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Der Bieterwettbewerb um Schering

©2007 Diplomarbeit 94 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Am 12.03.2006 gibt das Pharma- und Chemieunternehmen Merck KGaA ein öffentliches Übernahmeangebot zum vollständigen Erwerb der nach Börsenkapitalisierung und Umsatz in etwa gleich großen Schering AG bekannt. Dieser Schritt überrascht den Kapitalmarkt in zweifacher Hinsicht. Zum einen zeigt dieser Übernahmeversuch einen deutlichen Strategiewandel des ansonsten zurückhaltend agierenden und größtenteils im Familienbesitz befindlichen Unternehmens, zum anderen überrascht, dass ein Unternehmen aus dem kleineren Börsensegment MDAX einen Übernahmeversuch eines DAX-Unternehmens wagt. Als Synergiepotenzial verspricht sich Merck Einsparungen in Höhe von ca. 500m € ab dem Jahr 2009 realisieren zu können. Das gebotene Angebot in Höhe von 77 € in bar je Schering-Aktie bzw. 14.630m € wird dagegen von Schering-CEO Hubertus Erlen als deutlich zu niedrig angesehen und den Aktionären mitgeteilt, „dass dieses Angebot die Gesellschaft und ihre Zukunftsaussichten als unabhängiger Pharmaspezialist erheblich unterbewertet“. Das Angebot wird somit als feindlich eingestuft. Der Aktienkurs von Schering steigt infolgedessen deutlich über den gebotenen Preis in Hoffnung auf eine Aufbesserung des Angebots und am Kapitalmarkt wird über einen Einstieg der Pharmakonzerne Novartis, Roche und AstraZeneca als mögliche „weiße Ritter“ in den Übernahmewettstreit spekuliert.
Am 23.03.2006 unterbreitet die Bayer AG den Schering-Aktionären ein verbessertes Angebot in Höhe von 86 € je Aktie bzw. 16.340m €. Neben Einspareffekten in Höhe von 700m € soll Schering als eigenständige Division im Bayer-Konzern fortbestehen und auch der Firmensitz in Berlin bestehen bleiben (Bayer Presse-Information, 23.03.2006). Das Schering-Management sieht angesichts des äußerst attraktiven Angebots keine Möglichkeit mehr eigenständig mehr Wert für die Aktionäre generieren zu können und unterstützt deshalb das Angebot von Bayer. Im Gegenzug verkündet Merck, dass ein höheres als das gebotene Angebot in Höhe von 77 € je Schering-Aktie nicht gerechtfertigt sei und man sich deshalb entschieden habe den geplanten Übernahmeversuch nicht weiter verfolgen zu wollen.Gegen Ende der Angebotsfrist, welche am 31.05.2006 endet, beträgt die Annahmequote der Schering-Aktionäre lediglich 29,89% und Bayer entschließt sich die Angebotsfrist um weitere zwei Wochen auf den 14.06.2006 zu verlängern.
Dies schürt Vermutungen, dass Bayer die geforderte Annahmequote von 75% nicht fristgerecht einhalten kann […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Matthias Dukat
Der Bieterwettbewerb um Schering
ISBN: 978-3-8366-0594-6
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Universität Mannheim, Mannheim, Deutschland, Diplomarbeit, 2007
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2008
Printed in Germany

II
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis...IV
Tabellenverzeichnis... V
Abkürzungsverzeichnis...VI
1 Einleitung... 1
1.1 Ausgangspunkt der Arbeit... 1
1.2 Ziele und Aufbau der Arbeit ... 2
2 Unternehmens- und Marktanalyse ... 3
2.1 Bayer AG... 4
2.1.1 Historische Entwicklung... 4
2.1.2 Produktportfolio... 4
2.1.3 Unternehmensstrategie... 6
2.2 Merck KGaA... 6
2.2.1 Historische Entwicklung... 6
2.2.2 Produktportfolio... 6
2.2.3 Unternehmensstrategie... 8
2.3 Schering AG... 9
2.3.1 Historische Entwicklung... 9
2.3.2 Produktportfolio... 9
2.3.3 Unternehmensstrategie... 12
2.4 Pharmamarkt ... 12
2.4.1 Größe und Struktur ... 12
2.4.2 Forschung und Entwicklung ... 13
2.4.3 Trends ... 15
3 Bewertung... 16
3.1 Besonderheiten bei der Bewertung von Pharmaunternehmen ... 16
3.2 Zusammenhang zwischen Marktwert des Eigenkapitals und Marktwert des
Unternehmens... 17
3.3 Bewertung mit Vergleichsmultiplikatoren... 18
3.3.1 Konzept der Multiplikatorenbewertung... 18
3.3.2 Multiplikatorenbewertung börsengehandelter Vergleichsunternehmen ... 20
3.3.3 Multiplikatorbewertung vergleichbarer Transaktionen ... 26
3.4 Discounted-Cash-Flow-Bewertung... 28

III
3.4.1 Konzept der Discounted-Cash-Flow-Bewertung... 28
3.4.2 Besonderheiten des deutschen Steuersystems ... 32
3.4.3 Modellbeschreibung... 33
3.4.3.1 Free-Cash-Flow-Prognose ... 33
3.4.3.2 Ermittlung der Kapitalkosten... 36
3.4.4 Bewertung von Schering und Sensitivitätsanalyse ... 40
3.4.5 Discounted-Cash-Flow-Bewertung der Übernahmealternativen... 43
3.4.5.1 Ermittlung der Kapitalkosten... 43
3.4.5.2 Bewertung der Übernahmesynergien ... 48
4 Ereignisstudie... 52
4.1 Modellaufbau ... 52
4.2 Ereignisanalyse... 54
4.2.1 Ereignisse vor der Übernahmeankündigung von Merck ... 55
4.2.2 Ereignisse nach der Übernahmeankündigung von Merck ... 58
5 Theoretischer Vergleich ... 65
6 Schlussbetrachtung... 69
Anhang ... 71
Literaturverzeichnis... 82

IV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Umsatzverteilung Bayer in m ... 4
Abbildung 2: Umsatzverteilung Merck in m ... 7
Abbildung 3: Umsatzverteilung nach bedeutendsten Therapiefeldern Schering in m ... 10
Abbildung 4: Neu eingeführte innovative Arzneistoffe nach Erfinderländern ... 15
Abbildung 5: Eigenkapitalwert je Schering-Aktie bei Variation der Risikoprämie ... 41
Abbildung 6: Eigenkapitalwert je Schering-Aktie bei Variation des Betas... 42
Abbildung 7: Eigenkapitalwert je Schering-Aktie bei Variation der ewigen Wachstumsrate. 42
Abbildung 8: Relative Aktienentwicklung Schering, Bayer, Merck und CDAX ab dem
02.01.2006 ... 55
Abbildung 9: Kumulierte abnormale Tagesrenditen vom 02.01.2006 bis zum 10.03.2006 ... 56

