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Die Rückkehr Chinas nach Afrika

Chinas aktuelles Engagement in Afrika aus entwicklungspolitischer Sicht

©2007 Diplomarbeit 110 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Lange Zeit im Westen kaum wahrgenommen, wurde 2006 eine breite internationale Öffentlichkeit auf ein Phänomen aufmerksam, das sich seit einigen Jahren in Afrika zeigt: Die in verschiedenen Erscheinungsformen auftretende, rasant wachsende Präsenz Chinas auf dem Kontinent. Internationale Fachmedien, Wirtschaftsmagazine, aber auch Nachrichtenagenturen und Tageszeitungen haben den wachsenden Einfluss Chinas in Afrika in jüngster Zeit als Thema entdeckt. Le Monde zählt die Kooperation zwischen China und Afrika zu den weltpolitisch bedeutendsten Entwicklungen des Jahres 20061. Der bekannte Globalisierungskritiker Walden Bello beschreibt in einem Essay (Bello 2007), dass beim im Jänner 2007 in Nairobi abgehaltenen siebenten Weltsozialforum nicht etwa die Situation im Irak, der Neoliberalismus oder HIV/Aids die am heißest diskutierten Themen waren, sondern das Engagement Chinas in Afrika. Zum 50-jährigen Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen China und Afrika – 1956 anerkannte Ägypten als erster afrikanischer Staat die Volksrepublik China – erreichen diese eine neue Intensität. Eindrücklich führte dies der im November 2006 in Beijing abgehaltene Gipfel des Forums für chinesisch-afrikanische Zusammenarbeit vor Augen, zu dem Vertreter 48 afrikanischer Staaten, davon 41 Staatschefs, anreisten.
Je nach Blickwinkel sind die sichtbarsten Merkmale des verstärkten Engagements Chinas in Afrika die galoppierenden Außenhandelszahlen, die Treffen hoher chinesischer und afrikanischer Diplomaten, Regierungsbeamter und Staatschefs, die – zeitweise oder dauerhafte – Migration zehntausender Chinesen nach Afrika, oder die in jüngster Zeit entstandenen bzw. geplanten Großinfrastrukturprojekte wie der Bau von Häfen, Straßen und Öl-Pipelines. Einen besonders interessanten, weniger berücksichtigten Aspekt der Beziehungen zwischen China und Afrika bildet die öffentliche chinesische Entwicklungshilfe an afrikanische Staaten.
Von Kommentatoren des „China-Booms“ oft fälschlich als neu geschaffenes Instrument im Zusammenhang mit Chinas Bedarf an Rohstoffen dargestellt, blickt sie auf eine Tradition zurück, die bis zu den Jahren vor der afrikanischen Unabhängigkeit reicht. Während die chinesische Entwicklungshilfe an Afrika nach den von Deng Xiaoping Ende der 1970er-Jahre eingeleiteten wirtschaftlichen Reformen und der damit einhergehenden Konzentration auf die eigene Entwicklung Chinas an Bedeutung verloren hatte, nahm sie nach 1989 wieder zu. […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Harald Mayer
Die Rückkehr Chinas nach Afrika
Chinas aktuelles Engagement in Afrika aus entwicklungspolitischer Sicht
ISBN: 978-3-8366-0630-1
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Universität Wien, Wien, Österreich, Diplomarbeit, 2007
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Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2008
Printed in Germany

ii
ABSTRACT
Die Geschichte wirtschaftlicher und politischer Kooperation zwischen der Volksrepublik
China und den Staaten Afrikas umfasst ein halbes Jahrhundert, in dem wechselnde Motive
deren Art, Intensität und geographische Ausrichtung bestimmten. Von der Frühphase chi-
nesischer Unterstützung für die afrikanische Unabhängigkeit, über Beijings Umwerben afri-
kanischer Staaten mit dem Ziel der Anerkennung der Volksrepublik China in den Vereinten
Nationen, bis hin zur vorwiegend ökonomisch geprägten Kooperation der vergangenen
Jahre war und ist Entwicklungshilfe ein wichtiger Teilbereich der sino-afrikanischen Koope-
ration: Wichtig für Afrika als Alternative und/oder Ergänzung zur Entwicklungshilfe der
westlichen Industriestaaten, wichtig für China als Instrument zur Durchsetzung politischer
und wirtschaftlicher Interessen. Mit dem derzeit stattfindenden Boom der wirtschaftlichen
Kooperation zwischen China und Afrika erreicht auch die Entwicklungshilfe Beijings an
afrikanische Staaten einen neuen Höhepunkt.
Diese Arbeit untersucht chinesische Entwicklungshilfe an Afrika, stellt sie westlichen Ge-
berkonzepten gegenüber, und diskutiert Chancen und Gefahren der jüngsten Welle chinesi-
schen Engagements in Afrika für den Kontinent. Dabei werden neben der Frage nach den
ökonomischen und sozialen Folgen auch die Auswirkungen auf ,,good governance" in Afri-
ka und die Möglichkeit der Anwendung des chinesischen Entwicklungsmodells auf afrikani-
sche Staaten diskutiert.

iii
INHALTSVERZEICHNIS
Abstract
ii
Inhaltsverzeichnis iii
Abkürzungsverzeichnis 1
1 Einleitung 3
2 Historischer Überblick
6
2.1 Die Ursprünge sino-afrikanischer Beziehungen
6
2.2 Sino-afrikanische Beziehungen nach 1949: Die Volksrepublik China und Afrika
7
2.2.1 Annäherung im Rahmen der Blockfreien-Bewegung und chinesische
Unterstützung für afrikanische Unabhängigkeitsbewegungen
8
2.2.2 Afrikas Bedeutung im Konflikt zwischen der Volksrepublik China und
Taiwan 11
2.2.3 Die späten 1960er-Jahre: Rückschläge in Chinas Bemühen um Afrika
12
2.2.4 Aufleben der sino-afrikanischen Beziehungen nach der Hochphase der
Kulturrevolution 13
2.2.5 Maos Tod: Beginn einer neuen Ära
14
2.2.6 Tiananmen und die Folgen für die Beziehungen zwischen China und Afrika 15
2.3 Die ersten vier Jahrzehnte chinesischer Entwicklungshilfe an Afrika
16
2.3.1 Die Anfänge: ,,The poor are helping the poor"
17
2.3.2 1960er-Jahre: Umwerben der neuen afrikanischen Staaten
19
2.3.3 Kulturrevolution: Kein Ende der Hilfe
22
2.3.4 1970-1978: Intensivierung chinesischer Entwicklungshilfe an Afrika
24
2.3.5 Reform der Entwicklungspolitik im Zuge der Orientierung auf die eigene
Entwicklung 25
2.3.6 Anstieg der Hilfe nach Tiananmen
27
3 Die Rückkehr Chinas nach Afrika
28
3.1 Handel 28
3.1.1 Rüstungslieferungen 31
3.2 Direktinvestitionen 32
3.3 Diplomatie 34
3.4 Peace-Keeping 35
3.5 Migration 36

