Welche Möglichkeiten gibt es, das Wohlbefinden von Kindern in Schulen zu verbessern?
Zusammenfassung
Die Gesellschaft unterlag im Laufe der Zeit einem vielschichtigen Wandel. Besonders der Wandel im Erwerbssystem, von der vielfach beschriebenen Industrie- zur Informationsgesellschaft, wirft die Frage nach neuen Qualifikationsinhalten, Lernorten und Methoden auf. Angesichts der wachsenden Bedeutung von Lern- und Bildungsprozessen für das berufliche und private Leben ist das Lernen in der Institution Schule zu einem zentralen Thema geworden.
"Die Qualität der Schule und des Lernens bewegt nicht erst seit den spektakulären Ergebnissen der PISA-Studie die bundesdeutsche Öffentlichkeit". Seit Anbeginn der Existenz der Institution Schule gerät sie immer wieder in den Blickpunkt vielfältiger Kritik. In der aktuellen Fachdiskussion werden Themen wie Qualitätsverbesserung, Umstrukturierung und Innovation der Schule angeregt diskutiert. Obgleich es mittlerweile viele Schulen in der bundesdeutschen Schullandschaft gibt, die bereits Abschied genommen haben von ihrem herkömmlichen Image der einheitlichen und starren Gebilde und zukunftsfähige pädagogische Konzepte für sich erarbeitet haben, ist der überwiegende Teil der Schule noch dabei, sich davon zu lösen bzw. hält an alten Strukturen fest.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich, aufgrund der aktuellen öffentlichen Diskussionen und meinen eigenen persönlichen Erfahrungen mit der Schule, mit der Frage, wie der Lebensraum Schule seine Bedingungen für Kinder verbessern kann, um eine Steigerung an Wohlbefinden und Lernfreude zu erreichen. Mit dieser Arbeit soll der Trend zu mehr Schülerorientierung und Offenheit der Schule gegenüber ihrer Umwelt vorangetrieben werden und damit einen weiteren Beitrag zur Verbesserung der Schulqualität leisten.
Gang der Untersuchung:
Meine Arbeit ist wie folgt gegliedert: Während im ersten Kapitel "Lebensraum Schule", allgemeine Aussagen über die herkömmlichen Aufgaben und Funktionen der Schule sowie kurz Ansätze der Reformpädagogik und eine Vision einer Wohlfühlschule skizziert werden, klärt das nachfolgende Kapitel grundsätzliche Ansätze, Begriffsklärungen und Definitionen zu den Begriffen Wohlbefinden und Klima, welche dieser Arbeit zugrunde liegen.
Das anschließende Kapitel beschäftigt sich mit verschiedenen Einflussfaktoren auf das Wohlbefinden von Kindern in Schulen. Es werden Faktoren des Unterrichtsklimas, des Klassenklimas und die damit verbundenen sozialen Beziehungen zwischen den Beteiligten behandelt. Darüber hinaus wird auch der […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Einleitung
1. Lebensraum Schule
1.1 Herkömmliches Verständnis von Aufgaben und Funktionen der Schule
1.2 Ansätze der Reformpädagogik
1.3 Vision einer Schule „zum Wohlfühlen"
2. Begriffsklärungen und Definitionen
2.1 Wohlbefinden
2.1.2 Wohlbefinden in der Schule
2.2 Klima
2.2.1 Zur Bedeutung und Verwendung des Begriffs Klima
2.2.2 Ansätze zum sozialen Klima an Schulen
3. Einflussfaktoren auf das Wohlbefinden in der Schule
3.1 Architektonische Gestaltung von Schulgebäuden
3.2 Schulleitung
3.3 Unterrichtsklima
3.4 Klassenklima
3.5 Außerschulischer Kontext
4. Möglichkeiten zur Verbesserung des Wohlbefindens in Schulen
4.1 Öffnung der Schule
4.1.1 Innere Öffnung
4.1.2 Äußere Öffnung
4.1.3 Handlungsfelder
4.1.4 Zusammenfassung
4.2. Schule als gerechte Gemeinschaft nach Kohlberg
4.2.1 Ziele und Hintergründe
4.2.1.1 Gute Gemeinschaft
4.2.1.2 Förderung moralisch-demokratischer Urteilsfähigkeit
4.2.1.3 Bedeutung der Gleichaltrigen (Peers)
4.2.2 Ergebnisse einer „Just-Community-Schule"
4.2.3 Zusammenfassung
4.3 Möglichkeiten der Lehrer
4.3.1 Verbesserung des Unterrichtsklimas
4.3.1.1 Förderung der persönlichen Beziehung
4.3.1.2 Förderung der Motivation
4.3.1.3 Individuelle Bezugsnormorientierung
4.3.1.4 Beteiligung der Schüler
4.3.1.5 Verringerung des Leistungsdruckes
4.3.1.6 Konstruktiver Umgang mit Konflikten
4.3.2 Verbesserung des Klassenklimas
4.3.2.1 Gemeinschaft fördern - Ausgrenzungen entgegenwirken
4.3.2.2 Reduzierung von sozialen Vergleichen
4.3.3 Flexible und abwechslungsreiche Unterrichtsgestaltung
4.3.3.1 Lehrerzentrierter Unterricht vs. Schülerorientierter Unterricht
4.3.3.1.1 Freiarbeit
4.3.3.1.2 Projektarbeit
4.3.4 Zusammenfassung
4.4 Schulsozialarbeit
4.4.1 Definitionen
4.4.2 Offene Schulsozialarbeit
4.4.3 Soziale Gruppenarbeit
4.4.4 Freizeitpädagogische Angebote
4.4.5 Einzelfallhilfe/Beratung
4.4.6 Arbeitsweltbezogene Jugendarbeit
4.4.7 Zusammenfassung
4.5 Erlebnispädagogik
4.5.1 Begriffsklärung und Definition
4.5.2 Möglichkeiten der Erlebnispädagogik
4.5.2.1 Förderung persönlicher Kompetenzen und Fähigkeiten
4.5.2.2 Selbsterziehung in der Gruppe
4.5.2.3 Erfahrungsbezogenes Lernen
4.5.3 Zusammenfassung
4.6 Elternarbeit
4.6.1 Interesse der Eltern
4.6.2 Unterstützung der Eltern
4.6.3 Kooperation mit der Schule
4.6.4 Zusammenfassung
4.7 Architektonische Gestaltung von Schulgebäuden
4.7.1 Anregungs- und abwechslungsreiche Gestaltung
4.7.2 Freilassende und befreiende Architektur
4.7.3 Wärme und Weichheit
4.7.4 Zusammenfassung
5. Projekt an der Haardter-Berg-Schule
5.1 Rahmendaten der Haardter-Berg-Schule
5.2 Projektbeschreibung
5.3 Fazit
6. Schlusswort
Literaturverzeichnis
Internetverzeichnis
Videoverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Anhang
Erklärung
Vorwort
Die Schule und der Unterricht sind bedeutsame Lebensräume von Kindern, in de-nen sie wichtige emotionale und soziale Erfahrungen machen. Deshalb ist es mei-ner Meinung nach von großer Bedeutung, dass sich Kinder in der Schule wohlfühlen und dass sie mit ihrer schulischen Umgebung zufrieden sind. Studien zuFolge ist es aber tatsächlich so, dass sich Kinder mit zunehmender Klassenstufeunwohler fühlen, welches sich in vermehrter Angst, Langeweile und mangelnderLernfreude äußert.
