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Putnam vs. Putnam

Für und wider den Funktionalismus in der Philosophie des Geistes

©2001 Examensarbeit 110 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Gegenstände der vorliegenden Arbeit sind die unterschiedlichen Argumente, die von Hilary Putnam in verschiedenen Arbeiten für und gegen die funktionalistische Theorie in der Philosophie des Geistes vorgebracht worden sind. Der Titel ergibt sich aus dem Umstand, daß dieser Autor in seinen jüngeren Werken, vor allem in der Monographie Representation and Reality, genau die philosophische Position kritisiert, die zwar auch von anderen Autoren, vor allem jedoch von ihm selbst in früheren Arbeiten entwickelt wurde.
Schon zu Beginn des fünften Kapitels dieser Monographie, das die Überschrift Why Functionalism Didn’t Work trägt und in überarbeiteter Form auch als Aufsatz erschienen ist, verweist Putnam in einer Fußnote ausdrücklich auf diese früheren Arbeiten und die dort zugunsten der funktionalistischen Theorie vorgebrachten Argumente.
In diesen früheren Schriften, die größtenteils aus den 50er und den 60er Jahren stammen, versucht Putnam die Unzulänglichkeiten und die Grenzen physikalistischer und behavioristischer Erklärungen mentaler Zustände zugunsten eines funktionalistischen Ansatzes herauszustellen, während er sich in Representation and Reality darum bemüht, die Unzulänglichkeiten des funktionalistischen Ansatzes zu verdeutlichen.
Dem Autor der 50er und 60er Jahre, von nun an Putnam I genannt, geht es vor allem darum zu zeigen, daß ein mentaler Zustand, eine propositionale Einstellung oder eine Empfindung eine Eigenschaft zweier Systeme sein kann, die in physikalischer Hinsicht oder im Hinblick auf ihr äußeres Verhalten ungleichartig sind, und daß die Individuation mentaler Zustände in der Form physikalischer und behavioristischer Erklärungen somit ein fruchtloses Unterfangen bleiben muß. Der Autor der späten 80er und der 90er Jahre, von nun an Putnam II genannt, versucht hingegen zu verdeutlichen, daß ein mentaler Zustand auch eine Eigenschaft von zwei Systemen sein kann, die hinsichtlich ihrer funktionalen Ordnung ungleichartig sind, und daß somit auch eine Individuation mentaler Zustände in der Form funktionaler Zustände bzw. durch funktionale Erklärungen, sofern solche Erklärungen überhaupt möglich sein sollten, nichtssagend bleiben muß.
Die Aufgabe dieser Arbeit besteht in der vergleichenden Darstellung dieser Argumente für bzw. gegen die Möglichkeit funktionaler Erklärungen mentaler Zustände auf der Grundlage der genannten Schriften. Die methodischen Richtlinien dieser Erörterung, die noch zu erörtern und zu […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Stephan Cursiefen
Putnam vs. Putnam
Für und wider den Funktionalismus in der Philosophie des Geistes
ISBN: 978-3-8366-1066-7
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Bonn, Deutschland,
Staatsexamensarbeit, 2001
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2008
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
Vorwort
v
1
Thema, Autor und theoretisches Umfeld
1
1.1
Was ist das Wesen mentaler Zustände?
1
1.2
Zur Philosophie Hilary Putnams
2
1.3
Physikalismus, Behaviorismus und Funktionalismus
6
1.4
Zusammenfassung
13
2
Bedingungen, Theorievarianten und Probleme
15
2.1
Die Intuition und ihre Konsequenzen
15
2.2
Spielarten der funktionalistischen Theorie
19
2.3
Verschiedene Einwände und Probleme
25
2.4
Zusammenfassung
27
3
Putnams Argumente für die funktionalistische Theorie
29
3.1
Unzulänglichkeiten der beiden Standardtheorien
29
3.1.1
Einwände gegen den Physikalismus
30
3.1.2
Einwände gegen den Behaviorismus
37
3.2
Die Vorteile der funktionalistischen Theorie
42
3.2.1
Mentale Zustände und funktionale Beschreibungen
43
3.2.2
Einwände gegen den Turingfunktionalismus
50
3.3
Die Grenzen der Empirie und der Intuition
52
3.4
Zusammenfassung
55
4
Putnams Einwände gegen die funktionalistische Theorie
58
4.1
Spielarten der funktionalistischen Theorie
59
4.1.1
Einwände gegen den Soziofunktionalismus
59
4.1.2
Einwände gegen die Theorie der Äquivalenzrelation
64
4.2
Reduktion und Definition
68
4.3
Die Theorien von David Lewis und Putnam I
71
4.4
Das Theorem der physikalisch-funktionalen Flexibilität
74
4.5
Zusammenfassung
78
iii

5
Rückblick und Ausblick
80
5.1
Ergebnissicherung
80
5.2
Der metaphysische Realismus und die Umrisse einer Alternative
82
5.3
Der Funktionalismus in der heutigen Diskussion
86
5.4
Zusammenfassung
88
Schlußwort
90
Literaturverzeichnis
92
iv

The fact that I change my mind in philosophy has been viewed as
a character defect. When I am lighthearted, I retort that it might
be that I change my mind so often because I make mistakes, and
that other philosophers don't change their minds because they
simply never make mistakes.
Hilary Putnam, Representation and Reality
Vorwort
1
Die Gegenstände der vorliegenden Arbeit sind die unterschiedlichen Argumente, die von
Hilary Putnam in verschiedenen Arbeiten für und gegen die funktionalistische Theorie
in der Philosophie des Geistes vorgebracht worden sind. Der Titel ergibt sich aus dem
Umstand, daß dieser Autor in seinen jüngeren Werken, vor allem in der Monographie Re-
presentation and Reality, genau die philosophische Position kritisiert, die zwar auch von
anderen Autoren, vor allem jedoch von ihm selbst in früheren Arbeiten entwickelt wur-
de.
2
Schon zu Beginn des fünften Kapitels dieser Monographie, das die Überschrift Why
Functionalism Didn't Work trägt und in überarbeiteter Form auch als Aufsatz erschienen
ist, verweist Putnam in einer Fußnote ausdrücklich auf diese früheren Arbeiten und die
dort zugunsten der funktionalistischen Theorie vorgebrachten Argumente.
3
In diesen früheren Schriften, die größtenteils aus den 50er und den 60er Jahren stammen,
versucht Putnam die Unzulänglichkeiten und die Grenzen physikalistischer und behavio-
ristischer Erklärungen mentaler Zustände zugunsten eines funktionalistischen Ansatzes
herauszustellen, während er sich in Representation and Reality darum bemüht, die Unzu-
länglichkeiten des funktionalistischen Ansatzes zu verdeutlichen.
Dem Autor der 50er und 60er Jahre, von nun an Putnam I genannt, geht es vor allem
darum zu zeigen, daß ein mentaler Zustand, eine propositionale Einstellung oder eine
Empfindung eine Eigenschaft zweier Systeme sein kann, die in physikalischer Hinsicht
1
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eine leicht überarbeitete Fassung der Staatsexamensarbeit
mit dem Titel Putnam vs. Putnam -- Hilary Putnams Etablierung und Kritik funktionalistischer
Theorien des Geistes, die im November 2001 vom Staatlichen Prüfungsamt Bonn angenommen worden
ist. Die Änderungen sind größtenteils typographischer Art.
2
Dies bezieht sich vor allem auf die Artikel Philosophy and Our Mental Life, Minds and Machines,
Robots: Machines or Artificially Created Life?, The Mental Life of Some Machines und The Nature
of Mental States. Diese Arbeiten finden sich als Kapitel 14, 18, 19, 20 und 21 in der Monographie
Mind, Language and Reality, dem zweiten Band der Philosophical Papers von Hilary Putnam.
3
Vgl. Putnam, Hilary: Representation and Reality. Cambridge, Massachusetts: Massachusetts Institute of
Technology Press
6
1998. S. 73 Anm. 1 und 2. Das Kapitel Why Functionalism Didn't Work ist unter
diesem Titel in leicht überarbeiteter Form in einem Sammelband erschiedenen. Vgl. Putnam: Why
Functionalism Didn't Work. In: John Earman (ed.). Inference, Explanation and Other Frustrations.
Essays in the Philosophy of Science. Berkeley: University of California Press 1992. S. 255­270
v