iv
3.6 Kulturaustausch und Tourismus
38
4 Die aktuelle Entwicklungshilfe Chinas an Afrika
39
4.1 Ausmaß 40
4.2 Organisation und Abwicklung
41
4.2.1 Das China-Afrika-Kooperationsforum
44
4.2.2 China im weltweiten Aid-System
45
4.2.3 NGOs als Entwicklungshilfeträger
48
4.3 Chinesische Entwicklungshilfe nach Bereichen
49
4.3.1 Investitionsprojekte (Projekthilfe)
49
4.3.2 Programmhilfe 50
4.3.3 Technische Hilfe
51
4.3.4 Humanitäre Hilfe und Katastrophenhilfe
51
4.3.5 Entschuldung 52
4.4 Geographische Schwerpunkte
53
4.5 Motive 53
5 China als Motor für ,,Bad Governance" in Afrika?
56
5.1 Das Beispiel Angola
59
5.2 Das Beispiel Sudan
62
5.3 Das Beispiel Simbabwe
65
5.4 Zusammenfassung 67
6 Chinas Fokus auf Afrika: Im Interesse Afrikas?
69
6.1 Gesamtökonomische und politische Auswirkungen
70
6.2 Umweltfolgen 75
6.3 Zusammenfassung 77
7 China: Ein Entwicklungsmodell für Afrika?
79
7.1 China und Afrika: Wirtschaftliche Entwicklung im Vergleich
79
7.1.1 Chinas Weg zur Weltwirtschaftsmacht
79
7.1.2 Wirtschaftliche und soziale Entwicklung Afrikas nach der Unabhängigkeit
83
7.1.3 Unterschiede und Gemeinsamkeiten
85
7.2 Lernen von China?
87
8 Zusammenfassung und Ausblick
90
Literaturverzeichnis 95

1
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ADB
African Development Bank (Afrikanische Entwicklungsbank)
AU
African Union (Afrikanische Union)
DAC
Development Assistance Committee (Entwicklungsausschuss der OECD)
DAFC
Department for Aid to Foreign Countries (Abteilung für Entwicklungshilfe
im chinesischen Handelsministerium)
FDI
Foreign Direct Investment (Auslandsdirektinvestitionen)
FOCAC
Forum on China Africa Co-operation (China Afrika Kooperationsforum)
HIPC
Heavily Indebted Poor Countries (Gruppe der ärmsten Staaten, die Ziel ei-
ner von IMF und Weltbank initiierten Entschuldungsinitiative sind)
IFIs
Internationale Finanzinstitutionen
IMF, IWF
International Monetary Fund, Internationaler Währungsfonds
LDCs
Least developed countries
MDGs
Millennium Development Goals
MFA
Ministry of Foreign Affairs (Chinesisches Außenministerium)
MOCA
Ministry of Civil Affairs (Chinesisches Ministerium für zivile Angelegen-
heiten)
MOFCOM
Ministry of Commerce (Chinesisches Handelsministerium)
NEPAD
New Partnership for Africa's Development (Neue Partnerschaft für Afrikas
Entwicklung)

2
NGO
Non-governmental organization (Nichtregierungsorganisation)
OCHA
United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (UN-
Koordinationsstelle für humanitäre Hilfe)
ODA
Official Development Aid (Offizielle Entwicklungshilfe)
OECD
Organisation for Economic Co-operation and Development (Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung)
SAPs
Strukturanpassungsprogramme
TCDC
Technical Cooperation among Developing Countries (Im konkreten Fall: Spe-
zielles Programm der chinesischen Regierung zur Förderung von Süd-
Süd-Kooperation)
UN
United Nations (Vereinte Nationen)
UNIDO
United Nations Industrial Development Organization (Organisation der Ver-
einten Nationen für industrielle Entwicklung)
UNDP
United Nations Development Programme (Entwicklungsprogramm der Ver-
einten Nationen)
WHO
World Health Organisation (Weltgesundheitsorganisation)
WFP
World Food Program (Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen)

3
1
EINLEITUNG
Lange Zeit im Westen kaum wahrgenommen, wurde 2006 eine breite internationale Öffent-
lichkeit auf ein Phänomen aufmerksam, das sich seit einigen Jahren in Afrika zeigt: Die in
verschiedenen Erscheinungsformen auftretende, rasant wachsende Präsenz Chinas auf dem
Kontinent. Internationale Fachmedien, Wirtschaftsmagazine, aber auch Nachrichtenagentu-
ren und Tageszeitungen haben den wachsenden Einfluss Chinas in Afrika in jüngster Zeit
als Thema entdeckt. Le Monde zählt die Kooperation zwischen China und Afrika zu den
weltpolitisch bedeutendsten Entwicklungen des Jahres 2006
1
. Der bekannte Globalisie-
rungskritiker Walden Bello beschreibt in einem Essay (Bello 2007), dass beim im Jänner
2007 in Nairobi abgehaltenen siebenten Weltsozialforum nicht etwa die Situation im Irak,
der Neoliberalismus oder HIV/Aids die am heißest diskutierten Themen waren, sondern
das Engagement Chinas in Afrika. Zum 50-jährigen Jubiläum der diplomatischen Beziehun-
gen zwischen China und Afrika ­ 1956 anerkannte Ägypten als erster afrikanischer Staat die
Volksrepublik China ­ erreichen diese eine neue Intensität. Eindrücklich führte dies der im
November 2006 in Beijing abgehaltene Gipfel des Forums für chinesisch-afrikanische Zu-
sammenarbeit vor Augen, zu dem Vertreter 48 afrikanischer Staaten, davon 41 Staatschefs,
anreisten.
Je nach Blickwinkel sind die sichtbarsten Merkmale des verstärkten Engagements Chinas in
Afrika die galoppierenden Außenhandelszahlen, die Treffen hoher chinesischer und afrika-
nischer Diplomaten, Regierungsbeamter und Staatschefs, die ­ zeitweise oder dauerhafte ­
Migration zehntausender Chinesen nach Afrika, oder die in jüngster Zeit entstandenen bzw.
geplanten Großinfrastrukturprojekte wie der Bau von Häfen, Straßen und Öl-Pipelines.
Einen besonders interessanten, weniger berücksichtigten Aspekt der Beziehungen zwischen
China und Afrika bildet die öffentliche chinesische Entwicklungshilfe an afrikanische Staa-
ten. Von Kommentatoren des ,,China-Booms" oft fälschlich als neu geschaffenes Instru-
ment im Zusammenhang mit Chinas Bedarf an Rohstoffen dargestellt, blickt sie auf eine
1
,,Une nouvelle donne", Le Monde, 30.12.2006

