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Die Bewertung Kaiser Wilhelms II. im Jahre seines Silbernen Regierungsjubiläums am 15. Juni 1913 aus parteipolitischer und auswärtiger Sicht

©2005 Projektarbeit 57 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Am 15. Juni 1913 feierte Kaiser Wilhelm II. sein Silbernes Herrschaftsjubiläum. Dieses Ereignis gab den zeitgenössischen Autoren die Möglichkeit ein Resümee der letzten 25 Jahre der Regierungstätigkeit des deutschen Kaisers zu ziehen. Hiefür wurde eine große Zahl an Festartikeln und -schriften veröffentlicht.
Ziel der Arbeit ist es, die veröffentlichte Meinung über Kaiser Wilhelm II. ein Jahr vor Beginn des Ersten Weltkrieges darzustellen.
Um dieses zu erreichen sollen exemplarisch die unterschiedlichen Bewertungen durch die Presse innerhalb des Deutschen Reiches dargestellt, analysiert und interpretiert werden. Hierbei werden die Festartikel der bedeutenden Parteizeitungen vom rechten bis linken Spektrum ihrer politischen Ausrichtung untersucht. Die Aussagen werden in den historischen Kontext eingebettet und erklärt, so- dass eine Begründung für ihre Erwähnung durch den Autor versucht werden kann. Dabei liegt ein Hauptaugenmerk auf der Nichterwähnung von Fakten und die Frage, weshalb sie in einigen Artikeln verwendet werden, in anderen dagegen nicht.
Als Quellen dienen die konservative Kreuzzeitung, der nationalliberale Bayreuther Anzeiger, die links-liberale Vossische Zeitung, die katholische, dem Zentrum nahe stehende Germania und der sozialdemokratische Vorwärts. Weiterhin wird für die Stellung des Judentums zum Herrscher die Allgemeine Zeitung für das Judentum untersucht. Auch die Aussagen der Bundesfürsten sollen berücksichtigt werden. Hierbei werden die Festreden des Königs von Bayern und des Königs von Sachsen untersucht. Neben den deutschen Quellen soll auch kurz die amerikanische veröffentlichte und offizielle Beurteilung am Rande berücksichtigt werden.
Die gezeigten Fakten werden in einer Zusammenfassung gemeinsam dargestellt und die veröffentlichte Meinung über Kaiser Wilhelm II. im Jahre 1913 herausgestellt. Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
A.Einleitung2
B.Die konservative Bewertung Wilhelms II.- Der Artikel der Kreuzzeitung Fünfundzwanzig Jahre Kaiser und König3
C.Liberale Bewertung Kaiser Wilhelms II.7
1.Das Kaiserjubiläum- Artikel des nationalliberalen Bayreuther Anzeigers7
2.Der Kaiser und die Stadt Berlin- Der Artikel der linksliberalen Vossischen Zeitung13
D.Bewertung des Zentrums16
1.Der Artikel der katholischen Germania16
2.Das Verhältnis Wilhelms II. zur katholischen Konfession aus Sicht des Zentrums21
E.Die Bewertung der Sozialdemokratie- der Artikel des Vorwärts22
F.Bewertung der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Andreas Leipold
Die Bewertung Kaiser Wilhelms II. im Jahre seines Silbernen Regierungsjubiläums am
15. Juni 1913 aus parteipolitischer und auswärtiger Sicht
ISBN: 978-3-8366-0561-8
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Universität Bayreuth, Bayreuth, Deutschland, Projektarbeit, 2005
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

- 1 -
Inhaltsverzeichnis
A: Einleitung ...2
B: Die konservative Bewertung Wilhelms II.- Der Artikel der Kreuzzeitung- Fünfundzwanzig Jahre
Kaiser und König...3
C: Liberale Bewertung Kaiser Wilhelms II...9
1.
Das Kaiserjubiläum- Artikel des nationalliberalen Bayreuther Anzeigers...9
2.
Der Kaiser und die Stadt Berlin- Der Artikel der linksliberalen Vossischen Zeitung...17
D: Bewertung des Zentrums...21
1.
Der Artikel der katholischen Germania...21
2.
Das Verhältnis Wilhelms II. zur katholischen Konfession aus Sicht des Zentrums ...28
E: Die Bewertung der Sozialdemokratie- der Artikel des Vorwärts ...29
F: Bewertung der Regierungszeit des Kaisers durch das Judentum...34
G: Exemplarische Bewertung Wilhelms II. durch die Bundesfürsten...39
1.
Die Rede des Bayrischen Prinzregenten Ludwig III. ...39
2.
Die Rede des Königs von Sachsen ...42
H: Ausländische Bewertung Wilhelms II. an seinem Jubiläum ...44
1.
Theodore Roosevelt...44
2.
Die offizielle amerikanische Darstellung des Kaisers durch den Staatssekretär Bryan ...45
I: Zusammenfassung...47
J: Literatur und Quellen...49
1.
Quellen ...49
2.
Literatur ...53
a. Biographien ...53
b. Literatur ...53
c. Lexikonartikel...54

- 2 -
A: Einleitung
Am 15. Juni 1913 feierte Kaiser Wilhelm II. sein Silbernes Herrschaftsjubiläum. Dieses Ereignis gab
den zeitgenössischen Autoren die Möglichkeit ein Resümee der letzten 25 Jahre der Regierungstätigkeit
des deutschen Kaisers zu ziehen. Hiefür wurde eine große Zahl an Festartikeln und -schriften veröf-
fentlicht.
Ziel der Arbeit ist es, die veröffentlichte Meinung über Kaiser Wilhelm II. ein Jahr vor Beginn des
Ersten Weltkrieges darzustellen.
