Des Geizes neue Kleider
'Geiz ist geil' und seine Implikationen
					
	
		©2006
		Magisterarbeit
		
			
				105 Seiten
			
		
	
				
				
					
						
					
				
				
				
				
			Zusammenfassung
			
				Inhaltsangabe:Einleitung:	
Die Werbeagentur Jung von Matt hat für die Saturngruppe einen neuen Slogan kreiert, der binnen kürzester Zeit in aller Munde war: Geiz ist geil.
Geiz ist geil hört und liest man fast überall. Einerseits hat der Werbespruch einen ungeheuren Erfolg. Andere Unternehmen springen auf den Geiz-Zug mit auf. Es eröffnen Billigkaufhäuser mit Namen wie beispielsweise Mäc-Geiz in vielen Städten und Geiz wird im Kontext von Wirtschaft und Werbung plötzlich zu einem häufig gebrauchten Begriff. Andererseits ist er ein Ärgernis. Die Feuilletons aller namhaften Zeitungen sind voll der moralischen Entrüstung darüber, wie man die Untugend Geiz zu solch Ehren gelangen lassen konnte.
In dieser Arbeit wird zunächst der Frage nachgegangen, was denn Geiz eigentlich ist, was ihn zum Beispiel von der Sparsamkeit unterscheidet. Anschließend wird geklärt, welche Folgen der Geiz in persönlicher sowie in sozialer Hinsicht hat und was das moralisch Verwerfliche an ihm ist, worauf sich die Kritik an der Werbekampagne stützt.
Auf der persönlichen Ebene ist zu fragen, was den Einzelnen zum Geiz führt und zu was der Geiz beim Einzelnen führt. Das Interessante an der Werbekampagne ist ja der Mut der Werbefachleute, sich ohne Scheu eines negativ belegten Begriffes zu bedienen und ihn mit einem Modewort wie geil zu kombinieren. Die Aussage Geiz ist geil hat nichts mit den beworbenen Produkten zu tun. Sie zielt auf das Preisbewusstsein des Kunden ab sowie auf dessen Wunsch, sich in seinem Kaufverhalten von anderen, nicht so cleveren Käufern abzugrenzen. Hier wird der Kunde in seinem Selbstverständnis angesprochen. Im Bemühen, sich in der Masse als Individuum zu definieren, scheinen ungewöhnliche Werbebotschaften oft besonders gut angenommen zu werden. Die Bereitschaft für Geiz muss demnach in der Person des Individuums bzw. in seiner Selbstwahrnehmung liegen.
Auf der sozialen Ebene geht es um die Sozialverträglichkeit von Geiz und also auch um die soziale Bewertung selbigen. Die Bereitschaft, sich selbst dazu als geizig zu bezeichnen, erschreckt  ethisch betrachtet  doch nicht unerheblich. Es scheint, als gelten dem Konsumenten in dieser Situation die Vorteile für seine eigene Person mehr als die Interessen der Gemeinschaft bzw. seine Verantwortung für die Gemeinschaft.
Schließlich stellt sich die Frage, warum eine Kampagne mit einem solchen Titel so erfolgreich sein kann, warum das Motto dieser Kampagne so weit reichend aufgenommen wird, […]
	Die Werbeagentur Jung von Matt hat für die Saturngruppe einen neuen Slogan kreiert, der binnen kürzester Zeit in aller Munde war: Geiz ist geil.
Geiz ist geil hört und liest man fast überall. Einerseits hat der Werbespruch einen ungeheuren Erfolg. Andere Unternehmen springen auf den Geiz-Zug mit auf. Es eröffnen Billigkaufhäuser mit Namen wie beispielsweise Mäc-Geiz in vielen Städten und Geiz wird im Kontext von Wirtschaft und Werbung plötzlich zu einem häufig gebrauchten Begriff. Andererseits ist er ein Ärgernis. Die Feuilletons aller namhaften Zeitungen sind voll der moralischen Entrüstung darüber, wie man die Untugend Geiz zu solch Ehren gelangen lassen konnte.
In dieser Arbeit wird zunächst der Frage nachgegangen, was denn Geiz eigentlich ist, was ihn zum Beispiel von der Sparsamkeit unterscheidet. Anschließend wird geklärt, welche Folgen der Geiz in persönlicher sowie in sozialer Hinsicht hat und was das moralisch Verwerfliche an ihm ist, worauf sich die Kritik an der Werbekampagne stützt.
Auf der persönlichen Ebene ist zu fragen, was den Einzelnen zum Geiz führt und zu was der Geiz beim Einzelnen führt. Das Interessante an der Werbekampagne ist ja der Mut der Werbefachleute, sich ohne Scheu eines negativ belegten Begriffes zu bedienen und ihn mit einem Modewort wie geil zu kombinieren. Die Aussage Geiz ist geil hat nichts mit den beworbenen Produkten zu tun. Sie zielt auf das Preisbewusstsein des Kunden ab sowie auf dessen Wunsch, sich in seinem Kaufverhalten von anderen, nicht so cleveren Käufern abzugrenzen. Hier wird der Kunde in seinem Selbstverständnis angesprochen. Im Bemühen, sich in der Masse als Individuum zu definieren, scheinen ungewöhnliche Werbebotschaften oft besonders gut angenommen zu werden. Die Bereitschaft für Geiz muss demnach in der Person des Individuums bzw. in seiner Selbstwahrnehmung liegen.
Auf der sozialen Ebene geht es um die Sozialverträglichkeit von Geiz und also auch um die soziale Bewertung selbigen. Die Bereitschaft, sich selbst dazu als geizig zu bezeichnen, erschreckt  ethisch betrachtet  doch nicht unerheblich. Es scheint, als gelten dem Konsumenten in dieser Situation die Vorteile für seine eigene Person mehr als die Interessen der Gemeinschaft bzw. seine Verantwortung für die Gemeinschaft.
Schließlich stellt sich die Frage, warum eine Kampagne mit einem solchen Titel so erfolgreich sein kann, warum das Motto dieser Kampagne so weit reichend aufgenommen wird, […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Katharina Stolte 
Des Geizes neue Kleider 
'Geiz ist geil' und seine Implikationen 
ISBN: 978-3-8366-0512-0 
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008 
Zugl. Universität Bayreuth, Bayreuth, Deutschland, Magisterarbeit, 2006 
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© Diplomica Verlag GmbH 
http://www.diplom.de, Hamburg 2008 
Printed in Germany
3
Inhaltsverzeichnis
1 Des Geizes neue Kleider...3
2 Eine Annäherung an den Geiz ...5
2.1 Geiz im Spiegel der Sprache...5
2.1.1 Etymologie und Bedeutungswandel von Geiz ...5
2.1.2 Begriffseingrenzungen...6
2.1.3 Was Geiz ist: Ein erster Versuch...10
2.2 Die Bewertung von Geiz im Wandel der Zeit...11
2.2.1 Geiz in der Antike ...11
2.2.2 Geiz im Mittelalter...15
2.2.3 Geiz in der Neuzeit...18
2.2.4 Geiz in der Moderne...22
2.3 Das Erbe der Todsünde: weshalb der Geiz ungelitten ist...25
2.3.1 Die soziale Bewertung von Geiz ...26
2.3.2 Was Geiz ist: zweiter Versuch ...29
2.4 Zusammenfassung...30
3 Der Geiz und das Ich...33
3.1 Was das Ich ist...34
3.2 Das Ich in der Welt des Konsums...40
3.2.1 Dem Ich nützlicher Geiz und dem Geiz zuträgliches Ich...43
3.2.2 Dem Ich schädlicher Geiz und dem Geiz abträgliches Ich...45
3.3 Von der Macht der Bedürfnisse...48
3.3.1 Bedürfnisse und Geiz ...51
3.4 Zusammenfassung...53
4 Der Geiz und die Gemeinschaft...56
4.1 Geiz auf der Ebene der sozialen Gruppen...57
4.2 Geiz auf der Ebene der Gesellschaft ...59
4.3 Geiz und Verantwortung...62
4.3.1 Zum Prinzip der Verantwortung...62
4.3.2 Geiz versus Verantwortung ...67
4
4.4 Zusammenfassung...70
5 Betrachtung der "Geiz ist geil"Kampagne...73
5.1 Ist Geiz ein Klischee?...74
5.2 Das Teilhabeversprechen...76
5.3 Die Geister die der Slogan rief...82
5.3.1 ,,Geiz ist geil" als Rache des kleinen Mannes...83
5.3.2 Leben auf Pump...85
5.4 Des Geizes neue Kleider?...89
5.5 Zusammenfassung...90
6 Des Geizes neue Kleider  doch nur Lumpen...92
7 Bibliographie...97
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Materielle Dimensionen der Begriffsfamilie um Geiz (Entwurf: K. 