Ich habe mich während meines Studiums sehr oft an die eigene Schulzeit zurück-erinnert und rückblickend festgestellt, dass sie einen sehr prägenden Einfluss aufmich hatte. Je bewusster ich mich während des Studiums mit meiner Schulzeitauseinandergesetzt habe, desto klarer ist mir geworden, dass Kinder in der Schulemehr brauchen als einen guten Füller, neue Hefte und ein Pausenbrot. Im Nachhi-nein hätte ich mir z.B. einen besseren Klassenverband gewünscht, Lehrer, diemehr Verständnis haben und neben dem Unterricht auch Interesse an der eigenenPerson zeigen. Auch über einen interessanteren Unterricht oder eine freundlichereGestaltung des Schulgebäudes hätte ich mich gefreut. Ich habe mich in meinerKlasse wohl gefühlt, da ich drei beste Freundinnen bei mir hatte. Unangenehmempfand ich aber immer, dass es innerhalb der Klasse keine intensive Gemein-schaft gab. Einzelne „Grüppchen" bildeten sich heraus, die meist nicht viel mitein-ander zu tun hatten. Ich erinnere mich daran, dass ein Junge aus meiner Klassemit keinem richtig in Kontakt kam und dass Mitschüler ihn öffentlich vor Lehrernschikanierten. Dagegen wurde aber nichts unternommen. Man hatte oft das Ge-fühl, dass im Mittelpunkt nur der zu lernende Stoff und nicht der Mensch/der Schü-ler stand. Die wirklich „guten" Lehrer waren rar. Sie unterschieden sich von denanderen darin, dass sie auch mal ein nettes Wort über den Unterricht hinaus mituns wechselten. Eine Situation ist mir besonders lebhaft in Erinnerung geblieben:Unsere Lehrerin betrat das Klassenzimmer, als meine Freundin und ich noch laut-stark ein Lied aus unserem Walkman mitsangen. Jeder andere Lehrer hätte sofortgeschimpft und verlangt, dass wir aufhören. Sie sagte nur: „Singt weiter, hört sichtoll an! Wo man singt, da lass Dich nieder!" Meine Freundin und ich waren überdieses lockere Verhalten regelrecht verwundert; wir fanden das toll. Diese Frauwar eine sehr beliebte Lehrerin, da sie einem das Gefühl gab, ihren Unterricht mit-gestalten und bei Schwierigkeiten auf sie zugehen zu können. So bat sie uns im-mer wieder das Gespräch an, wenn wir beispielsweise die Notenvergabe nichtnachvollziehen konnten. In ihrem Unterricht fühlte ich mich wohler als bei manchanderem Lehrer. Aus meinen eigenen Erfahrungen kann ich sagen, wie wichtig esist, dass sich Kinder in der Schule wohl fühlen. Kinder verbringen einen Großteilihrer Zeit in der Schule. Es ist für sie nicht nur ein Gebäude, in dem sie sich Wis-sen aneignen, sondern ein Raum, in dem sie leben, lachen, weinen, traurig undfröhlich sind. Ich denke, dass das Verständnis dafür ganz wichtig ist, um Kinderneine gute Umgebung bieten zu können, in der sie die Möglichkeit haben, mit Freu-de zu lernen.
An dieser Stelle möchte ich mich besonders bedanken:
- Bei meinen Eltern und meiner Schwester Nicola, die mich in vielfältiger
Weise unterstützt und meine Interessen verfolgt haben und mein Studium,
einen besonderen Lebensabschnitt, überhaupt erst ermöglichten.
- Bei allen Freunden und Bekannten und in besonderer Weise bei meiner
besten Freundin Julia, die mich durch die Höhen und Tiefen der Studienzeit
begleitet hat.
- Bei der Schulleitung, den Lehrern und Schülern der Haardter-Berg-Schule
in Weidenau, die mir ermöglichten ein interessantes und vielfältiges Projekt für diese Arbeit zu begleiten.
Einleitung
Die Gesellschaft unterlag im Laufe der Zeit einem vielschichtigen Wandel. Beson- ders der Wandel im Erwerbssystem, von der vielfach beschriebenen Industrie- zur Informationsgesellschaft, wirft die Frage nach neuen Qualifikationsinhalten, Lern- orten und Methoden auf. Angesichts der wachsenden Bedeutung von Lern- und Bildungsprozessen für das berufliche und private Leben ist das Lernen in der Insti- tution Schule zu einem zentralen Thema geworden.
„Die Qualität der Schule und des Lernens bewegt nicht erst seit den spektakulären Ergebnissen der PISA-Studie die bundesdeutsche Öffentlichkeit" (Preiß/Wahler, 2002, S. 7). Seit Anbeginn der Existenz der Institution Schule gerät sie immer wie- der in den Blickpunkt vielfältiger Kritik. In der aktuellen Fachdiskussion werden Themen wie Qualitätsverbesserung, Umstrukturierung und Innovation der Schule angeregt diskutiert. Obgleich es mittlerweile viele Schulen in der bundesdeutschen Schullandschaft gibt, die bereits Abschied genommen haben von ihrem herkömm- lichen Image der einheitlichen und starren Gebilde und zukunftsfähige pädagogi- sche Konzepte für sich erarbeitet haben, ist der überwiegende Teil der Schule noch dabei, sich davon zu lösen bzw. hält an alten Strukturen fest.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich, aufgrund der aktuellen öffentlichen Dis- kussionen und meinen eigenen persönlichen Erfahrungen mit der Schule, mit der Frage, wie der Lebensraum Schule seine Bedingungen für Kinder verbessern kann, um eine Steigerung an Wohlbefinden und Lernfreude zu erreichen. Mit die- ser Arbeit soll der Trend zu mehr Schülerorientierung und Offenheit der Schule gegenüber ihrer Umwelt vorangetrieben werden und damit einen weiteren Beitrag zur Verbesserung der Schulqualität leisten.