V
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Bedeutendste HealthCare-Produkte nach Umsatz ... 5
Tabelle 2: Bedeutendste Medikamente nach Umsatz ... 7
Tabelle 3: Bedeutendste Medikamente nach Umsatz ... 11
Tabelle 4: Stufen der Medikamentenentwicklung ... 14
Tabelle 5: Kennzahlen börsengehandelter Vergleichsunternehmen gereiht nach
Pharmaumsätzen 2005 ... 21
Tabelle 6: Multiplikatoren und abgeleitete Marktwerte börsengehandelter
Vergleichsunternehmen zum 06.03.2006 ... 22
Tabelle 7: Prognostizierte Multiplikatoren und abgeleitete Aktienwerte börsengehandelter
Vergleichsunternehmen zum 06.03.2006, I ... 24
Tabelle 8: Prognostizierte Multiplikatoren und abgeleitete Aktienwerte börsengehandelter
Vergleichsunternehmen zum 06.03.2006, II... 25
Tabelle 9: Vergleichbare Transaktionen im Pharmamarkt ... 27
Tabelle 10: Marktrisikoprämien für USA ... 30
Tabelle 11: Marktrisikoprämien für Deutschland ... 30
Tabelle 12: Planziele der ,,FOCUS"-Initiative für Schering... 34
Tabelle 13: Berechnung der gewichteten Kapitalkosten der Fusionsalternativen ... 47
Tabelle 14: Discounted-Cash-Flow-Bewertung der Synergien zwischen Merck und Schering
... 49
Tabelle 15: Discounted-Cash-Flow-Bewertung der Synergien zwischen Bayer und Schering
... 51
Tabelle 16: Regressionsparameter und Anzahl der Überrenditen vom 01.01.2006 bis zum
14.06.2006 ... 54
Tabelle 17: Berechnete und gebotene Aktienwerte und abnormale Wertentwicklung... 65

VI
Abkürzungsverzeichnis
CAGR
Compound annual growth rate
CT
Computertomographie
CRO
Contract Research Organization
DCF
Discounted Cash Flow
FCF
Free Cash-Flow
EBIT
Earnings before Interests and Taxes
EBITDA
Earnings before Interests and Taxes, Depreciation and Amortization
FDA
Food and Drug Administration
F&E
Forschung und Entwicklung
Jahresüberschuss
KGV
Kurs-Gewinn-Verhältnis
MRT
Magnetresonanztomographie
Merck
Merck KGaA
MS
Multiple Sklerose
NBE
New Biological Entities
NCE
New Chemical Entities
OTC
Over the Counter
S&P
Standard and Poor's
WACC
Weighted Average Cost of Capital

1
1
Einleitung
1.1
Ausgangspunkt der Arbeit
Am 12.03.2006 gibt das Pharma- und Chemieunternehmen Merck KGaA ein öffentliches
Übernahmeangebot zum vollständigen Erwerb der nach Börsenkapitalisierung und Umsatz in
etwa gleich großen Schering AG bekannt. Dieser Schritt überrascht den Kapitalmarkt in zwei-
facher Hinsicht. Zum einen zeigt dieser Übernahmeversuch einen deutlichen Strategiewandel
des ansonsten zurückhaltend agierenden und größtenteils im Familienbesitz befindlichen Un-
ternehmens, zum anderen überrascht, dass ein Unternehmen aus dem kleineren Börsenseg-
ment MDAX einen Übernahmeversuch eines DAX-Unternehmens wagt. Als
Synergiepotenzial verspricht sich Merck Einsparungen in Höhe von ca. 500m ab dem Jahr
2009 realisieren zu können. Das gebotene Angebot in Höhe von 77 in bar je Schering-Aktie
bzw. 14.630m wird dagegen von Schering-CEO Hubertus Erlen als deutlich zu niedrig an-
gesehen und den Aktionären mitgeteilt, ,,dass dieses Angebot die Gesellschaft und ihre Zu-
kunftsaussichten als unabhängiger Pharmaspezialist erheblich unterbewertet" (DPA,
12.03.2006). Das Angebot wird somit als feindlich eingestuft. Der Aktienkurs von Schering
steigt infolgedessen deutlich über den gebotenen Preis in Hoffnung auf eine Aufbesserung des
Angebots und am Kapitalmarkt wird über einen Einstieg der Pharmakonzerne Novartis, Ro-
che und AstraZeneca als mögliche ,,weiße Ritter" in den Übernahmewettstreit spekuliert
(DPA, 13.03.2006).
Am 23.03.2006 unterbreitet die Bayer AG den Schering-Aktionären ein verbessertes Angebot
in Höhe von 86 je Aktie bzw. 16.340m . Neben Einspareffekten in Höhe von 700m soll
Schering als eigenständige Division im Bayer-Konzern fortbestehen und auch der Firmensitz
in Berlin bestehen bleiben (Bayer Presse-Information, 23.03.2006). Das Schering-
Management sieht angesichts des äußerst attraktiven Angebots keine Möglichkeit mehr eigen-
ständig mehr Wert für die Aktionäre generieren zu können und unterstützt deshalb das Ange-
bot von Bayer (DPA, 13.03.2006). Im Gegenzug verkündet Merck, dass ein höheres als das
gebotene Angebot in Höhe von 77 je Schering-Aktie nicht gerechtfertigt sei und man sich
deshalb entschieden habe den geplanten Übernahmeversuch nicht weiter verfolgen zu wollen
(ddp Nachrichtenagentur b, 24.03.2006).
Gegen Ende der Angebotsfrist, welche am 31.05.2006 endet, beträgt die Annahmequote der
Schering-Aktionäre lediglich 29,89% und Bayer entschließt sich die Angebotsfrist um weitere