Stolte)...8
Abbildung 2: Soziale Dimensionen persönlicher Eigenschaften (Entwurf: K. 
Stolte)...28
Abbildung 3: Beispiel geschachtelte Identitäten (nach K. Stolte)...37
Abbildung 4: Beispiel nebenläufige Identitäten (nach K. Stolte)...38
Abbildung 5: Funktionsbereiche des Einkaufs...42
Abbildung 6: Geizistgeil Werbung der Metrotochter Saturn...73
Abbildung 7: GeileralsGeiz Werbung von mobilcom...76
Abbildung 8: IchundmeinBier Werbung von Norma...80
Abbildung 9: Schuldenstand private Haushalte der kreisfreien Stadt Bayreuth.
Quelle: www.schufa.de...87
Abbildung 10: Schuldenstand nach Altersgruppe in der kreisfreien Stadt Bayreuth.
Quelle: www.schufa.de...88
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1 Des Geizes neue Kleider
Die Werbeagentur Jung von Matt hat für die Saturngruppe einen neuen Slogan 
kreiert, der binnen kürzester Zeit in aller Munde war: "Geiz ist geil".
,,Geiz ist geil" hört und liest man fast überall. Einerseits hat der Werbespruch 
einen ungeheuren Erfolg. Andere Unternehmen springen auf den GeizZug mit 
auf. Es eröffnen Billigkaufhäuser mit  Namen wie beispielsweise MäcGeiz in 
vielen Städten und Geiz wird im Kontext von Wirtschaft und Werbung plötzlich 
zu einem häufig gebrauchten Begriff. Andererseits ist er ein Ärgernis. Die Feuille
tons aller namhaften Zeitungen sind voll der moralischen Entrüstung darüber, wie 
man die Untugend Geiz zu solch Ehren gelangen lassen konnte.
In   dieser   Arbeit   wird   zunächst   der   Frage   nachgegangen,   was   denn   Geiz 
eigentlich ist, was ihn zum Beispiel von der Sparsamkeit unterscheidet. Anschlie
ßend wird geklärt, welche Folgen der Geiz in persönlicher sowie in sozialer Hin
sicht hat und was das moralisch Verwerfliche an ihm ist, worauf sich die Kritik an 
der Werbekampagne stützt. 
Auf der persönlichen Ebene ist zu fragen, was den Einzelnen zum Geiz führt 
und   zu   was   der   Geiz   beim   Einzelnen   führt.   Das   Interessante   an   der   Werbe
kampagne   ist   ja   der   Mut   der   Werbefachleute,   sich   ohne   Scheu   eines   negativ 
belegten Begriffes zu bedienen und ihn mit einem Modewort wie ,,geil" zu kom
binieren. Die Aussage ,,Geiz ist geil" hat nichts mit den beworbenen Produkten zu 
tun. Sie zielt auf das Preisbewusstsein des Kunden ab sowie auf dessen Wunsch, 
sich in seinem Kaufverhalten von anderen, nicht so ,,cleveren" Käufern abzugren
zen.   Hier   wird   der   Kunde   in   seinem   Selbstverständnis   angesprochen.   Im   Be
mühen, sich in der Masse als Individuum zu definieren, scheinen ungewöhnliche 
Werbebotschaften oft besonders gut angenommen zu werden. Die Bereitschaft für 
Geiz muss demnach in der Person des Individuums bzw. in seiner Selbstwahr
nehmung liegen.
Auf der sozialen Ebene geht es um die Sozialverträglichkeit von Geiz und also 
auch um die soziale Bewertung selbigen. Die Bereitschaft, sich selbst dazu als gei
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zig zu bezeichnen, erschreckt    ethisch betrachtet    doch nicht unerheblich. Es 
scheint, als gelten dem Konsumenten in dieser Situation die Vorteile für seine 
eigene Person mehr als die Interessen der Gemeinschaft bzw. seine Verantwortung 
für die Gemeinschaft. 
Schließlich stellt sich die Frage, warum eine Kampagne mit einem solchen 
Titel so erfolgreich sein kann, warum das Motto dieser Kampagne so weit rei
chend   aufgenommen   wird,   obwohl   Geiz   im   privaten   Bereich   abgelehnt   wird. 
Daher ist auch eine kurze Betrachtung der rationalen und irrationalen Kaufent
scheidung   notwendig.   Rational   versucht   der   Konsument   für   ein   Produkt   nur 
dessen tatsächlichen Geldwert zu bezahlen. Ein solches Geschäft entspricht dem 
altertümlichen Tauschhandel: das eigene Gut geben und etwas gleichwertiges, das 
ein wichtiges Bedürfnis deckt, dafür erhalten. Irrational ist der Konsument jedoch 
beständig auf so genannte ,,Schnäppchen" aus, die ihm das Gefühl geben, weniger 
für ein Produkt bezahlt zu haben, als dieses tatsächlich wert ist. Der Kunde möch
te den Hersteller, der seiner Meinung nach ,,ohnehin genug verdient", zu seinen 
eigenen Gunsten übervorteilen. Das irrationale Kaufverhalten schmeichelt dem 
Selbstverständnis des Konsumenten. Ein Slogan wie ,,Geiz ist geil" spricht den 
Konsumenten auf seiner irrationalen Ebene an und versucht, das vermeintlich po
sitive ,,Schnäppchenerlebnis" schon im Vorfeld zu festigen. In diesem Feld der ra
tionalen und irrationalen Kaufentscheidung stoßen Individualismus und Gemein
schaftsverantwortung   aufeinander.   Geiz   ist   der   Ausdruck   zunehmender   Eigen
orientierung des Individuums, eventuell auf Kosten der Gemeinschaft.
Was Geiz noch alles ist und wohin er führen kann wird im folgenden erläutert.
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2 Eine Annäherung an den Geiz 
2.1 
   Geiz im Spiegel der Sprache
Warum ist die Sprache in Hinblick auf die Bewertung oder Wahrnehmung von 
Geiz innerhalb einer Gesellschaft wichtig?  ,,Die Wörter einer Sprache sind [...] 
Träger   und   Vermittler   [der]   in   einer   soziokulturellen   Gemeinschaft   vorherr
schenden Vorstellung von positiv bzw. negativ bewerteten Eigenschaften, Einstel
lungen   und   Handlungen.   Ältere   und   neuere   Auffassungen   von   richtigem   und 
falschem sozialen Verhalten spiegeln sich im Wortschatz [...] einer Sprache, am 
deutlichsten wohl in Sprichwörtern oder Schimpfwörtern."
1
 Anhand der Sprache 
lässt sich demnach gut die veränderte Wertung einer Eigenschaft ablesen.
