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Lernfeldorientierung in der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern

Ein didaktisches Konzept für die Entwicklung beruflicher Identität und professioneller Perspektiven

©2007 Diplomarbeit 199 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Erzieherinnen und Erzieher haben sich unter anderem zum Ziel gesetzt zu bilden. Und wer bilden möchte, sollte gut ausgebildet sein. Die Erzieherinnen und Erzieher müssen wissen, wie kleine und große Menschen lernen. Sie müssen die Zusammenhänge erkennen und bereit sein, sich lebenslang zu bilden.
Es ist keinesfalls einfach, sich mit dem Berufsbild von Erzieherinnen und Erziehern auseinander zu setzen. Welche zentrale Rolle dabei die Bildung einnimmt, zeigt uns beispielsweise die PISA-Studie. Der Bildungsauftrag in der Arbeit von Erzieher/-innen ist unumstritten.
Die Anforderungen an Erzieher/-innen sind enorm. Diesen Anforderungen müssen sich nicht ausschließlich die Erzieher/-innen stellen, sondern ebenso die Bildungsinstitutionen zur Ausbildung von Erziehern/-innen. Die Qualität der Ausbildung soll verbessert werden. Die Kultusministerkonferenz (KMK) empfiehlt, die herkömmlichen curricularen Unterrichtsformen zu lernfeldorientierten Ausbildungsformen zu ändern. Diesen Anforderungen stellt sich ebenso die vorliegende Arbeit. Diese Arbeit hat nicht den Anspruch, die Erzieher/ -innenausbildung vollständig zu beschreiben, sondern greift die Berufsfindungsphase auf. Sie stellt geschichtliche Daten und Aspekte des Berufsbildes dar und setzt sich mit dem herkömmlichen curricularen Ausbildungssystem und der lernfeldorientierten Form auseinander. Abschließend soll ein „Praxis-Lehr-Modul“ im Sinne des Lernfeldkonzeptes als Handbuch für die Lehrenden beschrieben werden, welches sich ausschließlich mit der Berufsfindung der Lernenden auseinandersetzt.
Die Ausarbeitung ist Grundlage und beschreibt, wie lernfeldorientierter Unterricht im Themenfeld >Berufliche Identität und professionelle Perspektiven entwickeln< umgesetzt werden kann. Das „Praxis-Lehr-Modul“ soll Lehrende unterstützen, nach den curricularen Vorgaben des Lernfeldkonzeptes eine praktische Herangehensweise zu haben, dass Thema im Sinne des Lernfeldkonzeptes umzusetzen.
Die vorliegende Arbeit wurde, aus meinem berufsbedingten Interesse als Sozial- und Berufspädagoge (in spe) gefertigt. Ich setze mich mit den Inhalten der Erzieher/-innenausbildung auseinander, da ich aufgrund mehrerer Gespräche mit Menschen dieser Berufsgruppe und meinen beruflichen Erfahrungen als Sozialpädagoge im Bereich der Jugendhilfe zu dem Schluss gekommen bin, dass Ausbildungsinhalte flexibel und berufsfeldbezogen vermittelt werden müssen, damit unter anderem die Handlungskompetenz gefördert […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Jörg Stumbrat
Lernfeldorientierung in der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern
Ein didaktisches Konzept für die Entwicklung beruflicher Identität und professioneller
Perspektiven
ISBN: 978-3-8366-0696-7
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland, Diplomarbeit, 2007
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2008
Printed in Germany

Die Legende von der Erschaffung der Erzieherin
,,Als der liebe Gott die Erzieherin schuf, machte er bereits den sechsten Tag Überstunden.
Da erschien der Engel und sagte: 'Herr, Ihr bastelt aber lange an dieser Figur!' Der liebe
Gott sprach: 'Hast du die speziellen Wünsche auf der Bestellung gesehen? Sie soll pflege-
leicht, aber nicht aus Plastik sein; sie soll 160 bewegliche Teile haben; sie soll Nerven wie
Drahtseile haben und einen Schoß, auf dem zehn Kinder gleichzeitig sitzen können, und
trotzdem muss sie auf einem Kinderstuhl Platz haben. Sie soll einen Rücken haben, auf
dem sich alles abladen lässt; und sie soll in einer überwiegend gebückten Haltung leben
können. Ihr Zuspruch soll alles heilen, von der Beule bis zum Seelenschmerz, sie soll sechs
Paar Hände haben.'
Da schüttelte der Engel den Kopf und sagte: 'Sechs Paar
Hände, das wird kaum gehen!' - 'Die Hände machen mir
keine Kopfschmerzen', sagte der liebe Gott 'aber die drei
Paar Augen, die eine Erzieherin haben muss.' - 'Gehören
die denn zum Standardmodell?', fragte der Engel. Der
liebe Gott nickte: 'Ein Paar das durch geschlossene
Türen blickt, während sie fragt: Was macht ihr denn da
drüben? - obwohl sie es längst weiß. Ein zweites Paar im
Hinterkopf, mit dem sie sieht, was sie nicht sehen soll,
aber wissen muss. Und natürlich zwei Augen hier vorn, aus denen sie ein Kind ansehen
kann, das sich unmöglich benimmt, und die trotzdem sagen: Ich verstehe dich und habe
dich sehr lieb.'
'O Herr!', sagte der Engel und zupfte ihn am Ärmel, 'geht schlafen und macht morgen wei-
ter.' - 'Ich kann nicht', sagte der liebe Gott, 'denn ich bin nahe daran, etwas zu schaffen, das
mir einigermaßen ähnelt. Ich habe bereits geschafft, dass sie sich selbst heilt, wenn sie
krank ist; dass sie 30 Kinder mit einem winzigen Geburtstagskuchen zufrieden stellt; dass
sie einen Sechsjährigen dazu bringen kann, sich vor dem Essen die Hände zu waschen;
einen Dreijährigen davon überzeugt, dass Knete nicht essbar ist, und übermitteln kann,
dass Füße überwiegend zum Laufen und nicht zum Treten von mir gedacht waren.'
Der Engel ging langsam um das Modell der Erzieherin herum. 'Zu weich', seufzte er. 'Aber
zäh', sagte der liebe Gott energisch. 'Du glaubst gar nicht, was diese Erzieherin alles leisten
und aushalten kann!' - 'Kann sie denken?' - 'Nicht nur denken, sondern sogar urteilen und

Kompromisse schließen', sagte der liebe Gott, 'und vergessen!' Schließlich beugte sich der
Engel vor und fuhr mit einem Finger über die Wange des Modells. 'Da ist ein Leck', sagte er.
'Ich habe Euch ja gesagt, Ihr versucht zu viel in das Modell hineinzupacken.' - 'Das ist kein
Leck', sagte der Liebe Gott, 'das ist eine Träne.' - 'Wofür ist sie?' - 'Sie fließt bei Freude,
Trauer, Enttäuschung, Schmerz und Verlassenheit.' - 'Ihr seid ein Genie!', sagte der Engel.
Da blickte der liebe Gott versonnen: 'Die Träne', sagte er, 'ist das Überlaufventil.'"
1
1
Arbter-Öttl 1999, S.15 f (nach H. Wenke)

Inhalt
5
Inhalt
1
Einleitung ...9
2
Der Beruf der Erzieherin ...11
2.1
Historische Entwicklung des Berufsbildes
11
2.1.1
Begriffsbestimmung ,,Soziale Berufe"
11
- Was bedeutet ,,Beruf"? ... 11
- Was bedeutet ,,sozial"?... 12
- Was sind ,,Soziale Berufe"? ... 13
- Bedeutung der historische Entwicklung des Berufsbildes ... 13
2.1.2
Das 15. bis 18. Jahrhundert
14
- Gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen... 14
- Armenpflege ... 14
- Berufliche Qualifizierung... 15
2.1.3
Das Zweite Kaiserreich von 1800 - 1870
18
- Gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen... 18
- Entwicklung der Armenpflege und Einbeziehung pädagogischer Konzepte... 18
- Entstehung sozialer Berufe ... 20
2.1.4
Das Deutsche Reich bis zum Ende des 1. Weltkrieges 1871 ­ 1918
24
- Gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen... 24
- Von der Armenpflege zur Fürsorge und Ausweitung der Pädagogik ... 25
- Ausdifferenzierung sozialer Berufe... 26
2.1.5
Die Weimarer Republik
32
- Gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen... 32
- Wohlfahrtspflege- und Fürsorgereformen... 33
- Weiterentwicklung der Ausbildungsformen... 34
2.1.6
Der Nationalsozialismus
39
- Gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen... 39
- Von der Wohlfahrtspflege zur Volkswohlfahrt... 39
- Nationalsozialistische Umstrukturierung der Ausbildung ... 40
2.1.7
Die Zeit ab 1945
43
- Gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen... 43
- Neubeginn und Professionalisierung der Sozialen Arbeit... 43
- Entwicklungen in der Ausbildung... 44
- Ausbildung in der DDR ... 50
- Exkurs: ,,Schwarze Pädagogik" und die ,,Heimkampagne" von 1969... 51
2.2
Der Erzieherinnenberuf heute
52
2.2.1
Erziehung 52
- Kindheit und Erziehung ­ Historisch gesehen ... 53
- Kindheit heute ... 54
2.2.2
Das Berufsbild der Erzieherinnen heute
58
- Wo arbeiten Erzieherinnen? ... 58
- Was arbeiten Erzieherinnen? ... 66

Inhalt
6
3
Curriculare Grundlagen der Ausbildung: Rahmenbedingungen,
rechtliche Regelungen (Stand 2003)... 72
3.1
Ausbildungsordnung Erzieherin
72
3.2
Unterricht, Ausbildungsplan, Leistungsnachweise
74
3.2.1
Stundentafel für das Vollzeitstudium
74
3.2.2 Stundentafel für das Teilzeitstudium
75
4
Entwicklung eines Unterrichtsmoduls nach dem Lernfeldkonzept ... 79
4.1
Grundsätzliches im Rahmenlehrplan Berlin
79
4.1.1
Einführung des Lernfeldkonzeptes in Berlin
79
4.1.2 Begriff ,,Lernfeld" oder ,,Themenfeld"
79
4.2
Bildungsauftrag der Fachschulen
83
4.3
Berufliche Handlungskompetenz und Qualifikation
84
4.3.1
Kompetenzen 84
4.3.2
Qualifikationen 86
4.4
Das Lernfeldkonzept
87
4.4.1
Die Unterrichtsgestaltung nach dem Lernfeldkonzept
87
4.4.2
Die vollständige Handlung
95
4.4.3
Die Ebenen der Unterrichtskonzeptentwicklung
98
4.4.4
Von Handlungsfeldern zu Lernsituationen
99
5.
Praxis-Lehr-Modul, zur Entwicklung beruflicher Identität und
professioneller Perspektiven ... 102
5.1
Klärungsphase 104
5.2
Vorbereitungsphase 111
5.2.1. Aufbruch 111
5.2.2. Ganzheitlicher Einstieg mit allen Sinnen
115
5.2.3. Auswertung 119
5.2.4
Einigung 121
5.2.5
Handlungsschritt Verfahrensplanung
123
5.3
Produktionsphase 132
5.3.1
Methodische Gestaltungsmöglichkeiten
133
5.3.2
Handlungswissen 136
5.3.3
Das Präsentieren der Inhalte und Ergebnisse
136
5.4
Auswertungsphase (Bewertung, Reflexion und Evaluation)
143
5.4.1 Begründung des Dreierschrittes in der Auswertung
144
5.4.2
Methodische Gestaltungsmöglichkeiten
144
5.5.
Abschlussphase (Gesamtevaluation der Lehrenden)
148
5.5.1
Methodische Gestaltungsmöglichkeiten
148

Inhalt
7
6
Zusammenfassung und Schlussfolgerung ...152
I
Quellenverzeichnis ...156
I.I
Literatur 156
I.II
Gesetze und Ausführungsvorschriften
157
I.III
Onlinequellen 157
II
Abbildungsverzeichnis ...159
III
Tabellenverzeichnis...160
IV
Abkürzungsverzeichnis ...161
V
Übersetzungen/ Erklärungen ...162
VI
Verzeichnis und Zuordnungstabelle der CD-ROM...163
Anlage: Vergrößerte Darstellungen der Abbildungen...165
Abbildung 6: Erfahrungen mit der Teamarbeit
166
Abbildung 7: Bestandsaufnahme - Grundsatzklärung im Team (Teil I)
167
Abbildung 8: Bestandsaufnahme - Grundsatzklärung im Team (Teil II)
168
Abbildung 9: Zielvorgaben im Team
169
Abbildung 10: Laufende Absprachen
170
Abbildung 14: Erwartungen an die Gruppe
172
Abbildung 15: Themenzentriertes-Interview-Dokument
173
Abbildung 16: Erwartungsabfrage der Lernenden
174
Abbildung 19: Schreibgespräch
175
Abbildung 20: Strukturlegeplan
176
Abbildung 21: Stimmungsbarometer zur Auswertung
179
Abbildung 22: Einigung zur Verfahrensplanung
180
Abbildung 23: ,,Mind Map" (Beispiel)
181
Abbildung 24: Thema und erste Auseinandersetzung zur Vorgehensweise
182
Abbildung 26: ,,Expertenzirkel": Verfahrensplanung
183
Abbildung 27: Regeln zur Gruppenarbeit
185
Abbildung 28: Zeitstrahl (Beispiel)
186
Abbildung 29: Einzelreflexion mittels Fragebogen
187
Abbildung 30: Protokollierung für Zwischenmeetings
189
Abbildung 31: Beobachtungs- und Bewertungsbogen (ausführlich)
190
Abbildung 32: Beobachtungs- und Bewertungsbogen (einfach)
192
Abbildung 34: ,,Expertenzirkel" - Erklärungen der Berufswahlmotive)
193
Abbildung 37: Beobachtungs- & Bewertungsbogen Messestand
194
Abbildung 38: Beobachtungs- & Bewertungsbogen Fachvortrag
195