oder im Hinblick auf ihr äußeres Verhalten ungleichartig sind, und daß die Individuation
mentaler Zustände in der Form physikalischer und behavioristischer Erklärungen somit ein
fruchtloses Unterfangen bleiben muß. Der Autor der späten 80er und der 90er Jahre, von
nun an Putnam II genannt, versucht hingegen zu verdeutlichen, daß ein mentaler Zustand
auch eine Eigenschaft von zwei Systemen sein kann, die hinsichtlich ihrer funktionalen
Ordnung ungleichartig sind, und daß somit auch eine Individuation mentaler Zustände
in der Form funktionaler Zustände bzw. durch funktionale Erklärungen, sofern solche
Erklärungen überhaupt möglich sein sollten, nichtssagend bleiben muß.
Die Aufgabe dieser Arbeit besteht in der vergleichenden Darstellung dieser Argumen-
te für bzw. gegen die Möglichkeit funktionaler Erklärungen mentaler Zustände auf der
Grundlage der genannten Schriften.
4
Die methodischen Richtlinien dieser Erörterung, die
noch zu erörtern und zu rechtfertigen sind, gewährleisten die Vergleichbarkeit der Argu-
mentationen und somit auch die Aussagekraft der Ergebnisse.
5
Die Arbeiten andererer Vertretern der funktionalistischen Theorie werden nur insoweit
berücksichtigt, als diese Berücksichtigung den Zwecken einer einleitenden Darstellung der
funktionalistischen Theorie im allgemeinen oder der weiteren Erörterung bestimmter De-
tailfragen dienen, die Positionen Putnams kritisieren oder die Autoren von Putnam selbst
als Vertreter seines früheren Standpunktes kritisiert werden.
6
Auch die von Hilary Put-
nam selbst vorgeschlagene Alternative zur Deutung mentaler Zustände, wie sie etwa in der
Monographie Reason, Truth and History entwickelt wird, ist nur insoweit zu berücksich-
tigen, als sie zu einem tiefergehenden Verständnis der ursprünglichen Thesen und ihrer
späteren Kritik, zu einer Klärung der zu beschreibenden Ansätze beiträgt.
7
Die Gliederung der Arbeit ergibt sich aus der Aufgabenstellung. Das erste Kapitel
umfaßt zum einen eine Darstellung des eigentlichen Gegenstandes, d. h. der geistesphi-
losophischen Fragestellung und der systematischen Bedeutung, die dieser Fragestellung
zukommt, zum anderen eine Zusammenfassung der Auseinandersetzung Putnams mit ver-
schiedenen Problemfeldern und zum dritten eine Skizze der funktionalistischen Theorie
in Abgrenzung zu den beiden anderen Theorien des Geistes, die im 20. Jahrhundert im
angelsächsischen Sprachraum hauptsächlich vertreten wurden. Die Darstellung der philo-
sophischen Ursprünge Putnams, seiner gedanklichen Entwicklung und einzelner Positionen
seiner Philosophie dient dem Verständnis einzelner Argumente, die sich für oder gegen eine
4
Die in Anm. 1 genannten Artikel und das fünfte Kapitel der Monographie Representation und Reality
werden zwar die eigentliche Textgrundlage der Darstellung sein, unter Umständen muß jedoch auch
auf andere Arbeiten Putnams zurückgegriffen werden.
5
Man vgl. den Abschnitt Gliederung und Methode.
6
Dies bezieht sich vor allem auf Jerry A. Fodor. Andere Autoren, die sich mit der funktionalistischen
Theorie bzw. einer Variante dieser Theorie auseinandergesetzt und wesentliche Beiträge zur Diskussion
dieser Theorie geleistet haben, wie z. B. Ned Block, David Lewis, Wilfrid S. Sellars, Hartry Field,
John J. C. Smart und andere, sind in diesem Zusammenhang jedoch ebenfalls in gewissem Umfang
zu berücksichtigen.
7
Putnam selbst zeichnet schon im letzten Kapitel von Representation and Reality die ,Umrisse eines
alternativen Bildes`, das mit der Bezeichnung des ,internen Realismus` versehen wird.
vi

funktionalistische Theorie des Geistes aussprechen und ihrerseits Gedankengänge voraus-
setzen, die an den entsprechenden Stellen nicht erläutert werden. Die Notwendigkeit einer
zusammenfassenden Darstellung der physikalistischen und der behavioristischen Theorie
ergibt sich aus dem Umstand, daß Putnam I ausdrücklich gegen diese Theorien argumen-
tiert, jedoch keine einleitende Darstellung dieser Theorien vorlegt, ein Verständnis dieser
Theorien also voraussetzt.
Das zweite Kapitel umfaßt zum einen eine Kategorisierung der intuitiven, vortheore-
tischen Bestimmungen mentaler Zustände, zum anderen eine Erörterung der Probleme,
die sich aus diesen Bestimmungen für verschiedene Theorien des Geistes ergeben kön-
nen und zum dritten eine Darstellung der Merkmale der funktionalistischen Theorie bzw.
der gemeinsamen und der unterscheidenden Merkmale der verschiedenen Spielarten dieser
Theorie. Schließlich sind verschiedenen Einwände, die von anderen Autoren gegen diese
Theorie angeführt worden sind, an dieser Stelle zu erläutern. Die Kategorisierung intui-
tiver Bestimmungen wird zum einen durch den Umstand, daß sich sowohl Putnam I als
auch Putnam II auf die Intuition stützen, und zum anderen durch den Umstand gerecht-
fertigt, daß sich diese Kategorien auf beide Positionen anwenden lassen. Die Erörterung
verschiedener Spielarten der funktionalistischen Theorie dient dem Verständnis der von
Putnam I vertretenen Position und der von Putnam II vorgetragenen Argumente. Dies
gilt auch für die Diskussion der Einwände, die sich nach Ansicht verschiedener Autoren
gegen eine funktionalistische Theorie anführen lassen.
8
Die Darstellung der verschiedenen Argumente, die von Putnam I zugunsten der funk-
tionalistischen Theorie vorgebracht werden, findet sich im dritten, die Darstellung der
verschiedenen Einwände, die von Putnam II gegen diese Theorie und ihre Spielarten vor-
gebracht werden, im vierten Kapitel.
Das letzte Kapitel dieser Arbeit widmet sich, wenn auch nur in der Form eines Über-
blicks bzw. einer schematischen Skizze, der von Putnam selbst entworfenen Alternative zur
Erklärung mentaler Zustände und ergänzt diese Aussicht um eine Zusammenfassung des
gegenwärtigen Diskussionstandes. An dieser Stelle findet sich zudem eine abschließende
Ergebnissicherung.
Die Kriterien, an denen die verschiedenen Argumente Putnams zu messen sind, erge-
ben sich teilweise aus den ersten beiden Kapiteln dieser Arbeit. Sowohl im Hinblick auf
diejenigen Argumente, die von Putnam I zugunsten der funktionalistischen Theorie vorge-
bracht werden, als auch im Hinblick auf diejenigen Argumente, mit denen Putnam II diese
Theorie zu entkräften sucht, stellen sich Fragen, die auf der Grundlage der begrifflichen
und systematischen Differenzierungen zu betrachten sind, die sich aus der vorhergehenden
Darstellung funktionalistischer Theorievarianten, möglicher Einwände usw. ergeben.
8
Putnam II argumentiert natürlich nicht gegen die funktionalistische Theorie, sondern ebenfalls gegen
eine Reihe von funktionalistischen Theorien, nicht zuletzt im sechsten Kapitel der Monographie Re-
presentation and Reality, das die Überschrift Other Forms of Functonalism trägt, und sich u. a. mit
den Thesen von David Lewis auseinandersetzt. Auch dieses Kapitel ist folglich in gewissem Umfang
zu berücksichtigen.
vii

So ist im Einzelfall zu fragen, für oder gegen die Spielart der funktionalistischen Theorie
Putnam argumentiert bzw. ob er überhaupt für eine funktionalistiche Theorie und nicht
vielmehr gegen eine andere Theorie des Geistes argumentiert, ob und in welcher Weise
sich ein Argument auf vortheoretische Begriffe, auf die Intuition stützt oder dieser zuwi-
derläuft, die Spielarten der physikalistischen, die Aspekte der behavioristischen Theorie
sich in den Argumenten wiederfinden, ob die von Putnam I vorgeschlagenen Thesen die
im zweiten Kapitel beschriebenen Probleme vermeiden können, ob die von Putnam II
vorgetragene Kritik seiner ursprünglichen Thesen derartige Probleme berücksichtigt usw.
Diese Kriterien können als diskursimmanente Kriterien bezeichnet werden, da sie sich
aus der Diskussion philosophischer bzw. funktionalistischer Theorien des Geistes ergeben.
Darüberhinaus sind u. U. auch traditionelle Urteilskategorien zu beanspruchen. Auch
wenn sich in den Schriften Putnams gelegentlich ein Hinweis auf den empirischen oder be-
grifflichen Charakter eines Argumentes findet, so ist doch im Einzelfall zu fragen, welchen
semantischen, logischen oder epistemologischen Status ein Argument hat.
9
Diese Kriterien können als diskurstranzendente Kriterien bezeichnet werden, da sie nicht
genuin mit der Diskussion philosophischer Theorien des Geistes verbunden sind.
Einen dritten Bereich von Kriterien bilden die Fragen nach Stringenz, Konsistenz und
Plausibilität der Argumente von Putnam I und Putnam II. Da jedoch Putnam I bestimm-
te Thesen zunächst vertritt, um sie an anderer Stelle wieder zu kritisieren, und Putnam II
keine umfassende Theorie des Geistes vorlegt, sondern sich mit der Analyse verschiedener
Theorien und den entsprechenden Ausführungen anderer Autoren begnügt, können der-
artige Fragen letztlich nur auf einzelne Argumentationsstränge, Vorschläge und Entwürfe
abzielen.
10
9
Dies bezieht sich vor allem auf die Unterscheidungen von analytischen und synthetischen Aussagen,
von notwendigen und kontingenten Aussagen, von apriorischen und aposteriorischen Erkenntnissen,
von Existenz-/ und Identitätsaussagen usw. Die Schwierigkeiten, die sich aus diesen Kategorien erge-
ben können, sind nicht zu diskutieren, da eine solche Diskussion den vorgegebenen Rahmen zweifellos
sprengen würde und sich diese Schwierigkeiten möglicherweise entschärfen lassen, wenn man die ent-
sprechenden Begriffe lediglich im Sinne von zusätzlichen, begrifflichen Hilfsmitteln verwendet, deren
Verwendung keine Gültigkeit im cartesischen Sinne vebürgen kann. Solche Hilfsmittel wird man folg-
lich dann beanspruchen dürfen, wenn lediglich von einem mehr oder weniger an Analytizität, an
Synthetizität und ähnlichem die Rede ist. Bekannte Beiträge zu dieser Diskussion stammen z. B. von
Quine. Man vgl. Quine, Willard van Orman: Two Dogmas of Empiricism. In: Quine: From a Logical
Point of View. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press 1953. S. 20­37 oder auch die
Monographie Philosophy of Logic. Cambridge: Harvard University Press
5
1994. S. 95­102 und den
Abschn. 1.2. Man vgl. jedoch auch White, Morton: The Analytic and the Synthetic. An Untenable
Dualism. In: White: Essays and Reviews in Philosophy and Intellectual History. New York: Oxford
University Press 1973. S. 121­137, Delius, Harald: ,,Analytisch/Synthetisch". In: Joachim Ritter &
Karlfried Gründer (Hrsg.). Historisches Wörterbuch der Philosophie. Darmstadt: Wissenschaftliche
Buchgesellschaft 1971. Bd. 1 Sp. 251­260 und die entsprechenden Artikel zu den Dichotomien von
apriorischer und aposteriorischer Erkenntnis, von notwendiger und kontingenter Wahrheit und ähnli-
chem.
10
Ein Beispiel für eine solche von Putnam I zunächst entworfene und später wieder zurückgewiesene
Theorie ist der klassische Turingfunktionalismus im Sinne der Annahme, daß jeder mentale Zustand
viii