2.1.1 
 Etymologie und Bedeutungswandel von Geiz 
Unser Substantiv Geiz lässt sich zurückführen auf das althochdeutsche Substantiv 
gît
2
  (Habsucht, Gier), das zum ersten Mal im 9. Jahrhundert schriftlich belegt 
wurde. Das mittelhochdeutsche Verb  gtesen bzw. gtsen  ist eine Ableitung von 
diesem Substantiv.
3
  Die Form des Wortes mit  z  statt mit  t  am Ende zeigt sich 
gegen Ende des 13. Jahrhunderts, wobei einige Zeit lang beide Formen parallel zu 
finden sind. So verwendet noch Luther anfangs geitig und gittig neben geizig.
4
Geiz bezeichnet eigentlich die sinnliche Gier, also die aufs Essen gerichtete 
Lust. Daher verwendete man auch im 15. Jahrhundert den Begriff  geiz  medi
zinisch für heiszhunger.
5
 Diese ursprüngliche Vorstellung von geiz als Hunger ist 
in den metaphorischen Verwendungen der damaligen Zeit deutlich zu erkennen, 
etwa in geizhals und geizkragen.
Des weiteren bedeutete geiz Gier im allgemeinen, d.h. auch im guten Sinne. 
Dies zeigt sich heute noch im eher positiv besetzten Begriff Ehrgeiz, im 17. Jahr
hundert auch noch  amtsgeiz  oder  lobgeiz  und  lustgeiz  genannt. Selbst die Gier 
nach Macht bezeichnete man mit Hilfe des Wortes  geiz, nämlich  weltgeizigkeit 
1 Malmquist, 2000, S. 9
2 vgl. Lexer, 1992, S. 73 und Schützeichel, 1989, S. 129
3 Kluge, 1995, S. 308
4 vgl. Grimm, 1984, S. 2811f
5 vgl. Grimm, 1984, S. 2813
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oder weltgeiz (Gier nach Weltherrschaft). Andere Formen der Gier finden sich in 
liebesgeiz und kaufgeiz.
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Im Laufe der Zeit schränkte sich der Begriff geiz jedoch immer stärker auf die 
Gier   nach   Geld  und  Gut   ein,  während  Gier  allgemein  blieb.  Dabei  wurde  er 
zunehmend negativ besetzt. Es fand also eine fundamentale Bedeutungsverschie
bung von der ursprünglichen Gier nach etwas bzw. dem ,,heftig verlangen, streben 
nach"
7
 statt, bis hin zu der heutigen: ,,Scheu vor Geldausgaben, ängstliches oder 
gieriges Festhalten des Gewonnenen."
8
2.1.2 
 Begriffseingrenzungen
Lexika des 20. Jahrhunderts definieren den Begriff Geiz folgendermaßen: ,,Eng
herziges Festhalten am Besitz, auch auf Kosten der Befriedigung eigener Bedürf
nisse" (DTV Lexikon 1967), ,,Bis zur Sucht übertriebenes Bestreben, Besitz nicht 
zu veräußern, übertriebene Sparsamkeit, Habsucht, Knauserei." (Ullstein Lexikon 
1969), ,,übertriebene Sparsamkeit" (Duden 1996).
9
 Folgende Begriffe tauchen im 
Zusammenhang mit Geiz oder dessen Definition immer wieder auf: Vermehrung 
und Erhaltung von Besitz, übertriebene Sparsamkeit, Habsucht, Habgier, Knause
rei und nichthergebenwollen. Es ist daher notwendig, den Begriff im Rahmen 
dieser Arbeit einzugrenzen, um zu einer größeren Begriffsklarheit zu gelangen.
Geiz scheint ein zu viel vom Einen und ein zu wenig vom Anderen zu sein. 
Nennen wir das eine Nehmen und das andere Geben. Geiz ist also zu viel Nehmen 
und zu wenig Geben. Um dem Wesen des Geizes noch näher zu kommen, ist es 
wichtig, zwei Arten von Nehmen und Geben zu unterscheiden: das  materialis
tische Nehmen und Geben sowie das soziale Nehmen und Geben. 
Materialistisches Geben steht für bezahlen und etwas dafür bekommen. Mate
rialistisches   Nehmen  steht   für  etwas   bekommen   und   dafür   bezahlen.  Beides 
beschreibt eine ökonomische Austauschbeziehung der Personen zueinander. Es 
sagt wenig bis gar nichts über die emotionale oder die soziale Beziehung der 
6 vgl. Grimm, 1984, S. 2813f
7 Malmqusit, 2000, S. 84
8 Grimm, 1984, S. 2815
9 zitiert nach Malmquist, 2000, S. 62
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Personen zueinander aus.  In diese Kategorie des  materialistischen Geben und 
Nehmens gehören Begriffe wie Habsucht, Habgier, Sparsamkeit, Verschwendung, 
Bescheidenheit, Geiz. Sie alle verdeutlichen eine bestimmte ökonomische Ver
haltensweise des Individuums nach außen.
Im Gegensatz dazu bedeutet soziales Geben  das Abgeben eines Gutes oder 
einer Geldsumme ohne eine unmittelbare Gegenleistung. Hier wären Begriffe wie 
Großzügigkeit, Mildtätigkeit oder Großmut einzuordnen. Unter sozialem Nehmen 
ist z.B. das Erbitten einer Hilfeleistung, Bedürftigkeit, Rat oder ein offenes Ohr 
suchen, das Ausleihen von Gegenständen oder Geld zu verstehen. Das soziale Ge
ben oder Nehmen definiert die Beziehung der Beteiligten zueinander und macht 
damit auch eine Aussage über die emotionale oder soziale Beziehung der Personen 
zueinander. 
Im Definitionsrahmen einer ökonomischen Austauschbeziehung zwischen Per
sonen beruht die Beziehung auf dem Wechselspiel zwischen Geben und Nehmen. 
Dieses Wechselspiel soll die nachfolgende Grafik (siehe Abbildung 1) verdeutli
chen.
In einem Koordinatensystem, dessen Mittelpunkt eine neutrale Position der 
Personen (Zufriedenheitszustand) ist, gibt es eine Nehmen und eine Gebenachse. 
Beide Achsen sind Verlaufsachsen, d.h. sie bezeichnen den jeweiligen Akt des 
Gebens oder Nehmens in Richtung eines (zu) viel und eines (zu) wenig. In diesem 
Koordinatensystem von Geben und Nehmen lässt sich jeder der oben genannten 
Begriff spezifisch positionieren. Der Zufriedenheitszustand beschreibt dabei den 
harmonischen Ausgleich von Nehmen und Geben. 
In der Abbildung wird versucht, die materialistisch orientierten Begriffe Hab
gier bzw. Habsucht, Kaufsucht, Verschwendung, Geiz, Sparsamkeit, übertriebene 
Sparsamkeit und Bescheidenheit in dem Koordinatensystem gemäß ihrer gesell
schaftlichen Wahrnehmung zu platzieren. Die soziale Dimension der Eigenschaft 
Geiz bildet die Darstellung nicht ab. Diese wird an späterer Stelle untersucht 
werden.
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Die schematische Darstellung soll nachfolgende Begriffe zueinander in Bezug 
setzen und wird folgendermaßen erläutert: Das Koordinatensystem verdeutlicht 
die gesellschaftliche Wahrnehmung der materiell orientierten Eigenschaften eines 
Individuums innerhalb der Verlaufsachsen von Geben und Nehmen. 
Im oberen linken Quadrat finden wir die Kaufsucht. Sie liegt auf einer gedach
ten Achse von (zu) viel Nehmen und (zu) viel Geben. Die Kaufsucht ist weniger 
am Haben als vielmehr am beständigen Nehmen interessiert. Es geht um den Akt 
des   Kaufens,   wofür   das   Geben   in   Kauf   genommen   wird.   Daher   nimmt   der 
Kaufsüchtige ungefähr genau so viel wie er gibt, dies jedoch ohne Maß und ohne 
tatsächliche   Befriedigung.   Die   Bedürfnisse   sind   gänzlich   austauschbar.   Die 
Kaufsucht kommt dem Zufriedenheitszustand mit keiner Neuerwerbung näher. 
