Lade Inhalt...

Implikationen des amerikanischen Außenhandelsdefizits für den Dollar

©2007 Diplomarbeit 159 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Das US-Leistungsbilanzdefizit steht seit geraumer Zeit im Zentrum der Diskussionen und Untersuchungen zahlreicher Analytiker und beunruhigt in seiner Höhe und Persistenz Investoren und Anleger. Seit Mitte der 90er Jahre haben sich die Leistungsbilanz und die Nettoauslandsverschuldung der Vereinigten Staaten kontinuierlich verschlechtert. Während diese Entwicklung bis Ende der 90er Jahre noch dem starken Wirtschaftswachstum und der daher hohen Investitionsquote zuzuschreiben war, wurde sie seit der Jahrtausendwende vor allem durch hohen Konsum, eine sinkende Sparquote und steigende Staatsverschuldung angetrieben. Durch das vom US-Leistungsbilanzdefizit implizierte Überangebot an Dollar am Weltmarkt sollte dieser eigentlich an Wert verlieren und dadurch die US-Nachfrage nach infolge teureren ausländischen Gütern reduzieren und gleichzeitig die ausländische Nachfrage nach kostengünstigeren in den Vereinigten Staaten produzierten Gütern steigern. Die Leistungsbilanz würde sich wieder ausgleichen. Dieser Ausgleichsmechanismus ist allerdings bis jetzt noch nicht oder nur in seinen Ansätzen eingetreten.
Diese Arbeit soll mögliche Gründe und Erklärungen für das Ausbleiben dieses Mechanismus‘ und der anhaltenden Stabilität des Dollars behandeln. Der Gang der Untersuchungen gestaltet sich folgendermaßen: In Kapitel 2 werden die Grundkonzepte, auf denen diese Arbeit basiert, dargelegt. Es wird der Aufbau und die Funktion der Zahlungsbilanz erklärt und der Begriff Nettoauslandsverschuldung definiert. Des Weiteren wird auf die Bestimmungsfaktoren von Wechselkursen eingegangen, wobei der Zahlungsbilanz- und der Anleihenmarkt-Ansatz für die weiteren Untersuchungen von besonderer Bedeutung sein werden. Darüber hinaus werden der Vollständigkeit halber auch die Internationalen Parity Conditions behandelt.
Kapitel 3 widmet sich den Vereinigten Staaten und ihrer Position als weltweit größte Schuldnernation. Zunächst werden die Ursachen des enormen Leistungsbilanzdefizits und eine Interpretation der Entwicklung des effektiven Dollarwechselkurses der letzten Jahrzehnte behandelt und danach wird auf die Entwicklung und die Einflussfaktoren der US-Nettoauslandsverschuldung eingegangen.
Kapitel 4 analysiert die Motive ausländischer Investoren, das anhaltende Leistungsbilanzdefizit zu finanzieren. Aus den Analysen geht hervor, dass immer weniger private Investoren ihr Geld in den Vereinigten Staaten anlegen und der Großteil der amerikanischen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Uta Hammer
Implikationen des amerikanischen Außenhandelsdefizits für den Dollar
ISBN: 978-3-8366-1162-6
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Wirtschaftsuniversität Wien, Wien, Österreich, Diplomarbeit, 2007
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die
Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine
Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2008
Printed in Germany

Danksagung
An dieser Stelle möchte ich all jenen Personen danken, die durch ihr wohlwollendes
Entgegenkommen die Durchführung und Fertigstellung der vorliegenden Diplomarbeit
ermöglicht haben.
Mein besonderer Dank gilt meinem Diplomarbeitsbetreuer, Herrn Univ.Prof. Dr. Gregor
Dorfleitner, der mir ermöglicht hat über das Thema meiner Wahl zu schreiben, sich meiner
Arbeit sehr angenommen hat und mir bei der Realisierung derselben stets zur Seite stand.
Ein herzliches Dankeschön auch meiner Mutter und meiner Großmutter für die seelische
Unterstützung, und meinem Vater, der mich in der Phase der Entscheidungsfindung bezüglich
meines Studiums sehr unterstützt hat und bis heute reges Interesse am Fortgang meiner
universitären Fortschritte zeigt. Ein Dankeschön gilt auch meinen vielen Freunden, die
enormes Verständnis für meine sozialen Absenzen zeigten und mich moralisch während so
mancher wissenschaftlichen Durststrecke unterstützt haben.

i
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Einführung ... 1
Kapitel 2
Grundkonzepte ... 4
2.1.
Zahlungsbilanz ... 4
2.1.1.
Leistungsbilanz ... 5
2.1.2.
Kapitalbilanz ... 5
2.1.3.
Devisenbilanz ... 5
2.1.4.
Bilanz der Vermögensübertragungen ... 6
2.2.
Die ettoauslandsverschuldung ... 8
2.3.
Die Bestimmungsfaktoren von Wechselkursen ... 9
2.3.1.
Zahlungsbilanz-Ansatz ... 9
2.3.2.
Anleihenmarkt-Ansatz ... 9
2.3.3.
International Parity Conditions ... 10
2.3.3.1.
Kaufkraftparität ... 10
2.3.3.2.
Fisher Effekt ... 13
2.3.3.3.
Internationaler Fisher Effekt ... 14
2.3.3.4.
Forward Rate als Indikator für die zukünftige Spot Rate ... 14
2.3.3.5.
Zinsparitätentheorie ... 15
2.3.3.6.
Die
Internationalen
Parity
Conditions
im
Gleichgewichtszustand ... 16
Kapitel 3
Die USA als die weltweit größte Schuldnernation ... 19
3.1.
Das Leistungsbilanzdefizit ­ Frühere und aktuelle Entwicklungen ... 19

INHALTSVERZEICHNIS
ii
3.1.1.
Investment Boom durch höhere Produktivität ... 21
3.1.2.
Höherer Konsum durch gestiegenen Wohlstand ... 22
3.1.3.
US-Budgetpolitik ... 24
3.1.4.
Weitere Faktoren ... 24
3.2.
Der Dollar-Wechselkurs ... 26
3.3.
Die Entwicklung der US- ettoauslandsverschuldung ... 27
3.3.1.
Zahlungsbilanz... 29
3.3.2.
Preisänderungen... 29
3.3.3.
Der Bewertungseffekt durch Wechselkursbewegungen ... 29
Kapitel 4
Ursachen und Motive für das anhaltende Defizit ... 33
4.1.
Die Attraktivität der USA für ausländische Investoren ... 33
4.2.
Bretton-Woods II und die Rolle Chinas ... 34
4.3.
Auswirkungen auf Europa ... 37
4.4.
Die Stabilität und achhaltigkeit des Systems ... 38
4.4.1.
Interne Spannungen in den Vereinigten Staaten ... 38
4.4.2.
Die Belastung Europas ... 38
4.4.3.
Die finanzwirtschaftliche Belastung Chinas... 39
4.4.4.
Das finanzielle Risiko anhaltender billiger Finanzierung des US-
Defizits... 41
4.4.5.
Der
Anreiz
einzelner
Staaten
als
,,Freerider"
aus
dem
Finanzierungskartell auszusteigen ... 41
4.5.
Schlussfolgerung ... 42
Kapitel 5
Vom Weltbankier zum Spekulanten: Über das ,,Übertriebene
Privileg" der USA... 43
5.1.
Der Rendite-Rabatt ... 44
5.2.
Der Struktur-Effekt ... 45

INHALTSVERZEICHNIS
iii
5.3.
Bedeutung und relatives Gewicht des Rendite-Rabatts und Struktur-Effekts 46
5.4.
Das ,,Übertriebene Privileg" ­ Aussichten und Prognosen ... 46
Kapitel 6
Die These der ,,Dunklen Materie" im Vermögen der
ationen ­ eine alternative Sichtweise ... 48
6.1.
Hausmanns und Sturzeneggers ,,Dunkle Materie" und die Fehlmessung
ausländischer Direktinvestitionen ... 48
6.2.
Quellen der ,,Dunklen Materie" ... 52
6.2.1.
Ausländische Direktinvestitionen (FDI) ... 52
6.2.2.
Versicherungsleistungen ... 53
6.2.3.
Bereitstellung von Liquidität ... 53
6.3.
Exportnationen von ,,Dunkler Materie" ... 54
6.4.
Schlussfolgerung ... 55
Kapitel 7
Der Euro als international führende Währungsreserve ... 57
7.1.
Definition einer internationalen Währung ... 57
7.2.
Vorteile einer internationalen Währung ... 58
7.2.1.
Komfort für die Landesbewohner ... 58
7.2.2.
Mehr Geschäft für inländische Banken und andere Finanzinstitutionen ... 58
7.2.3.
Münzprägegewinne ... 59
7.2.4.
Politische Macht und Ansehen ... 59
7.3.
achteile einer internationalen Währung ... 59
7.3.1.
Höhere Fluktuationen in der Nachfrage der Währung ... 60
7.3.2.
Erhöhung der durchschnittlichen Währungsnachfrage ... 60
7.3.3.
Verantwortung ... 60
7.4.
Typische Eigenschaften einer internationalen Währung ... 61
7.4.1.
Produktions- und Handelsmuster... 61
7.4.2.
Eigenschaften der Finanzmärkte des Landes ... 62