Diese Kriterien können als argumentationsspezifische Kriterien bezeichnet werden, da
sie auf einzelne Thesen und Argumentationen Putnams anzuwenden sind, jedoch ebenfalls
nicht genuin mit den Fragen der Philosophie des Geistes zusammenhängen. Natürlich sind
nicht alle Kriterien auf jedes Argument anzuwenden. Die Auswahl der einzelnen Kriterien
ergibt sich aus der Eigenart, aus dem besonderen Charakter der jeweiligen These.
Eine andere Frage betrifft die Gliederung der Darstellung bzw. die Kategorisierung der
vorzustellenden Argumente von Putnam I und Putnam II. Im Falle von Putnam I besteht
die Textgrundlage aus einer Reihe von Aufsätzen aus den 50er, 60er und 70er Jahren des
vergangenen Jahrhunderts. Die Argumente, die sich in diesen Aufsätzen finden, lassen
sich in drei Kategorien einteilen:
· Die erste Kategorie enthält solche Argumente, die sich gegen eine der beiden Stan-
dardtheorien des Geistes, gegen den Physikalismus oder den logischen Behavioris-
mus richten und dementsprechend nur in indirekter Weise für die funktionalistische
These sprechen.
11
· Die zweite Kategorie enthält solche Argumente, die in erster Linie für die funktiona-
listische Theorie bzw. für oder gegen eine bestimmte Form dieser Theorie sprechen.
Dies bezieht sich beispielsweise auf die Diskussion des turingfunktionalistischen Mo-
dells und seine spätere Ablehnung.
· Die dritte Kategorie enthält diejenigen Argumente, die den beiden anderen Katego-
rien nicht eindeutig zuzuordnen sind bzw. diesen Kategorien von Putnam I selbst
nicht zugeordnet werden.
12
Dies bezieht sich vor allem auf die Diskussion der Fra-
gen, ob und in welcher Weise unsere Intuitionen hinsichtlich der Frage nach dem
Seelenleben künstlicher Organismen in einer wissenschaftlichen Bestimmung menta-
ler Zustände zu berücksichtigen sind, ob man derartigen Organismen unter gewissen
Umständen sogar bürgerliche Rechte zugestehen muß oder von der Seelenlosigkeit
solcher Systeme auszugehen ist.
Die Darstellung der verschiedenen Argumente Putnams I orientiert sich an dieser Kate-
gorisierung, obgleich natürlich kein Anspruch darauf erhoben werden kann, der Vielfalt
und den Besonderheiten dieser Argumente mit einem solchen Schema in allen Einzel-
heiten gerecht zu werden. Es handelt sich hierbei lediglich um eine Hilfskonstruktion,
ein turingmaschineller Zustand oder eine Disjunktion von turingmaschinellen Zuständen ist. Man vgl.
die Abschn. 3.2.1­3.2.2.
11
Die Rede von den beiden Standardtheorien bezieht sich schlicht und ergreifend auf die beiden vorherr-
schenden Theorien des Geistes in der amerikanischen Philosophie der 50er und 60er Jahre. Sie ist in
diesem Zusammenhang jedoch auch insofern gerechtfertigt, als sich Putnam I nur mit diesen beiden
Theorien des Geistes beschäftigt und andersartige Entwürfe zur Erklärung mentaler Zustände nicht
weiter diskutiert. Vgl. Anm. 30.
12
Dies heißt jedoch nicht, daß Putnam I eine entsprechende Kategorisierung ausdrücklich beansprucht.
ix

die eine übersichtliche und sinnvoll untergliederte Darstellung gewährleistet. Die drin-
gende Notwendigkeit einer solchen Konstruktion ergibt sich aus dem Umstand, daß ein
streng chronologisches bzw. textgebundenes Vorgehen dem Zweck, d. h. der Darstellung
der Argumente Putnams I nicht angemessen wäre, insofern zahlreiche Argumente sogar
innerhalb einzelner Aufsätze mehrfach angeführt und mehrfach bewertet werden und so-
mit in unterschiedlicher Art und Weise interpretiert werden können. Die Parallelität und
die stetige Wiederholung verschiedener Argumente und die Absicht, die unterschiedlichen
Thesen Putnams I in einen größeren Zusammenhang einzuordnen, legen eine Gliederung
der beschriebenen Art nahe.
13
Die Fragen der Kategorisierung und der Gliederung stellen sich ebenfalls hinsichtlich der
Ausführungen von Putnam II, auch wenn es sich in diesem Fall um eine weniger umfängli-
che Textgrundlage, um einen überschaubaren Abschnitt der Monographie Representation
and Reality handelt. Die Argumente, die sich in diesem Kapitel (und in der folgenden
Auseinandersetzung mit den funktionalistischen Thesen von David Lewis und Putnam I )
finden, lassen sich wiederum in verschiedene Kategorien einteilen:
· Die von Putnam II vorgetragenen Argumente richten sich nicht gegen die funk-
tionalistische Theorie, sondern gegen verschiedene Spielarten dieser Theorie. Die
Position, die sich aus den im dritten Kapitel dieser Arbeit vorzustellenden Thesen
möglicherweise ergibt, wird an dieser Stelle ebenso hinterfragt wie eine Reihe anderer
Vorschläge zur Gestaltung einer funktionalistischen Theorie.
14
Die erste Kategorie
umfaßt mithin diejenigen Argumente, die sich gegen die eine oder andere Form der
funktionalistischen Theorie wenden.
· Die zweite Kategorie umfaßt diejenigen Argumente, die sich eher gegen das wissen-
schaftliche Prinzip der Reduktion richten und somit nur indirekt gegen eine funk-
tionalistische Position dieser oder jener Form sprechen.
Die Gliederung des vierten Kapitels orientiert sich an dieser Kategorisierung. Darüber-
hinaus sind jedoch zwei weitere Abschnitte gesondert zu betrachten. Dies betrifft die
Auseinandersetzung mit den Thesen von David Lewis und den Beweis des Theorems der
physikalisch-funktionalen Flexibilität, welcher sich im Anhang der Monographie Represen-
tation and Reality findet. Die Gründe, sich auch mit diesen Abschnitten zu beschäftigen,
bestehen einerseits darin, daß sich Putnam II nur im Zusammenhang der Auseinanderset-
zung mit den Thesen von David Lewis explizit zu den Thesen von Putnam I äußert, und
andererseits darin, daß es sich bei dem Theorem der physikalisch-funktionalen Flexibilität
um eine Aussage handelt, die für die Position Putnams II von großer Bedeutung ist.
13
Darüberhinaus sind die Kapitel des zweiten Bandes der Philosophical Papers im Hinblick auf das Datum
der jeweiligen Ersterscheinung nicht chronologisch geordnet.
14
Die Rede von einer Position ist insofern durchaus angebracht, als Putnam I keine umfassende Theorie
der mentalen Zustände vorlegt, sondern lediglich ein Modell für die Gestaltung einer solchen Theorie
entwickelt und einen funktionalistischen Standpunkt eher in einer Abgrenzung zu materialistischen
und behavioristischen Positionen postuliert. Man vgl. Abschn. 3.
x

Der im fünften Kapitel zu skizzierende Ausblick auf die von Putnam vorgeschlagenen
Alternativen und die Übersicht zum gegenwärtigen Stand der Diskussion ordnet die Er-
gebnisse dieser Darstellung in einen größeren Zusammenhang ein und gewährleistet somit
auch die Möglichkeit einer übergreifenden Einschätzung der philosophischen Bedeutung,
der Wirksamkeit und der Schwierigkeiten, die sich aus den Thesen Putnams für die Phi-
losophie des Geistes ergeben.
xi

. . . considerations of plausibility may be somewhat subjective; but
if other things were equal (of course, they aren't) why shouldn't we
allow considerations of plausibility to play the deciding role?.
Hilary Putnam, The Nature of Mental States
1 Thema, Autor und theoretisches
Umfeld
1.1 Was ist das Wesen mentaler Zustände?
Die Frage nach dem Wesen mentaler Zustände, jene Frage also, die der Diskussion funktio-
nalistischer Theorien in den Schriften Putnams zugrundeliegt, verweist auf verschiedene
Problemfelder.
Die ontologischen Fragen, ob es überhaupt einen Bereich mentaler Gegenstände geben
kann und was das Wesen, das gemeinsame Merkmal dieser mentalen Gegenstände im
Gegensatz zu den körperlichen Dingen ist, führen zu der fortdauernden Diskussion des
Leib-Seele-Problems.
Die metaphysischen Fragen, was einen mentalen Zustand (oder eine Klasse von men-
talen Zuständen), sofern es solche überhaupt geben sollte, von einem anderen mentalen
Zustand (oder einer anderen Klasse mentaler Zustände) unterscheidet bzw. wodurch sich
eine Art von mentalen Zuständen eigentlich auszeichnet, sind in diesem Zusammenhang
ebenfalls von grundlegender Bedeutung und spielen darüberhinaus auch bei bedeutungs-
theoretischen Erwägungen eine besondere Rolle. Dies gilt in gleicher Weise für die Fragen,
in welcher Weise ein mentaler Gegenstand bzw. eine mentale Repräsentation einen mate-
riellen Gegenstand abbilden und in welcher Weise sich ein Individuum in der Form derar-
tiger Repräsentationen auf seine Umwelt beziehen kann.
1
Dieser Fragenkomplex wird mit
den Begriffen der Bezugnahme und der Intentionalität verbunden.
2
1
Dieses Problem wird auch von Imanuel Kant als das eigentliche Rätsel der Philosophie bezeichnet
und mit der Frage identifiziert, auf welcher Grundlage eine äußere Anschauung in einem denkenden
Subjekt möglich sei. Vgl. Kant, Immanuel: Brief an Markus Herz vom 21. Februar 1772. In: Otto
Schöndörffer & Rudolf Malter (Hrsg.). Immanuel Kant. Briefwechsel. Hamburg: Felix Meiner Verlag
1972. S. 99­106 und Kritik der reinen Vernunft. In: Raimund Schmidt (Hrsg.). Immanuel Kant. Kritik
der reinen Vernuft. Nachdruck der ersten und der zweiten Originalausgabe. Hamburg: Felix Meiner
Verlag
3
1990. A 393 (S. 393).
2
Das Leib-Seele-Problem ist natürlich ebenfalls von sprachphilosophischem Interesse. Dies zeigt sich
an den vielfältigen Auseinandersetzungen mit den Fragen dieses Bereiches in den Arbeiten der ana-
lytischen bzw. der sprachphilosophischen Philosophie, so etwa in der Form sinnkritischer Analysen
1