2
zwei Wochen auf den 14.06.2006 zu verlängern (Bayer Presse-Information, 23.05.2006). Dies
schürt Vermutungen, dass Bayer die geforderte Annahmequote von 75% nicht fristgerecht
einhalten kann und somit die Übernahme gefährdet ist. Am 08.06.2006 gibt Merck überra-
schend bekannt den Anteil an Schering von zuvor 5% auf über 6% ausgebaut zu haben (DPA,
08.06.2006). Im Laufe der nächsten Handelstage baut Merck seinen Anteil an Schering weiter
bis auf 21,8% am 14.06.2006 aus und bewahrt trotz öffentlichen Drucks Stillschweigen über
die beabsichtigte Strategie, welche den Aufkäufen zugrunde liegt (DPA f, 14.06.2006). Auf-
grund der Vorgehensweise von Merck und der Vorenthaltung von Informationen reicht Bayer
am 13.06.2006 Klage gegen Merck ein (Bayer Presse-Information, 14.06.2006). Am
14.06.2006, am Tag des Endes der Angebotsfrist, verbessert Bayer zunächst das Angebot an
alle Schering-Aktionäre auf 88 und erreicht später eine Einigung mit Merck über einen Ver-
kauf der Schering-Anteile für 89 (DPA d, 14.06.2006, DPA e, 14.06.2006). Der neue, auf-
gebesserte Preis muss in der Folge an alle Aktionäre im Übernahmeprozess bezahlt werden
und Bayer erreicht fristgerecht die benötigte Annahmequote von 75%. Im Gegenzug gelingt
es Merck durch das energische Verhalten gegen Ende des Bieterwettstreites den Preis für die
bereits im Besitz befindlichen Anteile an Merck zu erhöhen und somit einen Buchgewinn in
Höhe von 400m zu realisieren (DPA f, 14.06.2006). Trotz der erfolgreichen Übernahme
durch Bayer wird das Verhalten von Merck in den Medien als zu aggressiv verurteilt und mit
Strategien von Hedge-Fonds verglichen.
1.2
Ziele und Aufbau der Arbeit
Da das Verhalten von Merck im Übernahmeprozess für einen strategischen Investor in
Deutschland außergewöhnlich ist, stellt sich die Frage zu den Hintergründen für dieses Ver-
halten und das Verhalten der beteiligten Akteure. Deshalb soll in dieser Arbeit eine Analyse
des Bieterwettbewerbs um Schering auf Basis einer Bewertungs-, Ereignis- und kurzen Theo-
rieanalyse erfolgen.
In Kapitel 2 werden zunächst die drei im Bieterwettstreit beteiligten Unternehmen Bayer,
Merck und Schering vorgestellt. Hierbei werden jeweils die historischen Entwicklungen und
die Geschäftsfelder, in welchen die Unternehmen operieren, vorgestellt. Im letzten Schritt
werden strategische Ziele der Unternehmen dargestellt. Im Fokus der Betrachtung liegen im
Besonderen die pharmazeutischen Produkte, welche das Geschäftsfeld von Schering darstel-
len. Als Grundlage für die weitere Analyse wird ein Überblick über die Pharmaindustrie ge-
geben und die Forschung und Entwicklung als der Werttreiber in der Branche identifiziert.

3
Darüber hinaus werden die steigenden Budgetanforderungen in der Forschung und Entwick-
lung als Konsolidierungstreiber erkannt.
Als nächster Schritt der Analyse wird in Kapitel 3 eine Bewertung von Schering als Über-
nahmeobjekt vorgenommen um die gebotenen Übernahmepreise von Bayer und Merck besser
einordnen zu können. Aufgrund der hohen Praxisrelevanz wird zunächst eine Bewertung an-
hand historischer und zukünftiger Multiplikatoren börsengehandelter Vergleichsunternehmen
durchgeführt. Hierbei wird deutlich, dass Schering auf Basis aktueller Daten in Gegenüber-
stellung mit Vergleichsunternehmen mit einem Abschlag bewertet wird. Diese Erkenntnis
relativiert sich bei Ausweitung der Analyse auf aussagekräftigere zukünftige Multiplikatoren.
In einem zweiten Schritt wird eine Werteinschätzung von Schering anhand vergangener
Transaktionen vorgenommen um einen Indikator für eine adäquate Übernahmeprämie zu er-
halten. Hierbei ergeben sich im Vergleich zu den gebotenen Übernahmepreisen in Höhe von
77 bzw. 86 und 89 recht deutliche Abweichungen. Das Kernstück der Bewertung liefert
in Kapitel 3.4 die Bewertung nach der Discounted-Cash-Flow-(DCF-)Methode, bei welcher
Schering zunächst als allein stehendes Unternehmen bewertet wird. Auf diesen Wert aufbau-
end werden dann die Synergien zwischen den Fusionsalternativen in einer getrennten Analyse
bewertet. Sowohl bei der Fusionsalternative mit Merck als auch bei der mit Bayer weist die
Bewertung der Synergien auf eine Überbezahlung beider Unternehmen hin.
In Kapitel 4 wird die Bewertungsanalyse auf die tatsächlichen Marktreaktionen ausgeweitet
und mit Hilfe einer Ereignisstudie analysiert. Hierbei werden wichtige Ereignisse und Unter-
nehmensnachrichten im Hinblick auf ihren Bewertungseinfluss analysiert. Deutlich wird, dass
der Kapitalmarkt die Überbezahlung von Merck erkennt und in der Bewertung von Merck
einpreist, jene von Bayer hingegen als nicht gegeben angesehen wird.
In Kapitel 5 wird ein kurzer Einblick in relevante wissenschaftliche Arbeiten gegeben und im
Besonderen das Verhalten von Merck analysiert. Es wird deutlich, dass das ungewöhnlich
erscheinende Verhalten von Merck sowohl theoretisch als auch empirisch erklärbar sowie
beobachtbar ist.
Kapitel 6 fasst die Arbeit mit Verdeutlichung der wesentlichen Erkenntnisse zusammen.
2
Unternehmens- und Marktanalyse
Für eine detaillierte Analyse des Bieterwettstreits müssen zunächst das Tätigkeitsfeld, die
Wachstumstreiber sowie die Unternehmensstrategie der beteiligten Unternehmen Bayer,