Inhalt
8
Abbildung 39: ,,Karussell" -orientierte Evaluation
196
Abbildung 41: Persönliches Struktogramm
197
Anlage: CD-ROM ... 198

1 Einleitung
9
1
Einleitung
Erzieherinnen und Erzieher haben sich unter anderem zum Ziel gesetzt zu bilden. Und wer
bilden möchte, sollte gut ausgebildet sein. Die Erzieherinnen und Erzieher müssen wissen,
wie kleine und große Menschen lernen. Sie müssen die Zusammenhänge erkennen und
bereit sein, sich lebenslang zu bilden.
Es ist keinesfalls einfach, sich mit dem Berufsbild von Erzieherinnen und Erziehern ausein-
ander zu setzen. Welche zentrale Rolle dabei die Bildung einnimmt, zeigt uns beispielswei-
se die PISA-Studie. Der Bildungsauftrag in der Arbeit von Erzieher/-innen ist unumstritten.
Die Anforderungen an Erzieher/-innen sind enorm. Diesen Anforderungen müssen sich
nicht ausschließlich die Erzieher/-innen stellen, sondern ebenso die Bildungsinstitutionen
zur Ausbildung von Erziehern/-innen. Die Qualität der Ausbildung soll verbessert werden.
Die Kultusministerkonferenz (KMK) empfiehlt, die herkömmlichen curricularen Unterrichts-
formen zu lernfeldorientierten Ausbildungsformen zu ändern. Diesen Anforderungen stellt
sich ebenso die vorliegende Arbeit. Diese Arbeit hat nicht den Anspruch, die Erzieher/
-innenausbildung vollständig zu beschreiben, sondern greift die Berufsfindungsphase auf.
Sie stellt geschichtliche Daten und Aspekte des Berufsbildes dar und setzt sich mit dem
herkömmlichen curricularen Ausbildungssystem und der lernfeldorientierten Form ausein-
ander. Abschließend soll ein ,,Praxis-Lehr-Modul" im Sinne des Lernfeldkonzeptes als
Handbuch für die Lehrenden beschrieben werden, welches sich ausschließlich mit der Be-
rufsfindung der Lernenden auseinandersetzt.
Die Ausarbeitung ist Grundlage und beschreibt, wie lernfeldorientierter Unterricht im The-
menfeld >Berufliche Identität und professionelle Perspektiven entwickeln< umgesetzt wer-
den kann. Das ,,Praxis-Lehr-Modul" soll Lehrende unterstützen, nach den curricularen Vor-
gaben des Lernfeldkonzeptes eine praktische Herangehensweise zu haben, dass Thema
im Sinne des Lernfeldkonzeptes umzusetzen.
Die vorliegende Arbeit wurde, aus meinem berufsbedingten Interesse als Sozial- und Be-
rufspädagoge (in spe) gefertigt. Ich setze mich mit den Inhalten der Erzieher/
-innenausbildung auseinander, da ich aufgrund mehrerer Gespräche mit Menschen dieser
Berufsgruppe und meinen beruflichen Erfahrungen als Sozialpädagoge im Bereich der Ju-
gendhilfe zu dem Schluss gekommen bin, dass Ausbildungsinhalte flexibel und berufsfeld-
bezogen vermittelt werden müssen, damit unter anderem die Handlungskompetenz geför-
dert werden kann. Hierfür sind Reformbemühungen nach den Vorgaben der KMK im Lern-

1 Einleitung
10
feldkonzept hilfreich. Dieses Lernfeldkonzept wird als Grundlage für die vorliegende Arbeit
herangezogen.
Die Ausarbeitung richtet sich an alle Lehrenden, gleichgültig in welcher Ausbildungsinstitu-
tion (Berufsfachschule, Fachschule für Sozialpädagogik, Berufskolleg etc.) sie arbeiten.
Hinsichtlich des Sprachgebrauches ist Folgendes zu beachten. Um eine bessere Lesbarkeit
zu erhalten, wird in der Ausarbeitung der Begriff ,,Fachschule" für die Lehrinstitutionen ge-
führt. Ebenso wird in dieser weitestgehend darauf verzichtet beide Geschlechter zu nennen.
Bei der Nennung wird natürlich davon ausgegangen, dass beide Geschlechter gemeint sind.
Da statistisch gesehen die meisten Lernenden und Lehrenden im hier bearbeiteten Ausbil-
dungsgang Frauen sind, wird in der vorliegenden Ausarbeitung die weibliche Form verwen-
det. In Ausnahmen, wenn ausschließlich ,,Erzieher" gemeint sind, wird der Begriff in männli-
cher Form benutzt.
Die hier bearbeitete Thematik am Rahmenlehrplan Berlin sollte Lehrende aus anderen
Bundesländern nicht davor abschrecken, die Arbeit zu lesen und zu nutzen. Obwohl der
Rahmenlehrplan in Berlin herangezogen wurde, können die Inhalte auch in den anderen
Bundesländern berücksichtigt werden.
Alle Abbildungen, welche im fortlaufenden Text - aufgrund der verkleinerten Darstellung -
schlecht zu lesen sind, werden im Anhang in vergrößerter Form dargestellt.
Die in dieser Ausarbeitung verwendeten Verordnungen, Handreichungen etc. befinden sich
nicht in der hier vorliegenden Printversion, sondern auf der beigefügten CD-ROM.
Für die Lehrenden - sozusagen als ,,Bonbon" - befinden sich auf dieser ebenso alle Arbeits-
papiere und -plakate als Druck-/Kopiervorlagen.
Über Rückmeldungen aus der (Lehr-)Praxis würde ich mich sehr freuen, um diese für meine
berufliche Tätigkeit weiter verwenden zu können. Ich stelle mich gerne in beratender Weise
- zum hier entwickelten Unterrichtsmodul - zur Verfügung, um Sie - die Lehrenden - in der
Erzieherinnenausbildung unterstützen zu können.

2 Der Beruf der Erzieherin
11
2
Der Beruf der Erzieherin
2.1 Historische Entwicklung des Berufsbildes
Das Interesse an der ,,Geschichte der sozialen Arbeit" hat zugenommen. Die historische
Auseinandersetzung mit dem Thema berührt das Selbstverständnis der eigenen Identität
von Menschen in sozialen Berufen. Insbesondere stellen sich Menschen in diesen Berufen
die Frage, woher kommt eigentlich mein Beruf, wie ist er entstanden und wie war die Ent-
wicklung?
Aufgrund des starken Interesses an der Geschichte ,,Sozialer Berufe" sind viele Veröffentli-
chungen entstanden. Rauschenbach
2
kommentiert: ,,Sämtliche Versuche, bislang einer Ge-
schichte der Sozialen Arbeit und Jugendhilfe als ihrer Verberuflichung zu schreiben, sind im
Grunde genommen mehr oder minder deutlich zu Rekonstruktionen der Qualifizierungsbe-
mühungen geworden, d. h. sie müssen eher als Beiträge zu einer Geschichte der Ausbil-
dung gesehen werden"
3
Aufgrund, einer Vielzahl von Einzelbeiträgen, Anmerkungen und
unzähligen Hinweisen zur Geschichte der sozialen Berufe und im Wesentlichen bestimmt
durch zahlreiche Träger und Strömungen der Sozialen Arbeit, gibt es nur verkürzte und in
Fragmenten dargestellte Geschichtsschreibung.
4
Der folgende Text soll neben einer Begriffsklärung einen kurzen historischen Abriss bieten
und wird daher die Historie der Sozialberufe nicht umfassend beschreiben.
2.1.1 Begriffsbestimmung ,,Soziale Berufe"
Bevor die historische Entwicklung der Ausbildung und des Berufsbildes dargestellt wird, soll
zunächst eine Begriffsbestimmung erfolgen.
- Was bedeutet ,,Beruf"?
Der Begriff des Berufes stammt aus dem mittelhochdeutschen ,,berouf" (Leumund) und
wurde im Wesentlichen von den Reformatoren um Martin Luther in Bezug auf den protes-
tantischen Berufsethos formuliert. Danach sollte jeder seinem Stand, seinen Fähigkeiten
und damit seiner ,,Berufung" gemäß tätig sein und so Gott und den Mitmenschen dienen.
Der Begriff beinhaltet damit eine Bestimmung, eine ganzheitliche und lebenslange Bindung,
wobei bestimmte Qualifikationen durchaus eingeschlossen waren.
2
Vgl. http://cgi.dji.de/cgi-bin/Mitarbeiter/homepage/mitarbeiterseite.php?mitarbeiter=392, Stand 22.09.2007
3
Amthor 2003, S. 15
4
Vgl. Ebenda, S.15 f

2 Der Beruf der Erzieherin
12
Heute sind Berufe mit typischen Kenntnissen und Fertigkeiten, mit bestimmten Arbeitsver-
richtungen und Methoden verbunden, die wiederum zu einem berufsspezifischen Ergebnis
führen. Berufe werden eher als eine auf Erwerb gerichtete Versorgungsmöglichkeit definiert,
mit dem jeder einzelne Mensch wiederum an der Volkswirtschaft beteiligt ist.
Darüber hinaus sind Berufe mit unterschiedlichen Zugangs und Ausbildungsvoraussetzun-
gen verbunden, die letztendlich die Einkommenshöhe bestimmen und damit den sozialen
Status und die Lebenslage.
5
Nach wie vor ist jedoch eine stark persönliche Komponente enthalten, z. B. in Form von
individuellen Neigungen und Interessen, von Ziel- und Wertvorstellungen, die den Men-
schen dazu bewegen, den jeweiligen Beruf zu ergreifen.
- Was bedeutet ,,sozial"?
Der Begriff des ,,sozialen" ist ungleich uneinheitlicher und vieldeutiger. Er stammt aus dem
lateinischen ,,socialis" (die Gesellschaft betreffend). In der deutschen Sprache existiert die-
ses Wort seit Ende des 18. Jahrhunderts und wurde erstmals 1813 im ,,Wörterbuch zur Er-
klärung und Verdeutschung der unserer Sprach aufgedrungenen fremden Ausdrücke" fol-
gendermaßen erklärt: ,,Social: gesellschaftlich. Rousseaus's gesellschaftlicher Vertrag,
Contract social. Socialrecht (jus sociále) das Gesellschaftsrecht".
6
Heute wird der Begriff ,,sozial" folgenden Sinngehalten zugeordnet:
a) Die philosophisch-anthropologische Betrachtung sieht den Menschen als gesellschaftli-
ches, d.
h. auf die Gesellschaft angewiesenes Wesen
(
individualistisch).
b) Im soziologischen Sinne wird der Bereich der zwischenmenschlichen und gesellschaftli-
chen Beziehungen im Rahmen der bestehenden Verhältnissen, Ordnung und Institutio-
nen damit verbunden (
das Einzelwesen betreffend).
c) Eine gesellschaftskonforme Bedeutung erhält der Begriff ,,sozial" durch die Beurteilung
von Merkmalen und Verhaltensweisen, die den einzelnen Menschen als positiv wirken-
des Gesellschaftsmitglied beurteilen (
gesellschaftsschädigend).
d) Eine gemeinnützige und sozialpolitische Bedeutung ist das Streben nach sozialer Ge-
rechtigkeit im Sinne des Wohles des Einzelnen und der Gesellschaft
(
egoistisch).
7
5
Vgl. Ebenda, S. 46 - 48
6
Vgl. Ebenda, S. 48
7
Vgl. Ebenda, S. 49

2 Der Beruf der Erzieherin
13
- Was sind ,,Soziale Berufe"?
Daraus lässt sich ersehen, dass der Begriff der ,,Sozialen Berufe" sich einer einheitlichen
Definition entzieht. Es wird eine Vielzahl an Berufen in pflegenden, therapeutischen, erzie-
henden und beratenden Feldern eingeschlossen, die sich wiederum nach Tätigkeits-
schwerpunkten, Zielgruppen, Anstellungsträgern etc. unterteilen lassen, ebenso nach Aus-
bildungsformen, Zugangsvoraussetzungen, regionalen Besonderheiten in der Benennung
usw., wobei teilweise auch zwischen einzelnen Berufsfeldern keine eindeutige Abgrenzung
vorgenommen werden kann.
Soziale Berufe im engeren Sinne sind nach Amthor Berufe, die medizinische, pflegerische
und therapeutische Komponenten ausschließen bzw. nicht als Hauptziel verfolgen. Als ,,so-
ziale Berufe im engeren Sinne" bezeichnet er Kinderpflege, Familienpflege, Altenpflege,
Heilpädagogik, Heilerziehungspflege, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Pädagogik und natür-
lich die Tätigkeit als Erzieherin/Erzieher.
8
- Bedeutung der historische Entwicklung des Berufsbildes
,,Wie sollte es gelingen, Geschichte hinter sich zu lassen, wenn wir doch geschichtlich ge-
worden sind, Geschichte in uns ist, wenn Geschichte zur gegenwärtigen Kultur geronnen ist,
Geschichte also immer auch die Bedingung unserer Existenz ist?"
9
Die meisten Berufe sind das Ergebnis fortschreitender Differenzierung von Tätigkeiten in
Arbeitsfeldern, die sich vor dem Hintergrund von gesellschaftspolitischen Rahmenbedin-
gungen und Notwendigkeiten herauskristallisieren. Die Betrachtung dieser historischen Ein-
bindung und Dimension kann für das Selbstverständnis der Tätigkeit und für das Herausbil-
den einer beruflichen Identität von Bedeutung sein.
Der folgende Text stellt einen Überblick der Entwicklung von Berufsbildern der Sozialen
Arbeit dar sowie deren zunehmende Professionalisierung und Ausdifferenzierungen. Das
Hauptaugenmerk gilt dabei dem Berufsbild der Erzieherin.
Grundlage ist die hermeneutische Aufarbeitung von umfangreichen historischen und zeit-
genössischen Quellen von Ralph Christian Amthor, publiziert 2003.
8
Vgl. Ebenda, S. 61
9
Ebenda, S. 539 (nach Böhme/Tenorth 1990)