INHALTSVERZEICHNIS
iv
7.4.3.
Vertrauen in den Wert der Währung ... 62
7.4.4.
Netzwerkeffekte ... 63
7.5.
Ein kurzer historischer Rückblick ... 64
7.6.
Perspektiven des Euro als führende internationale Währung ... 65
7.7.
Schlussfolgerung ... 68
Kapitel 8
Die
langfristige
Tragbarkeit
des
amerikanischen
Außenhandelsdefizits ... 70
8.1.
Das amerikanische Außenhandelsdefizit im internationalen Vergleich ... 71
8.2.
Szenarien des Umkehrungsprozesses ... 74
8.2.1.
Ausgeglichene Leistungsbilanz ... 75
8.2.1.1.
Obstfeld und Rogoff (2000) ... 75
8.2.1.2.
Obstfeld und Rogoff (2006) ... 77
8.2.1.3.
Obstfeld und Rogoff (2005) ... 82
8.2.1.4.
Blanchard et al. (2005) ... 85
8.2.2.
Andere Annahmen ... 87
8.2.2.1.
Roubini und Setser (2004) ... 87
8.2.2.2.
Edwards (2005) ... 89
8.2.3.
Empirische Ergebnisse ... 90
8.2.4.
Auswirkungen eines abrupten Anpassungsprozesses ... 92
8.2.5.
Szenarien eines sanften Anpassungsprozesses ... 93
Kapitel 9
Schlussfolgerungen und Implikationen für den Investor ... 95
Abkürzungsverzeichnis ... 99
Abbildungsverzeichnis ... 100
Tabellenverzeichnis ... 102
Literaturverzeichnis ... 104

1
Kapitel 1
Einführung
Das US-Leistungsbilanzdefizit steht seit geraumer Zeit im Zentrum der Diskussionen und
Untersuchungen zahlreicher Analytiker und beunruhigt in seiner Höhe und Persistenz
Investoren und Anleger. Seit Mitte der 90er Jahre haben sich die Leistungsbilanz und die
Nettoauslandsverschuldung der Vereinigten Staaten kontinuierlich verschlechtert. Während
diese Entwicklung bis Ende der 90er Jahre noch dem starken Wirtschaftswachstum und der
daher hohen Investitionsquote zuzuschreiben war, wurde sie seit der Jahrtausendwende vor
allem durch hohen Konsum, eine sinkende Sparquote und steigende Staatsverschuldung
angetrieben. Durch das vom US-Leistungsbilanzdefizit implizierte Überangebot an Dollar am
Weltmarkt sollte dieser eigentlich an Wert verlieren und dadurch die US-Nachfrage nach
infolge teureren ausländischen Gütern reduzieren und gleichzeitig die ausländische Nachfrage
nach kostengünstigeren in den Vereinigten Staaten produzierten Gütern steigern. Die
Leistungsbilanz würde sich wieder ausgleichen. Dieser Ausgleichsmechanismus ist allerdings
bis jetzt noch nicht oder nur in seinen Ansätzen eingetreten.
Diese Arbeit soll mögliche Gründe und Erklärungen für das Ausbleiben dieses
Mechanismus` und der anhaltenden Stabilität des Dollars behandeln. Der Gang der
Untersuchungen gestaltet sich folgendermaßen: In Kapitel 2 werden die Grundkonzepte, auf
denen diese Arbeit basiert, dargelegt. Es wird der Aufbau und die Funktion der
Zahlungsbilanz erklärt und der Begriff ,,Nettoauslandsverschuldung" definiert. Des Weiteren
wird auf die Bestimmungsfaktoren von Wechselkursen eingegangen, wobei der
Zahlungsbilanz- und der Anleihenmarkt-Ansatz für die weiteren Untersuchungen von
besonderer Bedeutung sein werden. Darüber hinaus werden der Vollständigkeit halber auch
die ,,Internationalen Parity Conditions" behandelt.

Kapitel 1: EINFÜHRUNG
2
Kapitel 3 widmet sich den Vereinigten Staaten und ihrer Position als weltweit größte
Schuldnernation. Zunächst werden die Ursachen des enormen Leistungsbilanzdefizits und
eine Interpretation der Entwicklung des effektiven Dollarwechselkurses der letzten Jahrzehnte
behandelt und danach wird auf die Entwicklung und die Einflussfaktoren der US-
Nettoauslandsverschuldung eingegangen.
Kapitel
4
analysiert
die
Motive
ausländischer
Investoren,
das
anhaltende
Leistungsbilanzdefizit zu finanzieren. Aus den Analysen geht hervor, dass immer weniger
private Investoren ihr Geld in den Vereinigten Staaten anlegen und der Großteil der
amerikanischen Vermögenswerte am Weltmarkt von asiatischen Zentralbanken nachgefragt
wird. Des Weiteren wird auf Gründe dafür eingegangen und die Frage gestellt, ob sich das
System als stabil und nachhaltig erweisen wird.
In Kapitel 5 wird das Phänomen der trotz der enormen Nettoauslandsverschuldung weiterhin
positiven Faktoreinkommensbilanz der USA behandelt und die Frage gestellt, warum die
Vereinigten Staaten in den letzten Jahrzehnten in der Lage waren, eine sowohl absolut als
auch relativ höhere Rendite auf ihr Auslandsvermögen zu erwirtschaften, als sie auf ihre
Auslandsverbindlichkeiten, die mittlerweise weit höher sind, zahlen mussten. Schlussendlich
wird eine Prognose über die Nachhaltigkeit dieses so genannten ,,Übertriebenen
Vorteils" abgegeben.
Kapitel 6 geht auf einen alternativen Erklärungsansatz für die trotz hoher
Nettoauslandsverschuldung positive Faktoreinkommensbilanz ein. Es wird auf die Theorie
eingegangen, dass der Export ,,Dunkler Materie", wie z.B. Know-how, Marken und Patente,
durch herkömmliche Bilanzierungsvorschriften nicht korrekt erfasst wird und das
Auslandsvermögen der Vereinigten Staaten daher unterbewertet ist. Es wird sowohl das
Modell selbst, als auch dessen tatsächliche Relevanz behandelt.
Kapitel 7 analysiert die Rolle des Dollars als internationale Währungsreserve. Beginnend mit
einem kurzen historischen Rückblick und einer Begriffsdefinition wird in Folge auf Vorteile,
Nachteile und typische Eigenschaften einer internationalen Währung eingegangen.
Schlussendlich wird die Frage gestellt, ob und wann der Euro dem Dollar ­ verschiedene
Szenarien berücksichtigend ­ seinen Status als führende internationale Währung streitig
machen könnte.

Kapitel 1: EINFÜHRUNG
3
Kapitel 8 setzt das amerikanische Außenhandelsdefizit in internationalen Vergleich und stellt
die Frage der langfristigen Tragbarkeit desselben. Darüber hinaus wird auf mögliche Folgen
einerseits einer abrupten und andererseits einer graduellen Rückkehr der Vereinigten Staaten
zu einer ausgeglichenen Leistungsbilanz eingegangen. Ein wichtiger Teil der Analyse ist die
von verschiedenen Modellen implizierte notwendige Abwertung des Dollars und deren
voraussichtliches Ausmaß. Abschließend werden die Resultate theoretischer Modelle mit
Ergebnissen empirischer Untersuchungen unterlegt.
Eine Zusammenfassung der wichtigsten theoretischen und empirischen Ergebnisse liefert
schlussendlich Kapitel 9. Dieses letzte Kapitel schließt mit einer Entscheidungshilfe für
Investoren bezüglich Anlagen in den Vereinigten Staaten ab.
Am Ende dieser Arbeit befinden sich ein Symbol-, ein Abbildungs-, ein Tabellenverzeichnis
und ein Überblick über die verwendete Literatur, sowie der Anhang, aus dem Daten, denen
meine Berechnungen und Abbildungen zugrunde liegen, zu entnehmen sind.