Die epistemologischen Fragen, ob und die Kenntnis man von den mentalen Zuständen
seiner selbst und denjenigen eines anderen Individuums haben kann, verbinden sich mit
dem Problem der Erkenntnis des Eigenpsychischen und des Fremdpsychischen, jedoch
auch mit den erkenntnistheoretischen Fragen des Wissens und des Glaubens.
Die Frage nach dem Wesen mentaler Zustände umfaßt somit verschiedene Teilfragen,
die sich verschiedenen philosophischen Disziplinen und Schulen zuordnen lassen. Das ei-
gentliches Problem, das Wesen der mentalen Zustände, läßt sich einerseits im Hinblick
auf seine ontologische, metaphysische Bedeutung, andererseits jedoch auch im Hinblick
auf seine erkenntnistheoretische und epistemologische, seine bedeutungstheoretische bzw.
allgemein sprachphilosophische Relevanz erörtern. Es handelt sich offenkundig um einen
zentralen Gegenstand der philosophischen Diskussion.
Eine Antwort auf diese Frage, eine umfassende Theorie des Geistes müßte dementspre-
chend nicht nur eine ontologische Entscheidung beinhalten, sondern darüberhinaus auch
auf eine Theorie der Bedeutung und/oder der Bezugnahme verweisen, die der besagten
Entscheidung entspricht. Schließlich müßte eine solche Theorie auch das Problem des
Eigenpsychischen und des Fremdpsychischen in entsprechender Weise berücksichtigen.
1.2 Zur Philosophie Hilary Putnams
Hilary Putnam ist nicht nur ein wichtiger Philosoph der amerikanischen Nachkriegsge-
schichte, sondern auch ein sehr produktiver Autor dieser Zeit. Sein Werk umfaßt zahlrei-
che Monographien und über 200 Artikel zu verschiedenen Themen der sprachanalytischen
Philosophie, der Philosophie der Wissenschaften, der formalen Logik und der Wahrschein-
lichkeitstheorie, aber auch der Ethik und der Politik. Beiträge zur Entwicklung einer Logik
der Quantenphysik, der Entwurf einer Theorie des Geistes in der Form von funktionalisti-
schen Erklärungen mentaler Phänomene auf der Grundlage des sogenannten Turingmo-
dells, der Entwurf einer Bedeutungstheorie natürlicher Sprachen und Argumente zugun-
sten des wissenschaftlichen Realismus (und gegen diesen Standpunkt) sind nur einzelne
Beispiele seiner Leistungen.
3
Einen naheliegenden Zugang zu den philosophischen Ursprüngen und der Entwicklung
Putnams stellt die Auseinandersetzung mit den Thesen des logischen Positivismus dar.
Obgleich Putnam schon in den 50er und 60er Jahren zu einem entschiedenen Kritiker die-
ser philosophischen Schule wird, die die amerikanische Philosophie des 20. Jahrhunderts
stark beeinflußt hat, spiegeln sich charakteristische Merkmale der positivistischen Position
umgangssprachlicher Wendungen, wie sie beispielsweise von Wittgenstein, Gilbert Ryle und anderen
im Zuge der entstehenden sprachanalytischen Philosophie, im Zuge des linguistic turn vorgelegt wur-
den. Man vgl. z. B. Ryle, Gilbert: The Concept of Mind. London: Hutchinson
12
1969. S. 11­23 und
Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Unterschuchungen. Suhrkamp Werkausgabe Bd. 1. Frankfurt:
Suhrkamp Verlag
11
1997. S. 495­498 (Teil II §IV). Erstdruck Oxford: Blackwell 1953.
3
Man vgl. hierzu Mühlhölzer, Felix: ,,Hilary Putnam". In: Julian Nida-Rümelin (Hrsg.). Philosophie der
Gegenwart in Einzeldarstellungen. Stuttgart: Kröner Verlag 1991. S. 464­473.
2

in seinen Schriften.
4
Dies betrifft z. B. die Forderung, sich auch im Hinblick auf scheinbar
philosophische Fragestellungen methodisch an den Naturwissenschaften zu orientieren,
der häufige Gebrauch linguistischer und logischer Analysen umgangssprachlicher Wen-
dungen und die grundlegende Skepsis gegenüber traditionellen erkenntnistheoretischen
Kategorien, wie etwa der Unterscheidung von Erkenntnissen a priori und a posteriori.
Nichtsdestotrotz wird Putnam wohl auch unter dem Einfluß von W. V. O. Quine und in
der Auseinandersetzung mit Hans Reichenbach und Rudolf Carnap, denen er zwischen
1953 und 1960 u. a. in Princeton mehrfach begegnet, ein entschiedener Gegner positivisti-
scher Thesen, so beispielsweise der traditionellen Verifikationstheorie der Bedeutung, der
kategorischen Unterscheidung von analytischen und synthetischen Sätzen und der starren
Trennung von empirischen und mathematischen Wissenschaften.
5
Ein anschauliches Beispiel der Auseinandersetzung mit den philosophischen Erblasten
des Positivismus ist wiederum die Diskussion des Analytizitätsbegriffes, die in den 50er
Jahren geführt wird. Die grundlegende semantische These des Positivismus, derzufolge
jeder wohlgeformte Satz entweder eine analytische (im Wittgensteinschen Sinne tautologi-
sche) Sprachregel oder eine synthetische Tatsachenaussage sein müsse, wird von W. V. O.
Quine in seinem Aufsatz Two Dogmas of Empiricism mit verschiedenen Argumenten an-
gegriffen. So habe man z. B. keine nicht-zirkuläre Erklärung des Begriffes der Analytizität
geben können, und aus bedeutungsholistischen Gründen könne auch nicht sinnvollerweise
nach der Bedeutung der Terme eines Satzes gefragt werden, ohne den theoretischen Hin-
tergrund, den Zusammenhang zu berücksichtigen. Quine zieht aus diesen Ergebnissen die
pessimistische Konsequenz, auf den Begriff der Analytizität verzichten und gegebenfalls
sogar den traditionellen Bedeutungsbegriff aufgeben zu müssen.
6
Putnam stimmt diesen
Ausführungen grundsätzlich zu, da auch er die Mehrzahl wohlgeformter Sätze weder der
Kategorie analytischer Sätze noch der Kategorie synthetischer Sätze zuordnen würde. Er
argumentiert jedoch in dem 1957 veröffentlichen Aufsatz The Analytic and the Synthe-
4
Man vgl. auch die von Hans Reichenbach betreute Dissertation Putnams. Putnam: The Meaning of
the Concept of Probability in Application to Finite Sentences. Dissertation. Los Angeles: University
of California in Los Angeles 1951.
5
Die Ergebnisse dieser Auseinandersetzungen finden sich vor allem in jenen Aufsätzen, die in den bei-
den ersten Bänden der Philosophical Papers erschienen sind. Man vgl. auch Putnam: Mathematics,
Matter and Method. Philosophical Papers Vol. 1. London: Cambridge University Press 1975. Introduc-
tion S. VII­XIV und Mind, Language and Reality. Philosophical Papers Vol. 2. London: Cambridge
University Press 1975. Introduction S. VII­XVII. Putnam äußert sich jedoch auch ausdrücklich zu
der Prägung durch Carnap und Reichenbach. Vgl. Putnam: Reichenbach's Metaphysical Picture. In:
Erkenntnis 35 (1991). S. 61­76.
6
Man vgl. z. B. Quine: Two Dogmas of Empiricism. S. 23.: ,,Once the theory of meaning is sharply
separated from the theory of reference, it is a short step to recognizing as the business of the theory
of meaning simply the synonymy of linguistic forms and the analyticity of statements; meanings
themselves, as obscure intermediary entities, may well be abandoned." Weitere Argumente Quines für
einen Verzicht auf den herkömmlichen Begriff der Bedeutung finden sich in den Aufsätzen On What
There Is. In: Quine. From a Logical Point of View. S. 1­19 und The Problem of Meaning in Linguistics.
In: Quine: From a Logical Point of View. S. 47­64.
3