Meine Arbeit ist wie folgt gegliedert: Während im ersten Kapitel „Lebensraum Schule", allgemeine Aussagen über die herkömmlichen Aufgaben und Funktionen der Schule sowie kurz Ansätze der Reformpädagogik und eine Vision einer Wohl- fühlschule skizziert werden, klärt das nachfolgende Kapitel grundsätzliche Ansät- ze, Begriffsklärungen und Definitionen zu den Begriffen Wohlbefinden und Klima, welche dieser Arbeit zugrunde liegen. Als Grundlage dienten hier Ausführungen von Hascher, Becker und Janke. Das anschließende Kapitel beschäftigt sich mit verschiedenen Einflussfaktoren auf das Wohlbefinden von Kindern in Schulen. Es werden Faktoren des Unterrichtsklimas, des Klassenklimas und die damit verbun- denen sozialen Beziehungen zwischen den Beteiligten behandelt. Darüber hinaus wird auch der Einfluss der Familie, der Gleichaltrigen sowie der Schulleitung und des Schulgebäudes Beachtung finden. Der Hauptteil der Arbeit beschäftigt sich mit Möglichkeiten zur Verbesserung der Bedingungen von Kindern in der Schule sowie des damit zusammenhängenden Wohlbefindens. Begonnen wird mit der Öffnung der Schule, deren Perspektiven und möglichen Handlungsfeldern.
Schwerpunktmäßig geht es um die Verbindung der außerschulischen Lebenswelt der Kinder mit dem Lebensraum Schule. Nachfolgend wird „die Schule als gerech- te Gemeinschaft nach Kohlberg" vorgestellt, welcher einschneidende Studien zur Verbesserung der Qualität der Schule und des Schullebens unternommen hat.
Anhand der Ziele und Hintergründe sowie aktueller Ergebnisse einer „Just- Community-Schule" wird aufgezeigt, dass der Ansatz von Kohlberg auch für deut- sche Schule interessant sein kann. Im nachfolgenden Kapitel werden verschiede- ne Möglichkeiten der Lehrkräfte dargestellt, um das Befinden von Kindern in der Schule zu verbessern. Neben der Verbesserung des Unterrichtsklimas, wobei der Focus insbesondere auf die Pflege und Gestaltung der persönlichen Beziehung zwischen Lehrer und Schüler gelegt wird, werden auch die Verbesserung des Klassenklimas sowie die Unterrichtsgestaltung thematisiert. In dem darauf folgen- den Kapitel Schulsozialarbeit wird ausführlich beschrieben, mit welchen Methoden die Schulsozialarbeit zugunsten der Schüler agieren kann. Es werden Arbeitswei- sen der offenen Schulsozialarbeit wie z.B. die soziale Gruppenarbeit vorgestellt und anhand aktueller Forschungsergebnisse erörtert. Darüber hinaus werden im Kapitel „Erlebnispädagogik" weitere Möglichkeiten dargestellt, um Kindern einen abwechslungsreicheren und spannenderen Schulalltag zu gestalten. Anschließend werden die Möglichkeiten der Eltern beschrieben, in wieweit sie ihre Kinder in schulischen Angelegenheiten und Belangen unterstützen und zu ihrem Wohlbefin- den in der Schule beitragen können. Zum Abschluss des Hauptteils werden Anre- gungen gegeben, die zu einer besseren architektonischen Gestaltung der Schul- gebäude beitragen und damit für Kinder mehr Behaglichkeit und Wohlbefinden in der Schule hervorrufen sollen. Zur Abrundung der Arbeit wird exemplarisch ein Projekt vorgestellt, welches an der Haardter-Berg-Schule zu dem Thema „Sich wohl fühlen in der Schule" durchgeführt wurde. Anhand der Ergebnisse soll prak- tisch aufgezeigt werden, was Schule tun kann, um Wohlbefinden zu fördern. Ab- schließend werden in der Schlussbetrachtung noch einmal die wichtigsten Er- kenntnisse und Aussagen der Arbeit zusammenfassend dargestellt und es wird versucht, einen Ausblick in zukünftige Entwicklungen des Schulsystems zu geben.
1. Lebensraum Schule
1. 1 Herkömmliches Verständnis von Aufgaben und Funktionen der Schule
„Während in der europäischen Antike „schola" noch mit „Muße", „Innehalten bei der Arbeit" verbunden wurde, wird heute unter Schule eine Bildungseinrichtung verstanden, die einer verantwortlichen Leitung untersteht und in der Lernprozesse organisiert werden, die zeitliche und inhaltliche Planmäßigkeit sowie Kontrollier- barkeit der Abläufe und Lernergebnisse aufweisen (Kreft/Mielenz, 2005, S.708 f). Unser heutiges Schulsystem hat sich weitestgehend aus zwei Entwicklungsschü- ben herausgebildet, die mit den Begriffen Herbartianer und der Reformpädagogik benannt werden können. Das Unterrichtsmodell der Herbartianer, das heute in den Schulen in weiterentwickelter Form immer noch dominant ist, orientiert sich am Einzelunterricht und der Zielsetzung, den Schülern ein vielseitiges Interesse an der Welt zu vermitteln. Die Lerninhalte liegen jedoch meistens außerhalb ihrer unmittelbaren Erfahrungswelt der Schüler. Das Modell orientiert sich an der Unter- richtung ganzer Schulklassen und soll somit für den Lehrer eine hohe Planbarkeit und Lenkung des Unterrichtsgeschehens gewährleisten (vgl. Wiechmann, 2006, S.216).
Der Schule werden unterschiedliche Aufgaben und Funktionen zugeschrieben:
- Qualifikation : Die Schule hat in erster Linie die Aufgabe, den Schülern
grundlegende Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, die
sie für den späteren Ausbildungs- und Berufsweg benötigen.
- Selektion: Im Verlaufe der Schulkarrieren findet durch Prüfungen, Zensuren und Zeugnisse eine Auswahl (Selektion) statt.
Um das Lesen der Arbeit einfacher zu gestalten, verzichte ich im Folgenden auf die gleichzeitige Nennung der weiblichen und männlichen Form von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
- Lebensraum Schule - - Allokation : Nach der Selektion hat die Schule die Funktion den Schülern
wichtige Zugänge zu späteren Ausbildungs-, Berufs- und Lebenschancen
zuzuweisen.
- Sozialisation : Außer der Qualifikation, Selektion und Allokation hat die Schule auch eine allgemeine Sozialisationsfunktion. Sie soll Kindern dazu verhelfen sich zu stabilen, sozialen Persönlichkeiten zu entwickeln, die Verantwortung für sich und andere übernehmen können.
- Bereitstellung von Gleichaltrigen: Schule bietet Kindern einen zusätzlichen
Erfahrungsraum inmitten Gleichaltriger. Dies ist von zunehmender Bedeu- tung, da im Hinblick auf sinkende Kinderzahlen, unwirtlichen öffentlichen Räumen und zunehmendem Verkehr, das Zusammenkommen von Kindern in der Nachbarschaft nicht mehr garantiert werden kann (vgl. Hoffmann, 2000, S.11f).