4
Kapitel 2
Grundkonzepte
Im folgenden Kapitel werden die Grundkonzepte dieser Arbeit erläutert. Dabei wird auf die
Bestandteile und die Konzeption der Zahlungsbilanz eingegangen und der Begriff
,,Nettoauslandsverschuldung" definiert. Des Weiteren werden verschiedene Ansätze zur
Vorhersage von Wechselkursen vorgestellt.
2.1. Zahlungsbilanz
Die Zahlungsbilanz ist ,,die systematische Aufzeichnung des Werts aller ökonomischen
Transaktionen an Gütern (Waren, Dienstleistungen) und Forderungen bzw. Verbindlichkeiten
Abbildung 2.1.1: Schematische Darstellung der Zahlungsbilanzen und Ihrer Untergliederungen (vgl.
Mildner 2007, Göcke 2007 und Deutsche Bundesbank 2007).
Zahlungsbilanz
Leistungsbilanz
Bilanz der
ungeklärten
Restposten
Kapitalbilanz
Bilanz der
Vermögens-
übertragungen
Handels-
bilanz
Dienst-
leistungs-
bilanz
Faktor-
einkommens-
bilanz
Bilanz der
laufenden
Übertragungen
- Direkt-
investitionen
- Portfolio-
investment
- Kapitalverkehr
- Sonstige
Transaktionen
Devisenbilanz

Kapitel 2: GRUNDKONZEPTE
5
zwischen In- und Ausländern in einer Periode nach dem Prinzip der doppelten
Buchführung" (vgl. Göcke 2007).
Abbildung 2.1.1 zeigt die Zahlungsbilanz mit ihren Komponenten. Sie lässt sich in die
Leistungsbilanz, die Bilanz der Vermögensübertragungen, die Kapitalbilanz, die
Devisenbilanz und die Bilanz der ungeklärten Restposten untergliedern (vgl. Mildner 2007,
Göcke 2007 und Deutsche Bundesbank 2007).
2.1.1.
Leistungsbilanz
Die Leistungsbilanz besteht aus der Handels- und der Dienstleistungsbilanz, welche Importe
und Exporte von Waren bzw. Dienstleistungen erfassen, aus der Faktoreinkommensbilanz, die
auch Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen genannt wird und somit z.B.
Finanzerträge und Zinszahlungen beinhaltet, und der Bilanz der laufenden Übertragungen,
die Leistungen ohne Gegenleistungen, wie z.B. Entwicklungs- und Katastrophenhilfe, umfasst
(vgl. Deutsche Bundesbank 2007).
2.1.2.
Kapitalbilanz
Die Kapitalbilanz erfasst die Veränderung von Verbindlichkeiten von Inländern gegenüber
Ausländern und umgekehrt. Sie wird eingeteilt in ,,Ausländische Direktinvestitionen",
,,Portfolioinvestitionen" und ,,sonstige Transaktionen" (vgl. Deutsche Bundesbank 2007 und
Eiteman et al. 2006: 74-76). Ausländische Direktinvestitionen (engl. Foreign Direct
Investment, FDI) bezeichnen langfristige Beteiligungen an ausländischen Unternehmen,
wobei Einfluss auf die Führung derselben genommen wird. Sind die Investitionen lediglich
auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet und wird keine Kontrolle auf das Unternehmen
ausgeübt, ist von Portfolioinvestitionen die Rede (vgl. Internationaler Währungsfonds 1993:
86-94).
2.1.3.
Devisenbilanz
In der Devisenbilanz werden Veränderungen der Währungsreserven eines Landes erfasst. Sie
spiegelt meist die Beeinflussung des Wechselkurses durch Zentralbanken anhand von

Kapitel 2: GRUNDKONZEPTE
6
Transaktionen am Devisenmarkt wider (vgl. Deutsche Bundesbank 2007). Im weiteren Sinne
kann die Devisenbilanz auch als Teil der Kapitalbilanz verstanden werden.
2.1.4.
Bilanz der Vermögensübertragungen
Als weitere Teilbilanz erfasst jene der Vermögensübertragungen unentgeltliche Leistungen,
die einmalig erfolgen und den Vermögensstatus der beteiligten Länder verändern. Beispiele
hierfür sind Schuldenerlässe, Erbschaften und Schenkungen. Ermittlungsfehler in den
Teilbilanzen schlagen sich in der Bilanz der ungeklärten Restposten nieder (vgl. Deutsche
Bundesbank 2007).
Das Leistungsbilanzdefizit ist die Summe aus der Handels-, Dienstleistungs- und
Faktoreinkommensbilanz sowie der Bilanz der laufenden Übertragungen. Aufgrund der
geringen quantitativen Bedeutung der Dienstleistungsbilanz und der Tatsache, dass der Saldo
aus empfangenen und gezahlten Erwerbs- und Vermögenseinkommen der USA seit kurzem
um Null schwankt, stimmt die Leistungsbilanz der Vereinigten Staaten annähernd mit der
Handelsbilanz plus der Bilanz der laufenden Übertragungen überein (vgl. Roubini and Setser
2004: 11).
Tabelle 2.1.1: Transaktionen der Zahlungsbilanz zwischen In- und Ausländern (vgl. Göcke 2007)
+
-
=
Aktivseite
Passivseite
Saldo
Warenexporte
Warenimporte
Handelsbilanz
Leistungs-
bilanz
Ausfuhr von
Dienstleistungen
Einfuhr von
Dienstleistungen
Dienstleistungsbilanz
Empfangene Erwerbs- und
Vermögenseinkommen
Gezahlte Erwerbs- und
Vermögenseinkommen
Faktoreinkommensbilanz
Empfangene laufende
Übertragungen
Gezahlte laufende
Übertragungen
Bilanz der laufenden
Übertragungen
Empfangene
Vermögensübertragungen
Gezahlte
Vermögensübertragungen
Vermögensübertragungsbilanz
Zunahme der
Auslandsverbindlichkeiten
(Kapitalimporte) ohne
Zentralbank
Zunahme der
Auslandsforderungen
(Kapitalexporte) ohne
Zentralbank
Kapitalbilanz
Zunahme der
Auslandsverbindlichkeiten
der Zentralbank
Zunahme der
Auslandsforderungen der
Zentralbank
Devisenbilanz
Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen Bilanz der ungeklärten Restposten
Summe der
Aktivbuchungen
Summer der
Passivbuchungen
Gesamtsaldo = 0

Kapitel 2: GRUNDKONZEPTE
7
Der Tatsache, dass die Summe aller Teilbilanzen per Definition Null ergeben muss, trägt die
inverse Beziehung zwischen der Handels- und der Kapitalbilanz Rechnung: Wie Tabelle 2.1.1
veranschaulicht, muss ein $500 Milliarden Leistungsbilanzdefizit der USA von z.B. einer
höheren Kapitalbilanz ausgeglichen werden, sodass sich die Vereinigten Staaten entweder
$500 Milliarden vom Ausland ausborgen müssen oder diese Summe durch ausländische
Direktinvestitionen oder Portfolioinvestitionen in die USA fließen muss. In der Praxis
geschieht dies durch eine Kombination aller drei Möglichkeiten (vgl. Roubini and Setser 2004:
12).
Die Zusammensetzung ausländischer, in die USA fließender Zahlungsströme, hat sich in den
letzten Jahren bedeutend geändert. Aus Tabelle 2.1.2 ist zu entnehmen, dass es sich bei diesen
zwischen 1997 und 2000 vor allem um ausländische Direktinvestitionen gehandelt hat. FDI in
die USA ist allerdings im Jahr 2001 stark gefallen und seitdem negativ, Aktienanlagen
reagierten ähnlich. Dagegen spielt der offizielle Kauf von Staatsanleihen durch ausländische
Zentralbanken, welche in der Tabelle unter dem Punkt ,,Fremdwährungsreserven" zu finden
sind, eine zunehmend starke Rolle (vgl. Edwards 2005: 217-220).
Tabelle 2.1.2: Entwicklung der Zahlungsströme in die USA, 1995-2004 [Milliarden $] (vgl. Edwards 2005: 219)
ettofinanzierung
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
Wertpapiere
-45,1
-46,0
44,6
32,1
182,6
338,0
309,2
301,4
178,6 323,2
Anleihen
n.a.
n.a.
n.a.
n.a.
n.a.
267,7
300,3
269,8
241,8
360,1
Aktien
n.a.
n.a.
n.a.
n.a.
n.a.
93,0
12,6
37,5
-63,2
-36,8
FDI
-41,0
-5,4
0,8
36,4
64,5
162,1
24,7
-62,4
-133,9 -133,0
Devisen
12,3
17,4
24,8
16,6
22,4
5,3
23,8
21,5
16,6
14,8
Fremdwährungsreserven
100,1
133,4
18,0
-26,7
52,3
42,5
23,1
110,3
250,1 358,1
Sonstige
61,0
39,3
133,1
17,8
-88,0
-69,9
35,8
199,1
231,3
50,9
ettofinanzierung
87,3
138,7
221,3
76,2
233,8
478,0
416,6
569,9
542,7 614,0