Um dieses zu erreichen sollen exemplarisch die unterschiedlichen Bewertungen durch die Presse
innerhalb des Deutschen Reiches dargestellt, analysiert und interpretiert werden. Hierbei werden die
Festartikel der bedeutenden Parteizeitungen vom rechten bis linken Spektrum ihrer politischen
Ausrichtung untersucht. Die Aussagen werden in den historischen Kontext eingebettet und erklärt, so-
dass eine Begründung für ihre Erwähnung durch den Autor versucht werden kann. Dabei liegt ein
Hauptaugenmerk auf der Nichterwähnung von Fakten und die Frage, weshalb sie in einigen Artikeln
verwendet werden, in anderen dagegen nicht.
Als Quellen dienen die konservative Kreuzzeitung, der nationalliberale Bayreuther Anzeiger, die links-
liberale Vossische Zeitung, die katholische, dem Zentrum nahe stehende Germania und der sozialdemo-
kratische Vorwärts. Weiterhin wird für die Stellung des Judentums zum Herrscher die Allgemeine
Zeitung für das Judentum untersucht. Auch die Aussagen der Bundesfürsten sollen berücksichtigt
werden. Hierbei werden die Festreden des Königs von Bayern und des Königs von Sachsen untersucht.
Neben den deutschen Quellen soll auch kurz die amerikanische veröffentlichte und offizielle Beurtei-
lung am Rande berücksichtigt werden.
Die gezeigten Fakten werden in einer Zusammenfassung gemeinsam dargestellt und die veröffentlichte
Meinung über Kaiser Wilhelm II. im Jahre 1913 herausgestellt.

- 3 -
B: Die konservative Bewertung Wilhelms II.- Der Artikel der
Kreuzzeitung- Fünfundzwanzig Jahre Kaiser und König
1
Der Artikel der konservativen Kreuzzeitung beginnt mit der theoretischen Überlegung über das
Verhältnis zwischen Demokratie und Monarchie. So habe die Geschichte und die staatliche
Entwicklung bewiesen, wie unmodern die Demokratie und wie unverwüstlich die Monarchie sei
2
.Nun
meint der Autor, dass es ein Irrtum sei, die Gegner des Kaisertums durch die Beschneidung dessen
Macht auszuschalten.
Im 2. Abschnitt stellt der Autor die Hauptleistung Wilhelms II. heraus: Er habe es geschafft, trotz
stärkster Bekämpfung des monarchischen Gedankens, das Kaisertum in seiner alten Würde zu erhalten
3
.
Er habe diese Aufgabe durch die bewusste Wahrung seiner Würde und das Bestehen auf seine Rechte
erfüllt. Damit habe er dem Regime eine ,,[...] persönliche Note zu geben vermocht [...]"
4
. Für den Autor
definiert sich damit die Monarchie durch die direkte Machtausübung des Monarchen. Dennoch erkennt
der Verfasser, dass allem Handeln des Herrschers Grenzen durch eine Verfassung gesetzt sind. Niemals
habe Wilhelm II. diese verletzt und trotz dieser Schranken seinen Willen zu wahren gewusst und damit
den letzten 25 Jahren seine eigene Prägung verliehen. Deshalb erwartet der Autor die Lösung noch
anstehender Problem nur vom Monarchen und nicht von anderen Institutionen
5
. Nun folgt ein Rückblick
auf den Regierungsantritt Wilhelms II. So sei dieser schwierig gewesen, da nicht alle Bevölkerungs-
gruppen zu ihm gestanden hätten und die Bewahrung des Erreichten stärker bevorzugt worden sei als
der Fortschritt, welchen man mit dem neuen Herrscher verbunden habe
6
. Auch die Trennung von
Bismarck
7
sei Wilhelm II. schwer gefallen, da sie zur ,,[...] Entfremdung [...] von den Besten im Volke
[...]" geführt habe
8
. Auch die Politik des Nachfolgers Bismarcks, Caprivis
9
habe dem neuen Herrscher
geschadet. Erst nach der Versöhnung mit Bismarck sei das Volk Wilhelm II. vertraut geworden und
habe sich mit der neuen Politik auf dem Wege zur Weltmacht abgefunden, ja sogar erkannt, dass damit
eine glückliche Zukunft Deutschlands in den Händen des Kaisers gut aufgehoben sei
10
. Zur
Durchführung der neuen Weltpolitik habe Wilhelm II. die Flotte geschaffen, welche der Autor als
typisches Erkennungsmerkmal der wilhelminischen Epoche anerkennt. Sie habe es ermöglicht, dass die
1
Fünfundzwanzig Jahre Kaiser und König, in: Neue Preußische (Kreuzzeitung) Zeitung, Nr. 275, Morgenausgabe,
Jahrgang 1913 vom 15. Juni 1913, S. 1 (Im Folgenden als Kreuzzeitung Zitiert.).
2
Ebda.
3
Ebda.
4
Ebda.
5
Ebda.
6
Ebda.
7
Heffter, Heinrich: Fürst von Bismarck, in: NDB 2 (1955), S. 268-277.
8
Kreuzzeitung, S. 1.
9
Meisner, Otto Heinrich: Caprivi, in: NDB 3 (1957), S. 134 f.
10
Kreuzzeitung, S. 1.

- 4 -
deutsche Wirtschaft und Bevölkerung über seine Grenzen hinaus expandiert haben könne
11
. Dennoch
sieht der Verfasser, dass diese Diplomatie neue Gegner für das Reich geschaffen habe und neue Krisen
entstanden seien. Der Herrscher aber habe stets einen Krieg zu vermeiden gewusst
12
. Damit endet der
Artikel der Kreuzzeitung.
Für den Autor sind sechs Punkte aus der Regierungszeit des Kaisers wichtig. Sie sollen im Anschluss
dargestellt und interpretiert werden.
Das Hauptverdienst sei es gewesen, den monarchischen Gedanken und das Ansehen der Monarchie
trotz starker feindlicher Tendenzen von sozialistischer und liberaler Seite durch bewusste Achtung
seiner Rechte gesichert und gestärkt zu haben
13
. Das Mittel des Kaisers sei die persönliche Führung- das
,,[...] persönliche Regiment [...]"