Im rechten oberen Quadrat liegt auf der (zu) viel NehmenAchse sehr weit 
oben die Habgier / Habsucht.  Die Habgier ist nur am Nehmen interessiert. Der 
Aspekt des Gebens wird ignoriert. Es geht ausschließlich um die Vermehrung ma
teriellen Gutes.
Ebenfalls im oberen rechten Quadrat, allerdings sehr weit rechts auf der (zu) 
wenig GebenAchse finden wir den Geiz. Der Geiz ist primär am Festhalten des 
Abbildung 1: Materielle Dimensionen der Begriffsfamilie um Geiz (Entwurf: K. Stolte)
neutral
(zu) wenig GEBEN
(zu) viel NEHMEN
(zu) viel GEBEN
(zu) wenig NEHMEN
Habgier
 / 
Habsucht
Geiz
Verschwendung
Kaufsucht
Bescheidenheit
Sparsamkeit
übertriebene
Sparsamkeit
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Besitzes interessiert.  Möglichst   wenig zu  geben  ist  die  oberste  Prämisse.  Das 
Nehmen ist dem Geiz gar nicht so wichtig, Hauptsache ist es, nichts geben zu 
müssen. Damit ist  der Geiz durchaus statisch, ja sogar ängstlich geprägt. Die 
Angst vor Armut oder vor Verlust allgemein prägt das Handeln des Geizigen.
Im rechten unteren Quadrat, relativ in der Mitte einer gedachten Achse zwi
schen (zu) wenig Geben und (zu) wenig Nehmen, ist die Sparsamkeit zu finden. 
Die Sparsamkeit will nicht viel geben und beschränkt dafür das Nehmen. Mehr zu 
bekommen als zu geben erfreut die Sparsamkeit. Die Motivation für Sparsamkeit 
kann materiell (Haushalten, Wohlergehen erhalten und vermehren) oder karitativ 
bzw. sozial (Verzicht zugunsten anderer) begründet sein.
Im selben Quadrat, doch wesentlich näher an der (zu) wenig Nehmen Achse 
liegt die Bescheidenheit. Die Bescheidenheit will nicht viel nehmen und muss da
her auch nicht viel geben. Ein Ausgleich zwischen Nehmen und Geben wird ange
strebt und jedes empfundene Bedürfnis gründlich überdacht.
Die übertriebene Sparsamkeit, ebenfalls im unteren rechten Quadrat, hat Angst 
vor   dem   Geben,   weswegen   sie   auf   ein   Nehmen   zugunsten   des   NichtGebens 
verzichtet. Haben möchte sie schon, doch am liebsten ohne Gegenleistung. Über
triebene Sparsamkeit ist fast immer materiell begründet, selten sozial. Sie ist dem 
Geiz nahe, doch nicht so statisch. 
Im unteren linken Quadrat, also zwischen (zu) viel Geben und (zu) wenig 
Nehmen siedelt sich die Verschwendung an. Die Verschwendung liebt es üppig. Es 
geht   mehr   um   das   Geben   als   um   das   Nehmen,   denn   im   Geben   liegt   mehr 
gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Ähnlich wie die Kaufsucht ist die Verschwen
dung nicht am Besitz interessiert, sondern lediglich am Akt des Kaufens. Von der 
Kaufsucht unterscheidet sie aber die Motivation: der Verschwendung geht es beim 
Kaufen   um   das   Gefühl   von   Unbeschränktheit   und   gesellschaftlicher 
Aufmerksamkeit. Das Nehmen ist dabei weniger wichtig.
2.1.3 
 Was Geiz ist: Ein erster Versuch
Materiell betrachtet ist der Geiz am Nehmen bzw. am Bewahren orientiert. An 
dieser Stelle kann schon einmal fest gehalten werden, dass ,,Geiz [...] eine Charak
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tereigenschaft [bezeichnet], hinter der ein Handlungskonzept steht. Eine Person ist 
geizig, wenn sie nicht im positiven Sinne sparsam ist, sondern Materielles zurück
hält, obwohl sie dies nicht müsste (und solches Verhalten anderen zum Nachteil 
gerät)."
10
 Geiz ist in den Augen der Psychoanalyse ein Synonym für Festhalten.
11
Der Geizige hat Angst vor Verlust und in gewisser Weise auch vor Bewegung. Die 
Beziehungen   zwischen   Menschen   sind   jedoch   im   Normalfall   geprägt   von   be
ständiger Bewegung, weswegen der Geizige in seinem Verharren und Beharren 
auch immer statisch wirkt. 
Der oben erwähnte Aspekt des «Nachteils für andere» ist sehr wichtig, um zu 
verstehen, weshalb Geiz im Laufe der Jahrhunderte immer wieder eher negativ be
wertet oder lächerlich gemacht wurde. Das Handlungskonzept eines Geizigen ist 
egozentrisch geprägt:  ,,Das ist das Erschütternde beim Geiz, dass hier nicht nur 
[...] Egoismus zu verzeichnen ist, sondern dass zu diesem Egoismus eine Habsucht 
kommt, die das, was man begehrt, ganz auf sich gewendet sieht. [Der Geizige] hat 
keinen   Blick   mehr   für   den     anderen."
12
  Es   geht   ihm   ausschließlich   um   das 
Vermehren oder Bewahren seiner materiellen Güter. In Zeiten großer Not, wie 
etwa im Mittelalter, wurde der Geiz daher schwer geächtet. War die wirtschaftli
che Lage der Gemeinschaft dagegen weniger angespannt oder sogar gut, wie z.B. 
in der Neuzeit, wurde der Geizige lediglich als eine lächerliche Figur dargestellt. 
Mehr zur historischen Bewertung von Geiz im Anschluss.
Im Geiz manifestiert sich also in gewisser Weise eine große Verlust bzw. 
Lebensangst, die durch beständige Kontrolle über Materielles auszugleichen ver
sucht wird. Geiz ist Kontrolle.
2.2 
   Die Bewertung von Geiz im Wandel der Zeit
Die moralische Bewertung von Geiz unterliegt im Laufe der Zeit immer wieder 
einem leichten Wandel. Geiz wird vom Individuum immer positiver bewertet, als 
die   Gesellschaft   dies   im   allgemeinen   tut.   Hier   begründet   sich   eventuell   die 
10 Gerbig / Buchtmann, 2003, S. 99
11 vgl. Schönberger, 2004, S. 31
12 Schönberger, 2004, S. 32
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Trennung in Privatmoral und Gesellschaftsmoral, obgleich doch gesellschaftlich 
die gleiche Verpflichtung gelten sollte wie im privaten sozialen Umfeld. Dennoch 
ist auffällig, dass Menschen im Privaten anders handeln und anderes erwarten, als 
sie  dies  in   einem   größeren  Zusammenhang  tun.   Beispielsweise  empfindet  ein 
Mensch es als schrecklich gemein, wenn ihm sein Fahrrad gestohlen wird. Der 
gleiche Mensch hat aber keine Hemmungen, in einem Kaufhaus ein oder zwei 
Artikel zu stehlen, ,,weil es denen ja nicht weh tut". Mit ,,denen" ist eine anony
misierte   Institution   gemeint,   die   es   böswillig   auf   das   Geld   des   Menschen 
abgesehen   hat.   Diese   objektiv   betrachtet   als   schizophren   zu   bezeichnende 
Unterscheidung in Privat und Gesellschaftsmoral ist ein Faktum menschlichen 
Zusammenlebens. Jeder ist sich selbst erst einmal der Nächste. Beim Geiz tritt 
dieses Verhalten verstärkt zutage.