Kapitel 2: GRUNDKONZEPTE
8
[Milliarden $]
2.2. Die ettoauslandsverschuldung
Der Internationale Währungsfonds (1993: 106) definiert die ,,Net International Investment
Position" (NIIP), also die Nettoauslandsverschuldung eines Landes, als im Ausland gelegene
finanzielle Vermögenswerte abzüglich Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland. Für die
USA ist die NIIP daher die Summe aller Ansprüche gegen die Vereinigten Staaten, bestehend
sowohl aus Forderungen als auch aus Investitionen, abzüglich aller Ansprüche der USA gegen
den Rest der Welt. Die NIIP entspricht somit den über Zeit akkumulierten
Außenhandelsdefiziten zuzüglich der darauf entfallenden Zinsen (vgl. Mann 1999: 151).
Die Bewertung der Vermögenswerte stellt insbesondere bei illiquiden ausländischen
Direktinvestitionen ein Problem dar. Die zwei vom U.S. Bureau of Economic Analysis
erlaubten Methoden sind einerseits die Bewertung zu laufenden Kosten
1
und andererseits zu
Marktwerten (vgl. Kozlow 2002: 2). Abbildung 2.2.1 veranschaulicht die hohen
Abweichungen, die sich durch die Bewertungsunterschiede ergeben.
Abbildung 2.2.1: Die US Net International Investment Position jeweils am Jahresende, 1983-2006 (vgl.
Bureau of Economic Analysis 2007f)
Die Nettoauslandsverschuldung der USA mit FDI zu Marktwerten betrug Ende des Jahres
2005 -$2.693,8 Millionen, was einer Änderung von -$333 Millionen gegenüber 2004
entspricht. Somit übersteigt der Wert des US-Auslandsvermögens, gemäß dem anhaltenden
Trend, weiterhin den Wert der US-Auslandsverbindlichkeiten (vgl. Nguyen 2006).
1
Bei Bewertung zu laufenden Kosten werden Lagerbestände, Maschinen, Gebäude und Land zu
Wiederbeschaffungskosten bzw. mit Hilfe von Preisindizes neu bewertet (vgl. Kozlow 2002: 3).
-3.000.000
-2.500.000
-2.000.000
-1.500.000
-1.000.000
-500.000
0
500.000
NIIP zu
laufenden
Kosten
NIIP zu
Marktwerten

Kapitel 2: GRUNDKONZEPTE
9
2.3. Die Bestimmungsfaktoren von Wechselkursen
Den zukünftigen Wechselkurs vorherzusagen ist komplex und nahezu unmöglich. Dieses
Kapitel, das auf Eiteman et al (2006) basiert, soll eine Übersicht über verschiedene Modelle
geben, wobei diese Theorien nicht als konkurrierend, sondern als einander ergänzend
verstanden werden sollen.
2.3.1.
Zahlungsbilanz-Ansatz
Der Zahlungsbilanz-Ansatz ist jener, der im Laufe dieser Arbeit schwerpunktmäßig behandelt
werden wird. Dieser Zugang alleine kann zwar keine genauen Ergebnisse liefern, sehr wohl
aber als Indikator für einen generellen Trend dienen.
Am Kapitalmarkt werden Wechselkurse durch den gleichen Mechanismus wie Preise auch auf
allen anderen Märkten bestimmt ­ durch Angebot und Nachfrage. Da die Importe der USA
ihre Exporte weit übersteigen, die Zahlungsbilanz also negativ ist, liegt somit ein immer
größer werdendes Angebot an Dollar auf dem Weltmarkt auf. Da der Dollar aber dennoch
kaum an Wert verliert, gilt es zu erkunden, wer für die Nachfrage der Währung verantwortlich
ist ­ und wie lange noch. Diese Thematik wird in Kapitel 3 ausführlich behandelt.
2.3.2.
Anleihenmarkt-Ansatz
Auch auf den Anleihenmarkt-Ansatz wird im Laufe dieser Arbeit zurückgegriffen, da er mit
dem Zahlungsbilanz-Ansatz eng verknüpft ist. Auch hier greift das Gesetz von Angebot und
Nachfrage, denn Verschiebungen derselben für finanzielle Vermögenswerte können sich
durch den schon oben beschriebenen Mechanismus auf den Wechselkurs auswirken. Wenn
aus dem Ausland vermehrt in die USA investiert wird, werden, um diese Investitionen tätigen
zu können, auch vermehrt Dollar nachgefragt. Durch die erhöhte Nachfrage gewinnt der
Dollar an Wert.

Kapitel 2: GRUNDKONZEPTE
10
2.3.3.
International Parity Conditions
Zu den internationalen Parity Conditions gehören:
·
die absolute und relative Kaufkraftparität,
·
der Fisher Effekt,
·
der internationale Fisher Effekt,
·
die Zinsparitätentheorie.
Auf die hier genannten Parity Conditions und auf Ergebnisse empirischer Untersuchungen
bezüglich ihrer Relevanz wird im Folgenden eingegangen.
2.3.3.1. Kaufkraftparität
Die Kaufkraftparitätentheorie umfasst die absolute und relative Kaufkraftparität. Erstere wird
auch ,,Jevons Gesetz von der Unterschiedslosigkeit der Preise" genannt und besagt, dass für
idente Güter nur ein Preis existieren kann, während sich aus der relativen Kaufkraftparität
Implikationen für Wechselkurse ableiten lassen.
2.3.3.1.1. Jevons Gesetz von der Unterschiedslosigkeit der Preise
Dieses Gesetz gilt auf vollkommenen Märkten, auf denen homogene Güter gehandelt werden,
keine persönlichen Präferenzen zwischen Käufer und Verkäufer bestehen, weder räumliche
noch zeitliche Preisdiskriminierung stattfindet und vollkommene Preistransparenz herrscht.
Wenn alle diese Bedingungen erfüllt sind, kann es für ein Gut nur einen Preis geben, denn ein
über
den
Markt
vollkommen
aufgeklärter
Konsument
,,würde
gegen
sein
Nutzenmaximierungskalkül handeln, wenn er für ein in jeder Hinsicht identisches Gut mehr
zahlen würde als bei einem anderen Anbieter. Ein Unternehmen würde gegen sein Ziel der
Gewinnmaximierung verstoßen, wenn es das Gut zu einem niedrigeren Preis anböte als zu
dem Gleichgewichtspreis, der Angebot und Nachfrage zum Ausgleich bringt" (vgl. Schöler
1999: 102).
Von Jevons Gesetz lassen sich auch Implikationen auf den Wechselkurs ableiten, indem die in
unterschiedlichen Währungen angegebenen Preise der gleichen Produkte bzw. Warenkörbe in

Kapitel 2: GRUNDKONZEPTE
11
Beziehung zueinander gesetzt werden. So kann der kaufkraftparitätische Wechselkurs
bestimmt werden (vgl. Eiteman et al. 2006: 103).
Tabelle 2.3.1: Der Big Mac Index (vgl. ,,Sizzling; The Big Mac Index": 82)
Preis
eines Big
Macs in
Dollar
Implizier-
ter PPP
Wechsel-
kurs des
Dollars
Unter- (-)
oder
Über- (+)
bewertung
relativ
zum
Dollar
[%]
Malaysia
1,60
1,61
-53
Mexiko
2,69
8,50
-21
euseeland
3,59
1,35
+5
Peru
3,00
2,79
-12
Philippinen
1,85
24,9
-46
Polen
2,51
2,02
-26
Russland
2,03
15,2
-41
Singapur
2,59
1,16
-24
Südafrika
2,22
4,55
-35
Südkorea
3,14
850
-8
Schweden
4,86
9,68
+42
Schweiz
5,20
1,85
+53
Taiwan
2,29
22,0
-33
Thailand
1,80
18,2
-47
Türkei
3,66
1,39
+7
Venezuela
3,45
2,17
+1
Ein vom Economist jährlich publiziertes Paradebeispiel ist der Big-Mac-Index: Der
implizierte kaufkraftparitätische Wechselkurs (engl. Purchasing Power Parity, PPP) ist jener,
der für jedes Land den gleichen Dollar-Preis pro Big Mac ergibt. Tabelle 2.3.1 gibt einen
Überblick über die implizierten PPP einer Auswahl von Währungen und deren Über- bzw.
Unterbewertung gegenüber dem Dollar. Der Euro wäre demnach um 22 % überbewertet und
Chinas Währung mit 58% weit unterbewertet (vgl. ,,Sizzling; The Big Mac Index": 82).
Empirische Untersuchungen haben belegt, dass die Kaufkraftparitätentheorie langfristig zu
guten Ergebnissen führt, es kurzfristig allerdings enorme Abweichungen von dem PPP
Wechselkurs gibt (vgl. Gailliot 1971: 253).
Preis
eines Big
Macs in
Dollar
Implizier-
ter PPP
Wechsel-
kurs des
Dollars
Unter- (-)
oder
Über- (+)
bewertung
relativ
zum
Dollar
[%]
USA
3,41
-
-
Argentinien
2,67
2,42
-22
Australien
2,95
1,01
-14
Brasilien
3,61
2,02
+6
Großbritannien
4,01
1,71
+18
Kanada
3,68
1,14
+8
Chile
2,97
459
-13
China
1,45
3,23
-58
Tschechien
2,51
15,5
-27
Dänemark
5,08
8,14
+49
Ägypten
1,68
2,8
-51
Euroraum
4,17
1,12
+22
Hong Kong
1,54
3,52
-55
Ungarn
3,33
176
-2
Indonesien
1,76
4,663
-48
Japan
2,29
82,1
-33

