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Die umweltökonomische Bewertung des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes - ElektroG

©2006 Diplomarbeit 91 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Der Computer, mit dessen Hilfe diese Arbeit entstanden ist, wird fünf Jahre alt, damit hat er das elektronische Rentenalter schon fast erreicht. Das Gerät muss also bald auf den Müll. Die Frage ist nur auf welchen? Gleiches gilt für die vielen kleinen elektronischen „Helfer“, sei es der Radiowecker, die Kaffeemaschine oder der Wasserkocher, sie alle gehören für uns ganz selbstverständlich zum Alltag. So verkaufen Hersteller von Elektro- und Elektronikgeräten pro Jahr ca. 1,1 Mio. Tonnen neue Geräte in diesem Bereich. Gerade die Elektrobranche steht unter dem Druck, immer neue und leistungsfähigere Produkte auf den Markt zu bringen. Somit unterliegen die Elektrogeräte schnellen und kurzlebigen Innovationszyklen und funktionsfähige Geräte werden oft einfach nur gegen neuere und schnellere Geräte ausgetauscht. Dadurch steigt die Abfallmenge ausgedienter Elektrogeräte und dieses lässt die Elektroschrottberge stetig wachsen.
Elektrogeräte stellen eine vergleichsweise schadstoffhaltige und ressourcenintensive Abfallfraktion dar. Sie enthalten eine Reihe von Stoffen, die den Menschen und die Umwelt belasten können. Durch die Entsorgung der Elektrogeräte auf Deponien können unkontrolliert Schadstoffe in die Umwelt gelangen, und durch die Verbrennung der Geräte in Müllverbrennungsanlagen werden zusätzlich umweltbelastende Emissionen freigesetzt. Bislang waren in Deutschland allein die kommunalen Entsorger für die Entsorgung von Elektrogeräten zuständig. Dabei lag der Zielansatz in einer möglichst weitgehenden Schadstoffentfrachtung des Restmülls, d. h. vorrangig wurden beispielsweise bei Kühlschränken schadstoffhaltige Bauteile entfernt, und die verbliebenen Reststoffe über die Mischschrottfraktionen verwertet. Ein Großteil der Elektro- und Elektronikabfälle, vor allem die Elektrokleingeräte wie z. B. Haartrockner, Rasierapparate und Mobiltelefone, landeten aber weiterhin in dem Restabfall und damit später auf einer nicht basisdichten Deponie oder wurden einer thermischen Verwertung zugeführt.
Die Europäische Union (EU) reagierte auf diese wachsenden Elektroschrottberge und die damit verbundenen Entsorgungsprobleme. So formulierte sie zwei Richtlinien, die zum einen die Schadstoffeinträge reduzieren und zum anderen eine möglichst vollständige Verwertung der Elektrogeräte gewährleisten sollten. Die deutsche Umsetzung der europäischen Vorgaben erfolgte darauf hin in dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz. Demnach sind künftig […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung und Problemstellung

2 Die Gesetzgebung
2.1 Historische Entwicklung des ElektroG
2.1.1 Ziele der nationalen Umsetzung
2.1.2 Das Kreislaufwirtschaftsgesetz
2.1.3 Zusammenarbeit von Regierung und Wirtschaft
2.2 Die betroffenen Akteure
2.2.1 Die Rolle der Hersteller im ElektroG
2.2.2 Die Rolle der öffentlich-rechtlichen Entsorger
2.2.3 Die Funktion der „Gemeinsamen Stelle“
2.3 Elektro- und Elektronikaltgeräte und ihre Entsorgung

3 Umweltpolitische Aspekte und instrumentelle Einordnung
des Gesetzes
3.1 Grundsätze der Umweltpolitik
3.1.1 Verursacher- und Gemeinlastprinzip
3.1.2 Vorsorge- und Kooperationsprinzip
3.2 Lösungsansätze in der Umweltpolitik
3.2.1 Ordnungsrechtliche Instrumente
3.2.2 Indirekt wirkende Instrumente
3.2.3 Neue ökonomische Instrumente
3.3 Akteurskategorien in der Umweltpolitik
3.3.1 Die direkten Umweltakteure
3.3.2 Die indirekten Umweltakteure
3.4 Beurteilungskriterien für umweltpolitische Maßnahmen
3.5 Das Instrument der Rücknahmeverpflichtung

4 Analyse des ElektroG aus Sicht der neoklassischen Umwelt- und Ressourcenökonomik
4.1 Grundlagen der neoklassischen Umwelt- und Ressourcenökonomik
4.1.1 Externalisierung von Umweltkosten und Umwelt als öffentliches Gut
4.1.2 Wirtschaftspolitischer Handlungsbedarf im ElektroG
4.2 Umweltökonomische Bewertung des ElektroG
4.2.1 Ökonomische Effizienz
4.2.2 Ökologische Wirksamkeit
4.2.3 Praktikabilität, Flexibilität, Akzeptanz
4.2.4 Dynamische Anreizwirkungen
4.2.5 Systemkonformität
4.3 Systemalternativen zum ElektroG
4.3.1 Kollektivsysteme
4.3.2 Individualsysteme
4.3.3 Zertifikatmodell
4.4 Zwischenfazit zum ElektroG

5 Analyse des ElektroG aus Sicht der ökologischen Ökonomik
5.1 Grundlegende Aspekte der ökologischen Ökonomik
5.1.1 Ziele der ökologischen Ökonomik
5.1.2 Das Entropiegesetz und die Ökonomik
5.1.3 Nachhaltige Entwicklung
5.2 Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz
5.2.1 Stoffkreisläufe und Belastungsgrenzen
5.2.2 Steigerung der Ressourceneffizienz
5.3 Nachhaltige Abfallwirtschaft
5.3.1 Ziele einer nachhaltigen Abfallwirtschaft
5.3.2 Bewertungskriterien für die Abfallwirtschaft
5.4 Bewertung des ElektroG
5.4.1 Ökologische Wirksamkeit
5.4.2 Ökonomische Effizienz
5.4.3 Praktikabilität, Flexibilität, Akzeptanz
5.4.4 Dynamische Anreizwirkungen
5.4.5 Systemkonformität
5.5 Zwischenfazit zur ökologischen Ökonomik
5.6 Strategieansätze für die Zukunft
5.6.1 Remanufacturing
5.6.2 Einführung eines Pfandsystems
5.6.3 Mieten bzw. Öko-Leasing