2 Der Beruf der Erzieherin
14
2.1.2 Das 15. bis 18. Jahrhundert
- Gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen
Eine offene und geschlossene Armenpflege für alle Altersgruppen hat eine lange Tradition.
Im Mittelalter betrachtete man Armut als gottgegebenen und legitimen Zustand. Die Armen
hatten einen akzeptierten Platz in der Gesellschaft und aufgrund der christlichen Ethik das
Recht, um Almosen zu bitten. Die Spender erhofften sich durch ihre mildtätigen Gaben und
durch die Dankgebete der Hilfebedürftigen göttliche Belohnung. Insgesamt war diese Form
der Armenfürsorge aber eher eine spontane Hilfe und keine auf eine bestimmte soziale
Gruppe bezogene geplante Maßnahme. Daneben existierten bereits im Mittelalter Formen
der stationären Hilfe in Form von ,,Hospitälern", die aber keine Krankenhäuser im heutigen
Sinne darstellten, sondern Bewahr- und Pflegeanstalten für alle Hilfebedürftigen, z. B. kran-
ke und alte Menschen, Waisen, Witwen, Wöchnerinnen waren.
10
Im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit veränderte der Merkantilismus die gesellschaftli-
che Betrachtungsweise und Armut wurde zunehmend als Bedrohung der Gesellschaft an-
gesehen, Betteln wurde verboten und sanktioniert.
,,Sie, die im gesamten Mittelalter ganz selbstverständlich toleriert waren,, weil sie als leben-
des Zeichen irdischer Vergänglichkeit und als Empfänger sündentilgender Stiftungen eine
wichtige religiöse Funktion erfüllten, sie sahen sich an den Rand der Gesellschaft gedrängt
und Verwaltungs- und Polizeimaßnahmen ausgeliefert."
11
- Armenpflege
In den mittelalterlichen Städten ging die kirchliche Zuständigkeit für die Vergabe von Spen-
den auf die städtischen Räte oder Landesherren über und es entstand ein System der insti-
tutionalisierten öffentlichen Armenpflege. Daneben wurden über Stiftungen von Bürgern,
privaten Vereinigungen und Kirchen weitere Versorgungseinrichtungen wie Hospitäler, Ar-
menverpflegungsanstalten und Waisenhäuser eingerichtet.
12
Nach dem 30-jährigen Krieg und unter der absolutistischen Herrschaft wurde das Armen-
wesen weiter staatlich reglementiert und gelenkt, als Teil der nun eher merkantilistischen
orientierten Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur.
10
Vgl. Ebenda, S. 103
11
Ebenda, S. 104 f (nach Fischer 1981)
12
Vgl. Ebenda, S. 104

2 Der Beruf der Erzieherin
15
Zusätzlich zu den geschlossenen Einrichtungen der Armenpflege verbreiteten sich Zucht-
und Arbeitshäuser, die nicht auf bestimmte Zielgruppen spezialisiert waren. Betont wurden
die körperliche Arbeit und die religiöse Erziehung mit dem Ziel zu disziplinieren und auf ein
ordentliches Arbeitsleben vorzubereiten:
,,Zucht-Haus oder Werk-Haus ... ist ein Haus oder Gebäude, so von der Obrigkeit unterhal-
ten wird, dass darin trotzige oder ungehorsame Kinder, erwachsene ungebändige, in dem
Müßiggang und Boßheit verwilderte Leute, sammt denen durch rechtlichen Ausspruch ver-
wiesene Missethätern, unter Aufsicht eines Zuchtmeisters und anderer hierzu bestellten
Leute bezwungen, gebessert und unter der Aufsicht hierzu bestellter Leute streng gehalten
werden".
13
- Berufliche Qualifizierung
Erste Ansätze einer beruflichen Qualifizierung entstanden mit den strukturellen Verände-
rungen der Armenpflege durch meist private und konfessionelle Initiativen.
Die Leitung der städtischen Armenpflege lag beim Rat der jeweiligen Stadtgemeinde, der
auch rechtliche Regelungen erließ z. B. das Personal betreffend. Die zweite Leitungsebene
bestand meist aus angesehenen Bürgern, die ehrenamtlich mit der Verwaltung und Durch-
führung betraut wurden. Deren berufliche Voraussetzungen wurden nicht spezifiziert, sie
sollten aber wohlhabend und verheiratet sein, wobei die Mitarbeit der Ehefrau vorausge-
setzt wurde. Weitere MitarbeiterInnen wurden je nach Aufgabenbereich eingestellt (Schrei-
ber, Ackermeister, Köchin, Siechenmutter, Mägde etc.).
14
In den Arbeitshäusern bestand die oberste Leitung aus so genannten ,,Pflegern", deren
Qualifikationen mit fromm, christlich, ehrliebend, getreu, aufrichtig, unverdrossen beschrie-
ben wurde. Auch diese Tätigkeit war ehrenamtlich und an eine privilegierte Position in der
Gesellschaft gebunden, Lohn war die Belohnung durch Gott.
Über die Auswahl des Personals ist wenig bekannt. Der Zuchtmeister sollte ein gutes Bei-
spiel abgeben und ,,... sich des Vollsaufens und anderen unordentlichen Lebens enthalten
und so den Züchtlingen mit gutem Exempel vorangehen".
15
Die Bezahlung und das gesellschaftliche Ansehen der Beschäftigten waren niedrig und
dementsprechend die Motivation und der Umgang mit den hilfsbedürftigen Menschen, so
13
Ebenda, S. 124 (nach ,,Zedlers Großes vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste"
1750)
14
Vgl. Ebenda, S. 112 - 117
15
Ebenda, S. 125 f

2 Der Beruf der Erzieherin
16
dass Armen-, Arbeits-, Zucht- und Werkhäuser als die ,,schlimmsten Schreckgespenster
ihrer Zeit" (wahrgenommen wurden: JS).
16
Die Unterbringung von verwaisten, ausgesetzten und verlassenen Kindern in Spitälern, Ar-
menhäusern, Zucht- und Arbeitshäusern sowie in Findel- und Waisenhäusern lässt sich seit
dem 15. Jahrhundert belegen, eine spezielle Qualifikation für Heimerziehung fand jedoch
nicht statt. Die gewerbliche Arbeit der Kinder nahm einen großen Stellenwert ein, dement-
sprechend, sollte der ,,Hausvater" eine berufliche Tätigkeit wie Schreiner, Schneider, Gold-
schmied, Maurer etc. ausüben. Das Personal zur unmittelbaren Betreuung der Kinder be-
stand in der Ehefrau des Leiters, der ,,Hausmutter" sowie aus ,,Kindsmägden", ,,Kindermüt-
ter" oder ,,Findelmütter" deren Qualifikation aus Glaube, Ehrbarkeit und Sanftmut bestehen
sollte, wobei es unklar bleibt, wie diese Qualifikationen geprüft wurden.
Auch das Personal in den Waisenhäusern verfügte nicht über adäquate Qualifikationen,
wurde schlecht entlohnt und aufgrund ihrer Tätigkeit abgewertet, was nicht nur zu einem
Mangel an Arbeitskräften führte, sondern auch zu einer hohen Fluktuation. Teils wurden
deshalb ältere Kinder zur Betreuung eingesetzt oder vergleichsweise gut ausgebildete ,,Er-
zieher" in Form von ,,Theologen" oder Theologiestudenten, die jedoch aufgrund der schlech-
ten Bezahlung nur vorübergehend tätig waren.
17
Der Mangel an gut ausgebildeten Erziehern wurde bereits zu dieser Zeit beklagt:
,,Wie ist es möglich, dass diese die Geistes- und Herzensbefürfnisse einer Schar von tau-
send befriedigen können, von denen jedes einzelne Kind das Recht hat, sich ein Vaterherz
zu suchen, an welches es sich anschließen kann, und von dem es weiß, dass es von ihm
gekannt ist und in Bedrängnissen, des Trostes gewiss, seine Zuflucht zu ihm nehmen
darf."
18
Die menschenunwürdigen Zustände und insbesondere die drakonischen körperlichen Dis-
ziplinierungsmaßnahmen waren Gegenstand des ,,Waisenhausstreites" während der letzten
Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts. Er verdeutlichte der Gesellschaft unter welchen Bedin-
gungen Kinder aufwachsen mussten. Dieser ,,Waisenhausstreit" wurde durch Philanthropen,
die durch die Ideen des französischen Pädagogen Jean-Jacques Rousseau (1712-1778)
beeinflusst wurden, wesentlich mitgetragen. Sie schufen bis zur Jahrhundertwende 60 ei-
gene schulpädagogische Einrichtungen. Ziel der Philanthropen war ,,... der körperlich und
16
Ebenda, S. 126
17
Vgl. Ebenda, S.127 f
18
Ebenda, S. 128 (aus Geschichte des Königlichen Potsddamschen Miltiärwaisenhauses 1824)

2 Der Beruf der Erzieherin
17
geistig frische, urteilsfähige, unternehmende, fleißige, klug wirtschaftende dem Gemeinnutz
patriotisch mehrende Mensch".
19
Eine Gruppe um Johann Bernhard Basedow (1723-1790) plädierte für eine rationale und
natürliche, auf Erfahrungswissen im Umgang mit Kindern fußende Erziehung. Die daraus
entstehende ,,philanthropische Pädagogik" fand europaweit Beachtung. 1774 gründete Ba-
sedow in Dessau sein ,,Philantropinum", in dem als Internatsform eine aufgeklärte und kind-
gemäße Unterrichtung erfolgte sollte.
Ein weiterer Kritiker im Waisenhausstreit war Christian Gotthilf Salzmann (1744-1811), der
1786 in Schnepfenthal eine heute noch bestehende Erziehungsanstalt errichtete. Salzmann
verstand sich nicht nur als Anwalt des Kindes, sondern wollte vor allem die Kinder dazu
erziehen, sich selbst erziehen können.
20
Christan Karl Andre (1763-1831) gründete in Gotha und Eisenach Kleingruppen für 5-20
Kinder mit dem Ziel ,, das Ideal einer Erziehungsfamilie zu verkörpern und der Mitwelt ein
ideales Familienleben vorzuleben..."
21
Zudem wollte er die Ausbildung des Lehrerberufs
professionalisieren und forderte berufliches Selbstbewusstsein, eine institutionalisierte Aus-
bildung und berufsspezifische Hilfsmittel wie Lehrbücher und Fachliteratur.
22
In Halle baute August Hermann Francke (1663-1727) eine Armenschule und ein Waisen-
haus auf. Die damals übliche Zusammenlegung von verschiedensten Problemgruppen
lehnte er wegen der schädlichen Auswirkungen auf die Kinder ab. Francke legte großen
Wert auf das pädagogische Wissen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und verfasste
eine Vielzahl von schriftlichen Anweisungen zu deren Anleitung und Ausbildung.
23
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass in der Armenpflege im ausgehenden
Mittelalter unterschiedliche Ämter, Positionen und Funktionen bestanden, die zwar be-
stimmte Qualifikationen verlangten, allerdings lediglich in Bezug auf Geschlecht, soziale
Herkunft, Vermögen, Alter, Religionszugehörigkeit und persönliche Charaktereigenschaften.
Erste Professionalisierungsforderungen und -bestrebungen wurden durch die Philanthropen
initiiert.
19
Ebenda, S. 132
20
Vgl. Ebenda, S. 134
21
Ebenda, S. 135 (nach Teuscher 1915)
22
Vgl. Ebenda, S. 135
23
Vgl. Ebenda, S. 139 ff

2 Der Beruf der Erzieherin
18
2.1.3 Das Zweite Kaiserreich von 1800 - 1870
- Gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen
In der relativ kurzen Zeitspanne von 1800 ­ 1870 entwickelten sich die Konturen eigenstän-
diger sozialer Ausbildungsberufe als Reaktion auf gesellschaftliche Umbrüche und Heraus-
forderungen. Es war eine Zeit großer Veränderungen in politischer, wirtschaftlicher und so-
zialer Hinsicht, das ,,Heilige Römische Reich Deutscher Nation" war in regionale Territorien
zersplittert, die Großmächte Preußen und Österreich nicht in der Lage, den Feldzügen Na-
poleons etwas entgegenzusetzen. Mit der Niederlage wurde das Reich aufgelöst und neu
strukturiert, es kam jedoch immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen, Aufstän-
den, Protesten und Volksunruhen, ausgelöst z. B. durch die französische Revolution, durch
Agrarkrisen und Hungersnöte und Massenarbeitslosigkeit. Dies führte zu einer weitreichen-
den gesellschaftlichen Verelendung:
,,... die Vervollkommnung der Fabrik-Einrichtungen, wo eine Maschine hundert Menschen-
hände ersetzt, ... hat unzählige Menschen arbeitslos und brotlos gemacht. Die Armuth, die
Mutter vieler Sünden,... nöthigt eine große Anzahl Unglücklicher über ihre Kräfte zu arbei-
ten, den ganzen Tag hindurch und die halbe Nacht dazu alle Kräfte anzustrengen, um nur
das für sie und die Ihrigen Nothdürftigste zu erschwingen, damit der Magen, wenn nicht
befriedigt, doch ausgestopft, damit die frierende Blöße, wenn nicht warm bekleidet, nur ei-
nigermaßen bedeckt werdet."
24
- Entwicklung der Armenpflege und Einbeziehung pädagogischer Konzepte
Die Armenpflege des 19. Jahrhunderts war geprägt durch große regionale Unterschiede
bezüglich Angebot, Ausgestaltung und Durchführung. Ein Rechtsanspruch auf Unterstüt-
zung bestand nicht. Die Armen wurden in ihrem Wahlrecht und ihren Grundrechten einge-
schränkt, sanktioniert und diskriminiert und nun auch unterschieden in arbeitsfähige und
arbeitsunfähige Arme. Weiterhin wurden in der Regel die unterschiedlichen Bedarfslagen
und Personengruppen zusammengefasst, z. B. in kombinierten ,,Armen-, Waysen-, Zucht-
und Tollhäusern."
25
Diese institutionalisierte Armenpflege setzte sich in Form von Arbeits- und Zuchthäusern
fort, wobei die Sterblichkeit der dort lebenden Menschen höher lag als die in Gefängnissen
24
Ebenda, S. 101 (nach Fölsing 1848)
25
Ebenda, S. 106