Kapitel 2: GRUNDKONZEPTE
12
2.3.3.1.2. Relative Kaufkraftparität
Die relative Version der Kaufkraftparität soll nicht die Spot Rate, also den heutigen
Wechselkurs, bestimmen, sondern besagt, dass, wenn sich über eine bestimmte Zeitspanne die
Preisniveaus zweier Länder relativ zueinander ändern, dies auch eine entsprechende
Änderung des Wechselkurses über dieselbe Zeitspanne impliziert. Das heißt, dass die
Differenz der Inflationsraten der beiden Länder langfristig von einer gleich hohen, aber im
Vorzeichen entgegengesetzten Änderung im Wechselkurs aufgewogen wird. Bei höherer
Inflation in den USA gegenüber der Euro-Zone muss der Dollar abwerten und umgekehrt (vgl.
Eiteman et al. 2006: 105). Die entsprechende Formel lautet:
S
2
= S
1
× [(1 +
) / (1 +
$
)]
Empirisch erwiesen ist, dass das Modell der Kaufkraftparität langfristig von Relevanz ist,
kurzfristig aber keinerlei Schlüsse auf Wechselkursbewegungen zulässt (vgl. Zimmerer 2007:
5-6). Zudem funktioniert das Modell bei Hochinflationsländern mit schlecht entwickelten
Kapitalmärkten besser als bei Industriestaaten, wie z.B. den USA (vgl. Eiteman et al. 2006:
105).
Entsprechend den Ergebnissen empirischer Untersuchungen, dass sich die Theorie der
Kaufkraftparität langfristig bewahrheitet, geht Szakmary (2006) davon aus, dass die
durchschnittliche
tatsächliche
Spot
Rate
langfristig
dem
durchschnittlichen
kaufkraftparitätischen Wechselkurs entspricht. Demnach verwendet Szakmary 1993 als
Basisjahr, da dadurch die durchschnittliche Über- bzw. Unterbewertung des Euro und zuvor
der Deutschen Mark gegenüber dem Dollar im Beobachtungszeitraum von 1973 bis 2006 am
niedrigsten ist. Im Basisjahr entspricht die tatsächliche der kaufkraftparitätischen Spot Rate.
Die früheren und späteren kaufkraftparitätischen Wechselkurse werden mithilfe der relativen
Kaufkraftparität (siehe oben) berechnet.
In Abbildung 2.3.1 ist die Entwicklung des tatsächlichen Wechselkurses und des dem Modell
entsprechenden PPP Wechselkurses ersichtlich. Während es Perioden großer Über- und
Unterbewertungen gab, war der Wechselkurs in den letzten Jahren annähernd im
Gleichgewicht. Im Jahr 2006 war der Dollar gegenüber dem Euro gemäß dem Modell nur um
3,33% überbewertet.

Kapitel 2: GRUNDKONZEPTE
13
Abbildung 2.3.1: Kaufkraftparität ­ Euro Area vs. U.S. (vgl. Szakmary 2006)
Obwohl die Theorie der relativen Kaufkraftparität nur eine geringe Überbewertung des
Dollars gegenüber dem Euro im Jahr 2006 impliziert, werden die in den nächsten Kapiteln
folgenden Ausführungen und Berechnungen zu anderen Ergebnissen führen, da der PPP
Wechselkurs viele wichtige Faktoren, wie z.B. die Entwicklung der Leistungsbilanz,
unberücksichtigt lässt.
2.3.3.2. Fisher Effekt
Der Fisher Effekt besagt, dass der nominale Zinssatz ,,i" dem reellen Zinssatz ,,r" zuzüglich
einer Inflationsabgeltung entspricht. Die erwartete Inflation, deren Vorhersage schwierig ist,
wird mit ,,
e
" bezeichnet. Auf vollkommenen Märkten ist der reale Zinssatz jedes Landes
gleich hoch (vgl. Eiteman et al. 2006:111- 112).
i = r +
e
Die Aussage des Fisher Effekts ist, dass durch einen Anstieg der erwarteten Inflationsrate um
einen Prozentpunkt auch der nominalen Zinssatz um einen Prozentpunkt steigt. Das impliziert
auch, dass der reale Zinssatz sich nicht ändert, da höhere Inflationsraten durch höhere
nominale Zinssätze ausgeglichen werden würden (vgl. Lungu 1998: 5).
Trotz der Simplizität und Plausibilität der Theorie findet sie allerdings nur beschränkten
empirischen Rückhalt. Es sprechen zwar viele empirische Studien für die tatsächliche
Existenz des Fisher Effekts über lange Zeiträume, Untersuchungen haben aber auch gezeigt,
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
1,2
1,4
1,6
1,8
2,0
tatsächlicher
Wechselkurs
PPP
Wechselkurs
[USD / EUR]

Kapitel 2: GRUNDKONZEPTE
14
dass die nominalen Zinssätze aufgrund von Steuern nicht um genau denselben Betrag,
sondern um 1,3 bis 1,5 mal mehr als die Inflation ansteigen müssten (a. a. O. S. 5-10).
2.3.3.3. Internationaler Fisher Effekt
Der Internationale Fisher Effekt ist eine Kombination aus dem Fisher Effekt und der relativen
Kaufkraftparität. Der Fisher Effekt besagt, dass die realen Zinssätze aller Länder aufgrund
sich ansonsten ergebender Arbitragemöglichkeiten gleich sein müssen. Folgedessen ist die
Differenz der nominalen Zinssätze verschiedener Länder auf unterschiedliche Inflationsraten
zurückzuführen. Des Weiteren müssen ­ laut der relativen Kaufkraftparitätentheorie ­
Unterschiede in Inflationsraten durch entsprechende Änderungen des Wechselkurses
ausgeglichen werden (vgl. Sundovist 2002: 15-16). Beide Theorien vereint ergeben den
Internationalen Fisher Effekt, welcher besagt, dass die Differenz der Spot Rate zwischen dem
Zeitpunkt 1 ,,S
1
" und dem Zeitpunkt 2 ,,S
2
" gleich dem Unterschied zwischen den nominalen
Zinssätzen ,,i" der beiden involvierten Länder ist (vgl. Demirag and Goddard 1994: 76).
Im Falle des Wechselkurses von Dollar und Euro lautet die Gleichung somit:
(S
1
­ S
2
) / S
2
= i
$
- i
Viele Analytiker haben den Internationalen Fisher Effekt untersucht und sind zu keinem
einstimmigen Ergebnis gekommen
2
. Die empirisch unterschiedlichen Resultate lassen daher
keinen genauen Schluss auf die tatsächliche Relevanz des Internationalen Fisher Effekts zu.
2.3.3.4. Forward Rate als Indikator für die zukünftige Spot Rate
Manche Prognostiker denken, dass die Forward Rate auf einem vollkommenen Markt als
Indikator für die tatsächliche zukünftige Spot Rate dienen kann. Die Forward Rate bezeichnet
jenen Wechselkurs, der heute für eine zukünftige Transaktion festgelegt wird. Dieser wird wie
folgt berechnet:
F
/$
= S
/$
× (1 + i
) / (1 + i
$
)
2
Siehe z.B. Aliber und Stickney (1975) für eine Studie, die den Internationalen Fisher Effekt auf lange Sicht
bestätigt und Giddy und Dufey (1975) für eine dem entgegengesetzte Studie.

Kapitel 2: GRUNDKONZEPTE
15
Diese Gleichung muss immer stimmen, da sonst Arbitrage möglich wäre. Durch
Interventionen auf dem Markt würde sofort wieder der Gleichgewichtszustand hergestellt
werden. Die Theorie mancher Analytiker, dass die Forward Rate der zukünftigen Spot Rate
entspricht, ist allerdings empirisch widerlegt worden (vgl. Eiteman et al. 2006: 113-121).
2.3.3.5. Zinsparitätentheorie
Wenn sich der Markt im Gleichgewicht befindet, entspricht die Differenz der nationalen
Zinssätze dem mit umgekehrten Vorzeichen versehenen Forward Rate Discount oder
Premium ­ dem prozentuellen, auf das Jahr umgerechneten Unterschied zwischen der Spot
und der Forward Rate (vgl. Eiteman et al. 2006: 113-114).
(1 + i
$
) = S
/$
× (1 + i
) × 1 / F
/$
2.3.3.5.1. Gesicherte Zinsparität
Unter ,,gesicherter Zinssatzparität" wird die Absicherung zukünftiger Wechselkurse über den
Terminmarkt durch z.B. den Kauf eines Forwards verstanden. Wenn sich der Markt nicht im
Gleichgewicht befindet, könnten Spekulanten durch Arbitrage risikolose Gewinne erzielen.
Der Grund dafür ist, dass im Gleichgewichtszustand die Formeln der Zinsparitätentheorie und
der Forward Rate durch ein paar einfache Umformungen ineinander übergeführt werden
können. Im Falle eines Ungleichgewichts der Märkte wäre dies nicht mehr möglich und
Spekulanten könnten durch den Nachbau eines Forwards mithilfe der Zinsparitätentheorie und
dem gleichzeitigen Verkauf desselben zur Forward Rate (oder umgekehrt) risikolose Gewinne
erzielen. Diese Transaktionen stellen gleichzeitig sicher, dass der Markt wieder ins
Gleichgewicht kommt und die Erzielung von Arbitragegewinnen nicht weiter möglich ist (vgl.
Eiteman et al. 2006: 116).