4
4.086
15,7%
2.151
8,3%
4.874
18,8%
2.355
9,1%
989,0
3,8%
4.067
15,7%
856
3,3%
6.609
25,4%
Pharma/Biologische Produkte (I)
Consumer Care (I)
Diabetes Care/Diagnostika (I)
Animal Health (I)
Crop Protection (II)
Environmental/BioScience (II)
Materials (III)
Systems (III)
4.578
16,7%
7.340
26,8%
11.930
43,6%
3.535
12,9%
Europa
Nordamerika
Fernost/Ozeanien
Lateinamerika/Afrika/Nahost
Merck und Schering erörtert werden. Die folgenden Ausführungen beziehen sich jeweils auf
das Geschäftsjahr 2005.
2.1
Bayer AG
2.1.1
Historische Entwicklung
Die ,,Friedr. Bayer et comp." wird im Jahr 1864 in Wuppertal mit dem Zweck der Herstellung
synthetischer Farbstoffe gegründet. Bereits 1888 wird eine pharmazeutische Abteilung einge-
richtet und mit dem Ausbau der Forschung Ende des 19. Jahrhunderts unter anderem Aspirin
entwickelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg werden internationale Tochtergesellschaften be-
schlagnahmt und im Jahre 1951 wird der Konzern in zwölf Unternehmen, darunter die Far-
benfabrik Bayer AG, zerschlagen. Nach Wiederaufbau des Auslandsgeschäfts und Eintritt in
neue Geschäftsbereiche wie Petrochemie, Polyurethanchemie, neue Pflanzenschutzmittel,
Fasern, thermoplastische Kunststoffe und neue Farbstoffe wird das Pharmageschäft in den
1970er Jahren besonders in den USA ausgebaut. Durch den Erwerb des Selbstmedikationsge-
schäfts von Sterling Winthrop 1994 werden die Namensrechte in den USA zurückgekauft
(Bayer, 2007).
2.1.2
Produktportfolio
Bayer ist organisiert in die drei Teilkonzerne HealthCare (I, Umsatz: 9.429m ), CropScience
(II, 5.896m ), und MaterialScience (II, 10.695m ). Der Konzernbereich HealthCare gliedert
sich in die Segmente Pharma/Biologische Produkte (rezeptpflichtige Markenarzneimittel),
Consumer Care (Selbstmedikation), Diabetes Care/Diagnostika und Animal Health (vgl.
Abbildung 1).
Abbildung 1: Umsatzverteilung Bayer in m (Bayer Geschäftsbericht, 2005, S. 17ff.)

5
Das Wachstum von 17,0% im HealthCare-Bereich ist hauptsächlich zurückzuführen auf die
Übernahme des Consumer-Health-Care-Geschäfts von Roche. Darüber hinaus konnte das
Blutgerinnungsmittel Kogenate und das Diabetes System Ascensia den Umsatzeinbruch von
Cipro, bei welchem der Patentschutz abgelaufen ist, teilweise abfedern (vgl. Tabelle 1).
Der Umsatzeinbruch bei Cipro zeigt die Bedeutung des Patentschutzes und die Bedrohung
durch Generikahersteller für forschende Pharmafirmen. Bayer richtet zum Januar 2006 seine
Forschungs- und Entwicklungsstruktur in die zwei Bereiche Globale Wirkstoffforschung und
Globale Entwicklung aus. Somit soll früher als bisher der Wirksamkeitsnachweis von neuen
Medikamenten erkannt werden. Der Vertrieb der Pharmaprodukte erfolgt primär über Groß-
händler, Apotheken und Krankenhäuser (Bayer Geschäftsbericht, 2005, S. 39ff.). Zum Be-
trachtungszeitpunkt verfügt Bayer über zwölf Forschungsprojekte in Phase I sowie elf
Projekte in der präklinischen Phase. Darüber hinaus werden mit dem Krebsmedikament Ne-
xavar und dem Anti-Thrombosemittel Faktor-Xa-Inhibitor zwei umsatzstarke Medikamente in
2006 bzw. 2007 eingeführt (Credit Suisse, 09.03.2006)
Im Pflanzenschutz (Crop Protection), der Saatgutbehandlung (BioScience) und im Environ-
mental Science ist Bayer Weltmarktführer. Der Bereich MaterialScience besitzt mit 24,4%,
hervorgerufen durch Preiserhöhungen, das stärkste Wachstum im Konzern. Geographisch
betrachtet weist Europa und das Gebiet Lateinamerika/Afrika/Fernost die höchsten Wachs-
Medikament, Medikamentengruppe
Umsatz
2005
Wachstum
2004-2005
Therapiefeld
Ascensia Produktlinie (Diabetes Care)
701m
11,8%
Systeme und Serviceleistungen
im Bereich der Blutzuckermessung
Kogenate (Biologische Produkte)
663m
17,8%
Blutgerinnungsmittel
Adalat (Pharma)
659m
-1,6%
Bluthochdruck
Aspirin (Consumer Care/Pharma)
630m
4,8%
Schmerzmittel
Ciprobay/Cipro (Pharma)
525m
-37,3%
Behandlung von Infektionskrankheiten
Advia Centaur System (Diagnostika)
512m
16,1%
Vollautomatische Systeme für Großlabors zur
Diagnose von u.a. Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Infektionen,
Stoffwechselstörungen
Avalox/Avelox (Pharma)
364m
14,5%
Behandlung von Infektionen der Atemwege
Glucobay (Pharma)
295m
6,1%
Diabetes
Levitra (Pharma)
260m
34,7%
Behandlung der erektilen Dysfunktion
Advantage/Advantix (Animal Health)
249m
20,9%
Antiflohmittel für Hunde und Katzen
Trasylol (Pharma)
230m
34,5%
Medikament zur Anwendung während chirurgi-
scher Eingriffe am offenen Herzen
Tabelle 1: Bedeutendste HealthCare-Produkte nach Umsatz (Bayer Geschäftsbericht, 2005,
S. 18)

6
tumsraten auf, hervorgerufen ebenfalls durch die Division MaterialScience und den Erwerb
des Consumer-Health-Care-Geschäfts von Roche.
2.1.3
Unternehmensstrategie
Bayer verfolgt nach einer Neuorganisation der Geschäftsbereiche seit 2005 eine Innovations-
und Wachstumsstrategie. Der Fokus liegt hierbei auf den Bereichen Gesundheit, Ernährung
und hochwertige Materialien. Im Bereich HealthCare betreibt Bayer neben der eigenen For-
schungs- und Entwicklungsarbeit auch Einlizenzierungen und so genanntes Life-Cycle-
Management (produktbegleitende Forschung zur Erweiterung des Anwendungsspektrums von
bereits vermarkteten Produkten auf weitere Indikationsgebiete) zur Optimierung des Produkt-
portfolios. Strategische Wachstumsgebiete stellen im ,,Speciality Care" (Facharzt und Kran-
kenhausgeschäft) die Therapiebereiche Onkologie und Hämatologie/Kardiologie dar, welche
weltweit weiter ausgebaut werden sollen. Der OTC-Bereich soll durch Pflege des vorhande-
nen Produktportfolios und durch externes Wachstum verstärkt werden. Alle weiteren Sekto-
ren sollen ebenfalls durch Innovationen, organisches und externes Wachstum vergrößert
werden (Bayer Geschäftsbericht, 2005, S. 60ff.). Durch strategische Allianzen soll der Au-
ßenvertrieb durch Co-Promotion- und Co-Marketing-Vereinbarungen gestärkt werden. Zu
diesem Zwecke wurden unter anderen Allianzen mit Schering-Plough (bspw. Vertrieb von
Allgemeinarzt-Produkten in den USA) und Johnson & Johnson (Unterstützung bei Entwick-
lung und Vertrieb in den USA) eingegangen (Bayer Geschäftsbericht, 2005, S. 37ff.).
2.2
Merck KGaA
2.2.1
Historische Entwicklung
Der Grundstein von Merck wurde mit dem Erwerb der Engel-Apotheke im Jahre 1668 durch
Friedrich Jacob Merck gelegt. Die eigentliche industrielle Produktion begann im Jahre 1827.
Mit der geographischen Expansion wurde 1887 die erste Niederlassung in den USA in New
York gegründet, aus der 1891 die Merck & Co. hervorging. Infolge des Ersten Weltkrieges
kam es 1917 zur Enteignung und Merck & Co. wurde ein unabhängiges Unternehmen. Die
Unternehmensstruktur änderte sich wesentlich mit der Gründung der Merck KGaA und dem
Börsengang im Jahr 1995. Als Komplementär über die E. Merck OHG sichert sich die Fami-
lie mit 73% des Kapitals einen wesentlichen Einfluss am Unternehmen (Merck, 2007).
2.2.2
Produktportfolio