2 Der Beruf der Erzieherin
19
,,... es war hier vielfach alles an menschlichem Elend zusammengepfercht, was nach den
Prinzipien der geschlossenen Armenpflege eigentlich differenziert therapiert oder verwahrt
hätte werden müssen: bedürftige Männer und Frauen (arbeitsscheu oder nicht), Kinder und
alte Leute, Obdachlose, Kranke und Gesunde, Gebrechliche und Geisteskranke sowie
Prostituierte."
26
Auch die folgende Abtrennung der Zuchthäuser von den Arbeits- und Armenhäusern führte
zu keinen Verbesserungen der Umstände und Betreuungsmängel.
Bezahlte Tätigkeiten wurden reduziert, die ehrenamtliche Tätigkeit ausgebaut, bis hin zu
Personen in direktem Kontakt mit den Betroffenen (,,Armenpfleger", ,,Aufseher", ,,Distrikt-
pfleger"), während sich der Staat auf die polizei- und strafrechtlichen Belange zurückzog.
27
Die Situation in den Waisenhäusern veränderte sich zunächst ebenfalls nur wenig, die un-
mittelbare Sorge für die Kinder hatten ,,Waisenerzieher" oder ,,Lehrer", die jedoch über keine
berufliche Qualifikation verfügten.
28
,,Zu Waisenvätern, Waisenlehrern und Waisenaufsehern nahm man, was am leichtesten
und wohlfeilsten zu haben war. Hier wählte man einen alten Schiffer, der verarmt, oder des
Seelebens müde geworden war (...) und der, bei öfteren Seereisen die Erziehung seiner
eigenen Kinder ganz allein der Mutter überlassend, höchstens seine Schiffsjungen schiffs-
mäßig zu Matrosen zu ziehen verstand, zum Vater von mehr als hundert Kindern; dort sollte
ein kinderloser Schustermeister, der selbst ohne Erziehung aufgewachsen, nichts gelernt
hatte, als einen guten Schuh machen, nebst seiner Frau, die einen mittelmäßigen Faden
Garn zu spinnen, und für sich und ihren Mann eine kärgliche Mahlzeit zu bereiten verstand,
Waiseneltern von 6-700 Kindern werden (...) und doch wunderte man sich, wenn die Wai-
sen weder körperlich noch geistig gedeihen wollten."
29
Nur auf regionaler Ebene gab es einzelne Versuche, die Situation zu entschärfen, das
preußische ,,Heimatrecht" z. B. verpflichtete die Gemeinden, die ansässigen Armen zu ver-
sorgen ­ was aber nicht die Ortsfremden umfasste.
Im ,,Elberfelder System" wurde die Stadt in Bezirke unterteilt, wobei unter der Leitung von
,,Vorstehern" die Armenpfleger für höchstens 4 bedürftige Familien oder allein stehende
26
Ebenda, S. 109 (nach Sachße/Tennstedt 1998)
27
Vgl. Ebenda, S. 130
28
Ebenda, S. 131
29
Ebenda, S. 132 (nach Kröger 1852).

2 Der Beruf der Erzieherin
20
Arme zuständig waren. Jeder stimmfähige Bürger war verpflichtet eine solche ehrenamtli-
che Stelle für mindestens 3 Jahre anzunehmen.
30
- Entstehung sozialer Berufe
Aus der Kritik an repressiver Pädagogik der vergangenen Jahrzehnte bzw. Jahrhunderte
entstanden am Ende des 19. Jahrhunderts verschiedene Konzepte wie die Reformpädago-
gik.
Heimerziehung
In der privaten philanthropisch orientierten Heimerziehung wurden die Qualifizierungsbe-
mühungen fortgesetzt, die bisher bestehende Unterrichtung und internatsförmige Erziehung
in Klosterschulen verlor an Bedeutung. Hauptaufgabe der verschiedenen katholischen Or-
den war die Krankenpflege, daneben existierten die Haus- und Handarbeitsschulen zur
,,Unterrichtung der weiblichen Jugend", Sonntagsschulen, Kinderbewahrschulen und Heime.
Die Leitungsposition oblag einem Geistlichen, die eigentliche Erziehungsarbeit wurde von
Ordensschwestern durchgeführt. Ein eigenständiger Beruf oder eine spezielle Qualifizie-
rung für die katholische Heimerziehung ist nicht nachzuweisen.
31
Lehrer, Hausväter und Gehilfen
Die evangelische Lehrerausbildung entstand im Zusammenhang mit dem Pietismus, der
das Ziel der selbstlosen seelischen und religiösen Rettung Hilfsbedürftiger verfolgte.
Ab dem frühen 19. Jahrhundert wurden so genannte ,,Rettungshäuser" gegründet, die die
Seele eines jungen Menschen und die ,,Wiederherstellung des Ebenbildes Gottes in
ihm" (zum Ziel hatte: JS).
32
Bis 1867 existierten in Deutschland mindestens 354 Rettungs-
häuser in privater oder konfessioneller Trägerschaft.
Pädagogische Grundlagen waren die Arbeiten von Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827),
die Entstehung der Rettungshäuser ist mit Persönlichkeiten wie Johannes Daniel Falk
(1768-1826), Christian Heinrich Zeller (1779-1860) und Johann Hinrich Wichern (1808-
1881) verbunden.
33
30
Vgl. Ebenda, S. 131
31
Vgl. Ebenda, S. 135 ff
32
Ebenda, S. 142 (nach Wendt 1995)
33
Vgl. Ebenda, S. 142

2 Der Beruf der Erzieherin
21
Die Rettungshäuser hatten jedoch Probleme mit der Akquirierung von pädagogisch ge-
schultem Personal, insbesondere von ,,Hausvätern" und ,,Gehilfen". Wichern beklagte dies
und plädierte für die Gründung eigener Bildungsanstalten, er initiierte unter anderem eine
1- bis 2-jährige Ausbildung für Männer im ,,Gehilfeninstitut" (1836, später Brüderinstitut). In
einer Kombination von Theorie und Praxis, wurden die Gehilfen stufenweise an ihre Tätig-
keit herangeführt. Die Ausbildung zum Hausvater dauerte 4 Jahre, aufbauend auf eine
Ausbildung als Elementarschullehrer. Wichern gründete 1833 in Hamburg das weit beach-
tete ,,Rauhe Haus", eine kleine auf Familiengruppen basierende Kinderanstalt, in der eine
ganzheitlichen Wirkung von Unterricht, Schule und gemeinsamer Lebensweise sowie einer
christlichen Erziehung verwirklicht werden sollte.
34
Aus der Rettungshausbewegung entstand eine Vorform der Lehrerausbildung. Die Lehrer
waren, vom Berufsbild des Theologen getrennt, Lehrkraft und Erzieher in einer Person. Die
Ausbildungen und Tätigkeiten richteten sich ausschließlich an Männer.
Kleinkinderziehung
Die organisierte außerfamiliäre Betreuung von Kleinkindern rückte nicht zuletzt durch die
gesellschaftspolitischen Veränderungen in das Blickfeld der Öffentlichkeit, es entstanden
unterschiedlich benannte Einrichtungen (,,Bewahranstalten", ,,Spielschulen", ,,Hüteschu-
len" etc.) und ein sich wandelndes Verständnis für spezielle Berufsgruppen (,,Wartefrauen",
,,Kindermägde", ,,Kinderfrauen", ,,Kleinkindlehrerinnen" etc.).
35
Ausbildungsinitiativen sind zunächst nur für private Einrichtungen nachgewiesen, kommu-
nale oder staatliche Stellen beschränkten sich auf das Erlassen von Verordnungen und
Richtlinien, beteiligten sich aber nicht finanziell oder strukturell.
Die Formen der Ausbildung waren dementsprechend sehr vielfältig, von Anleitungen in pri-
vaten Haushalten (Familie Oberlin, Johann Friedrich Oberlin, 1740-1826), die Betreuung
durch ältere Schülerinnen oder die Schulung von Mädchen in einer Nonnenschule (Pastor
Fiebig, Freiberg 1805) bis zu Kinderdienstschulen, wo bereits von mehreren Lehrkräften
nach einem Lehrplan unterrichtet wurde.
36
34
Vgl. Ebenda, S. 145 - 154
35
Ebenda, S. 160
36
vgl. Ebenda, S. 162 ff

2 Der Beruf der Erzieherin
22
Die konzeptionelle Durchführung der pädagogischen Ausbildung und die Leitung von Ein-
richtungen blieb vorerst Männern vorbehalten:
,,Das Leben und Treiben ..., von vielleicht mehr als 100 Kindern, vom 2ten bis 6ten Jahre,
die meistens Eltern der arbeitenden Klasse angehören, mag die sicherste Erklärung abge-
ben, ob eine männliche Leitung nöthig sey oder nicht. Uebrigens ... können ­ in kleineren
Anstalten ­ gewiss auf Frauenzimmer, welche sich für das Schulfach gebildet haben, recht
viel Gutes und Nützliches leisten."
37
Kleinkinderlehrerinnen
Der evangelische Theologe Theodor Fliedner (1800-1864) gründete 1835 auf der Grundla-
ge der englischen Kleinkindpädagogik zunächst 2 Kleinkinderschulen in Düsseldorf und
Kaiserswerth. Die Notwendigkeit begründete er folgendermaßen:
,,Wir haben niemals verkannt, dass die Kinder in ihrem zarten Alter am besten in dem häus-
lichen Kreis von den Eltern erzogen werden wenn diese, namentlich die Mutter, die hinrei-
chende Zeit, die recht Liebe und Weisheit zu ihrer Erziehung hat. Aber in hiesiger Stadt gibt
es, wie an anderen größeren Orten, eine Menge Eltern, die durch ihren Broterwerb, durch
Fabrik- und andere Arbeit den größten Teil des Tages außer dem Haus zubringen müssen
(...) so dass diese die meiste Zeit sich selbst überlassen bleiben. Zum Teil sind sie einge-
sperrt, wo sie gedankenlos in dumpfer Luft hinbrüten oder durch Klettern auf Stühle und
Bänke, durch Feuer, Messer und dergl. sich oft beschädigen, so dass Leib und Seel, statt
gepflegt und entwickelt werden, von früh auf welkt und verkümmert."
38
Fliedner setzte zunächst einen Lehrer als Schulleitung sein, übergab aber bereits ein Jahr
danach die Leitung an eine Frau. Die Lehrerinnen wurden von ihm Kleinkinderlehrerinnen
oder Kinderdiakonissen genannt. Die mehrjährigen positiven Erfahrungen mit einer weibli-
chen Leitung publizierte er z. B. in Jahresberichten, setzte sich für eine entsprechende
Ausbildung ein und gründete ein Seminar für Kleinkindlehrerinnen. Die vergleichsweise
kostenintensive Ausbildung konnten sich allerdings eher die unverheirateten Frauen aus
dem Bürgertum leisten. Die Ausbildung war stark christlich ausgerichtet, so brauchten die
Bewerberinnen z. B. ein ,,Sittenzeugnis" ihres Seelsorgers.
Unterrichtet wurde u. a. Methode mit Kindern umzugehen, sie zu beschäftigen und spielend
zu unterrichten, Sprech- und Denkübungen, das Erzählen von biblischen und anderen mo-
ralischen Geschichten sowie körperliche Bewegung, Rechnen, Zeichnen, Haus- und Hand-
37
Ebenda, S. 165 (nach Wirth 1838)
38
Ebenda, S. 167 f (nach Flieder 1958)

2 Der Beruf der Erzieherin
23
arbeit, Naturgeschichte und Singen. Außerdem sollten die Kinder frühzeitig in die Kirchen-
gemeinde eingegliedert werden.
Unter dem Einfluss Fliedners entstanden in der Folgezeit zahlreiche Diakonissenhäuser,
wobei sich deren Arbeitsfeld neben Waisenhäusern, Kleinkinder- und Elementarschulen
auch auf Asyle, Irrenhäuser Gemeindepflegen und Privatpflegen erstreckte.
39
Kindergärtnerinnen
Der Pädagoge Friedrich Fröbel (1872-1852) nannte seine ,,Kleinkinder-Pflege- und Beschäf-
tigungsanstalt" in Blankenburg ab 1840 ,,Deutscher Kindergarten". Kindergärten verstand er
als Teil eines umfassenden Bildungs- und Erziehungssystems, die in jedem Dorf neben der
Kirche und der Schule stehen sollten. Sie sollten der Bildung und Entfaltung von kindgemä-
ßem, freiem Leben, unabhängig von klassen- oder standespolitischen Ansichten und nicht
in erster Linie Antwort auf gesellschaftliche Veränderungen sein. Im Spiel der Kinder sah er
eine spezifisch kindliche Aneignungs- und Durchdringungsweise der Welt (Spielpädagogik).
Fröbel forderte von Beginn an, eine pädagogisch ausgebildete Fachkraft einzusetzen. Auch
er sah darin zunächst junge Männer, die er als sog. ,,Spielführer" ausbilden wollte. Bereits
ein Jahr später standen hauptsächlich Frauen im Mittelpunkt seiner Ausbildung zur ,,Kinder-
gärtnerin". Er hatte hohe Erwartungen an eine pädagogische Fachkraft, die eine umfassen-
de Bildung aufweisen sollte sowie die Fähigkeit, dass eigene Handeln zu reflektieren und
theoretisch Gelerntes in Handeln umzusetzen. Er wollte für diesen Beruf eine durchaus
anspruchsvolle Ausbildung von 1-2 Jahren (in Abhängigkeit von Vorerfahrungen) durchset-
zen, konnte aber nur 6-monatige Kurse realisieren. Ausbildungsstätten nach diesem Kon-
zept entstanden deutschlandweit.
40
Familiäre Kleinkindererziehung
Die innerfamiliäre Erziehung von Kleinkindern durch ,,Gouvernanten", ,,Hofmeister" oder
,,Hauslehrer" war in Deutschland bereits im 17. Jahrhundert bekannt, ausschließlich aller-
dings in Adelsfamilien. Eine eigenständige Qualifikation war jedoch nicht damit verbunden,
erst mit Beginn des 19. Jahrhunderts eröffneten private Institute, aber eher in Form einer
Qualifikation für das Schulsystem.
Hauslehrer hatten in der Regel eine Lateinschule, ein Gymnasium oder die Universität be-
sucht und betreuten die älteren Kinder.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden neben diesen im Familiensystem hierarchisch eher
höher angesiedelten Bediensteten auch ,,Kindsmägde" ohne entsprechende Ausbildung
39
Vgl. Ebenda, S. 166 - 171
40
Vgl. Ebenda, S. 174 - 180