Kapitel 2: GRUNDKONZEPTE
16
2.3.3.5.2. Ungesicherte Zinsparität
Die Aufnahme niedrigverzinster Kredite im Ausland und der Umtausch und die Anlage des
Gegenwertes in Währungen mit höheren Zinssätzen, ohne die Transaktion durch einen
Forward abzusichern, wird als ,,ungesicherte Zinssatzparität" bezeichnet. Gemäß der
Zinsparitätentheorie dürfte sich aus der Transaktion kein Gewinn ergeben, da jene Währung
mit dem niedrigeren Zinssatz, in der der Kredit aufgenommen wurde, aufwerten sollte. Die
höheren Zinsen im anderen Land müssten dazu verwendet werden, den Kursverlust
abzudecken. In der Realität hält die Zinsparitätentheorie selten und die oben beschriebenen
Transaktionen sind sehr riskant.
Durch die niedrigen in Japan vorherrschenden Zinssätze (0,4% per annum) wurden oft in Yen
denominierte Fremdwährungskredite aufgenommen und in Dollar oder Euro, wo mit Renditen
um 5% gerechnet werden konnte, umgewechselt. Am Ende der Laufzeit wurden die Euro und
Dollar wieder in Yen umgetauscht und damit der Kredit abbezahlt. Falls sich der Wechselkurs
in diesem Zeitraum nicht stark oder nicht in die richtige Richtung geändert hatte, resultierten
diese Transaktionen in beträchtlichen Gewinnen. Als der Yen im Jahr 1999 gegenüber dem
Dollar
beträchtlich,
von
¥120/$
auf
¥105/$
aufwertete,
erlitten
diese
,,ungesicherten" Investoren allerdings hohe Verluste (vgl. Eiteman et al. 2006: 118-119).
2.3.3.6. Die Internationalen Parity Conditions im Gleichgewichtszustand
Im Gleichgewichtszustand sind die oben aufgezählten Parity Conditions kongruent, d.h. sie
widersprechen einander nicht. Für die weiteren Ausführungen wird angenommen, dass die
Inflationsrate in Japan 1% und in den USA 5% beträgt, eine Differenz von 4 Prozentpunkten.
Außerdem ist der nominale Zinssatz in Japan 8%, d. h. 4% mehr als in den USA, die einen
nominalen Zinssatz von 4% aufweisen. Der heutige Wechselkurs, die Spot Rate S
1
, beträgt
¥104/$ und die Forward Rate für ein Jahr ¥100/$ (vgl. Eiteman et al. 2006: 122).
Laut der relativen Kaufkraftparität wird erwartet, dass S
2
,
der Wechselkurs in einem Jahr,
¥100/$ entspricht. Das ist eine Veränderung von 4% und entspricht der mit umgekehrten
Vorzeichen versehenen Differenz der Inflationsraten von -4%.
S
2
= S
1
× [(1 +
¥
) / (1 +
$
)] = ¥104/$ × 1,01/1,05 = ¥100/$

Kapitel 2: GRUNDKONZEPTE
17
S
2
/ S
1
= ¥104/$ / ¥100/$ = 4%
¥e
-
$e
= 1% - 5% = -4%
Der Fisher Effekt besagt, dass der reale Zinssatz dem nominalen Zinssatz abzüglich der
erwarteten Inflation entspricht. In offenen und vollkommenen Märkten sollten die realen
Zinssätze in jedem Land gleich sein. In unserem Beispiel ist dieser reale Zinssatz 3%.
r
¥
= i
¥
-
¥e
= 4% - 1% = 3%
r
$
= i
$
-
$e
= 8% - 5% = 3%
Daraus kann abgeleitet werden, dass die Differenz der nominalen Zinssätze gleich der
Differenz der erwarteten Inflationsraten ist.
i
¥
- i
$
=
¥e
-
$e
= 4% - 8% = 1% - 5% = -4%
Der Internationale Fisher Effekt besagt, dass die durch die Kaufkraftparitätentheorie
vorhergesagte Änderung des Wechselkurses innerhalb eines Jahres (4%) der mit umgekehrten
Vorzeichen versehenen Differenz zwischen den nominalen Zinssätzen entspricht.
(S
1
­ S
2
) / S
2
= (¥104/$ - ¥100/$) / ¥100/$ = 4%
i
¥
- i
$
= 4% - 8% = -4%
Entsprechend der Zinsparitätentheorie ist die Differenz der nominalen Zinssätze gleich dem
mit umgekehrten Vorzeichen versehenen Forward Premium. In unserem Beispiel ist der
nominale Zinssatz des Yens 4% und damit um 4% geringer als jener des Dollars mit 8%. Der
Forward Premium entspricht 4 %.
i
¥
- i
$
= 4% - 8% = -4%
Forward Premium = (S
1
­ F) / F = (¥104/$ - ¥100/$) / ¥100/$ = 4%

Kapitel 2: GRUNDKONZEPTE
18
Wie leicht ersichtlich ist, besteht der einzige Unterschied zwischen dem Internationalen
Fisher Effekt und der Zinsparitätentheorie darin, dass ersterer ex post durch die tatsächliche
Spot Rate ein Jahr später, und zweitere, wenn gesichert, ex ante durch die Forward Rate, die
schon jetzt bekannt ist, Ergebnisse liefern.
Schlussendlich könnte die heutige Forward Rate die zukünftige Spot Rate von
¥100/$ vorhersagen.
F
¥/$
= S
¥/$
× (1 + i
¥
) / (1 + i
$
) = ¥104/$ × 1,04 / 1,08 = ¥104/$
Abbildung 2.3.2 zeigt zusammenfassend die Verflechtungen der Parity Conditions
untereinander am oben durchgerechneten Beispiel.
Abbildung 2.3.2: Die internationalen Parity Conditions im Gleichgewicht ( vgl. Eiteman et al. 2006: 122)
Vorhergesagte Veränderung
des Wechselkurses
+4%
(Yen wertet auf)
Forward Premium für die
Fremdwährung
+4%
(Yen wertet auf)
Differenz in nominalen
Zinssätzen
-4%
(weniger für Yen)
Vorhergesagte Differenz der
Inflationsraten
- 4%
( weniger für Yen)
Forward Rate als
Indikator für zukünftige
Spot Rate
Fisher
Effekt
Kaufkraft-
parität
Internationaler
Fisher Effekt
Zins-
paritätentheorie

19
Kapitel 3
Die USA als die weltweit größte
Schuldnernation
In diesem Kapitel wird zuerst auf frühere und aktuelle Entwicklungen des
Leistungsbilanzdefizits der Vereinigten Staaten eingegangen und es werden Erklärungen für
den Verlauf desselben gegeben. Im Anschluss werden der Dollar-Wechselkurs und die US-
Nettoauslandsverschuldung analysiert.
3.1. Das Leistungsbilanzdefizit ­ Frühere und aktuelle
Entwicklungen
Seit Jahren beunruhigt das enorme Außenhandelsdefizit der USA Investoren und Anleger. Die
neuesten vom amerikanischen Bureau of Economic Analysis veröffentlichten Zahlen tragen
nicht zur Linderung dieser Sorgen bei: Die US-Amerikaner gaben 2006 fast $857 Milliarden
mehr aus, als sie produzierten, was 6,5% des BIP entspricht und einen neuen Rekord darstellt
(vgl. Bach 2007: 22).
Das US-Leistungsbilanzdefizit ist kein neues Phänomen. Obstfeld und Rogoff (2005: 75-79)
verfolgen den Leistungsbilanzsaldo zurück bis in die 70er Jahre, wo er zwischen +1% und
-1% des BIP geschwankt hat. Mitte der 80er Jahre begann sich die Leistungsbilanz
zunehmend zu verschlechtern und erreichte 1987 -3,4% vom BIP. Nach einer kurzen

