16

der Hafeninsel, der Bau der großen Speicher, die
Veränderungen in der Nachrichtenübermittlung,
dem Telefon sowie die erstmals 1857 erstrahlenden
Gasleuchten die neue aufwärtsführende Entwick-
lung wieder.
1869 erfolgte eine Grundlegende Änderung der
Stralsunder Straßennamen.
14
[[Abb. 9, S. 17 ]]
Die Preußen hoben um 1873 den Festungs-
charakter der Stadt auf. In einem Vertrag von 1879
in welchem Preußen die Stadtbefestigungen der
Stadt Stralsund übertrug, begannen die Stralsun-
der die Stadtmauer und Befestigungsanlagen zügig
zu schleifen, doch ist der ursprüngliche Festungs-
verlauf und deren Formgebung noch heute ables-
bar. Gründe für das Schleifen waren der Platzbedarf
für Neubauten und die Zunahme des Verkehrs, der
durch Mauern und Stadttore behindert worden war.
1887 sollten die Abbrucharbeiten an dem größten
Teil der ehemaligen Befestigungen abgeschlossen
sein. Die Stadt wuchs über ihre bisherigen Grenzen
hinaus. Bereits schon vor Aufhebung des Festungs-
charakters fanden Verhandlungen über Erteilung
der Baufreiheit auf dem Vorstadtgelände statt, da
die Wohnungsnot in der eng bebauten Innen-
stadt einer raschen Lösung bedurfte. Doch warte-
ten die Bürger nicht die Entscheidung der Militär-
verwaltung ab, sondern begannen zu Bauen. Es ent-
standen in der Frankenvorstadt zwischen 1860 und
1895 ca. 100 Häuser mit rund 500 Wohnungen
und sie entwickelte sich zum Industriezentrum
Stralsunds.
Zur gleichen Zeit setzte auch außerhalb der
Stadtmauern eine rege Bautätigkeit ein. Die Hafen-
insel wurde mit schiffbaren Kanälen und massiven
Kaimauern ausgebildet und Speichergebäude
errichtet.
15
Der Handel erblühte und in der gesam-
ten Stadt lebten nahezu 18.000 Menschen.
2. 1
die stadtgeschichte der hansestadt stralsund
Abb. 9
Stadtplan mit neuen
Straßenbezeichnungen
von 1869
14 Im Interesse eines vereinfachten Postverkehrs wurde diese
Maßnahme durchgeführt. Dabei verschwanden ca. 70 Namen,
welche meist Teilabschnitte einzelner Straßenzüge bezeichne-
ten. Auch die Nummerierung der einzelnen Straßen wurde ver-
ändert. Denn bis dahin wurden die Hausnummern durch ganze
Stadtviertel fortlaufend gezählt. (Ewe, Herbert: Geschichte der
Stadt Stralsund: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Stralsund,
Bd. X; Weimar. 1984, S. 261 f., Abb. 150)
15 Dehio, Georg. Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler,
Mecklenburg -Vorpommern. Berlin 2000. S.579 (Stralsund ab
S. 576-629)
17

1880 waren 266 Kaufleute und Gesellschaften im
Handelsregister eingetragen. Dadurch mussten
wertvolle Profanbauten der einzelnen Kulturepo-
chen weichen um Kaufhäusern, Banken, Hotels und
Verwaltungsgebäuden Platz zu machen. Die Stadt
wandelte sich zu einer Beamtenstadt. Man sprach
seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von
vier Vorstädten: - der Knieper-, Tribseer-, Franken-
und der Hafen -Vorstadt. Besonders betroffen von
diesen Baumaßnahmen waren die mittelalterlichen
Befestigungsanlagen samt Stadttore. Von den ehe-
mals zehn Stadttoren, welche 1850 noch alle erhal-
ten waren, stehen heute noch zwei, das Kniepertor
und das Kütertor. Den Abriss begann man mit dem
Heiliggeisttor und 10 Jahre später war auch das
Frankentor entfernt. Das Semlower Tor [[Abb. 10, S.
19]] existierte noch während der Preußenzeit,
wurde aber im zweiten Weltkrieg zerstört.
Ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Entwick-
lung der Stadt war die Inbetriebnahme des Eisen-
bahntrajektverkehres Stralsund - Altefähr - nach
Rügen - da Rügen immer mehr touristisch erschlos-
sen wurde. Die Bauarbeiten dafür begannen 1882.
Das erste, in Elbing erbaute Trajektschiff, die
»Prinz Heinrich«, traf am 13. November 1882 in
Stralsund ein und hatte am 1. Juli 1883 den regel-
mäßigen Fährverkehr aufgenommen. Vor allem die
Hafenwirtschaft und der Schiffbau profitieren
davon.
Um 1900 hatte die Stadt ihre Einwohnerzahl auf
31.150 verdreifacht und 1914 verzeichnete man
bereits 35.747 Bürger. Es entstanden weitere Vor-
städte und wichtige öffentliche Bauwerke, wie die
Pommersch - Provinzial - Heilanstalt (heutiges Kran-
kenhaus West), die Post am Neuen Markt, die
Poliklinik und kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, das
Krankenhaus am Sund.
Außerdem fuhr im Jahre 1900 die erste Straßen-
bahn. Leider sollte ihr Betrieb zugunsten der Omni-
busse, bereits 1966 eingestellt werden.
Da der Verkehr nach Rügen immer mehr
zunahm, reichte die bestehende Trajektverbindung
nicht mehr aus. Während der Zeit der Weimarer
Republik von 1919 bis 1933 stieg die Zahl der
Einwohner von 38.185 auf 43.360. Das Wachstum
der Einwohner-zahl resultierte außerdem aus der
Eingliederung umliegender Gemeinden im Jahre
1928. Die Anzahl der Wohnhäuser erhöhte sich bis
1933 von 2380 im Jahre 1925 auf 3128.
2.1.5 Der
Nationalsozialismus
Auch Stralsund war von der 1929 ausbrechenden
Weltwirtschaftskrise betroffen, die 1932 ihren
Höhepunkt mit rund zwei Drittel Erwerbslosen
erreichte. Der aufkommende Faschismus setzte
zudem mit aktiver Unterstützung des Staates ein
und auch das politische Leben in der Stadt wurde
von den Nazis beeinflusst. So gelang es den Nazis in
den Jahren von 1928 bis zur Reichstagswahl am
5. März 1933 einen deutlichen Sieg zu erlangen.
Trotzdem bestand immer auch eine rege antifaschi-
stische Bewegung durch kleinere Gruppierungen.
2. 1
die stadtgeschichte der hansestadt stralsund
18
Abb. 10 Das Semlower Tor um 1910