14
. Dieser Punkt ist dem konservativen Autor wichtig, da die beiden
konservativen Parteien, die Frei- und Reichskonservative Partei,
für eine Stärkung der Rechte des
Monarchen
eintreten
15
. Durch die eigene Führung und die Durchsetzung des Willens des Herrschers definiere sich
jede Monarchie
16
. Damit ist der Verfasser ein Verfechter der ,,imperialen Kaiseridee, die sich durch die
Vertretung der Nation durch den Kaiser nach außen und der starken Führung im Inneren definiert
17
.
Grundlage dieser Idee ist das romantische Monarchieverständnis des 19. Jahrhunderts, das Wilhelm
bewusst für seine Herrschaft als Konzeption anwendet
18
. Dennoch sieht der Autor die gegenwärtige
politische Lage realistisch. Er erkennt, dass das Begehren des Kaisers nur innerhalb der
verfassungsmäßigen Schranken der Verfassung erfolgen kann. Dieser Punkt ist aber für den Autor kein
negativer Fakt, da für die konservativen Parteien die Verfassung ein wichtiger Bestandteil des Staates
ist
19
. Diese beiden Punkte sind traditionelle Forderungen der Konservativen, die die Stärke des
Herrschers ebenso bejahen wie die Garantie der freiheitlichen Rechte des Volkes und der Länder des
Reiches
20
. Diese Punkte habe Wilhelm II. stets beachtet und sich niemals über die Verfassung hinweg-
gesetzt
21
. Ein weiteres Mittel zur Bewahrung des monarchischen Gedankens sei die bewusste Wahrung
der Würde des Herrschers gewesen. Absichtlich sei Wilhelm II. von der schlichten Form des Auftretens
11
Ebda.
12
Ebda.
13
Ebda.
14
Ebda.
15
,,[...] Ebenso fest und entschlossen, wie die Partei für die Monarchie und ihre Rechte eintritt [...]".
Leitsätze der Frei- und Reichskonservativen Partei 1907, in: Mommsen, Wilhelm: Deutsche
Parteiprogramme, 3. Aufl., München 1960, S. 86-87, S. 86.
16
Kreuzzeitung, S. 1.
17
Fehrenbach, Elisabeth: Wandlungen des deutschen Kaisergedankens 1871- 1918, München, Wien 1969, S. 227.
18
Ebda.
19
,,[...] [E]ebenso heilig und unverletzlich sind ihr die verfassungsmäßigen Rechte und Freiheiten des Volkes[...]".
Leitsätze der Frei- und Reichskonservativen Partei 1907, in: Mommsen, Wilhelm: Deutsche
Parteiprogramme, 3. Aufl., München 1960, S. 86 - 87, S. 86.
20
Die Deutsche Konservative Partei (Frei- und Reichskonservative Partei benennen sich so im Reichstag 1876)
ist ,,[...] gerichtet auf eine Stärkung der Zentralgewalt, des Reiches und ihrer monarchischen Spitze bei
voller Achtung der verfassungsmäßigen Rechte der Einzelstaaten [...]"
Gründungsaufruf der Deutschen Konservativen Partei 1876, in: Mommsen, Wilhelm: Deutsche
Parteiprogramme, 3. Aufl., München 1960, S. 67 - 69, S. 67.
21
Kreuzzeitung, S. 1.

- 5 -
seines Großvaters abgewichen um die Monarchie zu retten. Für ihn sei es notwendig gewesen, sich
diese Würde zu verdienen, da er sie nicht wie seine Vorfahren auf den Schlachtfeldern des Krieges habe
erwerben können
22
. Der Autor denkt sicher an das pompöse Auftreten Wilhelms II. in Uniform so- wie
die Militärparaden, welche als typisch für die Zeit zwischen 1888 und 1913 gelten
23
.
Diese Handlungen beurteilt der Verfasser positiv, da sie dem Schutz und der Vermehrung des Ansehens
der Monarchie helfen. Bewusst übersieht er aber, dass nicht alle Handlungen des Herrschers der Würde
der Krone dienlich gewesen sind. So geht der Autor sicherlich bewusst nicht auf die Daily Telegraph
Affäre
24
vom November 1908 ein. In Folge der Ereignisse und der stark emotionalisierten Stimmung
unter den Parteien kam es am 5.11.1908 zu einer öffentlichen Erklärung des Parteivorstandes der
Deutschkonservativen Partei, die vor weiteren freizügigen Reden des Kaisers warnte
25
. So zeigt der
Verfasser ein geschöntes Bild von Wilhelm II., da die Achtung seiner Recht und die Wahrung seiner
Würde nur insofern gezeigt werden, inwiefern sie entweder dem konservativen Ideal entsprechen oder
dem Herrscher nicht schaden.
Der zweite hervorgehobene Punkt ist die Gewinnung des Deutschen Volkes für die Politik des Kaisers.
Hiernach habe das Volk im Jahre 1888 ,,[...] nicht alles Hoffen und Wünschen [...]"
26
in seinen neuen
Herrscher gesetzt. Diese reservierte Stimmung und Unsicherheit ist noch bei der Beschreibung der
Grundstimmung des Jahres 1888 in den meisten Festartikeln und Festschriften rückblickend zu
finden
27
. So sei unklar gewesen, wie Wilhelm II. regieren werde. Diese negative Haltung sei durch die
Trennung von Bismarck verstärkt worden. Die Entlassung habe den Kaiser schwer getroffen und ihm
die besten Teile des Volkes entfernt
28
. Damit verfälscht der Autor bewusst die wahren Tatsachen. So ist
es die Entscheidung des Kaisers bis 1917, ob der Reichskanzler entlassen werden muss
29
. Hätte
Wilhelm ein so gutes Verhältnis zu seinem Kanzler gehabt, dass er seinen Abgang bedauert hätte, so
hätte er ihn nicht entlassen. Unterstützt wird dieser Fakt mit der nachträglichen Äußerung des Kaiser
über den ersten Reichskanzler
30
. Den auslösenden Grund für die Entlassung, den Streit um die Februar-
22
Ebda.