2.2.1 
 Geiz in der Antike 
Der nachfolgende kurze Abriss durch die Meinungswelt der antiken Philosophie 
macht   deutlich, dass Geiz nicht zu den positiven Eigenschaften des Menschen 
zählte. Als gut und sinnvoll für das menschliche Handeln wurde damals die Mitte 
zwischen allen möglichen Extremen erkannt, in diesem Fall die gesunde Sparsam
keit zwischen Verschwendung und Geiz. Das angestrebte Ideal der antiken Phi
losophie war der Zustand, der in Abbildung 1 als neutraler Zufriedenheitszustand 
bezeichnet wird. Dieser neutrale Zufriedenheitszustand sollte nicht nur hinsicht
lich des persönlichen Glücksempfindens, sondern auch wegen seiner positiven 
Folgen für das Miteinander der Individuen angestrebt werden. Da der Zufrieden
heitszustand aber nur für die Wenigstens zu erreichen war, sollte der Einzelne den 
Mittelweg wählen. Nicht Geiz und nicht Verschwendungssucht bergen Glück oder 
gar Glückseligkeit in sich. Dies gilt vielmehr für das Maßhalten und zwar in den 
Bedürfnissen genauso wie im letztlichen Handeln. Den Ausgleich von Geben und 
Nehmen anzustreben, galt als wünschenswert. Geiz jedoch schafft keinen Aus
gleich und damit einen permanenten Unzufriedenheitszustand, der weder für das 
Individuum, noch für die Gemeinschaft dienlich ist.
Geiz wird in der antiken Literatur im Großen und Ganzen sehr negativ konno
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tiert. Im Geiz steckt, wie bereits erläutert, keine Bewegung. Der Geizige wird 
schon damals beschrieben als jemand, der sich von der Gemeinschaft in allem ab
sondert. Er ist lediglich an der Erfüllung seiner ureigensten Interessen und Bedürf
nisse orientiert und damit hat der Geiz, laut dem Urteil vieler antiker Philosophen, 
weder einen Nutzen für die Gemeinschaft noch einen für das Subjekt selbst. Der 
Geiz bremst das Subjekt in seiner Vervollkommung. Das Verhalten des Geizigen 
gilt als von niederen Motiven bestimmt und damit als gemeinschaftsfeindlich. 
Schon im antiken Griechenland gab es den Geiz und damit auch moralische 
Urteile über geizige Menschen. Epikur (341 271 v.Chr.) bezeichnet Geiz als un
anständige Eigenschaft. Für ihn ist ,,der größte Reichtum [...] die Selbstgenügsam
keit."
13
 Theophrast (371  322 v.Chr.) unterscheidet bereits zwischen drei Formen 
des Geizes: Der erste ist jener Geizige, der durch übertriebene Sparsamkeit in 
Geldangelegenheiten auffällt, von ihm als ,,Heuchler", ,,Schmeichler", ,,Großtuer", 
,,Miesmacher"  und  ,,Schwätzer"  bezeichnet.
14
  Als   zweiten   beschreibt   er   den 
Knickrigen, der  ,,einen Mangel an Ehrgefühl  im Geldausgeben"  zeigt und als 
dritten   beschreibt   er   den   Knausrigen,   dessen  ,,Streben   nach   schmählichem 
Gewinn" ihn zu einem unangenehmen Zeitgenossen macht.
15
Platon und Aristoteles gehen beide  im Gegensatz zu beispielsweise den So
phisten  vom Individuum aus. Der Ursprung einer tugendhaften Lebensführung, 
wozu der Geiz definitiv nicht gehört, liegt bei ihnen in der  ,,Ausbildung einer 
vortrefflichen Persönlichkeit, die durch Verantwortung für sich selbst und die Mit
menschen die höchste Form von Freude und Glück" bringen würde.
16
Aristoteles (384    322 v.Chr.), dessen philosophische Maxime ohnehin der 
heute so genannte goldene Mittelweg war, kann mit dem Geiz als einseitig über
triebener Eigenschaft wenig anfangen: ,,In Geldsachen, im Geben wie im Nehmen, 
ist die Mitte Freigiebigkeit, das Übermaß und der Mangel Verschwendung und 
Geiz, und zwar so, dass beide Fehler beide Extreme aufweisen, jedoch umgekehrt 
13 zitiert nach: Deutscher Sparkassenverband, 1958, S. 11
14 vgl. Busch, 2004, S. 391
15 ebd.
16 vgl. Malmquist. 2000, S. 33
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zueinander. [...] der Geizige dagegen nimmt zu viel und gibt zu wenig."
17
  Zwar 
gehört etwas, das er ,,Reichtum" nennt, für ihn zur Glückseligkeit des Menschen, 
jedoch nicht als Mittel zum reinen Selbstzweck, sondern als Werkzeug des Guten: 
,,Der Besitz eines Eigentums ist auch an sich schon unbeschreiblich angenehm. 
Nicht   ohne  Ursache  ist  uns  allen  die Selbstliebe  eingepflanzt  worden.  Sie   ist 
natürlich, und nur die Selbstsucht ist sträflich. Denn diese besteht nicht darin, dass 
sich jemand selbst liebe, sondern sie besteht in dem Übermaß dieser Liebe: Und 
ebenso ist es mit der Liebe zum Reichtum; denn wer liebt ihn nicht. [Aristoteles 
Ethik]"
18
  Im   Gegensatz   zu   Platon   sieht   Aristoteles   in   den   Kardinaltugenden 
Tapferkeit, Gerechtigkeit, Mäßigkeit und Weisheit keine im Menschen angelegten 
Verhaltensmuster. Er geht vielmehr davon aus, dass diese Tugenden auf Erfahrung 
und Vernunft basieren und sie jeder für sich selbst entwickeln muss: ,,Es ist mithin 
die Tugend ein Habitus des Wählens, der die nach uns bemessene Mitte hält und 
durch die Vernunft bestimmt wird [...]."
19
  Auch das Verhalten gegenüber Besitz 
muss ein Mensch entwickeln. Weder Geiz noch Verschwendungssucht würden das 
Wohlwollen von Aristoteles finden: ,,In allem, was kontinuierlich und was teilbar 
ist, lässt sich ein Mehr, ein Weniger und ein Gleiches antreffen, und zwar entweder 
mit Rücksicht auf die Sache selbst oder mit Rücksicht auf uns. Das Gleiche aber 
ist ein Mittleres zwischen Übermaß und Mangel."
20
 Er sieht in der Mitte den Weg 
zu   einem   glücklichen   Leben.   Aristoteles   und   Platon   betonen   beide   also   das 
asoziale und ehrlose Element, dass eine Eigenschaft wie Geiz mit sich bringt. In 
dieser   Ehrlosigkeit   des   Geizes   wirkt   das   asoziale   Element   auf   den   Geizigen 
zurück. Geiz wird als Dysbalance im Streben nach innerer und äußerer Balance 
identifiziert   und   eine   Dysbalance   führt   meist   zu   persönlichem   Unglück.  Bei 
Diogenes von Sinope (ca. 400325 v.Chr.) heißt es kurz und knapp: ,,Der Geiz ist 
die   Mutterstadt   aller   Übel."
21
  Weiter   führt   er   aus:  ,,Der   Geizige   ist   wie   der 
Wassersüchtige; denn auch er will, wenn er voll von Geld ist, noch mehr: beide zu 
17 Aristoteles, Kap. VII. 1995, S. 37
18 vgl. Deutscher Sparkassenverband, 1958, S. 10
19 Aristoteles, Kap. VI. 1995, S. 36
20 Aristoteles, Kap. V. 1995, S. 34
21 Höffe, 1998, S. 80
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ihrem Schaden. Denn die Leidenschaften wachsen um so mehr, je mehr man ihre 
Begierden befriedigt."