6 Fazit und Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Stoffströme im ökologisch ökonomischen System

Abbildung 2: Zeitablauf der umzusetzenden Herstellerverpflichtungen

Abbildung 3: Erwartete Verteilung Elektroaltgeräte- Abfallmengen aus privaten Haushalten ab 2005

Abbildung 4: Das ökonomische Subsystem und die Entropie

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Verwertungsquoten für Elektroaltgeräte nach WEEE

Tabelle 2: Sammelkategorien der WEEE und des ElektroG

Tabelle 3: Jährliche Schätzungen für Elektroaltgeräte in Deutschland

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung und Problemstellung

Der Computer, mit dessen Hilfe diese Arbeit entstanden ist, wird fünf Jahre alt, damit hat er das elektronische Rentenalter schon fast erreicht. Das Gerät muss also bald auf den Müll. Die Frage ist nur auf welchen? Gleiches gilt für die vielen kleinen elektronischen „Helfer“, sei es der Radiowecker, die Kaffeemaschine oder der Wasserkocher, sie alle gehören für uns ganz selbstverständlich zum Alltag. So verkaufen Hersteller von Elektro- und Elektronikgeräten[1] pro Jahr ca. 1,1 Mio. Tonnen neue Geräte in diesem Bereich. Gerade die Elektrobranche steht unter dem Druck, immer neue und leistungsfähigere Produkte auf den Markt zu bringen. Somit unterliegen die Elektrogeräte schnellen und kurzlebigen Innovationszyklen und funktionsfähige Geräte werden oft einfach nur gegen neuere und schnellere Geräte ausgetauscht. Dadurch steigt die Abfallmenge ausgedienter Elektrogeräte und dieses lässt die Elektroschrottberge stetig wachsen (Vgl. UBA 2005).

Elektrogeräte stellen eine vergleichsweise schadstoffhaltige und ressourcenintensive Abfallfraktion dar. Sie enthalten eine Reihe von Stoffen, die den Menschen und die Umwelt belasten können. Durch die Entsorgung der Elektrogeräte auf Deponien können unkontrolliert Schadstoffe in die Umwelt gelangen, und durch die Verbrennung der Geräte in Müllverbrennungsanlagen werden zusätzlich umweltbelastende Emissionen freigesetzt. Bislang waren in Deutschland allein die kommunalen Entsorger für die Entsorgung von Elektrogeräten zuständig. Dabei lag der Zielansatz in einer möglichst weitgehenden Schadstoffentfrachtung des Restmülls, d. h. vorrangig wurden beispielsweise bei Kühlschränken schadstoffhaltige Bauteile entfernt, und die verbliebenen Reststoffe über die Mischschrottfraktionen verwertet. Ein Großteil der Elektro- und Elektronikabfälle, vor allem die Elektrokleingeräte wie z. B. Haartrockner, Rasierapparate und Mobiltelefone, landeten aber weiterhin in dem Restabfall und damit später auf einer nicht basisdichten Deponie oder wurden einer thermischen Verwertung zugeführt (Vgl. Höppner 2006, S. 93).

Die Europäische Union (EU) reagierte auf diese wachsenden Elektroschrottberge und die damit verbundenen Entsorgungsprobleme. So formulierte sie zwei Richtlinien, die zum einen die Schadstoffeinträge reduzieren und zum anderen eine möglichst vollständige Verwertung der Elektrogeräte gewährleisten sollten. Die deutsche Umsetzung der europäischen Vorgaben erfolgte darauf hin in dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG 2005).[2] Demnach sind künftig Hersteller verpflichtet ihre in den Verkehr gebrachten Elektrogeräte nach der Nutzung zurückzunehmen und nach bestimmten ökologischen Standards zu entsorgen. Der bisherige Zielansatz einer weitgehenden Schadstoffentfrachtung der Elektrogeräte durch die öffentlich-rechtlichen Entsorger wird damit um die Produktverantwortung der Hersteller erweitert. Dabei stehen die Ziele wie Abfallvermeidung, Wiederverwendung und stoffliche Verwertung im Vordergrund.

Die vorliegende Arbeit versucht, das ElektroG einer umweltökonomischen Bewertung zu unterziehen, da im ElektroG das umweltpolitische Instrument einer Rücknahmeverpflichtung angewendet wird. Dabei soll das ElektroG aus zwei theoretischen Sichtweisen näher betrachtet werden. Zum einen wird das Gesetz aus Perspektive der neoklassischen Umwelt- und Ressourcenökonomik (URÖ) näher betrachtet, und zum anderen aus Sicht der ökologischen Ökonomik. Anhand verschiedener umweltökonomischer Beurteilungskriterien werden diese beiden Ansätze auf das ElektroG bezogen und miteinander verglichen. Die Einordnung der gesetzlich getroffenen Vorgaben in diese beiden Theorien soll dem Verständnis dienen, letztendlich eine Aussage darüber treffen zu können, ob sich das ElektroG in eines der beiden Modelle einordnen lässt.

Es stellt sich die Frage, inwieweit die gesetzlich getroffenen Maßnahmen zu einer Reduzierung des Elektroabfalls beitragen, und inwiefern die eingangs erwähnten Entsorgungsprobleme gelöst werden können.

In Kapitel 2 werden die neuen gesetzlichen Anforderungen näher beschrieben. Des Weiteren werden die Rechte und Pflichten der betroffenen Akteure dargestellt und ausführlicher beleuchtet. Nach einer einführenden Problembeschreibung der Entsorgung von Elektroaltgeräten stehen dann unter Kapitel 3 umweltpolitische Aspekte im Mittelpunkt. Anschließend wird eine instrumentelle Einordnung des ElektroG vorgenommen.

Ferner wird in Kapitel 4 das ElektroG aus Sicht der neoklassischen URÖ bewertet, um dieses dann drei alternativen Systemen zur Entsorgung von Elektroabfall gegenüberzustellen. Das Kapitel 4 schließt mit einem Zwischenfazit ab.

Unter Kapitel 5 folgt eine weitere umweltökonomische Betrachtung aus Perspektive der ökologischen Ökonomik. Nach einem weiteren Zwischenfazit werden alternative Lösungsansätze vorgestellt, um die das ElektroG erweitert werden könnte. Abschließend erfolgt unter Kapitel 6 ein Fazit aus den gewonnenen Erkenntnissen.