23
Unger, Johannes: Heil dir im Siegeskranz. Die Zeit des Wilhelmismus 1871-1918, in: Rilbe, Wolfgang
(Hrsg.): Preussen. Chronik eines Deutschen Staates, Berlin 2000, S. 196 ­ 247, S. 238.
24
Interpellation über das Kaiserinterview. Erklärung Bülows. Ministerverantwortlichkeit. Reform des
Auswärtigen Amtes. Reichstag und auswärtige Politik am 11. November 1908, in: Roloff, Gustav (Hrsg.):
Schulhess´ Europäischer Geschichtskalender N. F. 24 (1908), München 1909, S. 168- 199.
25
,,[...] Deshalb müssen wir [...] dem Wunsche Ausdruck verleihen, daß der Kaiser in seiner politischen
Betätigung sich die dem konstitutionellen Herrscher obliegende Zurückhaltung auferlegt. [...]".
Ebda, S. 175.
26
Kreuzzeitung, S. 1.
27
,,[...]Wird der Kaiser mit der ungeheuren Verantwortung [...] fertig werden? Wie wird er die gewaltige Fülle
Wie wird er die Macht verwenden? Wird er seine Regierung dem Land zum Segen und Wohlstand bringen, oder
wird er die Hand nach Kriegsruhm ausstrecken? [...] "
Schäfer: Zum 25jährigen Regierungsjubiläum Kaiser Wilhelm II., Essen 1913, S. 4.
28
Kreuzzeitung, S. 1.
29
Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871, Art. 15, Nördlingen 1871, S. 10.
30
Bismarck ,,[...] der unseres Volkes Herzen gestohlen hatte [...]". Dem ,,[...] ich auf Gnade und Ungnade

- 6 -
Erlasse vom 4.2.1890 und die Frage des Vortrages eines Ministers in Gegenwart des Reichskanzlers
beim Kaiser
31
erwähnt er nicht. Erst die Aussöhnung mit Bismarck
habe dem Kaiser alle Bevölkerungs-
schichten zufallen lassen
32
. Eindeutig bezieht der Autor damit Position für Bismarck, da es ohne eine
Verständigung zwischen ihm und dem Kaiser nicht zu einer Verständigung zwischen dem Kaiser und
den Besten im Volke hatte kommen können. Die Besten im Volke sind für den Verfasser die Konser-
vativen, da nur sie für den Autor zum ersten Reichskanzler stehen und dem Kaiser treu sind
33
. Des
weiteren sind sie es, die erst nach dem Rückschwenken auf den Kurs Bismarcks treu zur Regierung
stehen und ihre Beschlüsse unterstützen. Die Verständigung mit Bismarck kann als Rückschwenken auf
seinen Kurs gedeutet werden. Der folgende Abschnitt kann das verdeutlichen.
Eine starke Erschwernis sei die fehlerhafte Politik des Reichskanzlers Caprivi gewesen. Der Verfasser
geht nicht weiter auf diesen Punkt ein, dennoch lässt sich erschließen, welchen Kritikpunkt er gegen
Caprivi im Gedächtnis hat- die Schutzzollpolitik und die Handelsverträge von 1891. So ist ein
Charakteristikum der Politik unter Caprivi die Senkung der Einfuhrzölle von 5 Mark auf 3.5 Mark pro
Zentner Getreide
34
. Dadurch kam es zu einem Verfall der Agrarprodukte der inländischen Bauern. Die
Handelsverträge schufen eine weitere Konkurrenz. Da seit dem Jahre 1893 der Bund der Landwirte
35
mit den konservativen Parteien zusammenarbeitet
36
, ist es nun auch ein Anliegen der Konservativen, die
Interessen der Bauern zu vertreten. Jede Politik, die gegen die Landwirte gerichtet ist, muss daher zur
Kritik auch der Frei- und Reichskonservativen Parteien führen. Erst unter der Regierung des Reichskan-
zlers von Bülow ab dem Jahre 1900 kann die Lage als gebessert angesehen werden, da nun die ,,Fehler"
behoben worden sind. Jetzt, nach der Wiedererhöhung der Schutzzölle, können sich die Konservativen
an der Politik des Kaisers beteiligen, da ihre Interessen beachtet werden
37
.
Das Volk sei dem Kaiser auf dem Wege zur Weltpolitik gefolgt und habe an dieser daran aktiv mitge-
wirkt
38
. Damit ist der dritte wichtige Punkt für den Autor die Weltpolitik des Kaisers.
Obwohl dem Verfasser bewusst ist, dass der Neue Kurs Wilhelms II. die Richtung der Politik, welche
ausgeliefert wäre [...]".
Rückschauende Betrachtung Wilhelms II. über die Entlassung Bismarcks Nr. 471, in: Gunther Schönbrunn:
Das Bürgerliche Zeitalter 1815 ­ 1914 (Geschichte in Quellen), München 1980, S. 551- 552, S. 551.
31
Berghahn, Volker (Hrsg.): Gebhardt. Handbuch der Deutschen Geschichte, Bd. 16, 10. Aufl., Stuttgart 2003 , S.
389 f.
32
Kreuzzeitung, S. 1.
33
,,[...] Wir, die wir die Politik Bismarcks unterstützen [...]"
Leitsätze der Frei- und Reichskonservativen Partei 1907, in: Mommsen, Wilhelm: Deutsche
Parteiprogramme, 3. Aufl., München 1960, S. 86-87, S. 86.