Von 1933 bis Mai 1939 erhöhte sich, nach weiteren
Eingemeindungen 1938, die Einwohnerzahl von
44.739 auf 49.342.
1935 verlor die Stadt auch noch das Privileg,
Regierungssitz zu sein. Neuvorpommern gehörte
künftig dem Regierungsbezirk Stettin an. Besonders
zur Errichtung von Einrichtungen der Wehrmacht,
sowie der Verbesserung der Verkehrsbedingungen
gab es Aktivitäten in der Stralsunder Bauwirtschaft.
Das bedeutendste und größte wirtschaftliche
Projekt in Stralsund fand von 1933 bis zum 13. Mai
1937 statt. Die Errichtung des 2,5 km langen Ver-
kehrsstrangs zwischen Stralsund und der Insel
Rügen - dem Rügendamm. Bereits am 5. Oktober
1936 konnte die Strecke für den Eisenbahnverkehr
freigegeben werden, gefolgt von der sechs Meter
breiten Autobahn und dem 2,5 Meter breiten
Fußgängerweg. Bis dahin bestand lediglich eine
Fährverbindung (zusammen mit der Ziegelgraben-
brücke). Dieser Bau spielte natürlich in der Kriegs-
vorbereitung einer entscheidende Rolle. 1936
wurde beschlossen eine Infanterie - Bataillon nach
Stralsund zu verlegen. In Folge dessen entstanden
bis 1939 etwa 700 Wohnungen, hauptsächlich zur
Unterbringung von Militärangehörigen, was in der
Nazipropaganda als der lobend erwähnte Woh-
nungsbau propagiert wurde. Ende desselben Jahres
zählte Stralsund 49.705 Einwohner und zusätzlich
noch ca. 3000 militärische Angehörige. Die Zahl
der Bürger stieg bis zum 1. Juli 1944 auf 50.320.
Bereits am 20. Juni und am 18. Juli erfolgten
erste Bombardements auf die Stadt. Das Gesicht
der Stadt änderte sich aber entscheidend nach dem
6. Oktober 1944 für immer. Die englischen und
amerikanischen Geschwader vernichteten große
Teile der Altstadt und der Frankenvorstadt mit
mehr als 8.000 Wohnungen sowie viele historisch
wertvolle Gebäude. Darunter auch das Semlower
Tor, die Kirche des Johannisklosters und die Hafen-
anlagen. Die Spuren zeichnen sind auch heute noch
durch die vielen Baulücken ab. Die deutschen
Truppen zogen sich über den Rügendamm zurück
und es wurde zuerst die Ziegelgrabenbrücke und
am 1. Mai 1945 der Rügendamm gesprengt um
einen zu schnellen Vormarsch der Russischen
Truppen in Richtung Rügen zu verhindern. Die Stadt
wurde kampflos an die Russen übergeben. Der
Krieg war beendet. [[Abb.11, S19]]
2. 1
die stadtgeschichte der hansestadt stralsund
19
Abb. 11
Ruinen an der Wasserstraße