tic gegen einen vollständigen Verzicht auf den Begriff der Analytizität.
7
Aussagen der
Form ,,Alle Junggesellen sind unverheiratete Männer" etwa bezeichnet Putnam mit der
Begründung als in einem trivialen Sinne analytisch, daß es nicht möglich sei, derartige
Aussagen zu revidieren, ohne die Bedeutung einzelner Ausdrücke zu verändern. Diesen
Aussagen stellt er jedoch naturgesetzliche Aussagen gegenüber, die einem wissenschaft-
lichen Theoriekomplex angehören.
8
Ohne näher auf die weiteren Grundlagen dieser Un-
terscheidung einzugehen, ist daraufhinzuweisen, daß die Kontinuität der Bedeutung oder
vielmehr des Bezuges eines sprachlichen Ausdruckes, die sogenannte Bedeutungsinvarianz
von bestimmten Ausdrücken für Putnam ein wesentliches Kriterium zur Beurteilung der
Frage darstellt, ob eine vermeintlich analytische Aussage möglicherweise zu revidieren ist
oder nicht.
9
Die Grundlagen einer Bedeutungstheorie finden sich in der 1975 veröffentlichten Ab-
handlung The Meaning of Meaning, wobei sich die Stoßrichtung dieser Theorie gegen die
Bestrebungen der sogenannten ,kalifornischen` Semantik richtet, die die Bedeutung eines
sprachlichen Ausdrucks durch einen individuellen, psychischen Zustand, genauer gesagt
durch das Verstehen des betreffenden Ausdrucks, zu bestimmen sucht. The Meaning of
Meaning gestaltet sich größtenteils in der Form einer kritischen Auseinandersetzung mit
den Varianten jener Bedeutungstheorie.
10
Putnam beansprucht im Zusammenhang dieser Auseinandersetzung eine soziolingui-
stische These, das sogenannte Prinzip der sprachlichen Arbeitsteilung und die Begriffe
natürlicher Arten, um eine alternative Theorie der Bedeutung bzw. der Bezugnahme vor-
zuschlagen. Ein Merkmal verschiedener Bedeutungstheorien bestehe darin, die Bedeutung
derartiger Massenterme durch analytische Definitionen festzulegen, bei denen eine unge-
fähre Kenntnis für den kompetenten Gebrauch solcher Ausdrücke unabdingbar sei.
11
Bei
7
Vgl. Putnam: The Analytic and the Synthetic. In: Putnam: Mind, Language and Reality. Philosophical
Papers Vol. 2. S. 33­69. Ein Verzicht auf den Bedeutungsbegriff selbst kommt für Putnam auch aus
solchen Gründen nicht in Betracht, die im Zusammenhang mit der Darstellung der Putnamschen Be-
deutungstheorie zu erläutern sind. Man vgl. hierzu auch den Aufsatz Putnam: Two Dogmas Revisited.
In: Gilbert Ryle (ed.). Contemporary Aspects of Philosophy. London: Oriel Press 1976. S. 202­213.
8
Vgl. Putnam: The Analytic and the Synthetic. S. 57: ,,(. . . ) the reason we can safely decide to hold
`All bachelors are unmarried' immune from revision, while we could not have safely decided to hold
`kinetic energy =
1
2
mv
2
" immune from revision, is that `energy' is a law-cluster term, and `bachelor'
is not."
9
Eine Erörterung dieses Problems findet sich auch in dem Artikel Putnam: Minds and Machines. In:
Putnam: Mind, Language and Reality. Philosophical Papers Vol. 2. S. 373­382 und spielt im Zusam-
menhang mit der Darstellung der Argumente zugunsten der funktionalistischen Theorie eine besondere
Rolle. Dieser Artikel ist zuerst erschienen in Hook, Sidney (ed.). Dimensions of Mind. New York: New
York University Press 1960. S. 362­385.
10
Eine umrisshafte Darstellung der Putnamschen Bedeutungstheorie findet sich jedoch auch in der Mo-
nographie Representation and Reality. Man vgl. das zweite Kapitel (Meaning, Other People and the
World).
11
Auf die Schwierigkeiten, die sich aus der Bedeutungsfrage für die Begriffe natürlicher Arten ergeben
können, wird auch von Quine hingewiesen, wenn auch unter anderen Vorzeichen und mit anderen
4

zahlreichen, vielleicht sogar den meisten Prädikaten einer gegebenen Sprache kann Put-
nam zufolge jedoch nur ein sehr begrenzter Teil der jeweiligen Sprachgemeinschaft, die
Experten der relevanten wissenschaftlichen Disziplin in mehr oder minder zuverlässiger
Weise feststellen, auf die Gegenständen diese Prädikate wirklich zutreffen. Die übrigen
Sprecher dieser Sprache seien bei der Verwendung der fraglichen Prädikate prinzipiell
auf die Kooperation dieser Experten angewiesen, obgleich man auch von ihnen in einem
gewissen Sinne sagen könne, daß sie diese Prädikate sinnvoll verwenden. Die Referenz-
bestimmungen lägen folglich in der Kompetenz der Sprachgemeinschaft und nicht in der
Kompetenz des einzelnen Sprechers.
12
Eine andere Frage betrifft die schon erwähnte Invarianz der Bedeutung bzw. des Be-
zuges. Anhand des Beispiels der Zwillingserde soll der Umstand verdeutlicht werden, daß
man sich mit einem bestimmten Ausdruck zwar auf eine ,Substanz` beziehen könne, die
Referenzbestimmung des fraglichen Ausdruckes jedoch nicht nur von den Überzeugungen
des einzelnen Sprechers abhängig seien, sondern auch von der sozialen und physikali-
schen Umwelt und den kausalen Wechselwirkungen zwischen dem Sprecher und dieser
Umwelt.
13
Man rechnet Putnam neben Saul Kripke auch zu den Mitbegründern einer
kausalen Referenztheorie.
14
Der Vorschlag einer Definition von ,Bedeutung` könne jedoch nicht darin bestehen, ein
bestimmtes Objekt auszuzeichnen und mit der Bedeutung eines anderen Gegenstandes,
sei dieser physischer oder mentaler Art, gleichzusetzen. Die Putnamsche Bedeutungstheo-
rie besteht vielmehr in dem Versuch, eine Normalform zur Beschreibung der Bedeutung
eines normalsprachlichen Ausdruckes zu geben, die sich auf semantische und syntaktische
Marker, stereotype Vorstellungen und die Extension des fraglichen Ausdruckes stützt.
15
Der Grundgedanke dieser Bedeutungstheorie, also die Annahme, daß Überzeugungen,
Wünsche etc. nicht ohne die Berücksichtigung der jeweiligen Umwelt zu individuieren
Ergebnissen. Vgl. z. B. Quine: Word and Object. Cambridge, Massachusetts: Massachusetts Institute
of Technology Press 1960. § 19 und 25.
12
Man berücksichtige in diesem Zusammenhang auch das erste Kapitel der Monographie Reason, Truth
and History, das Gedankenspiel der menschlichen ,Gehirne im Tank`. Vgl. Putnam: Reason, Truth and
History. Cambridge, Massachusetts: Cambridge University Press 1981. S. 1­21. Darüberhinaus hielt
Putnam am 13. März 1986 an der Rutgers University einen Vortrag mit dem bezeichnenden Titel
Why Meanings Aren't in the Head. Vgl. Putnam: Representation and Reality. S. 26 Anm. 7.
13
Gerade dieses Beispiel stützt sich auf die Begriffe natürlicher Arten wie Gold oder Wasser. Man vgl.
Putnam: The Meaning of Meaning. In: Putnam: Mind, Language and Reality. S. 223­227.
14
Vgl. z. B. Mühlhölzer: ,,Hilary Putnam". S. 468.
15
Vgl. Putnam: The Meaning of Meaning. S. 269: ,,If we know what a `normal form description' of the
meaning of a word should be, then, as far as I am concerned, we know what meaning is in any scientifi-
cally interesting sense." Mit den Thesen zu der Möglichkeit angeborener sprachlicher Tiefenstrukturen
von Noam Chomsky setzt sich Putnam an anderer Stelle auseinander. Man vgl. z. B. Putnam: The
`Innateness Hypothesis' and Explanatory Models in Linguistics. In: Putnam: Mind, Language and
Reality. Philosophical Papers Vol. 2. S. 107­116 und Abschn. 2.2.
5

sind, ist im Zusammenhang der kritischen Auseinandersetzung Putnams II mit den funk-
tionalistischen Thesen der 50er und 60er Jahre von grundlegender Bedeutung.
16
1.3 Physikalismus, Behaviorismus und
Funktionalismus
In den späten 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts werden in der Philosophie des
Geistes im angelsächsischen Sprachraum verschiedene Alternativen zur Erklärung des Be-
wußtseins und seiner Zustände vertreten, die sich folgendermaßen kategorisieren lassen:
dualistische Positionen, die der cartesischen Tradition entsprechen, monistische Positio-
nen, wie sie in der Nachfolge der physikalistischen Programme Rudolf Carnaps und an-
derer Autoren entwickelt werden, und behavioristische Positionen.
17
Der Physikalismus läßt sich bezüglich unserer Frage nach der Natur mentaler Zustän-
de mit der These identifizieren, daß es keine wie auch immer geartete, der physikalisch
faßbaren Materie vergleichbare mentale Substanz geben könne. Mentale Phänomene sind
innerhalb dieser Theorie auf physikalische Ereignisse zurückzuführen und letztlich auch
mit diesen Ereignissen zu identifizieren.
18
Es handelt sich also in erster Linie um eine on-
tologische These, mit der jedoch auch erkenntnistheoretische und bedeutungstheoretische
Erfordernisse reduktionistischer Art einhergehen.
19
Die mentalen Zustände menschlicher
Individuen sollten sich prinzipiell auf neurobiologische Zustände des menschlichen Gehirns
zurückführen lassen.
20
Die physikalischen Grundlagen mentaler Phänomene werden dieser
These entsprechend durch andere Eigenschaften dieser Phänomene überlagert, die jedoch
von diesen Grundlagen abhängig sind.
21
16
Vgl. Abschn. 4.1.
17
Dualistische Theorien werden jedoch weder von Putnam I noch von Putnam II als Alternativen erwogen
oder diskutiert und sind dementsprechend nicht weiter zu erörtern. Man vgl. z. B. Putnam: The Mental
Life of Some Machines. In: Putnam: Mind, Language and Reality. Philosophical Papers Vol. 2. S. 414:
,,It does not, I think, have to be shown that Cartesian dualism is untenable as description of the
`inner life' (. . . ) and of the relation of that inner life to (. . . ) behavior." Man vgl. hierzu auch die in
Abschn. 2.1. erhobenen Einwände gegen eine dualistische Position.
18
Vgl. Lorenz, Kuno & Carrier, Martin: ,,Physikalismus". In: Jürgen Mittelstraß (Hrsg.). Enzyklopädie
Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 3. Stuttgart: J. B. Metzler 1995. S. 237­238. Die Rede
von den physikalisch fassbaren Gegenständen ist insofern mißverständlich, als die moderne Physik
natürlich auch solche Gegenstände kennt, die im herkömmlichen Sinne nicht ,materiell` sind und sehr
abstrakten Charakter haben können.
19
Vgl. Carnap, Rudolf: Testability and Meaning I. In: Philosophy of Science 3 (1936). S. 467: ,,The (. . . )
thesis of Physicalism asserts that every term of the language of science­including beside the physi-
cal language those sub-languages which are used in biology, in psychology, and in social science­is
reducible to terms of the physical language."
20
Der Begriff der Zurückführbarkeit wird an anderer Stelle erörtert. Man vgl. Abschn. 4.2.
21
Ein anschauliches Beispiel für diesen Gedanken findet sich in der Monographie On the Plurality of
Worlds von David Lewis. Vgl. Lewis, David: On the Plurality of Worlds. Oxford: Blackwell 1986.
S. 14: ,,A dot-matrix picture has global properties­it is symmetrical, it is cluttered, and whatnot­and
yet all there is to the picture is dots and non-dots at each point of the matrix. The global properties
6