22
  Geiz, als Sucht verstanden, kann nie befriedigt werden. 
Daher ist das ,,unglücklich sein" eine zwangsläufige Folge.
Zusammengefasst kann man wohl behaupten, dass keiner der hier zitierten 
Autoren am Geiz etwas Positives finden konnte. Der Geiz gehörte nicht nur für 
Aristoteles zu den Extremen des menschlichen Verhaltens. Und dass im Extremen 
niemand die Glückseligkeit finden könne, darin waren sich alle Vertreter der ge
mäßigten Philosophie einig.
Dass Sparsamkeit durchaus eine Tugend, Geiz jedoch eine ungesunde Über
treibung ist, sahen auch viele Autoren im alten Rom so. Während Cicero einerseits 
schreibt: ,,Sparsamkeit ist eine gute Einnahme"
23
 [Paradoxa], führt er in De officiis 
(2. Buch, 24. Kap.) weiter aus: ,,Das Vermögen aber soll durch Mittel erworben 
werden, die von Unsittlichkeit frei sind. [...]"
24
. Seneca (4 v.Chr.  65 n.Chr.), der 
zu den Stoikern gehört, schreibt, dass ein Leben nur dann glücklich zu nennen ist, 
wenn der Mensch sich im Einklang mit der eigenen Natur befindet. Dazu gehört 
auch, sich frei zu machen von Bedürfnissen, die den Geist versklaven, indem man 
sich von deren Befriedigung abhängig macht.
25
 Er erkennt: ,,Nicht wer wenig hat, 
sondern wer viel wünscht ist arm."
26
  Ähnlich sieht es auch Plutarch (46    120 
n.Chr.) in seiner Moralia: ,,Wer wenig bedarf, der kommt nicht in die Lage, auf 
vieles   verzichten   zu   müssen."
27
  Auch   Plotin   (204  270   n.Chr.)   sieht   in   der 
Mäßigung den richtigen Weg: ,,Die bürgerlichen Tugenden nun, [...] indem sie den 
Begierden und überhaupt den Affekten Grenze und Maß setzen und das falsche 
Meinen beseitigen, formen die Menschen wahrhaft und machen sie besser [...]".
28
2.2.2 
 Geiz im Mittelalter
Im stark kirchlich geprägten Leben des Mittelalters  ,,[...] waren die denkenden 
Menschen von tiefer Verzweiflung über die irdischen Dinge erfüllt, die sich nur in 
22 Höffe, 1998, S. 80
23 zitiert nach: Deutscher Sparkassenverband, 1958, S. 11
24 ebd. S. 11
25 vgl. Höffe, 1998, S. 111
26 zitiert nach: Deutscher Sparkassenverband, 1958, S. 12
27 ebd. S. 13
28 Höffe, 1998, S. 119
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der Hoffnung auf ein späteres, besseres Jenseits ertragen ließen. Schuld an diesem 
inneren Elend waren die Ereignisse in Westeuropa. [In einer] Epoche der Kata
strophen sank das Niveau des allgemeinen Wohlergehens plötzlich stark ab [...]"
29
. 
So erklärt sich auch, weshalb das Verhalten des Menschen in den Mittelpunkt der 
Beurteilung gerückt und jegliches Streben nach weltlichen Gütern verdammt wird. 
Sein   Fehlverhalten   ist   nicht   länger   Schicksal,   sondern   Sünde   und   damit   ein 
schuldhaftes   Vergehen   wider   Gott.   Es   wird   ein   Tugendkatalog   entworfen,   be
stehend aus Liebe, Hoffnung, Demut, Erbarmen, Geduld, Glaube und Keuschheit, 
an den der Mensch sich zu halten hat, sofern er Vergebung von Gott und damit das 
bessere Leben im Jenseits erlangen möchte.
30
  Die Untugenden oder Todsünden 
dagegen, wie etwa der Geiz, führen in ein noch schrecklicheres Leben nach dem 
Tod. Die Einordnung des Geizes als eine der sieben Todsünden war aus Sicht der 
damaligen Zeit gemeinschaftsnotwendig. 
Die Einstellung zu Tugenden und Untugenden ist im Mittelalter stark geprägt 
von der Lehre der römischkatholischen Kirche und  wie bereits erwähnt  der 
allgemeinen wirtschaftlichen Situation.  ,,Im Alten Testament werden Geiz und 
Habgier noch als Torheiten bezeichnet. Das Neue Testament geht einen Schritt 
weiter  und  verurteilt   den  Geiz  als   Götzendienst   und  die  Habgier   als   gemein
schaftsschädigende, egoistische Entgleisung mit Tendenz zur Gewalttätigkeit."
31
Das   Verständnis  des   menschlichen   Handelns   ist   im   Mittelalter   bestimmt   vom 
Glauben an die Sünde. Dieser Glaube an die Sündhaftigkeit und die Schuld des 
Menschen ist bis dato in diesem Ausmaß noch nicht da gewesen. ,,Im Daseinsver
ständnis der griechischen Tragödie ist die Schuld nicht moralisch und theologisch 
verstanden, sondern als schicksalhafte Notwendigkeit in der Existenz des Men
schen begründet."
32
  Determinismus, Fatalismus und der Dualismus der antiken 
Philosophie verhinderten ein Aufkommen eines ähnlichen Bewusstseins für Sünde 
und Schuld, wie es die Kirche im Mittelalter verbreitete. 
Unter Sünde versteht man das ,,Handeln (wollen) ohne Gott bzw. gegen Gottes 
29 Russel, 1999, S. 320
30 vgl. Malmquist, 2000, S. 43
31 Schönberger, 2004, S. 27
32 Fries, 1963, S. 597
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Gebote".
33
  Die   klassische   Sündenlehre  wie   wir   sie   heute  größtenteils   kennen, 
entwickelte erst Augustinus und später Thomas von Aquin.
34
  In der Scholastik 
wurde dann die Unterscheidung in Todsünde und lässliche Sünde getroffen. Die 
Todsünde ist eine den Menschen aus dem Gnadenstand ausschließende, d.h. zum 
geistigen Tod führende, Sünde.
35
 Es gibt in der katholischen Lehre (speziell in der 
Dogmatik) sieben Todsünden: Stolz (Superbia), Geiz (Avaritia), Neid (Invidia), 
Zorn (Ira), Wollust (Luxuria), Völlerei (Gula) und Faulheit (Acedia).
36
Der Geiz wird hier also sehr klar negativ gewertet. Derart deutlich steht dies in 
der Bibel nicht, wenngleich das Abfallen vom Glauben bzw. das zu starke Hin
wenden an weltliche Güter Strafandrohungen nach sich zieht. Im Brief des Paulus 
an die Römer heißt es beispielsweise: ,,Denn Gottes Zorn wird vom Himmel her 
offenbart über alles gottlose Wesen und alle Ungerechtigkeit der Menschen [...]"
37
. 
Im ersten Brief des Paulus an die Korinther steht zu lesen: ,,[...] Ihr sollt nichts mit 
einem zu schaffen haben, der sich Bruder nennen lässt und ist ein Unzüchtiger 
oder ein Geiziger oder ein Götzendiener [...]; mit so einem sollt ihr auch nicht 
essen."
38
  Vor den Irrlehren, zu denen auch die Liebe zum Geld gezählt wurde, 
warnt Paulus in seinem zweiten Brief an Petrus: ,,[...] und aus Habsucht werden 
sie euch mit erdichteten Worten zu gewinnen suchen. [...]"
39
. Folgendes ist im 
MatthäusEvangelium (Neues Testament) zum Verhältnis Glauben und Habgut zu 
lesen: ,,Niemand kann zwei Herren dienen: entweder wird er den einen hassen und 
den anderen lieben, oder er wird an dem einen hängen und den anderen verachten. 
Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon."