Ausgangslage
In unseren Schulen wird heute noch überwiegend von dem konventionellen Unter- richtsverständnis ausgegangen, dass es auf der einen Seite Lehrende gibt, die durch ihre Qualifikation nachweisen können, das von ihnen ausgewählte Curricu- lum an Schüler weitergeben zu dürfen, obwohl dabei nicht genau geklärt ist, ob sie das beherrschen und können, was zu vermitteln ist. Und auf der anderen Seite stehen die Schüler, die im Vergleich zur Lehrkraft eine eher „unmündige" Position einnehmen.
Konventioneller Unterricht kann wie folgt beschrieben werden:
- Der Unterricht dient dazu Unterrichtsinhalte zu bearbeiten;
- Das Verhalten der beteiligten Personen ist funktional und alle Schüler ha-
ben sich entsprechend der Unterrichtserwartungen des Lehrers zu verhal-
ten;
- Interessen und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen sind sekundär;
- Ordentliches Verhalten ist Voraussetzung;
- Bei seinem Fehlen werden Disziplinarmaßnahmen eingesetzt;
- Die Schule ist der Rahmen, der den Unterricht gewährt;
- Lebensraum Schule -
- Das Lehrer-Schüler-Verhältnis ist im Prinzip als Machtverhältnis zu verste-
hen;
- Der Unterricht ist geprägt von Hilflosigkeiten und Ungeklärtheiten (vgl. Bönsch, 2000, S. 105).
Obwohl bereits in den vergangenen Jahren alle Schulen, immer mehr dazu aufge- fordert wurden, einen offenen, schüler- und handlungsorientierten Unterricht zu gewährleisten , belegen Studien, dass in unseren Schulen noch überwiegend Un- terrichtsformen eingesetzt werden, die aus einem traditionellen Verständnis von Schule hervorgehen.
Diesem herkömmlichen Verständnis von Schule bzw. Unterricht, soll eine andere Vorstellung von Schule entgegensetzt werden, die Schule nicht nur als bloßen Lernort für abfragbares Wissen ansieht, sondern auch als sozialen Lebensraum für Kinder und Jugendliche begreift.
1.2 Ansätze der Reformpädagogik
„Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich eine bewegende Kraft als Pro- test vor allem auch gegen das soziale Elend, unter dem insbesondere die Schwächsten, die Kinder, zu leiden hatten" (Keller/Post-Lange, 1995, S.62). Hier- aus entwickelte sich eine neue internationale pädagogische Richtung, die „Re- formpädagogik". Im Mittelpunkt reformpädagogischer Ansätze steht die unter- richtsmethodische Erschließung der Erfahrungswelt Heranwachsender. Im Ver- gleich zu den Herbartianern erfolgte die Entfaltung dieser Entwicklung im Rahmen vieler paralleler Ansätze. Alle Ansätze haben jedoch folgende charakteristische
Merkmale gemeinsam:
Siehe z.B. Denkschrift der Bildungskommission des Landes Nordrhein-Westfalen, Titel „Zukunft der Bildung - Schule der Zukunft" 1995 und „Haus des Lernens", Gestaltung des Schullebens und Öffnung der Schule (GÖS), Landesinstitut für Schule und Weiterbildung, 1997.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
- Lebensraum Schule -
- Der Fokus liegt meist auf einem Problem in der Lebenswelt des Lernenden;
- Lösung meist durch kooperative Arbeitsformen;
- Ziel: ein nachhaltiger Lernprozess;
- Situations- und Handlungsorientierung (vgl. Wiechmann, 2006, S. 217).
Die Reformziele und -themen der aktuellen Debatte um das deutsche Bildungs- system sind nicht wirklich neu. Sie verdeutlichen eher die Dauerhaftigkeit bzw. periodische Wiederkehr eines bestimmten „Trends" (vgl. Preiß/ Wahler, 2002, S. 83). Schon vor 30 oder sogar 80 Jahren bestimmte der Ruf nach mehr Eigenstän- digkeit für die Einzelschulen, nach mehr Mitbestimmung der Schulgemeinde, nach angemessenen Curricula, nach schülerorientierten Formen des Lehrens und Ler- nens und nach mehr Lebensweltorientierung die schulische Reformdiskussion. Ein prüfender Blick auf die gegenwärtige Schullandschaft lässt erkennen, dass das Schulsystem anscheinend, neben einigen (wichtigen) strukturellen Aspekten, im Kern der Schul- und Unterrichtsreform nur bedingt weiter gekommen ist (ebd., S. 84).
Vertreter der Reformpädagogik (wie z.B. Berthold Otto, John Dewey oder Maria Montessori) forderten damals schon, unter Bezug auf die Formulierung der Schwedin Ellen Key, eine „Schule vom Kinde aus". Zentrale Anliegen waren für sie die Verteidigung der Rechte des Kindes und die Anerkennung seiner Einzigartig- keit. Danach richteten sie ihre Erziehung aus.
Studien belegen, dass offen gestaltete Unterrichtsformen zu einem erhöhten Wohlbefinden von Schülern beitragen können. Die Konzeption des offenen Unter- richts, die in dieser Arbeit auch Thema sein soll, geht vor allem auf die reformpä- dagogische Forderung nach einer grundlegenden Neukonzeption von Schule zu- rück. Zentrale Begriffe sind: Selbsttätigkeit, Pädagogik vom Kinde aus, freie geisti- ge Schularbeit. Die Schülerorientierung wird in den Mittelpunkt gestellt, was auch in der vorliegenden Arbeit das Anliegen sein soll.
Im nachfolgenden Punkt möchte ich den Versuch machen eine Vision einer „Schu- le zum Wohlfühlen" zu skizzieren, die für Kinder sowohl Lern- als auch Lebensort sein kann.
Die Menschen stärken, die Sachen klären>>, ist Leitgedanke für eine pädago- gische Schule: Ganzheitlich lernen, Belehrung durch Erfahrung ersetzen, den jun- gen Menschen Zutrauen geben, die Welt zu verstehen, zu verändern, zu verant- worten.
(Hartmut von Hentig)
Hentig beschreibt eine Schule, die den Mensch in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Er favorisiert die Orientierung am Schüler und seinen Fähigkeiten und Res- sourcen. Zudem betont er die Wichtigkeit der Lebensweltorientierung, welche auch in meiner Vorstellung von Schule eine ganz bedeutende Rolle spielt.