Diese These läßt sich in stärkeren als auch schwächeren Formen präsentieren. Die Forde-
rung nach eineindeutiger Zuordnung mentaler und physikalischer Zustände ist zweifellos
stärker als die Forderung, jedes mentale Ereignis mit einer physikalischen Eigenschaft ver-
binden zu können. Entsprechende Variationen der physikalistischen Theorie ergeben sich
also aus der Unterscheidung von schematischen Aspekten und den Aspekten der Realisie-
rung.
22
Die entsprechenden Thesen werden als type-identity physicalism und token-identity
physicalism bezeichnet, wobei der letztgenannte Ansatz die schwächere Form darstellt und
auch dualistische Positionen nicht ausschließt.
23
Diese Spielart der physikalistischen Theo-
rie läßt sich folgendermaßen bestimmen:
· Token-identity physicalism:
Für jeden Gegenstand (im Sinne von Objekt, Zustand, Ereignis oder Vorgang) x
gibt es einen physikalischen Gegenstand (im Sinne von Objekt, Zustand, Ereignis
oder Vorgang) y, so daß x = y.
Die Behauptung, daß jeder Gegenstand eine physikalische Eigenschaft habe, schließt die
Möglichkeit nicht aus, daß ein Gegenstand darüberhinaus auch solche Eigenschaften rea-
lisiert, die nicht physikalisch faßbar bzw. in der physikalischen Terminologie nicht zu
beschreiben sind und mit den entsprechenden physikalischen Eigenschaften auch nur un-
ter Vorbehalt in einer Weise korrelieren, die einem physikalischen Gesetz entspricht. Es
wäre also möglich bzw. mit dieser These zu vereinbaren, daß allen mentalen Zuständen
einer bestimmten Art nichts gemeinsam ist, was sich mit der Hilfe einer physikalischen
Terminologie spezifizieren ließe.
Beansprucht man jedoch die stärkere Fassung der physikalistischen Theorie, so ergibt
sich die Möglichkeit solcher Positionen, die mit einem ontologischen Dualismus verträglich
sind, nicht mehr, da jeder realisierten Eigenschaft eine physikalisch faßbare Eigenschaft
entsprechen soll:
· Type-identity physicalism:
Für jede realisierte Eigenschaft F gibt es eine physikalische Eigenschaft G, so daß
F = G.
24
are nothing but patterns in the dots. (. . . ) No two pictures could differ in their global properties
without differing, somewhere, in whether there is or there isn't a dot."
22
Ein anschauliches Beispiel für diese Unterscheidung bietet z. B. das Wort ,Beispiel` selbst. Man ver-
gleiche die beiden Behauptungen, daß a) der Ausdruck ,Beispiel` aus acht Buchstaben bestehe und
daß b) der Ausdruck ,Beispiel` aus sechs Buchstaben bestehe. Wenn man sich auf die Vorkommnisse
der einzelnen Buchstaben bezieht, ist zweifellos die Behauptung a) wahr. Bezieht man sich jedoch auf
die Buchstabentypen, so ist die Behauptung b) wahr. Vgl. Runggaldier, Edmund: Sprachanalytische
Philosophie. Stuttgart: Kohlhammer 1990. S. 30­31.
23
Vgl. z. B. Lorenz, Kuno: ,,type and token". In: Mittelstraß (Hrsg.). Enzyklopädie Philosophie und Wis-
senschaftstheorie. Bd. 4. Stuttgart: J. B. Metzler 1996. S. 359­360.
24
Eine extensionale Formulierung dieser These besagt, daß jede Klasse mentaler Zustände mit einer
bestimmten Klasse physikalischer Zustände identisch bzw. umfangsgleich ist. Ned Block und Jerry
7

Diese These läßt sich wiederum in metaphysischer, jedoch auch in semantischer Hinsicht
interpretieren. Der ontologische Anspruch ist offensichtlich. Der semantische Anspruch gilt
der Möglichkeit, jedem psychischem (genauer gesagt jedem nicht-physikalischen) Prädikat
ein physikalisches Prädikat zuordnen und die mißliche Rede von mentalen Zuständen
somit vermeiden zu können.
25
Die semantische Interpretation läßt sich auch auf die zweite bedeutende Theorie des
Geistes übertragen, die in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts im
angelsächsischen Sprachraum zur Erklärung mentaler Phänomene herangezogen wurde,
auf den philosophischen oder logischen Behaviorismus. Diese These geht in u. a. auf die
Vorschläge von Gilbert Ryle, Burrhus F. Skinner, Quine und anderen Autoren zurück,
identifiziert mentale Gegenstände jedoch nicht mit physikalischen Gegenständen im klas-
sischen Sinne, sondern mit verbalen und/oder nonverbalen Verhaltensmustern und ent-
sprechenden Dispositionen.
26
Diese These kann in Anlehnung an die beiden schematischen
Definitionen der physikalistischen Theorie folgendermaßen bestimmt werden:
· Behaviorism:
Für jedes psychologische Prädikat F gibt es ein Prädikat der Verhaltensdisposition
G, so daß F = G.
27
Die behavioristische These besagt also einerseits, daß allen mentalen Phänomenen, die
man als Phänomene einer bestimmten Art bezeichnen kann, etwas gemeinsam sein muß,
A. Fodor beschreiben den Standpunkt des typentheoretischen Physikalismus hinsichtlich der Identität
mentaler Zustände von gleichartigen und verschiedenartigen Organismen folgendermaßen: ,,(. . . ) some
(though not all) varieties of physicalism claim that organisms are in type-identical psychological states
if and only if certain of their physical states are type-identical." Vgl. Block, Ned & Fodor, Jerry
A.: What Psychological States Are Not. In: Philosophical Review 81 (1972). S. 159. Die Ausdrücke
,typentheoretischer` und ,zeichentheoretischer Physikalismus` finden sich nicht in der Literatur; es
handelt sich hierbei um meine Übersetzung der fraglichen Terme aus dem Englischen.
25
Nicht-reduktionistischen Spielarten der physikalistischen Theorie sind an dieser Stelle nicht weiter zu
erörtern. Vgl. hierzu beispielsweise Lacey, Alan R.: Mind and Body: Non-Reductionist Theories. In:
George H. R. Parkinson (ed.). An Encyclopaedia of Philosophy. London: Routledge & Kegan Paul
1988. S. 381­401. Zu den modernen Ursprüngen der physikalistischen Theorie in der Philosophie des
Geistes und ihrer Entwicklung vgl. man auch Kutschera, Franz von: Carnap und der Physikalismus.
In: Erkenntnis 35 (1991). S. 305­324.
26
Vgl. Rachlin, Howard: The Explanatory Power of Skinner's Radical Behaviorism. In: Sohan Modgil
& Celia Modgil (eds.). B. F. Skinner. Consensus and Controversy. New York: Falmer Press 1987.
S. 156: ,,Behaviorism (is) the belief that mental terms refer to overt behaviour of intact organisms.
(. . . ) Each mental term stands for a pattern of overt behavior. This may include such mental terms
as `sensation', `pain', `love', `hunger' and `fear' (. . . ) as well as more complex mental states such
as `belief' and `intelligence' that are sometimes said to be `complex mental states' and sometimes
`intentional acts'." Vgl. auch Skinner, Burrhus F. About Behaviorism. New York: Random House 1976.
27
Eine entsprechende Formulierung findet sich wiederum bei Block und Fordor. Vgl. Block & Fodor:
What Psychological States Are Not. S. 163: ,,Philosophical behaviorism may be broadly characterized
as the view that for each psychological predicate there is a behavioral predicate to which it bears a
`logical relation' (. . . )."
8