2 Die Gesetzgebung

Durch die Verabschiedung der EU-Richtlinie „Waste of Electrical an Electronic Equipment“ (WEEE 2003)[3] und der Richtlinie über „Restriction of the use of certain Hazardous Substances in Electrical and Electronic Equipment“ (RoHS 2003)[4] im Februar 2003, wurden die kostenlose Rückgabemöglichkeit von Elektro- und Elektronikaltgeräten[5] aus privaten Haushalten sowie einige Verbote für bestimmte Schadstoffe eingeführt. Die EU-Länder hatten die Aufgabe, bis August 2005 die europäischen Vorgaben in nationales Recht umzusetzen und ein entsprechendes Rücknahmesystem zu entwickeln.

2.1 Historische Entwicklung des ElektroG

Schon seit Ende der 80er Jahre dachte man über eine Verabschiedung einer so genannten Elektronik-Schrott-Verordnung nach. Sie basierte auf der Grundlage, dass Hersteller zur Rücknahme ihrer Geräte nach dem Gebrauch verpflichtet werden sollten. Erst 1991 wurde durch das Bundesumweltministerium ein erster Referentenentwurf einer „Verordnung über die Vermeidung, Verringerung und Verwertung von Abfällen gebrauchter elektrischer und elektronischer Geräte“ vorgelegt (Vgl. Rogall 2000, S. 271). Hierzu fand eine Anhörung aller beteiligten Kreise statt. Aufgrund dieser Anhörung legte das Bundesumweltministerium 1992 einen zweiten Referentenentwurf der Öffentlichkeit vor. Dieser fand aber keine politischen Mehrheiten und wurde daher abgelehnt. Ein dritter Entwurf, der den Stand der Diskussionen aufzeigte, konnte 1994 nicht verabschiedet werden und so wurde eine „priority-waste-streams“ Arbeitsgruppe (S. 273) auf EG-Ebene gebildet. Seit 1995 unter der schwarz-gelben Regierung beschäftigte sich das Bundesumweltministerium mit einer Verordnung über einzelne Gruppen von Elektroaltgeräten, der so genannten „IT-Altgeräte-Verordnung“. Geplant waren Verordnungen über einzelne Produkte zu erlassen, die als erstes die Informations- und Kommunikationsgeräte betreffen sollten. 1998 wurde diese Verordnung zwar von der rot-grünen Bundesregierung beschlossen, trat aber aufgrund von Unstimmigkeiten im Bundesrat nicht in Kraft. Parallel wurde von der Europäischen Kommission ein Entwurf über Abfälle aus elektrischen und elektronischen Geräten vorgelegt. Dieser umfasste, anders als die IT-Altgeräte-Verordnung, sämtliche Produktgruppen. Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) sollten anhand dieser Richtlinie (Direktive) eine nationale Gesetzgebung entwerfen, welche Hersteller zukünftig zu reparatur-, wiederverwendungs- und wiederverwertungsfreundlichen Produkten verpflichtet. Nach langwierigen Diskussionen konnte die EU- Kommission am 13. Juni 2000 dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat einen Entwurf über eine Elektro- und Stoff- Richtlinie vorlegen, der schließlich nach letzten Änderungen am 13. Februar 2003 verabschiedet wurde (Vgl. Bullinger / Lückefett 2005, S. 13). Die Mitgliedstaaten hatten nun die Pflicht diese, Richtlinien innerhalb von 18 Monaten in nationales Recht umzusetzen. Dies ist die Geburtsstunde des deutschen Gesetzes über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten das „Elektro- und Elektronikgerätegesetz [ElektroG]“, das am 24. März 2005 in Kraft getreten ist.

2.1.1 Ziele der nationalen Umsetzung

Nachdem das Bundesumweltministerium im April 2003 ein erstes Eckpunktepapier für die künftige Organisation der Elektroschrottentsorgung vorlegt hatte, wurde vor der von der EU- Kommission anberaumten Frist von 18 Monaten bereits am 25. Februar 2004 der erste Arbeitsentwurf für ein Elektrogesetz[6] zur Diskussion gestellt. Am 9. Juli 2004 folgte ein Referentenentwurf für das ElektroG, dieser wurde schließlich im Kabinett am 1. September 2004 verabschiedet und trat nach letzten Änderungen am 24. März 2005 in Kraft (Vgl. Melzer 2005, S. 14). Die konkreten Ziele des Elektrogesetzes ergeben sich aus den europäischen Richtlinien. Diese Ziele lassen sich wie folgt zusammenfassen (Vgl. UBA 2005):

- Vermeidung von Abfällen aus Elektro- und Elektronikgeräten.
- Reduzierung der Abfallmenge durch Wiederverwendung.
- Verringerung des Schadstoffgehalts der Geräte.

In § 1 des ElektroG werden abfallwirtschaftliche Ziele festgelegt, dabei wird die Vermeidung von Elektroabfall vorrangig genannt. Die Vermeidung von Elektroabfall steht vor der Wiederverwendung und der stofflichen Verwertung. Aus dieser Forderung ergeben sich zwei Möglichkeiten, dass erstens eine präventive Verringerung des Abfalls durch die Erhöhung der Lebensdauer bzw. Nutzungsdauer von Elektrogeräten erfolgt oder zweitens eine Reduzierung des Abfalls durch weitgehende Wiederverwendung bzw. stoffliche Verwertung erzielt wird (Vgl. Bullinger / Lückefett 2005, S. 19). Mit Verabschiedung des ElektroG sind Hersteller dazu verpflichtet, ihre Produkte nach dem Gebrauch zurückzunehmen und einer umweltfreundlichen Verwertung bzw. Entsorgung zuzuführen. Diese Produktverantwortung der Hersteller basiert auf der Grundlage des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG 1996).[7]