Wie schon in den beiden vorigen Kapiteln thematisiert, sind die überwiegenden Schulen heute noch immer geprägt von traditionellen, resistenten Strukturen, die für Kinder keineswegs einladend wirken und für sie keine vertrauensvolle Atmo- sphäre ausstrahlen, hinsichtlich der architektonischen Gestaltung sowie häufig auch in Bezug auf die sozialen Beziehungen innerhalb der Schule. Wie also könn- te eine Schule aussehen, in die Schüler gerne gehen, gerne lernen und gerne mit ihren Lehrern und Mitschülern produktive und schöne Zeit verbringen, sich per se rundherum wohl fühlen?
Die freundlich und einladend gestaltete Schule liegt in der unmittelbaren Umge- bung der Schüler, die sie besuchen. Das Schulgelände sprüht vor vielfältigen att- raktiven Sport- und Freizeitmöglichkeiten, bietet den Kindern aber auch ausrei- chend Sitzgelegenheiten und Nischen, um sich in den Pausen zu erholen. Das schön angelegte Gelände ist eingebettet in verschiedene Grünflächen, Bäume und bunte Blumenbeete, die von den Schülern selbst angelegt wurden. Innerhalb der Schule heißen humor- und verständnisvolle Lehrer die Heranwachsenden in son- nengelb eingetauchten Unterrichtsräumen willkommen. Im offenen Unterricht ste- hen Lehrer helfend zur Seite, wenn die Schüler in Freiarbeit ihrem Lerntempo ge- mäß wissbegierig und freudig den für sie bereitgestellten Lernstoff bearbeiten. Die Schulleitung, sowie die Lehrerschaft legen großen Wert auf einen partnerschaftli- chen, vertrauensvollen und kooperativen Umgang untereinander und mit den Schülern, der ihnen ermöglicht selbst bestimmt und demokratisch zu handeln. Bei persönlichen und schulischen Fragen oder Problemen stehen den Schülern ver- ständnisvolle und kompetente Sozialpädagogen/Sozialarbeiter zur Verfügung, die ihnen Unterstützung und Hilfe im persönlichen Gespräch oder in Form von Grup- penangeboten leisten. In den Pausen warten abwechslungsreiche Zerstreuungs- und Erholungsmöglichkeiten auf die Schüler. Der Eine macht es sich in der gut ausgestatteten Schulbibliothek auf einem Sofa gemütlich, der Andere spielt mit einem Freund eine Runde Fußball auf dem schuleigenen Platz. Für das leibliche Wohl werden in der Caféteria lecker belegte und gesunde Brötchen, frisches Obst und Getränke angeboten. Mittags werden die Mahlzeiten zusammen frisch zube- reitet und gemeinschaftlich in einer angenehmen Atmosphäre im Kreise der Mit- schüler, Lehrer und Sozialpädagogen eingenommen. Am Nachmittag locken An- gebote wie die Theater- oder Kunst AG, der Lauftreff oder ein Wanderausflug in den nahe gelegenen Wald, die auch von schulfremden Kindern genutzt werden können und die von Lehrern oder Sozialpädagogen betreut werden. Neben Mitar- beitern von Handwerksbetrieben, Sport- und Freizeiteinrichtungen und anderen Einrichtungen in der Gemeinde sind auch regelmäßig die Eltern der Schüler Gast in der Schule, um z.B. zusammen an Projekten zu arbeiten oder sich an der Ges- taltung der Schule zu beteiligen. Zu bestimmten Anlässen und zu regelmäßigen Terminen werden Schulfeste und Feiern zelebriert, die nicht nur in der Schule, sondern auch im Stadtteil oder der Gemeinde stattfinden und zu denen auch au- ßerschulische Gäste herzlich eingeladen sind.
Natürlich ist diese Traumschule, wie schon in den vorigen Punkten beschrieben, noch weit entfernt von der heutigen Realität. Meiner Meinung nach ist es aber an der Zeit, dass Schulen sich öffnen und die Chancen nutzen, ihre alten Strukturen endlich aufzuweichen und für die Kinder Bedingungen zu schaffen, in denen sie Vertrauen entgegengebracht bekommen, ernst genommen werden in ihrer Per- - Lebensraum Schule - son, selbst bestimmt und selbsttätig arbeiten und lernen dürfen und wo sie Unter- stützung erhalten, wenn sie sie brauchen. Natürlich kann die Schule die Familie nicht ersetzen. Aber sie kann versuchen Kindern, besonders Kindern aus sozial benachteiligten Familien, ein Ort zu sein, wo sie sich verstanden, aufgeho- ben und wohl fühlen.
-Begriffsklärungen und Definitionen-
2. Begriffsklärungen und Definitionen
2.1 Wohlbefinden
„ Das Wohlgemutsein ist das Ziel des Lebens."
(Heraklit)
Im Leben eines Menschen ist das Streben nach Glück und Wohlbefinden von zentraler Bedeutung. Die meisten Menschen möchten gern möglichst umfassend und möglichst immer glücklich sein und sich wohl fühlen. Die Definitionen, was man unter Wohlbefinden verstehen kann, sind sehr vielfältig und verschieden. In der Fachliteratur wird der Begriff des Wohlbefindens, ebenso verwandte Begriffe wie Glück und Lebenszufriedenheit, nicht einheitlich beschrieben. Erst seit einigen Jahren wird versucht, Wohlbefinden zu präzisieren und zu standardisieren. In der Psychologie wird der Begriff des Wohlbefindens schon seit etwa zwanzig Jahren als Fachterminus verwendet. Der Begriff wird allgemein als ein Indikator für ein gelungenes Leben eines Menschen betrachtet. Es geht um die erfolgreiche Bewältigung von Entwicklungsaufgaben, das Meistern alltäglicher Anforderungen und die Kunst, sich nicht zu sehr wegen Alltagssorgen zu grämen, sondern viel- mehr die kleinen Freuden zu genießen. Der Begriff wird oft uneinheitlich und auch missverständlich verwendet. Er wird oft als Oberbegriff z.B. für Freude, Stolz, Glück genutzt oder mit Zufriedenheit gleich gesetzt.
2.1.1 Ansätze zum Wohlbefinden
Der Amerikaner Diener und deutsche Wissenschaftler wie Becker und Mayring haben versucht den Begriff des Wohlbefindens näher zu definieren, worüber nach- folgend ein kurzer Überblick gegeben werden soll.