7
822,2
14,2%
375,6
6,5%
739,1
12,8%
1.722,6
29,7%
339,0
5,9%
1.796,1
31,0%
Generics (Pharma)
Ethicals (Pharma)
Consumer Health Care (Pharma)
Life Science & Analytics (Chemie)
Liquid Cristals (Chemie)
Pigments (Chemie)
463,8
7,9%
487,4
8,3%
2.727,1
46,5%
1.341,8
22,9%
850,2
14,5%
Rest der Welt
Europa
Nordamerika
Lateinamerika
Asien
Merck ist, wie in Abbildung 2 dargestellt, sowohl im Pharmasektor (66,3% des Umsatzes) als
auch im Chemiesektor (32,4%) tätig.
Der Bereich Pharma ist unterteilt in die Geschäftsbereiche Ethicals (rezeptpflichtige Marken-
Arzneimittel), Generics (Generika) sowie Consumer-Health-Care (Selbstmedikation). Der
Geschäftsbereich Ethicals umfasst die Therapiefelder Onkologie sowie die in der Einheit Car-
dioMetabolic Care zusammengefassten Felder Diabetes, Herz-Kreislauf-, Lipid- und Schild-
drüsen-Erkrankungen. Das Ethicals-Geschäftsfeld ist mit 15% Umsatzwachstum in 2005 das
am stärksten wachsende Pharma-Geschäftsfeld. Zurückzuführen ist dies auf die erfolgreiche
Einführung des Krebsmedikaments Erbitux, welches einen Umsatz von 218m generierte,
sowie die Herz-Kreislauf-Medikamentengruppe Bisoprolol mit einem 14%igen Umsatzan-
stieg auf 331m (vgl. Tabelle 2).
Medikament, Medikamentengruppe
Umsatz
2005
Wachstum
2004-2005
Therapiefeld
Concor (inkl. Bisoprolol-Produkte)
1
331m
16%
Chronische Herzinsuffizienz (Herz-Kreislauf-
Erkrankungen)
Glucophage (inkl. Metformin- Produkte)
1
297m
-4%
Typ-2-Diabetes
Duoneb
252m
60%
Atemwegserkrankungen
Erbitux
218m
182%
Darm-, Kopf- und Halskrebs
Neurobion (inkl. Neurobion-Produkte)
1
129m
12%
Vitaminpräparate
EpiPen
125m
27%
Autoinjektor für die Notfallbehandlung
von allergischen Reaktionen
Euthyrox (inkl. Thyroid-Produkte)
1
114m
15%
Schilddrüsenunterfunktion
1
Inklusive Produktkombinationen und Lizenzerlöse.
Abbildung 2: Umsatzverteilung Merck in m (Merck Geschäftsbericht, 2005, S. 76ff.)
Tabelle 2: Bedeutendste Medikamente nach Umsatz (Merck, 01.03.2006)

8
Das größte Pharma-Geschäftsfeld Generics erreichte ein Umsatzwachstum von 13%, wobei
Europa (+15%) sowie USA (+22%) die wichtigsten Wachstumsmärkte kennzeichnen (Merck
Geschäftsbericht, 2005, S. 32ff.).
Mit Mercks Forschung und Entwicklung neuer Medikamente (Pipeline) befindet sich mit Sa-
rizotan, gegen unkontrollierte Bewegungen (Dyskinesien) bei Parkinson-Erkrankungen, ein
neu entwickeltes Medikament in Phase III der Entwicklung. Mit Prednisone TRT, einem Me-
dikament gegen chronischen Gelenkrheumatismus, sowie Erbitux, gegen Darm-, Kopf- und
Halskrebs, befinden sich lediglich bestehende Medikamente mit einer unterschiedlichen
Darreichungsform bzw. einem erweiterten Anwendungsgebiet in der III. Entwicklungsphase.
Darüber hinaus befinden sich fünf Medikamente in der Entwicklungsphase II, bei welchen ein
Markteintritt in 2009 und 2010 zu erwarten ist. Alle Phase-II-Medikamente sind im Anwen-
dungsbereich der Onkologie angesiedelt (WestLB, 26.01.2006)
Der Geschäftsbereich Chemie ist unterteilt in die drei Geschäftsfelder Liquid Crystals, Pig-
ments und Life Science & Analytics. Im Liquid-Crystals-Bereich, welcher Flüssigkristalle für
LCD-Bildschirme und -Displays produziert, hält Merck die Technology- sowie Marktführer-
schaft mit einem globalen Marktanteil von ca. 70% (Deutsche Bank, 08.05.2006). Dieses Ge-
schäftsfeld erreichte ein Umsatzwachstum von 27% in 2005 und ist Mercks am stärksten
wachsendes Chemie-Geschäftsfeld. Das größte Chemie-Geschäftsfeld Life Science & Analy-
tics, Produkte und Dienstleistungen für die Pharma- und Biotechnologiebranche, verzeichnete
ein Umsatzwachstum von 6,3% (Merck Geschäftsbericht, 2005, S. 50ff.).
Geographisch gesehen hat der Europäische Markt mit 46,5% des Umsatzes um 1% am Ge-
samtanteil im Vergleich zum Vorjahr gewonnen und ist damit die bedeutendste Absatzregion
(vgl. Abbildung 2). Der Umsatz im nordamerikanischen Raum verringerte sich absolut um
292m , hauptsächlich hervorgerufen durch zurückgehende Umsätze im kanadischen Generi-
kamarkt. Der asiatische Raum profitierte besonders durch die steigende Nachfrage an Flüs-
sigkristallen und verzeichnete einen Umsatzanstieg von 9,5% (Merck Geschäftsbericht, 2005,
S. 50ff.).
2.2.3
Unternehmensstrategie
Merck verfolgt seit 2000 laut eigenen Angaben eine Strategie der ,,fokussierten Diversifikati-
on". Die vormals elf Geschäftszweige werden durch Umstrukturierung bzw. Veräußerung auf
Chemie und Pharma mit jeweils drei Sparten umorganisiert (Merck Geschäftsbericht, 2005, S.
2ff.). Dabei wird 2004 die Labordistributionssparte VWR International und 2005 das Elektro-