das sich mit den Begriffen der Verhaltensbeschreibung spezifizieren läßt, und daß man
mentale Begrifflichkeiten somit zugunsten solcher Terme eliminieren kann, die sich auf
Verhaltensäußerungen und entsprechende Dispositionen beziehen. Andererseits ließe sich
der logische Behaviorismus natürlich ebenfalls im Sinne der ontologischen These deuten,
daß es letztlich keine mentalen Gegenstände gebe, auf die man sich beziehen könne.
Die historischen Ursprünge der funktionalistischen Theorie des Geistes liegen möglicher-
weise in den Schriften des Aristoteles, sind jedoch im Rahmen der vorliegenden Arbeit
nicht eingehender zu erörtern.
28
Die moderne Form der funktionalistischen Theorie entsteht vor allem in der Ausein-
andersetzung mit typentheoretischen Varianten der physikalistischen Theorie und den
behavioristischen Thesen zur Erklärung mentaler Zustände einschließlich der Bedeutung
von entsprechenden Termen. Es tragen folglich nicht nur metaphysische, sondern auch
bedeutungstheoretische und linguistische Erwägungen zur Entwicklung einer Theorie bei,
die sich aus verschiedenen Quellen speist und in ihren modernen Anfängen nicht nur von
Putnam I, sondern auch von anderen Autoren in verschiedenen Formen entwickelt wird.
29
Neben Putnam und Fodor, von denen eine Theorie mentaler Zustände im Sinne bere-
chenbarer Zustände einer maschinenähnlichen Organisationsform entwickelt wird, tragen
in den 50er und 60er Jahren auch John J. C. Smart mit den Vorschlägen zur Beschrei-
bung von Sinneswahrnehmungen in ontologisch neutralen Ausdrücken, in ,,quasi-logical
or topic-neural words", David Lewis und David Armstrong mit zahlreichen Beiträgen zu
der Entstehung und Entwicklung des funktionalistischen Ansatzes bei.
30
Eine andere, an
bedeutungstheoretischen Erwägungen orientierte Spielart der funktionalistischen Theorie
entwickelt sich schließlich aus der in den Philosophischen Untersuchungen von Wittgen-
stein skizzierten Gebrauchstheorie der Bedeutung, die u. a. von Wilfrid S. Sellars, Gilbert
Harman und anderen entwickelt wird und sich mit dem Stichwort der begrifflichen Rolle
als Indikator der Bedeutung einzelner Ausdrücke verbindet.
31
28
Man vgl. hierzu beispielsweise Nussbaum, Martha. C.: Aristotle's De motu animalium. Princeton: Prin-
ceton University Press 1978, Nussbaum, Martha C. & Putnam, Hilary: Changing Aristotle's Mind. In:
Martha. C. Nussbaum & Albert O. Rorty (eds.). Essays on Aristotle's De Anima. Oxford: Clarendon
Press 1992. S. 27­56, Hartman, Edwin: Substance, Body and Soul. Princeton: Princeton University
Press 1977 und Green, Christopher D.: The Thoroughly Modern Aristotle: Was He Really a Functio-
nalist? In: History of Psychology 1 (1998). S. 8­20.
29
Vgl. Block: ,,Functonalism". In: Donald M. Borchert The Encyclopaedia of Philosophy Supplement.
New York: Macmillan
10
1996. S. 206­207.
30
Vgl. z. B. Smart, John J. C.: Sensations and Brain Processes. In: Philosophical Review 68 (1959). S. 141­
156. Die verschiedenen Thesen dieser Autoren werden im den folgenden Abschnitten detaillierter zu
berücksichtigen sein. Man vgl. hierzu Abschn. 2.2.
31
Man vgl. z. B. Sellars, Wilfrid S.: Science, Perception and Reality. London: Routledge & Kegan Paul
1963. S. 197­246, Science and Metaphysics. London: Poutledge & Kegan Paul 1968. S. 91­115, Harman,
Gilbert: Thought. Princeton: Princeton University Press 1973. S. 54­66 und Field, Hartry: Logic,
Meaning and Conceptual Role. In: Journal of Philosophy 69 (1977). S. 379­408.
9

Die Entwicklung einer eigenen Theorie des Geistes beginnt für Putnam mit der Veröf-
fentlichung einer Reihe von Aufsätzen in den späten 50er und 60er Jahren. In dem 1963
erschienenen Aufsatz Brains and Behavior vertritt er z. B. den Standpunkt, daß der lo-
gische Behaviorismus mit einer unhaltbaren Bedeutungstheorie einhergehe. Putnam geht
an dieser Stelle von dem aus, was er für die beiden grundlegenden Thesen des logischen
Behaviorismus hält, daß nämlich a) eindeutige und prinzipiell nachvollziehbare, wenn auch
nicht analytische Beziehungen (im klassischen Sinne) zwischen den mentalen Zuständen
und den Formen des äußeren Verhaltens bzw. den entsprechenden Dispositionen bzw. ih-
ren Beschreibungen bestehen sollen, und daß b) nur deshalb keine Übersetzung (im klas-
sischen Sinne) von mentalen Termen in solche der empirischen Verhaltensbeschreibung
möglich sei, weil die Rede von den mentalen Gegenständen und Phänomenen prinzipiell
unschärfer sei als die Rede der empirischen Verhaltensbeschreibung, und man sich folglich
mit einer schwächeren Form der Übersetzung zufrieden geben müsse. Auf dieser Grundla-
ge wird die Theorie der Identifikation von mentalem Zustand und Verhaltensdisposition
kritisiert.
32
Diese Kritik stützt sich vor allem darauf, daß sich mentale Ausdrücke auch auf eigen-
psychische Gegenstände beziehen können, die sich ebenfalls auf das empirisch faßbare
Verhalten auswirken sollen.
33
In dem 1967 erschienen Artikel The Nature of Mental States wiederum kritisiert Put-
nam die grundlegende ontologische These des typentheoretischen Physikalismus, daß jede
Klasse mentaler Zustände mit einer entsprechenden Klasse von Zuständen des zentralen
Nervensystems zu identifizieren sei, u. a. mit einem Argument, das mehrfach erscheint
und als Argument der Flexibilität mentaler Zustände bezeichnet werden kann.
34
Die Tat-
sache, daß man mentale Zustände der gleichen Art auch solchen Individuen sinnvoller-
weise zusprechen könne, deren Nervensysteme hinsichtlich physikalischer Beschreibungen
ungleichartig seien, spreche gegen eine Identifikation von mentalen Zuständen und Ge-
hirnzuständen. Für Putnam I sind mentale Zustände im Hinblick auf ihre physikalischen
Grundlagen, genauer gesagt im Hinblick auf ihre physikalische Realisierung flexibel.
35
32
Vgl. Putnam: Brains and Behavior. In: Putnam: Mind, Language and Reality. Philosophical Papers
Vol. 2. S. 327. Diese Arbeit ist zuerst erschienen in Butler, Roland J. (ed.). Analytical Philosophy.
Second Series. Oxford: Blackwell 1963. S. 325­341.
33
Vgl. Putnam: Brains and Behavior. S. 334: ,,Pains are responsible for certain kinds of behavior­but only
in the context of our beliefs, desires, ideological attitudes, and so forth. From the statement `X has a
pain' by itself no behavioral statements follow­not even a behavioral statement with a `normally' or
a `probably' in it."
34
Die Entwicklung der funktionalistischen These Putnams schlägt sich in den meisten Veröffentlichungen
nieder, die sich im zweiten Band der Philosophical Papers finden und wird im dritten Kapitel dieser
Arbeit näher zu untersuchen sein. Vgl. Abschn. 3.1­3.4. Der Aufsatz The Nature of Mental States ist
zuerst unter dem Titel Psychological Predicates in W. H. Capitan & D. Merrill (eds.). Art, Mind and
Religion. Pittsburgh: University of Pittsburgh Press. S. 37­48 erschienen.
35
Auch Putnam II vertritt diesen Standpunkt, wendet das Fexibilitätsargument jedoch gegen die funk-
tionalistische Theorie. Vgl. Abschn. 4.1­4.4
10

Die Kernaussage der funktionalistischen Theorie besteht darin, daß mentale Zustände
durch die funktionale Ordnung ihrer (möglicherweise kausalen) Beziehungen zu anderen
mentalen Zuständen, den sinnlichen Wahrnehmungen und den Verhaltensdispositionen
bzw. Verhaltensmustern gekennzeichnet sind. Es finden sich folglich wesentliche Elemente
der behavioristischen Theorie in dieser Kernaussage wieder, insofern die Beziehungen
zwischen sinnlichen Reizen und Verhaltensäußerungen die Grundlage behavioristischer
Erklärungen mentaler Phänomene darstellen.
36
Diese Kernaussage macht offensichtlich
keine ontologischen Ansprüche geltend, wie sie physikalistische Theorien mit sich bringen.
Um mit Wittgenstein zu sprechen, wird die ontologische Frage, was ein mentaler Zustand
bzw. was die Substanz eines mentalen Zustandes ist, zugunsten der Frage aufgegeben, wie
sich mentale Zustände gestalten und wodurch sie sich auszeichnen.
37
Die funktionale (und möglicherweise kausale) Ordnung von sinnlicher Wahrnehmung,
mentalem Zustand, Folgezustand und Verhaltensäußerung wird in den funktionalistischen
Theorien häufig mit der funktionalen Ordnung eines Computers, genauer gesagt eines ab-
strakten Modells der Computerwissenschaft. Das bekannteste Modell ist die von Alan M.
Turing entwickelte und gleichnamige Maschine. Diese Maschine verfügt über eine festge-
legte Anzahl möglicher Zustände, wobei die Übergänge von einem gegebenen Ausgangs-
zustand in einen anderen Zustand von entsprechenden Eingaben einerseits und von der
Maschinentafel, der funktionalen Definition andererseits abhängen und jeder Zustand dar-
überhinaus mit einer entsprechenden Ausgabe einhergehen kann (aber nicht muß).
38
Die
Vorteile einer solchen Definition mentaler Zustände bestehen u. a. darin, daß sich jede
funktionale Ordnung in vielfältiger Weise realisieren läßt und der gleiche physikalische
Komplex eine Vielzahl funktionaler Ordnungen realisieren kann. Darüberhinaus kann
man gewissermaßen indirekt über mentale Zustände sprechen, ohne sich auf metaphy-
sische Gegenständ einer bestimmten Art oder Substanz einlassen zu müssen. Um einen
mentalen Zustand diesem Modell entsprechend zu definieren, muß man lediglich über die
physikalische Realisierung des Zustandes innerhalb einer funktionalen Ordnung sprechen.
Das folgende Beispiel verdeutlicht diesen Vorteil:
Man betrachte eine Minimaltheorie der mentalen Zustände menschlicher Individuen,
die die Beziehungen zwischen diesen Zuständen, den Wahrnehmungen und entsprechen-
den Verhaltensäußerungen beschreibt. Im Hinblick auf den Zustand Schmerz könnte man
36
Die anspruchsvolle Rede von einer Kernaussage der funktionalistischen Theorie ist trotz zahlreicher
Spielarten dieser Theorie insofern zulässig als alle mir bekannten Vertreter funktionalistischer Ansät-
ze diese Kernaussage in ihrer allgemeinen Form beanspruchen. Vgl. Levin, Janet M.: Functionalism,
Qualia and Content. Dissertation. Cambridge, Massachusetts: Massachusetts Institute of Technolo-
gy 1980. S. 7­8. Die Einzelheiten der folgenden Darstellung würden jedoch nicht von allen Autoren
anerkannt.
37
Vgl. Wittgenstein: Tractatus logico-philosophicus. Suhrkamp Werkausgabe Bd. 1. Frankfurt: Suhrkamp
Verlag
11
1997. Satz 3.221 (S. 19): ,,(. . . ) Ein Satz kann nur sagen, wie ein Ding ist, nicht was es ist."
38
Vgl. hierzu Balke, Ludwig & Böhling, Karl H.: Einführung in die Automatentheorie und Theorie for-
maler Sprachen. Mannheim: BI-Wissenschaftsverlag 1993. S. 10­17. Vgl. auch die Abschn. 2.2. und
3.2.1.
11