40
 Geld wird hier als Konkurrenz 
zu Gott bzw. zum Glauben verstanden. Jede Konkurrenz birgt eine Entscheidungs
möglichkeit für das eine oder das andere in sich. Der Inhalt der Bibel bestimmte 
das mittelalterliche Leben maßgeblich. So konnte auch die potentielle Entschei
33 Hauck / Schwinge, 2002, S. 189
34 Fries, 1963, S. 601
35 Hauck / Schwinge, 2002, S. 189
36 Wikipedia 2005/2006: Todsünden
37 Bibel, Neues Testament: Römer 1,18 
38 Bibel, Neues Testament: 1 Korinther 5,11
39 Bibel, Neues Testament: 2 Petrus 2,3
40 Bibel, Neues Testament: Matthäus 6,24
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dung für das Materielle für den Gläubigen über die Sündenlehre unattraktiv ge
macht werden. Im ersten Brief des Paulus an Timotheus wird die übertriebene 
Orientierung am Weltlichen ebenfalls erwähnt:  ,,Denn Geldgier [Geiz] ist eine 
Wurzel allen Übels; danach hat einige gelüstet, und sie sind vom Glauben abgeirrt 
und machen sich selbst viel Schmerzen."
41
  Dieses Bibelzitat erinnert wohl nicht 
von   ungefähr   an   den   Satz   von   Diogenes   ,,Der   Geiz   ist   die   Mutterstadt   allen 
Übels", der bereits unter 2.2.1 zitiert wurde. Auf diesen Ausspruch jedenfalls geht 
das allseits bekannte Sprichwort ,,Geiz ist die Mutter aller Übel" zurück. Auf die 
Mutter wird sich wegen der weiblichen Fähigkeit des Gebärens bezogen. Geiz ge
biert also Übel. Für den Gläubigen darf es immer nur ein entweder / oder geben: 
entweder er glaubt an Gott oder er glaubt an das Geld. Dies erscheint sehr bizarr, 
kann man doch an Gott glauben und dennoch Geld verdienen oder sparen. Es ist 
jedoch anzunehmen, dass sich diese Verteufelung von weltlichen Gütern aus den 
damaligen Notsituationen erklärt. Wenn die Menschen damals kaum genug zu 
essen hatten, war jemand der ihren (also kein Adeliger), der sich hauptsächlich um 
die Vermehrung seines Besitzes kümmerte und nichts abgab, eine Gefahr für die 
leidende Gemeinschaft. Das soziale Geben war sehr wichtig für das Überleben 
vieler. So wird auch verständlicher, weswegen der Geiz im römischkatholischen 
Glauben damals zu einer Todsünde stigmatisiert wurde. In einer Zeit, in der es 
wichtig   war,   dass   die   Gemeinschaft   zusammenhielt,   konnte   das   Ausscheren 
Vereinzelter durchaus gefährlich für alle sein.
42
Im höfischen Rittertum des Mittelalters dann schloss der Tugendkodex den 
Geiz als gänzlich unsittlich aus. Ein vollkommener Ritter hatte sich durch seine 
innere Haltung, sein ästhetisches Äußeres sowie durch Tapferkeit und Selbstlosig
keit auszuzeichnen.
43
 Übertriebenes Besitzstreben oder Festhalten am Besitz hätte 
den Ritter gemäß der christlich geprägten Tugenden der höfischen Zeit unwürdig 
gemacht. Geiz bei einem Ritter wurde als Verrat am ,,höheren Ziel", nämlich Gott 
und der Gemeinschaft, angesehen. 
41 Bibel, Neues Testament: 1. Timotheus 6,10
42 Über die Zustände im Mittelalter und den Einfluss der Kirche interessant nachzulesen bei Rus
sel, 1999, S. 317ff
43 vgl. Malmquist, 2000, S.45
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2.2.3 
 Geiz in der Neuzeit
In der Neuzeit wird Geiz nicht mehr als Todsünde verstanden. Die Bewertung 
dieser Eigenschaft hat sich im Zuge einer neuen Lebensauffassung, sichererer 
Lebensumstände und gelinderter wirtschaftlicher Not gemildert. Wie revolutionär 
die neue Auffassung von Arbeit ist, zeigt sich in einem deutlichen Wandel der 
Werte. ,,Seit jeher und seit der Antike sogar philosophisch begründet hatte gegol
ten, dass nicht die Arbeit, sondern die Kultivierung der Muse zum wahren Men
schen führt. Jetzt kehrt sich das Verhältnis um [...].
44
 In der Arbeit wird der neue 
Sinn des Lebens und die Aufgabe eines jeden Individuums gesehen. Mit dieser 
Einstellung ändert sich aber auch das Verhältnis der Menschen zum Geld. Die Be
lohnung für ein arbeitsreiches Leben mag ja im Jenseits auf jeden warten, viel nä
her ist sie den Menschen allerdings in Form von geldwerter Bezahlung im Dies
seits.
Zwar gilt Geiz noch immer als ein Laster, doch beschäftigt man sich offener 
mit den wirtschaftlichen Vor und Nachteilen von Geiz. Die sozialen Nachteile des 
Geizes geraten etwas aus dem Fokus der Betrachtung. Durch das Aufkommen des 
Kapitalismus   als   Wirtschaftsordnung   gewinnt   das   Geld   nicht   nur   als   Zah
lungsmittel zunehmend an Bedeutung. Die gesellschaftlichen Strukturen weichen 
etwas auf. Nicht die Geburt alleine bestimmt nunmehr das Schicksal eines Men
schen. Über Bildung und Fleiß können sich die Individuen nach oben arbeiten. 
Ansehen   genießt   nun   immer   mehr,   wer   über   ausreichende   finanzielle   Mittel 
verfügt, selbst wenn seine sozialen Fähigkeiten bestenfalls minimal sind. Diese 
Orientierung   an   wirtschaftlichen   Gesichtspunkten   fördert   eine   mildere 
Beurteilung   von   Geiz,  versucht   doch  der  Geizige  immerhin,  seinen  Besitz  zu 
wahren oder gar zu vergrößern. Trotzdem wird die zu heftige Ausprägung von 
Geiz   weiterhin   negativ   aufgenommen,   da   der   Geiz   letztendlich 
kapitalismusfeindlich ist: Dort, wo nichts gegeben wird, kann nichts genommen 
werden. Geiz ist also nach wie vor keine Tugend.
,,Die Einheit des Reiches, der Kirche und der ständischen Feudalgesellschaft 
44 Krockow von, 1989, S. 17
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konnte [...] im ausgehenden Mittelalter nicht mehr aufrecht erhalten werden. Die 
Einheit der abendländischen Kirche zerbricht durch die Reformation endgültig. 
Damit hört auch die Identität des Christentums mit der einen, gesellschaftlich 
verfassten Kirche im abendländischen Kulturraum auf."
45
 Mit diesem Zusammen
bruch   der   kirchlichen   Werteordnung   und   dem   wirtschaftlichen   Erstarken   der 
Länder ist Raum für neue Einflüsse und eine Umorientierung in der Bewertung 
vieler Eigenschaften, so auch des Geizes.
Als nachhaltig beeinflussend erweist sich die Umwertung von Arbeit als reiner 
Berufstätigkeit zur inneren Berufung. Leistung statt Luxus lautet ab sofort die De
vise, die im Puritanismus so weit getrieben wird, dass es außer Arbeit und Gebet 
überhaupt nichts mehr geben soll.
46
  Baruch Spinoza (1632  1677) sieht im Geiz 
eine Spielart der Liebe.