34
Berghahn, Volker (Hrsg.): Gebhard. Handbuch der deutschen Geschichte, Bd.16, 10. Aufl., Stuttgart 2003,
S. 284.
35
Schmierer Wolfgang: Bund der Landwirte, in: Taddy, Gerhard (Hrsg.): Lexikon der deutschen Geschichte, 2.
Aufl. Stuttgart 1983, S. 178.
36
Mommsen, Wilhelm: Deutsche Parteiprogramme, 3. Aufl., München 1960, S. 9.
37
,,[...] Für die Industrie der durch die Konkurrenz des Auslandes bedingte Zollschutz aufrechtzuerhalten und, wo
nötig zu verstärken. [...]".
Revidiertes Programm der Deutschen Konservativen Partei (Tivoli- Programm), 1892, in: Mommsen, Wilhelm:
Deutsche Parteiprogramme, 3. Aufl., München 1960, S. 78-80, S. 79.
38
Kreuzzeitung, S. 1.

- 7 -
Bismarck vorgegeben hat, verlässt
39
, kritisiert er den neuen Weg nicht. Die Erklärung lässt sich wieder
im Parteiprogramm der Frei- und Reichskonservativen Partei finden. So bejahen im Jahre 1907 die
Konservativen einen stark nationalen Kurs, der ,,[...] Einigkeit und Macht des Deutschen Reiches [...]"
40
zeigt. Der Autor geht nicht näher auf diesen Punkt ein. Sicher sind ihm aber die Machtdemon-
strationen des Reiches in China und Deutsch- Südwestafrika im Gedächtnis, da gerade sie die deutsche
Macht durch Siege zeigen. Ein wichtiger Anhaltspunkt hierfür kann sein, dass die konservativen Parteien
die beiden Unternehmungen im Jahr 1900 und 1904- 6 unterstützt haben
41
. Der Autor geht
wahrscheinlich nicht auf die Fakten ein, da sie für ihn selbstverständlich sind und er der Meinung ist,
dass jedem Deutschen die Ereignisse bekannt sein müssten, sodass sich eine weitere Erörterung als
unnötig erweisen muss. Auch ist die oberflächliche Arbeitsweise ein Grund dafür.
Wichtiger scheinen ihm die Mittel auf dem Wege zur Weltmacht zu sein. Erst Wilhelm II. habe die
Wehrkraft so weit ausgebaut, dass sie für diese Politik verwendungsfähig sei
42
. Der Verfasser legt auf
die Stärkung der Wehrkraft des Reiches besonderen Wert, da sie eine alte - im Bereich des Heeres, und
eine aktuelle- im Bereich der Flotte, konservative Forderung ist
43
. Hier ist ein direktes Lob auf Wilhelm
II. zu finden. Nur er habe dieses starke Herr und die starke Flotte geschaffen. Betrachtet man die
quantitative Vermehrung zwischen 1888 und 1913, so hat der Autor Recht, da ein Zuwachs bei beiden
Teilstreitkräften feststellbar ist
44
. Die Anerkennung an den Kaiser kann für den Verfasser damit zu
Recht ausgesprochen werden.
Ein indirektes Lob spricht der Verfasser der Kolonialpolitik des Herrschers aus. Er schreibt, dass erst
unter seiner Regierung die wirtschaftlichen und bevölkerungsmäßigen Voraussetzungen für eine
Expansion gegeben worden seien
45
. Die Kolonialpolitik liegt ihm am Herzen, da sie eine aktuelle
konservative Forderung ist
46
. Eingeschlossen in dieses Lob ist mit Sicherheit die Erwerbung neuer
39
Ebda.
40
Leitsätze der Frei- und Reichskonservativen Partei 1907, in: Mommsen, Wilhelm: Deutsche
Parteiprogramme, 3. Aufl., München 1960, S. 86-87, S. 86.
41
,,[...] Der Reichstag ist aufgelöst, weil er der Regierung nicht die Truppen und Mittel bewilligte, die eine
energische Unterdrückung des Aufstandes in Deutsch- Südwestafrika erfordert. [...] Wir Konservativen aber
können und werden die Reichsregierung nicht im Stich lass die Ehre, Macht und nationale Würde zu wahren
und durchzusetzen [...]"
Wahlaufruf der Deutsch- Konservativen Partei 1906, in: Mommsen, Wilhelm: Deutsche Parteiprogramme, 3.
Aufl., München 1960, S. 84-86, S. 85.
42
Kreuzzeitung, S. 1.
43
So ,,[...] scheint und die Bewahrung und Stärkung der Wehrkraft unserer Armee ein unabweisbares Er-
fordernis [...]"
Wahlaufruf der altkonservativen Fraktion des preußischen Abgeordneten und des Herrenhauses 1873, in:
Mommsen, Wilhelm: Deutsche Parteiprogramme, 3. Aufl., München 1960, S. 66- 67, S. 66.
Die Frei- und Reichskonservative Partei ,,[...] forder[n] für Herr und Flotte achtunggebietende, den
Weltfrieden sichernde Stärke [...]"
Leitsätze der Frei- und Reichskonservativen Partei 1907, in: Mommsen, Wilhelm: Deutsche Parteiprogramme, 3.
Aufl., München 1960, S. 86-87, S. 86.
44
Heeresstärke 1888: 491726 Mann (Etatstärke des Deutschen Heeres 1888/9, in: Statistisches Jahrbuch für das
Deutsche Reich 1888, Jahrgang 9, Berlin 1888, ND Hildesheim New York 1974, S. 163).
Heeresstärke 1913: 790778 Mann (Etatstärke des Deutschen Heeres 1913, in: Statistisches Jahrbuch für das,
Deutsche Reich, Jahrgang 34, Berlin 1913, S. 329.)
45
Kreuzzeitung, S. 1.