dieser Theorie entsprechend sagen, daß Verbrennungen diesen Zustand auslösen, daß das
betreffende Individuum daraufhin in den Folgezustand der Verwunderung übergehe und
der Zustand der Verwunderung seinerseits die Äußerung ,,Oh!"verursache. Der Zustand
Schmerz ließe sich innerhalb dieser Theorie in der Form des sogenannten Ramsey-Satzes
der Theorie definieren:
· x hat Schmerzen =
df
PQ(Verbrennungen verursachen P & P verursacht sowohl
Q als auch die Äußerung ,,Oh!"& Px)
39
Nach Ansicht verschiedener Autoren lät sich jeder Ausdruck, der auf theoretische oder
mentale Gegenstände referiert, innerhalb einer psychologischen Theorie dergestalt erfassen
und definieren.
40
Man betrachte beispielsweise die psychologische Theorie T, die genau n
Ausdrücke enthalte, die sich auf mentale Zustände beziehen. Der dritte Ausdruck in dieser
Folge beziehe sich auf den Zustand Schmerz. Dieser Zustand bzw. die Tatsache, daß sich
jemand in diesem Zustand befindet, lasse sich relativ zu T wiederum definieren:
· x hat Schmerzen =
df
S
1
. . . S
n
(T (S
1
. . . S
n
, I
1
. . . I
n
, O
1
. . . O
n
) & S
3
x)
41
Die funktionalistische Theorie beansprucht die ontologische Neutralität aufgrund der Mög-
lichkeit, mit solchen Ausdrücken über mentale Gegenstände zu sprechen, die sich ihrerseits
auf physikalische Größen oder kausale Relationen beziehen, ontologisch also weniger ver-
dächtig sein sollen als die fragwürdigen Bezugsgegenstände von ,mentalen Ausdrücken`,
und den ontologischen Status mentaler Zustände anonsten unbestimmt zu lassen.
42
39
Vgl. Block: Functionalism. In: L. Jonathan Cohen & Jerzy Lo & Helmut Pfeiffer & Kaus-Peter Po-
dewski (eds.). Logic, Methodology and Philosophy of Science Vol. VI. Amsterdam: North Holland Pu-
blishing 1982. S. 524. Streng genommen wird jedoch nicht der mentale Zustand als solcher definiert,
sondern lediglich der Umstand, daß sich die Person x in diesem Zustand befindet.
40
Vgl. Block: ,,Functionalism". S. 208.
41
Die Buchstaben S
1
. . . S
n
dienen als Stellvertreter der n mentalen Ausdrücke der Theorie T, während
die Buchstaben I
1
. . . I
n
und O
1
. . . O
n
als Kennzeichnungen zu verstehen sind, die sich auf äußere
Reize (Input) und Verhaltensäußerungen (Output) beziehen. Eine solche Beispieldefinition findet sich
z. B. auch in dem Artikel Block: Troubles with Functionalism. In: Ned Block (ed.). Readings in the
Philosophy of Psychology. Vol. I. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press 1980. S. 272­
273.
42
Das Prädikat T (S
1
. . . S
n
, I
1
. . . I
n
, O
1
. . . O
n
) & S
3
x, das in der Beispieldefintion enthalten ist, weist
lediglich solche Kennzeichnungen auf, die sich auf physikalisch fassbare Gegenstände, auf äußere Rei-
ze und Verhaltensäußerungen beziehen, während die psychologischen Ausdrücke der Theorie T durch
Variablen ersetzt worden sind. Man könnte natürlich mit Quine den Einwand erheben, daß im Rah-
men einer solchen Definition über mentale Zustände quantifiziert wird, in einer solchen Definition
also Existenzaussagen gemacht werden. Dieser Einwand gewinnt insofern an Gewicht als auch andere
Definitionsschemata aus dem Umfeld der funktionalistischen Theorie in der Regel derartige Existenz-
annahmen beinhalten. Vgl. z. B. Bealer, George: An Inconsistency in Functionalism. In: Synthese 38
(1977). S. 333­372 und Thomas, Stephen N.: The Formal Mechanics of Mind. Ithaca: Cornell Universi-
ty Press 1978. Es ist jedoch nicht zu bestreiten, daß die fraglichen Ausdrücke im Rahmen einer solchen
Definition paraphrasiert bzw. durch Variablen ersetzt werden und die Gegenstände des Werteberei-
12

Darüberhinaus hat sich aus dieser These auch eine Reihe von Bedeutungstheorien ent-
wickelt, die der behavioristischen Bedeutungstheorie in ihren Grundzügen zwar nicht un-
ähnlich sind, über diese jedoch hinausgehen und sich zu einem großen Teil mit dem Stich-
wort der prozeduralen Semantik verbinden. Die Bedeutung eines Ausdruckes erscheint
auch in diesem Zusammenhang als Funktion verschiedener Größen.
43
1.4 Zusammenfassung
Der theoretische Komplex, aus welchem sich der Funktionalismus als Theorie des Gei-
stes entwickelt, erschöpft sich nicht in der Frage nach dem Wesen mentaler Zustände. Er
zerfällt in verschiedene Teilfragen, die nicht nur metaphysische, sondern auch erkenntnis-
theoretische und bedeutungstheoretische Probleme betreffen und in der philosophischen
Diskussion seit langer Zeit verhandelt werden. Dennoch scheinen diese Fragen entweder
um das Was oder das Wie mentaler Zustände zu kreisen, um die Seinsgrundlage, die
Ontologie des Bewußtseins und um seine Beschaffenheit in Beziehung zu einer möglichen
Außenwelt. Eine zusammenfassende Frage läßt sich folgendermaßen formulieren: ,,What
is there in common to all mental states in virtue of which they are mental states and
what is there in common to all mental states of a certain kind in virtue of which they are
mental states of that certain kind?"
44
Die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert im angelsächsischen Sprachraum vor-
herrschenden Theorien des Geistes vertreten in dieser Auseinandersetzung eindeutige er-
kenntnistheoretische und ontologische Positionen. Sowohl die Vertreter physikalistischer
Ansätze als auch die Autoren, die sich an den Thesen des philosophischen Behavioris-
mus orientieren, stimmen gewöhnlich darin überein, daß es nur eine einzige materielle
Seinsgrundlage geben könne.
45
Dementsprechend beanspruchen sowohl die stärkere phy-
sikalistische Theorie als auch der philosophische Behaviorismus bedeutungstheoretische
Entwürfe, die dieser ontologischen Position entsprechen.
In den 50er und 60er Jahren distanzieren sich Hilary Putnam, Jerry A. Fodor und an-
dere Autoren mit solchen Überlegungen von derartigen Thesen, die keine ontologischen
Entscheidungen erfordern, um eine brauchbare Theorie des Geistes zu entwickeln. Das
Wesen eines mentalen Zustandes liegt diesen Annahmen entsprechend ausschließlich in
der funktionalen Ordnung verschiedener Größen, genauer gesagt in den funktionalen Be-
ches solcher Variablen, von den besagten Existenzannamen einmal abgesehen, nicht näher bestimmt
werden müssen. Der Anspruch ontologischer Neutralität ist an einem Turingmodell insofern besser
zu veranschaulichen als die einzelnen Zustände einer Turingmaschine nur durch ihre Beziehungen zu
anderen Zuständen und Eingaben und Ausgaben definiert werden und ansonsten unbestimmt bleiben.
43
Man vgl. beispielsweise Peacocke, Christopher: A Study of Concepts. Cambridge, Massachusetts: Mas-
sachusetts Institute of Technology Press 1992.
44
Diese Frage findet sich in der einen oder anderen Form in zahlreichen Veröffentlichungen zur Philosophie
des Geistes. Vgl. z. B. Block: Functionalism. S. 520.
45
Die verbliebenen Vertreter dualistischer Theorien oder sogenannter Drei-Welten-Theorien sind in die-
sem Zusammenhang nicht zu berücksichtigen. Vgl. wiederum Anm. 30.
13

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783836610667
DOI
10.3239/9783836610667
Dateigröße
904 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn – Philosophie, Logik und Grundlagenforschung
Erscheinungsdatum
2008 (März)
Note
1,8
Schlagworte
funktionalismus philosophie geistes physikalismus behaviorismus bedeutungstheorie
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