47
 Das mag seltsam klingen, ist aber gar nicht so abwegig, 
wenn man bedenkt, was Menschen alles zu lieben glauben. Spinoza spielt auf die 
Liebe zum Geld an, die, wie auch die Liebe zu einem Menschen, krankhafte Züge 
annehmen kann.  Dieser übertriebenen  Liebe  zum  Geld oder  auch  zum  Besitz 
gegenüber ist der geizige Mensch ohnmächtig. Im Grunde argumentiert Spinoza 
hier schon auf dem Gleise der modernen Psychologie. Dennoch entschuldigt er 
Geiz nicht als Krankheit. Ein solches Verständnis von Spinoza würde zu weit füh
ren. Geiz ist für ihn ein Affekt, ebenso wie die Verschwendung, und beide sind 
bedenkliche Extreme des menschlichen Verhaltens.
Immanuel Kant (1724  1804) hat sich ebenfalls mit dem Geiz beschäftigt. 
Ähnlich   wie   Theophrast   unterscheidet   er   drei   Formen   des   Geizes:   den   hab
süchtigen, den kargen und den gegen sich selbst gerichteten Geiz.
48
  Unter dem 
habsüchtigen Geiz versteht Kant die Erweiterung der Mittel zum Wohlleben, je
doch über die Schranken der wahren Bedürfnisse hinaus. Der habsüchtige Mensch 
verstößt damit gegen die Pflicht der Wohltätigkeit gegen andere. Der karg Geizige, 
oder   auch   knickrige   Mensch,   macht   sich   einer   Vernachlässigung   seiner 
Liebespflicht nicht nur gegen andere sondern auch gegen sich selbst schuldig, in
45 Coreth; Schöndorf, 1983, S. 14
46 vgl. Krockow von, 1989, S. 16
47 vgl. Busch, 2004, S. 390 und Höffe, 1998, S. 206
48 Kant, 1998a, S. 565 ff.
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dem er mehr nimmt als er gibt. Der Geiz gegen sich selbst ist als das Absenken 
des eigenen Genusses unter das wahre Maß der eigenen Bedürfnisse zu verstehen, 
womit der Geizige wieder gegen die Liebespflicht gegen sich selbst verstößt.
49
 In 
der ,,Anthropologie in pragmatischer Hinsicht" schreibt Kant zu diesem Thema: 
,,[Das Geld] hat eine Habsucht hervorgebracht, die zuletzt auch ohne Genuss in 
dem blossen Besitze, selbst mit Verzichtuung (des Geizigen) auf allen Gebrauch 
eine Macht erhält, von der man glaubt, dass sie den Mangel jeder anderen zu 
ersetzen   hinreichend   sei."
50
  Für   Kant   ist   Geiz   zwar   nicht   immer   moralisch 
verwerflich
51
, dennoch sieht er in ihm einen klaren Verstoß gegen die Pflichten, 
die ein Mensch gegenüber sich selbst und der Gemeinschaft hat. Er beruft sich 
hierbei   u.a.   auch   auf   die   Tugendlehre   des   Aristoteles.   Im   Gegensatz   zu   der 
Gewichtung von Geiz als eine der sieben Todsünden im Mittelalter, nimmt Kant, 
als einer der Vertreter der Neuzeit, das Laster ganz offensichtlich etwas leichter. 
Dies erklärt sich dadurch, dass sich seit dem 16. Jahrhundert die Beurteilung von 
Geld grundlegend geändert hat.
52
 Dies hing mit dem aufkeimenden Kapitalismus 
als neuer Wirtschaftsordnung zusammen. ,,Durch das Heraustreten aus den alten 
Gemeinschaften wurden künstliche und kunstvolle Beziehungen in neuer Form ge
schaffen. Die zunehmende Entpersönlichung und Entkonkretisierung, das heißt 
die  fortschreitende Versachlichung  oder  Vergeistigung aller Lebensformen,  die 
Verflüchtigung aller wirtschaftlichen Vorgänge gestalteten das Leben verwickel
ter, unübersichtlicher, schwieriger."
53
Francis Bacon (1561  1654) plädierte beispielsweise 1597 mit einem Essay 
noch für die Beibehaltung des Wuchers, als konstituierende Bedingung für den 
Kapitalismus.
54
 Doch auch wenn er über den Geiz selbst nichts sagt, schreibt er: 
,,Eigennützigkeit   ist  in   all  ihren  Spielarten etwas  niederträchtiges."
55
  Bei  aller 
Begeisterung für den Kapitalismus geht auch Bacon offensichtlich nicht so weit, 
49 vgl. ebd. S. 566
50 Kant, 1983, S. 220
51 vgl. Kant, 1983, S. 220: Altersgeiz als Ausgleich körperlichen Unvermögens
52 vgl. hierzu auch Sombart, 2003, S. 85 ff sowie S. 97 ff
53 Sombart, 2003., S. 98
54 vgl. Busch, 2004, S. 395
55 Höffe, 1998, S. 186
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den Geiz tatsächlich als Tugend und nicht als Laster zu bezeichnen.
JeanJacques Rousseau (1712  1778) beschreibt den Preis der Aufbruchstim
mung   in   der   Neuzeit  folgendermaßen:  ,,In   dem   Maß,   in   dem  unsere  Wissen
schaften   und   Künste   zur   Vollkommenheit   fortschritten,   sind   unsere   Seelen 
verderbt geworden."
56
Ähnlich sieht es Voltaire wenn er schreibt: ,,[...] denn in der 
Gesellschaft nehmen die Mängel zu, und die guten Eigenschaften vermindern 
sich."
57
Nicht fehlen darf an dieser Stelle natürlich Molières Darstellung eines Gei
zigen in seiner Prosakomödie ,,Der Geizige". Am Beispiel des alten Harpagon 
zeigt Molière die bösen Folgen des Geizes, der bei dem Protagonisten alle natürli
chen Empfindungen und   Reaktionen ausgelöscht hat. Der Inhalt seiner Geld
kassette bedeutet ihm mehr als das Glück seiner eigenen beiden Kinder. Seine 
Tochter Elise verspricht er einem alten Mann, weil dieser bereit ist, auf die übliche 
Mitgift zu verzichten. Sein Sohn soll eine berüchtigte Witwe heiraten, die über ein 
gewisses Vermögen verfügt. Während er all dies in die Wege leitet, hat Harpagon 
beständig panische Angst davor, bestohlen zu werden.
58
  Diese Angst beherrscht 
fast sein gesamten Denken, den Rest verwendet er darauf, mit allerlei nicht immer 
legalen Geschäften sein Vermögen zu vermehren. Harpagon verwendet seine ge
samte Energie darauf, Besitz zu halten und am Besten auch zu vermehren, seine 
Pflichten als Vater ebenso wie die als Mitglied der Gemeinschaft vernachlässigt er 
sehr stark. Schlimmer noch: er erkennt sie nicht einmal. Am Ende der tragisch
komischen Handlung siegt die Liebe über den Geiz, also das Soziale über das An
tisoziale. Sohn und Tochter wählen jeweils einen Partner, den sie lieben, und Har
pagon bleibt mit seiner Geldkassette alleine zurück.
2.2.4 
 Geiz in der Moderne
Nachdem der Geiz nun also erst etwas eher Lächerliches (Antike), dann eine Tod
sünde (Mittelalter), dann wieder eine hinzunehmende Schrulligkeit (Neuzeit) war, 
56 Höffe, 1998, S. 222
57 Schleichert, 1998, S. 111
58 vgl. Molière, 1987, S. 13: Harpagon beschuldigt den unschuldig wartenden La Flèche, ihn 
bestohlen zu haben und erdreistet sich, ihn zu durchsuchen.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2006
- ISBN (eBook)
- 9783836605120
- Dateigröße
- 1.2 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Bayreuth – Philosophie, Sozialphilosophie
- Erscheinungsdatum
- 2014 (April)
- Note
- 1,7
- Schlagworte
- philosophie gesellschaft konsum identität verantwortung
- Produktsicherheit
- Diplom.de
 
					