Becker schlägt zur Klärung und genaueren Definition des Begriffs die Unterschei- dung in aktuelles Wohlbefinden (AW) und habituelles Wohlbefinden (HW) vor. Un- ter dem aktuellen Wohlbefinden versteht er das momentane Befinden einer Per- -Begriffsklärungen und Definitionen- son, welches einhergeht mit positiven Gefühlen, Stimmungen und körperlichen Empfindungen. Das habituelle Wohlbefinden ist als relativ stabile Persönlichkeits- eigenschaft zu verstehen. Es ist das für eine Person typische Wohlbefinden, wel- ches sich aus dem Urteil über angesammelte emotionale Erfahrungen bildet. Es wird primär durch kognitive Prozesse entwickelt, die sowohl von Person- als auch von Umwelterfahrungen beeinflusst werden können. Zudem kann zwischen dem psychischem Wohlbefinden (wie z.B. gute Laune oder Lebensfreude) und dem physischen Wohlbefinden (wie z.B. gute körperliche Verfassung oder sich-fit- Fühlen) unterschieden werden (vgl. Abele/Becker, 1991, S.13 ff). Diener teilt dem Begriff Wohlbefinden drei Kategorien zu: 1. Wohlbefinden durch Tugenden, d.h. durch die Erfüllung extrinsisch vorgegebener Werte, 2. Ansätze zur Lebenszufriedenheit, 3. Definitionen, in denen die Dominanz positiver, d.h.
angenehmer Gefühle im Vergleich zu negativen Gefühlen betont wird. Er schrieb dem Wohlbefinden zudem drei Merkmale zu:
(1) Wohlbefinden ist stets subjektiv und individuell.
(2) Wohlbefinden besteht nicht nur im Fehlen negativer, unangenehmer Gefüh- le (z.B. keine Angst haben), sondern beinhaltet das Empfinden positiver Gefühle (allen voran das Erleben von Freude).
(3) Wohlbefinden ist ein globales Konzept und nicht flüchtig, sondern dauerhaft
(vgl. Hascher, 2000, Haupt, S. 10).
Mayring beschreibt das Wohlbefinden eines Menschen anhand eines Vier- Faktoren-Ansatzes. Er geht davon aus, dass vier Bedingungen erfüllt sein müs- sen, damit man von Wohlbefinden sprechen kann. Das Individuum muss frei sein von Sorgen, Problemen und Belastungen. Darüber hinaus empfindet es Glücksge- fühle, ein positives Lebensgefühl und erlebt Anlässe zur Freude. Das Leben wird positiv bewertet, welches sich in Zufriedenheit ausdrückt (vgl. Kolip,1994, S.28ff) Natürlich gibt es noch eine Reihe von allgemeinen Definitionen, auf die ich hier aber nicht näher eingehen möchte. Wenn man die vorliegenden Definitionen be- trachtet, kann man zusammenfassend sagen, dass von Wohlbefinden gesprochen werden kann,
-Begriffsklärungen und Definitionen-
1. „wenn nicht nur die Gedanken eines Menschen, sondern auch seine Gefüh- le berücksichtigt werden - und umgekehrt,
2. wenn sowohl positive als auch negative Aspekte einbezogen werden und
3. wenn Freude als eine zentrale Empfindung angesehen wird" (Hascher,
2004, Haupt, S. 11).
Eigene Definition „ Wohlbefinden"
Meines Erachtens bedeutet „Wohlbefinden", wenn eine Person frei ist von negati- ven Gefühlen, Stimmungen und körperlichen Beschwerden. Ich würde es als ei- nen Zustand psychischer und physischer Ausgewogenheit bezeichnen, der kurze Phasen des Lebens, aber auch über einen längeren Zeitraum andauern kann und subjektiv erlebt wird.
2.1.2 Wohlbefinden in der Schule
„Kein Schüler kann sicher sein, ob er das Lernziel erreicht, keiner weiß, ob nicht viele andere besser sind als er. Schulische Lernprozesse sind deshalb meist mit affektiven Begleitprozessen verbunden, mit Angst oder mit Erfolgszuversicht" (zit. nach Fend et. Al. 1976, S. 144f, in: Hascher, 2004, Waxmann, S. 77).
Demnach müssen u.a. zwei pädagogische Ziele in der Schule verfolgt werden:
1. Angst vermindern, da sie, genau wie die Misserfolgsorientierung, das sub- jektive Wohlbefinden von Schülern einschränkt;
2. das Wohlbefinden, d.h. die Erfolgszuversicht und die Schulfreude erhöhen, um damit die Leistungsfähigkeit von Schülern zu unterstützen. Nach Hascher bezeichnet „Wohlbefinden in der Schule" einen Gefühlszustand, bei dem positive Emotionen und Kognitionen gegenüber der Schule, den Personen in der Schule und dem schulischen Kontext bestehen und gegenüber negativen Kognitionen und Emotionen dominieren (vgl. Hascher/Rost, 2004, Waxmann, S. 150). Wichtig ist meines Erachtens, dass Wohlbefinden in der Schule nicht als -Begriffsklärungen und Definitionen- Einzelemotion missverstanden werden darf, sondern ein Mehrebenen-Konstrukt darstellt (ebd.).
Zusammenfassend kann man sechs zentrale Komponenten für das Wohlbefinden in der Schule benennen; drei Faktoren repräsentieren positive Schulerfahrungen, d.h. positive Gefühle und Haltungen gegenüber der Schule und drei Faktoren drü- cken die negativen Erfahrungen mit dem Schulalltag aus, d.h. zentrale und typi- sche Situationen in Bezug auf Probleme, Sorgen und Beschwerden im Schulall- tag:
1. Positive Kognitionen und Emotionen gegenüber der Schule (z.B. die Schule als sinnvoll betrachten, gute Beziehungen zu den Lehrern);
2. Freude in der Schule (z.B. sich über Erfolge oder auf befreundete Mit- schüler freuen);
3. Schulisches Selbstbewusstsein (z.B. sich mit den Anforderungen der Schule identifizieren können, Besitz von Selbstwirksamkeitsüberzeu- gungen);
4. Sorgen und Probleme in der Schule (z.B. Sorge darüber, ob die nächste Klasse erreicht wird);
5. Körperliche Beschwerden wegen der Schule (z.B. Herzklopfen bei der mündlichen Mitarbeit oder Bauchweh vor einer Klassenarbeit);
6. Soziale Probleme in der Schule (z.B. in der Klasse ausgegrenzt werden) (vgl. Hascher/Rost, 2004, Waxmann, S. 151).
An diesen sechs Komponenten kann man erkennen, dass Wohlbefinden in der Schule vielfältige Ebenen kindlichen Erlebens betreffen kann und es schwierig, ist eine pauschale Aussage darüber zu formulieren.
2.2 Klima
Der Begriff des Klimas ist umgangssprachlich weit verbreitet. In der Organisations-
psychologie, der Pädagogik und Pädagogischen Psychologie herrscht jedoch
weitgehend Uneinigkeit über die Bedeutung des Begriffs. „Klima ist nichts direkt
-Begriffsklärungen und Definitionen-
Fassbares, es ist zunächst ein inhaltsleeres, hypothetisches Konstrukt, das je nach Forschungshintergrund, Theorie und Schwerpunktsetzung mit unterschiedli- chen Inhalten gefüllt wird" (Janke, 2006, S. 12).