Kapitel 3: DIE USA ALS DIE WELTWEIT GRÖSSTE SCHULDNERNATION
20
[Milliarden $]
Erholung Ende der 80er Jahre und sogar einem leichten Überschuss
3
im Jahr 1991, begann
eine Phase der steten Verschlechterung der Leistungsbilanz, die bis heute anhält. Abbildung
3.1.1 veranschaulicht diese Entwicklung.
Abbildung 3.1.1: US-Leistungsbilanzdefizit: von 0 auf 811 Mrd. in 15 Jahren (vgl. Bureau of Economic
Analysis 2007b und 2007e, eigene Berechnungen)
Aber was sind mögliche Gründe für die kontinuierliche Verschlechterung des US-
Leistungsbilanzdefizits der letzten Jahre? Eine einfache Antwort gibt es nicht, aber da die
aufsummierten Leistungsbilanzen aller Länder der Welt Null ergeben müssen, kann das US-
amerikanische Leistungsbilanzdefizit als das Ergebnis vieler individueller Investitions- und
Sparentscheidungen gesehen werden. Die demographische Entwicklung der Bevölkerung
Deutschlands, Entscheidungen der OPEC über Ölpreise und die Investition ihrer Gewinne und
unterdrückte Investitionen in Asien ­ all diese Faktoren und noch viele andere wirken sich auf
globale Zinssätze und Wechselkurse aus, und diese wiederum auf Investitionen und Sparen in
den USA.
Gemäß Holman (2001: 1) kann der Anstieg des Leistungsbilanzdefizits hauptsächlich auf
zwei Faktoren zurückgeführt werden: gestiegene Produktivität und höherer Wohlstand durch
den Boom des Aktienmarktes in den USA. Obstfeld und Rogoff (2005: 76) nennen die US-
Budgetpolitik als weiteren möglichen Grund.
3
Der Leistungsbilanzüberschuss war von einer großen, einmaligen Zahlung anderer Länder für einen Teil der
Kosten des Golfkrieges gestützt.
-0,07
-0,06
-0,05
-0,04
-0,03
-0,02
-0,01
0
0,01
-1000000
-800000
-600000
-400000
-200000
0
200000
1960
1965
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2005
Milliarden $
% BIP
[% BIP]

Kapitel 3: DIE USA ALS DIE WELTWEIT GRÖSSTE SCHULDNERNATION
21
3.1.1.
Investment Boom durch höhere Produktivität
Tabelle 3.1.1 zeigt das durchschnittliche Produktivitätswachstum verschiedener Perioden der
USA und der anderen G7 Staaten pro Jahr. Die Produktivität in den USA ist zwischen 1995
und 1999 um durchschnittlich 4,8% und im Jahr 1999 sogar um 6,4% gewachsen. Zum
Vergleich betrugen die durchschnittlichen Wachstumsraten zwischen 1980 und 1994 nur
2,7% pro Jahr (vgl. Holman 2001: 7).
Tabelle 3.1.1: Jährliches durchschnittliches Produktivitätswachstum der USA und
anderer G7 Staaten in % (vgl. Holman 2001: 9)
1980-94
1995-99
1999
USA
2,7
4,8
6,4
Japan
2,1
2,4
3,1
Großbritannien
3,6
0,7
3,6
Deutschland
3,3
4,8
2,5
Frankreich
4,2
4,1
3,3
Italien
3,5
1,6
2,1
Kanada
2,6
1,2
3,8
Dieser plötzliche Anstieg führte zu einem Investment Boom: Wie Abbildung 3.1.2
veranschaulicht, sind zwischen 1991 und 2000 Investitionen in die USA gemessen am BIP
kontinuierlich gestiegen und erreichten im Jahr 1999 sogar einen Wert von 17,7% (a. a. O. S.
7-8).
Abbildung 3.1.2: Investitionen gemessen am BIP, 1990- 2006 (vgl. Bureau of Economic Analysis 2007b
und 2007a)
12%
13%
14%
15%
16%
17%
18%
19%
1990
1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
Investitionrate

Kapitel 3: DIE USA ALS DIE WELTWEIT GRÖSSTE SCHULDNERNATION
22
Tabelle 3.1.2: Anteil von
Importen an den persönlichen
Konsumausgaben,
%
(vgl.
Holman 2001: 13)
Wenn ein Land einen durch höheres Produktivitätswachstum ausgelösten Investment Boom
erlebt, während dies bei seinen Handelspartnern nicht der Fall ist, wird sich laut
Grundprinzipien der Volkswirtschaftslehre das Leistungsbilanzdefizit vergrößern: Höheres
Produktivitätswachstum führt zu erhöhten Investitionen, was die Nachfrage nach
Investitionsgütern zunehmen lässt. Da die Nachfrage zumindest kurzfristig das Angebot an
solchen Gütern übersteigt, müssen jene vermehrt aus dem Ausland importiert werden (a. a. O.
S. 10).
3.1.2.
Höherer Konsum durch gestiegenen Wohlstand
Während in den späten 90er Jahren die hohe
Auslandsverschuldung der USA im Prinzip hauptsächlich
der Finanzierung zukünftigen Wachstums diente, zeigt
sich heute ein anderes Bild: Der durch niedrige Zinssätze
ausgelöste Anstieg der Immobilienpreise und die
steigenden Kurse an den US-Aktienmärkten vermehrten
drastisch den Wohlstand amerikanischer Haushalte und
führten folglich zu einem Konsum-Boom in den
Vereinigten Staaten. Zwischen 1995 und 1999 wuchsen
die realen Konsumausgaben um jährlich 4%, im
Gegensatz zu nur 2,6% jährlich zwischen 1980 und 1994
(vgl. Holman 2001: 12-13).
Tabelle 3.1.3 zeigt die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der realen persönlichen
Konsumausgaben der G7 Staaten in den Zeiträumen zwischen 1980 und 1994, 1995 und 1999
und im Jahr 1999. Während des Konsum-Booms der späten 90er wurden auch immer mehr
importierte Güter und Dienstleistungen gekauft, und so stieg der Anteil importierter
Konsumgüter relativ zu den absoluten US-Konsumausgaben von 2,7% im Jahr 1990 auf 3,8%
im Jahr 1999. Tabelle 3.1.2 gibt eine Übersicht über die Entwicklung des Anteils von
Importen
an
den
persönlichen
Konsumausgaben
der
Amerikaner.
Das
hohe
Leistungsbilanzdefizit lässt sich immer weniger auf hohe Investitionen als auf niedrige private
und öffentliche Sparquoten, also auf hohen Konsum, zurückführen (vgl. Holman 2001: 12-13
und Obstfeld und Rogoff 2005: 78).
1990
2,7
1991
2,7
1992
2,9
1993
3,0
1994
3,1
1995
3,2
1996
3,3
1997
3,5
1998
3,7
1999
3,8

Kapitel 3: DIE USA ALS DIE WELTWEIT GRÖSSTE SCHULDNERNATION
23
Tabelle 3.1.3: Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der realen persönlichen
Konsumausgaben, G7 Staaten ( vgl. Holman 2001: 13)
1980-94
1995-99
1999
USA
2,6
4,0
5,3
Japan
2,9
1,2
1,2
Großbritannien
2,5
3,3
4,0
Deutschland
2,1
1,6
2,1
Frankreich
2,0
1,7
2,3
Italien
2,0
2,0
1,7
Kanada
2,5
3,0
3,2
Die private Sparquote der USA, welche bis 1985 stabil bei 10% des verfügbaren Einkommens
lag, ist seitdem kontinuierlich gesunken. Sie entsprach 2004 nur mehr einem Prozent und ist
seit 2005 sogar negativ. Diese Entwicklung wird in Abbildung 3.1.3 veranschaulicht (vgl.
Bureau of Economic Analysis 2007c).
Der Rückgang der privaten Sparquote war laut Obstfeld und Rogoff (2005: 78) auf den Boom
des Aktienmarktes in den 90er Jahren und den bis vor kurzem anhaltende Boom des US-
Immobilienmarktes zurückzuführen. Der jüngste Zusammenbruch des Immobilienmarktes
blieb allerdings für die Sparquote bis jetzt überraschenderweise ohne Folgen (vgl. Platt 2006).
Würde die Sparquote nur auf 5% des verfügbaren Einkommens steigen, also nur auf die
Hälfte ihres Niveaus von vor 2 Jahrzehnten, würde sich das heutige Leistungsbilanzdefizit auf
weniger als die Hälfte reduzieren (vgl. Obstfeld und Rogoff 2005: 78).
Abbildung 3.1.3: Private Sparquote in den USA, 1952-2007 (vgl. Bureau of Economic Analysis 2007c)
0
2
4
6
8
10
12
Sparquote
[% des BIP]