2.1.2 Das Kreislaufwirtschaftsgesetz

Die mehr als 25jährige Entwicklung der Abfallwirtschaftspolitik in Deutschland zeigt einen Perspektivwechsel zwischen den stofflichen Alternativen der Vermeidung, der Verwertung und der Beseitigung (Vgl. Clausen 2000, S. 15). Mit dem ersten Abfallbeseitigungsgesetz von 1972 reagierte die Politik auf die „wilden“ Deponien, die einen rechtlichen Rahmen notwendig machten. Dabei stand die Abfallbeseitigung im Vordergrund der Gesetzgebung. Nach mehreren Änderungen kam es zur Ausweitung des Gesetzes auf verschiedene Regelungsbereiche und einer verstärkten Betrachtung der Entsorgungstechnik. In einem zweiten Abfallgesetz „Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen / Abfallgesetz- AbfG“ von 1986 wurden die Abfallvermeidung und Abfallverwertung durch eine festgelegte Prioritätenfolge gesetzlich fixiert, diese hatten in den Rechtsverordnungen aber noch keine große Bedeutung. Erst mit der Verabschiedung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes- KrW-/AbfG von 1994 wurde ein Wendepunkt in der Abfallwirtschaft eingeläutet (Vgl. Rogall 2002, S. 284). Das Gesetz ist 1996 in Kraft getreten und stellt für viele Akteure in der Abfallwirtschaft nur eine regulative Idee dar, die sich am Vorbild natürlicher Stoffkreisläufe orientiert. Um der Schließung von Stoffkreisläufen ein größeres Gewicht zukommen zu lassen, werden im § 1 KrW-/AbfG zwei wesentliche Zielsetzungen formuliert:

Zweck des Gesetzes ist die Förderung der Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen und die Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen.“

Durch die beiden Zielsetzungen, der Schonung der natürlichen Ressourcen und der Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung, werden zwei grundsätzliche Formen von Güter- und Leistungsströmen angesprochen. Zum einen erfolgt die Entnahme von Umweltgütern zur Nutzung und zum anderen entstehen durch die Nutzung Abfälle. Bei der Abgabe von Abfällen besteht die Leistung in der Beseitigung der Rückstände. Die nachfolgende Abbildung zeigt, wie Primärrohstoffe vom ökologischen in das ökonomische System hereingenommen werden, um dann nach ihrer Transformation im Produktions- und Konsumprozess als Kuppelprodukte einer Entsorgung zugeführt zu werden (Vgl. Clausen 2000, S. 16).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Stoffströme im ökologisch ökonomischen System

Die Maßnahmen der Deponierung und Verbrennung führen im Bezug auf das ökonomische System zu linearen und offenen Stoffströmen der Abfallbeseitigung, während die Verminderung und Verwertung den Stoffeinsatz reduzieren und den Kreislaufgedanken beinhalten sollen. Pfeil (1) bezeichnet die Vermeidung durch anlageninterne Kreislaufführung, die in § 4 Abs. 2 des KrW-/AbfG gefordert wird. Die Wieder- und Weiterverwendung ist durch den Pfeil (2) gekennzeichnet und symbolisiert die höchste Stufe des Recyclings. Der Pfeil (3) steht für Verwertungsmaßnahmen im gesamten ökonomischen System. Auch hier fließen Stoffströme an das ökologische System zurück, da eine vollständige Kreislaufführung unmöglich ist. Mit der umweltverträglichen Beseitigung aus dem KrW-/AbfG wird direkt die Entsorgungsseite des ökonomischen Systems angesprochen. Das Ziel der Schonung der natürlichen Ressourcen aus dem KrW-/AbfG hingegen setzt eine veränderte Nutzungsweise von regenerativen und nicht regenerativen natürlichen Ressourcen voraus. Dieses Ziel kann aber nur durch ein Umdenken in der Abfallwirtschaftspolitik erreicht werden, indem man von dem klassischen nachsorgenden Umweltschutz abrückt und eine umfassende Betrachtung von Stoffströmen vornimmt. (Vgl. Michaelis 2006, S. 37). Die Rangfolge der abfallwirtschaftlichen Pflichten im § 4 des KrW-/AbfG umfassen vorrangig die Vermeidung von Abfällen vor der Verwertung und Beseitigung.

2.1.3 Zusammenarbeit von Regierung und Wirtschaft

Im Kern des Gesetzes geht es um die Verantwortung der Hersteller für die Rücknahme und Entsorgung der von ihnen in den Verkehr gebrachten Elektro- und Elektronikgeräte. Die Umsetzung des Gesetzes in deutsches Recht erforderte somit eine gute Zusammenarbeit zwischen Regierung und Herstellern (Vgl. Bullinger / Lückefett 2005, S. 15). In der politischen Diskussion kristallisierte sich schnell heraus, dass eine starke Rolle der Wirtschaft für eine erfolgreiche Umsetzung der europäischen Richtlinien nötig war. Diese erweiterte Verantwortung der Wirtschaft beruhte auf der Überzeugung, dass die Unternehmen nicht alleine dafür Sorge tragen könnten, Altgeräte deutschlandweit vollständig und flächendeckend zu entsorgen. Die Unternehmen, so die Begründung der Regierung und Wirtschaft würden ohne zentrale Steuerung der Entsorgung versuchen, die besten Altgeräte für sich zu gewinnen und damit wäre eine faire Beteiligung aller betroffenen Hersteller am Gesetz ausgeschlossen. Außerdem befürchtete die Regierung einen zu großen Aufwand bei der notwendigen Erfolgskontrolle der durch das neue Gesetz beinhalteten Pflichten, wenn nicht alle Betroffenen und an der Gesetzgebung Beteiligten zusammenarbeiten würden. Somit machte die Wirtschaft eigenständig Lösungsvorschläge für die nationale Umsetzung in Deutschland. Natürlich kam es bereits in den ersten Vorentwürfen zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierung und Wirtschaft. Zu nennen ist hier die von der Regierung gewünschte Verantwortung auch die „historischen“ Altgeräte, d. h. diejenigen Elektro- und Elektronikgeräte, die vor in Kraft treten des Gesetzes in den Verkehr gebracht worden sind, zurück zu nehmen. Die Wirtschaft argumentierte mit einer verfassungsrechtlich bedenklichen Rückwirkung des Gesetzes. Schließlich einigte man sich auf die so genannte „geteilte Produktverantwortung“. Die Wirtschaft akzeptierte, die historischen Altgeräte entgegenzunehmen, wenn gleichzeitig die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (ÖRE) die Sammlung aus den privaten Haushalten sowie die Finanzierung der Sammlung übernehmen.