2 Der Beruf der Erzieherin
24
eingesetzt, was bei den zu dieser Zeit tätigen Pädagogen (Wirth, Fröbel etc.) durchaus auf
Kritik stieß:
,,Man gewinnt leicht die Ueberzeugung, dass nicht jede Mutter im Stande sey, sich der Pfle-
ge derjenigen im ganzen Umfang widmen zu können, die sie die Ihrigen nenne. ­ Sie be-
darf einer Hülfe und dies hofft manche Mutter in einem Mädchen zu finden, das kaum zu
eigener Selbständigkeit gekommen ist. (...) Die Mehrheit derselben leistet aber, bei man-
gelhafter Vorbildung, mitunter bei geringen, mittelmäßigen Anlagen, wenig. ... und die Klei-
nen müssen darunter leiden, sie, deren zartes Alter doch eine so aufmerksame Pflege, Be-
handlung in Anspruch nimmt."
41
Fröbel sah in der von ihm entwickelten Ausbildung für Kindergärtnerinnen auch eine Quali-
fikation für die innerfamiliäre Erziehung.
42
2.1.4 Das Deutsche Reich bis zum Ende des 1. Weltkrieges 1871 ­ 1918
- Gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen
1871 wurde das Deutsche Reich mit dem preußischen König Wilhelm I. (1797-1888) als
Kaiser und Fürst Otto von Bismarck (1815-1898) als Reichskanzler gegründet.
Politisch dominierend war das protestantische Preußen, dementsprechend war es das Ziel,
die altpreußische Gesellschaftsordnung aufrechtzuerhalten und auszudehnen.
Durch die Reichsgründung wurde ein einheitlicher Wirtschaftsraum geschaffen und das
rechtliche und bürokratische Verwaltungswesen (Straßen-, Eisenbahnnetz, Post-, Münz-,
Maß- und Gewichtswesen, Rechtssystem ...) wurde angepasst und ausgebaut.
Für die deutsche Industrie begann eine Phase der Entwicklung und Hochkonjunktur und
Deutschland entwickelte sich zu einem neuen wirtschaftlichen Machtzentrum innerhalb Eu-
ropas.
Die fortschreitende Industrialisierung hatte jedoch einen starken Einfluss auf die Gesell-
schafts- und Sozialstruktur, der Prozess der Verstädterung weitete sich aus und die Bevöl-
kerung in ländlichen Regionen nahm deutlich ab. Im Rahmen dieser Binnenwanderung kam
es zu einer sozialen Entwurzelung und Heimatlosigkeit. Darüber hinaus entstand ein star-
kes Wohlstandsgefälle, mit einer Verelendung weiterer Bevölkerungskreise durch Arbeitslo-
sigkeit oder lange Arbeitszeiten bei schlechten Arbeitsbedingungen, verbunden mit niedri-
gem Einkommen, ungenügender Krankenversorgung und Obdachlosigkeit oder ungünsti-
41
Ebenda, S. 186 (nach Wirth 1838)
42
Vgl. Ebenda, 185 - 188

2 Der Beruf der Erzieherin
25
gen Wohnbedingungen. Die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken (Seuchen, Epi-
demien) trafen insbesondere Kinder und Jugendliche.
43
Gleichzeitig verdreifachte sich die Bevölkerung zwischen 1800 und 1910, was einerseits die
soziale Problematik noch erhöhte, andererseits aber in der Folge zur Entwicklung von Mas-
senparteien mit fester Organisation, breiterer Basis und eigenen Programmen führte.
44
Der Militarismus und eine zunehmende außenpolitische Isolierung führten schließlich zum
1. Weltkrieg mit den bekannten fatalen gesellschaftlichen politischen und sozialen Folgen.
- Von der Armenpflege zur Fürsorge und Ausweitung der Pädagogik
Im Zweiten Deutschen Kaiserreich wurde das Soziale Sicherungssystem geschaffen, das in
seinen Grundzügen bis heute besteht, z. B. in Form der Sozialversicherungen.
Daneben musste das Armenwesen reformiert werden, da die bisherigen Strukturen mit dem
Ausmaß und der Qualität der entstandenen Armut überfordert waren. Die Armenfürsorge
wurde nach dem preußischen Prinzip des Unterstützungswohnsitzes deutschlandweit ein-
geführt, die Strukturen des offenen Armenwesens orientierten sich, mit regionalen Modifika-
tionen, am Elberfelder System. Eine Unterbringung von Kindern in Arbeitshäusern wurde
verboten (1878), für Jugendliche unter 18 galt dies erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
45
Die Umstrukturierungsmaßnahmen waren mit einer Ausdifferenzierung der hilfebedürftigen
Problemgruppen verbunden, so entstanden neben der traditionellen Armenfürsorge die
kommunale Gesundheits-, Wohnungslosen-, Erwerbslosen- und Jugendfürsorge sowie Ein-
richtungen und Maßnahmen für bestimmte Personengruppen, wie Säuglinge, Kleinkinder,
Wöchnerinnen, Schüler, Schwangere oder bezogen auf bestimmte Erkrankungsarten (Tu-
berkulose, Alkoholismus, psychische Erkrankungen etc.).
46
Die private - meist von Frauen aus dem Bürgertum getragene - Wohltätigkeit schloss sich in
Vereine zusammen und erweiterte ihr Spektrum, z. B. war der ,,Vaterländische Frauenver-
ein" neben der Krankenpflege auch bei der Verteilung von Nahrungsmitteln und Kleidung
oder bei der Unterbringung von verwaisten oder verwahrlosten Kindern in Pflegefamilien
tätig.
Mit dem Zusammenschluss der Wohltätigkeitsvereine wiederum entstanden z. B. 1848 die
Innere Mission, 1880 der Vorläufer des Deutschen Vereins für öffentliche und private Für-
43
Vgl. Ebenda, S. 196 - 200
44
Vgl. Ebenda, S. 98
45
Vgl. Ebenda, S. 201
46
Vgl. Ebenda, S. 202

2 Der Beruf der Erzieherin
26
sorge, 1894 der Bund Deutscher Frauenvereine, 1897 die Zentralwohlfahrtstelle der Deut-
schen Juden und 1917 der Caritasverband. Landes- und Fachverbände bildeten sich aus,
ebenso wie verbandsbezogene Fachzeitschriften und Bibliotheken.
47
Die Auseinandersetzung mit den sozialen Folgen der Industrialisierung fand in unterschied-
lichen Reformbewegungen statt, z. B. in der Frauenbewegung und den daraus entstehen-
den Frauenvereinen. Deren Zielsetzungen reichten von religiösen, feministischen und libe-
ralen Zielsetzungen bis zu Idee der ,,... Mütterlichkeit als Inbegriff der erzieherischen, he-
genden und pflegenden Potenzen der Frau..."
48
Die Frauenvereine bestimmten wesentlich
die zukünftige Entwicklung der sozialen Berufe.
Ein weiterer starker Einfluss auf die sich entwickelnde Soziale Arbeit entstand durch die
Jugendbewegung, z. B. der Wandervogelkultur.
49
- Ausdifferenzierung sozialer Berufe
Im Kaiserreich begann der Aufschwung unterschiedlicher sozialer Berufe und Ausbildungs-
formen, insbesondere in der Vorschulerziehung, der Familienerziehung, des Hortwesens
und weiterhin der Armenfürsorge.
Konfessionelle Kindererziehung
In Bezug auf die Kleinkinderziehung hielten sich staatliche Stellen zunächst zurück, so dass
die Konzepte von Fröbel und konfessioneller Träger weiterhin bestimmend waren.
Die Gründung von Einrichtungen der öffentlichen Kleinkindererziehung nahm zu (1848: 480,
1892: 7500), gleichzeitig stieg die Anzahl von Ausbildungsstätten an, wobei die religiöse
Ausrichtung der Seminare beibehalten wurde.
Die Ausbildung in den Diakonissenhäusern war streng strukturiert und reglementiert und
dem Klosterleben nachempfunden, mit dem Ziel des lebenslangen Dienstes. Oberste In-
stanz war ein Geistlicher, der auch über den jeweiligen Einsatzort zu entscheiden hatte.
Der Bedarf an Diakonissen wuchs enorm, die Anzahl stieg aber nicht im gleichen Maße, da
sich nicht alle Frauen dieser Lebensform unterordnen wollten. Um diesem Mangel zu be-
gegnen, standen in der Folgezeit das Ausbildungsangebot zur Kindergärtnerin auch Nicht-
Diakonissen offen.
47
Vgl. Ebenda, S. 203 ff
48
Ebenda, S. 205
49
Vgl. Ebenda, S. 206

2 Der Beruf der Erzieherin
27
Durch die starke protestantische Ausrichtung des Deutschen Kaiserreiches wurde das ge-
samte katholische Bildungs- und Erziehungswesen zunächst eingeschränkt, trotzdem kam
es zu einer Zunahme von Kinderbewahranstalten, Kinderhorten und ­gärten sowie Krippen,
wenn auch regional ungleich verteilt.
Zur Betreuung der Kinder wurden Ordensschwestern eingesetzt, deren Ausbildung sich auf
das eigentliche Aufgabengebiet von konfessionellen Trägern, die Krankenpflege bezog.
Kleinkindpädagogik spielte eine geringe oder gar keine Rolle. In den nach der Jahrhundert-
wende neu gegründeten Ausbildungsstätten wurden allerdings teilweise Fröbel'sche Ideen
der Spielpädagogik eingeführt.
50
Kindergärtnerinnen
Die Fröbelvereine schlossen sich nach 1860 im ,,Deutschen Fröbel-Verband" zusammen
und die Anzahl der Kindergärten sowie der Ausbildungsstätten expandierte.
Allerdings bot der Beruf der Kindergärtnerin im Vergleich zu den Diakonissen und Ordens-
schwestern eher ungesicherte Lebensverhältnisse und schlechte Verdienstmöglichkeiten.
An Stellenageboten war kein Mangel, das Gehalt ermöglichte jedoch kein ausreichendes
Einkommen. Die Teilnehmerinnen stammten deshalb eher aus begüterten bürgerlichen
Kreisen, wie auch die Fortentwicklung der Ausbildung maßgeblich durch Einflüsse der bür-
gerlichen Frauenbewegung unterstützt wurde. Betont wurde ein bestimmtes Frauenbild, das
in die ,,geistige Mütterlichkeit" mündete:
,,Kein Beruf aber ist dem weiblichen Geschlecht angemessener als derjenige, der dem Mut-
terberuf am nächsten kommt, der Beruf der Kindergärtnerin des heranwachsenden Ge-
schlechts".
51
Die 1½-2-jährige Ausbildung zur Kindergärtnerinnen richtete sich in der Regel an Absolven-
tinnen der höheren Töchterschulen, wobei die Unterrichtsinhalte von der jeweiligen Grün-
derperson und deren pädagogischer Ausrichtung abhingen, weitgehend aber auf die
Grundsätze von Fröbel und Pestalozzi zurückgingen. Die Ausbildung enthielt neben Erzie-
hungslehre auch Geschichte, Gesundheitslehre, Rechnen, Zeichnen, Gesang, Elementar-
unterricht, Spiele, hauswirtschaftliche Fächer, häusliche Beschäftigung, Gartenarbeit, Ko-
chen von Kinderspeisen etc.
Um die Jahrhundertwende weitete sich das Arbeitsfeld der Kindergärtnerin aus, da weitere
spezialisierte Einrichtungen entstanden, wie Kindererholungsheime, Einrichtungen für Kin-
der mit Behinderungen,Tagesstätten, etc. Zusätzlich differenzierten sich die Einrichtungen
50
Vgl. Ebenda, S. 217 - 222
51
Ebenda, S. 223 (nach Goldschmidt 1911)