4
Tradition zurück, die bis zu den Jahren vor der afrikanischen Unabhängigkeit reicht. Wäh-
rend die chinesische Entwicklungshilfe an Afrika nach den von Deng Xiaoping Ende der
1970er-Jahre eingeleiteten wirtschaftlichen Reformen und der damit einhergehenden Kon-
zentration auf die eigene Entwicklung Chinas an Bedeutung verloren hatte, nahm sie nach
1989 wieder zu. Mit großzügigen Krediten und Schuldenerlässen sowie einer strikten Politik
der Nicht-Einmischung in Angelegenheiten der Empfängerstaaten tritt chinesische Ent-
wicklungshilfe heute in vielen afrikanischen Staaten in Konkurrenz zu der meist an Kondi-
tionen geknüpften Entwicklungshilfe der OECD-Staaten und birgt das Potential, das inter-
nationale Aid-System nachhaltig zu verändern.
Ziel der vorliegenden Diplomarbeit ist es, einen Beitrag zum Verständnis Chinas als zu-
nehmend wichtigen Akteur der internationalen Entwicklungszusammenarbeit zu leisten.
Nicht nur auf Seiten der direkt von chinesischer Entwicklungshilfe betroffenen Empfänger-
staaten, auch seitens anderer Geberstaaten besteht die Notwendigkeit einer Auseinanderset-
zung mit Chinas wachsendem Engagement in Afrika. In der aktuellen Diskussion um Har-
monisierung und Kohärenz der Entwicklungshilfe verschiedener Geberstaaten wird kein
Weg an China vorbei führen, das keinen Zweifel daran lässt, in Zukunft auch im Bereich
der Entwicklungshilfe eine wichtigere Rolle zu spielen, und dies durch Ankündigungen wie
jene, die Entwicklungshilfeleistungen an Afrika bis zum Jahr 2009 zu verdoppeln, unter-
streicht.
Nach einem historischen Überblick über die sino-afrikanischen Beziehungen und die Ge-
schichte chinesischer Entwicklungshilfe an Afrika wird der Status quo der chinesischen
Entwicklungspolitik gegenüber Afrika erhoben. Welche Konzepte liegen ihr zugrunde, wie
ist sie organisiert, worin liegt ihre Motivation, und was sind ihre Konsequenzen für Afrika,
lauten die in dieser Diplomarbeit behandelten Fragestellungen.
Eine besondere Herausforderung bei der Arbeit zu chinesischer Entwicklungshilfe stellt der
Mangel an relevanten statistischen Daten sowie der mangelnde Zugang zu entwicklungspo-
litischen Planungs- und Positionspapieren der chinesischen Regierung dar. Im Gegensatz zu
den im Development Assistance Committee (DAC) der OECD organisierten Industriestaa-
ten, die jährlich Entwicklungspläne sowie genaue Aufstellungen ihrer Entwicklungshilfeleis-

5
tungen veröffentlichen und diese in einem Peer-Review-Verfahren einer gegenseitigen Ü-
berprüfung unterziehen, veröffentlicht die chinesische Regierung keine nach transparenten
Kriterien erhobenen Zahlen zu ihrer Entwicklungshilfe und beschränkt sich auf vereinzelte
Meldungen über Hilfszusagen, aus denen nur annähernde Annahmen zu Gesamthöhe und
Art der Leistungen abgeleitet werden können. Erschwert wird die Quantifizierung der Ent-
wicklungshilfe Chinas außerdem durch eine Vermischung von konzessionellen Krediten
und solchen, die zu Marktkonditionen an Entwicklungsländer vergeben werden. Dieser
Vermischung liegt ein fundamental anderes Verständnis von Entwicklungshilfe zugrunde
als jenes der ,,traditionellen" Geberstaaten aus dem Kreise der OECD-Länder. Während
hier zumindest vorgeblich Entwicklungshilfe und wirtschaftliche Kooperation mit Entwick-
lungsländern voneinander getrennt werden, macht China kein Geheimnis daraus, diese bei-
den Bereiche zu vermischen und Entwicklungshilfe, die meist als ,,Süd-Süd-Kooperation"
bezeichnet wird, als Teil seiner Wirtschaftspolitik zu verstehen. Obwohl eine umfassende
Beschreibung chinesischer Entwicklungshilfe nach ,,westlichem" Verständnis aus diesen
Gründen nur schwer möglich ist, dient dieser Arbeit in Ermangelung anderer theoretischer
Konzepte die Definition von Official Development Aid (ODA) der OECD als Referenzrah-
men, anhand dessen die entwicklungspolitischen Beziehungen Chinas zu afrikanischen Staa-
ten analysiert werden. Die Annäherung an das Wesen chinesischer Entwicklungshilfe erfolgt
in dieser Arbeit vielfach über exemplarische Beispiele.

6
2
HISTORISCHER ÜBERBLICK
2.1
Die Ursprünge sino-afrikanischer Beziehungen
Wann genau die ersten Kontakte zwischen China und Afrika stattfanden, ist nicht mit Si-
cherheit feststellbar. Bereits das Kaiserreich China unter der Han Dynastie (202 v. Chr. bis
220 n. Chr.) unterhielt ­ wenn auch nur indirekte, über indische und arabische Schiffe
durchgeführte ­ Handelsbeziehungen mit den im nordöstlichen Afrika gelegenen Reichen
Kush und Axum. Erste Zeugnisse einer Begegnung Chinas mit Afrika auf afrikanischem
Boden datieren aus dem achten Jahrhundert nach Christus. So wurden beispielsweise in
Ostafrika chinesische Münzen und chinesisches Porzellan aus dem 9. bis 14. Jahrhundert
entdeckt. Zahlreiche Funde von afrikanischen Produkten des zehnten und elften Jahrhun-
derts in China legen ebenfalls Zeugnis von frühen Kontakten zwischen China und Afrika
ab
2
.
Einen besonderen Platz in der Geschichte der sino-afrikanischen Beziehungen nimmt der
chinesische Seefahrer Zheng He ein, der im 15. Jahrhundert im Auftrag der in China herr-
schenden Ming-Dynastie mehrere Entdeckungsfahrten nach Afrika unternahm. 1418 er-
reichte der muslimische General mit seiner Flotte zum ersten Mal Afrika im Bereich des
heutigen Somalia und war damit einige Jahrzehnte vor dem portugiesischen ,,Entdecker"
Vasco da Gama an der afrikanischen Küste des indischen Ozeans an Land gegangen. Gerne
wird im Zuge von sino-afrikanischen Zusammentreffen ­ sei es in Form von Freund-
schaftsbekundungen bei Wirtschaftsgipfeln oder der politischen Agitation Chinas gegen
Imperialismus und Kolonialismus in Afrika in den 1960er-Jahren ­ darauf verwiesen, dass
es im Gegensatz zu den später folgenden Europäern nicht ökonomische Interessen waren,
die Zheng He nach Afrika führten, sondern ein ,,freundlicher Austausch" (Qin 2006) auf
diplomatischer wie auf Handels-Ebene. Dieser frühe Kontakt sei der Anfang einer langen
Tradition chinesisch-afrikanischer Freundschaft gewesen, die in der aktuellen Kooperation,
2
Für eine detaillierte Ausführung über die frühen Kontakte zwischen China und Afrika siehe Snow 1988