Die beiden großen Industrieverbände ZVEI (Zentralverband Elektrotechnik- und Elektroindustrie) und BITKOM (Bundesverband Informationswirtschaft, Tele-kommunikation und neue Medien) arbeiteten an den Problemen, die während des Gesetzgebungsverfahrens auftraten und gründeten im Sommer 2003 die Projektgesellschaft Elektro-Altgeräte-Register (EAR), die von der Regierung mit einem Budget von 5,5 Mio. Euro ausgestattet wurde. Die Projektgesellschaft sollte vor in Kraft treten des Gesetzes die notwendigen Steuerungsfunktionen wie z. B. die Abholkoordination durch die öffentlich-rechtlichen Entsorger organisieren. Aus der Projektgesellschaft wurde im August 2004 eine Stiftung, die so genannte „Stiftung Elektro-Altgeräte-Register“. Diese „Gemeinsame Stelle“ der Hersteller wurde von der Regierung mit hoheitlichen Aufgaben beauftragt und setzt die in dem Projekt erarbeiteten Ergebnisse um.

2.2 Die betroffenen Akteure

Das ElektroG reguliert sämtliche Rechte und Pflichten der betroffenen Akteure. Dabei werden in der gesetzlichen Verordnung im Wesentlichen die Rückname- und Verwertungspflicht der Hersteller, die Sammel- und Informationspflicht der öffentlich- rechtlichen Entsorger (ÖRE) sowie die Einrichtung der „Gemeinsamen Stelle“ zur Ablauf- und Abholorganisation geregelt.

2.2.1 Die Rolle der Hersteller im ElektroG

Wie eingangs erwähnt, tragen die Hersteller die Hauptverantwortung für die Entsorgung. Sie sind nach § 10 des ElektroG verpflichtet, Elektroaltgeräte zurückzunehmen, wiederzuverwenden, zu behandeln und zu entsorgen. Die gesetzgeberische Auswahl sollte am ehesten denjenigen treffen, bei dem die Ziele des Umweltschutzes bzw. speziell der Abfallbeseitigung am besten und am wirtschaftlichsten wirksam gemacht werden können (Vgl. Bullinger / Lückefett 2005, S. 24). Die Entsorgungsverantwortung trägt der Hersteller aus verschiedenen Gründen:

- Die Hersteller sind allein in der Lage, ihre Geräte so zu gestalten, dass sie eine lange Lebensdauer haben, leichter zu reparieren bzw. zu modernisieren sind. Hier setzt eine vermeidende Produktgestaltung an.
- Die Hersteller können an ihren Geräten technische Veränderungen vornehmen, die eine ökologisch sinnvolle Entsorgung zulassen. Zum Beispiel durch eine bessere Zerlegbarkeit der Geräte für eine spätere Verwertung.
- Die Hersteller könnten durch verschiedene Effizienzprüfungen Produktver-besserungen vornehmen, um die späteren Entsorgungskosten zu reduzieren.

Mit Einführung des ElektroG sind die Hersteller wichtigster Akteur im Handlungskreis der Verwertung von Elektroaltgeräten. Dies stellt eine wesentliche Veränderung im Entsorgungsprozess dar, da in der Vergangenheit lediglich die kommunalen Entsorger gemeinsam mit Recyclingunternehmen die Entsorgung der Elektrogeräte wahrgenommen haben. Mit dieser Verantwortung der Hersteller ergeben sich einige Pflichten. Zunächst muss jeder Hersteller von Elektrogeräten die Menge und Art der von ihm in den Verkehr gebrachten Neugeräte dokumentieren. Diese Angaben sind Grundlage für die Bestimmung des Marktanteils und somit Basis für die Ermittlung des späteren Verwertungsanteils. Wichtigstes Element bei der getrennten Entsorgung von Elektroaltgeräten sind die zu erzielenden Verwertungsquoten. Durch die Vorgabe von Quoten wird festgelegt, welcher Anteil des Abfallaufkommens von Elektrogeräten durch die Hersteller zurückzunehmen ist (Vgl. Melzer 2005, S. 10-11). Diese Verwertungs-quoten dienen der ökologischen Treffsicherheit und werden im Kapitel 4 und 5 einer umweltökonomischen Bewertung unterzogen.

Tabelle 1: Verwertungsquoten für Elektroaltgeräte nach WEEE

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Melzer 2005, S. 10; verändert

Die Hersteller sind zunächst verpflichtet, sich bei dem Umweltbundesamt (UBA) als Hersteller von Elektrogeräten registrieren zu lassen. Der Gemeinsamen Stelle der Hersteller sind monatlich die von ihnen in den Verkehr gebrachten Elektrogeräte zu melden. Der daraus ermittelte Verwertungsanteil muss, durch die Angabe der von dem Hersteller im Laufe eines Jahres bei den öffentlich-rechtlichen Entsorgern (ÖRE) gesammelten Altgeräte, dokumentiert werden. Die Kosten, die im Zusammenhang mit der Sammlung, Behandlung und umweltgerechten Verwertung entstehen, tragen die Hersteller. Deshalb sind bei Inverkehrbringen von Neugeräten Garantien zu stellen, damit auch bei einer möglichen Insolvenz des Unternehmens die Verwertung der Geräte nach in Kraft treten des Gesetzes gesichert ist. Des Weiteren müssen alle Neugeräte laut § 7 des ElektroG, mit der „durchgestrichenen Mülltonne auf zwei Rädern“ gekennzeichnet sein. Dieses Symbol soll dem Kunden dienen, um die Altgeräte einer ordnungsgemäßen Entsorgung zuführen zu können. Weiterhin müssen die Hersteller innerhalb eines Jahres den Recyclingunternehmen Informationen zur Behandlung der neuen Geräte zur Verfügung stellen, damit die Verwerter die Möglichkeit haben, den Verwertungsprozess bestmöglich zu optimieren. Die europäische Stoffverbotsrichtlinie (RoHS), die in der deutschen Umsetzung einen Beitrag zum Gesundheitsschutz leisten soll, stellt für die Hersteller ein Verbot für bestimmte Substanzen dar. Die Schwermetalle Blei, Quecksilber, Cadmium und sechswertiger Chrom sowie verschiedene Flammschutzhemmer dürfen seit den 01. Juli 2006 in Elektrogeräten nicht mehr verwendet werden (Vgl. Melzer 2005, S. 13). Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht die Pflichten der Hersteller im zeitlichen Ablauf der Gesetzgebung in Deutschland.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Zeitablauf der umzusetzenden Herstellerverpflichtungen

Quelle: Melzer 2005, S. 18; verändert

Die über die Entsorgungspflicht hinausgehende Anordnung des Elektrogesetzes beschäftigt sich mit der Produktkonzeption von Elektrogeräten. In § 4 des ElektroG sind die Hersteller dazu aufgerufen, die Produkte „(...)so zu gestalten, dass die Demontage und die Verwertung, insbesondere die Wiederverwendung und die stoffliche Verwertung von Altgeräten, ihren Bauteilen und Werkstoffen, berücksichtigt und erleichtert werden.“ Die Bundesregierung geht mit dieser Aufforderung einer nachhaltigen Produktentwicklung nach, die über den Vorgaben der europäischen Richtlinien liegen und in dieser Arbeit später näher betrachtet werden.