9
chemikalien-Geschäft veräußert (Merck Geschäftsbericht, 2004, S. 6ff.). Um eine effektivere
Nutzung des Forschungs- und Entwicklungsbudgets zu erreichen wird das Onkologie- und
CardioMetabolic-Care-Produktportfolio rationalisiert und werden einige Forschungsprojekte
in den Jahren 2003 und 2004 eingestellt. Darüber hinaus werden ab der zweiten Jahreshälfte
2004 Forschungsprojekte, welche nicht zum Kerngeschäft gehören, wie beispielsweise ein
Verhütungsmittel oder Schlafstörungspräparat, an Partner lizenziert (WestLB, 26.01.2006).
Obwohl Merck über zwei starke Wachstumsprodukte, Flüssigkristalle und das Darmkrebsmit-
tel Erbitux, verfügt, zeigt die eigene Entwicklungspipeline zu wenige marktfähige Produktin-
novationen (siehe 2.2.2). Eine Akquisitionsstrategie zur Stärkung der Pharmasparte, wie
durch den ehemaligen Vorstand Scheuble gefordert, wurde wegen der Risiken von der Merck-
Familie als Hauptaktionär abgelehnt (vgl. manager magazin, 01.03.2006).
2.3
Schering AG
2.3.1
Historische Entwicklung
Im Jahre 1851 wird die ,,Grüne Apotheke" von Ernst Schering in Berlin gegründet und 1871
in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 1876 wird das erste Tochterunternehmen ,,Schering
& Glatz, New York" in den USA gegründet. Als eines der ersten Unternehmen beginnt Sche-
ring 1923 mit der Forschung an Sexualhormonen und vertreibt ab 1928 das Medikament Pro-
gynon gegen klimakterische (durch Wechseljahre bedingte) Beschwerden. Im Jahre 1930
wird das erste injizierbare Nierenkontrastmittel entwickelt. Im Zuge mehrer Fusionen und des
international renommierten Namens ,,Schering" wird die Schering Aktiengesellschaft 1937
gegründet. 1938 wird das Estrogen Ethinylestradiol entwickelt, welches bis heute Bestandteil
der oralen Kontrazeptiva (Verhütungsmittel) ist. Als Resultat des Zweiten Weltkrieges wer-
den sämtliche ausländische Tochterfirmen sowie Patente und Warenzeichen enteignet. 1988
erzielt Schering mit der US-amerikanischen Schering-Plough, welche aus dem enteigneten
US-Tochterunternehmen hervorging, Einigung über die weltweite Nutzung des Namens
,,Schering" (Schering, 2007).
2.3.2
Produktportfolio
Schering operiert in den vier Geschäftsbereichen Gynäkologie & Andrologie (I, Umsatz 2005:
1.979m ), Diagnostische Bildgebung (II, 1.404m ), Spezial-Therapeutika (III, 1.179m )
und Onkologie (IV, 429m ), welcher Anfang 2005 seine Tätigkeit aufnahm. Die sonstigen
Aktivitäten (V) erwirtschaften einen Umsatz von 317m (vgl. Abbildung 3).

10
936
18,8%
245
4,9%
184
3,7%
223
4,5%
144
2,9%
362
7,3%
1.681
33,7%
125
2,5%
169
3,4%
329
6,6%
583
11,7%
Empfängnisverhütung Frau (I)
Menopause Management (I)
Röntgenkontrastmittel (II)
MRT-Kontrastmittel (II)
Applikationstechnologien (II)
Radiopharmaka (II)
Zentralnervensystem (III)
Herz-Kreislauf (III)
Hämatologie (IV)
Solide Tumoren (IV)
Dermatologie (V)
464
8,7%
2.456
46,3%
314
5,9%
1.391
26,2%
249
4,7%
434
8,2%
Europa
USA
Japan
Lateinamerika/Kanada
Asien/Pacific
Sonstige
Im größten Geschäftsbereich Gynäkologie & Andrologie, welcher mit 12% Umsatzwachstum
in 2005 auch der wachstumsstärkste ist, hält Schering die Marktführerschaft für orale Kontra-
zeptiva. Der globale Marktanteil in 2005 beläuft sich auf 27% (Schering Geschäftsbericht,
2005, S. 33). Der größte Wachstumstreiber ist das orale Kontrazeptivum Yasmin mit einem
Umsatzwachstum von 34% und einem globalen Marktanteil von 13% sowie das nicht orale
Kontrazeptivum Mirena (vgl. Tabelle 2). Schering hält ebenfalls die globale Marktführer-
schaft bei Kontrastmittel für die Magnetresonanztomographie (MRT) mit einem Marktanteil
von über 60% sowie über die Tochterfirma Medrad, Inc. bei Applikationstechnologien für
Kontrastmittel. Dieser zweitgrößte Geschäftsbereich der Diagnostischen Bildgebung, und
hierbei insbesondere die Applikationstechnologie, gehört mit 7% Umsatzwachstum ebenfalls
zu den Wachstumstreibern (Schering Geschäftsbericht, 2005, S. 33). Der Spezial-
Therapeutika-Bereich besteht im Wesentlichen aus dem MS-Medikament Betaferon, welches
bereits über 16 Jahre am Markt ist und das umsatzstärkste Medikament von Schering ist. Es
stellt ein Schlüsselmedikament in der MS-Behandlung dar (Schering Geschäftsbericht, 2005,
S. 45).
2
Region Europa inklusive Russland, Türkei, Länder des Kaukasus, Zentralasiens und Nahen Ostens, des indi-
schen Subkontinents sowie Afrika.
Abbildung 3: Umsatzverteilung nach bedeutendsten Therapiefeldern Schering in m
2
(Sche-
ring Geschäftsbericht, 2005, S. 70ff.)