Es gibt eine Vielzahl an vorliegenden Klimadefinitionen. Je nachdem von welchem Standpunkt, von welcher Seite oder Erkenntnisinteresse aus man Klima betrach- tet, werden andere Merkmale als bedeutend angesehen.
2.2.1 Zur Bedeutung und Verwendung des Begriffs Klima
Im Kontext von Organisationen, in denen Menschen ein gemeinsames Ziel verfol- gen, taucht im Zusammenhang mit Wohlbefinden auch immer wieder der Begriff Klima auf (vgl. Gebert, 2002, S.364). Um diesen Begriff auch im schulischen Kon- text nutzen zu können, möchte ich an dieser Stelle den Klimabegriff unter der Fra- gestellung, was er für die Untersuchung des Wohlbefindens von Schülern leisten kann, erörtern.
2.2.2 Ansätze zum sozialen Klima an Schulen
Wenn man die aktuelle Literatur zur Klimaforschung an Schulen betrachtet, bilden sich zwei unterschiedliche Ansätze aus:
1. ein Ansatz ist angelehnt an die Organisationspsychologie, in dem Theorien des Klimas in Organisationen auf die Schule übertragen werden. Hier ste- hen das Führungsverhalten des Schulleiters und die Kooperation im Kolle- gium im Vordergrund. Der Fokus liegt hier überwiegend auf der Klimawahr- nehmung aus Sicht der Lehrer.
2. der zweite Ansatz stammt aus der Pädagogik und der Pädagogischen Psy- chologie und bezieht sich vor allem auf das Unterrichtsklima bzw. das Schulklima aus Sicht der Schüler (vgl. Janke, 2006, S. 12). Im Verlauf meiner Arbeit möchte ich mich vor allem auf den zweiten Ansatz stüt- zen und werde deswegen im Folgenden noch näher auf ihn eingehen.
-Begriffsklärungen und Definitionen-
Eder hat versucht, die vorliegenden pädagogisch-psychologischen Begriffsdefiniti- onen systematisch darzustellen. Nach Eder wird der Begriff Klima in der aktuellen
Diskussion in drei Weisen verwendet:
1. zur Beschreibung der emotionalen Grundstimmung einer pädagogischen Gesamtatmosphäre; hier geht es um die emotionale Qualität der sozialen Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern und um das Wohlbefinden der ganzen Klasse;
2. zur Beschreibung der in pädagogischen Umwelten bestehenden Grundori- entierungen und Werthaltungen; hier geht es um gemeinsame Merkmale wie z.B. gemeinsame Ziele oder Interessen, aber auch um Traditionen oder Rituale einer Schule;
3. zur Beschreibung subjektiv wahrgenommener (Lern-)Umwelten; diese Ver- wendung des Klimabegriffs ist am weitesten verbreitet. Klima wird hier als Konfiguration von (wahrgenommenen) Merkmalen einer Lernumwelt defi- niert (vgl. ebd., S. 13f).
Auch Dreesmann betont die Bedeutung des subjektiven Erlebens und Beurteilens der objektiven Lernumwelt. Als objektive Merkmale der Lernumwelt werden z.B. die materielle Ausstattung des Klassenraums, die Zahl und das Geschlecht der Schüler und das Geschlecht des Lehrers benannt. Der Unterricht wird also als ob- jektive Lernumwelt von den Schülern meist sehr unterschiedlich wahrgenommen. Gute Schüler werden Aufgabenstellungen des Lehrers als leichter empfinden als schlechtere Schüler und Mädchen erleben die Gemeinschaft in einer Klasse viel- leicht anders als Jungen (vgl. Dreesmann, 1982, S. 22).
Neben der Hervorhebung der subjektiven Wahrnehmung beschreibt von Saldern
weitere konstituierende Aspekte des Klimas:
- Kontinuität : Als Klima werden Merkmale der Schulumwelt erst dann be- zeichnet, wenn sie relativ stabil und damit charakteristisch sind.
- Klima als molarer Begriff : Das Klima bezieht sich auf die Mitglieder einer Gruppe. Es beschreibt ein Gruppenphänomen und sagt etwas über die Gemeinsamkeit aller Mitglieder einer Gruppe aus.
-Begriffsklärungen und Definitionen-
- Mehrdimensionalität : Klima wird als Überbegriff für vielerlei Dimensionen, wie z.B. Cliquenbildung, Konkurrenz oder Gemeinschaft etc. verwendet (vgl. Janke, 2006, S. 14f).
Allgemein kann man sagen, dass das Klima in der Schule, je nach Fragestellung
der Untersuchung, zwischen drei Formen unterschieden werden kann:
1. das individuelle Klima : es repräsentiert die Klimawahrnehmung einzelner Personen und gibt Aufschluss darüber, wie Individuen ihre Umwelt wahr- nehmen. Bedeutsame Faktoren für die individuelle Wahrnehmung können z.B. das persönliche Verhältnis zur Lehrperson, das Auftreten von subjekti- ven Belastungsfaktoren oder die soziale Stellung in der Klasse sein.
2. das aggregierte Klima : hier geht es um die durchschnittliche Klimawahr- nehmung innerhalb einer sozialen Einheit. Mit Hilfe von Mittelwerten kön- nen z.B. klimapositive von klimanegativen Klassen unterschieden werden, es können allgemeine Merkmale zur Beschreibung des Lehrer- und Schü- lerverhaltens, der Schulform oder der Rahmenbedingungen untersucht werden.
3. das kollektive Klima : es wird benutzt, wenn es darum geht, verschiedene Untergruppen z.B. Cliquen innerhalb einer Klasse zu untersuchen (vgl. Grewe, 2003, S.14). Im nächsten Kapitel werden mögliche Einflussfaktoren auf das Wohlbefinden von Kindern in der Schule behandelt wie die architektonische Gestaltung, die Schullei- tung sowie das Unterrichts- und Klassenklima und der außerschulische Kontext.
- Einflussfaktoren auf das Wohlbefinden in der Schule -
3. Einflussfaktoren auf das Wohlbefinden in der Schule
Der schulische Kontext ist als komplexe Wirkungsgröße auf kindliches Wohlbefin- den anzusehen, worin sich verschiedene Faktoren innerhalb und außerhalb der Schule jeweils beeinflussen können.