Neben den Herstellern tragen auch die Käufer, d. h. die Nutzer bzw. Besitzer von Elektrogeräten eine gesetzliche Pflicht. Sie müssen nach § 9 Abs. 1 des ElektroG alle Altgeräte einer getrennten Entsorgung zuführen. Damit sie dies auch tun können, nehmen die öffentlich-rechtlichen Entsorger (ÖRE) neben den Herstellern eine wichtige Rolle in der Gesetzgebung ein.

2.2.2 Die Rolle der öffentlich-rechtlichen Entsorger

Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (ÖRE) waren vor in Kraft treten des Elektrogesetzes für die Sammlung und Verwertung von Elektroaltgeräten zuständig. Nach Einführung des Gesetzes müssen die kommunalen Entsorger weiterhin die Sammlung der Altgeräte übernehmen und die Bürgern/innen über die Rückgabemöglichkeiten informieren. Dabei bleibt es ihnen frei, welche Rückgabesysteme (Hol- Bring- oder kombinierte Systeme) sie wählen (Vgl. Melzer 2005, S. 16). Die Sammlung der Altgeräte wird unter § 9 des ElektroG geregelt. Hiernach müssen die ÖRE die Altgeräte in folgenden Gruppen zur Abholung bereitstellen:

Tabelle 2: Sammelkategorien der WEEE und des ElektroG

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Melzer 2005, S. 16; verändert

Das Sammeln der Altgeräte ist für die Entsorgung der Geräte von besonderer Bedeutung. Zum einen sind die ÖRE Schnittstelle zu den Gerätenutzern. Das bedeutet, sie haben einen erheblichen Einfluss darauf, ob das Gesamtsystem des Elektrogesetzes überhaupt funktioniert, denn durch ihre Informationspflicht, die auch unter § 9 des ElektroG geregelt ist, können sie den Nutzern von Elektrogeräten eine sinnvolle Entsorgung der Geräte überhaupt erst klarmachen. Zum anderen sind die Hersteller neue Akteure im Entsorgungssystem und besitzen damit auch keine Erfahrung bei den Detailfragen zur Entsorgung der Altgeräte. Dieses Problem führte wie bereits erwähnt zur geteilten Produktverantwortung zwischen Herstellern und ÖRE. In den zahlreichen Gesprächen der Wirtschaft und der kommunalen Spitzenverbände konnte man sich auf eine Teilung der Aufgaben einigen. Die ÖRE sind für die Sammlung zuständig und die Hersteller für alle weiteren Schritte der Entsorgung. Diese Teilung hat zwei praktische Konsequenzen. Erstens konnten die ÖRE ihre bisherigen Maßnahmen zur Entsorgung der Altgeräte beibehalten und zweitens mussten die Hersteller keine aufwendigen Vertragsverhandlungen mit Entsorgungsträgern führen (Vgl. Bullinger / Lückefett 2005, S. 89).

Die Abgabe von Elektroaltgeräten an Sammelstellen ist für die Bürger/innen kostenlos. Die kommunalen Entsorger können jedoch weiterhin die Sammlung der Geräte über die Abfallgebühren refinanzieren. In Hessen praktiziert man schon seit Jahren eine getrennte Sammlung von Elektroaltgeräten (Vgl. Dietzel 2006, S. 23). Die von dem Gesetz geforderte Mindestmenge von vier Kilogramm Altgeräten aus privaten Haushalten pro Einwohner pro Jahr getrennt zu sammeln, lag in Hessen im Jahr 2000 bei 4,64 kg und steigerte sich im Jahr 2004 auf 5,38 kg pro Einwohner und Jahr. Somit liegt Hessen schon deutlich über der gesetzlich geforderten Mindestmenge. Dietzel z. B. geht davon aus, „(...)dass diese Menge noch weiter ansteigt, da die Bürger noch besser über die für sie kostenfreien Abgabemöglichkeiten informiert werden.“ In vielen Kommunen wird auf die bisherigen Sammelstrukturen zurückgegriffen, da man gute Erfahrungen gemacht hat.[8] Somit wird von vielen ÖRE auch weiterhin die Annahme, Sammlung und Lagerung der Altgeräte vorgenommen und die Hersteller sind erst bei der Abholung an den Übergabestellen gefordert. Eine andere Alternative bietet die „Eigenvermarktung“ für die öffentlich-rechtlichen Entsorger, die in § 9 Abs. 6 des ElektroG geregelt ist. Diese Lösung bietet sich vor allem für die ÖRE an, die schon vor dem ElektroG mit Entsorgungsunternehmen und vor allem Sozialbetrieben bzw. Behindertenwerkstätten Verträge hatten (Vgl. S. 23). Nach Dietzel sind die Sozialbetriebe wichtig für die regionale Wirtschaft, da sie Menschen in Arbeit bringen, die sonst keine Beschäftigung finden würden. Außerdem leisten sie einen Beitrag zur sauberen Umwelt, weil Elektroaltgeräte qualifiziert sortiert und demontiert werden. Zudem können funktionsfähige Geräte repariert und wieder vermarktet werden.[9]

Das ElektroG sieht in § 9 Abs. 7 auch eine freiwillige Rücknahme für den Handel bzw. Vertreiber vor. Die Rücknahme über den Einzelhandel bzw. entsprechende Handwerksbetriebe ist nicht ganz problemlos, da um eine optimale Erfassung der Altgeräte zu gewährleisten, der Handel auch über genügend Fläche und die entsprechenden Rücknahmebehälter verfügen muss. Dies ist mit zusätzlichen Sach- und Personalkosten verbunden und scheint für kleinere unabhängigere Betriebe eher problematisch als für große Handelshäuser (Vgl. Höppner 2006, S. 95).