2.1.6
Stralsund nach dem Krieg und heute
Nach dem Krieg nahm Stralsund eine sprunghafte
Entwicklung, die sie vor allem dem Aufbau der
»Volkswerft Stralsund« verdankte. Im Süden der
Stadt entstand auf Befehl der sowjetischen Militär-
administration auf dem Gelände der ehemaligen
Kröger - Werft, die weltgrößte Spezialwerft für
Fischereischiffe - die Volkswerft. Dadurch wurde
der Hafen aufgrund seines Anschlusses an das
Binnenwasserstraßennetz zu einem wichtigen Um-
schlagplatz für den Ostseehandel. Neben der Werft
gab es natürlich auch andere Industriezweige,
wie die Zuckerfabrik, die Molkerei, Möbelwerke,
Brauerei, Kaffeerösterei.
Die industrielle Entwicklung und das Anwachsen
der Bevölkerungszahl erforderten zugleich den
Bau neuer Wohnungen. Dabei entstanden weiträu-
mige Vorstädte mit insgesamt mehr als 18.000
Wohnungen, während die Bausubstanz der Alt-
stadt mehr und mehr verfiel. Vereinzelt wurden
aber auch in den vorhandenen Baulücken Woh-
nungsbauten errichtet, welche mit traditioneller
Backstein - Bauweise ausgeführt wurden. Jedoch
wurden dabei meist die historischen Parzellierun-
gen aufgegeben.
16
Im Jahre 1962 erklärte man die
noch erhaltenen mittelalterlichen Bauten, durch
eine Verordnung des Kultusministers, zum Flächen-
denkmal.
17
und nahm sie 1969 in die Denkmalliste
auf. Allein in den 40 Jahren DDR- Geschichte wur-
den auf dem Altstadtgelände ca. 570 Häuser abge-
brochen.
Die politische Wende in Deutschland brachte
große tief greifende Veränderungen für Stralsunds
Wirtschaft mit sich. Viele Betriebe verschwanden.
Der Verlust der Industrie wurde teilweise kompen-
siert durch die Ansiedlung vieler großer Ämter und
Institutionen und Stralsund wurde zunehmend
zum Verwaltungszentrum ausgebaut.
Die Volkswerft wurde zu einer hochmodernen
Kompaktwerft umgebaut, mit einer 300 m langen,
108 m breiten und 74 m hohen Schiffbauhalle.
Heute arbeiten dort noch etwa 1000 Menschen.
Damit erhielt die Stadt Anfang 1997 ein neues
Wahrzeichen.
In den Jahren 1990/1991 begann man endlich
auch mit Maßnahmen zur Altstadtsanierung. Diese
bezogen sich nicht nur auf vorbereitende Planungs-
leistungen, vielmehr auf Sofort- und Sicherungs-
maßnahmen, die den weiteren Verfall historisch
bedeutender Gebäude verhindern sollten. Trotz die-
ser Bautätigkeit existieren auch heute noch große
Baulücken. Die zukünftige Baulückenschließung
unterliegt dabei städtebaulichen Vorschriften, die
die Erhaltung der Bauflucht und Parzellierung vor-
sieht, jedoch eine historisierende Neugestaltung
oder gar eine Rekonstruktion ausschließt.
18
Da in
Stralsund rund 2/3 der Fläche unter dem Straßen-
pflaster erhalten sind, bildet diese Situation einen
außergewöhnlichen Schatz. Denn durch bereits
erfolgte archäologische Grabungen konnten viele
Informationen zu Stralsunds Geschichte zu Tage
gefördert werden. Aus diesem Grund wurde der
Untergrund zum Bodendenkmal erklärt und jede
Baumaßnahme archäologisch begleitet.
Mit dem Wiederaufbau der Altstadt und an-
grenzender Gebiete geht es sichtbar vorwärts, aller-
dings wird die Sanierung des alten Stralsunds, mit
seinen heute ca. 60.000 Einwohnern, zum städte-
baulichen Kleinod noch Jahre dauern.
2. 1
die stadtgeschichte der hansestadt stralsund
16 Die historischen Städte Stralsund und Wismar; Welterbean-
trag, Antrag der historischen Altstädte Stralsund und Wismar
auf Aufnahme in die Welterbeliste der UNESCO (deutsche
Fassung des im Dezember 2000 eingereichten Auftrags); S. 126.
17 Deutsche Bauakademie (Hrsg.), 1958: Die Altstadt von
Stralsund. Untersuchungen zum Baubestand und zur Städte-
baulichen Benkmalpflege. In: Die historischen Städte Stralsund
und Wismar; Welterbeantrag, Antrag der historischen Altstädte
Stralsund und Wismar auf Aufnahme in die Welterbeliste der
UNESCO (deutsche Fassung des im Dezember 2000 eingereich-
ten Auftrags); S. 120
18 Die historischen Städte Stralsund und Wismar; Welterbean-
trag, Antrag der historischen Altstädte Stralsund und Wismar
auf Aufnahme in die Welterbeliste der UNESCO (deutsche Fas-
sung des im Dezember 2000 eingereichten Auftrags); S. 128 ff.
20

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836613262
DOI
10.3239/9783836613262
Dateigröße
2.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Wismar – Bauingenieurwesen
Erscheinungsdatum
2008 (Mai)
Note
1,3
Schlagworte
stralsund bauvorhaben lückenschließung architektur bauforschung
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Titel: Nutzungs- und Gestaltungskonzeption für eine Lückenschließung in der Stralsunder Altstadt
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