Wie man aus der folgenden Abbildung 1 von Hascher entnehmen kann, lassen sich die verschiedenen Einflussfaktoren auf das Wohlbefinden in objektive, subjek- tive, situative und Mediator Variablen einteilen. Das Wohlbefinden kann somit von subjektiv erlebten Faktoren des Schülers selbst, wie z.B. durch sein Begabungs- selbstbild oder seine Frustrationstoleranz beeinflusst werden, aber auch durch sein Geschlecht, seine persönlichen Ziele oder seine Anstrengungsbereitschaft. Darüber hinaus hat der Schulkontext insgesamt Einfluss auf die Schüler. Hier wir- ken z.B. der Schulort- oder weg, das pädagogische Konzept der Schule oder die Zusammensetzung der Klasse auf das Befinden der Schüler ein. Zudem ist auch der außerschulische Kontext wie die Struktur der Familie eines Kindes oder die Einstellungen der Eltern zur Schule maßgeblich mitverantwortlich für das Wohler- gehen von Kindern. Es wird deutlich, dass das Phänomen des Wohlbefindens äu- ßerst komplex ist und sich vorliegende Faktoren jeweils auch wieder gegenseitig beeinflussen können.
- Einflussfaktoren auf das Wohlbefinden in der Schule -
Abb. 2: Systematisierung potenzieller Einflussvariablen auf das Wohlbefinden in
der Schule (Quelle: Hascher/Rost, Waxmann, 2004, S. 165) Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, werden im Folgenden ausgewählte Einflussfaktoren behandelt wie die architektonische Gestaltung von Schulgebäu- den, die Schulleitung sowie das Unterrichts- und Klassenklima und die damit zu- sammenhängenden sozialen Beziehungen zwischen den Beteiligten. Zudem wird im Anschluss der Einfluss des außerschulischen Kontexts dargestellt.
3.1 Architektonische Gestaltung von Schulgebäuden
Gebäude, Räume und Farben haben Wirkungen auf uns. Wenn wir ein Kranken- haus betreten, fühlen wir uns anders, als wenn wir in eine Kirche oder eine Gast- stätte gehen. Alles an dem Gebäude hat auf uns eine bestimmte Wirkung und be- sondere Botschaften, die wir oft nur unbewusst wahrnehmen. Die Art der Formen, - Einflussfaktoren auf das Wohlbefinden in der Schule - verwendete Farben und die Gestaltung des Gebäudes hat Einfluss darauf, wie wir uns in dem Bauwerk fühlen. Ich denke, wenn die Gestaltung bedeutungslos wäre, würden wir z.B. nicht soviel Zeit damit verbringen zu überlegen, wie unser Haus aussehen, wie die Räume aufgeteilt und welchen Farbanstrich die einzelnen Räume bekommen sollen.
„ Der Mensch befindet sich nicht im Raum wie ein Gegenstand sich etwa in einer Schachtel befindet, und er verhält sich auch nicht so zum Raum, als ob er zu- nächst etwas wie ein raumloses Subjekt wäre, das sich dann hinterher auch zum Raum verhielte, sondern das Leben besteht ursprünglich in diesem Verhältnis zum Raum und kann davon nicht einmal in Gedanken abgelöst werden" (Bollnow, 1963, S. 23).
Hier beschreibt Bollnow meines Erachtens sehr gut, dass man Räume nicht iso- liert vom Menschen betrachten kann. Es besteht immer auch eine Verbindung da- zu. Wenn wir uns in Räumen aufhalten, verhalten wir uns in bestimmter Weise, haben positive oder negative Gefühle oder bewerten sie auch neutral. Wir stehen stets in „Interaktion" mit dem jeweiligen Raum und deswegen ist die Gestaltung von Räumen in Bezug auf das Wohlbefinden des Menschen als sehr wichtig zu erachten.
„Kinder haben Meinungen über Räume, die sie in aller Regel nicht aussprechen, wohl aber ausleben. Räume sind ihnen nicht gleichgültig" (vgl. Mahlke/Schwarte, 1991, S. 21). Der Raum, der dem Kind zu seiner Entwicklung angeboten wird, muss also seinen Lebensprozessen möglichst genau entsprechen. „Eine bauliche Umweltplanung ist nur dann kindgemäß, wenn sie Projektion und Provokation sei- ner Prozesse ist. Mit anderen Worten: die auf das Kind bezogene Architektur hat die raumzeitliche Ermöglichungsform der Entwicklungsprozesse des Kindes zu sein" (Kükelhaus, 1979, S. 55f). Der „Raum als unabdingbares Erfahrungsfeld der Sinne, das Entwicklung fördert oder hemmt, Pädagogik begünstigt oder erschwert" (Mahlke/Schwarte, 1991, S. 7).
- Einflussfaktoren auf das Wohlbefinden in der Schule -
Es ist nicht abzustreiten, dass in den letzten 15- bis 20 Jahren eine ganze Reihe von Schulen ihre Raumgestaltung geändert und reformpädagogische Motive be- rücksichtigt haben, um damit zu mehr kreativen Denken, entdeckendem Lernen und Selbsttätigkeit beizutragen. Klagen der Schüler belegen dennoch, dass scheinbar immer noch wesentliche Merkmale der Anstaltsschule die schularchitek- tonische Wirklichkeit bestimmen (vgl. Braun/Wetzel, 2006, S. 73). Häufig hört man von Schülern, die mutwillig Schulgebäude zerstören oder schulisches Inventar „beschmieren" oder „beschädigen". Warum machen Schüler so etwas? Man könn- te spekulieren, ob sie vielleicht Frust haben aufgrund von familiärer Probleme, Liebeskummer oder schlechter Noten. Bestimmt gibt es für ein derartiges Verhal- ten die unterschiedlichsten Gründe. Wichtig erschien mir die Frage, ob es auch mit einem mangelnden Wohlbefinden und einer fehlenden Identifizierung mit der Schule zusammenhängen kann, welches die Schüler mit dem Schulgebäude in Verbindung bringen? Kinder können sich ihre Schule nicht aussuchen bzw. selten an der Gestaltung mit planen. Obwohl natürlich bedacht werden muss, dass eine Vielzahl an Einflussfaktoren auf das Befinden von Kindern in der Schule wirken, kann die oben gestellte Frage bejahrt werden. Rittelmeyer bestätigt diese Meinung mit der Auffassung, dass Antipathien gegen Schulen oft Antipathien gegen die architektonische Bauweise sind, und nicht bewusst wahrgenommen werden. Er geht davon aus, dass die Wirkung der Schulbau-Architektur und Farbgestaltung einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Befindlichkeit von Schülern und damit auf ihr Lern- und Sozialverhalten hat (vgl. Rittelmeyer, 1994). An späterer Stelle werden in Kapitel 4.7 Möglichkeiten dargestellt, die eine schü- lerfreundliche Gestaltung von Schulgebäuden aufzeigen.
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Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2007
- ISBN (eBook)
- 9783836608220
- DOI
- 10.3239/9783836608220
- Dateigröße
- 1.4 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Siegen – Erziehungswissenschaften, Studiengang Sozialpädagogik
- Erscheinungsdatum
- 2008 (Januar)
- Note
- 2,1
- Schlagworte
- schule schulsozialarbeit kinder erziehungswissenschaft pädagogik
- Produktsicherheit
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