2.2.3 Die Funktion der „Gemeinsamen Stelle“

Wie bereits unter Kapitel 2.1.3 erwähnt, gründeten im August 2004 die Hersteller die Betriebsgesellschaft Elektro-Altgeräte-Register (EAR) als Stiftung, mit dem Ziel, das ElektroG so weit wie möglich in die Selbstverwaltung der Wirtschaft zu stellen. Zur Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben durch das Umweltbundesamt wurde die Stiftung mit Hoheitsrechten beliehen, damit sie ihre Aufgaben gegenüber den Herstellern auch durchsetzen kann (Vgl. Melzer 2005, S. 18). Zu den wesentlichen Aufgaben der Gemeinsamen Stelle gehören (Vgl. S. 19):

- Erstellung des Verzeichnisses aller registrierten Hersteller,
- Erfassung aller in den Verkehr gebrachten Elektrogeräte sämtlicher Hersteller,
- Menge der von den Herstellern bei öffentlich-rechtlichen Entsorgern oder von eigenen bzw. alternativen Sammelsystemen abgeholten Altgeräte,
- Menge aller wieder verwendeten, stofflich verwerteten und der in weiterer Art verwerteten Altgeräte,
- Menge aller der von den Herstellern ausgeführten Altgeräte.

Bei der Gemeinsamen Stelle werden damit alle wichtigen Aufgaben gebündelt, angefangen mit der Registrierung der Hersteller, der Prüfung der Entsorgungsgarantie, der Ausstattung der Kommunen mit den Abholbehältnissen und die Erfassung der wieder verwendeten und stofflich verwerteten Elektroaltgeräte. Auf diese Weise können die Hersteller ihre Entsorgungsverantwortung möglichst effizient selbst organisieren (Vgl. Bullinger / Lückefett 2005, S. 119). Wenn die Behältnisse bestimmter Gerätekategorien bei den ÖRE zur Abholung bereit stehen, ermittelt die EAR, welcher Hersteller die Altgeräte abzuholen hat. Die Abholung sollte so gestaltet sein, dass eine zeitlich und örtlich gleichmäßige Verteilung auf die Hersteller erfolgt (Vgl. Elmer et al. 2005, S. 525).

2.3 Elektro- und Elektronikaltgeräte und ihre Entsorgung

Elektrische und elektronische Geräte gehören für jedermann zum alltäglichen Leben. Kaum einer möchte auf den Wasserkocher, die elektrische Zahnbürste, den Computer oder den Fernseher verzichten. In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl der Altgeräte kontinuierlich gestiegen, da die Geräte immer kürzeren Produktzyklen unterliegen und die Unternehmen immer leistungsfähigere Elektrogeräte auf den Markt bringen. Aufgrund des Schadstoffgehalts in den Elektrogeräten sowie dem hohen Anteil an kostbaren Sekundärrohstoffen, musste eine gesetzliche Regelung zur Entsorgung dieser Geräte erfolgen. Viele dieser Geräte, vor allem die elektronischen „Kleingeräte“, wurden in der Vergangenheit über die Restabfalltonne entsorgt, deren Inhalt später auf der Deponie oder in der Müllverberbrennungsanlage landete (Vgl. BMU 2006 a). Während man über die Absatzzahlen der Hersteller zumindest annähernd genaue Zahlen erhält, ist die Anzahl der in Zukunft zu entsorgenden Geräte eher ungewiss. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) schätzt daher für Deutschland rund 1,8 Mio. Altgeräte pro Jahr aus privaten Haushalten.

Tabelle 3: Jährliche Schätzungen für Elektroaltgeräte in Deutschland

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: BMU 2006 b; verändert

Des Weiteren verfügen die bundesdeutschen Haushalte über hohe Sättigungsgrade bei elektronischen Geräten, z. B. verfügen 95% der Haushalte über eine Waschmaschine[10] (Vgl. Elmer et al. 2005, S. 514). Hier sind deshalb nur noch Ersatzkäufe zu erwarten. Zudem weiß man nicht, ob die Altgeräte auch wirklich entsorgt werden oder aber einfach als Zweitgeräte weiter genutzt werden. Die erwarteten Entsorgungsmengen nach Kategorien zeigt die nachfolgende Abbildung. Drei Viertel der erwarteten Abfallgeräte sind Haushaltsgroßgeräte „weiße Ware“ wie z. B. Kühlschränke, Waschmaschinen, Herde etc.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Erwartete Verteilung Elektroaltgeräte- Abfallmengen aus privaten Haushalten ab 2005

Quelle: Elmer et al. 2005, S. 515; verändert

Die „mülltonnengängigen“ Kleingeräte und ihre Entsorgung stellen zwar einen verhältnismäßig kleinen Anteil dar, aber da man sie als vergleichsweise schadstoffhaltig und ressourcenintensiv bezeichnen kann, sind die daraus resultierenden Umweltwirkungen wie Treibhauseffekt und Emissionen verhältnismäßig hoch. Der Schadstoffanteil der kleinen Geräte verhält sich häufig umgekehrt proportional zu ihrer Größe, d. h. Kleingeräte enthalten einen überproportional hohen Schadstoffanteil (Vgl. Elmer et al. 2005, S. 515). Diese Problematik wird in der vorliegenden Arbeit später nochmals aufgegriffen.

3 Umweltpolitische Aspekte und instrumentelle Einordnung des Gesetzes

Das ElektroG verfolgt die abfallwirtschaftlichen Ziele der Vermeidung, Wiederverwendung und stofflichen Verwertung. Hierbei soll die Verschwendung der natürlichen Ressourcen minimiert und Umweltverschmutzung vermieden werden. Die traditionelle Umweltpolitik orientiert sich dabei an den theoretischen und methodischen Grundsätzen der Ökonomik (Vgl. Bartmann 1996, S. 2). Dabei liegt die ökonomische Rechtfertigung für den Einsatz bestimmter umweltpolitischer Instrumente in der Existenz negativer externer Effekte, die zum einen durch den theoretischen Ansatz des Marktversagens und zum anderen durch die Nutzung der Umweltgüter als öffentliche Güter erklärt wird. Die Umweltpolitik versucht durch bestimmte Internalisierungs-strategien der Übernutzung von Umweltgütern entgegenzuwirken.

Eine Analyse der Umweltakteure verdeutlicht, welchen Interessen und Hemmnissen die Akteure unterliegen, wenn es um umweltpolitische Entscheidungen geht. Mit dem ElektroG wird das umweltpolitische Instrument einer Rücknahme- und Verwertungsverpflichtung durchgesetzt. Im Folgenden soll kurz auf die grundlegenden Aspekte der Umweltpolitik eingegangen werden, um später das ElektroG besser in das umweltpolitische Instrumentarium einordnen zu können.