2 Der Beruf der Erzieherin
28
der Kleinkindererziehung aus, z. B. in Familienkindergärten auf privater Initiative von wohl-
habenden Familien, Bürgerkindergärten, Volkskindergärten, Arbeiterkindergärten.
52
Einheitliche Vorstellungen zu Dauer, Inhalten, Methoden und Schwerpunkten der Ausbil-
dung als Kindergärtnerin gab es zunächst nicht, Lehrpläne und Kosten konnten beliebig
festgesetzt werden, auch die Leitung musste über keine festgeschriebene Qualifikation ver-
fügen.
Mit dem Anstieg der vorschulischen Einrichtungen und dem Bewusstsein, dass durch Er-
ziehung auch die Herausbildung von ,,vaterländischem Bewusstsein" und Kaisertreue ge-
fördert werden konnte, gingen die Länder dazu über, erste gesetzliche Regelungen zu er-
lassen.
Preußen begann 1908 die Ausbildung zur Kindergärtnerin in die neuen Frauenschulen zu
integrieren, die auf die ,,höheren Mädchenschulen" (Lyzeen) bauten. An den Frauenschulen
wurden neben der allgemeinen Weiterbildung hauswirtschaftliche, erzieherische und soziale
Fächer wie das Fach ,,Kindergartenunterweisung" unterrichtet.
Die daran anschließende einjährige Ausbildung zur Kindergärtnerin umfasste Fächer wie
Pädagogik, Religion, Deutsch, Gesundheitslehre, Kinderpflege und Bürgerkunde, daneben
wurden Fächer unterrichtet, wie Bewegungsspiele und Turnen, Beschäftigungsunterricht,
Bastelarbeiten, Musik, Gesang, hauswirtschaftliche Tätigkeiten. Eine einheitliche Ab-
schlussprüfung in Form einer schriftlichen Arbeit und einer ,,Beschäftigungsprobe" sowie
einer mündlichen Prüfung schlossen die Ausbildung ab.
Diese und weitere rechtliche Regelungen wurden von anderen Ländern übernommen.
Die Kindergärtnerinnenausbildung wurde damit in das höhere Schulwesen integriert, mit
deutlicher Orientierung an die Konzepte von Pestalozzi und Fröbel.
Ausbildungsstätten in konfessioneller Trägerschaft kritisierten die fehlende christliche Aus-
richtung und die relativ hohen Zugangsvoraussetzungen. Die armen, aber geeigneten Be-
werberinnen wurden ausgeschlossen. Um einen Rückgang der Ausbildungszahlen zu ver-
meiden (immerhin arbeiteten viele Mütter in der Rüstungsindustrie), wurde die staatliche
Anerkennung für die kirchlichen Träger etwas modifiziert.
53
Innerfamiliäre Erziehung
Parallel bildeten sich erste Ausbildungsformen für Erziehungspersonal in Familien heraus
(,,Kindermädchen", ,,Kinderfrau"). Im Gegensatz zu den Gouvernanten, die mehr unterrich-
52
Vgl. Ebenda, S. 222-228
53
Vgl. Ebenda, S. 228-234

2 Der Beruf der Erzieherin
29
tende Aufgaben hatten, war in den bürgerlichen Haushalten eher eine Haushaltshilfe ge-
fragt, die neben der Erziehung der Kinder auch pflegerische und hauswirtschaftliche Arbei-
ten verrichten konnte.
Eine entsprechende Ausbildung wurde erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts installiert,
als die Nachfrage nach qualifiziertem Personal anstieg. Es entstanden Haushaltungsschu-
len privater und konfessioneller Träger, die - im Vergleich zur Kindergärtnerin -
niedrigschwelligere Ausbildungen anboten, wie z. B. ,,Kindermädchen", ,,Kindergärtnerin 2.
Klasse", ,,Kindergärtnerin fürs Haus", ,,Kinderpflegerin".
Da es für die Ausbildungen keinerlei gesetzliche Rahmenbedingungen und keine Regelun-
gen über Art, Inhalt, Dauer und Abschluss gab, waren die Angebote sehr unterschiedlich.
54
Horterziehung
,,Wie oft hört man nicht klagen, räsonieren und wettern über die leidigen ,Straßenbuben', die
sich die Straße zum Tummelplatz ihrer Ausgelassenheit und unnützen streichen auserse-
hen haben, die da schreien und lärmen, Häuser beschmutzen, Fenster einwerfen, Vorüber-
gehende belästigen, mit Trunkenen und sonderlichen Leuten ihren Spott treiben, Cigarren
rauchen, kurzum, die gewöhnlich das thun, was den ruhigen Bürger ärgern, ja mit Sorge
erfüllen muss;..."
55
Die Horterziehung begann mit der Initiative von Franz Xaver Schmidt-Schwarzenberg (1819
- 1883), der 1872 in Erlangen den Knabenhort ,,Sonnenblume" eröffnete und wegweisend
für ähnliche Initiativen wurde.
Zunächst setzte sich das Personal aus Volksschullehrern zusammen, die nach ihrer eigent-
lichen Tätigkeit die schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen betreuten. Außerdem waren
Berufsgruppen wie Diakonissen, Kindergärtnerinnen, Kleinkindlehrerinnen, Ordensschwes-
tern, aber auch unausgebildetes Personal oder unversorgte Beamte, Pfarrers- und Lehrer-
töchter oder Damen aus höheren Ständen tätig.
56
Ab der Jahrhundertwende erkannte man, dass speziell geschultes Personal notwendig war
und es entstand mit der ,,Hortnerin" ein neuer Zweig der sozialpädagogischen Ausbildung.
Richtungsweisend in der Entwicklung der Ausbildung war Anna von Gierke (1874-1943).
Erste Kurse wurden ab 1910 angeboten, zunächst ohne allgemeingültigen Ausbildungsplan
und der Kindergärtnerinnenausbildung angelehnt, aber bereits 1915 fand in Berlin die erste
54
Vgl. Ebenda, S. 237-242
55
Ebenda, S. 243 (nach Rein 1897)
56
Vgl. Ebenda, S. 244

2 Der Beruf der Erzieherin
30
staatlich anerkannte Hortnerinnenprüfung statt. Die staatliche Anerkennung war jedoch
nicht mit bestimmten Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen verbunden, sondern wurde
an bestimmte Ausbildungseinrichtungen vergeben. Weitergehende Bestimmungen folgten,
die die Nähe zur Kindergärtnerinnenausbildung betonten und lediglich die stärkere techni-
sche Ausbildung in ,,Handfertigkeit" hervorhoben.
Die Zahl der Horte erhöhte sich stark (1895: 181; 1913: 1245), die Verbreitung als eigen-
ständiger Beruf blieb jedoch zurück.
57
Jugendleiterin
Mit der Ausbildung zur Jugendleiterin entstand eine neue, auf die Kindergärtnerin aufbau-
ende einjährige Zusatzqualifikation zur Vertiefung der Fachkenntnisse und zur Vorbereitung
auf eine leitende Tätigkeit. Inhalte waren u. a. die Erörterung der gesammelten Einsichten
in die körperliche und seelische Entwicklung des Kindes, der Kinderpsychologie, das Sys-
tem der sozialen Einrichtungen, der Verwaltungsaufgaben, die gesellschaftliche Bedeutung
von Kindergarten und Hort und die ,,Geschichte der erzieherischen Anschauungen". Recht-
liche Bestimmungen wurden erstmals 1911 erlassen und fanden deutschlandweit Verbrei-
tung.
58
Ausbildung an sozialen Frauenschulen
In der offenen und geschlossenen Armenpflege blieben Professionalisierungsbestrebungen
­ trotz der langen Tradition ­ zunächst aus. Die Mitarbeit von Frauen konnte nur gegen
massiven Widerstand der darin beschäftigten Männer sukzessive durchgesetzt werden.
Erste Schulungen für Frauen entstanden auf Initiative von Vertreterinnen des radikalen Flü-
gels der bürgerlichen Frauenbewegung (Minna Cauer, 1841-1922; Jeanette Schwerin,
1852-1899) im ausgehenden 19. Jahrhundert. Die Tätigkeit, die insbesondere von Frauen
des Bürgertums ausgeübt wurde, wurde ausschließlich ehrenamtlich verrichtet.
Einsatzorte waren vorwiegend die öffentliche Armen- und Waisenpflege, Blindenanstalten
und pädagogische Einrichtungen. Die theoretische Unterweisung erfolgte durch Vorträge,
Seminar und Schulungen zu bestimmten Themen. Im Jahre 1899 fand der erste Ganzjah-
reskurs statt, der in eine 2-jährige Ausbildung und die Gründung einer eigenen Ausbil-
dungsstätte (u.a. unter Leitung von Alice Salomon) im Jahre 1908 mündete. Die Ausbildung
sollte für alle Gebiete der sozialen Fürsorge gelten. Bereits kurze Zeit später wurde die
57
Vgl. Ebenda, S. 247
58
Vgl. Ebenda, S. 249 - 257

2 Der Beruf der Erzieherin
31
Ausbildung um einen einjährigen, berufsbegleitenden Fortbildungskurs ergänzt, so dass
bereits zu dieser Zeit eine dreijährige Ausbildung angeboten wurde.
59
Heimerziehung
Die Entwicklung der beruflichen Qualifizierung in der Heimerziehung war weniger dyna-
misch, lediglich die gesetzlichen Regelungen wurden intensiviert. Das Reichsstrafgesetz-
buch von 1876 sah vor, straffällige Kinder in Erziehungs- oder Besserungsanstalten einzu-
weisen. Mit dem Inkrafttreten des BGB 1900 kam es zu zahlreichen neuen Landesgesetzen
in der Fürsorgeerziehung. Die Unterbringungskosten wurden vom Staat übernommen, was
die finanzielle Situation der Heime zwar verbesserte, da diese jedoch mit den Pflegefamilien
konkurrieren mussten, weiterhin bestimmte Finanzierungsoptionen beachtet werden muss-
ten, so auch die Arbeitskraft der Kinder.
Das Erziehungspersonal verfügte meist weiterhin über keine adäquate Ausbildung:
,,Für das Erziehungspersonal kennt das Gesetz weiter keine anderen Vorschriften für die
Hausdiener, nämlich vollkommene sittliche und bürgerliche Unbescholtenheit. Ja, der Staat
drückt seine Geringschätzung der erziehenden Tätigkeit sogar dadurch aus, dass er in Für-
sorge-Anstalten Militärwärter als geeignete Persönlichkeiten für diesen Beruf achtet."
60
Fortbildungsinitiativen waren den Trägern des Heims überlassen. Vereinzelt waren andere
soziale Berufsgruppen in Heimen beschäftigt.
61
Evangelische Heime rekrutierten ihr Erziehungspersonal nach wie vor aus den diakoni-
schen Brüderhäusern, wobei deren Anzahl stetig zunahm. Die Anstalten waren streng hie-
rarchisch gegliedert und auf einen akademisch gebildeten theologischen Leiter ausgerichtet.
Die Ausbildung der Diakone war bemerkenswert lang, so hielt Wichern
4 Jahre für angemessen und begründete dies mit der Notwendigkeit der charakterlichen
Bildung (Treue, Opferbereitschaft, Fleiß, Pünktlichkeit, Gehorsam, Bescheidenheit, Demut,
Züchtigkeit und Mäßigung). In einzelnen Einrichtungen betrug die Ausbildungszeit jedoch
nur 2-3 Jahre, oder die pädagogische Ausbildung hatte nur eine randständige Bedeutung.
62
59
Vgl. Ebenda, S 258 - 264
60
Ebenda, S. 272 - 273 (nach Auer 1910)
61
Vgl. Ebenda, S. 271 - 274
62
Vgl. Ebenda, S. 275 - 279

2 Der Beruf der Erzieherin
32
Ausbildungsangebote an Hochschulen
1907 gab es 5 Professuren für Pädagogik an deutschen Hochschulen, wobei dieser Fach-
bereich ausschließlich auf die Lehrerausbildung ausgerichtet war. Die Soziale Arbeit wurde
nicht als von der Schulpädagogik eigenständiger Teilbereich wahrgenommen.
63
2.1.5 Die Weimarer Republik
- Gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen
Mit dem Ende des 1. Weltkrieges brach das Kaiserreich zusammen und mündete in die
Weimarer Republik unter Führung der Sozialdemokratie. Die Republik entstand allerdings
auf dem Hintergrund multipler sozialer, politischer und wirtschaftlicher Probleme.
Das Volkseinkommen hatte sich z. B. nach dem 1. Weltkrieg halbiert, die Reparationszah-
lungen und die geringe Wirtschaftskraft führten zur Inflation. Die innenpolitischen Verhält-
nisse waren durch Instabilität geprägt und soziale Umschichtungen veränderten das gesell-
schaftliche Leben gravierend.
,,Das Volk bestand aus verarmten, verstörten, erwerbslosen, aus der Bahn gerissenen
Menschen, und die von der Fürsorge der Gemeinden Abhängigen zählten selten unter ei-
nem Drittel der Gesamtbevölkerung, stiegen aber in manchen Zentren der Industrie bis zu
drei Vierteln an. Massenspeisungen mussten ein Mindestmaß an Ernährung sichern, für die
Kinder trat die durch Schulen und Anstalten vermittelte Quäkerspeisung hinzu. Das Woh-
nungselend, ja, der absolute Wohnungsmangel nahm furchtbare Ausmaße an. Kinder und
Erwachsene litten an Schmutzkrankheiten, die ein gesundes Volk nicht kennt."
64
Der Kreis der auf öffentliche Hilfe angewiesenen Personen hatte sich gegenüber der Vor-
kriegszeit vervierfacht und bestand aus 1,7 Mio. Kriegshinterbliebenen, 1,5 Mio. Kriegsbe-
schädigten, 500.000 Kleinrentnern und 2,6 Mio. Sozialrentnern, Witwen und Waisen. Da-
durch wurde die öffentliche Fürsorge gezwungen, sich zu einem Instrument der planmäßi-
gen staatlichen Existenzsicherung zu verändern; es entstand z. B. die öffentliche Kriegsfür-
sorge für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene.
65
Die private Wohlfahrtspflege war aufgrund der Zersplitterung zunächst nicht zu koordinier-
ten Hilfeleistungen fähig, lediglich die Frauenorganisationen arbeiteten bereits nach Kriegs-
beginn eng mit der kommunalen Kriegswohlfahrtspflege zusammen.
66
63
Vgl. Ebenda, S. 281
64
Ebenda, S. 293 (nach Sachße/Tennstedt 1950)
65
Vgl. Ebenda, S. 293
66
Vgl. Ebenda, S. 208