7
so der häufig von chinesischen Diplomaten und Politikern getroffene Vergleich, ihre Fort-
setzung finde.
Nach sieben Exkursionen Zheng Hes zwischen 1418 und 1433 stellte die chinesische Ad-
ministration abrupt alle Aktivitäten im Indischen Ozean ein. Es wurde nicht weiter als sinn-
voll erachtet, die kostspieligen Expeditionen nach Afrika zu finanzieren, die durch den Wert
der zurückgebrachten Güter nicht gerechtfertigt waren. Als Reaktion auf die Bedrohung der
chinesischen Grenzen durch die Mongolen beschränkte sich der Fokus der Außenpolitik
Chinas nun auf den ostasiatischen Raum. Eine Politik der Innengewandtheit sollte Chinas
Rolle in der Welt bis zur gewaltsamen Öffnung durch ausländische Mächte in den Opium-
kriegen 400 Jahre später bestimmen. Mit Ausnahme chinesischer Arbeiter, die im 18. und
19. Jahrhundert im südlichen Afrika sowie auf Madagaskar von der jeweiligen Kolonialver-
waltung für Berg-, Straßen- und Bauarbeiten eingesetzt wurden (Jäger 1994:28), folgte auf
Zheng Hes Reisen eine lange Unterbrechung der sino-afrikanischen Kontakte. Während die
portugiesischen Flotten unter der Führung Vasco da Gamas auf ihrem Weg nach Indien
Ende des 15. Jahrhunderts erstmals vor Mosambik ankerten und in den folgenden Jahren
durch die Errichtung von Handelsstützpunkten entlang der Küste die schrittweise Kolonia-
lisierung Afrikas durch europäische Mächte einleiteten, sollten die bilateralen Beziehungen
zwischen China und Afrika erst über 500 Jahre nach Zheng Hes Reisen in den 1950er-
Jahren eine Fortsetzung finden.
2.2
Sino-afrikanische Beziehungen nach 1949: Die Volksrepublik Chi-
na und Afrika
In den ersten Jahren nach Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 nahm Afrika
eine unbedeutende Stellung in der chinesischen Außenpolitik ein. Die kommunistische Re-
gierung in Beijing wurde ab ihrer Machtübernahme und verstärkt nach dem Korea-Krieg -
ausgehend von den USA - international isoliert, ihre diplomatischen Kontakte beschränkten
sich auf die Sowjetunion und die Staaten des Ostblocks. Obwohl es seitens der regierenden
Kommunistischen Partei Chinas bereits rhetorische Attacken gegen den internationalen
Imperialismus und damit auch gegen den Kolonialismus europäischer Mächte in Afrika gab,
war Afrika, das keine direkte strategische Bedeutung für China hatte und auch auf diploma-

8
tischer Ebene von geringer Relevanz für die Volksrepublik war (der größte Teil des Konti-
nents befand sich unter kolonialer Herrschaft), bis Mitte der 1950er-Jahre nicht im Fokus
der auf sicherheitspolitische Interessen ausgerichteten chinesischen Außenpolitik. Dies soll-
te sich ab dem Jahr 1955 jedoch langsam ändern: Im Zuge der Bandung-Konferenz, eines
auf Initiative des indischen Präsidenten Nehru zustande gekommenen Treffens unabhängi-
ger afrikanischer und asiatischer Staaten, fand die erste diplomatische Kontaktaufnahme des
chinesischen Premierministers Zhou Enlai mit einem afrikanischen Staatschef, dem ägypti-
schen Präsidenten Gamal Abdel Nasser, statt.
2.2.1
Annäherung im Rahmen der Blockfreien-Bewegung und chinesische Unter-
stützung für afrikanische Unabhängigkeitsbewegungen
Am 18. April 1955 versammelten sich Vertreter 23 asiatischer ­ darunter China ­ und sechs
afrikanischer Staaten
3
in der Stadt Bandung auf der indonesischen Insel Java zu einer Kon-
ferenz, um unabhängig von den (ehemaligen) Kolonialmächten und den Großmächten USA
und Sowjetunion einen eigenen politischen Weg zu formulieren. In der Konferenz wurden
erstmals gemeinsame Forderungen von Entwicklungsländern, viele davon erst seit kurzem
unabhängig, gegenüber den ehemaligen Kolonialmächten laut. Der durch Bandung eingelei-
tete Süd-Süd-Dialog stellte auch den Ausgangspunkt für die Intensivierung der Beziehungen
zwischen China und Afrika dar.
Mit dem in Folge von Bandung begonnenen Prozess der Entstehung der Blockfreien-
Bewegung, einem losen Zusammenschluss von Staaten, die weder dem einen noch dem an-
deren der sich im Kalten Krieg gegenüberstehenden Machtblöcke angehörten, wurde der
chinesischen Führung das Potential der Entwicklungsländer als Verbündeten zur Durchset-
zung von politischen und ideologischen Zielen bewusst. Ein verstärktes Interesse Chinas an
der ,,Dritten Welt" und speziell an Afrika setzte ein, was sich in den folgenden Jahren in
zahlreichen Staatsbesuchen chinesischer Politiker in Afrika bemerkbar machte. Der Auftakt
für die diplomatische Offensive Chinas fand in Nordafrika und am Horn von Afrika statt:
1956 reisten zum ersten Mal seit Zheng He offizielle chinesische Delegationen nach Afrika
3
Ägypten, Sudan, Äthiopien, Liberia, Libyen und Goldküste (heute: Ghana)

9
und besuchten dort Ägypten, Sudan, Marokko, Tunesien und Äthiopien. Ägypten, das sich
zu diesem Zeitpunkt in dem als Suez-Krise bezeichneten Konflikt mit einer Allianz aus
Großbritannien, Frankreich und Israel um die Kontrolle über den strategisch bedeutsamen
Suez-Kanal befand, erkannte im selben Jahr als erster afrikanischer Staat die Volksrepublik
China offiziell an.
Die Hinwendung Chinas zu Afrika lag jedoch nicht ausschließlich im eigenstaatlichen Inte-
resse der Stärkung des internationalen Gewichts begründet. Vielmehr war sie wesentlich
beeinflusst von dem aus der eigenen Erfahrung der Unterwerfung durch fremde Mächte ­
die demütigenden ,,Ungleichen Verträge" mit Großbritannien, Frankreich, den USA und
Russland in Folge der verlorenen Opiumkriege, aber auch die Invasion Japans zwischen
1938 und 1940 waren tief im chinesischen Bewusstsein verankert ­ als moralische Ver-
pflichtung empfundenen Ziel, unterdrückte Völker bei deren Kampf gegen die imperialisti-
sche Beherrschung zu unterstützen. So verkündete Mao Tse-tung auf dem achten Kongress
der Kommunistischen Partei Chinas im September 1956:
,,We must give active support to the National Independence and Liberation
Movements in Asia, Africa and Latin America, as well as to the Peace Move-
ment and righteous struggle in all countries throughout the world." (zitiert nach
Ogunsanwo 1974:13)
Als sich in Kenia, Algerien und Kamerun in den 1950er-Jahren gewaltsamer Widerstand
gegen die europäischen Kolonialmächte geregt hatte, war die Begeisterung in Chinas Füh-
rungsriege groß gewesen. Parallelen zum eigenen Unabhängigkeitskampf, dem Boxerauf-
stand Anfang des 20. Jahrhunderts, wurden gezogen, und das kommunistische China emp-
fand es als Verpflichtung, die eigenen Erfahrungen des Widerstandes gegen fremde Herr-
schaft mit den Völkern Afrikas zu teilen. Auf der anderen Seite wuchs in Afrika das Interes-
se an China, das mit seiner Geschichte des vollständigen Bruchs mit dem Westen ein faszi-
nierendes Beispiel für die Erlangung der Unabhängigkeit aus eigener Kraft bot. Marxistische
und antikoloniale Literatur verbreitete sich unter afrikanischen Studenten, und für viele im
Kampf um die Unabhängigkeit engagierte Afrikaner wurde China zum Vorbild. So berichtet
der Historiker Philip Snow (1988:72) von einem Anführer des Mau-Mau-Aufstandes in Ke-