3.1 Grundsätze der Umweltpolitik

Der Staat kann durch umweltpolitische Maßnahmen versuchen, die Umweltgüter zu schützen. Er legt z. B. ein bestimmtes Umweltqualitätsniveau fest, welches durch die grundlegenden Prinzipien der Umweltpolitik erreicht werden soll (Vgl. Bartmann 1996, S. 113). Zu diesen Prinzipien gehört das Verursacher- und Gemeinlastprinzip und wird erweitert um das Vorsorge- und Kooperationsprinzip.

3.1.1 Verursacher- und Gemeinlastprinzip

Nach dem Verursacherprinzip soll derjenige, der einen Schaden verursacht, auch alle Kosten der Beseitigung tragen, d. h. das Verursacherprinzip orientiert sich stark an einem funktionsfähigen Markt, in dem idealtypisch alle externen Effekte internalisiert werden können. Fast alle traditionellen Instrumente der Umweltpolitik beruhen auf dem Verursacherprinzip. Das Ziel, alle Umweltkosten dem Verursacher zurechnen zu können, birgt auch Probleme, da in der Regel eine Zurechnung aller Kosten nicht vollständig möglich ist (Vgl. Bartmann 1996, S. 114). Oft entstehen z. B. Emissionen, die weitestgehend umweltneutral bewertet werden können, aber erst im Zusammentreffen vieler Emissionen eine hohe Schadenswirkung verursachen, d. h. die Gesamtwirkung ist größer als die Summe der Einzelwirkungen und eine exakte monetäre Bewertung der Umweltschäden wird somit schwierig.

Des Weiteren stellt sich die Frage, ob das Verursacherprinzip auch auf einen Markt angewendet werden kann, bei dem der Preismechanismus gestört ist. Durch die Internalisierung der externen Kosten auf den Verursacher könnte es zu Preis- und Nachfrageverschiebungen kommen, die nicht gewünscht sind, wie z. B. Inflation oder Arbeitslosigkeit. Außerdem ist das Verursacherprinzip nicht anwendbar, wenn die Umweltschäden aus der Vergangenheit stammen und der Verursacher nicht mehr bestimmt werden kann. In diesem Fall tritt das Gemeinlastprinzip ein, bei denen die Gemeinschaft als Ganzes für das Erreichen eines Umweltqualitätsniveaus herangezogen wird. Das heißt, das Gemeinlastprinzip wird immer dann angewendet, wenn kein Verursacher gefunden werden kann (Vgl. Bartmann 1996, S. 114-115).

3.1.2 Vorsorge- und Kooperationsprinzip

Das Vorsorgeprinzip soll Umweltgefahren von vornherein abwehren. Das bedeutet, eine Gefahrenabwehr für wahrscheinlich eintretende Schäden, aber auch eine Verhinderung von Entwicklungen, die künftige Generationen belasten könnten. In der Vergangenheit wurden vor allem „end-of-pipe-Techniken“, z. B. Filteranlagen eingesetzt, die auf eine nachsorgende Umweltschutzpolitik zurückzuführen sind. Durch das Vorsorgeprinzip sollen aber präventiv Umweltschutzmaßnahmen getroffen werden. Hierbei wird aus Sicht der heutigen Umweltökonomik nicht mehr die optimale Nutzung zwischen ökonomischem und ökologischem System betrachtet, sondern vielmehr findet eine Risikominimierung von vornherein statt. Dieses Prinzip wurde schon 1971 im Umweltprogramm der damaligen Bundesregierung aufgenommen, aber eine genaue Zuordnung zu umweltpolitischen Instrumenten ist schwer, da fast alle politischen Regelungen das Wort „Vorsorge“ beinhalten (Vgl. Bartmann 1996, S. 116).

Das Kooperationsprinzip kann eher als Leitbild einer politischen Willensbildung verstanden werden, an der der Staat und die Gesellschaft beteiligt sind. Ziel dabei ist, in den Verhandlungen der beteiligten Akteure einen Konsens zu finden und zusätzlich eine Stärkung des Umweltbewusstseins und des Demokratieprinzips hervorzurufen. Es besteht aber die Gefahr, dass umweltpolitische Entscheidungen durch die Einbeziehung, von z. B. Interessenverbänden, zu stark beeinflusst werden können (Vgl. S. 117).

[...]


[1] Im Folgenden auch kurz als Elektrogeräte bezeichnet.

[2] Im Folgenden zitiert als ElektroG.

[3] Im Folgenden zitiert als WEEE.

[4] Im Folgenden zitiert als RoHS.

[5] Im Folgenden auch kurz als Elektroaltgeräte bzw. Altgeräte bezeichnet.

[6] Im Folgenden auch kurz als Elektrogesetz bezeichnet.

[7] Im Folgenden zitiert als Kreislaufwirtschaftsgesetz.

[8] Die Stadtreiniger Kassel (SRK) verfügen über zwei Abgabestellen (Recyclinghöfe) für Elektroaltgeräte, die auch weiterhin für die Rückführung der Altgeräte genutzt werden. Auch bei den SRK erkennt man eine steigende Tendenz der Abfallmengen für Elektroaltgeräte. Zum Beispiel sind die Elektrogroßgeräte (Fernseher, Computer etc.) im Jahr 2000 von 3.608 gesammelten Altgeräten auf 5.076 Altgeräte im Jahr 2004 angestiegen (Vgl. Schiel 2005).

[9] Diese Meinung wird auch von den SRK geteilt, die nach in Kraft treten des Elektrogesetzes ihre Verträge mit den Sozialbetrieben (Buntstift e.V. und GDW Genossenschaft der Werkstätten für Behinderte Hessen/Thüringen e.G. Baunatal) fortführen (Vgl. SRK 2006).

[10] Die Marktsättigung von Kühlgeräten liegt bei 99% (Vgl. ZVEI 2006 a, S. 4).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836608985
DOI
10.3239/9783836608985
Dateigröße
843 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Kassel – Wirtschaftswissenschaften, Umwelt- und Innovationsökonomik
Erscheinungsdatum
2008 (Januar)
Note
1,0
Schlagworte
elektrog ökologische ökonomik nachhaltigkeit produktlebenszyklus stofstrommanagement
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Titel: Die umweltökonomische Bewertung des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes - ElektroG
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