2 Der Beruf der Erzieherin
33
Die wirtschaftliche Stabilisierung erfolgte durch eine Neuordnung der Reparationsfrage und
der Einführung der Rentenmark als stabile Währung und Deutschland gewann die führende
Stellung auf dem Weltmarkt wieder, 1926 erreichten oder übertrafen die Reallöhne, Produk-
tions- und Exportzahlen den Vorkriegsstand.
Innenpolitisch blieb die Lage jedoch gespannt, die Weltwirtschaftskrise führte zu einer Mas-
senarbeitslosigkeit (1932 30%) und zu einer zunehmenden politischen Radikalisierung, die
die innenpolitischen und demokratischen Institutionen paralysierte.
67
Die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gegensätze verschärften sich abermals und
die Wahl Hitlers zum Reichskanzler beendete die Weimarer Republik, Deutschland wurde
zum totalitären Staat.
- Wohlfahrtspflege- und Fürsorgereformen
Im Bereich der Sozialen Arbeit wurden umfangreiche sozialpolitische Reformen in Form von
fürsorgerischen und wohlfahrtspflegerischen Programmen aufgelegt. Insbesondere in Form
des Ausbaus von Sonderfürsorgen für die Kriegs- und Inflationsopfer neben der bestehen-
den traditionellen Armenpflege, z. B. Erwerbslosenfürsorge zur Eingliederung in das Berufs-
leben, Gesetz zur Beschäftigung Schwerbeschädigter, zum Ausbau der öffentlichen Ge-
sundheitsfürsorge und kommunaler Gesundheitsämter. Im Jahre 1924 trat das Reichsju-
gendwohlfahrtsgesetz in Kraft, das die wesentlichen Aufgaben der Jugendfürsorge und
-pflege regelte und die Einrichtung von Jugendämtern vorsah. Dadurch entstanden vielfälti-
ge und neue Aufgabengebiete für die Soziale Arbeit.
Die politischen Veränderungen beeinflussten auch die private Wohltätigkeit. Durch Krieg
und Inflation verloren die Wohltätigkeitsorganisationen und Stiftungen vielfach ihr Vermögen
und der bürgerliche Mittelstand war ebenfalls häufig verarmt und nicht mehr in der Lage,
ehrenamtliche Arbeit zu leisten.
Der Zentralisierungsprozess der freien Wohlfahrtspflege setzte sich fort, die Verbände reor-
ganisierten sich, passten ihre Verwaltung dem hierarchischen Prinzip der öffentlichen Ver-
waltung an und stärkten ihre Kompetenzen. Neu gegründet wurden 1919 die Arbeiterwohl-
fahrt, 1920 der spätere Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband.
1919 schlossen sich die privaten Jugendvereinigungen im ,,Reichsausschuss der Deut-
schen Jugendverbände" zusammen, der sich als öffentliche Vertretung der Jugend und
ihrer Bedürfnisse verstand. Aus der Jugendbewegung heraus formierte sich wiederum die
67
Vgl. Ebenda, S. 293 f

2 Der Beruf der Erzieherin
34
,,sozialpädagogische Bewegung" die in der außerschulischen Erziehung, der Heimerzie-
hung in der Jugendpflege und Jugendarbeit Aufgabenfelder fand.
68
Durch die Weltwirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit wurden die sozialpolitischen
Programme schließlich überfordert, was den Weg für die ­ auch in der sozialen Arbeit ­
bereits vorhandene Diskriminierung von Hilfebedürftigen und die nationalsozialistischen
Bevölkerungs- und Rassenpolitik ebnete. Sogar die Diskussion um die ,,Verhütung erbkran-
ken Nachwuchses" zeichnete sich in der Jugendpflege, dem Jugendschutz und der Fürsor-
geerziehung bereits in der Weimarer Republik ab.
69
- Weiterentwicklung der Ausbildungsformen
Insgesamt war die Zeit ab 1919 bis zum Faschismus eine Zeit der Vertiefung und Ausbau
der im Kaiserreich entstandenen Sozialen Berufe. Es wurden formale und inhaltliche Grund-
lagen geschaffen, die regionalen Unterschiede abgemildert und damit die Qualifizierung
weiterentwickelt. Neue Arbeitsfelder entstanden durch Spezialisierungen. Mitte der 20-ziger
Jahre wurden soziale Berufe erstmals in der Volks- und Berufszählung als eigener Arbeits-
bereich ausgewiesen.
70
Kindergärtnerin und Hortnerin
Durch das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz wurde das Kindergartenwesen der Jugendwohl-
fahrt zugeordnet und nicht dem Schulwesen zugewiesen; damit wurde ein wichtiger Impuls
für die Weiterentwicklung der Kinderpädagogik gegeben. Zusätzlich wurde die freie Wohl-
fahrtspflege durch das Subsidiaritätsprinzip wesentlich gestärkt. Träger der Kindergärten
waren sowohl private und kommunale Einrichtungen, als auch Wohlfahrtsorganisationen.
Mitte der 20-ziger Jahre erfolgte eine Betonung der hauswirtschaftlichen Aspekte:
,,Die Aufgaben der Kindergärtnerinnen, Hortnerinnen und Jugendleiterinnen setzen eine
hausmütterliche Befähigung voraus..., die ermöglicht, ein Heim zu schaffen."
71
Da die Lehrzeit für eine Vertiefung der hauswirtschaftlichen Fähigkeiten nicht ausreichte,
wurde eine entsprechende Vorbildung gefordert (Hausfrauenschule, Haushaltungsschule).
68
Vgl. Ebenda, S. 300 ff
69
Vgl. Ebenda, S. 303
70
Vgl. Ebenda, S. 405 ff
71
Ebenda, S. 309

2 Der Beruf der Erzieherin
35
Ab 1923 fanden auch Volksschülerinnen mit einer entsprechenden Eignungsprüfung Zu-
gang zur Ausbildung als Kindergärtnerin.
Die Hortnerin konnte sich als eigenständiger Beruf nicht durchsetzen. Die Anzahl der Horte
als Ergänzung der familiären Erziehung blieb gering und eine Zusatzausbildung zur Kinder-
gärtnerin wurde kreiert.
Die Ausbildung dauerte in der Regel 2 Jahre, allerdings mit länderrechtlichen Unterschie-
den, z. B. hinsichtlich eines zusätzlichen Praktikums für die staatliche Anerkennung.
72
Verschiedene Neuansätze und Konzepte (Maria Montessori, 1870-1952; Rudolf Steiner
1861-1925) und neue Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie, Pädagogik und Psycho-
analyse erweiterten und ergänzten die Ausbildungsinhalte. Die Fröbelsche Spielpädagogik
blieb jedoch bestimmend, wobei es teilweise zu einer romantischen und philosophischen
Überhöhung der Fröbelschen Lehre im Sinne einer Überbetonung der Praxis mit intuitiver,
musischer Betätigung und einer gewissen Theoriefeindlichkeit kam.
73
,,Und einfach müssen wir bleiben, wollen wir doch keine Wissenschaftler werden, sondern
frohe Menschen ... und den Kindern übermitteln zu können, was uns in dieser Hinsicht froh
und reich macht. Um uns herum ist ein großes buntes Bilderbuch, zu dem wir nur die Worte
finden müssen.
74
Die Ausbildungsinhalte der öffentlichen, konfessionellen und sonstigen Träger glichen sich
an, wobei trägerübergreifend das zeitgenössische Bild der mütterlichen Frau (,,geistige Müt-
terlichkeit") und die Wesensverschiedenheit der Geschlechter bestimmend blieb.
75
Unter-
schiede lagen weniger in der inhaltlichen Ausbildung, als in der Finanzierung und dem Grad
der religiösen Ausrichtung. Private Ausbildungseinrichtungen mussten aufgrund der staatli-
chen Subventionierungspolitik und der damit verbundenen Forderung nach entsprechend
geschultem Personal zunehmend die staatlichen Ausbildungsregelungen übernehmen, um
den Absolventinnen angemessene Anstellungsmöglichkeiten zu bieten.
Ausbildungsstätten in katholischer Trägerschaft expandierten, wobei nun auch Ordenskräfte
eine entsprechende Qualifizierung erhielten. Diese orientierten sich allerdings an fürsorgeri-
schen Konzepten, konzentrierten sich auf die geschlossene Kinder- und Jugendfürsorge
(Waisenhäuser, Erziehungsanstalten, Erholungsheime).
76
72
Vgl. Ebenda, S. 308 - 313
73
Vgl. Ebenda, S. 315
74
Ebenda, S. 315 (aus Hecker 1927)
75
Vgl. Ebenda, S. 319
76
Vgl. Ebenda, S. 316 - 319

2 Der Beruf der Erzieherin
36
Kinderpflege- und Haushaltsgehilfin
Kinderpflegerinnen waren in der Weimarer Republik in Familienhaushalten, aber auch in
Kindergärten und Heimen tätig und aus Personalmangel häufig mit Aufgaben einer Kinder-
gärtnerin betraut, was z. B. die Berufsorganisationen durchaus kritisch betrachten.
Ausbildungsvoraussetzung war ein Volksschulabschluss, die Teilnehmerinnen waren dem-
nach bei Ausbildungsbeginn sehr viel jünger. Die inhaltliche Ausbildung betonte mehr die
Kinderpflege und die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten in der Familie, als Helferin der Haus-
frau und Mutter. Die Ausbildungsdauer von 1½ Jahren wurde beibehalten und reichseinheit-
lich durchgeführt. Nach Abschluss war die Ausbildung zur Kindergärtnerin möglich.
77
Jugendleiterin
Die beruflichen Aufgaben einer Jugendleiterin erweitern sich in der Weimarer Republik auf
leitende Funktionen in Kindergärten, Horten, Tagesheimen, Lesestuben, Kindererholungs-
heimen etc. Außerdem wurden Jugendleiterinnen in der Jugendpflege, in Behindertenein-
richtungen, Erziehungsanstalten und Landesjugendämtern eingesetzt und übernahmen
zunehmend unterrichtende Tätigkeiten und Schulleitungen.
Unter anderem Alice Salomon kritisierte die unzureichende Ausbildung, vor allem hinsicht-
lich der Eignung für Führungspositionen. Sie forderte eine akademische Ausrichtung und
die Zusammenlegung mit der Ausbildung zur (Jugend)Wohlfahrtspflegerin, auch um eine
einheitliche sozialpädagogische Ausbildung zu implementieren. Bis Ende der Weimarer
Republik wurde das Ausbildungsniveau angehoben: Voraussetzung war eine 2-jährige
Ausbildung zur Kindergärtnerin und bis zu 3 Jahren Praxiserfahrung. Daran schloss sich
das 1-jährige Jugendleiterinnenseminar an, so dass der Ausbildungsgang insgesamt 6 Jah-
re umfasste. Eine Akademisierung wurde abgelehnt.
78
,,Wohlfahrtspflegerinnen" (,,Sozialbeamtinnen", ,,Fürsorgerinnen") waren ausschließlich auf
den unteren Rängen der administrativen Hierarchie in der kommunalen und offenen Für-
sorge tätig.
Zugangsvoraussetzung war der Abschluss eines Lyzeums oder höherer Mädchenschule
und ­ je nach Hauptfach ­ einer abgeschlossenen Ausbildung, für den Bereich der ,,Ge-
sundheitsfürsorge" z. B. als Kranken- oder Säuglingspflegerin, für das Hauptfach ,,Jugend-
wohlfahrtspflege" als Kindergärtnerin, Hortnerin oder Jugendleiterin, ferner die Vollendung
77
Vgl. Ebenda, S. 332 - 338
78
Vgl. Ebenda, S. 339 - 346

2 Der Beruf der Erzieherin
37
des 24. Lebensjahres. Volksschülerinnen konnten nach einer erfolgreichen ,,schulwissen-
schaftlicher Vorprüfung" aufgenommen werden.
Die Ausbildung betrug 2 Jahre mit einem praktischen Ausbildungsjahr im Anschluss.
Inhaltlich gab es zunächst nur wenig einheitliche Regelungen, erst ab 1930 wurden Richtli-
nien für Lehrpläne erlassen.
Gegen Ende der Weimarer Republik war die Wohlfahrtspflegerin ein fest etablierter Frau-
enberuf mit eigenständigen gesetzlichen Grundlagen und staatlich anerkannter Ausbil-
dungsordnung.
79
Männliche Wohlfahrtspfleger waren zunächst eher eine Randgruppe. Bis 1927 wurden ge-
sonderte Bestimmungen für eine getrennte Ausbildung der Geschlechter bzw. Vorausset-
zungen für die Zulassung als Wohlfahrtspfleger durch berufliche Vorerfahrung erlassen. Als
Gegenpol zur ,,geistigen Mütterlichkeit" bzw. als Abgrenzung wurde hier die ,,Ritterlich-
keit" postuliert. Ein eigenes Berufsbild männlicher Sozialarbeit entstand damit nicht, wohl
aber eine Verwischung des Charakters als reiner Frauenberuf.
Auf konfessioneller Seite wurde in einigen Brüderhäusern die Ausbildung zum Diakon mit
der des Wohlfahrtspflegers verwoben; auf katholischer Seite kam es z. B. zur Gründung der
Caritaswohlfahrtsschule für sozial-caritative männliche Berufe.
80
Heimerziehung
Das gesamte Anstaltswesen expandierte in der Weimarer Republik. Die Verhältnisse in den
Heimen änderten sich allerdings zunächst nicht, was durch die ,,Heimrevolten" und den da-
mit verbundenen Strafprozessen öffentlich wurde. Die Diskussion um Skandale und Miss-
brauch in der Fürsorgeerziehung fand ungünstigerweise auf dem Hintergrund der sich ver-
schlechternden wirtschaftlichen Lage statt und dem Misstrauen, dass ,,Asoziale" für viel
Geld ,,durchgefüttert" wurden.
Der weiterhin bestehende Personalmangel wurde durch den Aufschwung sozialer Berufe
abgemildert; auch die Heimerziehung profitierte ebenfalls davon. Berufliche Speziali-
sierungen und Zusatzqualifikationen fanden z. B. durch heilpädagogische Seminare statt.
Dies galt auch für konfessionelle Einrichtungen, die sich eher auf die geschlossenen Ein-
richtungen spezialisierten.
81
79
Vgl. Ebenda, S. 349 - 354
80
Vgl. Ebenda, S. 355 - 362
81
Vgl. Ebenda, S. 371 - 378