11
Medikament, Medikamentengruppe
Umsatz
2005
Wachstum
2004-2005
3
Therapiefeld
Betaferon/Betaseron
867m
11%
Multiple Sklerose
Yasmin
586m
36%
Orales Kontrazeptivum
Magnevist
328m
8%
Kontrastmittel
Ultravist
248m
5%
Kontrastmittel
Mirena
243m
22%
Intrauterin
4
Kontrazeptivum
Ioparmiron
242m
1%
Kontrastmittel
Diane
172m
-8%
Akne (mit zusätzlich empfängnisverhütender Wir-
kung)
Microgynon
133m
4%
Orales Kontrazeptivum
Meliane
124m
3%
Intrauterin
4
Kontrazeptivum
Fludara
105m
2%
Leukämie
Schering verfügt über eine breit gestreute Forschungs- und Entwicklungspipeline in allen vier
Geschäftsbereichen. Im Indikationsgebiet Gynäkologie & Andrologie befinden sich zwei Me-
dikamente in der Zulassungsphase, fünf in Phase III sowie drei in der II. Entwicklungsphase.
In der Diagnostischen Bildgebung befinden sich jeweils zwei Präparate und im Bereich der
Onkologie jeweils drei Präparate im II. und III. Entwicklungsstatus (Schering Geschäftsbe-
richt, 2005, S. 49). Im Jahr 2005 kommt es zu überraschenden Verzögerungen bei wichtigen
Entwicklungsprojekten, wie beispielsweise beim Krebsmittel Asoprisnil und dem Kontrast-
mittel Vasovist (DPA, 09.12.2005). Besonders schwerwiegend ist die Verzögerung des Onko-
logie-Medikaments PTK/ZK, für welches große Umsatzvolumen prognostiziert sind. Diese
Ereignisse haben infolgedessen zwischen 2006 und 2007 eine Lücke für Markteinführungen
neuer Medikamente entstehen lassen (Sal. Oppenheim, 11.01.2006).
Geographisch ist der europäische Heimatmarkt nach wie vor mit 46,3% Umsatzanteil der be-
deutendste (vgl. Abbildung 3), wobei ca. die Hälfte davon auf die Länder Deutschland, Frank-
reich und Italien entfallen. Der zweitgrößte und zugleich mit 13,6% am stärksten wachsende
Markt ist die USA. Hier sind vor allem orale Kontrazeptiva sowie die Diagnostische Bildge-
bung die Wachstumstreiber. Die übrigen Regionen erzielten ebenfalls zweistellige Umsatzan-
stiege, sind jedoch in der Gewichtung weniger bedeutend (Schering Geschäftsbericht, 2005,
S. 59).
3
Wachstum nicht kursbereinigt.
4
Innerhalb der Gebärmutter.
Tabelle 3: Bedeutendste Medikamente nach Umsatz (Schering Geschäftsbericht, 2005, S. 59,
164)

12
2.3.3
Unternehmensstrategie
Der strategische Wachstumsfokus liegt in dem Ausbau der führenden Position im Bereich
Gynäkologie, Diagnostische Bildgebung und Multiple Sklerose. Darüber hinaus fokussiert
das Unternehmen auf ausgewählte Krankheitsfelder mit hohem medizinischem Bedarf, wie
bspw. auf Morbus Crohn, Morbus Parkinson und die Onkologie. Speziell im Bereich der On-
kologie investiert Schering intensiv in die eigene Produktpipeline. Ende 2003 erfolgt eine
strategische Neuausrichtung und Effizienzsteigerungsinitiative mit dem Namen ,,FOCUS".
Diese beinhaltet eine Fokussierung und Bereinigung des Forschungsportfolios und Maßnah-
men zur Produktivitätssteigerung. Beispielsweise wird Ende Februar der Verkauf des verlust-
bringenden Radiopharmaka-Geschäfts durchgeführt (Schering Geschäftsbericht, 2005, S. 5ff.,
28ff.). Nach Rückschlägen in der Forschung sollen ebenfalls die Prozesse der Forschung und
Entwicklung überprüft werden. Durch diese Maßnahmen werden zwischen 2004 und 2005
insgesamt 2.000 Stellen abgebaut mit dem Ziel eine operative Marge von 18% in 2006 bzw.
20% in 2008 zu erreichen. Aufgrund der hohen liquiden Mittel und der Lücke an neuen Me-
dikamenteneinführungen zwischen 2006 und 2007 ist Schering aktiv auf der Suche nach mög-
lichen Akquisitions- bzw. Einlizenzierungsmöglichkeiten (Sal. Oppenheim, 11.01.06).
2.4
Pharmamarkt
2.4.1
Größe und Struktur
Der weltweite Umsatz im Pharmamarkt wächst im Jahr 2005 um 7,4% auf insgesamt 600,6
Mrd. US $ und zeigt seit 2001 eine jährliche durchschnittliche Wachstumsrate von 11,4%.
Nordamerika (44,2%), Europa (28,6%) und Japan (11,3%) stellen die größten Märkte dar.
Den stärksten Anstieg mit 21,5% auf 29,4 Mrd. US $ ist im lateinamerikanischen Raum zu
beobachten. Mit 31,9 Mrd. US $ (+8,5% Wachstum in 2005) ist Deutschland Europas größter
Pharmamarkt gefolgt von Frankreich (30,3 Mrd. US $, +6,4%), Italien (19,8 Mrd. US $,
+2,6%) und Großbritannien (19,5 Mrd. US $, -2,2%) (Bundesverband der Pharmazeutischen
Industrie BPI, 2006, S. 24ff.). Laut IMS Health (2006) wird weiterhin von einem überdurch-
schnittlichen weltweiten Wachstum, verglichen mit dem gesamtwirtschaftlichen Wachstum,
in Höhe von durchschnittlich 5-8% CAGR
5
von 2004 bis 2009 ausgegangen. Stärkste Wachs-
tumsmärkte sollen hierbei weiterhin Lateinamerika (7-10% CAGR) sowie die Region
5
CAGR - Compound Annual Growth Rate; jährliche durchschnittliche Wachstumsrate; entspricht dem geomet-
rischen Mittel.