46
,,[...] Der Besitz und die wirtschaftliche Erschließung unserer Kolonien gehört für die Partei zu den

- 8 -
Gebiete sowie deren verwaltungsmäßiger Ausbau. Erst diese beiden Fakten ermöglichen eine wirt-
schaftliche und bevölkerungsmäßige Erschließung. Die Unwirtschaftlichkeit wird nicht erwähnt, weil
sie dem Autor in seiner Oberflächlichkeit nicht bewusst ist oder er sie absichtlich ignoriert um nicht zu
zeigen, dass die Konservativen für eine fehlerhafte Politik eintreten
47
.
Als letzten Punkt wird die außenpolitische Lage des Reiches gezeigt. Sie habe sich durch den Welt-
machtsanspruch des Kaisers angespannt und sei damit schwerer zu beherrschen als unter Bismarck
48
.
Explizit für diese Politik wird die Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrages
49
mit Russland
angeführt. Der Autor kritisiert diese Vorgehensweise nicht, da sie möglicherweise notwendig auf dem
Wege zur Weltpolitik gewesen sein könnte. Sicher ist sich der Schreiber aber nicht. Er erkennt dennoch,
dass die Nichtverlängerung des Rückerversicherungsvertrages zu einem Zweibund zwischen Russland
und Frankreich geführt habe
50
. Er sieht damit das Ergebnis der deutsch- russischen Verstimmungen, aber
nicht die Gründe. So ist eine französisch- russische Annäherung nicht erst im Jahre 1890, sondern schon
1887 durch die Übernahme französischer Kredite durch Russland feststellbar. Schuld daran trägt das
Deutsche Reich, da es sich selbst als Kreditgeber für Russland durch die Sperrung der Kredite
ausschaltet. Für die Argumentation des Verfassers ist diese Genauigkeit nicht wichtig, da er die meisten
Punkte nur kurz anschneidet und bemüht ist Fehler in der deutschen Außenpolitik nicht zu deutlich zu
zeigen.
Es kann festgestellt werden, dass das Lob der konservativen Parteien auf Wilhelm II. ernst gemeint ist.
Es fällt diesen Gruppen leicht, eine solche Anerkennung auszusprechen, da die Leistungen und Bemü-
hungen des Kaisers sich mit ihren Forderungen decken. Dennoch zeigt der Artikel ein idealistisches Bild
der Regierungszeit Wilhelms II., da keine direkte oder indirekte Kritik am Herrscher wie vor 1913 geübt
wird. Die einzige Kritik in diesem Artikel richtet sich gegen den Reichskanzler Caprivi. Sie wird aber in
Bezug auf Wilhelm II. zu Hervorhebung seiner Leistung und zur Abwertung seines zweiten
Reichskanzlers verwendet. Das ideale Bild entsteht durch die Oberflächlichkeit, mit der der Autor die
Punkte beschreibt sowie durch den Willen, die Regierungszeit des Kaisers zu glorifizieren. Sie ist aber
auch hier Mittel zum Zweck- der Erhöhung Kaiser Wilhelm II.
Vorraussetzungen der Weltmachstellung des Reiches [...]"
Leitsätze der Frei- und Reichskonservativen Partei 1907, in: Mommsen, Wilhelm: Deutsche Parteiprogramme, 3.
Aufl., München 1960, S. 86-87, S. 86.
47
So hat die größte Kolonie, Deutsch- Ostafrika, im Jahre 1913 13,78 Mio. Mark Einnahmen gegen 34,25 Mio.
Mark Ausgaben.
Die Schutzgebiete. Finanzen, in: Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, Bd. 34, 1913, Berlin 1913, S. 442-
464, S. 446.
48
Kreuzzeitung, S. 1.
49
Rückversicherungsvertrag, in: Gudemann, Wolf- Eckhard (Hrsg.): Das Lexikon der Weltgeschichte. Von der
Steinzeit bis zur Gegenwart, München 1998, S. 668.
50
Kreuzzeitung, S. 1.

- 9 -
C: Liberale Bewertung Kaiser Wilhelms II.
1. Das Kaiserjubiläum- Artikel des nationalliberalen Bayreuther
Anzeigers
51
Der Nationalliberale Bayreuther Anzeiger
52
beginnt seinen Festartikel mit einem Rückblick auf den
Regierungsbeginn Kaiser Wilhelms II. am 15.6.1888. So sei an diesem Tag vom neuen Herrscher nur
bekannt gewesen, dass er eine starke Redebegabung und ein großes Interesse am Militär habe.
Im folgenden Abschnitt wird seine erste Reichstagsrede vom 25.6.1888 beschrieben. Hierin habe er
seinen Willen zur Fortsetzung der Bemühungen seines Großvaters, Wilhelm I., bekundet
53
. Der Autor
stellt dabei besonders die Fortsetzung der Sozialpolitik und die Sicherung des Friedens heraus. Nach
seiner Meinung habe der Kaiser die selbst gestellten Anforderungen erfüllt
54
. Als Beispiel für die
Leistung des Herrschers wird kurz die Innenpolitik angesprochen. So habe es in den letzten 25 Jahren
viele gesetzgeberische Maßnahmen im Bereich der Sozialpolitik gegeben. Besonders herausgehoben
wird dabei die Reichsversicherungsordnung von 1911
55
. Aber auch zwei Enttäuschungen zeigt der
Verfasser auf.
So seien die Umsturzvorlage und das Zuchthausgesetz gescheitert
56
.
Ein eigener Abschnitt wird für die Wehrpolitik verwendet. Hier habe Wilhelm II. nicht nur eine
Ausdehnung des Heeres und der Flotte erreicht, sondern die Zustimmung der bürgerlichen Parteien für
die Erweiterung beider Teilstreitkräfte erlangt. Besonders der Flottenpolitik wird dabei ein Lob
ausgesprochen, da sie die deutsche Marine zur zweitstärksten Macht hinter England gebracht habe
57
.