Kapitel 3: DIE USA ALS DIE WELTWEIT GRÖSSTE SCHULDNERNATION
24
3.1.3.
US-Budgetpolitik
Laut Obstfeld und Rogoff (2005: 76) hat in einigen Episoden auch die US-Budgetpolitik eine
entscheidende Rolle gespielt. Die Leistungsbilanz entspricht definitionsgemäß der Summe aus
öffentlichem plus privatem Sparen minus Investitionen. Die umfangreichen Steuersenkungen
unter Präsident Ronald Reagan in den 1980ern spielten, durch die daraus resultierende
Erhöhung des verfügbaren Einkommens der Haushalte, sicherlich eine Rolle bei der
Verschlechterung der US-Leistungsbilanz. Durch denselben Mechanismus verhinderten jene
Steuersenkungen unter George W. Bush wahrscheinlich eine, vom Zusammenbruch des
Aktienmarktes hervorgerufene, Verbesserung der Leistungsbilanz.
Wie Abbildung 3.1.4 veranschaulicht, kam es in den letzten Jahren durch erhöhte
Kriegsausgaben wieder zu einer beträchtlichen Ausweitung des US-Budgetdefizits.
Abbildung 3.1.4: Budgetdefizit der USA, 1980-2006 (vgl. Internationaler Währungsfonds 2007)
3.1.4.
Weitere Faktoren
Seit 1998 spielten laut Holman (2001: 14) auch noch weitere Faktoren eine Rolle. So
befanden sich etwa die USA und der Rest der Welt an unterschiedlichen Positionen ihrer
Konjunkturzyklen. Während die Vereinigten Staaten 1998 und danach einen Aufschwung
erlebten, ging es vielen Handelspartnern der USA wirtschaftlich wesentlich schlechter. Dies
trug zur Vergrößerung des Leistungsbilanzdefizits bei.
-7 %
-6 %
-5 %
-4 %
-3 %
-2 %
-1 %
0 %
1 %
2 %
US
Budgetdefizit
[% des BIP]

Kapitel 3: DIE USA ALS DIE WELTWEIT GRÖSSTE SCHULDNERNATION
25
Abbildung 3.1.5: Die Leistungsbilanz und ihre Untergliederungen (Bureau of Economic Analysis 2007e)
Aus Abbildung 3.1.5 geht hervor, dass sich die Handelsbilanz im Jahr 2006 gemäß dem lang
anhaltenden Trend wieder verschlechtert hat. Neben der schon immer negativen Bilanz der
laufenden
Übertragungen
zeigt
auch
die
Faktoreinkommensbilanz
eine
leichte
Verschlechterung. Einzig die Dienstleistungsbilanz zeigt in den letzen Jahren eine positive
Entwicklung. Wie zu erkennen ist, ist das enorme Außenhandelsdefizit vor allem der stark
negativen Handelsbilanz zuzuschreiben, während die leicht positiven Dienstleistungs- und
Faktoreinkommensbilanzen nur geringfügig zu einer Verbesserung der Leistungsbilanz
beitragen. Im Jahr 2006 betrug das Handelsbilanzdefizit der USA $836,0 Millionen, um $53
Millionen weniger als noch 2005, da Exporte, aufgrund höherer Wachstumsraten in Europa
und geringerer US-Erdölnachfrage, stärker gestiegen sind als Importe (vgl. Bach 2007: 25).
Abbildung 3.1.6: US-Handelsbilanz: Wertmäßige Veränderung gegenüber dem Vorjahr (Bureau of
Economic Analysis 2007g: Exhibit 4 und Exhibit 18)
[Milliarden $]
-1000
-800
-600
-400
-200
0
200
Leistungs-
bilanz
Faktor-
einkommens-
bilanz
Handelsbilanz
Bilanz der
Vermögens-
übertragungen
Dienstleistungs-
bilanz
[Milliarden $]
-150.000
-100.000
-50.000
0
50.000
100.000
150.000
200.000
250.000
Warenimporte
Warenexporte
Handelsbilanz
2004
2005
2006

Kapitel 3: DIE USA ALS DIE WELTWEIT GRÖSSTE SCHULDNERNATION
26
Abbildung 3.1.6 gliedert die Entwicklung des amerikanischen Außenhandelsdefizits der
letzten drei Jahre in ihre Bestandteile auf: Obwohl das Handelsbilanzdefizit jährlich gestiegen
ist, hat das Tempo dieses Anstiegs in den letzten Jahren abgenommen. Es ist zwar sowohl die
Menge an Warenimporten als auch ­exporten angewachsen, aber jene der Exporte mit
höherem Tempo. Die Verlangsamung des Anstiegs an Importen ist hauptsächlich auf den
durch geringere Preissteigerungen niedrigeren wertmäßigen Anstieg der Nachfrage nach
Erdöl zurückzuführen (vgl. Bach 2007: 25).
3.2. Der Dollar-Wechselkurs
Sowohl der erhöhte Konsum der Bevölkerung als auch die gestiegene Nachfrage nach
Investitionsgütern trugen zur Entwicklung des Leistungsbilanzdefizits bei. Eine Kombination
der beiden Faktoren kann die Wechselkursbewegungen des letzten Jahrzehnts, die aus
Abbildung 2.2.1 zu entnehmen sind, teilweise erklären (vgl. Holman 2001: 10-13).
Abbildung 3.2.1: Effektiver Dollarkurs, gewichtet nach Handelsvolumen, 1973-2006 (vgl. Datastream 2007)
Wenn ein Land seine Nachfrage für Importe von Konsumgütern erhöht, bedeutet dies ein
größeres Handelsbilanzdefizit und somit auch eine Verschlechterung der Leistungsbilanz. Die
vermehrten Ausgaben für ausländische Produkte erhöhen die Nachfrage nach Devisen, und
somit auch den Wert der ausländischen Währungen relativ zur eigenen Währung.
Infolgedessen sollte die eigene Währung abwerten und der Wechselkurs somit fallen. Auf der
anderen Seite führt eine höhere Produktivität durch vermehrte Investitionen und somit
0
20
40
60
80
100
120
140
160
1973
1978
1983
1988
1993
1998
2003
Dollar
Wechselkurs
[Index, März 1973=100]

Kapitel 3: DIE USA ALS DIE WELTWEIT GRÖSSTE SCHULDNERNATION
27
höheren Kapitalbedarf zu einem Anstieg der inländischen Zinssätze. Dadurch werden auch
verstärkt ausländische Investoren angezogen und der Wechselkurs der inländischen Währung
sollte steigen. Somit führt eine höhere Produktivität zu einem höheren Wechselkurs, während
erhöhter Import von Konsumprodukten einen niedrigeren Wechselkurs impliziert (a. a. O. S.
10-13).
Zwischen 1995 und Mitte 1998 gewann der Dollar durch die höhere Produktivität der USA an
Wert und bis Mitte 2000 blieb der Wechselkurs relativ konstant. In dieser zweiten Periode
dürften sich die Einflussfaktoren ­ der Abwertungsdruck durch gestiegene Konsumausgaben
und der Aufwertungsdruck durch höhere Produktivität ­ in etwa ausgeglichen haben (a. a. O.
S. 10-13).
Gleichermaßen zeichneten sich einige Episoden beachtlicher Währungsüber- und
unterbewertungen mit einer zeitlichen Verzögerung von ein bis zwei Jahren ab: Der
Höhepunkt des US-Leistungsbilanzdefizits im Jahr 1987 hinkte dem Höchststand des Dollars
zwei Jahre hinterher. Der schwache Dollar Mitte der 90er Jahre ging einher mit einer Pause
im sich sonst verschlechternden Leistungsbilanzdefizit. Dem Höhepunkt des Dollarkurses
2002 folgte wiederum, mit gewisser Verzögerung, eine erhebliche Verschlechterung der
Außenhandelsbilanz (vgl. Obstfeld und Rogoff 2005: 76).
3.3. Die Entwicklung der US- ettoauslandsverschuldung
Die anhaltenden Leistungsbilanzdefizite der USA haben natürlich zu einer wesentlichen
Erhöhung der US-Nettoauslandsverschuldung, die im Jahr 2006 $2,5 Billionen betrug, geführt
(vgl. Bureau of Economic Analysis 2007d). Während die NIIP bis 1989 sogar positiv war
4
,
verschlechterte sie sich langsam während der 90er Jahre. 1995 war die NIIP nur im Ausmaß
von $306 Milliarden negativ. Gegen Ende des Jahrzehnts erhöhte sich die
Nettoauslandsverschuldung allerdings mit zunehmendem Tempo: Bis 1995 verschlechterte
sich die NIIP durchschnittlich um jährlich nur $50 Milliarden, zwischen 1995 und 1999 waren
es schon $178 Milliarden, und von 1999 bis 2001 stieg die US-Nettoauslandsverschuldung
4
Bewertung der Vermögenswerte zu Marktwerten.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836611626
DOI
10.3239/9783836611626
Dateigröße
1.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Wirtschaftsuniversität Wien – Betriebswirtschaft, Studiengang Internationale Betriebswirtschaft
Erscheinungsdatum
2008 (April)
Note
1,0
Schlagworte
dollar wechselkurs außenhandelsdefizit euro
Zurück

Titel: Implikationen des amerikanischen Außenhandelsdefizits für den Dollar
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
book preview page numper 31
book preview page numper 32
book preview page numper 33
159 Seiten
Cookie-Einstellungen