10
nia, der sich in Anlehnung an Chinas Widerstand gegen ausländische Mächte den nom de
guerre ,,General China" gab, sowie von den Reisen zahlreicher afrikanischer politischer Akti-
visten nach China mit dem Ziel, dort über den chinesischen Unabhängigkeitskampf und
den chinesischen Kommunismus zu lernen.
Der in Bandung begonnene Prozess der afroasiatischen Kooperation bot den Rahmen, der
verbalen Unterstützung für afrikanische Unabhängigkeitsbewegungen auch Taten folgen zu
lassen. Von Ende 1957 bis zum 1. Jänner 1958 wurde die ,,Afro-Asian People's Solidarity
Conference" in Kairo abgehalten, an der auch China teilnahm. Ein ständiges Sekretariat der
Organisation wurde in Kairo eingerichtet und ermöglichte China, direkten Kontakt zu radi-
kalen und revolutionären Gruppen in Afrika aufzunehmen (Nielsen 1969:222). Ein reger
Austausch zwischen China und im Unabhängigkeitskampf aktiven afrikanischen Gruppen
etablierte sich: Zwischen 1958 und 1959 besuchten Delegationen aus 27 afrikanischen Län-
dern (Staaten und abhängige Gebiete) China (Ogunsanwo 1974:35), um dort um Unterstüt-
zung zu werben. China empfing die afrikanischen Delegationen mit allen Ehren, die höchs-
ten chinesischen Staatsmänner trafen persönlich mit jungen afrikanischen politischen Akti-
visten zusammen (Snow 1988:73).
Als Folge dieser Treffen leistete China konkrete militärische Unterstützung für Unabhän-
gigkeitsbewegungen in verschiedenen Teilen Afrikas, in Form von Waffen, Uniformen,
Nahrungsmitteln und Medizin. Zu den von China unterstützten Gruppen zählten die FLN
in Algerien, PAIGC in Kap Verde und Guinea Bissau, UPC in Kamerun, die SWAPO in
Namibia und der ANC in Südafrika (vgl. Snow 1988:78). Einen wichtigen Teil der militäri-
schen Unterstützung nahmen militärische Schulungen ein, die in der Militärakademie in
Nanking, aber auch in eigenen Trainingslagern beispielsweise in Ghana und Tansania statt-
fanden. Später in den 1970er-Jahren sollte die Weiterführung dieser militärischen Unterstüt-
zung in den Stellvertreterkriegen in Angola und Mosambik, in denen sich die Sowjetunion
und China Einflusszonen in der dritten Welt zu sichern versuchten, zu einem dunklen Ka-
pitel des chinesischen Engagements in Afrika werden.
Neben Nordafrika galt das besondere Interesse Chinas zunächst dem westlichen Teil des
Kontinents, wo Guinea und Ghana in den späten 1950er-Jahren die Unabhängigkeit erlangt

11
und einen sozialistischen Weg eingeschlagen hatten. Entgegen den Erwartungen Chinas er-
folgte der Übergang zur Unabhängigkeit in diesen beiden Ländern wie auch in den meisten
anderen afrikanischen Staaten in den folgenden Jahren jedoch nicht durch eine bewaffnete
Rebellion, sondern friedlich. Im Gegensatz zu dem von China propagierten totalen Bruch
mit den ehemaligen Kolonialmächten blieb europäischer Einfluss auch nach der Unabhän-
gigkeit, die ein großer Teil Afrikas 1960 und in den darauf folgenden Jahren erlangte, am
ganzen Kontinent erhalten. Die Staatschefs vieler junger afrikanischer Staaten, wie zum Bei-
spiel Ghanas Kwame Nkrumah, Guineas Sékou Touré oder Tanganjikas Julius Nyerere, wa-
ren zwar kritisch gegenüber dem Westen und standen China sehr positiv gegenüber. Sie wa-
ren jedoch nicht bereit, das von der jeweiligen Kolonialmacht geerbte politische System, wie
von Mao erhofft, durch ein rigides kommunistisches nach dem Vorbild der Volksrepublik
China zu ersetzen.
2.2.2
Afrikas Bedeutung im Konflikt zwischen der Volksrepublik China und Taiwan
Mit der fortschreitenden Unabhängigkeit Afrikas ­ 1960 gab es 27 unabhängige afrikanische
Staaten, 1963 machten afrikanische Staaten fast ein Drittel der UN-Mitgliedsstaaten aus ­
gewann neben Ideologie und Solidarität ein neuer Faktor zunehmend an Gewicht, der Afri-
kas Bedeutung für China stärkte. Jedes Jahr wurde in der UNO über den Sitz Chinas, der zu
diesem Zeitpunkt von der verfeindeten Regierung der Republik China (Taiwan) besetzt war,
abgestimmt, und das Stimmgewicht der afrikanischen Staaten war dabei mit von entschei-
dender Bedeutung. Um an Stelle Taiwans die Vertretung Chinas in den Vereinten Nationen
zu erlangen, galt es für die Volksrepublik, die Unterstützung einer Mehrheit der UN-
Mitgliedsstaaten zu gewinnen, die nach den Statuten über je eine gleichwertige Stimme in
der Hauptversammlung verfügten. 1961 erkannten 8 von 29 afrikanischen Staaten die
Volksrepublik China an, zwei Jahre später stimmten bei der jährlichen Abstimmung in der
UN-Hauptversammlung 14 afrikanische Staaten für die Volksrepublik China und 17 für
Taiwan. Der kommunistischen Führung in Beijing war klar, dass Afrika mit seiner großen
Anzahl von Staaten, viele davon im Gegensatz zu den Ländern Asiens ohne Verbindung zu
Taipei, eine entscheidende Rolle auf dem Weg zu dem Ziel, Taiwan als Vertreter Chinas zu
ersetzen, spielen würde. Aber auch die Regierung Taiwans wusste um die Bedeutung Afri-

12
kas in der Entscheidung um die internationale Anerkennung, und so begann ein regelrechter
Wettlauf um die Gunst der neuen afrikanischen Staaten.
Vor diesem Hintergrund setzte sich die Annäherung Chinas an Afrika bei dem 1961 in Bel-
grad stattfindenden Gründungsgipfel der Blockfreien-Bewegung fort (Gaye 2006:64). Um
die hohe Priorität zu unterstreichen, die China Afrika in seiner Außenpolitik einräumte, reis-
te Premierminister Zhou Enlai zwischen 1963 und 1965 drei Mal nach Afrika und besuchte
unter anderem Ägypten, Algerien, Äthiopien, Marokko, Ghana, Guinea, Mali, Somalia und
den Sudan. In dieser diplomatischen Offensive, die gleichzeitig die erste Serie von Besuchen
eines chinesischen Staatsoberhauptes außerhalb Osteuropas seit Gründung der Volksrepu-
blik war und zeitlich mit dem endgültigen Bruch Chinas mit der Sowjetunion zusammenfiel,
predigte Zhou Enlai den Kampf gegen imperialistische Kontrolle und kolonialen Einfluss.
,,Afrika ist reif für die Revolution" (zitiert nach Nielsen 1969:225), verkündete der chinesi-
sche Premierminister bei seinem Staatsbesuch in Somalia, und China präsentierte sich mit
Verweis auf die lange Tradition friedlicher Beziehungen als Partner und Verbündeter im
revolutionären Kampf. Diese Idee einer Partnerschaft auf gleicher Ebene unterstrich Zhou
Enlai durch sein Auftreten gegenüber afrikanischen Politikern, denen er mehr Respekt,
Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegenbrachte, als diese beispielsweise von Seiten
europäischer Politiker erfuhren (vgl. Snow 1988). Mit Hilfe der neu entstandenen unabhän-
gigen Staaten Afrikas strebte China eine Führungsposition innerhalb der Dritten Welt und
damit den Weg aus der internationalen politischen Isolation an. Afrika sollte mit Hilfe Chi-
nas, so die Vision Maos, den Imperialismus besiegen und die Weltrevolution vorantreiben.
2.2.3
Die späten 1960er-Jahre: Rückschläge in Chinas Bemühen um Afrika
Chinas Engagement in Afrika stieß jedoch nicht überall auf offene Türen. Nicht alle der
neuen afrikanischen Staaten waren für Chinas von einer anti-westlichen Rhetorik begleitete
diplomatische Offensive zugänglich. Konservative Staatschefs wie Philibert Tsiranana in
Madagaskar und Maurice Yaméogo in Obervolta (heute: Burkina Faso) lehnten den chinesi-
schen Kommunismus vollkommen ab. Die diplomatische Anerkennung des algerischen Re-
gimes, das 1965 in einem Militärputsch den populären Präsidenten Ben Bella abgesetzt hat-
te, durch China löste Verstimmung auch bei China zunächst positiv gegenüberstehenden