2 Der Beruf der Erzieherin
38
Familienpflege
Familienpflege als eigenständiges Arbeitsgebiet bestand weiterhin allerdings ohne ver-
gleichbare Initiativen zur beruflichen Professionalisierung. Erste Qualifizierungsversuche
gab es ab 1922, z. B. in Form einer Schwesternschaft in katholischen Trägern als Lebens-
beruf mit mindestens 2-jähriger Ausbildung in hauswirtschaftlichen und erzieherischen Be-
reichen.
82
Hochschulausbildung
Eine Ausbildung an Hochschulen fand auch in der Weimarer Republik nur ansatzweise statt.
Zwar war die Notwendigkeit einer Qualifizierung der sozialen Arbeit unbestritten, nicht zu-
letzt auch in Bezug auf die Ausbildung von Leitungskräften und die wissenschaftliche Be-
gleitforschung. Allerdings ließ sich das Gebiet der Sozialen Arbeit nicht an eine bestehende
wissenschaftliche Disziplin anbinden. Die universitäre Erziehungswissenschaft war in die-
sen Zeiten an den Hochschulen noch nicht etabliert.
Teilbereiche der Sozialen Arbeit konnten allerdings verbunden mit Philosophie, Theologie,
Jura oder (sozial)wissenschaftlichen Fakultäten studiert werden bzw. wurden in bestimmten
universitären Bereichen zumindest ansatzweise thematisiert, z. B. in der forensischen Me-
dizin, Psychiatrie, Pädiatrie und Sozialmedizin.
Am Ende der Weimarer Republik bildete sich in Frankfurt am Main eine sozialwissenschaft-
lich und sozialpolitisch orientierte Erziehungswissenschaft heraus, an der zunächst männli-
che Wohlfahrtspfleger ausgebildet wurden. Im Jahre 1930 wurde eine Honorarprofessur für
Soziologie und Sozialpädagogik einberufen und an der neu geschaffenen Pädagogischen
Akademie wurde Sozialpädagogik behandelt.
Im Jahre 1925 gründete Alice Salomon die ,,Deutsche Akademie für soziale und pädagogi-
sche Frauenarbeit", die fachlich geschulte Praktikerinnen der Sozialen Arbeit wissenschaft-
lich schulen und für Leitungsfunktionen qualifizieren wollte. Dieser Anspruch wurde jedoch
nicht verwirklicht, da Führungspositionen in der Verwaltung eine klassische universitäre
Ausbildung voraussetzten.
War die Ausbildung lange Zeit ausschließlich nur Frauen vorbehalten und an dem zeitge-
nössischen Bild der ,,Mütterlichkeit" orientiert, so entstanden auch Angebote in größerem
Umfang für Männer; jedoch waren ihre Aufgaben vorrangig hierarchisch weiter oben ange-
ordnet. Die Berufe Kindergärtnerin etc. übten weiterhin nahezu ausschließlich Frauen aus.
83
82
Vgl. Ebenda, S. 386 ff
83
Vgl. Ebenda, S. 392 - 399

2 Der Beruf der Erzieherin
39
2.1.6 Der Nationalsozialismus
- Gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen
Die Zeit des Nationalsozialismus ab 1933 war mit radikalen Einschnitten in Ausbildung und
Berufstätigkeit der Sozialen Arbeit verbunden. Die gesellschaftlichen und beruflichen Leit-
bilder veränderten sich grundlegend, die Berufe wurden an der Ideologie ausgerichtet und
damit die ethische Grundhaltung vollständig verändert.
Nicht die Unterstützung von in Not geratenen Menschen stand im Mittelpunkt, sondern der
erbgesunde und leistungsfähige, arische Mensch und dessen Familie sowie die Herstellung
eines ,,gesunden Volkskörpers", einschließlich der ethnischen und eugenischen Auslese
und schließlich Ausmerzung bzw. die Hilfeleistungen dazu.
84
- Von der Wohlfahrtspflege zur Volkswohlfahrt
Die Wohlfahrtspflege wurde zur ,,Volkswohlfahrt", die dem ethnischen und eugenischen
Rassismus verpflichtet war.
Entsprechend formte sich die kommunale Wohlfahrtspflege in die ,,Nationalsozialistische
Volkswohlfahrt" (NSV) um, wurde zentralisiert und die vorhandenen demokratischen Struk-
turen zerschlagen. Die freien Wohlfahrtsverbände wurden aufgelöst (z. B. Arbeiterwohlfahrt),
verloren ihren Status als Spitzenwohlfahrtsverband (z. B. Zentralwohlfahrtsstelle der Deut-
schen Juden) oder lösten sich selbst auf, um einer ,,Gleichschaltung" zuvorzukommen (z. B.
Bund Deutscher Frauenvereine). Bedeutende Personen der Sozialen Arbeit verloren ihre
Ämter, emigrierten oder wurden verfolgt und starben später im Holocaust.
Ab 1933 gab es neben der NSV nur noch die Innere Mission, den Deutschen Caritasver-
band und das Deutsche Rote Kreuz als Spitzenverbände der Deutschen Wohlfahrtspflege.
Deren Arbeit erfolgte sicher nicht störungsfrei, andererseits ,,blieb die Rolle dieser Verbände
in der Geschichtsschreibung zur Sozialen Arbeit verschwommen..."
85
und reichte von Un-
terstützung des totalitären Regimes bis zum aktiven Widerstand.
Die Leistungen des NSV richteten sich an erbgesunde und leistungsfähige Deutsche, die
Anstaltspflege von ,,Minderwertigen" und ,,Schwachen" wurde den konfessionellen Trägern
überlassen. Es entstanden z. B. das ,,Winterhilfswerk des deutschen Volkes", das ,,Hilfswerk
84
Vgl. Ebenda, S. 302
85
Ebenda, S. 305

2 Der Beruf der Erzieherin
40
Mutter und Kind", das ,,Ernährungshilfswerk", das ,,Tuberkulosenhilfswerk" und das ,,Künst-
lerhilfswerk". Der Ausbau von Kindergärten wurde forciert.
Das öffentliche Gesundheitswesen diente hauptsächlich der Erfassung, Begutachtung und
Ausgrenzung von als minderwertig bezeichneten Menschengruppen, die von der Förderung
durch die Volkswohlfahrt ausgeschlossen waren. Das Gesundheitswesen war damit als
Filterinstanz vorgeschaltet, um entsprechende Leistungen der Ideologie entsprechend zu
verteilen und zu versagen
In der Jugendpflege wurde mit dem Aufbau der ,,Hitlerjugend" eine zentralisierte Massenor-
ganisation zur Erziehung der Kinder und Jugendlichen in der nationalsozialistischen Gesin-
nung geschaffen.
Bis 1938 wurde die Soziale Arbeit tiefgreifend umgeformt. Die Professionen der sozialen
Arbeit wurden durchaus als Erfüllungsgehilfen des Nationalsozialismus eingesetzt und
mussten die entsprechende Weltanschauung teilen.
86
- Nationalsozialistische Umstrukturierung der Ausbildung
Während des Nationalsozialismus wurde die entstandene Vielfalt von sozialen Berufsfel-
dern stark eingeschränkt oder deren Entwicklung unterbrochen. Besonders betraf dies die
Arbeit mit behinderten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, der Heimerziehung, der
Familienpflege und der Ausbildung an wissenschaftlichen Hochschulen.
Die verbleibenden Ausbildungsgänge und beruflichen Inhalte wurden streng auf die natio-
nalsozialistische Ideologie ausgerichtet und ein Teil des nationalsozialistischen Bildungs-
und Erziehungswesens. Damit unterstanden sie auch den Rassegesetzen, die den Zugang
zu weiterführenden Schulen und Hochschulen festlegten. Ausbildungsstätten, Einrichtungen,
Interessen- Berufsverbände wurde geschlossen oder es wurden Säuberungen durchge-
führt und ideologisch unliebsame Personen entfernt (z. B. Anna von Gierke).
Reichsweite Ausbildungs- und Prüfungsordnungen folgten, Länderregelungen wurden au-
ßer Kraft gesetzt. Damit sollte eine einheitliche fachliche und weltanschauliche Ausbildung
erreicht werden.
87
Die Einstellung konfessioneller Ausbildungsstätten im Nationalsozialismus scheint ambiva-
lent gewesen zu sein. Überliefert ist, dass die Machtergreifung von evangelischen Diako-
nissen begeistert gefeiert wurde, auch katholische Seminare nahmen nationalsozialistische
86
Vgl. Ebenda, S. 303 - 307
87
Vgl. Ebenda, S. 303 - 307

2 Der Beruf der Erzieherin
41
Inhalte in der Ausbildung mit auf. Konfessionelle Einrichtungen konnten zumindest gehalten
oder geringfügig ausgebaut werden.
88
In allen sozialen Berufsgruppen war die Kooperation mit den NS-Idealen weit verbreitet.
Kindergärtnerin
Gerade der Kindergartenbereich war durch die erzieherischen Einflussnahmen für die Ideo-
logen interessant. Die Entwicklung geistiger Fähigkeiten wurde der körperlichen Ertüchti-
gung untergeordnet, die Kinder sollten ,,abgehärtet und gestählt" werden und soldatische
Tugenden gefördert werden.
89
Die Anzahl der Kindergärten in Trägerschaft der NSV nahm dementsprechend schnell zu,
die Zahl der Kindergärtnerinnen, Hortnerinnen und Jugendleiterinnen blieb dagegen nahezu
gleich. Um dem Personalmangel zu begegnen, wurde eine professionelle Leitung einge-
setzt, ansonsten mit Hilfskräften gearbeitet, z. B. aus dem BdM, der NS-Frauenschaft, dem
Reichsarbeitsdienst oder dem NS-Lehrerbund, die in Kurzlehrgängen ideologisch und in
Bezug auf Gesundheitserziehung geschult wurden.
Die Ausbildung war weiterhin mit mittlerem Bildungsabschluss zugänglich und fand in 2
Jahren an Fachschulen für Kindergärtnerinnen statt. Voraussetzung blieb der Nachweis
einer hauswirtschaftlichen Vorbildung (Haushaltungsschule, Frauenfachschule, Kinderpfle-
gerin, Haushaltshilfe), ergänzend kamen deutschblütige Abstammung, deutsche Staatsan-
gehörigkeit sowie die Zugehörigkeit zu nationalsozialistischen Organisationen (NSDAP,
BdM, NS-Frauenschaft oder Deutsches Frauenwerk) dazu. Maßgebend war insgesamt we-
niger Schulbildung, sondern die ,,innere Einstellung und Persönlichkeit". Der Begriff der
,,Hortnerin" entfiel.
90
Volkspflegerin
Wohlfahrtspflegerinnen wurden unter dem NS-Regime ,,Volkspflegerinnen" genannt.
Die Zahl der Ausbildungsstätten ging durch Schließung und Übernahmen zurück und die
Frauen aus dem gehobenen Bürgertum verschwanden aus diesem Arbeitsfeld.
Eine Verknappung der Arbeitskräfte war die Folge.
Bestehende Ausbildungsregelungen blieben zunächst erhalten, wurden jedoch um Inhalte
des NS-Gedankengutes erweitert. Stoffgebiete wie Sozialpolitik, Psychologie und Pädago-
gik dagegen wurden gestrichen.
88
Vgl. Ebenda, S. 331
89
Vgl. Ebenda, S. 323
90
Vgl. Ebenda, S. 324 - 332

2 Der Beruf der Erzieherin
42
Die Tätigkeit der Volkspflegerinnen änderte sich in zuarbeitende Funktionen innerhalb der
Gesundheitsämter, als Hilfskräfte der Ärzte in Bezug auf die erb- und rassenpflegerischen
Aktivitäten.
91
Heimerziehung
An der Anstaltspflege hatten die Nationalsozialisten wenig Interesse, in der Hauptsache
handelte es sich um konfessionelle Heime. In den wenigen Heimen unter der Trägerschaft
des NSVs, hatte zumindest das hauptamtliche Personal entsprechende pädagogische Qua-
lifikationen. Im Verlauf der Jahre und durch Ausbildungen auf dem Hintergrund der natio-
nalsozialistischen Ideologie kam es in Heimen zu Zwangssterilisation, Menschenversuchen
und Tötung von Menschen mit Behinderungen.
92
Familienpflege
Die Familienpflege erlebte in der NS-Zeit einen Aufschwung, da die Familie als ,,Keimzelle
des nationalsozialistischen Staates" betrachtet wurde und in Zeiten von Geburten oder
Krankheit der Mutter für die Familie gesorgt werden musste. Die bestehenden Hauspflege-
vereine wurden aufgelöst oder gleichgeschaltet und gingen in die Trägerschaft der NSV
über. Die Bezeichnung ,,Haushaltshilfe" wurde eingeführt und die Tätigkeit wurde sowohl
bezahlt, als auch ehreamtlich durchgeführt. Lediglich jüngere oder unerfahrene Kräfte er-
hielten einen 1-6 monatigen Lehrgang.
93
Hochschulausbildung
Die weitere Entwicklung der Hochschulausbildung im Nationalsozialismus wurde vernach-
lässigt bzw. ist ,,bis heute als Gegenstand der Forschung nahezu gänzlich ausgeklam-
mert."
94
Überliefert ist, dass die Erziehungswissenschaft insgesamt keinen nennenswerten
Widerstand gegen den Faschismus zeigte. Dem Regime nicht genehme Professorinnen
wurden entlassen und/oder mussten emigrieren. Die von Alice Salomon gegründete Frau-
enakademie wurde geschlossen, Alice Salomon wurde gezwungen alle Ämter niederzule-
gen; sie emigrierte in die USA.
95
91
Vgl. Ebenda, S. 366 - 370
92
Vgl. Ebenda, S. 379 - 384
93
Vgl. Ebenda, S. 390 f
94
Ebenda, S. 400
95
Vgl. Ebenda, S. 400 - 404

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836606967
DOI
10.3239/9783836606967
Dateigröße
3.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Berlin – Erziehungs- und Unterrichtswissenschaften, Berufliche Bildung und Arbeitslehre
Erscheinungsdatum
2007 (Dezember)
Note
1,0
Schlagworte
erzieher lernfeldkonzept ausbildung identität lernfeldorientierung
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Titel: Lernfeldorientierung in der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern
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