13
Asien/Afrika/Australien (9-12% CAGR) sein. Besonders China soll bis zum Jahr 2009 zum
siebtgrößten Pharmamarkt aufsteigen (IMS Health a, 2006, S. 42ff.).
Treiber für das überdurchschnittliche gesamtwirtschaftliche Wachstum des weltweiten Phar-
mamarktes sind die steigende Lebenserwartung, das sich verändernde Konsuminteresse sowie
speziell in westlichen Regionen die geforderte erhöhte Lebensqualität. Darüber hinaus fördern
neue Technologien und Fortschritte in der Medizin und Pharmazie (besonders in der Moleku-
lar- und Zellbiologie) Innovationen (BPI, 2006, S. 25).
Pharmaunternehmen lassen sich grundsätzlich in drei Industriezweige unterteilen, nämlich in
die forschende pharmazeutische Industrie, Generikahersteller sowie so genannte Contract
Research Organizations (CROs) (Drukarczyk, 2006, S. 358ff.). Der wirtschaftliche Erfolg
forschender pharmazeutischer Unternehmen, auch Originatoren genannt, ist stark abhängig
von der Forschungsleistung bzw. Produktpipeline. Generikahersteller spezialisieren sich hin-
gegen auf Medikamente, deren Patentschutz bereits abgelaufen ist. Diese profitieren beson-
ders von den zunehmenden Finanzierungsproblemen der einzelnen nationalen
Gesundheitssysteme, da hohe F&E-Ausgaben entfallen und die Präparate somit wesentlich
preisgünstiger angeboten werden können. Entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg in
diesem Industriezweig ist die Geschwindigkeit, mit der ein Medikament am Markt etabliert
wird, da dieser Markt von hoher Wettbewerbsintensität gekennzeichnet ist. CROs sind
Dienstleistungsunternehmen, welche einzelne Bereiche der Arzneimittelentwicklung über-
nehmen (vgl. 2.4.2). Dienste reichen hierbei von der präklinischen/klinischen Entwicklung
über Darreichungssysteme bis hin zu Biotechnologieunternehmen, welche die teilweise oder
komplette Entwicklung von neuen Wirkstoffen übernehmen.
2.4.2
Forschung und Entwicklung
Die pharmazeutische Industrie und Biotechnologiebranche ist charakterisiert durch hohe For-
schungs- und Entwicklungsausgaben (F&E). Im Jahr 2004 entsprachen die europäischen
F&E-Ausgaben für Pharma und Biotechnologie 18,2% der gesamten europäischen Ausgaben
für F&E aller Wirtschaftszweige. Im Verhältnis zum Umsatz entspricht dies 15,3%. Somit ist
die Pharmabranche verglichen mit allen anderen Wirtschaftssektoren der forschungsintensivs-
te Industriezweig überhaupt
6
(European Federation of Pharmaceutical Industries and Associa-
tions EFPIA, 2006, S. 15).
6
Die Daten beruhen auf den 700 größten EU-Firmen bezogen auf F&E-usgaben (über 4,1m ).

14
Die Entwicklung eines neuen Wirkstoffes (so genannte NCE, New Chemical Entities, bzw.
NBE, New Biological Entities) ist sowohl ein langwieriger als auch kapitalintensiver Prozess.
Nach ca. zwölf Jahren Forschungs- und Entwicklungstätigkeit erreicht von etwa 8.000 bis
10.000 Substanzen ein Medikament die Marktreife (Breitenbach, Fischer, 2007, S. 28ff.). Die
Entwicklung unterteilt sich hierbei in vier Stufen, wobei der höchste Finanzierungsbedarf in
den Phasen der klinischen Studien benötigt wird (vgl. Tabelle 4):
Klinische Studien
Zulassung
Phase IV
Phase I
Phase II
Phase III
Dauer
4-6,5 Jahre
1-1,5 Jahre
2 Jahre
3-3,5 Jahre
2,5-5 Jahre
Test
In Vitro (,,im Reagenzglas")
Testsysteme und Tierstudien
10-50
Gesunde
100-500
Patienten
1.000-5.000
Patienten
Aufgabe
Erfolgsrate
10.000 Wirkstoffe, 5.000-6.000
werden weiter beurteilt
5 in Studien
2-3 in Studien
1-2 in Studien
1 wird
zugelassen
Kosten
200-300m
200-400m
20-40m
30-60m
Prüfung auf
langfristige
Neben-
wirkungen
Entdeckung, Optimierung und
Beurteilung von Wirkstoffen mit
Hinblick auf: Synthese, biologische
Aktivität, Formulierung,
Pharmakokinetik und Dynamik,
akute Toxikologie, Genotoxizität
Forschung Wirkstoffsuche/
Präklinik
Prüfung auf
Verträglichkeit
und Pharma-
kokinetik, d.h.
Absorption,
Metabolismus und
Elimination
Prüfung auf
Wirksamkeit und
Findung des
Dosierungs-
schemas
Prüfung auf
Nebenwirkungen
und Wechsel-
wirkungen mit
anderen
Medikamenten
Für Wirkstoffe gegen lebensbedrohliche Erkrankungen, für die keine gleichwertige Therapie
verfügbar ist, erlaubt die FDA in den USA ein so genanntes ,,Fast Track Drug Development"-
Programm, welches eine Verkürzung der klinischen Studien ermöglicht (Food and Drug Ad-
ministration FDA, 2006). Medikamente bzw. neuartige Wirkstoffe genießen einen Patent-
schutz von 20 Jahren, welcher bereits vor der präklinischen Forschung in Kraft tritt. Den
forschenden Pharmaunternehmen verbleibt somit oftmals weniger als zehn Jahre um das neue
Präparat in den Markt einzuführen und die eingesetzten Vorlaufkosten zu erwirtschaften (BPI,
S. 16). Deshalb ist der Zeitpunkt des Markteintritts, besonders im Vergleich zu Wettbewer-
bern, der wesentliche Erfolgsfaktor für ein neu entwickeltes Medikament. Bei gleicher Wir-
kungsweise erreicht im Schnitt der erste Anbieter einen Marktanteil von 28%, der zweite
22%, der dritte 18%, der vierte 12% und der fünfte lediglich 5% (Breitenbach, Fischer, 2007,
S. 18ff.).
Die gesamten Forschungskosten für die Entwicklung eines marktreifen Medikaments erhöhen
sich von 149m in 1975 auf 344m in 1987 auf 868m in 2000. In Europa erhöhten sich die
pharmazeutischen F&E-Ausgaben von 2,3 Mrd. im Jahr 1980 auf 21,7 Mrd. in 2005
Tabelle 4: Stufen der Medikamentenentwicklung (Breitenbach, Fischer, 2007, S. 29ff.)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836605946
DOI
10.3239/9783836605946
Dateigröße
794 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Mannheim – Betriebswirtschaftslehre, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsprüfung
Erscheinungsdatum
2007 (Oktober)
Note
1,7
Schlagworte
corporate finance weißer ritter unternehmensstrategie hedge fonds unternehmensbewertung
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