13
afrikanischen Staatschefs aus. Zunehmend fühlten sich afrikanische Regierungen durch die
Unterstützung Chinas für revolutionäre Gruppen in ihrer eigenen Macht bedroht. Burundi,
die Zentralafrikanische Republik und Dahomey (Benin) brachen die diplomatischen Bezie-
hungen zu China ab, und der Sturz der pro-chinesischen Regimes in Ghana 1966 und in
Mali 1968 bedeutete einen weiteren Rückschlag für Chinas Afrika-Politik. Ein weiterer
Schlag für Chinas diplomatische Bemühungen um die Gunst der Dritten Welt war das
Nicht-Zustandekommen der geplanten Bandung-Folgekonferenz in Algier, in deren Vor-
feld sich China und die Sowjetunion ein regelrechtes Rennen um die Unterstützung seitens
der afro-asiatischen Staaten geliefert hatten (Copper 1976:118).
Die 1966 beginnende Kulturrevolution führte neben dramatischen internen Umwälzungen
auch zu einer Veränderung der chinesischen Außenpolitik, was auch Einfluss auf die Bezie-
hungen zu Afrika hatte. Die Beziehungen zu anderen Ländern wurden im Zuge einer Politik
der Ausrichtung nach innen stark eingeschränkt, aus Afrika wurden alle Botschafter mit
Ausnahme des in Kairo stationierten zurückberufen. Die radikalen internen Maßnahmen
der ersten Jahre der Kulturrevolution und die militante Haltung Chinas führten zu einem
weiteren Sympathieverlust Chinas in Afrika (Yu 1988:853). Das bis zum Sturz Nkrumahs im
Jahr 1966 China treu verbundene Ghana stellte beispielsweise die Beziehungen zu China in
Folge der Ereignisse der Kulturrevolution gänzlich ein (ebda.). Dennoch bedeutete die Kul-
turrevolution keine vollständige Abkehr Chinas von Afrika (vgl. Kapitel 2.3.3, ,,Kulturrevo-
lution: Kein Ende der Hilfe").
2.2.4
Aufleben der sino-afrikanischen Beziehungen nach der Hochphase der Kultur-
revolution
Mit Anfang der 1970er-Jahre erlebten die sino-afrikanischen Beziehungen einen neuen Auf-
schwung. Nach einer Phase selbstgewählter weitgehender Isolation während der Kulturre-
volution bemühte sich China wieder zunehmend darum, anerkanntes Mitglied der internati-
onalen Staatengemeinschaft zu werden. Die Volksrepublik wandte sich der internationalen
Bühne, verstärkt auch wieder Afrika, zu. Zwischen 1970 und 1975 wurden 16 afrikanische
Staatschefs in China empfangen. Der spätere Staatschef Deng Xiaoping suchte unter den
Entwicklungsländern Unterstützung für seine ,,Theorie der drei Welten", nach der die Drit-

14
te (Entwicklungsländer) unterstützt durch die Zweite (Kanada, Europa, Japan, Ozeanien)
Welt dem Hegemonieanspruch der Ersten Welt (USA und Sowjetunion) entgegentreten
müsse. Dabei wurde gegenüber den frühen 1960ern ein Wechsel in der Rhetorik deutlich.
Der Ruf nach Revolution wich einer Rhetorik der ,,friedlichen Koexistenz", was in Afrika
auf große Zustimmung stieß. In einer erneuten diplomatischen Offensive, die von großzü-
giger Entwicklungshilfe begleitet war, begann China Afrika zu umwerben. Dies sollte sich
1971 bezahlt machen: Am 25.10.1971 wurde der Volksrepublik mit 76 Stimmen (gegen 35
Stimmen für Taiwan) in der so genannten ,,Albanien-Resolution" der Sitz in den Vereinten
Nationen zugesprochen und damit das jahrelange Tauziehen mit Taipei zugunsten Beijings
entschieden. Einen wichtigen Anteil an diesem Ergebnis hatten afrikanische Staaten, die
China nicht zum ersten Mal zu Hilfe kamen. Schon in der Frage von Chinas umstrittenen
Atomtests bekam Mao im Jahr 1964 Schützenhilfe aus Afrika. Auf den Gewinn des UN-
Sitzes folgten weitere von großzügiger Entwicklungshilfe begleitete diplomatische Bemü-
hungen Chinas um Afrika. Die Zahl der afrikanischen Staaten, die im Jahr 1975 die Volks-
republik China anerkannten, war als Ergebnis dieser Politik auf 37 von insgesamt 48 afrika-
nischen Staaten angewachsen.
Im Laufe der 1970er-Jahre kam es neben dem Wiederaufleben der sino-afrikanischen Be-
ziehungen auch zu einer Entspannung des Verhältnisses zwischen China und den USA, was
1979 in der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mündete. Gleichzeitig verschärfte sich
Chinas Konflikt mit der Sowjetunion weiter. Auf der internationalen Bühne betonte China
erneut die Zugehörigkeit zur Dritten Welt und stellte sich hinter die 1974 erhobenen Forde-
rungen der Entwicklungsländer nach einer Neuen Internationalen Weltwirtschaftsordnung.
2.2.5
Maos Tod: Beginn einer neuen Ära
Nach dem Tod Maos und dem darauf folgenden Machtantritt Deng Xiaopings brach eine
neue Phase der sino-afrikanischen Beziehungen an. Deng leitete Ende der 1970er-Jahre gra-
vierende wirtschaftliche Reformen ein, die schließlich zur schrittweisen wirtschaftlichen
Öffnung Chinas führten. Im Gegensatz zum Idealismus früherer Jahre war die chinesische
Außenpolitik unter Deng Xiaoping von politischem Realismus geprägt. Die Modernisierung
Chinas erforderte die Konzentration aller Kräfte, und Afrika verlor an Bedeutung für Chi-