Der nächste Punkt ist die Kolonialpolitik. Hier habe die Politik des Kaisers ,,[...] wegweisend [...]" ge-
wirkt
58
. Insbesondere der Erwerb neuer Gebiete wird dabei herausgehoben.
Im Bereich der Außenpolitik kann der Autor die Festigung des Dreibundes und die Bewahrung eines
guten Verhältnisses zu Russland und die Verbesserung der Beziehungen zu England herausstellen.
Zum Abschluss des Artikels wird die Regierungszeit Kaiser Wilhelms II. als Friedenszeit dargestellt
und der Hoffnung Ausdruck gegeben, weitere 25 Jahre unter seiner Herrschaft in Frieden und Wohl-
51
Das Kaiserjubiläum, in : Oberfränkische Zeitung und Bayreuther Anzeiger Nr.164 vom 15. 6. 1913, Jahrgang
64, S. 1
(Im Folgenden als Bayreuther Anzeiger zitiert.).
52
Der Charakter der Zeitung ist aus der Eigenwerbung zu erschließen aus:
Abonnentenwebung, in: Oberfränkische Zeitung und Bayreuther Anzeiger, Nr. 163 vom 14. 6. 1913, Jahrgang
64, S. 1.
53
,,[...] Ich habe Sie, geehrte Herren, hergerufen, um vor Ihnen dem deutschen Volke zu verkünden, dass Ich
entschlossen bin, [...] dieselben Wege zu wandeln [ wie mein Großvater ] [...]".
Text zur Eröffnung der Reichstagsrede, in: Kaiserworte 1888-1898, Hannover 1898, S. 4- 7, S. S. 5.
54
Bayreuther Anzeiger, S. 1.
55
Frisching, Jens (Hrsg.): Ereignisse, die Deutschland veränderten, Stuttgart 1996, S. 339.
56
Bayreuther Anzeiger, S. 1.
57
Ebda.
58
Ebda.

- 10 -
stand zu leben.
Für den Autor sind fünf Punkte besonders wichtig.
Als Erstes beschreibt er die Errungenschaften auf dem Gebiet der Sozialpolitik.
Diese Politik sei eine Fortsetzung des sozialpolitischen Programms Kaiser Wilhelms I.
59
. Damit denkt
der Verfasser an die Einführung der Invaliditätsversicherung 1883, der Unfallversicherung 1884 und der
Vorbereitung der erst unter Wilhelm II. durchgesetzten Krankenversicherung von 1889. Durch die
Aufnahme dieses Themas kann erschlossen werden, dass der Autor diese Politik positiv bewertet. Damit
steht er fest auf nationalliberalem Boden
60
. Dennoch nennt der Verfasser keine Gesetze explizit, außer
der Reichsversicherungsordnung von 1911. Die Erklärung lässt sich aus den Parteiprogrammen der
Nationalliberalen und der Anlage der Gesetze ableiten. Zuerst zu einem der wichtigsten gesetzgebe-
rischen Maßnahmen zu Beginn der Regierungszeit Wilhelms II.- den Februar- Erlassen. Sie beziehen
sich auf den Schutz der Arbeiter in gewerblichen Anlagen und in den Bergwerken
61
. Die hier gefassten
Beschlüsse erfassen nur die Arbeiter, nicht aber den Mittelstand, für den sich die Nationalliberalen stark
machen
62
. Da keine Verbesserungen für den Mittelstand eintreten, werden diese Erlasse nicht erwähnt.
Aber auch im Bereich der Arbeiter bezieht die Partei Stellung zu diesen Gesetzen. So sind die
Beschlüsse nicht bindend, sondern nur ,,[...] wünschenswerth [...]"
63
. Da ihre Endpunkte nach Meinung
der Nationalliberalen nicht oder nur unvollständig umgesetzt werden
64
, werden sie nicht als positive
Leistung des Kaisers dargestellt. Der einzige kurz dargestellte Fakt ist die Reichsversicherungsordnung
von 1911. Ihre Zusammenfassung des sozialen Sicherungssystems wird vom Autor hervorgehoben, da
es eine Forderung der Nationalliberalen
59
Ebda.
60
,,[...] Sie [ die nationalliberale Partei ] hat stets für die berechtigten Interessen der Arbeiter, insbesondere auf dem
Gebiet der sozialen Führsorge gekämpft [...]".
Wahlaufruf der Nationalliberalen Partei November 1911, in: Mommsen, Wilhelm: Deutsche Parteiprogramme, 3.
Aufl., München 1960, S.176- 178, S. 178.
61
Schlussprotokoll der Internationalen Konferenz betreffend die Reglung der Arbeit in den gewerblichen Anlagen
und in den Bergwerken, in: Maute, Hans- Ernst: Die Februarerlasse Wilhelms II. und ihre gesetzliche Ausführung,
unter besonderer Berücksichtigung der Berliner Arbeitsschutzkonferenz von 1890, jur. Diss. o. O. 1984, S. 233-
242, S. 236.
62
Die Nationalliberale Partei ,,[...] wird sich für die Kräftigung des selbstständigen Mittelstandes [...] einsetzen
[...]"
Wahlaufruf der Nationalliberalen Partei November 1911, in: Mommsen, Wilhelm: Deutsche Parteiprogramme, 3.
Aufl., München 1960, S.176- 178, S. 178.
63
Schlussprotokoll der Internationalen Konferenz betreffend die Reglung der Arbeit in den gewerblichen Anlagen
und in den Bergwerken, in: Maute, Hans- Ernst: Die Februarerlasse Wilhelms II. und ihre gesetzliche Ausführung,
unter besonderer Berücksichtigung der Berliner Arbeitsschutzkonferenz von 1890, jur. Diss. o. O. 1984, S. 233-
242, S. 236.