15
na, das seine Außenpolitik nun auf weitgehend ideologiefreie Beziehungen zu den USA,
Westeuropa und Japan fokussierte. Dennoch wurde der Süd-Süd-Dialog auch in den
1980er-Jahren nicht abgebrochen. 1982 wurde die neue außenpolitische Strategie Chinas auf
Basis der 1954 als Nachbarschaftsabkommen mit Indien formulierten ,,Five Principles of
Peaceful Coexistence"
4
präsentiert und die Zugehörigkeit zur Dritten Welt erneut betont,
was durch Staatsbesuche des Premierministers Zhao Ziyang in zehn afrikanischen Staaten
5
in den Jahren 1982 und -83 unterstrichen wurde. Wie schon Zhou Enlai in den 1960er-
Jahren beschwor auch Zhao Ziyang die Solidarität der Dritten Welt, doch rückte diese ideo-
logische Komponente im Gegensatz zu früheren Jahren gegenüber der Argumentation einer
gemeinsamen wirtschaftlichen Entwicklung in den Hintergrund. Auch konnte die Dritte-
Welt Rhetorik nicht darüber hinwegtäuschen, dass Afrika nach 1978 einen Bedeutungsver-
lust in der chinesischen Politik erfuhr, was sich auch in sinkender Entwicklungshilfe und
einem sinkenden Handelsvolumen niederschlug. Grund für diese Marginalisierung war ne-
ben Afrikas geringem ökonomischen Potential für Chinas Wachstumsstrategie auch die
Entspannung des Verhältnisses Chinas zur Sowjetunion, wodurch Afrika an geostrategi-
scher Bedeutung für China verlor.
2.2.6
Tiananmen und die Folgen für die Beziehungen zwischen China und Afrika
Eine weitere Phase chinesischer Afrika-Politik brach mit den Ereignissen des Jahres 1989
an. Am 3. und 4. Juni beendete die chinesische Armee gewaltsam die friedliche Besetzung
des Platzes des himmlischen Friedens (Tiananmen) durch Studenten, was zu scharfer Kritik
von Seiten der westlichen Industriestaaten und zu einer schweren diplomatischen Krise
führte. Aus Afrika hingegen waren kaum kritische Stimmen gegenüber dem Vorgehen der
chinesischen Sicherheitskräfte zu hören, teilweise gab es sogar offene Unterstützung für
Chinas militärische Niederschlagung der Proteste. So drückte beispielsweise Angolas Au-
4
Die fünf Prinzipien lauten:
1. Mutual respect for each other's territorial integrity and sovereignty
2. Mutual non-aggression
3. Mutual non-interference in each other's internal affairs
4. Equality and mutual benefit
5. Peaceful co-existence
5
Algerien, Kongo Brazzaville, Ägypten, Gabun, Guinea, Kenia, Marokko, Tansania, Zaire, Sambia und Sim-
babwe

16
ßenminister ,,Unterstützung für das resolute Handeln, um die kontra-revolutionäre Rebelli-
on niederzuschlagen" (Taylor 1998:447) aus, und Namibias späterer Präsident Sam Nujoma
schickte ein Telegramm, um der chinesischen Armee zu ihrem Einschreiten zu gratulieren
(ebda.). Der Hintergrund für diese Haltung war die grundsätzliche Ablehnung von westli-
cher Einmischung und Kritik, der die Eliten vieler afrikanischer Staaten bezüglich ihrer ei-
genen Menschenrechtspolitik ausgesetzt waren. Dritte Welt-Solidarität und die pragmatische
Überlegung, dass offene Kritik an Beijings Handeln Konsequenzen auf Entwicklungshilfe
und Handelsbeziehungen haben könnte, dürften das Verhalten afrikanischer Staaten nach
den Vorfällen von Tiananmen ebenfalls beeinflusst haben (Taylor 1998:447). China hono-
rierte diese der Ablehnung des Westens entgegengesetzte Solidarität: Während die westliche
Welt in den nächsten Jahren auf die Veränderungen in Osteuropa blickte, erfolgte in China
eine Rückbesinnung auf ,,alte Freunde" in der Dritten Welt.
In den 1990er-Jahren bemühte sich China wieder um eine aktivere Rolle im internationalen
politischen System, was nicht zuletzt eine aus der zunehmenden wirtschaftlichen Globalisie-
rung erwachsende Notwendigkeit war. Mit dem rasanten wirtschaftlichen Aufschwung und
dem damit einhergehenden Bedarf an Rohstoffen, der nicht mehr aus den innerhalb der
eigenen Grenzen vorhandenen Ressourcen gedeckt werden konnte, gewannen die Bezie-
hungen zu Afrika ab Mitte der 1990er-Jahre an neuer Bedeutung. Mit großem Elan begann
China, Afrika zu umwerben, und präsentierte sich als Partner für eine gleichwertige, intensi-
ve ökonomische Zusammenarbeit, von der beide Seiten profitieren würden. Der Hauptteil
dieser Diplomarbeit ist dieser bis heute andauernden Phase sino-afrikanischer Kooperation
gewidmet.
2.3
Die ersten vier Jahrzehnte chinesischer Entwicklungshilfe an Afri-
ka
Als Geburtsstunde der Idee von Entwicklungshilfe gelten die Jahre nach dem Zweiten
Weltkrieg, in denen die Bretton-Woods-Institutionen IMF und Weltbank vor dem Hinter-
grund des Wiederaufbaus Europas aus der Taufe gehoben wurden. Als erstes großes Hilfs-
programm der Geschichte gilt das auf Initiative von US-Außenminister George C. Marshall
geschaffene European Recovery Program, auch bekannt als ,,Marshall-Plan". Konzipiert mit

17
dem Ziel des Wiederaufbaus der europäischen Wirtschaft, war dieses großzügige Hilfspro-
gramm auch ein Instrument im Rahmen der Ost-West-Rivalität dieser Zeit, und sollte
kommunistischen Einfluss in Europa fernhalten bzw. zurückdrängen. Von ähnlicher Inten-
tion waren auch US-Hilfsprogramme an Korea und Taiwan getragen, die die südkoreani-
sche bzw. die nationalchinesische Regierung gegen die ,,kommunistische Bedrohung" stär-
ken sollten (vgl. Raffer & Singer 2001:64ff). So bezeichnen Raffer und Singer (2001:66) den
Kalten Krieg als einen, wenn nicht sogar den wichtigsten Grund für die Entstehung von
Entwicklungshilfe in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg.
Vor diesem Hintergrund erstaunt es wenig, dass auch die kommunistische Regierung der
Volksrepublik China wenige Jahre nach Schaffung des Marshall-Plans eigene Ambitionen
im Bereich der Entwicklungshilfe verfolgte. Schon Mitte der 1950er-Jahre, als China selbst
nach allen Kriterien ,,Entwicklungsland" und gemessen am Nationalprodukt weit ärmer als
die zu diesem Zeitpunkt unabhängigen afrikanischen Staaten war, begann China, Entwick-
lungshilfe an Afrika zu leisten. Diese Tradition wurde bis in die Post-Tiananmen-Jahre ohne
vollständige Unterbrechung beibehalten.
Ähnlich den im vorigen Kapitel skizzierten Phasen sino-afrikanischer Beziehungen durch-
lief auch die Entwicklungshilfe Chinas an afrikanische Staaten verschiedene Veränderungen,
die nun analysiert werden sollen. Dabei wird ein deutlicher Zusammenhang zwischen Moti-
vation, Ausmaß und Zielgebieten der Entwicklungshilfe und außen- wie innenpolitischen
Entwicklungen wie dem Ringen um den bis 1971 von der Republik China (Taiwan) gehalte-
nen Sitz in der UNO oder der schrittweisen wirtschaftlichen Öffnung Chinas ab Ende der
1970er-Jahre deutlich.
2.3.1
Die Anfänge: ,,The poor are helping the poor"
Der Beginn chinesischer Entwicklungshilfe wird mit dem Jahr 1953 angesetzt (Lin 1996:47),
wobei Afrika zunächst nicht zu deren Zielgebieten gehörte. Der Schwerpunkt chinesischer
Entwicklungshilfe lag zunächst auf den benachbarten asiatischen Ländern, prioritär war je-
doch zunächst die Entwicklung der riesigen westlichen Hälfte des eigenen Landes. Wenige
Jahre später wurde Afrika zu einer der wichtigsten Zielregionen für chinesische Entwick-
lungshilfe. Den Anfang machte dabei Ägypten: Nachdem im Rahmen der Bandung-