64
So fordern die Nationalliberalen noch im Jahre 1907,,[...] auf dem Gebiete des Arbeitsschutzes: Planmäßige
Durchführung der weitgehenden Beschlüsse von 1891 [...] Beschränkung der Arbeitszeit für erwachsene Arbeiter
in Fabriken mit Gefahren für die Gesundheit [...]".
Ziele und Bestrebungen der Nationalliberalen Partei. Januar 1907, in: Mommsen, Wilhelm: Deutsche
Parteiprogramme, 3. Aufl., München 1960, S.168- 173, S. 172.

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ist
65
. Nur hier spricht der Autor dem Kaiser ein direktes Lob aus. Dieses wird nicht weiter ausgeführt,
da der Autor keine weiteren vorteilhafte Fakten zu loben weiß. Die Begründung hierfür liegt im
nachlassenden Reformeifer Wilhelms II. und dem Abbruch der Sozialpolitik 1894
66
. Die Enttäu-
schungen bei der Nichtumsetzung der Zuchthaus- und Umsturzvorlage scheint der Autor, ohne näher
darauf einzugehen, zu teilen.
Der zweite herausragende Fakt der Regierungszeit des Kaisers ist die Wirtschaftspolitik des zweiten
Reichskanzlers Caprivi. Indirekt lässt sich eine Kritik an der Schutzzollpolitik nachweisen. Direkt
werden hierbei aber nur die Handelsverträge hervorgehoben.
Zuerst zur Schutzzollpolitik Caprivis. Sie wird nicht erwähnt, da die Nationalliberalen nicht zufrieden
mit ihrer Änderung sind. Erklärbar ist dieser Fakt in der Stellungnahme dieser Partei zum Schutz der
deutschen Wirtschaft durch Aufschläge. So hält die Partei an den Schutzzöllen noch im Jahr 1911 fest.
67
Damit haben die Nationalliberalen einen stark konservativen Kurs. Da die Einfuhrzölle unter Caprivi
stark von 5 Mark pro 100 kg auf 3,5 Mark pro Doppelzentner Getreide absinken und damit eine
Forderung der in Konkurrenz zu den Nationalliberalen stehenden Linksliberalen erfüllt wird
68
, kann
diese Politik nicht gelobt werden. Da aber der Artikel generell als Festartikel die Aufgabe hat den
Kaiser zu loben, wird anstelle der unpassenden Kritik der negative Fakt vom Autor ausgelassen.
Dagegen werden die Handelsverträge herausgehoben und damit, wenn auch nur eingeschränkt, als
positiv bewerdet. Sie ermöglichen einen wirtschaftlichen Aufschwung, da neue Absatzmärkte eröffnet
werden. Dadurch entstehen neue Arbeitsplätze und die wirtschaftliche Macht des deutschen Reiches
nach außen wird gestärkt. So steht der Autor fest auf liberalem Boden, da diese Forderung von den
Linksliberalen
69
ebenso wie von den Nationalliberalen
70
wenn auch mit der Einschränkung durch die
Schutzzölle, erhoben wird. Trotz der Ablehnung des Freihandels werden die Handelsverträge positiv
dargestellt, da die Zollschranke für Produkte aus nicht von den Abmachungen betroffenen Ländern be-
65
,,[...] Reform der gesamten Arbeiterversicherung im Sinne ihrer einheitlichen Zusammenfassung, Verein-
fachung und Verbilligigung [...]".
Ziele und Bestrebungen der Nationalliberalen Partei. Januar 1907, in: Mommsen, Wilhelm: Deutsche
Parteiprogramme, 3. Aufl., München 1960, S.168- 173, S. 172.
66
Fehrenbach, Elisabeth: Wandlungen des deutschen Kaisergedankens 1871- 1918, München, Wien 1969, S. 196.
67
,,[...] Auf dem Gebiete der Wirtschaftspolitik hält die Nationalliberale Partei fest am bestehenden und
bewährtem System des maßvollen Schutzzolles [...]"
Wahlaufruf der Nationalliberalen Partei November 1911, in: Mommsen, Wilhelm: Deutsche Parteiprogramme, 3.
Aufl., München 1960, S.176- 178, S. 178.
68
,,[...] Keine Zoll-, Steuer- und Verkehrspolitik im Dienste von Sonderinteressen [...]". (Ist gegen den Bund der
Landwirte gerichtet, deshalb darf die Zollpolitik nicht so hart ausfallen, wie sie von den Konservativen und
Nationalliberalen gefordert wird.)
Fortschrittliche Volkspartei. Einigungsprogramm. 6. März 1910, in: Mommsen, Wilhelm: Deutsche
Parteiprogramme, 3. Aufl., München 1960, S. 173- 176, S.175.
69
Die Fortschrittliche Volkspartei fordert die ,,[...] Hebung des Wirtschaftlichen Verkehrs durch Tarif- und
Handelsverträge mit dem Ausland [...]"
Fortschrittliche Volkspartei. Einigungsprogramm. 6. März 1910, in: Mommsen, Wilhelm: Deutsche
Parteiprogramme, 3. Aufl., München 1960, S. 173- 176, S.174.
70
Die Nationalliberale Partei wird sich ,,[...] gegen die Bestrebungen wenden, welche sich in der Richtung des
Feihandels bewegen. [...]"
Wahlaufruf der Nationalliberalen Partei November 1911, in: Mommsen, Wilhelm: Deutsche Parteiprogramme, 3.
Aufl., München 1960, S.176- 178, S. 178.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783956362873
ISBN (Paperback)
9783836605618
Dateigröße
487 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Bayreuth – Fakultät für Geisteswissenschaften II, Neueste Geschichte
Note
1,0
Schlagworte
kaiserreich öffentliche meinung presse medienpolitik kaiser wilhelm
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Titel: Die Bewertung Kaiser Wilhelms II. im Jahre seines Silbernen Regierungsjubiläums am 15. Juni 1913 aus parteipolitischer und auswärtiger Sicht
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