18
Konferenz 1955 erste Beziehungen zwischen China und Ägypten geknüpft worden waren,
folgte während der Suez Krise 1956 die erste Entwicklungshilfeleistung Chinas an ein afri-
kanisches Land in Form eines Geschenks von 4,7 Millionen US$ (Ogunsanwo 1974:9).
Von nennenswerten wirtschaftlichen Hilfsprogrammen Chinas an Afrika kann in den
1950er-Jahren noch nicht gesprochen werden. Chinas ökonomische Möglichkeiten zu die-
sem Zeitpunkt waren stark beschränkt, die Politik des ,,großen Sprung nach vorn", die die
Industrialisierung Chinas zum Ziel hatte, schlug katastrophal fehl und führte zu dramati-
schen Hungersnöten im eigenen Land, der 20 bis 40 Millionen Menschen zum Opfer fielen.
Während China trotz dieser schweren internen Probleme bereits vereinzelte Hilfsprogram-
me in Nordkorea, Nordvietnam, in der Mongolei, in Albanien und Ungarn durchführte (O-
gunsanwo 1974:40), war die Zeit für ausgedehnte Entwicklungshilfe an Afrika noch nicht
reif. Noch befand sich ein großer Teil Afrikas in direkter Abhängigkeit (als Kolonie oder
abhängiges Gebiet) von Kolonialmächten, nur Ägypten, Äthiopien, Liberia und Südafrika
existierten 1950 als unabhängige afrikanische Staaten und damit als mögliche Zielgebiete
von Entwicklungshilfe. Dies sollte sich mit der in der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre be-
ginnenden Dekolonisierung ändern.
Zu den ersten afrikanischen Staaten, die chinesische Entwicklungshilfe erhielten, zählte ­
nicht zufällig ­ Guinea. Das westafrikanische Land schlug nach Erlangen der Unabhängig-
keit von Frankreich im Jahr 1958 als einzige der ehemaligen Kolonien des Afrique Occidentale
Française, dem französischen Kolonialreich in Westafrika, den Weg der vollständigen Loslö-
sung von Frankreich ein. In einer Volksabstimmung über den Verbleib in der Gemeinschaft
autonomer Überseegebiete der ehemaligen Kolonialmacht stimmte die Bevölkerung Guine-
as ganz im Sinne des Staatspräsidenten Sekou Touré mit ,,Nein" und zog damit ,,die Armut
in Freiheit dem Reichtum in der Sklaverei" vor, wie Touré verkündete (Schicho 2001:331).
Die Folge waren der Abzug aller französischen Beamten und Fachkräfte aus dem Land so-
wie die teilweise Zerstörung von Infrastruktur durch die das Land verlassenden Europäer,
was zu einem weitgehenden Zusammenbruch der Wirtschaft Guineas führte. China war von
diesem vollständigen Bruch Tourés mit Frankreich, der Maos Vision eines revolutionären
Afrika entsprach, begeistert und sagte 1959 trotz drastischen Nahrungsmittelmangels im

19
eigenen Land eine Hilfslieferung von 10.000 Tonnen Reis an Guinea zu. Im Jahr 1960 folg-
te ein zinsfreier Kredit in Höhe von 25 Mio.
US$.
Auch zwei weitere westafrikanische Staaten erhielten kurz nach ihrer Unabhängigkeit Start-
hilfe von China: Nachdem Ghana im Jahr 1960 nach der 1957 erlangten Unabhängigkeit
zur Republik wurde, schloss Präsident Nkrumah einen Freundschaftsvertrag mit Beijing ab
und erhielt im Zuge dessen einen zinsfreien Kredit in der Höhe von 20 Mio. US$ (Nielsen
1969:223). Auch das sozialistische Mali unter Modibo Keita wurde 1960 mit einem Ent-
wicklungshilfekredit aus Beijing bedacht. China erhielt im Gegenzug für diese Zuwendun-
gen die diplomatische Anerkennung durch die jungen Staaten.
Die Motive für Chinas irrational scheinende Großzügigkeit in Zeiten größter Not im eige-
nen Land waren zweierlei. Neben der proklamierten Solidarität mit befreundeten Völkern
und deren Kampf gegen den weltweiten Imperialismus war das Engagement in Afrika auch
ein Versuch, der von den USA getragenen internationalen Isolation zu entkommen und dip-
lomatische Anerkennung zu erlangen ­ ein Ziel, das die Afrika-Politik Chinas in den fol-
genden Jahren wie bereits erwähnt noch deutlicher bestimmen sollte. Doch selbst vor die-
sem realpolitischen Hintergrund waren die Anfänge chinesischer Entwicklungshilfe in Afri-
ka von einem bemerkenswerten Idealismus geprägt. ,,The poor help the poor" (Snow
1988:144) lautete das Credo in dieser ersten Phase chinesischer Entwicklungspolitik gegen-
über Afrika.
2.3.2
1960er-Jahre: Umwerben der neuen afrikanischen Staaten
Mit der fortschreitenden Unabhängigkeit Afrikas waren im Laufe der frühen 1960er-Jahre
die Rahmenbedingungen für die Ausweitung der chinesischen Entwicklungshilfe an Afrika
gegeben. Mit großzügigen Geschenken und zinsfreien Krediten begann China, die jungen
Staaten zu umwerben. Im Jänner 1964 präsentierte Zhou Enlai bei einem Staatsbesuch in
Somalia im Zuge einer großen diplomatischen Afrika-Offensive folgende acht Prinzipien,
nach denen die chinesische Entwicklungshilfe gestaltet werden sollte:
·
Chinesische Entwicklungshilfe folge dem Prinzip von Gleichheit und gegenseitigem
Nutzen. Demnach handle es sich dabei nicht um unilaterale Almosen, vielmehr würde

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783956363047
ISBN (Paperback)
9783836606301
Dateigröße
600 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Wien – Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät , Afrikawissenschaften
Erscheinungsdatum
2007 (November)
Note
1,0
Schlagworte
entwicklungshilfe entwicklungspolitik rohstoffe
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Titel: Die Rückkehr Chinas nach Afrika
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